Rundbrief Referat für Ökumene, Partnerschaften, Mission und Entwicklungsdienst - Evangelisch-Lutherische Kirche in ...
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Referat für Ökumene, Partnerschaften, Mission und Entwicklungsdienst Rundbrief Ökumenische Informationen | Impulse | Veröffentlichungen | Veranstaltungen Ausgabe 03/2020
Selig sind, die Frieden Bild: Ökumenische Friedensdekade e.V. stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Matthäus 5,9)
Liebe Leserin, lieber Leser, Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Ein Glaube, der nicht hofft, ist krank. Er ist wie ein hungriges Kind, das nicht essen oder wie ein müder Menschen, der nicht schlafen will … und es ist keine Schande zu hoffen, grenzenlos zu hoffen.“ © Evang.-Luth. Kirche in Bayern Weltweit wirbelt uns die Corona-Pandemie im Moment gehörig durcheinander. Vieles, was planbar und damit kontrollierbar erschien, wird unsicher. Viele der geplan- ten Vorhaben im ökumenischen Bereich werden dadurch zu einem Vabanquespiel. Kann der ÖKT 2021 stattfinden? Falls ja, in welcher Form? Können die ausländischen Gäste zum Eröffnungswochenende der Fastenaktion 2021 anrei- sen? Wird es möglich sein, dass Teams aus Schweden und aus Bayern sich im Rahmen des Austauschprogramms zwi- schen dem Skara Stift und der Evangelisch-Lutherischen Ökumenerundbrief Kirche 2021 treffen können? Ausgabe 03/2020 Trotzdem steht die ökumenische Arbeit nicht still. Eine große Bandbreite von ökumenischen Themen erwartet 04 Bewahrung der Schöpfung Sie in diesem Rundbrief. Lassen Sie sich anstecken von der 07 „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ vielfältigen Hoffnung, die hier enthalten ist. 08 Catholica 11 Ökumenischer Kirchentag 2021 Und um noch einmal Bonhoeffer zu zitieren: „Je mehr ein Mensch zu hoffen wagt, desto größer wird er mit seiner 12 Reaktionen zur Umwandlung der Hagia Sofia Hoffnung: Der Mensch wächst mit seiner Hoffnung – wenn 14 Mittelosteuropa: es nur die Hoffnung auf Gott und seine alleinige Kraft ist.“ Diasporaarbeit in Bayern Staatskirchenvertrag Ungarn Herzliche Grüße aus dem Ökumenereferat und seien Sie behütet 16 Islamischer Unterricht 17 Christen im Orient 18 Partnerschaft mit Skara 20 Interkulturell Evangelisch 22 Stiftung Wings of Hope 23 Ökumenische Alltagsexerzitien Heinz Dunkenberger-Kellermann Leiter Ökumenische Studienarbeit 24 Christlich-jüdischer Dialog 25 Termine 26 Neu im Ökumenereferat 27 Ansprechpartner im Ökumenereferat
4 Thema: Bewahrung der Schöpfung Die Bewahrung der Schöpfung – eine gemeinsame Aufgabe in Europa und Thema der Fastenaktion 2021 „Umweltschutz“ und „Nachhaltigkeit“ werden bis heute Anzeichen für ein neues Bewusstsein für Nachhaltigkeit in Europa aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln dis- und Umweltschutz. kutiert. In vielen Ländern Westeuropas entstand seit den 1960er Jahren eine breite Umweltbewegung, die sich für Die Kirchen in Europa sind mit dem Thema „Umwelt- eine ressourcen- und umweltschonendere Lebensweise schutz“ unterschiedlich umgegangen. In (West)deutsch- einsetzte, und zahlreiche konkret im Alltag erlebbare Er- land gewann die Umweltbewegung starken Einfluss in gebnisse erreichte, wie zum Beispiel das Verbot von FCKW, der Evangelischen Kirche, die sich fortan intensiv um die verpflichtende Katalysatoren in Autos, Recycling und Bewahrung der Schöpfung bemühte und dieses Handeln Mülltrennung. Hinter dem „Eisernen Vorhang“ spielte das dezidiert theologisch begründete. Heute gibt es klima- Thema „Nachhaltigkeit“ ebenfalls eine große Rolle, aller- schonende Angebote und Prozesse zu Mobilität, Beschaf- dings unter anderen Vorzeichen, galt es doch, das Leben in fung, Energiemanagement, aber auch zu Biodiversität auf einer vom Mangel an bestimmten Waren und Gütern ge- kirchlichen Friedhöfen und mit dem „Grünen Gockel“ ein prägten Gesellschaft zu meistern: Was heute „upcycling“ Verfahren zur Zertifizierung des Umwelt-Managements heißt, also die Wiederverwendung und Umwandlung von in Gemeinden und Dekanaten. Zeitlich parallel wurden in vermeintlichen Abfallprodukten in nützliche Dinge, gab es der ehemaligen DDR die Kirchen zu einem Dach der ent- in Mittelosteuropa jahrzehntelang völlig selbstverständlich stehenden Umweltbewegungen, indem sie auf die zuneh- und mit großer Kreativität, um rare und darum kostbare mende Naturzerstörung und Gefahren durch Kernenergie Waren des alltäglichen Bedarfs möglichst lange nutzen zu hinwiesen und sie Bewahrung der Schöpfung zu einer können. Das war weniger getrieben vom Gedanken an den zentralen kirchlichen Aufgabe machten2. So überrascht es Klimaschutz, wohl aber an den schonenden Umgang mit nicht, dass aus evangelischen Kreisen hierzulande auf die vorhandenen Ressourcen. In den 1980er und 90er-Jahren Klimaschutzbewegung „Fridays for future“ äußerst positiv allerdings wurde auch in Mittelosteuropa die Zerstörung reagiert wurde. Sprach man in Mittelosteuropa 2019, also der Natur und die daraus resultierenden Gefahren für Um- zu Hochzeiten der Bewegung, Kirchenvertreter in Mittel- welt und Leben unübersehbar: Tschernobyl, verseuchte osteuropa auf das Phänomen an, war dieses dort weitge- Böden in der „dreckigsten Stadt Europas“, Bitterfeld, un- hend unbekannt. Allgemein gilt Klimaschutz heute in der geklärte Abwässer an Schwarzmeer und Adriaküste, und europäischen Ökumene als wichtiges, aber eher „westlich viele weitere Probleme führten die bestehenden Missstän- besetztes“ Thema, während in Mittelosteuropa andere He- de anschaulich vor Augen. rausforderungen stärker im Fokus stehen: Evangelische Identität in der absoluten Minderheitssituation der Dias- Heute leben wir in einem geeinten Europa und sind Teil pora, Armutsbekämpfung, Maßnahmen gegen Abwande- einer globalen Weltwirtschaft – mit all ihren uneinheit- rung von Gemeindegliedern und Fachkräften in den Wes- lichen Betrachtungen zum Thema „Umweltschutz und ten, Ehe und Familie, usw. Nachhaltigkeit“, je nach Gewichtung von wirtschaftlichen und kommerziellen Interessen, aber auch nach wirtschaft- Das Land Slowenien hat früher als andere Länder Mittelost- lichen Möglichkeiten der Länder. Zwar spricht der Profes- europas entdeckt, dass Natur- und Artenschutz ein wichti- sor für Kulturanthropologie an der Universität Sofia, Ivaylo ger Wirtschaftsfaktor sein können. Heute steht ca. 1/3 des Ditchev, nach wie vor von einem „Eisernen Vorhang der Landes unter Naturschutz und ein langsamer, nachhaltiger Ökologie“, der Nordwest- und Südosteuropa teilt, betont Tourismus ist zu einem wichtigen Wirtschaftszweig gewor- aber gleichzeitig, dass lokal und angesichts konkreter Fälle den, der viele Arbeitsplätze sichert. So wächst ein neues der Umweltzerstörung durchaus Protestbewegungen von Bewusstsein für Nachhaltigkeit – auch in ganz Mittelost- Bürgerinnen und Bürgern wachsen. In Mittelosteuropa europa, da Slowenien ein beliebtes Urlaubsland der ganzen gibt es beispielsweise starkes regierungspolitisches Inter- Region ist. esse an preiswerten konventionellen Energieträgern (Polen stellt z.B. ca. 80% seiner Energie aus Kohle her und möchte diese bis 2049 weiter abbauen), doch auch in der stark von Luftverschmutzung durch Kohleheizungen betroffenen Region formieren sich mittlerweile Bürgerinitiativen, die für die Problematik sensibilisieren1. So entsteht eine kom- Die Fastenaktion 2021 der Evangelisch-Lutherischen plexe Gemengelage aus politischen und wirtschaftlichen Kirche in Bayern steht unter dem Motto „Die Welt von Interessen, engen finanziellen Spielräumen, aber auch als Morgen erhalten: Schöpfung bewahren!“ und arbeitet 1 https://www.mdr.de/nachrichten/osteuropa/land-leute/polens-dreckigste-stadt-100.html 2 https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/260210/umweltschutz-als-opposition-von-kirchen-und-gruppen-in-der-spaeten-ddr Ökumenerundbrief 03/2020
Thema: Bewahrung der Schöpfung 5 schwerpunktmäßig mit Slowenien zusammen, unterstützt können und um die Energiekosten zu senken, ist eine ener- aber auch andere thematisch passende Projekte und Pro- getische Sanierung des Gebäudes notwendig.“ gramme in ganz Mittelosteuropa. In Slowenien soll ein Kirchenzentrum saniert werden, wobei ein besonderes Au- Die Bewahrung der Schöpfung als gemeinsame kirchliche genmerk auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit gelegt Aufgabe will also, so zeigt es das Beispiel der Fastenaktion, werden soll. Gleichzeitig spielt das zentrale Gebäude eine andere theologisch relevante Themen nicht ersetzen. Viel- wichtige Rolle in der Kirchen- und Gemeindeentwicklung, mehr soll sie an die unterschiedlichen kirchlichen Initiati- ist es doch Begegnungs- und Tagungszentrum ebenso wie ven zu Umweltschutz anknüpfen und einen Beitrag leisten, Ort von Diakonie, Seelsorge und Erwachsenenbildung. Da- damit der Auftrag zur Bewahrung der bedrohten Schöp- bei stellt die Evangelische Kirche in Slowenien ganz be- fung bei Kirchen- und Gemeindeentwicklung, aber auch wusst in den Mittelpunkt, dass die Sanierung Nachhaltig- in Bildung und Beratung, neu ins Bewusstsein rückt. Pro- keit und Ressourcenschutz zentral berücksichtigen solle. fitieren können davon Menschen und Kirchengemeinden Bischof Leon Novak: „Das Gebäude wurde 1969 erbaut und ganz direkt dank wachsender Lebensqualität, unmittelbar seitdem nicht mehr gründlich saniert, da man immer den aber zu Gute kommen energetische Sanierungen auch dem kleinen Gemeinden und anderen Hilfsprojekten den Vor- Klima insgesamt. rang gegeben hat. Um das Objekt nachhaltig verwalten zu Die Fastenaktion 2021 wird am 28.2.2021 in Würzburg eröffnet. Alle Informationen finden Sie unter www.bayern-evangelisch.de/fastenaktion Erstmals können Sie auch online spenden und unterstützen unter https://www.sonntagskollekte.de/kollekte-115/ KR Raphael Quandt Referent für Ökumene und Mittelosteuropa Zentrale Feier zum ökumenischen Tag der Schöpfung 2021 am Bodensee Die letzte Woche der Sommerferien am Bodensee verbrin- in ihrer eigenen Gemeinde oder Region zusammen mit gen? 2021 lohnt sich das in besonderer Weise. Denn die den ökumenischen Partnern vor Ort feiern wollen, gibt es zentrale Feier des ökumenischen Tags der Schöpfung 2021 wieder die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Materialien dazu ist am 4. September 2021 länderübergreifend am Boden- können ab Frühjahr 2021 in der Ökumenischen Centrale, see (Lindau, Bregenz, Romanshorn) geplant. Sie wird in der Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen bezogen werden. (Link zum Shop siehe Seite 6) Kirchen in der Schweiz (AGCK), dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der ACK Bayern und den Der ökumenische Tag der Schöpfung wird in Deutschland Kirchen vor Ort vorbereitet. Das Vorbereitungsteam hat seit 2010 gefeiert. Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag ein Konzept für die Feier und mehrere Vorschläge für das wurde die Einführung des ökumenischen Tags der Schöp- Motto 2020 erarbeitet. Nach einem längeren Beratungs- fung im Rahmen der zentralen ökumenischen Feier zu prozess hat es das Motto „Damit Ströme lebendigen Was- Christi Himmelfahrt feierlich proklamiert. Die Einführung sers fließen“ formuliert, das den entsprechenden Gremien greift eine Empfehlung der Charta Oecumenica auf, die aller drei Länder vorgelegt wird. Das Motto eröffne ein 2001 Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter ganzes Themenspektrum: „Angesprochen werden verschie- den Kirchen in Europa formuliert hatte: dene Aspekte, wie Wasserversorgung, -verschmutzung und -wirtschaft sowie allgemein Missbrauch dieser universellen „Im Glauben an die Liebe Gottes, des Schöpfers, erkennen Ressource zulasten von Mensch und Natur, Flora und Fau- wir dankbar das Geschenk der Schöpfung, den Wert und na. Konflikte zugunsten von Eigeninteressen, die Länder die Schönheit der Natur. Aber wir sehen mit Schrecken, und ganze Gesellschaften spalten, sind bekannt. Das Motto dass die Güter der Erde ohne Rücksicht auf ihren Eigenwert, kann jedoch daran erinnern, dem Wasser seine eigentliche ohne Beachtung ihrer Begrenztheit und ohne Rücksicht auf lebenserhaltende Natur zu bewahren bzw. wiederherzu- das Wohl zukünftiger Generationen ausgebeutet werden. stellen, so dass Wasser den Menschen mit Gott und zu- Wir wollen uns gemeinsam für nachhaltige Lebensbedin- gleich mit anderen Menschen, mit anderen Ländern und gungen für die gesamte Schöpfung einsetzen. In Verant- mit der gesamten Schöpfung verbindet.“ wortung vor Gott müssen wir gemeinsam Kriterien dafür geltend machen und weiter entwickeln, was die Menschen Auch für alle, die den ökumenischen Tag der Schöpfung zwar wissenschaftlich und technologisch machen können, Ökumenerundbrief 03/2020
6 Thema: Bewahrung der Schöpfung aber ethisch nicht machen dürfen. In jedem Fall muss die Schöpfung“ im Herder-Verlag erschienen, die in enger Zu- einmalige Würde jedes Menschen den Vorrang vor dem sammenarbeit zwischen der ACK in Deutschland und der technisch Machbaren haben. ACK Region Südwest entstanden ist. Sie sammelt Beiträge aus theologischer, ethischer, politischer und gesellschaftli- Wir empfehlen, einen ökumenischen Tag des Gebetes für cher Perspektive zu Fragen der Schöpfungsverantwortung. die Bewahrung der Schöpfung in den europäischen Kir- chen einzuführen. Verantwortung für die Schöp- fung, hrsg. von Elisabeth Dieck- Wir verpflichten uns, mann, Verena Hammes und Jo- » einen Lebensstil weiter zu entwickeln, bei dem wir gegen chen Wagner, 2020 (Herder) die Herrschaft von ökonomischen Zwängen und von ISBN-13: 978-3451394423 Konsumzwängen auf verantwortbare und nachhaltige Lebensqualität Wert legen; Das Buch kann im Buchhandel » die kirchlichen Umweltorganisationen und ökumeni- oder im Shop der ACK Deutschland schen Netzwerke bei ihrer Verantwortung für die Be- https://shop.oekumene-ack.de/ wahrung der Schöpfung zu unterstützen.“ bestellt werden. (Charta Oecumenica, Leitlinie 9) www.schoepfungstag.info Anlässlich des 10. Geburtstags des Schöpfungstages ist jetzt eine Publikation mit dem Titel „Verantwortung für die KRin Dr. Maria Stettner Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog Religiöse Naturschutzwoche in München Wir, ein bunt zusammengewürfeltes Team von im inter- Die Gruppe von etwa 30 Personen machte an einer klei- religiösen Dialog engagierten Buddhisten, Christen und nen Weggabelung Pause und Imam Belmin Mehic aus der Muslimen, beschließen im Herbst 2020, zumindest eine Münchner Innenstadtmoschee rezitierte die Schöpfungs- Veranstaltung im Rahmen der „Religiösen Naturschutz- geschichte aus dem Koran. Vorbeiziehende Spaziergänger woche“ in München auf die Beine zu stellen. Die Anre- blickten erstaunt, andere wohlwollend. gung hierzu kommt vom Abrahamischen Forum, das seit Nach einer weiteren Wegstrecke gab Birgit Lierheimer, die 2017 bundesweit zu Veranstaltungen in der christlichen Mitglied im Buddha-Haus München ist, philosophisch- Schöpfungszeit aufruft: Die Woche soll dazu dienen, Re- ethische Impulse zum Thema Mensch und Natur. Jung und ligionsgemeinden und Engagierte im Naturschutz an der Alt lauschte gespannt, als wir die Worte Albert Schweizers Basis zu vernetzen, Religionsgemeinden dazu zu animie- zur Ehrfurcht vor dem Leben hörten. ren, den Themenbereich Naturschutz und biologische Pünktlich zum Abendgebet erreichten wir eine Wiese an Vielfalt aufzugreifen und die Bewusstseinsbildung und einem Teich, wo die Muslime unter uns ihre Gebetsteppi- die Sensibilisierung für den Naturschutz zu schärfen. che ausbreiteten und ihr Ritualgebet verrichteten. Einige (Erklärung auf https://abrahamisches-forum.de) der Kinder wurden von ihren Eltern auf den Rücken ge- nommen, schlangen die Arme um den Hals von Vater und Ein spiritueller Waldspaziergang von Buddhisten, Chris- Mutter – und beugten sich mit ihnen zum Gebet. Das war ten und Muslimen und anderen neugierigen Menschen ein anrührender Anblick. im Perlacher Forst. Es wurde dunkel und ich las als die christliche Vertreterin Wie können wir am Glauben unserer Mitmenschen teil- in unserer Gruppe Verse von Dietrich Bonhoeffer: nehmen? Wie spüren wir gemeinsam die Nähe zu Gott? Wie begegnet sich eine Gruppe fremder Menschen, die in Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so laß uns der Dämmerung für eine Stunde im Perlacher Forst medi- hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um tative Momente sucht? uns weitet, all Deiner Kinder hohen Lobgesang. Ganz anders als geplant – und deshalb so gewinnbrin- gend? Nach einem Dankgebet für alle Bäume und auch Um es gleich vorwegzunehmen: es wurde weniger medi- für den Perlacher Forst beschlossen wir den Spazier- tativ, aber richtig quirlig. Mehrere Familien nahmen mit gang mit Fürbitten, die wir nacheinander beteten. ihren Kindern teil, für die ein Waldspaziergang in der an- Hinterher standen wir auf dem Parkplatz zusammen brechenden Dunkelheit herrlich spannend war. Die Jüngs- und tauschten uns trotz Kälte und Dunkelheit noch lan- ten unter uns waren am eifrigsten dabei, ein Gedicht über ge aus. Für mich vergingen die 60 Minuten wie im Fluge. das Unkraut im Wechsel vorzulesen und uns mit Taschen- Gott, wir danken dir für diese Welt, die du uns zu Füßen lampen den Weg zu beleuchten. gelegt hast. Susanne Odin Dienststelle des Beauftragten für interreligiösen Dialog und Islamfragen Ökumenerundbrief 03/2020
Catholica 7 „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ – eine (unvollständige) Chronologie Am 11. September 2019 hatte der Ökumenische Ar- der Einheit der Christen in einem Interview mit Herder- beitskreis evangelischer und katholischer Theologen Korrespondenz wenige Tage später. (der sog. Jaeger-Stählin-Kreis) das Votum „Gemein- sam am Tisch des Herrn“ veröffentlicht. Das Präsidium des ÖKT machte am 22. September 2020 auf Rückfrage deutlich, dass es weiter auf die individuelle Ge- Im Ökumenerundbrief 2-2019 wurde es vorgestellt. wissensentscheidung der einzelnen Gläubigen setze, was (https://oekumene.bayern-evangelisch.de/catholicafragen.php/) die Teilnahme an Abendmahl bzw. Eucharistie beim Öku- menischen Kirchentag betreffe. Im Votum legten die Arbeitskreismitglieder Am 6. Oktober 2020 würdigte der soge- dar, in welcher Weise und mit welchen theo- nannte „Kontaktgesprächskreis“ zwischen logischen Gründen sie die wechselseitige Ratsmitgliedern der EKD und Mitgliedern Einladung zu Eucharistie bzw. Abendmahls- der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) das feier für möglich, ja sogar für geboten hal- Votum als profund und kenntnisreich und ten. Viele evangelische und römisch-katho- als wichtigen „Schritt auf dem Weg“. Deut- lische Christinnen und Christen verstanden lich wird aber auch eine gewisse Zurück- das Votum als Hoffnungszeichen vor allem haltung, die vor allem darin sichtbar wird, im Hinblick auf den bevorstehenden 3. Öku- dass zwar der Ökumenische Kirchentag als menischen Kirchentag 2021 in Frankfurt. Anlass für das erneute Nachdenken genannt Diese Hoffnung hatte der Vorsitzende der wird, eine Äußerung über die Folgen für Deutschen Bischofskonferenz (BDK), Bischof den ÖKT aus dem Votum jedoch unterbleibt. Georg Bätzing, unterstützt und dabei auf Die Würdigung bündelt die offenen Fragen die individuelle Gewissenentscheidung der und differenziert deren Bedeutung in kon- Gläubigen verwiesen. fessioneller Perspektive. Als gemeinsamer Ausgangspunkt gilt dem Kontaktgesprächs- Im September 2020 nun erfolgte eine offizielle Re- kreis das Verständnis der realen Präsenz Christi in Eucha- aktion aus Rom auf das im deutschen Kontext er- ristie bzw. Abendmahlsfeier. Da die Einordnung des Kon- arbeitete Votum, nachdem die Bischofskongrega- taktgesprächskreises für die Vorbereitung auf den ÖKT und tion in Rom der Glaubenskongregation am 20.5.2020 die weitere Behandlung des Themas von hoher Relevanz das Votum zur Begutachtung zugestellt hatte. ist, seien hier die zentralen Passagen der Würdigung do- Am 18. September 2020 schrieb der Präfekt der Vatika- kumentiert: nischen Glaubenskongregation Kardinal Luis Ladaria an den Vorsitzenden der DBK, Bischof Bätzing, der auch selbst „Der Text des Ökumenischen Arbeitskreises wirft (…) auch Mitglied des „Ökumenischen Arbeitskreises“ ist, die Lehr- Fragen auf, die noch geklärt werden müssen und sich in unterschiede seien nach wie vor zu gewichtig, um eine ge- unterschiedlicher Weise an die katholische und die evan- genseitige Teilnahme am Abendmahl bzw. der Eucharistie gelische Seite richten. Einige davon sind schon in der Stu- zu erlauben. In römisch-katholischer Perspektive sei von die selber formuliert. Sie betreffen vor allem die Praxis, einem „untrennbare(n) Konstitutiv von Eucharistie, Weihe- aber auch das Verständnis des Gefeierten. Sie beziehen sich amt und Kirche“ auszugehen. Insofern sei der theologische unter anderem auf die Kommunion unter beiden Gestalten Sinngehalt von Eucharistie und Abendmahl nicht gleichzu- als Regelform, auf die ökumenischen Verständigungen zum setzen. Als weiterer Kritikpunkt an den Schlussfolgerungen Opferbegriff und deren Konsequenzen für einzelne liturgi- des Votums wird angeführt, das Votum habe nicht aus- sche Texte der katholischen Messfeier, auf die Leitung und reichend auf Annäherungen im Eucharistie- und Amtsver- Gestaltung der Feier, auf den Umgang mit den Elementen, ständnis, wie sie im internationalen römisch-katholisch/ auf das Zueinander von Taufe und Eucharistie sowie von Kir- lutherischen Dialog erarbeitet worden seien, Bezug ge- chen- und Eucharistiegemeinschaft. Diese Fragen bedürfen nommen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass eine der theologischen und pastoralliturgischen Weiterarbeit. vorschnelle Einigung in Deutschland neue Gräben im öku- Die Tragweite dieser Fragen wird von evangelischer und menischen Dialog der römisch-katholischen Kirche mit or- katholischer Seite unterschiedlich bewertet. Für die katho- thodoxen und altorientalischen Kirchen aufwerfen würde. lische Kirche sind die offenen Fragen so gewichtig, dass sie Derselben Argumentationslinie folgt auch Kurienkardinal sich nicht in der Lage sieht, vor deren Klärung eine wechsel- Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung seitige Teilnahme generell zu erlauben, zumal hier auch die Ökumenerundbrief 03/2020
8 Catholica Frage der Einheit der katholischen Kirche berührt ist. Das aus Magdeburg, kritisch zum Schreiben der Glaubenskon- gilt auch im Blick auf den dritten Ökumenischen Kirchentag. gregation und will die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Für die evangelische Kirche bildet die Taufe die entschei- Er wirft der Glaubenskongregation vor, das Votum „Ge- dende Grundlage zur Einladung zum Abendmahl und für meinsam am Tisch des Herrn“ „mit heißer Nadel“ verwor- ihr Verständnis von eucharistischer Gastfreundschaft. Sie fen und es ausschließlich aus apologetischer Perspektive respektiert jedoch die Bedeutung, die die weltweite Ein- betrachtet zu haben. Dogmatische und kirchenrechtliche bindung und der konkrete Zusammenhang von Kirchen- Mauern würden höher gezogen. Feige wünscht sich, um zu und Eucharistiegemeinschaft für das katholische Verständ- einer ausgewogeneren Betrachtung zu gelangen, einen ge- nis der Eucharistie und die daraus folgende eucharistische meinsamen Studientag mit der Glaubenskongregation und Praxis haben. Andererseits erwartet sie aber auch eine Experten. Seine eigenen Bedenken gegenüber dem Votum konkrete Wertschätzung der nach langjähriger intensiver verhehlt er indes ebenso wenig. Der in der Studie beschrie- Arbeit erreichten Übereinstimmungen im Blick auf den bene theologische Erkenntnisstand sei „in ökumenischen theologischen Sinngehalt der Feier von Eucharistie und Dialogen zwar vielfach erreicht worden“, habe „die evan- Abendmahl.“ gelische wie katholische Theorie und Praxis bislang jedoch nur wenig durchdrungen und offiziell auch noch keine Re- In einem Interview mit dem katholischen Nachrichten- zeption erfahren“. Vor allem beunruhigt ihn der Druck, der dienst kna am 27. Oktober 2020 äußerte sich der für Öku- durch die Debatte auf dem 3. ÖKT ruhe. mene zuständige Bischof der DBK, Bischof Gerhard Feige KRin Dr. Maria Stettner Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog 150 Jahre Erstes Vatikanisches Konzil und die Entstehung der Altkatholischen Kirche 1869 und 1870: 774 stimmberechtigte Bischöfe, zur Hälf- der Philosophie der Aufklärung. Glaube und Kirche waren te aus europäischen Diözesen, tagen einberufen von Papst in die Defensive geraten. Dessen versuchte sich die rö- Pius IX 93 mal im Verlauf eines Dreivierteljahres. Das Konzil misch-katholische Kirche zu erwehren. Die „Äußerungen, musste im September 1970 aufgrund des Deutsch-Fran- die wir von den Päpsten im 19. Jahrhundert hören und le- zösischen Krieges abgebrochen werden, weil die Piemon- sen – sowohl Pius IX. als auch schon der Vorgänger, Gregor tesen Rom besetzten. Ergebnisse des ersten Konzils nach der XVI. -, da können wir nur mit Erschrecken zur Kennt- rund 300 Jahren: das päpstliche Jurisdiktionsprimat und nis nehmen, wie hier Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit, das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes. demokratische Ordnung, wie dies alles als mit göttlicher Ordnung unvereinbar zurückgewiesen wird. Im Zweiten Vatikanum sind diese Dinge, die diese Päpste im 19. Jahr- „Die Tradition bin ich!“ hundert verworfen haben, mit hohen Worten zum Ideal auch der Kirche erklärt worden.“ (Peter Neuner im Interview Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf zeichnet in seinem Buch mit der Deutschladfunk Kultur – Redaktion am 8.12.2019). „Der Unfehlbare“ den Weg des unscheinbaren Adeligen Mit der Konstitution Pastor Aeternus vom 18. Juli 1870 er- Giovanni Maria Mastai Ferretti (1792-1878) zum Papst klärte das Erste Vatikanische Konzil den Papst zum einen in mit der längsten Amtszeit in der Geschichte der römisch- Besitz der obersten Gerichtsbarkeit über die ganze Kirche. katholischen Kirche. Über 30 Jahre, von 1846–1878 lag Zum anderen seien seine Entscheidungen, die vom Papst deren Geschick in den Händen des Mannes, der Tradition fortan ex cathedra in Glaubens- und Moralangelegenheiten und Lehren der Kirche, die seiner persönlichen Auffassung getroffen werden, unfehlbar und frei von Irrtum und benö- entgegenstanden, einfach ignorierte und sie als Irrtum be- tigten nicht die Zustimmung der Bischöfe, d.h. der Kirche. zeichnete: „Doch, es ist ein Irrtum, denn ich, ich bin die Das Unfehlbarkeitsdogma machte unter diesen beiden Tradition, ich, ich bin die Kirche!“. (Zitiert nach H. Wolf, Der sich ergänzenden Bestimmungen die prominentere Karrie- Unfehlbare. Pius IX. und die Erfindung des Katholizismus im re, obwohl in der Praxis die Anwendung des universalen 19. Jahrhundert. Eine Biographie, München ²2020, S. 12f). päpstlichen Jurisdiktionsprimates als direkte Einwirkungs- möglichkeit in jede Diözese hinein, konkretere Folgen zei- Das ausgehende 19 Jahrhundert war gekennzeichnet von tigt. Die Umsetzung des Jurisdiktionsprimats äußert sich den Nachwirkungen der Französischen Revolution und von unter anderem auch in der Ablösung des Corpus Juris als Ökumenerundbrief 03/2020
Catholica 9 gültiger fallbezogener Rechtssammlung durch den Codex stellungen von Pastor Aeternus. Sie wurden daraufhin Iuris Canonici 1917. Letzterer ist die Vereinheitlichung des von der römisch-katholischen Kirche exkommuniziert. Kirchenrechts, „das dem Papst alle Vollmacht gibt und vor Ihrem Verständnis nach war diese Exkommunikation un- allem die Laien entmündigt, die im Gehorsam des Gewis- rechtmäßig. Sie gründeten 1871 die Christkatholische bzw. sens, des Verstandes und es Willens allem folgen müssen, Altkatholische Kirche und verstehen sich weiter als Teil was die Hirten ihnen sagen und vor allem, was der römi- der einen katholischen Kirche, auch wenn dies von Rom sche Oberhirte ihnen sagt“ (Hubert Wolf im Interview mit nicht anerkannt wird. Altkatholisch nannte sich die Kir- der Zeitschrift zeitzeichen 7/2020). Das Unfehlbarkeits- che, weil sie den neuen Weg Roms nicht mitgehen konnte. dogma kam hingegen in der Geschichte der römisch-ka- Sie hielten am „alten“ katholischen tholischen Kirche nur einmal zur Anwendung und zwar und apostolischen Glauben fest. bei der Verlautbarung des Mariendogmas im Jahre 1950. Ab 1872 kam es zu altkatholischen Döllinger // Bild: Wikipedia Nicht alle Bischöfe waren mit diesen Lehrbildungen des Gemeindegründungen. Als bischöf- Ersten Vatikanischen Konzils einverstanden. Eine beacht- lich-synodale Kirche versteht sie liche Minorität brachte Bedenken im Blick auf missbräuch- sich einerseits als Kirche mit einer liche Nutzung des kirchlichen Lehramts ein. Einige reisten alten liturgischen Tradition, ande- früher ab, um sich der Abstimmung zu entziehen. Fast alle rerseits als offene Kirche. Bereits aber unterwarfen sich jedoch früher oder später. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Pflichtzölibat abgeschafft. Seit Altgläubige gegen den neuen Weg 1996 werden auch Frauen zum geistlichen Amt geweiht. Der Münchener Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger Die unabhängigen katholischen Kirchen aus diesem Kon- indes widersetzte sich gemeinsam mit einer Reihe von text haben sich in der Utrechter Union zusammenge- Katholiken aus dem deutschsprachigen Raum den Fest- schlossen. KRin Dr. Maria Stettner Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog Katholische Welt Instruktion der Kongregation für den Klerus Die vergangenen Jahre sind für die deutschen Diözesen von an der missionarischen Sendung der Kirche“ erschien. umfangreichen Strukturreformen geprägt. Wie kann die Die Instruktion betont die Bedeutung der Pfarrei als Ort der pastorale Arbeit in der Fläche sichergestellt werden, wenn Eucharistie und Ausdruck der Gemeinschaft der Gläubigen immer weniger Priester zur Verfügung stehen? Da deren wie als Ausgangspunkt für die missionarische Präsenz der Aufgaben nicht nur im sakramentalen Bereich liegen, son- kirchlichen Gemeinschaft in der Welt. Sie warnt vor Kleri- dern ihnen auch die Verantwortung für die Leitung der kalisierung der Pastoral und fordert die Einbeziehung der Pfarreien übertragen ist, wird nach praktikablen Auswegen Getauften und ihrer Charismen. [38] Zugleich wird daran aus der strukturellen Überlastung gesucht. Die Zusammen- festgehalten, dass Pfarrer/ Priester der grundlegende Be- legungen von Pfarreien zu größeren Pfarreiverbänden ist zugspunkt für die Pfarrgemeinden seien. [62] Die Leitungs- einer dieser Lösungswege. Vereinzelt wird aber auch über aufgaben des Pfarrers können nicht auf eine Gruppe von die Übertragung von Leitungsverantwortung auf Nichtge- Klerikern oder Laien übertragen werden, daher ist sogar weihte nachgedacht. Erste Versuche bzw. Projektierungen die Bezeichnung „Team“ zu vermeiden. [66] Nur in äußerst gibt es bereits. Alles mit dem Ziel, das Evangelium trotz der außergewöhnlichen, ja problematischen Umständen ist strukturellen Herausforderungen zu den Menschen tragen eine Beteiligung von Diakonen, Gottgeweihten oder Laien zu können. Genau darum fühlten sich viele engagierte rö- an der Hirtensorge denkbar. [98] Es findet sich zugleich misch-katholische Laien auf dem falschen Fuß erwischt, durchgängig die Ermutigung, der eigenen Sendung als Ge- als im Juli 2020 die Instruktion der Kongregation für den taufte im Leben der Gemeinde und in der missionarischen Klerus „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst Sendung in die Welt Ausdruck zu verleihen. Deutlich ist Ökumenerundbrief 03/2020
10 Catholica auch, dass nicht die Gemeinde für den Pfarrer, sondern der sichts der Covid-Krise werde das Versagen der Gesellschaft Pfarrer für die Gemeinde da sei. [69] deutlich, die nicht zur Zusammenarbeit in der Lage sei. Einem Menschenbild der technokratischen profitgetriebe- Der Synodale Weg in Corona-Zeiten nen globalisierten Welt setzt Franziskus „ein Menschen- bild entgegen, das davon ausgeht, dass der Mensch am Im Ökumenerundbrief 1/2020 wurden Anlass und An- Fremden und am Andern wächst. Jeder Mensch, aus wel- liegen des Synodalen Weges vorgestellt. In Reaktion auf cher Nation und aus welcher Gesellschaftsschicht er auch die Veröffentlichung der Studie „Sexueller Missbrauch an kommen mag, hat seine Würde. Jeder Mensch wird in der Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und mühsamen Kleinarbeit des Dialogs, in der Begegnung mit männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen dem Fremden, dem Andern. Solidarität und Geschwister- Bischofskonferenz“ soll der Synodale Weg als Weg der lichkeit sind nicht Optionen, denen er sich zuwendet, son- Umkehr und Erneuerung Antworten auf die gegenwärtige dern sie begründen sein Personsein“ - so der Jesuit Chris- Situation finden. Ende Januar 2020 startete der Synodale tian M. Rutishauser. Im Zentrum steht die Nächstenliebe Weg. Geistliche und Laien, Männern und Frauen diskutier- und die Kraft, die die Religion – nicht nur die christliche ten gemeinsam brennende Fragen zu Macht und Gewal- - für ein menschliches und friedliches Miteinander birgt. tenteilung in der Kirche, Leben in gelingenden Beziehun- Viele, die den Inhalten der Enzyklika gut folgen konnten, gen, Priesterliche Existenz heute und Frauen in Diensten störten sich an der Titelgebung, die die Fratelli (wörtlich und Ämtern in der Kirche. Mittlerweile hätten die Beratun- „Brüder“) anspreche, nicht aber Männer und Frauen glei- gen weiter Fahrt aufnehmen sollen. Corona-bedingt muss- chermaßen. Papst Franziskus hatte sich mit dem Titel an te umgeplant werden. Im September wurde in regionalen der sechsten der Ermahnungen des Heiligen Franziskus Foren miteinander beraten. Den Schwerpunkt bildete die orientiert, zitiert daraus, und nimmt damit den ursprüng- Aussprache zur Situation der Kirche in der Corona-Zeit lichen Kontext einer Gemeinschaft von Ordensbrüdern auf: mit der Hauptfrage: Hat die römisch-katholische Kirche „Lasst uns alle, Brüder, des Guten Hirten gedenken, der die angemessen auf die Pandemie reagiert? Teilweise wurde Marter des Kreuzes ertrug, um seine Schafe zu retten.“ dies verneint. Die Instruktion der Kleruskongregation vom Juli, so wurde beschlossen, solle in die Beratungen mit auf- Papst Franziskus und die Barmherzigkeit genommen werden. Auseinandersetzungen gab es um ein Arbeitspapier für das Synodalforum „Frauen in Diensten Der Papst überraschte im Herbst mit Äußerungen, die und Ämtern in der Kirche”, dessen exegetische Basis von Respekt für homosexuelle Verbindungen in eingetrage- einigen Bischöfen als zu schwach kritisiert wurde. nen Partnerschaften ausdrücken. Eine Gleichsetzung mit der Ehe wird jedoch nicht vollzogen. Aussagen wie diese Enzyklika Fratelli tutti ernten teils Begeisterung, teils aber auch scharfen Wider- spruch. Die einen sind enttäuscht, weil Franziskus nicht Am Vorabend des Tages des Heiligen weiter geht, die anderen entsetzt, wie er vermeintlich un- Franz von Assisi, dessen Heiligenfest veränderbare Positionen aufgibt. Der tschechische Theo- am 4. Oktober begangen wird, richte- logieprofessor Tomáš Halík analysiert Franziskus Verhalten: te sich Papst Franziskus nach „Lauda- „Der Papst ist kein Revolutionär, der die Kirchenlehre än- to si“ mit einer weiteren Enzyklika an dert. Menschen, die ihn seit vielen Jahrzehnten kennen, die römisch-katholische Kirche. Papst sagen von ihm: Er ist nicht theologisch progressiv, aber Franziskus ruft mit der Sozialenzyk- er ist barmherzig. Das ist der Schlüssel zum Begreifen sei- lika „Fratelli tutti“ zu mehr mensch- ner Persönlichkeit und seiner Reform.“ (Tomáš Halík, Die licher Solidarität und Geschwister- Revolution der Barmherzigkeit und eine neue Ökumene, lichkeit auf, und zum Einsatz gegen www.feinschwarz.net 4.11.2020) Krieg und Zerstörung. Gerade ange- KRin Dr. Maria Stettner Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog Ökumenerundbrief 03/2020
Ökumenischer Kirchentag 11 Update 3. Ökumenischer Kirchentag 2021 Je näher der 3. Ökumenische Kirchentag rückt, desto furt zum Kirchentag nach Nürnberg 2023 einladen wird. deutlicher wird, dass er nicht an die beiden Ökumeni- An der Frankfurter Paulskirche wird der Bayerisch-frän- schen Kirchentage 2003 in Berlin und 2010 in München kische Garten errichtet. Die bayerischen evangelischen anknüpfen kann und mehr als 100.000 Christinnen und Kirchenkreise zeigen mit den römisch-katholischen Bistü- Christen unterschiedlicher Konfession zusammenführt. mern aus Bayern ökumenisches Leben und ökumenische Die Corona-Pandemie wird nur eine vergleichsweise ge- Projekte. Auch hier wird der Bereich umhegt, man wird ringe Zahl an Teilnehmenden vor Ort in Frankfurt zulassen, nicht einfach gemütlich zusammensitzen – aber immerhin wenn er denn überhaupt stattfinden kann. Das ist zum sind Begegnungen mit Abstand und Vorsicht möglich. Zeitpunkt des Redaktionsschlusses nicht mit Gewissheit zu sagen. Dabei haben Ökumenische Kirchentage wie Katho- ÖKT hybrid liken- und Kirchentage immer von einer großen Zahl Teil- nehmender und den Dynamiken gelebt, die sich ergeben, Das Präsidium des Ökumenischen Kirchentages hat bereits wenn U-Bahnen mit Kirchentagsfreunden voll und Hallen angekündigt, dass der 3. ÖKT in hybrider Form stattfinden und Kirchen überfüllt sind, wenn man spontan miteinan- wird: Präsenzveranstaltungen und digitale Formate wer- der singen kann, sich umarmt und zusammenrückt, damit den sich verbinden. Rund 30.000 Plätze sollen in Präsenz- alle Platz haben. veranstaltungen in Frankfurt angeboten werden. Das be- deutet, dass sich nicht so viele ökumenische Gruppen auf Ausgerechnet dieses Mal geht das alles nicht, wo der den Weg nach Frankfurt machen können, wie ursprüng- ÖKT doch auf dem besten Weg ist, die ganze Bandbrei- lich gedacht. Einige werden dabei sein können. Alle ande- te der Ökumene in Deutschland in den Blick zu nehmen. ren müssen und können von zuhause aus teilnehmen. Für Im Präsidium wirken nicht nur Evangelische und Katholi- sie stehen ausgewählte Veranstaltung in Übertragungen sche mit, sondern auch Vertreterinnen der weiteren in der und Streams zur Verfügung. Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) zusammengeschlossenen Kirchen. Dadurch ist das Bewusstsein für die Multilateralität der Ökumene weiter gewachsen. In jeder Projektkommission arbeitet zudem mindestens eine Person aus einer ACK-Kirche mit, die nicht einer evangelischen Landeskirche oder der römisch- katholischen Kirche angehört. ACKPolis Erstmals präsentiert sich die ACK nicht als ein x-beliebiger Akteur unter vielen auf der Agora, dem Ausstellungsbe- reich des Ökumenischen Kirchentages. Stattdessen zeigen sich die Kirchen gemeinsam mitten im der Frankfurter Innenstadt am Liebfrauenberg mit einer ökumenischen ÖKT zuhause? Stadt in der Stadt, als ACKPolis. Das Konzept ist neu in der Struktur des ÖKT. Er ermöglicht auch „Laufpublikum“ Ist das eine Chance? Ja, das ist es. Eine erste Idee dazu: aus Frankfurt und Frankfurt-Besuchenden, die nicht we- Suchen Sie vor Ort Menschen, die wie Sie auch nicht nach gen des ÖKT kommen, Zugang und Impulse. – Allerdings Frankfurt fahren können und verabreden Sie sich zum baut das Gelingen eines solchen Programmes auf Begeg- Ökumenischen Kirchentag zuhause. Planen Sie zum Bei- nungsmöglichkeiten und Austausch auf. Beides ist unter spiel Gottesdienste zur selben Zeit wie in Frankfurt Got- Corona-Bedingungen nur eingeschränkt möglich. Nach tesdienste gefeiert werden, organisieren Sie „Bibelteilen“ aktuellem Planungsstand wird der Platz eingezäunt wer- zu den Tagesbibeltexten des ÖKT. Laden Sie in Gemein- den müssen und nur mit Registrierung per App zugänglich deräume oder nachhause ein, um in kleinen gemeinsam sein. Die Zahl der Anwesenden wird limitiert. Veranstaltungen des ÖKT im Stream anzusehen und mitei- nander darüber zu sprechen. Versuchen Sie, dazu nicht nur Bayerisch-fränkischer Garten die bewährten römisch-katholischen Partner zu gewinnen, sondern auch Christinnen und Christen anderer Konfes- Ein ähnliche Problematik ergibt sich auch für die Präsenz sionen – aus orthodoxen Gemeinden oder aus Freikirchen. der Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die in Frank- Halten Sie sich auf dem Laufenden: www.oekt.de KRin Dr. Maria Stettner Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog Ökumenerundbrief 03/2020
12 Dokumentation Reaktionen auf die Umwandlung der „Hagia Sophia“ in eine Moschee Die Hagia Sophia wurde als Kirche der „Göttlichen Weisheit“ Mit Bestürzung haben darum Christinnen und Christen 537 erbaut und erlebte seitdem eine wechselhafte Geschich- weltweit darauf reagiert, dass der türkische Ministerprä- te. Bis zum 15 Jahrhundert war Konstantinopels Kathedrale sident Erdogan im Juli 2020 ein Gerichtsurteil verkünde- Hauptkirche im Byzantinischen Reich und religiöses Zent- te, wonach der Parlamentsbeschluss aus dem Jahr 1934 rum der Orthodoxie, die in ihrer symbolischen Bedeutung als zur Umwandlung der Hagia Sophia in ein Museum keine Modellkirche der Hauptstadt der orthodoxen Ökumene von Rechtsgrundlage gehabt habe und somit ungültig sei. So zentraler Bedeutung für das (ost)kirchliche Christentum war. wurde die einstige Hauptkirche des christlichen Ostens Nach der Umwandlung in eine Moschee im 15. Jahrhun- wieder zur Moschee, in der Ministerpräsident Erdogan am dert im Zuge der Eroberung Konstantinopels durch die Os- 24. Juli 2020 gemeinsam mit hunderten Gläubigen das ers- manen wurde sie zur Hauptmoschee der Osmanen und zum te Freitagsgebet feierte. architektonischen Vorbild des Moscheebaus in der Region. 1935 war es der erste Präsident der Türkei, Atatürk, der eine Zwei Reaktionen aus der Evangelischen Kirche in Deutsch- Nutzung als Museum durchsetzte. So wurde die Hagia So- land (EKD) und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kir- phia zu einem „Ort eines friedlichen Zusammenlebens der chen (ACK) seien hier exemplarisch abgedruckt für die Religionen“ (Heinrich Bedford-Strohm) und war den Instru- Vielzahl der Reaktionen aus christlichen Kirchen. mentalisierungsversuchen einzelner Religionen entzogen. KR Raphael Quandt Referent für Ökumene und Mittelosteuropa Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee Stellungnahme der Exekutive der Evangelischen Mittelost- Kommission der EKD Die von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan angeord- Kontroverse und Konfrontation gemacht worden ist. Die nete Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee kri- EMOK schließt sich der Erwartung des Ratsvorsitzenden tisiert die Evangelische Mittelost-Kommission (EMOK) als der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, an, dass diese Ent- einen rückwärtsgewandten Schritt, der den christlich- scheidung rückgängig gemacht werden sollte. islamischen Beziehungen weltweit großen Schaden zufügt. Sie teilt den Schmerz ihrer christlichen Geschwister in der Ursprünglich im 4. Jh. erbaut, erscheint die Hagia Sophia orthodoxen Welt, die durch diesen Schritt tief verletzt heute in der Gestalt des 6. Jahrhunderts und galt bis 1453 worden sind. Gleichzeitig sorgt sich die EMOK um die Aus- als die bedeutendste Kirche in der gesamten orthodoxen wirkungen dieses Aktes der Instrumentalisierung der Re- Welt. Mit ihrer Umwidmung in eine Moschee im Jahr 1453 ligion durch die Politik, der bereits jetzt zu einer Trübung durch den osmanischen Eroberer Istanbuls, Mehmet Fatih, in den christlich- islamischen Beziehungen geführt hat. wurde sie auch für die islamische Welt von Bedeutung. Der Besonders die wenigen noch in der Türkei verbliebenen or- Gründer der Türkischen Republik Atatürk machte die Ha- thodoxen Christen betrachten die Maßnahmen Erdogans gia Sophia im Jahr 1934 zu einem Museum und stand so mit großer Sorge. für die moderne Staatsausfassung der Trennung von Reli- gion und Staat. Seither galt die Hagia Sophia, die zum Die EMOK appelliert an die demokratisch gesonnene türki- UNESCO-Kulturerbe gehört, als Symbol für das friedliche sche Zivilgesellschaft sowie an alle im interreligiösen Dia- Zusammenleben der Religionen. Entsprechend der geogra- log Aktiven, zur Mäßigung im Verhältnis der Religionen fischen Lage Istanbuls bildete sie eine Brücke zwischen Ost zueinander beizutragen und sich für den Schutz religiöser und West. und ethnischer Minderheiten stark zu machen. Der jetzt aus politischem Kalkül getroffene Beschluss, das Hannover, 17. Juli 2020 Museum in eine Moschee zu verwandeln, ist ein Ausdruck Exekutive der Evangelischen Mittelost-Kommissionder der EKD der Intoleranz gegenüber dem Christentum und seinen Download des Textes unter: https://www.ekd.de/EMOK-Texte-22521.htm Angehörigen. Die EMOK schließt sich der Kritik des Mit- telöstlichen Kirchenrats (MECC) an, der die getroffene Entscheidung als „Verletzung religiöser Freiheit und Ko- existenz“ (violation of religious freedom and coexistence) bezeichnet. Sie bedauert, dass die Hagia Sophia mit ihrer Umwidmung zur Moschee von einem Symbol religiöser zuständig: KR Hans-Martin Gloël Toleranz und friedlicher Koexistenz zu einem Symbol der Ökumene und Weltverantwortung Ökumenerundbrief 03/2020
Dokumentation 13 Erklärung des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) Erzpriester Radu Constantin Miron aus Anlass der Umwandlung der Hagia Sophia zur Moschee Köln/Frankfurt am Main, 23. Juli 2020 Der 24. Juli 2020 bedeutet das Ende einer Epoche. Durch die Rechte der nicht-muslimischen Minderheiten bzw. die einen administrativen Akt des türkischen Staatspräsiden- Verpflichtung der Türkei, diese und ihre religiösen Einrich- ten verliert die Hagia Sophia in Istanbul den Status eines tungen zu respektieren, festgeschrieben wurden. In den Museums, den sie seit 1935 besaß, und wird zur Moschee vergangenen Jahren stellte der türkische Staatspräsident gemacht. Dieser staatliche Akt geschieht – wie so häufig Recep Tayyip Erdoğan immer wieder diesen Vertrag in Fra- in der Türkei – unter scheinbarer Wahrung der Rechtstaat- ge. Seine Vorliebe für Symbolpolitik, die mal wieder durch lichkeit. Das im 6. Jahrhundert gebaute Gotteshaus, das diese Datumswahl deutlich wird, geht also offensichtlich unter Kaiser Justinian als christliche Kirche erbaut wurde auch zu Lasten der christlichen Minderheit in der Türkei. Ihr und über neun Jahrhunderte als solche diente, wird, wie Schicksal kann und darf uns als Christen nicht gleichgültig 1453 nach der Eroberung Konstantinopels durch die Os- sein. Zu oft haben wir unsere Stimme nicht laut genug manen, erneut zur Moschee. Seit dem 1. Februar 1935 erhoben, wenn es um den Genozid an den Armeniern und stand sie dann als Museum allen Besucherinnen und Be- anderen Völkern, um die Septemberpogrome des Jahres suchern offen, wie es der Gründer der modernen Türkei, 1955, um die Ermordungen von christlichen Missionaren Mustafa Kemal Atatürk, verfügt hatte. Im Bewusstsein der und Würdenträgern oder die zahllosen Enteignungen von orthodoxen Christinnen und Christen blieb und bleibt die Gebäuden und Grundstücken aller christlichen Kirchen des Hagia Sophia allerdings die „Große Kirche Christi“. So ist es Landes ging. kein Zufall, dass Vertreter aller orthodoxen Patriarchate und autokephalen Kirchen gegen die Entscheidung der Auch die Umwidmung der Hagia Sophia ist eine Enteig- türkischen Regierung protestiert haben. Doch auch viele nung, nicht im immobilienrechtlichen, sondern im geist- Vertreterinnen und Vertreter anderer Kirchen, europäischer lichen Sinn. Und sie bedeutet das endgültige Ende einer und weltweiter Institutionen, nicht zuletzt der UNESCO, zu säkularen, laizistischen, europäischen modernen Türkei, deren Welterbe die Hagia Sophia ja gehört, haben ihre Be- wie sie Atatürk vorschwebte, der die Hagia Sophia zum stürzung über diesen Vorgang geäußert, der offenkundig Museum gemacht hatte. Der 24. Juli 2020 bedeutet das nicht religiöse Bedürfnisse, sondern innen- und außen- Ende einer Epoche. politische Ambitionen des türkischen Präsidenten befrie- digen soll. Deshalb richten sich diese Proteste – und auch Erzpriester Radu Constantin Miron die vorliegende Erklärung – nicht gegen den Islam oder Köln/Frankfurt, am 23. Juli 2020 das islamische Gebet, sondern gegen den Missbrauch der Religion, der hier zutage tritt. Zwei Aspekte, die nur wenig zur Sprache gekommen sind, Download des Textes unter: gilt es dabei besonders hervorzuheben: Zum einen ist die Hagia Sophia für die weltweite Christenheit nicht – wie https://www.oekumene-ack.de/aktuell/aktuelle-mel- behauptet wurde – „irgendein Gebäude, um das auf einmal dungen/mitgliederversammlung/artikeldetails/enteig- so viel Aufhebens gemacht wird“. Vielmehr ist sie auch jene nung-im-geistlichen-sinn/ Kirche, auf deren Hauptaltar am 16. Juli 1054 der päpst- liche Legat Humbert von Silva Candida das Bannschreiben über Patriarch Michael Kerullarios niederlegte, was zur Großen Kirchenspaltung zwischen Ost- und Westkirche führte. Sie ist also der symbolträchtige Ort, an dem damals das Schisma proklamiert wurde und der heute deshalb für alle, die in der Ökumene tätig sind, ein Mahnmal für die Wiederherstellung der Einheit der Kirche darstellt. Zum anderen lässt die bewusste Wahl des 24. Juli als Da- tum der Umwidmung nichts Gutes erahnen, handelt es sich doch um den Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrages von Lausanne (1923), in dem in den Artikeln 37-44 auch zuständig: KRin Dr. Maria Stettner Referentin für Ökumene und interreligiösen Dialog Ökumenerundbrief 03/2020
14 Mittelosteuropa Diasporaarbeit in Bayern gibt sich eine neue Struktur Die Diasporaarbeit ist ein wichtiger Baustein im ökume- die Zusammenarbeit mit den Diasporabeauftragten, sollen nischen Miteinander der Kirchen auf der Welt, insbeson- über diesen Runden Tisch koordiniert werden. Durch ge- dere auch in den Beziehungen zu Mittelosteuropa. Dort meinsame Öffentlichkeitsarbeit soll das Thema „Diaspora“ gibt es viele zahlenmäßig keine evangelische Kirchen, die in Bayern wieder präsenter werden. internationale Netzwerke brauchen, um das kirchliche Le- ben vor Ort aufrecht erhalten zu können. In der Regel sind Diasporawerke und Ökumenereferat haben gemeinsam be- diese Kirchen in der einen oder anderen Weise aus der Re- schlossen, die AGDD (Arbeitsgemeinschaft der Diaspora- formation direkt hervorgegangen oder entstanden in Folge dienste) und ihre Geschäftsstelle in Neuendettelsau zum der unterschiedlichen Siedlungs- und Migrationsbewegun- 1.3.2021 aufzulösen. Anstatt einer finanziellen Förderung gen in Europa. Heute sind sie Ausdruck konfessioneller und der AGDD durch die Landeskirche werden zukünftig nun religiöser Pluralität in der Region und wichtiger Partner in die Diasporawerke von der Landeskirche direkt finanziell der Ökumene der Länder. unterstützt, um z.B. eigene Geschäftsstellen für ihre Werke zu unterhalten. Finanzielle, aber auch inhaltliche, Unterstützung dieser Kirchen in Europa gehört zu den Aufgaben der Evange- Der „Runde Tisch Diaspora“ ermöglicht also einerseits eine lisch-Lutherischen Kirche in Bayern ebenso, wie der Dias- größere Eigenständigkeit der Diasporawerke, intensiviert porawerke Martin-Luther-Verein und Gustav-Adolf-Werk, aber andererseits den Netzwerkgedanken Vernetzung und hinzu kommen Stiftungen und einzelne Partnerbeziehun- den Austausch. Durch die Verschlankung der Struktur und gen. die Nutzung von Synergien wird die Neuausrichtung der Diasporaarbeit in Bayern auch zu einem Beispiel, welches Ab 2021 soll die europäische Diasporaarbeit in Bayern eine exemplarisch deutlich macht, dass der sog. „PuK“-Prozess neue Struktur erhalten, so haben es die Diasporawerke und (Profil und Konzentration) auch in der Ökumene wichtige die Abteilung für Ökumene im Landeskirchenamt gemein- Impulse setzt. All dies geschieht in der Hoffnung, mit we- sam beschlossen: Ein „Runder Tisch europäische Diaspo- niger Mitteln mehr zu erreichen für die Diasporakirchen in ra“ soll künftig die Aktivitäten der einzelnen Träger koor- Mittelosteuropa. dinieren und zu einer Plattform für Informationsaustausch und Vernetzung werden. Jährliche Kooperationen, wie zum Im Ökumenerundbrief und auf den neuen Internetseiten Beispiel im Rahmen der Fastenaktion „Füreinander Ein- der Ökumene https://oekumene.bayern-evangelisch.de stehen in Europa“, aber auch der Landesdiasporatag und wird über die weitere Entwicklung zu lesen sein! Ansprechpartner im Landeskirchenamt Gustav-Adolf-Werk Hauptgruppe Bayern Martin–Luther–Verein–in–Bayern bleibt weiterhin KR Raphael Quandt. Pfr. Wolfgang Layh (Vorsitzender) Pfr. Wolfgang Hagemann (Vorsitzender) Die neuen Anschriften der Diasporawer- Oettinger Str. 6 Fahrstraße 15 ke in Bayern lauten: 91717 Wassertrüdingen 91054 Erlangen Tel. 09832-7630 (vorläufig) Tel. 0178–6850290 layh@gustav-adolf-werk-bayern.de info@martin-luther-verein-bayern.de KR Raphael Quandt Referent für Ökumene und Mittelosteuropa Staatskirchenvertrag zwischen Lutherischer Kirche und Regierung in Ungarn Wir haben vor Kurzem den 30. Jahrestag der Deutschen pragmatischere Haltung der Reformkommunisten in Un- Einheit gefeiert, die bekanntlich auch mit Ungarn ein garn war bei uns die Wende auch viel sanfter und von viel wenig zu tun hat. Die christliche Gemeinschaft in unse- mehr Kompromissen gekennzeichnet als in der DDR und rem Land war damals, im Sommer 1989, nicht nur tief in den meisten anderen Staaten des Sowjet-Blocks. Dazu bewegt durch die Geschehnisse, wir haben auch versucht, kam, dass in unserem Fall die politischen, juristischen und den Flüchtlingen aus der DDR zu helfen, wobei im soge- verwaltungstechnischen Umwälzungen kein klares Beispiel nannten Gulasch-Kommunismus die Kirchen politisch viel und keine genaue Vorgabe hatten, wie im wiedervereinten weniger aktiv waren als in Ostdeutschland. Durch die viel Deutschland, wo das BRD-System mehr oder weniger ein- Ökumenerundbrief 03/2020
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