Rundbrief Referat für Ökumene, Partnerschaften, Mission und Entwicklungsdienst - Evangelisch-Lutherische Kirche in ...

 
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Rundbrief Referat für Ökumene, Partnerschaften, Mission und Entwicklungsdienst - Evangelisch-Lutherische Kirche in ...
Referat für Ökumene, Partnerschaften,
                                                        Mission und Entwicklungsdienst

                         Rundbrief
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                                                                       Ausgabe 03/2020
Rundbrief Referat für Ökumene, Partnerschaften, Mission und Entwicklungsdienst - Evangelisch-Lutherische Kirche in ...
Selig sind,
    die Frieden
                     Bild: Ökumenische Friedensdekade e.V.

         stiften,
denn sie werden
  Gottes Kinder
         heißen.
    (Matthäus 5,9)
Rundbrief Referat für Ökumene, Partnerschaften, Mission und Entwicklungsdienst - Evangelisch-Lutherische Kirche in ...
Liebe Leserin, lieber Leser,

Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Ein Glaube, der nicht hofft,
ist krank. Er ist wie ein hungriges Kind, das nicht essen oder
wie ein müder Menschen, der nicht schlafen will … und es
ist keine Schande zu hoffen, grenzenlos zu hoffen.“

                                                                                                                    © Evang.-Luth. Kirche in Bayern
Weltweit wirbelt uns die Corona-Pandemie im Moment
gehörig durcheinander. Vieles, was planbar und damit
kontrollierbar erschien, wird unsicher. Viele der geplan-
ten Vorhaben im ökumenischen Bereich werden dadurch
zu einem Vabanquespiel. Kann der ÖKT 2021 stattfinden?
Falls ja, in welcher Form? Können die ausländischen Gäste
zum Eröffnungswochenende der Fastenaktion 2021 anrei-
sen? Wird es möglich sein, dass Teams aus Schweden und
aus Bayern sich im Rahmen des Austauschprogramms zwi-
schen dem Skara Stift und der Evangelisch-Lutherischen           Ökumenerundbrief
Kirche 2021 treffen können?                                      Ausgabe 03/2020

Trotzdem steht die ökumenische Arbeit nicht still.
Eine große Bandbreite von ökumenischen Themen erwartet             04   Bewahrung der Schöpfung
Sie in diesem Rundbrief. Lassen Sie sich anstecken von der         07   „Gemeinsam am Tisch des Herrn“
vielfältigen Hoffnung, die hier enthalten ist.                     08   Catholica
                                                                   11   Ökumenischer Kirchentag 2021
Und um noch einmal Bonhoeffer zu zitieren: „Je mehr ein
Mensch zu hoffen wagt, desto größer wird er mit seiner             12   Reaktionen zur Umwandlung der Hagia Sofia
Hoffnung: Der Mensch wächst mit seiner Hoffnung – wenn             14   Mittelosteuropa:
es nur die Hoffnung auf Gott und seine alleinige Kraft ist.“       		   Diasporaarbeit in Bayern
                                                                   		   Staatskirchenvertrag Ungarn
Herzliche Grüße aus dem Ökumenereferat und seien Sie
behütet                                                            16   Islamischer Unterricht
                                                                   17   Christen im Orient
                                                                   18   Partnerschaft mit Skara
                                                                   20   Interkulturell Evangelisch
                                                                   22   Stiftung Wings of Hope
                                                                   23   Ökumenische Alltagsexerzitien
Heinz Dunkenberger-Kellermann
Leiter Ökumenische Studienarbeit                                   24   Christlich-jüdischer Dialog
                                                                   25   Termine
                                                                   26   Neu im Ökumenereferat
                                                                   27   Ansprechpartner im Ökumenereferat
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4     Thema: Bewahrung der Schöpfung

Die Bewahrung der Schöpfung –
eine gemeinsame Aufgabe in Europa und Thema der Fastenaktion 2021
„Umweltschutz“ und „Nachhaltigkeit“ werden bis heute                          Anzeichen für ein neues Bewusstsein für Nachhaltigkeit
in Europa aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln dis-                        und Umweltschutz.
kutiert. In vielen Ländern Westeuropas entstand seit den
1960er Jahren eine breite Umweltbewegung, die sich für                        Die Kirchen in Europa sind mit dem Thema „Umwelt-
eine ressourcen- und umweltschonendere Lebensweise                            schutz“ unterschiedlich umgegangen. In (West)deutsch-
einsetzte, und zahlreiche konkret im Alltag erlebbare Er-                     land gewann die Umweltbewegung starken Einfluss in
gebnisse erreichte, wie zum Beispiel das Verbot von FCKW,                     der Evangelischen Kirche, die sich fortan intensiv um die
verpflichtende Katalysatoren in Autos, Recycling und                          Bewahrung der Schöpfung bemühte und dieses Handeln
Mülltrennung. Hinter dem „Eisernen Vorhang“ spielte das                       dezidiert theologisch begründete. Heute gibt es klima-
Thema „Nachhaltigkeit“ ebenfalls eine große Rolle, aller-                     schonende Angebote und Prozesse zu Mobilität, Beschaf-
dings unter anderen Vorzeichen, galt es doch, das Leben in                    fung, Energiemanagement, aber auch zu Biodiversität auf
einer vom Mangel an bestimmten Waren und Gütern ge-                           kirchlichen Friedhöfen und mit dem „Grünen Gockel“ ein
prägten Gesellschaft zu meistern: Was heute „upcycling“                       Verfahren zur Zertifizierung des Umwelt-Managements
heißt, also die Wiederverwendung und Umwandlung von                           in Gemeinden und Dekanaten. Zeitlich parallel wurden in
vermeintlichen Abfallprodukten in nützliche Dinge, gab es                     der ehemaligen DDR die Kirchen zu einem Dach der ent-
in Mittelosteuropa jahrzehntelang völlig selbstverständlich                   stehenden Umweltbewegungen, indem sie auf die zuneh-
und mit großer Kreativität, um rare und darum kostbare                        mende Naturzerstörung und Gefahren durch Kernenergie
Waren des alltäglichen Bedarfs möglichst lange nutzen zu                      hinwiesen und sie Bewahrung der Schöpfung zu einer
können. Das war weniger getrieben vom Gedanken an den                         zentralen kirchlichen Aufgabe machten2. So überrascht es
Klimaschutz, wohl aber an den schonenden Umgang mit                           nicht, dass aus evangelischen Kreisen hierzulande auf die
vorhandenen Ressourcen. In den 1980er und 90er-Jahren                         Klimaschutzbewegung „Fridays for future“ äußerst positiv
allerdings wurde auch in Mittelosteuropa die Zerstörung                       reagiert wurde. Sprach man in Mittelosteuropa 2019, also
der Natur und die daraus resultierenden Gefahren für Um-                      zu Hochzeiten der Bewegung, Kirchenvertreter in Mittel-
welt und Leben unübersehbar: Tschernobyl, verseuchte                          osteuropa auf das Phänomen an, war dieses dort weitge-
Böden in der „dreckigsten Stadt Europas“, Bitterfeld, un-                     hend unbekannt. Allgemein gilt Klimaschutz heute in der
geklärte Abwässer an Schwarzmeer und Adriaküste, und                          europäischen Ökumene als wichtiges, aber eher „westlich
viele weitere Probleme führten die bestehenden Missstän-                      besetztes“ Thema, während in Mittelosteuropa andere He-
de anschaulich vor Augen.                                                     rausforderungen stärker im Fokus stehen: Evangelische
                                                                              Identität in der absoluten Minderheitssituation der Dias-
Heute leben wir in einem geeinten Europa und sind Teil                        pora, Armutsbekämpfung, Maßnahmen gegen Abwande-
einer globalen Weltwirtschaft – mit all ihren uneinheit-                      rung von Gemeindegliedern und Fachkräften in den Wes-
lichen Betrachtungen zum Thema „Umweltschutz und                              ten, Ehe und Familie, usw.
Nachhaltigkeit“, je nach Gewichtung von wirtschaftlichen
und kommerziellen Interessen, aber auch nach wirtschaft-                      Das Land Slowenien hat früher als andere Länder Mittelost-
lichen Möglichkeiten der Länder. Zwar spricht der Profes-                     europas entdeckt, dass Natur- und Artenschutz ein wichti-
sor für Kulturanthropologie an der Universität Sofia, Ivaylo                  ger Wirtschaftsfaktor sein können. Heute steht ca. 1/3 des
Ditchev, nach wie vor von einem „Eisernen Vorhang der                         Landes unter Naturschutz und ein langsamer, nachhaltiger
Ökologie“, der Nordwest- und Südosteuropa teilt, betont                       Tourismus ist zu einem wichtigen Wirtschaftszweig gewor-
aber gleichzeitig, dass lokal und angesichts konkreter Fälle                  den, der viele Arbeitsplätze sichert. So wächst ein neues
der Umweltzerstörung durchaus Protestbewegungen von                           Bewusstsein für Nachhaltigkeit – auch in ganz Mittelost-
Bürgerinnen und Bürgern wachsen. In Mittelosteuropa                           europa, da Slowenien ein beliebtes Urlaubsland der ganzen
gibt es beispielsweise starkes regierungspolitisches Inter-                   Region ist.
esse an preiswerten konventionellen Energieträgern (Polen
stellt z.B. ca. 80% seiner Energie aus Kohle her und möchte
diese bis 2049 weiter abbauen), doch auch in der stark von
Luftverschmutzung durch Kohleheizungen betroffenen
Region formieren sich mittlerweile Bürgerinitiativen, die
für die Problematik sensibilisieren1. So entsteht eine kom-                   Die Fastenaktion 2021 der Evangelisch-Lutherischen
plexe Gemengelage aus politischen und wirtschaftlichen                        Kirche in Bayern steht unter dem Motto „Die Welt von
Interessen, engen finanziellen Spielräumen, aber auch als                     Morgen erhalten: Schöpfung bewahren!“ und arbeitet

1          https://www.mdr.de/nachrichten/osteuropa/land-leute/polens-dreckigste-stadt-100.html
2          https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/260210/umweltschutz-als-opposition-von-kirchen-und-gruppen-in-der-spaeten-ddr

    Ökumenerundbrief 03/2020
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Thema: Bewahrung der Schöpfung                5

schwerpunktmäßig mit Slowenien zusammen, unterstützt         können und um die Energiekosten zu senken, ist eine ener-
aber auch andere thematisch passende Projekte und Pro-       getische Sanierung des Gebäudes notwendig.“
gramme in ganz Mittelosteuropa. In Slowenien soll ein
Kirchenzentrum saniert werden, wobei ein besonderes Au-      Die Bewahrung der Schöpfung als gemeinsame kirchliche
genmerk auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit gelegt       Aufgabe will also, so zeigt es das Beispiel der Fastenaktion,
werden soll. Gleichzeitig spielt das zentrale Gebäude eine   andere theologisch relevante Themen nicht ersetzen. Viel-
wichtige Rolle in der Kirchen- und Gemeindeentwicklung,      mehr soll sie an die unterschiedlichen kirchlichen Initiati-
ist es doch Begegnungs- und Tagungszentrum ebenso wie        ven zu Umweltschutz anknüpfen und einen Beitrag leisten,
Ort von Diakonie, Seelsorge und Erwachsenenbildung. Da-      damit der Auftrag zur Bewahrung der bedrohten Schöp-
bei stellt die Evangelische Kirche in Slowenien ganz be-     fung bei Kirchen- und Gemeindeentwicklung, aber auch
wusst in den Mittelpunkt, dass die Sanierung Nachhaltig-     in Bildung und Beratung, neu ins Bewusstsein rückt. Pro-
keit und Ressourcenschutz zentral berücksichtigen solle.     fitieren können davon Menschen und Kirchengemeinden
Bischof Leon Novak: „Das Gebäude wurde 1969 erbaut und       ganz direkt dank wachsender Lebensqualität, unmittelbar
seitdem nicht mehr gründlich saniert, da man immer den       aber zu Gute kommen energetische Sanierungen auch dem
kleinen Gemeinden und anderen Hilfsprojekten den Vor-        Klima insgesamt.
rang gegeben hat. Um das Objekt nachhaltig verwalten zu

                       Die Fastenaktion 2021 wird am 28.2.2021 in Würzburg eröffnet.
                       Alle Informationen finden Sie unter
                       www.bayern-evangelisch.de/fastenaktion
                       Erstmals können Sie auch online spenden und unterstützen unter
                       https://www.sonntagskollekte.de/kollekte-115/

                                                                                                              KR Raphael Quandt
                                                                                        Referent für Ökumene und Mittelosteuropa

Zentrale Feier zum ökumenischen Tag der Schöpfung 2021 am Bodensee
Die letzte Woche der Sommerferien am Bodensee verbrin-       in ihrer eigenen Gemeinde oder Region zusammen mit
gen? 2021 lohnt sich das in besonderer Weise. Denn die       den ökumenischen Partnern vor Ort feiern wollen, gibt es
zentrale Feier des ökumenischen Tags der Schöpfung 2021      wieder die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Materialien dazu
ist am 4. September 2021 länderübergreifend am Boden-        können ab Frühjahr 2021 in der Ökumenischen Centrale,
see (Lindau, Bregenz, Romanshorn) geplant. Sie wird in       der Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft Christlicher
Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher      Kirchen bezogen werden. (Link zum Shop siehe Seite 6)
Kirchen in der Schweiz (AGCK), dem Ökumenischen Rat
der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der ACK Bayern und den     Der ökumenische Tag der Schöpfung wird in Deutschland
Kirchen vor Ort vorbereitet. Das Vorbereitungsteam hat       seit 2010 gefeiert. Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag
ein Konzept für die Feier und mehrere Vorschläge für das     wurde die Einführung des ökumenischen Tags der Schöp-
Motto 2020 erarbeitet. Nach einem längeren Beratungs-        fung im Rahmen der zentralen ökumenischen Feier zu
prozess hat es das Motto „Damit Ströme lebendigen Was-       Christi Himmelfahrt feierlich proklamiert. Die Einführung
sers fließen“ formuliert, das den entsprechenden Gremien     greift eine Empfehlung der Charta Oecumenica auf, die
aller drei Länder vorgelegt wird. Das Motto eröffne ein      2001 Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter
ganzes Themenspektrum: „Angesprochen werden verschie-        den Kirchen in Europa formuliert hatte:
dene Aspekte, wie Wasserversorgung, -verschmutzung und
-wirtschaft sowie allgemein Missbrauch dieser universellen   „Im Glauben an die Liebe Gottes, des Schöpfers, erkennen
Ressource zulasten von Mensch und Natur, Flora und Fau-      wir dankbar das Geschenk der Schöpfung, den Wert und
na. Konflikte zugunsten von Eigeninteressen, die Länder      die Schönheit der Natur. Aber wir sehen mit Schrecken,
und ganze Gesellschaften spalten, sind bekannt. Das Motto    dass die Güter der Erde ohne Rücksicht auf ihren Eigenwert,
kann jedoch daran erinnern, dem Wasser seine eigentliche     ohne Beachtung ihrer Begrenztheit und ohne Rücksicht auf
lebenserhaltende Natur zu bewahren bzw. wiederherzu-         das Wohl zukünftiger Generationen ausgebeutet werden.
stellen, so dass Wasser den Menschen mit Gott und zu-        Wir wollen uns gemeinsam für nachhaltige Lebensbedin-
gleich mit anderen Menschen, mit anderen Ländern und         gungen für die gesamte Schöpfung einsetzen. In Verant-
mit der gesamten Schöpfung verbindet.“                       wortung vor Gott müssen wir gemeinsam Kriterien dafür
                                                             geltend machen und weiter entwickeln, was die Menschen
Auch für alle, die den ökumenischen Tag der Schöpfung        zwar wissenschaftlich und technologisch machen können,

                                                                                                    Ökumenerundbrief 03/2020
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6     Thema: Bewahrung der Schöpfung

aber ethisch nicht machen dürfen. In jedem Fall muss die       Schöpfung“ im Herder-Verlag erschienen, die in enger Zu-
einmalige Würde jedes Menschen den Vorrang vor dem             sammenarbeit zwischen der ACK in Deutschland und der
technisch Machbaren haben.                                     ACK Region Südwest entstanden ist. Sie sammelt Beiträge
                                                               aus theologischer, ethischer, politischer und gesellschaftli-
Wir empfehlen, einen ökumenischen Tag des Gebetes für          cher Perspektive zu Fragen der Schöpfungsverantwortung.
die Bewahrung der Schöpfung in den europäischen Kir-
chen einzuführen.                                                                           Verantwortung für die Schöp-
                                                                                            fung, hrsg. von Elisabeth Dieck-
Wir verpflichten uns,                                                                       mann, Verena Hammes und Jo-
» einen Lebensstil weiter zu entwickeln, bei dem wir gegen                                 chen Wagner, 2020 (Herder)
   die Herrschaft von ökonomischen Zwängen und von                                          ISBN-13: 978-3451394423
   Konsumzwängen auf verantwortbare und nachhaltige
   Lebensqualität Wert legen;                                                               Das Buch kann im Buchhandel
» die kirchlichen Umweltorganisationen und ökumeni-                                        oder im Shop der ACK Deutschland
   schen Netzwerke bei ihrer Verantwortung für die Be-                                      https://shop.oekumene-ack.de/
   wahrung der Schöpfung zu unterstützen.“			                                               bestellt werden.
   				                     (Charta Oecumenica, Leitlinie 9)                                www.schoepfungstag.info
​
Anlässlich des 10. Geburtstags des Schöpfungstages ist
jetzt eine Publikation mit dem Titel „Verantwortung für die
                                                                                                                  KRin Dr. Maria Stettner
                                                                                         Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog

Religiöse Naturschutzwoche in München
Wir, ein bunt zusammengewürfeltes Team von im inter-           Die Gruppe von etwa 30 Personen machte an einer klei-
religiösen Dialog engagierten Buddhisten, Christen und         nen Weggabelung Pause und Imam Belmin Mehic aus der
Muslimen, beschließen im Herbst 2020, zumindest eine           Münchner Innenstadtmoschee rezitierte die Schöpfungs-
Veranstaltung im Rahmen der „Religiösen Naturschutz-           geschichte aus dem Koran. Vorbeiziehende Spaziergänger
woche“ in München auf die Beine zu stellen. Die Anre-          blickten erstaunt, andere wohlwollend.
gung hierzu kommt vom Abrahamischen Forum, das seit            Nach einer weiteren Wegstrecke gab Birgit Lierheimer, die
2017 bundesweit zu Veranstaltungen in der christlichen         Mitglied im Buddha-Haus München ist, philosophisch-
Schöpfungszeit aufruft: Die Woche soll dazu dienen, Re-        ethische Impulse zum Thema Mensch und Natur. Jung und
ligionsgemeinden und Engagierte im Naturschutz an der          Alt lauschte gespannt, als wir die Worte Albert Schweizers
Basis zu vernetzen, Religionsgemeinden dazu zu animie-         zur Ehrfurcht vor dem Leben hörten.
ren, den Themenbereich Naturschutz und biologische             Pünktlich zum Abendgebet erreichten wir eine Wiese an
Vielfalt aufzugreifen und die Bewusstseinsbildung und          einem Teich, wo die Muslime unter uns ihre Gebetsteppi-
die Sensibilisierung für den Naturschutz zu schärfen.          che ausbreiteten und ihr Ritualgebet verrichteten. Einige
(Erklärung auf https://abrahamisches-forum.de)                 der Kinder wurden von ihren Eltern auf den Rücken ge-
                                                               nommen, schlangen die Arme um den Hals von Vater und
Ein spiritueller Waldspaziergang von Buddhisten, Chris-        Mutter – und beugten sich mit ihnen zum Gebet. Das war
ten und Muslimen und anderen neugierigen Menschen              ein anrührender Anblick.
im Perlacher Forst.                                            Es wurde dunkel und ich las als die christliche Vertreterin
Wie können wir am Glauben unserer Mitmenschen teil-            in unserer Gruppe Verse von Dietrich Bonhoeffer:
nehmen? Wie spüren wir gemeinsam die Nähe zu Gott?
Wie begegnet sich eine Gruppe fremder Menschen, die in         Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so laß uns
der Dämmerung für eine Stunde im Perlacher Forst medi-         hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um
tative Momente sucht?                                          uns weitet, all Deiner Kinder hohen Lobgesang.
Ganz anders als geplant – und deshalb so gewinnbrin-
gend?                                                          Nach einem Dankgebet für alle Bäume und auch
Um es gleich vorwegzunehmen: es wurde weniger medi-            für den Perlacher Forst beschlossen wir den Spazier-
tativ, aber richtig quirlig. Mehrere Familien nahmen mit       gang mit Fürbitten, die wir nacheinander beteten.
ihren Kindern teil, für die ein Waldspaziergang in der an-     Hinterher standen wir auf dem Parkplatz zusammen
brechenden Dunkelheit herrlich spannend war. Die Jüngs-        und tauschten uns trotz Kälte und Dunkelheit noch lan-
ten unter uns waren am eifrigsten dabei, ein Gedicht über      ge aus. Für mich vergingen die 60 Minuten wie im Fluge.
das Unkraut im Wechsel vorzulesen und uns mit Taschen-         Gott, wir danken dir für diese Welt, die du uns zu Füßen
lampen den Weg zu beleuchten.                                  gelegt hast.
                                                                                                                                Susanne Odin
                                                                     Dienststelle des Beauftragten für interreligiösen Dialog und Islamfragen
  Ökumenerundbrief 03/2020
Rundbrief Referat für Ökumene, Partnerschaften, Mission und Entwicklungsdienst - Evangelisch-Lutherische Kirche in ...
Catholica 7

„Gemeinsam am Tisch des Herrn“ – eine (unvollständige) Chronologie
Am 11. September 2019 hatte der Ökumenische Ar-                 der Einheit der Christen in einem Interview mit Herder-
beitskreis evangelischer und katholischer Theologen             Korrespondenz wenige Tage später.
(der sog. Jaeger-Stählin-Kreis) das Votum „Gemein-
sam am Tisch des Herrn“ veröffentlicht.                         Das Präsidium des ÖKT machte am 22. September 2020 auf
                                                                Rückfrage deutlich, dass es weiter auf die individuelle Ge-
Im Ökumenerundbrief 2-2019 wurde es vorgestellt.                wissensentscheidung der einzelnen Gläubigen setze, was
(https://oekumene.bayern-evangelisch.de/catholicafragen.php/)   die Teilnahme an Abendmahl bzw. Eucharistie beim Öku-
                                                                menischen Kirchentag betreffe.

Im Votum legten die Arbeitskreismitglieder                                      Am 6. Oktober 2020 würdigte der soge-
dar, in welcher Weise und mit welchen theo-                                     nannte „Kontaktgesprächskreis“ zwischen
logischen Gründen sie die wechselseitige                                        Ratsmitgliedern der EKD und Mitgliedern
Einladung zu Eucharistie bzw. Abendmahls-                                       der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) das
feier für möglich, ja sogar für geboten hal-                                    Votum als profund und kenntnisreich und
ten. Viele evangelische und römisch-katho-                                      als wichtigen „Schritt auf dem Weg“. Deut-
lische Christinnen und Christen verstanden                                      lich wird aber auch eine gewisse Zurück-
das Votum als Hoffnungszeichen vor allem                                        haltung, die vor allem darin sichtbar wird,
im Hinblick auf den bevorstehenden 3. Öku-                                      dass zwar der Ökumenische Kirchentag als
menischen Kirchentag 2021 in Frankfurt.                                         Anlass für das erneute Nachdenken genannt
Diese Hoffnung hatte der Vorsitzende der                                        wird, eine Äußerung über die Folgen für
Deutschen Bischofskonferenz (BDK), Bischof                                      den ÖKT aus dem Votum jedoch unterbleibt.
Georg Bätzing, unterstützt und dabei auf                                        Die Würdigung bündelt die offenen Fragen
die individuelle Gewissenentscheidung der                                       und differenziert deren Bedeutung in kon-
Gläubigen verwiesen.                                                            fessioneller Perspektive. Als gemeinsamer
                                                                                Ausgangspunkt gilt dem Kontaktgesprächs-
Im September 2020 nun erfolgte eine offizielle Re-              kreis das Verständnis der realen Präsenz Christi in Eucha-
aktion aus Rom auf das im deutschen Kontext er-                 ristie bzw. Abendmahlsfeier. Da die Einordnung des Kon-
arbeitete Votum, nachdem die Bischofskongrega-                  taktgesprächskreises für die Vorbereitung auf den ÖKT und
tion in Rom der Glaubenskongregation am 20.5.2020               die weitere Behandlung des Themas von hoher Relevanz
das Votum zur Begutachtung zugestellt hatte.                    ist, seien hier die zentralen Passagen der Würdigung do-
Am 18. September 2020 schrieb der Präfekt der Vatika-           kumentiert:
nischen Glaubenskongregation Kardinal Luis Ladaria an
den Vorsitzenden der DBK, Bischof Bätzing, der auch selbst      „Der Text des Ökumenischen Arbeitskreises wirft (…) auch
Mitglied des „Ökumenischen Arbeitskreises“ ist, die Lehr-       Fragen auf, die noch geklärt werden müssen und sich in
unterschiede seien nach wie vor zu gewichtig, um eine ge-       unterschiedlicher Weise an die katholische und die evan-
genseitige Teilnahme am Abendmahl bzw. der Eucharistie          gelische Seite richten. Einige davon sind schon in der Stu-
zu erlauben. In römisch-katholischer Perspektive sei von        die selber formuliert. Sie betreffen vor allem die Praxis,
einem „untrennbare(n) Konstitutiv von Eucharistie, Weihe-       aber auch das Verständnis des Gefeierten. Sie beziehen sich
amt und Kirche“ auszugehen. Insofern sei der theologische       unter anderem auf die Kommunion unter beiden Gestalten
Sinngehalt von Eucharistie und Abendmahl nicht gleichzu-        als Regelform, auf die ökumenischen Verständigungen zum
setzen. Als weiterer Kritikpunkt an den Schlussfolgerungen      Opferbegriff und deren Konsequenzen für einzelne liturgi-
des Votums wird angeführt, das Votum habe nicht aus-            sche Texte der katholischen Messfeier, auf die Leitung und
reichend auf Annäherungen im Eucharistie- und Amtsver-          Gestaltung der Feier, auf den Umgang mit den Elementen,
ständnis, wie sie im internationalen römisch-katholisch/        auf das Zueinander von Taufe und Eucharistie sowie von Kir-
lutherischen Dialog erarbeitet worden seien, Bezug ge-          chen- und Eucharistiegemeinschaft. Diese Fragen bedürfen
nommen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass eine             der theologischen und pastoralliturgischen Weiterarbeit.
vorschnelle Einigung in Deutschland neue Gräben im öku-         Die Tragweite dieser Fragen wird von evangelischer und
menischen Dialog der römisch-katholischen Kirche mit or-        katholischer Seite unterschiedlich bewertet. Für die katho-
thodoxen und altorientalischen Kirchen aufwerfen würde.         lische Kirche sind die offenen Fragen so gewichtig, dass sie
Derselben Argumentationslinie folgt auch Kurienkardinal         sich nicht in der Lage sieht, vor deren Klärung eine wechsel-
Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung        seitige Teilnahme generell zu erlauben, zumal hier auch die

                                                                                                      Ökumenerundbrief 03/2020
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8    Catholica

Frage der Einheit der katholischen Kirche berührt ist. Das         aus Magdeburg, kritisch zum Schreiben der Glaubenskon-
gilt auch im Blick auf den dritten Ökumenischen Kirchentag.        gregation und will die Sache nicht auf sich beruhen lassen.
Für die evangelische Kirche bildet die Taufe die entschei-         Er wirft der Glaubenskongregation vor, das Votum „Ge-
dende Grundlage zur Einladung zum Abendmahl und für                meinsam am Tisch des Herrn“ „mit heißer Nadel“ verwor-
ihr Verständnis von eucharistischer Gastfreundschaft. Sie          fen und es ausschließlich aus apologetischer Perspektive
respektiert jedoch die Bedeutung, die die weltweite Ein-           betrachtet zu haben. Dogmatische und kirchenrechtliche
bindung und der konkrete Zusammenhang von Kirchen-                 Mauern würden höher gezogen. Feige wünscht sich, um zu
und Eucharistiegemeinschaft für das katholische Verständ-          einer ausgewogeneren Betrachtung zu gelangen, einen ge-
nis der Eucharistie und die daraus folgende eucharistische         meinsamen Studientag mit der Glaubenskongregation und
Praxis haben. Andererseits erwartet sie aber auch eine             Experten. Seine eigenen Bedenken gegenüber dem Votum
konkrete Wertschätzung der nach langjähriger intensiver            verhehlt er indes ebenso wenig. Der in der Studie beschrie-
Arbeit erreichten Übereinstimmungen im Blick auf den               bene theologische Erkenntnisstand sei „in ökumenischen
theologischen Sinngehalt der Feier von Eucharistie und             Dialogen zwar vielfach erreicht worden“, habe „die evan-
Abendmahl.“                                                        gelische wie katholische Theorie und Praxis bislang jedoch
                                                                   nur wenig durchdrungen und offiziell auch noch keine Re-
In einem Interview mit dem katholischen Nachrichten-               zeption erfahren“. Vor allem beunruhigt ihn der Druck, der
dienst kna am 27. Oktober 2020 äußerte sich der für Öku-           durch die Debatte auf dem 3. ÖKT ruhe.
mene zuständige Bischof der DBK, Bischof Gerhard Feige

                                                                                                                 KRin Dr. Maria Stettner
                                                                                        Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog

150 Jahre Erstes Vatikanisches Konzil und die Entstehung der Altkatholischen Kirche
1869 und 1870: 774 stimmberechtigte Bischöfe, zur Hälf-            der Philosophie der Aufklärung. Glaube und Kirche waren
te aus europäischen Diözesen, tagen einberufen von Papst           in die Defensive geraten. Dessen versuchte sich die rö-
Pius IX 93 mal im Verlauf eines Dreivierteljahres. Das Konzil      misch-katholische Kirche zu erwehren. Die „Äußerungen,
musste im September 1970 aufgrund des Deutsch-Fran-                die wir von den Päpsten im 19. Jahrhundert hören und le-
zösischen Krieges abgebrochen werden, weil die Piemon-             sen – sowohl Pius IX. als auch schon der Vorgänger, Gregor
tesen Rom besetzten. Ergebnisse des ersten Konzils nach            der XVI. -, da können wir nur mit Erschrecken zur Kennt-
rund 300 Jahren: das päpstliche Jurisdiktionsprimat und            nis nehmen, wie hier Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit,
das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes.                       demokratische Ordnung, wie dies alles als mit göttlicher
                                                                   Ordnung unvereinbar zurückgewiesen wird. Im Zweiten
                                                                   Vatikanum sind diese Dinge, die diese Päpste im 19. Jahr-
„Die Tradition bin ich!“                                           hundert verworfen haben, mit hohen Worten zum Ideal
                                                                   auch der Kirche erklärt worden.“ (Peter Neuner im Interview
Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf zeichnet in seinem Buch          mit der Deutschladfunk Kultur – Redaktion am 8.12.2019).
„Der Unfehlbare“ den Weg des unscheinbaren Adeligen                Mit der Konstitution Pastor Aeternus vom 18. Juli 1870 er-
Giovanni Maria Mastai Ferretti (1792-1878) zum Papst               klärte das Erste Vatikanische Konzil den Papst zum einen in
mit der längsten Amtszeit in der Geschichte der römisch-           Besitz der obersten Gerichtsbarkeit über die ganze Kirche.
katholischen Kirche. Über 30 Jahre, von 1846–1878 lag              Zum anderen seien seine Entscheidungen, die vom Papst
deren Geschick in den Händen des Mannes, der Tradition             fortan ex cathedra in Glaubens- und Moralangelegenheiten
und Lehren der Kirche, die seiner persönlichen Auffassung          getroffen werden, unfehlbar und frei von Irrtum und benö-
entgegenstanden, einfach ignorierte und sie als Irrtum be-         tigten nicht die Zustimmung der Bischöfe, d.h. der Kirche.
zeichnete: „Doch, es ist ein Irrtum, denn ich, ich bin die         Das Unfehlbarkeitsdogma machte unter diesen beiden
Tradition, ich, ich bin die Kirche!“. (Zitiert nach H. Wolf, Der   sich ergänzenden Bestimmungen die prominentere Karrie-
Unfehlbare. Pius IX. und die Erfindung des Katholizismus im        re, obwohl in der Praxis die Anwendung des universalen
19. Jahrhundert. Eine Biographie, München ²2020, S. 12f).          päpstlichen Jurisdiktionsprimates als direkte Einwirkungs-
                                                                   möglichkeit in jede Diözese hinein, konkretere Folgen zei-
Das ausgehende 19 Jahrhundert war gekennzeichnet von               tigt. Die Umsetzung des Jurisdiktionsprimats äußert sich
den Nachwirkungen der Französischen Revolution und von             unter anderem auch in der Ablösung des Corpus Juris als

  Ökumenerundbrief 03/2020
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Catholica 9

gültiger fallbezogener Rechtssammlung durch den Codex           stellungen von Pastor Aeternus. Sie wurden daraufhin
Iuris Canonici 1917. Letzterer ist die Vereinheitlichung des    von der römisch-katholischen Kirche exkommuniziert.
Kirchenrechts, „das dem Papst alle Vollmacht gibt und vor       Ihrem Verständnis nach war diese Exkommunikation un-
allem die Laien entmündigt, die im Gehorsam des Gewis-          rechtmäßig. Sie gründeten 1871 die Christkatholische bzw.
sens, des Verstandes und es Willens allem folgen müssen,        Altkatholische Kirche und verstehen sich weiter als Teil
was die Hirten ihnen sagen und vor allem, was der römi-         der einen katholischen Kirche, auch wenn dies von Rom
sche Oberhirte ihnen sagt“ (Hubert Wolf im Interview mit        nicht anerkannt wird. Altkatholisch nannte sich die Kir-
der Zeitschrift zeitzeichen 7/2020). Das Unfehlbarkeits-        che, weil sie den neuen Weg Roms nicht mitgehen konnte.
dogma kam hingegen in der Geschichte der römisch-ka-            Sie hielten am „alten“ katholischen
tholischen Kirche nur einmal zur Anwendung und zwar             und apostolischen Glauben fest.
bei der Verlautbarung des Mariendogmas im Jahre 1950.           Ab 1872 kam es zu altkatholischen

                                                                                                                                         Döllinger // Bild: Wikipedia
Nicht alle Bischöfe waren mit diesen Lehrbildungen des          Gemeindegründungen. Als bischöf-
Ersten Vatikanischen Konzils einverstanden. Eine beacht-        lich-synodale Kirche versteht sie
liche Minorität brachte Bedenken im Blick auf missbräuch-       sich einerseits als Kirche mit einer
liche Nutzung des kirchlichen Lehramts ein. Einige reisten      alten liturgischen Tradition, ande-
früher ab, um sich der Abstimmung zu entziehen. Fast alle       rerseits als offene Kirche. Bereits
aber unterwarfen sich jedoch früher oder später.                Ende des 19. Jahrhunderts wurde
                                                                der Pflichtzölibat abgeschafft. Seit
Altgläubige gegen den neuen Weg                                 1996 werden auch Frauen zum geistlichen Amt geweiht.

Der Münchener Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger             Die unabhängigen katholischen Kirchen aus diesem Kon-
indes widersetzte sich gemeinsam mit einer Reihe von            text haben sich in der Utrechter Union zusammenge-
Katholiken aus dem deutschsprachigen Raum den Fest-             schlossen.

                                                                                                              KRin Dr. Maria Stettner
                                                                                     Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog

Katholische Welt
Instruktion der Kongregation für den Klerus

Die vergangenen Jahre sind für die deutschen Diözesen von       an der missionarischen Sendung der Kirche“ erschien.
umfangreichen Strukturreformen geprägt. Wie kann die            Die Instruktion betont die Bedeutung der Pfarrei als Ort der
pastorale Arbeit in der Fläche sichergestellt werden, wenn      Eucharistie und Ausdruck der Gemeinschaft der Gläubigen
immer weniger Priester zur Verfügung stehen? Da deren           wie als Ausgangspunkt für die missionarische Präsenz der
Aufgaben nicht nur im sakramentalen Bereich liegen, son-        kirchlichen Gemeinschaft in der Welt. Sie warnt vor Kleri-
dern ihnen auch die Verantwortung für die Leitung der           kalisierung der Pastoral und fordert die Einbeziehung der
Pfarreien übertragen ist, wird nach praktikablen Auswegen       Getauften und ihrer Charismen. [38] Zugleich wird daran
aus der strukturellen Überlastung gesucht. Die Zusammen-        festgehalten, dass Pfarrer/ Priester der grundlegende Be-
legungen von Pfarreien zu größeren Pfarreiverbänden ist         zugspunkt für die Pfarrgemeinden seien. [62] Die Leitungs-
einer dieser Lösungswege. Vereinzelt wird aber auch über        aufgaben des Pfarrers können nicht auf eine Gruppe von
die Übertragung von Leitungsverantwortung auf Nichtge-          Klerikern oder Laien übertragen werden, daher ist sogar
weihte nachgedacht. Erste Versuche bzw. Projektierungen         die Bezeichnung „Team“ zu vermeiden. [66] Nur in äußerst
gibt es bereits. Alles mit dem Ziel, das Evangelium trotz der   außergewöhnlichen, ja problematischen Umständen ist
strukturellen Herausforderungen zu den Menschen tragen          eine Beteiligung von Diakonen, Gottgeweihten oder Laien
zu können. Genau darum fühlten sich viele engagierte rö-        an der Hirtensorge denkbar. [98] Es findet sich zugleich
misch-katholische Laien auf dem falschen Fuß erwischt,          durchgängig die Ermutigung, der eigenen Sendung als Ge-
als im Juli 2020 die Instruktion der Kongregation für den       taufte im Leben der Gemeinde und in der missionarischen
Klerus „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst        Sendung in die Welt Ausdruck zu verleihen. Deutlich ist

                                                                                                         Ökumenerundbrief 03/2020
Rundbrief Referat für Ökumene, Partnerschaften, Mission und Entwicklungsdienst - Evangelisch-Lutherische Kirche in ...
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auch, dass nicht die Gemeinde für den Pfarrer, sondern der       sichts der Covid-Krise werde das Versagen der Gesellschaft
Pfarrer für die Gemeinde da sei. [69]                            deutlich, die nicht zur Zusammenarbeit in der Lage sei.
                                                                 Einem Menschenbild der technokratischen profitgetriebe-
Der Synodale Weg in Corona-Zeiten                                nen globalisierten Welt setzt Franziskus „ein Menschen-
                                                                 bild entgegen, das davon ausgeht, dass der Mensch am
Im Ökumenerundbrief 1/2020 wurden Anlass und An-                 Fremden und am Andern wächst. Jeder Mensch, aus wel-
liegen des Synodalen Weges vorgestellt. In Reaktion auf          cher Nation und aus welcher Gesellschaftsschicht er auch
die Veröffentlichung der Studie „Sexueller Missbrauch an         kommen mag, hat seine Würde. Jeder Mensch wird in der
Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und           mühsamen Kleinarbeit des Dialogs, in der Begegnung mit
männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen              dem Fremden, dem Andern. Solidarität und Geschwister-
Bischofskonferenz“ soll der Synodale Weg als Weg der             lichkeit sind nicht Optionen, denen er sich zuwendet, son-
Umkehr und Erneuerung Antworten auf die gegenwärtige             dern sie begründen sein Personsein“ - so der Jesuit Chris-
Situation finden. Ende Januar 2020 startete der Synodale         tian M. Rutishauser. Im Zentrum steht die Nächstenliebe
Weg. Geistliche und Laien, Männern und Frauen diskutier-         und die Kraft, die die Religion – nicht nur die christliche
ten gemeinsam brennende Fragen zu Macht und Gewal-               - für ein menschliches und friedliches Miteinander birgt.
tenteilung in der Kirche, Leben in gelingenden Beziehun-         Viele, die den Inhalten der Enzyklika gut folgen konnten,
gen, Priesterliche Existenz heute und Frauen in Diensten         störten sich an der Titelgebung, die die Fratelli (wörtlich
und Ämtern in der Kirche. Mittlerweile hätten die Beratun-       „Brüder“) anspreche, nicht aber Männer und Frauen glei-
gen weiter Fahrt aufnehmen sollen. Corona-bedingt muss-          chermaßen. Papst Franziskus hatte sich mit dem Titel an
te umgeplant werden. Im September wurde in regionalen            der sechsten der Ermahnungen des Heiligen Franziskus
Foren miteinander beraten. Den Schwerpunkt bildete die           orientiert, zitiert daraus, und nimmt damit den ursprüng-
Aussprache zur Situation der Kirche in der Corona-Zeit           lichen Kontext einer Gemeinschaft von Ordensbrüdern auf:
mit der Hauptfrage: Hat die römisch-katholische Kirche           „Lasst uns alle, Brüder, des Guten Hirten gedenken, der die
angemessen auf die Pandemie reagiert? Teilweise wurde            Marter des Kreuzes ertrug, um seine Schafe zu retten.“
dies verneint. Die Instruktion der Kleruskongregation vom
Juli, so wurde beschlossen, solle in die Beratungen mit auf-     Papst Franziskus und die Barmherzigkeit
genommen werden. Auseinandersetzungen gab es um ein
Arbeitspapier für das Synodalforum „Frauen in Diensten           Der Papst überraschte im Herbst mit Äußerungen, die
und Ämtern in der Kirche”, dessen exegetische Basis von          Respekt für homosexuelle Verbindungen in eingetrage-
einigen Bischöfen als zu schwach kritisiert wurde.               nen Partnerschaften ausdrücken. Eine Gleichsetzung mit
                                                                 der Ehe wird jedoch nicht vollzogen. Aussagen wie diese
Enzyklika Fratelli tutti                                         ernten teils Begeisterung, teils aber auch scharfen Wider-
                                                                 spruch. Die einen sind enttäuscht, weil Franziskus nicht
                        Am Vorabend des Tages des Heiligen       weiter geht, die anderen entsetzt, wie er vermeintlich un-
                        Franz von Assisi, dessen Heiligenfest    veränderbare Positionen aufgibt. Der tschechische Theo-
                        am 4. Oktober begangen wird, richte-     logieprofessor Tomáš Halík analysiert Franziskus Verhalten:
                        te sich Papst Franziskus nach „Lauda-    „Der Papst ist kein Revolutionär, der die Kirchenlehre än-
                        to si“ mit einer weiteren Enzyklika an   dert. Menschen, die ihn seit vielen Jahrzehnten kennen,
                        die römisch-katholische Kirche. Papst    sagen von ihm: Er ist nicht theologisch progressiv, aber
                        Franziskus ruft mit der Sozialenzyk-     er ist barmherzig. Das ist der Schlüssel zum Begreifen sei-
                        lika „Fratelli tutti“ zu mehr mensch-    ner Persönlichkeit und seiner Reform.“ (Tomáš Halík, Die
                        licher Solidarität und Geschwister-      Revolution der Barmherzigkeit und eine neue Ökumene,
                        lichkeit auf, und zum Einsatz gegen      www.feinschwarz.net 4.11.2020)
                        Krieg und Zerstörung. Gerade ange-

                                                                                                               KRin Dr. Maria Stettner
                                                                                      Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog

  Ökumenerundbrief 03/2020
Ökumenischer Kirchentag                11

Update 3. Ökumenischer Kirchentag 2021
Je näher der 3. Ökumenische Kirchentag rückt, desto            furt zum Kirchentag nach Nürnberg 2023 einladen wird.
deutlicher wird, dass er nicht an die beiden Ökumeni-          An der Frankfurter Paulskirche wird der Bayerisch-frän-
schen Kirchentage 2003 in Berlin und 2010 in München           kische Garten errichtet. Die bayerischen evangelischen
anknüpfen kann und mehr als 100.000 Christinnen und            Kirchenkreise zeigen mit den römisch-katholischen Bistü-
Christen unterschiedlicher Konfession zusammenführt.           mern aus Bayern ökumenisches Leben und ökumenische
Die Corona-Pandemie wird nur eine vergleichsweise ge-          Projekte. Auch hier wird der Bereich umhegt, man wird
ringe Zahl an Teilnehmenden vor Ort in Frankfurt zulassen,     nicht einfach gemütlich zusammensitzen – aber immerhin
wenn er denn überhaupt stattfinden kann. Das ist zum           sind Begegnungen mit Abstand und Vorsicht möglich.
Zeitpunkt des Redaktionsschlusses nicht mit Gewissheit zu
sagen. Dabei haben Ökumenische Kirchentage wie Katho-          ÖKT hybrid
liken- und Kirchentage immer von einer großen Zahl Teil-
nehmender und den Dynamiken gelebt, die sich ergeben,          Das Präsidium des Ökumenischen Kirchentages hat bereits
wenn U-Bahnen mit Kirchentagsfreunden voll und Hallen          angekündigt, dass der 3. ÖKT in hybrider Form stattfinden
und Kirchen überfüllt sind, wenn man spontan miteinan-         wird: Präsenzveranstaltungen und digitale Formate wer-
der singen kann, sich umarmt und zusammenrückt, damit          den sich verbinden. Rund 30.000 Plätze sollen in Präsenz-
alle Platz haben.                                              veranstaltungen in Frankfurt angeboten werden. Das be-
                                                               deutet, dass sich nicht so viele ökumenische Gruppen auf
Ausgerechnet dieses Mal geht das alles nicht, wo der           den Weg nach Frankfurt machen können, wie ursprüng-
ÖKT doch auf dem besten Weg ist, die ganze Bandbrei-           lich gedacht. Einige werden dabei sein können. Alle ande-
te der Ökumene in Deutschland in den Blick zu nehmen.          ren müssen und können von zuhause aus teilnehmen. Für
Im Präsidium wirken nicht nur Evangelische und Katholi-        sie stehen ausgewählte Veranstaltung in Übertragungen
sche mit, sondern auch Vertreterinnen der weiteren in der      und Streams zur Verfügung.
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland
(ACK) zusammengeschlossenen Kirchen. Dadurch ist das
Bewusstsein für die Multilateralität der Ökumene weiter
gewachsen. In jeder Projektkommission arbeitet zudem
mindestens eine Person aus einer ACK-Kirche mit, die
nicht einer evangelischen Landeskirche oder der römisch-
katholischen Kirche angehört.

ACKPolis

Erstmals präsentiert sich die ACK nicht als ein x-beliebiger
Akteur unter vielen auf der Agora, dem Ausstellungsbe-
reich des Ökumenischen Kirchentages. Stattdessen zeigen
sich die Kirchen gemeinsam mitten im der Frankfurter
Innenstadt am Liebfrauenberg mit einer ökumenischen            ÖKT zuhause?
Stadt in der Stadt, als ACKPolis. Das Konzept ist neu in
der Struktur des ÖKT. Er ermöglicht auch „Laufpublikum“        Ist das eine Chance? Ja, das ist es. Eine erste Idee dazu:
aus Frankfurt und Frankfurt-Besuchenden, die nicht we-         Suchen Sie vor Ort Menschen, die wie Sie auch nicht nach
gen des ÖKT kommen, Zugang und Impulse. – Allerdings           Frankfurt fahren können und verabreden Sie sich zum
baut das Gelingen eines solchen Programmes auf Begeg-          Ökumenischen Kirchentag zuhause. Planen Sie zum Bei-
nungsmöglichkeiten und Austausch auf. Beides ist unter         spiel Gottesdienste zur selben Zeit wie in Frankfurt Got-
Corona-Bedingungen nur eingeschränkt möglich. Nach             tesdienste gefeiert werden, organisieren Sie „Bibelteilen“
aktuellem Planungsstand wird der Platz eingezäunt wer-         zu den Tagesbibeltexten des ÖKT. Laden Sie in Gemein-
den müssen und nur mit Registrierung per App zugänglich        deräume oder nachhause ein, um in kleinen gemeinsam
sein. Die Zahl der Anwesenden wird limitiert.                  Veranstaltungen des ÖKT im Stream anzusehen und mitei-
                                                               nander darüber zu sprechen. Versuchen Sie, dazu nicht nur
Bayerisch-fränkischer Garten                                   die bewährten römisch-katholischen Partner zu gewinnen,
                                                               sondern auch Christinnen und Christen anderer Konfes-
Ein ähnliche Problematik ergibt sich auch für die Präsenz      sionen – aus orthodoxen Gemeinden oder aus Freikirchen.
der Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die in Frank-    Halten Sie sich auf dem Laufenden: www.oekt.de
                                                                                                          KRin Dr. Maria Stettner
                                                                                 Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog

                                                                                                         Ökumenerundbrief 03/2020
12 Dokumentation

Reaktionen auf die Umwandlung der „Hagia Sophia“ in eine Moschee
Die Hagia Sophia wurde als Kirche der „Göttlichen Weisheit“     Mit Bestürzung haben darum Christinnen und Christen
537 erbaut und erlebte seitdem eine wechselhafte Geschich-      weltweit darauf reagiert, dass der türkische Ministerprä-
te. Bis zum 15 Jahrhundert war Konstantinopels Kathedrale       sident Erdogan im Juli 2020 ein Gerichtsurteil verkünde-
Hauptkirche im Byzantinischen Reich und religiöses Zent-        te, wonach der Parlamentsbeschluss aus dem Jahr 1934
rum der Orthodoxie, die in ihrer symbolischen Bedeutung als     zur Umwandlung der Hagia Sophia in ein Museum keine
Modellkirche der Hauptstadt der orthodoxen Ökumene von          Rechtsgrundlage gehabt habe und somit ungültig sei. So
zentraler Bedeutung für das (ost)kirchliche Christentum war.    wurde die einstige Hauptkirche des christlichen Ostens
Nach der Umwandlung in eine Moschee im 15. Jahrhun-             wieder zur Moschee, in der Ministerpräsident Erdogan am
dert im Zuge der Eroberung Konstantinopels durch die Os-        24. Juli 2020 gemeinsam mit hunderten Gläubigen das ers-
manen wurde sie zur Hauptmoschee der Osmanen und zum            te Freitagsgebet feierte.
architektonischen Vorbild des Moscheebaus in der Region.
1935 war es der erste Präsident der Türkei, Atatürk, der eine   Zwei Reaktionen aus der Evangelischen Kirche in Deutsch-
Nutzung als Museum durchsetzte. So wurde die Hagia So-          land (EKD) und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kir-
phia zu einem „Ort eines friedlichen Zusammenlebens der         chen (ACK) seien hier exemplarisch abgedruckt für die
Religionen“ (Heinrich Bedford-Strohm) und war den Instru-       Vielzahl der Reaktionen aus christlichen Kirchen.
mentalisierungsversuchen einzelner Religionen entzogen.
                                                                                                                        KR Raphael Quandt
                                                                                                  Referent für Ökumene und Mittelosteuropa

Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee
Stellungnahme der Exekutive der Evangelischen Mittelost- Kommission der EKD

Die von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan angeord-           Kontroverse und Konfrontation gemacht worden ist. Die
nete Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee kri-            EMOK schließt sich der Erwartung des Ratsvorsitzenden
tisiert die Evangelische Mittelost-Kommission (EMOK) als        der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, an, dass diese Ent-
einen rückwärtsgewandten Schritt, der den christlich-           scheidung rückgängig gemacht werden sollte.
islamischen Beziehungen weltweit großen Schaden zufügt.
                                                                Sie teilt den Schmerz ihrer christlichen Geschwister in der
Ursprünglich im 4. Jh. erbaut, erscheint die Hagia Sophia       orthodoxen Welt, die durch diesen Schritt tief verletzt
heute in der Gestalt des 6. Jahrhunderts und galt bis 1453      worden sind. Gleichzeitig sorgt sich die EMOK um die Aus-
als die bedeutendste Kirche in der gesamten orthodoxen          wirkungen dieses Aktes der Instrumentalisierung der Re-
Welt. Mit ihrer Umwidmung in eine Moschee im Jahr 1453          ligion durch die Politik, der bereits jetzt zu einer Trübung
durch den osmanischen Eroberer Istanbuls, Mehmet Fatih,         in den christlich- islamischen Beziehungen geführt hat.
wurde sie auch für die islamische Welt von Bedeutung. Der       Besonders die wenigen noch in der Türkei verbliebenen or-
Gründer der Türkischen Republik Atatürk machte die Ha-          thodoxen Christen betrachten die Maßnahmen Erdogans
gia Sophia im Jahr 1934 zu einem Museum und stand so            mit großer Sorge.
für die moderne Staatsausfassung der Trennung von Reli-
gion und Staat. Seither galt die Hagia Sophia, die zum          Die EMOK appelliert an die demokratisch gesonnene türki-
UNESCO-Kulturerbe gehört, als Symbol für das friedliche         sche Zivilgesellschaft sowie an alle im interreligiösen Dia-
Zusammenleben der Religionen. Entsprechend der geogra-          log Aktiven, zur Mäßigung im Verhältnis der Religionen
fischen Lage Istanbuls bildete sie eine Brücke zwischen Ost     zueinander beizutragen und sich für den Schutz religiöser
und West.                                                       und ethnischer Minderheiten stark zu machen.

Der jetzt aus politischem Kalkül getroffene Beschluss, das      Hannover, 17. Juli 2020
Museum in eine Moschee zu verwandeln, ist ein Ausdruck          Exekutive der Evangelischen Mittelost-Kommissionder der EKD
der Intoleranz gegenüber dem Christentum und seinen             Download des Textes unter:
                                                                https://www.ekd.de/EMOK-Texte-22521.htm
Angehörigen. Die EMOK schließt sich der Kritik des Mit-
telöstlichen Kirchenrats (MECC) an, der die getroffene
Entscheidung als „Verletzung religiöser Freiheit und Ko-
existenz“ (violation of religious freedom and coexistence)
bezeichnet. Sie bedauert, dass die Hagia Sophia mit ihrer
Umwidmung zur Moschee von einem Symbol religiöser                                                          zuständig: KR Hans-Martin Gloël
Toleranz und friedlicher Koexistenz zu einem Symbol der                                                   Ökumene und Weltverantwortung

  Ökumenerundbrief 03/2020
Dokumentation 13

Erklärung des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK)
Erzpriester Radu Constantin Miron
aus Anlass der Umwandlung der Hagia Sophia zur Moschee
Köln/Frankfurt am Main, 23. Juli 2020

Der 24. Juli 2020 bedeutet das Ende einer Epoche. Durch         die Rechte der nicht-muslimischen Minderheiten bzw. die
einen administrativen Akt des türkischen Staatspräsiden-        Verpflichtung der Türkei, diese und ihre religiösen Einrich-
ten verliert die Hagia Sophia in Istanbul den Status eines      tungen zu respektieren, festgeschrieben wurden. In den
Museums, den sie seit 1935 besaß, und wird zur Moschee          vergangenen Jahren stellte der türkische Staatspräsident
gemacht. Dieser staatliche Akt geschieht – wie so häufig        Recep Tayyip Erdoğan immer wieder diesen Vertrag in Fra-
in der Türkei – unter scheinbarer Wahrung der Rechtstaat-       ge. Seine Vorliebe für Symbolpolitik, die mal wieder durch
lichkeit. Das im 6. Jahrhundert gebaute Gotteshaus, das         diese Datumswahl deutlich wird, geht also offensichtlich
unter Kaiser Justinian als christliche Kirche erbaut wurde      auch zu Lasten der christlichen Minderheit in der Türkei. Ihr
und über neun Jahrhunderte als solche diente, wird, wie         Schicksal kann und darf uns als Christen nicht gleichgültig
1453 nach der Eroberung Konstantinopels durch die Os-           sein. Zu oft haben wir unsere Stimme nicht laut genug
manen, erneut zur Moschee. Seit dem 1. Februar 1935             erhoben, wenn es um den Genozid an den Armeniern und
stand sie dann als Museum allen Besucherinnen und Be-           anderen Völkern, um die Septemberpogrome des Jahres
suchern offen, wie es der Gründer der modernen Türkei,          1955, um die Ermordungen von christlichen Missionaren
Mustafa Kemal Atatürk, verfügt hatte. Im Bewusstsein der        und Würdenträgern oder die zahllosen Enteignungen von
orthodoxen Christinnen und Christen blieb und bleibt die        Gebäuden und Grundstücken aller christlichen Kirchen des
Hagia Sophia allerdings die „Große Kirche Christi“. So ist es   Landes ging.
kein Zufall, dass Vertreter aller orthodoxen Patriarchate
und autokephalen Kirchen gegen die Entscheidung der             Auch die Umwidmung der Hagia Sophia ist eine Enteig-
türkischen Regierung protestiert haben. Doch auch viele         nung, nicht im immobilienrechtlichen, sondern im geist-
Vertreterinnen und Vertreter anderer Kirchen, europäischer      lichen Sinn. Und sie bedeutet das endgültige Ende einer
und weltweiter Institutionen, nicht zuletzt der UNESCO, zu      säkularen, laizistischen, europäischen modernen Türkei,
deren Welterbe die Hagia Sophia ja gehört, haben ihre Be-       wie sie Atatürk vorschwebte, der die Hagia Sophia zum
stürzung über diesen Vorgang geäußert, der offenkundig          Museum gemacht hatte. Der 24. Juli 2020 bedeutet das
nicht religiöse Bedürfnisse, sondern innen- und außen-          Ende einer Epoche.
politische Ambitionen des türkischen Präsidenten befrie-
digen soll. Deshalb richten sich diese Proteste – und auch      Erzpriester Radu Constantin Miron
die vorliegende Erklärung – nicht gegen den Islam oder          Köln/Frankfurt, am 23. Juli 2020
das islamische Gebet, sondern gegen den Missbrauch der
Religion, der hier zutage tritt.

Zwei Aspekte, die nur wenig zur Sprache gekommen sind,          Download des Textes unter:
gilt es dabei besonders hervorzuheben: Zum einen ist die
Hagia Sophia für die weltweite Christenheit nicht – wie         https://www.oekumene-ack.de/aktuell/aktuelle-mel-
behauptet wurde – „irgendein Gebäude, um das auf einmal         dungen/mitgliederversammlung/artikeldetails/enteig-
so viel Aufhebens gemacht wird“. Vielmehr ist sie auch jene     nung-im-geistlichen-sinn/
Kirche, auf deren Hauptaltar am 16. Juli 1054 der päpst-
liche Legat Humbert von Silva Candida das Bannschreiben
über Patriarch Michael Kerullarios niederlegte, was zur
Großen Kirchenspaltung zwischen Ost- und Westkirche
führte. Sie ist also der symbolträchtige Ort, an dem damals
das Schisma proklamiert wurde und der heute deshalb für
alle, die in der Ökumene tätig sind, ein Mahnmal für die
Wiederherstellung der Einheit der Kirche darstellt.

Zum anderen lässt die bewusste Wahl des 24. Juli als Da-
tum der Umwidmung nichts Gutes erahnen, handelt es sich
doch um den Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrages
von Lausanne (1923), in dem in den Artikeln 37-44 auch
                                                                                                      zuständig: KRin Dr. Maria Stettner
                                                                                      Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog

                                                                                                          Ökumenerundbrief 03/2020
14    Mittelosteuropa

Diasporaarbeit in Bayern gibt sich eine neue Struktur
Die Diasporaarbeit ist ein wichtiger Baustein im ökume-        die Zusammenarbeit mit den Diasporabeauftragten, sollen
nischen Miteinander der Kirchen auf der Welt, insbeson-        über diesen Runden Tisch koordiniert werden. Durch ge-
dere auch in den Beziehungen zu Mittelosteuropa. Dort          meinsame Öffentlichkeitsarbeit soll das Thema „Diaspora“
gibt es viele zahlenmäßig keine evangelische Kirchen, die      in Bayern wieder präsenter werden.
internationale Netzwerke brauchen, um das kirchliche Le-
ben vor Ort aufrecht erhalten zu können. In der Regel sind     Diasporawerke und Ökumenereferat haben gemeinsam be-
diese Kirchen in der einen oder anderen Weise aus der Re-      schlossen, die AGDD (Arbeitsgemeinschaft der Diaspora-
formation direkt hervorgegangen oder entstanden in Folge       dienste) und ihre Geschäftsstelle in Neuendettelsau zum
der unterschiedlichen Siedlungs- und Migrationsbewegun-        1.3.2021 aufzulösen. Anstatt einer finanziellen Förderung
gen in Europa. Heute sind sie Ausdruck konfessioneller und     der AGDD durch die Landeskirche werden zukünftig nun
religiöser Pluralität in der Region und wichtiger Partner in   die Diasporawerke von der Landeskirche direkt finanziell
der Ökumene der Länder.                                        unterstützt, um z.B. eigene Geschäftsstellen für ihre Werke
                                                               zu unterhalten.
Finanzielle, aber auch inhaltliche, Unterstützung dieser
Kirchen in Europa gehört zu den Aufgaben der Evange-           Der „Runde Tisch Diaspora“ ermöglicht also einerseits eine
lisch-Lutherischen Kirche in Bayern ebenso, wie der Dias-      größere Eigenständigkeit der Diasporawerke, intensiviert
porawerke Martin-Luther-Verein und Gustav-Adolf-Werk,          aber andererseits den Netzwerkgedanken Vernetzung und
hinzu kommen Stiftungen und einzelne Partnerbeziehun-          den Austausch. Durch die Verschlankung der Struktur und
gen.                                                           die Nutzung von Synergien wird die Neuausrichtung der
                                                               Diasporaarbeit in Bayern auch zu einem Beispiel, welches
Ab 2021 soll die europäische Diasporaarbeit in Bayern eine     exemplarisch deutlich macht, dass der sog. „PuK“-Prozess
neue Struktur erhalten, so haben es die Diasporawerke und      (Profil und Konzentration) auch in der Ökumene wichtige
die Abteilung für Ökumene im Landeskirchenamt gemein-          Impulse setzt. All dies geschieht in der Hoffnung, mit we-
sam beschlossen: Ein „Runder Tisch europäische Diaspo-         niger Mitteln mehr zu erreichen für die Diasporakirchen in
ra“ soll künftig die Aktivitäten der einzelnen Träger koor-    Mittelosteuropa.
dinieren und zu einer Plattform für Informationsaustausch
und Vernetzung werden. Jährliche Kooperationen, wie zum        Im Ökumenerundbrief und auf den neuen Internetseiten
Beispiel im Rahmen der Fastenaktion „Füreinander Ein-          der Ökumene https://oekumene.bayern-evangelisch.de
stehen in Europa“, aber auch der Landesdiasporatag und         wird über die weitere Entwicklung zu lesen sein!

 Ansprechpartner im Landeskirchenamt      Gustav-Adolf-Werk Hauptgruppe Bayern     Martin–Luther–Verein–in–Bayern
 bleibt weiterhin KR Raphael Quandt.      Pfr. Wolfgang Layh (Vorsitzender)        Pfr. Wolfgang Hagemann (Vorsitzender)
 Die neuen Anschriften der Diasporawer-   Oettinger Str. 6                         Fahrstraße 15
 ke in Bayern lauten:                     91717 Wassertrüdingen                    91054 Erlangen
                                          Tel. 09832-7630 (vorläufig)              Tel. 0178–6850290
                                          layh@gustav-adolf-werk-bayern.de         info@martin-luther-verein-bayern.de

                                                                                                                KR Raphael Quandt
                                                                                          Referent für Ökumene und Mittelosteuropa

Staatskirchenvertrag zwischen Lutherischer Kirche und Regierung in Ungarn
Wir haben vor Kurzem den 30. Jahrestag der Deutschen           pragmatischere Haltung der Reformkommunisten in Un-
Einheit gefeiert, die bekanntlich auch mit Ungarn ein          garn war bei uns die Wende auch viel sanfter und von viel
wenig zu tun hat. Die christliche Gemeinschaft in unse-        mehr Kompromissen gekennzeichnet als in der DDR und
rem Land war damals, im Sommer 1989, nicht nur tief            in den meisten anderen Staaten des Sowjet-Blocks. Dazu
bewegt durch die Geschehnisse, wir haben auch versucht,        kam, dass in unserem Fall die politischen, juristischen und
den Flüchtlingen aus der DDR zu helfen, wobei im soge-         verwaltungstechnischen Umwälzungen kein klares Beispiel
nannten Gulasch-Kommunismus die Kirchen politisch viel         und keine genaue Vorgabe hatten, wie im wiedervereinten
weniger aktiv waren als in Ostdeutschland. Durch die viel      Deutschland, wo das BRD-System mehr oder weniger ein-

  Ökumenerundbrief 03/2020
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