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Vorwort

Liebe Sportlehrerin, lieber Sportlehrer,
liebe Lehrerin, lieber Lehrer, die/der Sie fachfremd Sport unterrichten (müs-
sen),
liebe Vereinstrainerin, lieber Vereinstrainer,
liebe Angestellte, lieber Angestellte in einer pädagogischen Institution mit
Sportangebot,
liebe Sportstudentin, lieber Sportstudent,

die vorliegende Didaktik des Bewegungs- und Sportunterrichts möchte Ihnen
zunächst mit der begrifflichen Klärung helfen, das besser zu verstehen, was
Sie tagtäglich – bestimmt meist erfolgreich und zu Ihrer Zufriedenheit, viel-
leicht sogar mit Erfüllung und Freude, manchmal jedoch auch mit Enttäu-
schung und Frust – tun: altgriechisch „didaskein“, lehren.
Sie tun das jedoch nicht zum Selbstzweck, sondern Ihr Handeln ist darauf
ausgerichtet, dass die Heranwachsenden, die der Erziehung bedürfen und die
Ihnen anvertraut sind, etwas lernen, und dass Sie zu ihrer Bildung durch
Ihren Bewegungs- und Sportunterricht beitragen. Dieser Lehr-Lern-Prozess
stellt eine je neu zu bewältigende Aufgabe dar: Die Lernenden sind immer
andere; Ziele, Inhalte, Rahmenbedingungen usw. verändern sich; Gegensätze
sind immer wieder neu auszubalancieren. Deshalb stellt der Lehr-Lern-
Prozess letztlich ein „nicht machbares“ Geschehen dar. Dies fordert die
„Lehrkunst“, von der schon W. Radtke und J. A. Comenius sprachen (vgl.
Peterßen, 2001, S. 138), immer wieder heraus. Im Lehr-Lern-Prozess machen
Sie und Ihr Handeln lediglich einen – wenngleich einen ganz wichtigen –
Faktor aus; zu seinem Gelingen tragen Sie durch Ihr „professionelles Lehrer-
handeln“, das ja ein Stück weit erlernbar ist (auch wenn es dabei bisweilen
gegen die „subjektiven Theorien“ ankämpfen muss), wesentlich bei.
Dabei sind Sie immer – bewusst oder unbewusst – mit Didaktik konfrontiert:
Sie bereiten Ihren Unterricht gewissenhaft vor und bringen dabei teils be-
währte, teils neue Ideen ein. Ihre Entscheidung für das Eine und gegen das
Andere ist bereits eine didaktische Entscheidung. Sie gestalten Ihren Unter-
richt, womit Sie noch mehr in Didaktik verstrickt sind. Nach den Unterrichts-
stunden überlegen Sie sich, vor allem dann, wenn etwas unerwartet lief, war-
um dies wohl so kam – nun lässt Sie die Didaktik gar nicht mehr los, denn
spätestens jetzt steht alles auf dem Prüfstand: Waren Ihre Unterrichtsziele
richtig gewählt? Haben die Inhalte die Heranwachsenden erreicht? Waren die
methodischen Entscheidungen zutreffend – oder waren die Schüler über-
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oder unterfordert? Hatten Sie differenzierende Maßnahmen in ausreichendem
Maße vorgesehen? Standen die richtigen Medien und Materialien zur Verfü-
gung? Nach welcher sportdidaktischen Konzeption hatten Sie Ihren Unter-
richt vorbereitet und gestaltet? Generell ist evtl. zu fragen, ob Sie – vielleicht
bisher unbemerkt – sehr stark einem bestimmten sportdidaktischen Ansatz
folgen? (Über-)Betonen Sie möglilcherweise eine bestimmte Perspektive von
Bewegung und Sport – gut gemeint – deshalb, weil Sie einer gewissen didak-
tischen Mode huldigen, die vielleicht zur Zeit Ihrer Ausbildung „in“ war?
Usw. usf.
Die hier vorgelegte Abhandlung konzentriert sich auf die Didaktik des Be-
wegungs- und Sportunterrichts. Im Terminus „Bewegung und Sport“ soll
zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die hier vertretene Position – in
bewusster Abkehr von (derzeit auch anzutreffenden) Vereinseitigungen – um
eine integrative Sicht bemüht. Die Komplexität sportdidaktischer Entwürfe
und die Vielgestaltigkeit des Bewegungs- und Sportunterrichts werden als
Chance für einen interessanten und motivierenden Bewegungs- und Sportun-
terricht (vgl. Größing, 2001. S. 33) gesehen.
Wenn Sie einen Überblick über die aktuelle sportdidaktische Diskussion von
Zielen (vor allem ob „Bewegungsfelder“ oder „Sportarten), von Inhalten (vor
allem „bewegungserzieherisch“ oder „sportartenorientiert“), von Methoden
(ob besser „offen“ oder „lehrerzentriert“), von Medien und Materialien su-
chen, finden Sie hier eine zusammenfassende Darstellung. Wenn Sie darüber
hinaus an einer Darstellung und kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen
sportdidaktischen Konzeptionen interessiert sind, lesen Sie das zweite Kapi-
tel in diesem Buch. Das Hauptaugenmerk in diesem Kapitel, das der herme-
neutischen Methode folgt, liegt auf der Fachdidaktik des Bewegungs- und
Sportunterrichts als Theorie. Diese sehen wir als immer kritik- und verbesse-
rungswürdig an (vgl. Lange & Sinning, 2008a, S. 142). Sie muss sich näm-
lich zum einen immer wieder den sich ändernden Anforderungen, Vorausset-
zungen und Erwartungen an einen Bewegungs- und Sportunterricht stellen.
Zum anderen ist es ihre Aufgabe, ihre Voraussetzungen zu prüfen und kri-
tisch zu hinterfragen, ob sie das Ganze in angemessener Weise im Blick hat
oder ob sie Verengungen unterliegt, indem sie bspw. bestimmten Setzungen,
Moden usw. folgt. Dass theoretische Aspekte der Didaktik von Bewegung
und Sport hier fokussiert werden, heißt nicht, dass hier kein Bezug zur Praxis
hergestellt werden würde. Im Gegenteil: in stetem Bezug zur Praxis wird die
Theorie veranschaulicht.
Das Hinterfragen der Voraussetzungen als Grundlage der kritischen Ausei-
nandersetzung mit dem fachdidaktischen Denken erstreckt sich nicht allein
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auf sportdidaktische Konzeptionen. Ihm muss vielmehr eine Klärung des
Menschenbildes vorausgehen, das Antworten auf die wesentlichen (fach-)
didaktischen Fragen gibt: Warum soll der Mensch überhaupt erzogen wer-
den? Warum braucht er Bildung? Was beinhaltet ein gegenwärtig aktueller
Bildungsbegriff? Wie ist ein Bewegungs- und Sportunterricht in der Bil-
dungsdiskussion zu verorten, zu begründen, zu legitimieren? Wie stellt sich
Bewegungslernen sinnvoll dar? Usw.
Wenn Sie die phänomenologisch und hermeneutisch begründeten Antworten
auf diese Fragen interessieren, lesen Sie das erste Kapitel der vorliegenden
Abhandlung. Die Antworten werden in einem Abriss strukturanthropologi-
schen Denkens im Anschluss an H. Rombach und in einem Rekurs auf die
konstruktiv-kritische Didaktik W. Klafkis gegeben. Darüber hinaus werden
Sie in diesem Kapitel eine Reflexion des Verhältnisses von Allgemeiner
Didaktik und der Fachdidaktik des Bewegungs- und Sportunterrichts finden.
Auch bei der theoretischen Begründung des hier bezogenen Standpunktes
wird dessen Bedeutung für die Praxis nicht aus den Augen verloren.

Im ersten Teil des dritten Kapitels werden Konsequenzen aus der Sicht des
engen Wechselverhältnisses von Allgemeiner Didaktik und Fachdidaktik des
Bewegungs- und Sportunterrichts gezogen. Zunächst stehen dabei Möglich-
keiten der Verbesserung des Bewegungs- und Sportunterrichts durch das
subjektive Lehrerhandeln im Mittelpunkt. Sie lehnen sich an die Merkmale
guten Unterrichts aus der empirischen Unterrichtsforschung der Allgemeinen
Didaktik an. Es liegt nahe, dass hier eine verbesserungsfähige und verbesse-
rungswürdige Praxis (vgl. Elflein, 2008, S. 59) im Mittelpunkt steht, was der
aktuellen didaktischen Forderung der Rückbesinnung auf den Unterricht als
wesentlichem Faktor für einen erfolgreichen Lehr-Lern-Prozess entspricht.
Denn letztlich gibt es „nur eine wirkliche Möglichkeit schlechte Bildungser-
gebnisse zu korrigieren, und das ist eine Verbesserung der Qualität des Leh-
rens und Lernens“ (Weinert, 2000, S. 4f.).

Doch nicht allein im Lehrer als Einzelkämpfer, sondern gerade auch in der
Möglichkeit der Kooperation sehen wir (noch) viel Potenzial zur Steigerung
der Unterrichtsqualität, weshalb im zweiten Teil dieses dritten Kapitels Über-
legungen zu einem Qualitätsmanagement des Bewegungs- und Sportunter-
richts angestellt werden.
Wenn Sie dies interessiert, lesen Sie das dritte Kapitel. Es liegt nahe, dass
Sie hier ein direkter Bezug zur Praxis mit vielen Beispielen aus der täglichen
Unterrichtspraxis und mit Vorschlägen, diese zu verbessern, erwartet.
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Als idealisierte, nicht jedoch als idealistische Entwürfe, als Anregungen,
nicht jedoch als Rezepte, als Beispiele, nicht jedoch als Kopiervorlagen, sind
die „Best-Practice-Beispiele“ im vierten Kapitel zu verstehen. Experten der
Didaktik des Bewegungs- und Sportunterrichts aus Schule, Hochschule und
Verbänden haben für dieses Kapitel die Konzeptionen von Unterrichtsstun-
den beigetragen, die die Umsetzung des zuvor Dargelegten in die tägliche
Unterrichtspraxis leisten. Aus Platzgründen konnte im vorliegenden Band nur
ein Teil der ausgearbeiteten Best-Practice-Beispiele abgedruckt werden.
Weitere Beispiele finden Sie, indem Sie diesen Titel auf www.klinkhardt.de
aufrufen. Die Zuordnungen zu den zuvor explizierten didaktischen Überle-
gungen werden vor allem in den Vorüberlegungen zu jeder Stunde deutlich.
Der (geplante) Stundenverlauf wird in einer Stundenskizze dargestellt. In
einem dritten Abschnitt werden jeweils Punkte, die eines besonderen Au-
genmerks bedürfen, herausgearbeitet. Die Ausführungen haben dabei vor
allem den Schulsport im Blick. Wir gehen dennoch davon aus, dass die hier
angestellten didaktischen Überlegungen und Anregungen auch auf andere
pädagogische Prozesse übertragbar sind, die Bewegung und Sport in einer
erzieherischen Intention verfolgen.

Obwohl der Aufriss der vorliegenden Didaktik des Bewegungs- und Sportun-
terrichts einem roten Faden folgt, ist es nicht unbedingt nötig, ihm von An-
fang bis Ende zu folgen. Wenn Sie wollen, können Sie auch „zwischendrin“
einsteigen. Dadurch, dass wir Ihnen diese Möglichkeit eröffnen wollen, ist es
unvermeidlich, gewisse Aspekte wiederholt anzusprechen. Dies liegt jedoch
auch bereits in der Sache selbst. Die didaktischen Überlegungen zum gegen-
wärtigen Bewegungs- und Sportunterricht kreisen nun einmal wesentlich um
die Dimensionen des Unterrichts (Ziele, Inhalte usw.), die eben auch bei den
sportdidaktischen Konzeptionen eine Rolle spielen. Der geneigte Leser1 mö-
ge die Querverweise in solchen Fällen ebenso wie die Hinweise zur Literatur
als Anregung für weiterführende und vertiefende Lektüre nehmen.

1
  Im Folgenden wird nur noch die maskuline Form von „Lesern“, „Lehrern“, „Schülern“ usw.
verwendet. Dies wird um der besseren Leserlichkeit willen getan – die „Leserinnen“, „Lehrerin-
nen“, „Schülerinnen“ usw. mögen sich dadurch bitte nicht zurückgesetzt fühlen.
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Die vorliegende Didaktik des Bewegungs- und Sportunterrichts will also:

Ö dass sich der Leser einen Überblick über die aktuelle sportdidaktische
  Diskussion in ihren Kernbereichen (vgl. Lange & Sinning, 2008a, S. 137)
  verschaffen kann
Ö dass er – nach Interesse und Bedarf – die gegebenen systematisch-
  kritischen Darstellungen anhand der Literaturhinweise selbstständig ver-
  tiefen kann
Ö dass er – etwas besser als vorher – auf Grund des aktuellen Standes der
  Didaktik von Bewegung und Sport seinen Unterricht theoriegeleitet pla-
  nen, durchführen und reflektieren kann
Ö dass er – etwas bewusster als zuvor – zur Selbst-Konstituierung der He-
  ranwachsenden und ihrer Allgemeinbildung durch Bewegungsbildung
  und Erziehung zum und durch Sport beitragen kann
Ö dass er das theoretische Fundament seines professionellen Lehrerhandelns
  stärken kann
Ö dass er viele Anregungen für die Verbesserung (s)einer täglichen Unter-
  richtspraxis findet.

Biberg, im März 2009

Axel Horn
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Kapitel I Grundlegung
Im ersten Kapitel geht es darum, die Grundlagen darzustellen, auf denen die
hier vorgelegte Didaktik des Bewegungs- und Sportunterrichts aufbaut.
In einem ersten Schritt stehen die Allgemeine Didaktik in ihrem gegenwärti-
gen Selbstverständnis und in aktuellen Orientierungen sowie das Verhältnis
zwischen der Allgemeinen Didaktik und den Fachdidaktiken im Mittelpunkt.
Von hier aus erfolgt eine erste Annäherung an die Sportdidaktik.
In einem zweiten Schritt wird der wesentlichen Frage nach dem Menschen-
bild, das allen pädagogisch-didaktischen Überlegungen – oft implizit – zu
Grunde liegt, nachgegangen und mit der Strukturanthropologie des Würzbur-
ger Philosophen Heinrich Rombach beantwortet. Dabei werden der Struktur-
begriff im Allgemeinen, seine Bedeutung für die Anthropologie und nicht
zuletzt seine Bedeutung für Leiblichkeit und Bewegung skizziert. Struktur-
pädagogische Gedanken geben Antworten auf den didaktischen Grundbegriff
des Lernens.
Der dritte Abschnitt des ersten Kapitels verortet die hier vorgelegte Didaktik
des Bewegungs- und Sportunterrichts in der konstruktiv-kritischen Didaktik
Wolfgang Klafkis. Hierfür ist es unerlässlich, sie in ihren Grundzügen zu
skizzieren und vor allem den Bildungsbegriff herauszuarbeiten. Das Ver-
ständnis von Bildung ist nämlich nicht allein für die Allgemeine Didaktik
wesentlich, sondern sie ist auch in der aktuellen sportdidaktischen Diskussion
von zentraler Bedeutung.

1 Didaktik

1.1 Was ist „Didaktik“?
Fragt man nach dem, was Didaktik ist, ist Verwirrung angesagt. Denn: „Di-
daktik ist nicht gleich Didaktik!“ (Peterßen, 2001, S. 12). Zum Beleg dieser
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Aussage führt W. Peterßen mehrere Seiten mit Definitionen von Didaktik an
und schlussfolgert:
  Dass es Didaktik gibt, besser: geben muss!, wird heute von niemandem bestritten; aber was Di-
  daktik ist, wird seit allen Zeiten und wird auch heute noch heftig umstritten. Solch verwirrende
  und übermäßige Vielfalt von Definitionsversuchen ist darauf zurückzuführen, dass Didaktik we-
  der etymologisch noch historisch eindeutige Vorgaben vorfindet. Begriff und Struktur von Di-
  daktik stehen somit allen darauf gerichteten Bemühungen offen (Peterßen, 2001, S. 15).
Trotz dieser Vielfalt des Verständnisses ist ein Arbeitsbegriff von Didaktik
unverzichtbar. Er soll im Rückgriff auf einige wesentliche und grundlegende
Momente gewonnen werden, die in der Diskussion dessen, was Didaktik
„ist“, immer wieder begegnen.

Didaktik wird als Teil der Erziehungswissenschaft und im schulpädagogi-
schen Sinne als „Theorie des Unterrichts“ gesehen. „Unterricht ist die plan-
mäßige Interaktion von Lehrenden und Lernenden zum Aufbau von Sach-,
Sozial- und Selbstkompetenz im institutionellen Kontext der Schule“
(Jank/Meyer, 2005, S. 46).
Der Beginn der Allgemeinen Didaktik der Neuzeit wird übereinstimmend mit
J. A. Comenius’ „Didactica magna“ (= große Didaktik) aus dem Jahr 1628
bzw. 1638 angesetzt (vgl. Jank/Meyer, 2005, S. 11f.). Daran anknüpfend hat
J. Dolch bereits 1952 vorgeschlagen, Didaktik als „die Wissenschaft (und
Lehre) von Lernen und Lehren überhaupt“ (Dolch, 1960, S. 45 – zit. nach
Klafki, 1996, S. 90f.) zu verstehen. Dieses zunächst sehr allgemeine Ver-
ständnis begegnet auch noch in der aktuellen didaktischen Literatur. So spre-
chen bspw. W. Jank und H. Meyer (2005) von der Didaktik als der „Wissen-
schaft vom Lehren und Lernen“ (Jank/Meyer, 2005, S. 12) oder weist ihr T.
Bohl die Aufgabe der grundlegenden Klärung des Lehrens und Lernens zu
(vgl. Bohl, 2004, S. 417).
Sofern Didaktik dabei auf Sollensaussagen ausgerichtet ist, wird sie als nor-
mative Didaktik bezeichnet; sofern sie die Frage des Nachweises, ob über-
haupt und in wie weit das Angestrebte tatsächlich gelingt, in das Zentrum des
Interesses rückt, ist sie empirische Didaktik. Wenngleich diese beiden didak-
tischen Ansätze zunächst unvereinbar scheinen, sind sie letztlich als die zwei
Seiten ein und derselben Medaille zu verstehen: Wenn einerseits die empiri-
sche Didaktik bspw. Merkmale benennen kann, die den Unterrichtserfolg
erhöhen (siehe hierzu Kap. III), schließt dies die normative Aufforderung ein,
solche Merkmale umzusetzen. Andererseits sieht W. Klafki die Notwendig-
keit, den historisch-hermeneutischen Ansatz der Geisteswissenschaftlichen
Pädagogik um den empirischen und gesellschaftskritischen Ansatz zu erwei-
15

tern, was ihn zu seiner kritisch-konstruktiven Didaktik (vgl. Klafki, 1996, S. 9
– siehe hierzu Kap. I, 3) führt.
Während der Begriff Didaktik auch in der deutschen Pädagogik zunächst
vorwiegend auf den Unterricht in Schulen, Hochschulen und schulähnlichen
Institutionen bezogen wurde, spielt er inzwischen auch in vielen anderen
außerschulischen pädagogischen Arbeitsfeldern eine wichtige Rolle. W.
Klafki definiert Didaktik deshalb
  als übergreifende Bezeichnung für erziehungswissenschaftliche Forschung, Theorie- und
  Konzeptbildung im Hinblick auf alle Formen intentionaler (zielgerichteter), systematisch vor-
  bedachter ‚Lehre’ (im weitesten Sinne von reflektierter Lern-Hilfe) und auf das im Zusam-
  menhang mit solcher ‚Lehre’ sich vollziehende Lernen (Klafki, 1996, S. 91).
T. Bohl schließt an dieses Verständnis von Didaktik an und verdeutlicht:
  Didaktik bewegt sich im Definitionsspektrum von Kunst, Wissenschaft, Theorie und Praxis
  des Lehrens und Lernens. Didaktik ist ein Teilbereich der Erziehungswissenschaft und blickt
  über enge Unterrichts- und Erziehungssituationen hinaus. Als Allgemeine Didaktik bezieht sie
  sich auf alle Alters- und Lernstufen und auf alle zu vermittelnden Inhaltsbereiche. Sie fokus-
  siert vorrangig (Aus-) Bildungsprozesse angehender Lehrkräfte. Didaktik soll dabei helfen,
  Unterricht systematisch zu analysieren, zu planen und zu konstruieren. Didaktik hat demnach
  einen Theorie- und einen Praxisbezug, vermittelt zwischen beiden und bemüht sich um die
  Klärung der Zusammenhänge und Ausdifferenzierung von Zielen, Inhalten, Methoden und
  Medien in Unterrichtsprozessen, sowie von gesellschaftlichen, anthropologischen und indivi-
  duellen Lernvoraussetzungen (Bohl, 2004, S. 416).

1.2 Gegenstandsbereiche der Didaktik
Aus der Begriffsbestimmung von Didaktik ergeben sich für einen ersten
Überblick drei wesentliche Aufgabenbereiche der Didaktik als Wissenschaft.
Zunächst soll sie „als Wissenschaft von der Praxis für die Praxis“ (Klafki,
1996, S. 100) das Handeln von Lehrenden und Lernenden im Lehr-Lern-
Prozess unterstützen. Das beobachtbare Handeln ist damit ebenso gemeint
wie das vorbereitende, begleitende und auswertende Handeln im Lehr-Lern-
Prozess (vgl. Jank/Meyer, 2005, S. 15). M.a.W.: die Unterrichtsplanung, die
Unterrichtsgestaltung und die Reflexion des Unterrichts.

Das Ziel jeder Didaktik als Lehre und Wissenschaft für die Praxis ist letzt-
lich, die Professionalisierung des Lehrerhandelns im Lehr-Lern-Prozess zu
verbessern. Schlüsselbegriff des pädagogisch-professionellen Ansatzes ist
das „professionelle Selbst“. In seiner strukturierenden und integrierenden
Funktion ermöglicht es Lehrern, auch in schwierigen Situationen handlungs-
fähig zu bleiben (Bauer et al., 1996, S. 13ff.). Voraussetzungen für das pro-
fessionelle Selbst sind fachliche Ausbildung über ein Fachstudium, berufs-
16

wissenschaftliche Ausbildung (erziehungswissenschaftliche Fundierung),
Kooperation und Reflexion (vor allem Fortbildungen, Supervisionen, Schul-
entwicklung) (vgl. Brückel/Gieß-Stüber, 2005, S. 35f.). Zwar gibt es das
Phänomen des „geborenen Lehrers“, der „mit Fingerspitzengefühl“ und „aus
dem Bauch heraus“ „mit einem Händchen für Schüler“ das situativ Richtige
tut. Wenn dem so ist, ist es gut. Bei vielen Lehrern und in vielen Situationen
ist dies jedoch nicht (immer) der Fall. Deshalb ist die Professionalität des
Lehrerhandelns gefordert. Damit sind das Wissen von Gesetzmäßigkeiten
und gelingenden Strukturen und die Fähigkeit, sie anzuwenden gleicherma-
ßen gemeint.
Die Professionalität des Lehrers zeigt sich zum einen in der bewussten, ge-
planten, systematischen Vorbereitung, Gestaltung, Reflexion und Evaluie-
rung von Unterricht, in der bewussten Auswahl bestimmter Ziele, Inhalte,
Methoden usw. Die Professionalität erstreckt sich zum anderen innerhalb
einzelner Unterrichtsstunden etwa auf die auszuwählenden Methoden, auf die
Gestaltung von Gelenkstellen, auf mögliche Differenzierungen usw. Profes-
sionelles Lehrerhandeln zeigt sich bei mehrstündigen Unterrichtsblöcken z.B.
hinsichtlich des zu verfolgenden „roten Fadens“ – und auf ein ganzes Schul-
jahr bezogen bspw. darin, in jeder Stunde eine bestimmte Schwerpunktset-
zung zu verfolgen. Professionalität bedeutet jedoch zugleich auch, von der
Planung abzurücken, wenn sich der Unterricht in seinem prozessualen Ge-
schehen in eine andere Richtung entwickelt, die (noch) fruchtbarer zu sein
scheint. Da Unterricht niemals völlig (ver-)planbar ist und als lebendiger
Lehr-Lern-Prozess in seinen personalen Bezügen notwendigerweise ein gan-
zes Stück weit unvorhersehbar bleibt, ist das Verständnis von „Didaktik als
Lehrkunst“ (Funke-Wieneke, 2007, S. 5) durchaus nachvollziehbar. Hinzu
kommt der vom Lehrer stets zu leistende Balanceakt der Vermittlung von
eigentlich Unvereinbarem – z.B. von Führung und Selbsttätigkeit, von Ler-
nen in der Gemeinschaft und Lernen für sich selbst, von fachlichen und über-
fachlichen Lernzielen, von eher lehrgangsförmigem und eher projektförmi-
gem Unterricht, von lehrerzentrierter Führung und offenem Unterricht, von
individueller Förderung und vorgegebenen Zielen, von selbst gestalteten
Lernwegen und effektiver Nutzung der zur Verfügung stehenden Lernzeit
usw. (vgl. Meyer, 2005, S. 166; siehe hierzu auch L. Klingbergs Didaktisches
Modell: Unterricht als dialektisches Geschehen – vgl. Jank/Meyer, 2005, S.
241ff.). Gerade hierin liegen immer wieder neue Herausforderungen und ein
stets neues Wagnis für guten Unterricht im Allgemeinen und für Bewegung
und Sport im Besonderen. Sie können jedoch nicht allein subjektiv-spontanen
Reaktionen überantwortet bleiben, sondern sie verlangen professionelle Ver-
17

haltensweisen. Mehr noch: Die Aufgabenerweiterung des Lehrerberufs mit
bspw. einer stärkeren Gewichtung der Handlungsweisen des Vermittelns,
Betreuens und Beratens verlangt gerade nicht eine Deprofessionalisierung
(vgl. Schultheiß, 1997, S. 323ff.), sondern eine Professionalisierung. Denn
auch diese Aufgaben können nicht aus dem hohlen Bauch heraus bewältigt
werden, sondern müssen durch professionelle Strukturen gestützt werden.
Es sei ausdrücklich hervorgehoben, dass mit der Forderung nach Professiona-
lität nicht einem schematisierten oder standardisierten Unterricht das Wort
geredet wird. Im Gegenteil. Die Professionalität eines Lehrers beinhaltet
sowohl die bewusste Planung als auch die spontane Gestaltung von Unter-
richt, sowohl die Nutzung bewährter Kompetenzen im praktischen Handeln
als auch die persönlichen Stärken des Lehrenden.
Die Forderung nach Professionalisierung des Lehrens wird durch eine weite-
re Beobachtung gestützt, die in der didaktischen Literatur mit subjektiven
Theorien bezeichnet wird und die an späterer Stelle (siehe Kap. III, 2.1.1)
ausführlicher zur Sprache zu bringen sein werden. Unter subjektiven Theo-
rien werden lang gereifte, tief verwurzelte und deshalb stabile Verhaltens-
verweisen verstanden, die zumeist und zunächst das menschliche Verhalten
im Allgemeinen und das (unterrichts-)praktische Handeln im Besonderen
leiten. An die Stelle der subjektiven Theorien sollen im Lehr-Lern-Prozess
professionelle Verhaltensweisen, d.h. theoriegeleitete, bewusste Entschei-
dungen hinsichtlich Planung, Gestaltung, kritischer Reflexion des Unterrichts
und ggf. Verhaltensänderung treten. „Theoriegeleitet“ bedeutet dabei nicht
die Festlegung auf eine einzige Sichtweise von Unterricht, vielmehr bedeutet
es: didaktische Entscheidungen nicht allein auf Grund eigenen Wissens,
Könnens und subjektiver Erfahrungen, sondern mit Hilfe didaktischen, d.h.
wissenschaftlich abgesicherten und erweiterten Wissens, zu treffen: Auf
Grund welcher Konzeption, welchen Modells, welcher Theorie treffe ich
meine unterrichtspraktischen Entscheidungen? Warum entscheide ich mich
gerade für dieses und lasse jenes weg? Theoretisch erworbenes Wissen wird
zunächst vor allem in der mittleren Reichweite des Handelns, also in der
Planung und Reflexion des Unterrichts – mit der entsprechenden Ruhe und
Zeit – fruchtbar. Hinsichtlich der Inszenierung des Unterrichts mit vielen
unvorhersehbaren Entscheidungen, in der sog. geringen Reichweite, ist es
wesentlich schwieriger, die subjektiven Theorien zu durchbrechen und Ver-
haltensänderungen herbeizuführen. Jedoch ist auch dies möglich (vgl. Wahl,
2005, S. 20). Professionelles Unterrichten mit dem Ziel der Steigerung der
Unterrichtsqualität braucht beides: Reflexion und Verhaltensänderung so-
18

wohl auf der mittleren Handlungsebene von Planung und Reflexion als auch
auf der unmittelbaren Handlungsebene der Inszenierung des Unterrichts.

Darüber hinaus bezieht sich die Didaktik in Theorie und Praxis auf Entschei-
dungen, Entscheidungsbegründungen und Entscheidungsprozesse, die Ziele,
Inhalte, Methoden, Medien und Materialien für das Lehren und Lernen be-
treffen (vgl. Klafki, 1996, 92f.). In der Zuordnung dieser Problembereiche
der Didaktik begegnen wesentliche Unterschiede. Die bildungstheoretische
Didaktik geht vom „Primat der Zielentscheidungen“ (Klafki, 1996, S. 116)
aus. In der Weiterentwicklung der geisteswissenschaftlichen Didaktik zur
konstruktiv-kritischen Didaktik spricht W. Klafki zwar von der wechselseiti-
gen Abhängigkeit und Beeinflussung aller Faktoren, die für den Unterricht
konstitutiv sind. Diese Interdependenz könne jedoch gerade nicht als glei-
chartiges Abhängigkeitsverhältnis, sondern eben nur als Wechselverhältnis
unter dem Primat der Zielentscheidungen verstanden werden (vgl. Klafki,
1996, 117): „Die verschiedenen Entscheidungsdimensionen bzw. Faktoren
hängen zwar wechselseitig voneinander ab, aber im Sinne qualitativ unter-
schiedlicher Beziehung“ (Klafki, 1996, S. 117).
Demgegenüber betonen andere Didaktiker die Gleichwertigkeit der didakti-
schen Problembereiche in ihrer gegenseitigen Verwiesenheit, vor allem die
Wechselwirkung von Zielen, Inhalten und Methoden zu sehen (vgl.
Jank/Meyer, 2005, S. 55ff.). So deuten etwa W. Jank und H. Meyer mit ihren
neun W-Fragen an, wie umfangreich der Gegenstandsbereich der Didaktik
ist: „Wer, was, von wem, wann, mit wem, wo, wie, womit und wozu lernen
soll“ (Jank/Meyer; 2005, S.16 – siehe hierzu auch die folgenden Ausführun-
gen in Jank/Meyer, 2005, S. 17ff.).

Seit H. Blankertz Ende der 1960er Jahre erstmals seine Gesamtdarstellung
der Allgemeindidaktischen Theoriebildung vorlegte, werden das bildungs-
theoretische, lerntheoretische und informationstheoretische Modell unter-
schieden. Die enthaltenen Bestimmungsbegriffe werden von W. Klafki als
zentrale und zentralisierende Begriffe bezeichnet (vgl. Klafki, 1996, S. 94 f.).
Damit ist gemeint, dass die unterschiedlichen Modelle der Allgemeinen Di-
daktik einerseits begründete Kategorien bilden, die sie von anderen didakti-
schen Theorien abgrenzen, und dass sie andererseits als Regulative zu be-
stimmtem didaktischem Denken und Handeln auffordern. W. H. Peterßen
unterscheidet drei aktuelle didaktische Modelle und ordnet ihnen folgende
Zentralkategorien bzw. didaktische Regulative zu:
19

− die lerntheoretische Didaktik, die den Begriff des Lernens und die Bedin-
  gungen, unter denen Lernen gelingt, in den Mittelpunkt rückt,
− die bildungstheoretische (kritisch-konstruktive) Didaktik, die den Bil-
  dungsbegriff und die Bedingungen des Denkens und Handelns zur Förde-
  rung von Bildung zum zentralen Gegenstand macht (siehe dazu Kap. I, 3),
− die konstruktivistische Didaktik, in deren Zentrum der Konstruktionsbe-
  griff und die Frage, auf welche Weise die eigenständige Konstruktion von
  Wissen ermöglicht wird, steht (vgl. Peterßen, 2001, S. 36ff.).

W. Jank/H. Meyer erweitern diese drei Modelle um
− die dialektische Didaktik, die das Lehren und Lernen als dialektisches
    Geschehen zwischen Lehrendem und Lernendem sieht, so dass die Frage
    im Mittelpunkt steht, wie das spannungsreiche, widersprüchliche Verhält-
    nis von Führung und Selbsttätigkeit, von Vermittlung und Aneignung,
    von Methoden und Inhalt usw. durch eine entsprechende Inszenierung des
    Lehrens und Lernens fruchtbar gemacht werden kann (vgl. Jank/Meyer,
    2005, S. 241ff.).
Einen etwas anderen Überblick gibt H. Gudjons, der fünf „große“ didaktische
Modelle (die kritisch-konstruktive, die lehrtheoretische, die kybernetische,
die kritisch-kommunikative, die Curriculumentwicklung und die lernziel-
orientierte Didaktik) und neuere didaktische Konzepte (u.a. die Lehrkunst,
die konstruktivistische, die subjektive Didaktik) unterscheidet (vgl. Gudjons,
2006, S. 230ff.).

Schließlich bezieht sich Didaktik als Wissenschaft auch auf die im jeweiligen
pädagogischen Feld (Schule, Volkshochschule, Lehrwerkstatt, Freizeitein-
richtung usw.) tatsächlich stattfindenden Prozesse, die den Entscheidungsin-
tentionen entsprechen oder die ihnen zuwiderlaufen können, und auf die
sozialen Prozesse, die unter allen Beteiligten des Lehr-Lern-Prozesses ablau-
fen. Gegenstandsbereich der Didaktik ist also die kritische Überprüfung der
explizit gesetzten oder vereinbarten Ziele, Themen, Methoden und darüber
hinaus der Prozesse, die gewissermaßen nebenbei und meist unbemerkt ge-
schehen (vgl. Klafki, 1996, S. 93).
Doch nicht allein die spezifischen Gegenstandsbereiche der Didaktik gilt es
kritisch zu hinterfragen, sondern auch die anthropologischen und gesell-
schaftlichen Voraussetzungen des Denkens, auf denen die Didaktik – wie
jede andere Wissenschaft auch – zwangsläufig aufbaut. Insofern beinhaltet
Didaktik immer auch „Voraussetzungen philosophischen Gehalts“ (Klafki,
20

1996, S. 100) und ist sie notwendigerweise gesellschaftskritisch (vgl. Klafki,
1996, S. 90). M.a.W.:
  Die Aufgabenbestimmung schließt die Klärung ihrer theoretischen Grundlagen, die empiri-
  sche Analyse der vorgefundenen Praxis des Lehrens und Lernens, die Warnung vor theoreti-
  schen und praktischen Irrwegen sowie den Hinweis auf immer noch uneingelöste Versprechen
  der Didaktik ein (Jank/Meyer, 2005, S. 16).

Insofern nun diese Aufgaben der Didaktik für alle Schultypen, Fächer und
Lehr-Lern-Prozesse zutreffen, spiegeln sie sich in der konstruktiv-kritischen
Didaktik W. Klafkis (vgl. Klafki, 1996, 89f.), die sich als „Bildungstheorie“
versteht, wider. Jedoch spielen sie nicht allein hier, in der Allgemeinen Di-
daktik, sondern ebenso in den Fachdidaktiken eine grundlegende Rolle, inso-
fern sie in der spezifischen Fokussierung einer Fachwissenschaft – etwa der
„Sportdidaktik“ – zu diskutieren und in ein stimmiges Ganzes zu bringen sind.

Die vorliegende Didaktik des Bewegungs- und Sportunterrichts orientiert
sich an den genannten Aufgabenbereichen der Didaktik, indem sie zunächst
in Kapitel I mit der Strukturphilosophie und der Bildungstheorie die Voraus-
setzungen des hier vertretenen didaktischen Ansatzes darlegt. Im darauf fol-
genden Schritt werden die Entscheidungen, Entscheidungsprozesse und Ent-
scheidungsbegründungen über Ziele, Inhalte, Methoden, Medien und Mate-
rialien einer Didaktik des Bewegungs- und Sportunterrichts expliziert (Kap.
II). Schließlich werden in den Kapiteln III - IV mögliche Konsequenzen für
eine Verbesserung der unterrichtlichen Praxis eines Bewegungs- und Sport-
unterrichts dargestellt.

1.3 Input- und outputorientierte Didaktik
Als ein wesentlicher Gegenstandsbereich der Didaktik wurde ihr Beitrag zur
Lehre und einer – oft – verbesserungsfähigen und verbesserungswürdigen
Praxis herausgestellt (vgl. Elflein, 2008, S. 59).
Als Orientierung hierfür galt lange Zeit vor allem in der normativen Allge-
meinen Didaktik, die sich hauptsächlich auf die Zielbestimmungen und den
Prozess des Lehr-Lern-Geschehens konzentrierte, die Input-Orientierung.
Die Allgemeine Didaktik brachte eine Vielzahl von Regeln, Schemata und
Anweisungen hervor, wie das Lehren zu gestalten sei (vgl. Helmke, 2005, S.
28f.). In der Sportdidaktik schlug sich dieser Ansatz in der „Theorie der Lei-
beserziehung“ bis in die späten 1960er Jahre nieder.
21

Die Input-Orientierung richtete sich dabei zunächst auf die Persönlichkeit des
Lehrers.
Ausgehend von der Annahme, dass es bestimmte Persönlichkeitsmerkmale
seien, die einen guten Lehrer und somit einen guten Unterricht ausmachen
würden, suchte man im sog. „Persönlichkeits-Paradigma“ nach Persönlich-
keitsmerkmalen erfolgreicher Lehrer. Diese Versuche erbrachten jedoch nur
wenige Zusammenhänge und wenn, dann erwiesen sie sich als relativ trivial.
Lehrer können mit ganz unterschiedlichen Charaktereigenschaften die Komp-
lexität des Lehr-Lern-Geschehens erfolgreich gestalten, weshalb das Persön-
lichkeitsparadigma als gescheitert gilt. Dennoch spielen personzentrierte
Aspekte in der aktuellen empirischen Unterrichtsforschung immer noch eine
Rolle. Allerdings geht es jetzt im „Experten-Paradigma“ nicht mehr um Cha-
raktereigenschaften oder Führungsstile, sondern um den Lehrer als Experten
für das Unterrichten. Die KMK und alle Bildungs- und Lehrergewerkschaften
haben sich auf die Beschreibung des Berufsbildes von Lehrkräften geeinigt,
  in dem der Lehrerschaft der Status von ‚Experten für das Lernen’ zugewiesen wird. Als die
  Kernaufgabe von Lehrkräften wird dabei die ‚gezielte und nach wissenschaftlichen Erkennt-
  nissen gestaltete Planung, Organisation und Reflexion von Lehr- und Lernprozessen sowie
  ihre individuelle Bewertung und systemische Evaluation (Arnold, 2001a) angesehen’ (Helm-
  ke, 2005, S. 86).
Im Fokus des Experten-Paradigmas stehen berufsbezogenes Wissen und
Können, fachliche und fachdidaktische Kompetenzen und Fähigkeiten wie
Engagement, Motivierungsfähigkeit, Reflexion subjektiver Theorien usw.
(siehe dazu Kap. III, 2).

Einen anderen aktuellen Ansatz der empirischen Unterrichtsforschung, auf
den sich die meisten Empiriker zumindest im deutschsprachigen Raum ver-
ständigt haben (vgl. Meyer, 2005, S. 158), stellt das „Angebots-Nutzungs-
Modell“ dar. Es basiert auf der Überlegung, „dass man auf empirische Weise
Zusammenhänge zwischen der Art des Lehrerhandelns (Prozess) und den
Ergebnissen oder Wirkungen auf Seiten der Schüler (Produkt) herstellen
kann“ (Terhart, 2007, S. 21). Im Angebots-Nutzungs-Modell werden zum
einen wohlbegründete Standards des Lehrerverhaltens und wichtige Merkma-
le guten Unterrichts, über die man sich in der Allgemeinen Didaktik weitge-
hend einig ist (vgl. Helmke, 2005, S. 47), formuliert. So lassen sich seit etwa
einem Jahrzehnt Gütekriterien, die das Lernen fördern und Merkmale, die
Lernprozesse stören, klar benennen (vgl. Meyer, 2005, S. 7 – siehe Kap. III, 2).
Dabei wird jedoch explizit die Seite des Lehrerhandelns nur als die eine Seite
der Medaille gesehen. Die andere Seite macht die Einsicht aus, dass der von
22

der Lehrperson gestaltete Unterricht lediglich ein Angebot darstellt, das nicht
notwendigerweise zu den gewünschten Wirkungen führen muss. Da sich
Lernen und Bildung immer nur durch die Leistung des Einzelnen selbst voll-
ziehen können und nur im Sinne aktiver Aneignung möglich sind (vgl. Rom-
bach, 1969, S. 19), kann man Lernen nicht „machen“. So hängen Unter-
richtserfolg, Lernen und Bildung nur bedingt vom Lehrer ab und liegen zum
entscheidenden Teil bei den Schülern selbst. Ob und wie nämlich die Ange-
bote des Lehrers genutzt werden, hängt beispielsweise davon ab, inwieweit
die Erwartungen des Lehrers und die unterrichtlichen Maßnahmen von den
Schülern überhaupt wahrgenommen und wie sie interpretiert werden, oder zu
welchen motivationalen, emotionalen und volitiven Prozessen die Unter-
richtsmaßnahmen bei den Schülern führen.
Völlig zu Recht verweist deshalb H. Meyer darauf, dass es unerlässlich sei,
ein „Arbeitsbündnis“ mit den Schülern als gemeinsame Grundlage zu verein-
baren. Auch der Sportdidaktiker J. Funke-Wieneke, der vor allem die subjek-
tive Seite des Lernenden im Blick hat, hebt die Bereitschaft des Schülers,
dessen Lernen wollen und mit ihm verbunden die „Absichtsentwicklung“
hervor (vgl. Funke-Wieneke, 2007, S. 95f.). Der empirische Ansatz des An-
gebots-Nutzungs-Modells geht – wie dies an späterer Stelle auch von der
„konstruktiv-kritischen Didaktik“ und aus der strukturpädagogischen Sicht zu
zeigen sein wird – über eine solche (Über-)Betonung der subjektiven Seite
hinaus. Es versucht vielmehr, „Faktoren der Unterrichtsqualität in ein umfas-
sendes Modell der Wirkungsweise und Zielkriterien des Unterrichts zu integ-
rieren“ (Helmke, 2005, S. 41 – siehe hierzu Abb. 1 auf der folgenden Seite).

Das Angebots-Nutzungs-Modell trägt also dem Rechnung, dass es zwar auch
auf den Lehrer und den von ihm gestalteten Unterricht ankommt, dass es
darüber hinaus aber auch weitere, teilweise sogar kräftigere Einflussfaktoren
für Lernerfolg und Bildung der Schüler gibt, z.B. Begabung, familiales und
soziales Umfeld usw. Doch diese Faktoren sind deutlich schwerer zu beein-
flussen und zu verändern als das Lehrerhandeln. Deshalb gilt ihm in der Di-
daktik die Aufmerksamkeit. Und immerhin hängen 20 – 40% des Lernerfolgs
vom Unterricht bzw. vom Lehrer ab. „Das ist eine ganze Menge, die alle
Anstrengungen im Unterrichtsalltag lohnt, aber auch kein Anlass zu Eupho-
rie“ (Einsiedler, 1997, S. 234).
23

   Lehrer-              Unterricht        Individuelle Eingangsvoraussetzungen
 -persönlichkeit        (Angebot)

    Expertise in      Qualität des        Mediations-         Lernaktivitäten     Wirkungen
                      Unterrichts         prozesse
 Fachwissen-          Passung             auf Schüler -       der Schüler           (Ertrag)
 schaft               Adaptivität         seite               (Nutzung)
 Fachdidaktik         Klarheit
 Klassenführung       Angemessene                             Aktive Lernzeit     Fachliche
 Diagnostik           Methoden-           Motivationale       im Unterricht       Effekte
                      variation           und emotionale                          Fachwissen
                      Individuali-        Vermittlungs-                           Grundver-
                      sierung             prozesse                                ständnis
 Werte und Ziele      Motivierung         Wahrnehmung         Außerschu-          Lernstrate-
 Subjektive Theo-     Effizienz der       und Interpre-       lische Lern         gien
 rien                 Klassenführung      tation des Unter-   aktivitäten         Überfach-
 Bereitschaft zu      Quantität der       richts                                  liche Effekte
 Selbstreflexion      Unterrichtszeit,                                            Schlüssel-
 und Selbstver-       Lerngelegen-                                                kompetenzen-
 besserung            heiten, Quali-                                              Sozialisa-
 Selbstwirksam-       tät des Lehr-                                               tionseffekte
      keit            materials

                            Klassenkontext und fachlicher Kontext

Abb. 1: Ein Angebots-Nutzungs-Modell der Wirkungsweise des Unterrichts (aus: Helmke, 2005, S. 42)

Da das Angebots-Nutzungs-Modell darüber hinaus prozessbezogene Unter-
richtsvariablen und produktbezogene Effektvariablen zusammenbringt, wird
es auch als ein „Prozess-Produkt-Modell“ bezeichnet (vgl. Meyer, 2005, S.
158). In ihm findet sowohl die Frage nach empirisch belegbaren Merkmalen
guten Unterrichts als auch die Frage nach der Lehrperson ihren Platz, denn
Unterricht wird ja immer von Personen und nicht von Variablen veranstaltet.
Außerdem wird im Prozess-Produkt-Modell der Überzeugung Ausdruck
verliehen, dass die Verbesserung des Unterrichtsprozesses auch zu besseren
Unterrichtsergebnissen – gleichwohl nicht im Verständnis von Machbarkeit,
wohl aber im Sinne eines Qualitätsmanagements (vgl. Horn/Bläse, 2006, S.
196ff.) – führt.
24

Seit dem PISA-Schock Anfang 2000 wurde die Input-Orientierung durch
eine klare Output-Orientierung abgelöst (vgl. Stibbe, 2008, S. 79). Was viel-
fach nur wie eine Änderung der Begrifflichkeit aussieht, stellt in Wirklichkeit
eine tief greifende Veränderung der Sichtweise von Lernen und Bildung dar.
An Stelle von Bildung wird nun von Qualifikationen gesprochen, die als
Ergebnisse von Lernprozessen abrufbar und durch Testverfahren überprüfbar
sein sollen. In bestimmten Altersgruppen, z.B. bei den 15-Jährigen wie bei
der PISA-Studie, und an bestimmten Gelenkstellen der Schulkarriere sollen
sich die Schüler regelmäßig überregionalen Tests vor allem in den Fächern
Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften unterziehen. In nationalen
und internationalen Vergleichen sollen die Erfolge der Lehr-Lern-Prozesse,
der einzelnen Schulen und der Schulsysteme anhand gesetzter Standards
überprüft werden.
Sicherlich sind messbare Leistungen sowohl für die Allgemeine Didaktik als
auch für die Fachdidaktiken von großem Interesse und gewiss verlangen
einige der gewonnenen Ergebnisse – etwa die sozial bedingte Ungleichheit
der Bildungschancen in Deutschland – nach bildungspolitischen Konsequen-
zen.
Dennoch gilt es, die aktuell vorherrschende Output-Orientierung, die in erster
Linie wirtschaftlichen Interessen entspricht, mit einigen kritischen didakti-
schen Anmerkungen zu versehen. So stellt sich bspw. die Frage nach dem
Niveau der Standards. Sie sollten nach dem Konzept der Klieme- Kommissi-
on (vgl. Klieme et al., 2003) Mindestanforderungen formulieren, die darauf
abzielen, dass leistungsschwächere Schüler nicht zurückgelassen werden und
dass immer weniger Schüler die notwendigen Basisqualifikationen verfehlen.
Dem kommt vor allem angesichts der Schwächen des deutschen Bildungssys-
tems im unteren Leistungsbereich besondere Bedeutung zu. Die KMK habe
aus diesen Mindeststandards jedoch Regelstandards gemacht, was der urs-
prünglichen Intention deutlich widerspreche. Auch die Funktion von Stan-
dards gilt es kritisch zu hinterfragen. So zielt man mit den standardisierten
Leistungserhebungen darauf ab, wie gut eine einzelne Schule ihren Bildungs-
auftrag erfüllt. Damit aber geht es um Schulevaluation, nicht um die Zensie-
rung eines einzelnen Schülers. Darüber hinaus betont K.-J. Tillmann, dass die
Standards nicht allein auf die Leistungsevaluation ausgerichtet sein dürften,
dass mit ihnen ursprünglich vielmehr – den Leistungserhebungen vorausge-
hend – eine Verstärkung der Lerngelegenheiten und eine gezielten Förderung
der Heranwachsenden angezielt worden sei. Diese Bereiche seien jedoch z.T.
massiv vernachlässigt worden. Darüber hinaus ist auch der Geltungsbereich
von Standards zu hinterfragen. Das Qualitätsverständnis, das mit den Bil-
25

dungsstandards verbunden ist, ist nämlich fachspezifisch. Und dabei richtet
es sich nicht einmal auf die schulischen Fächer insgesamt, sondern allein auf
vier fachliche Felder. Damit geht die Gefahr des pädagogischen Reduktio-
nismus einher:
  Die Schule hat eben mehr als vier Fächer und viele Aufgaben liegen jenseits des Fachunter-
  richts. […] Die real existierenden ‚Bildungsstandards’ der KMK führen dazu, dass hier nur ein
  spezifischer Teil der schulischen Aufgabenerfüllung in den Blick gerät. Und man muss sehr
  aufpassen, dass nicht unter der Hand diese vier Fächer zum alleinigen Bewertungsmaßstab für
  die schulische Arbeit werden (Tillmann, 2007, S. 81).
Schließlich gilt es zu bedenken, dass man aus dem Testen gar nicht mehr
herauskäme, würde man alle Fächer (in der Sek. I sind es mehr als 15) regel-
mäßigen, überregionalen Leistungsvergleichen unterziehen. Da stellt sich
doch die Frage, ob man mit den Schülern von Test zu Test hecheln, oder sich
nicht doch besser die Zeit für Bildungsprozesse nehmen sollte (vgl. Tillmann,
2007, S. 80ff.).
Abschließend sei in dieser Darstellung über die Vorbehalte gegenüber Bil-
dungsstandards auf den grundsätzlichen didaktischen Vorbehalt verwiesen,
dass sich die Qualität von Lehr-, Lern- und Bildungs-Prozessen durch die
Resultate nur indirekt erfassen lässt (vgl. Clausen, 2002, S. 11f.) und dass
sich nicht alle Lernprozesse – auch wenn die Unterrichtsqualität hervorra-
gend war – direkt in den gewünschten Ergebnissen niederschlagen.

Insofern es eine wesentliche Aufgabe der Didaktik ist, Bildungsziele im All-
gemeinen und für Fach-Lehrpläne im Besonderen, zu formulieren, gibt es
jedoch aus didaktischer Sicht auch einige Gründe, die für eine Überprüfung
von Bildungszielen und -inhalten bzw. des Lehr-Lern-Prozesses sprechen.
Dies gilt angesichts der offenen Formulierungen in der gegenwärtigen Gene-
ration der Lehrpläne, die die Gefahr von Unverbindlichkeit, Beliebigkeit und
„Gleich-Gültigkeit" v.a. hinsichtlich der Bildungsinhalte bergen. Dies gilt für
die Allgemeine Didaktik und die Fachdidaktiken gleichermaßen und für die
Sportdidaktik angesichts des hohen Anteils an Lehrkräften, die Sport fach-
fremd unterrichten, in ganz besonderem Maße. An dieser Stelle soll die Fest-
stellung genügen, dass mit der Formulierung von Standards ein Minimalkon-
sens an Bildungszielen, die erreicht bzw. an Bildungsinhalten, die verbindlich
behandelt wurden, garantiert werden soll.
In wie weit nun Standards grundsätzlich tatsächlich nötig sind und/oder in
welcher Anzahl und welcher Weise es sinnvoll ist, sie einzusetzen, wird
sowohl in der Allgemeinen Didaktik als auch in den Fachdidaktiken – auch in
der Sportdidaktik – kontrovers diskutiert.
26

Einen interessanten Weg für den Umgang mit Standards weist H. Ehni. Er
hält sowohl am Begriff der Bildung im Sinne der Förderung subjektiver Dis-
positionen als auch an der Notwendigkeit von Qualifikationen fest. Unter
Ersterem versteht er Möglichkeiten, allgemeine Fähigkeiten und Potenzen.
Letzteres ist auf spezifisches Wissen, Können, Verhalten usw. gerichtet. H.
Ehni schlägt, in Anlehnung an die Curriculumtheorie, eine Ordnung der Ziele
in übergeordnete Leitziele und in daraus abgeleitete, untergeordnete Feinziele
vor. Lediglich Letztere, als präzis formulierte und auf einen klar definierten
Bereich beschränkte Zielqualifikationen, sind mit Standards operationalisier-
bar und evaluierbar. Übergeordnete pädagogische Aufgaben wie die funda-
mentalen Bildungsziele Selbstständigkeits-, Mitbestimmungs- und Solidari-
tätsfähigkeit (vgl. Klafki, 1996, S, 52), wie Mündigkeit, Emanzipation, Ge-
rechtigkeit, soziale und ethische Haltungen, Fairness usw. entziehen sich der
Überprüfung durch Standards und sind nur diskursiv über rationales und
kommunikatives Handeln bewertbar (vgl. Ehni, 2001, S.178ff.). In der ent-
sprechenden Zuweisung und unter Anerkennung ihrer begrenzten Aussage-
kraft hinsichtlich Lernerfolg und vor allem Bildung haben Standards in der
Pädagogik und Didaktik also durchaus ihren Sinn.

1.4 Allgemeine Didaktik und Fachdidaktiken
Die Fachdidaktiken bauen gegenüber der Allgemeinen Didaktik auf ihrem je
spezifischen Gegenstand und ihren je spezifischen Methoden auf (vgl. Helm-
ke, 2005, S. 29). Die Fachdidaktiken sind durch ihren Zusammenhang nicht
nur mit der Allgemeinen Didaktik, sondern auch mit der Fachwissenschaft
und dem Schulfach zu charakterisieren. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass
die Fachdidaktiken nur als
  wurmfortsatzähnlicher Anhang etablierter Fachwissenschaften (wie sie in der Universität or-
  ganisiert sind) verstanden werden, [die] lediglich die Funktion haben, das Problem der Lehr-
  und Lernbarkeit der von den Fachwissenschaften längst vorentschiedenen Inhalte zu lösen
  (Peterßen, 2001, S. 29f.).
Die Fachdidaktiken sind als eigenständige Wissenschaften in die Allgemeine
Didaktik integriert und nehmen deren Aufgaben unter ihrem besonderen
fachlichen Aspekt wahr (vgl. Peterßen, 2001, S. 29ff.). Dies ist jedoch nicht
in der Weise zu verstehen, dass Erkenntnisse der Allgemeinen Didaktik vor-
gegeben würden und von den Fachdidaktiken jeweils lediglich in ihre spezifi-
schen Arbeitsbereiche zu transferieren seien.
  Allgemeine Didaktik und Fachdidaktik gelten uns beide als integrierende Teile ein- und der-
  selben Didaktik als Teildisziplin(en) der Erziehungswissenschaft. Sie sind einander auf Grund
  ihrer Bedeutung für die Lösung der aufgegebenen Lehr- und Lernfragen gleichgeordnet. […]
27

  Keiner der beiden Ansätze muss warten, bis der andere ein Ergebnis vorlegt, um es dann zu
  übertragen, d.h. entweder auf das Besondere zuzuschneiden oder auf das Allgemeine zu über-
  tragen. Beide haben den ursprünglichen Auftrag, auf ihre je besondere Weise nach Lösungen
  für didaktische Probleme zu suchen. […] Allgemeine Didaktik und Fachdidaktik stehen in
  ständiger und unauflöslicher Korrespondenz miteinander (Peterßen, 2001, S. 31f.).
Das Verhältnis von Allgemeiner Didaktik und Fachdidaktiken stellt sich also
grundsätzlich nicht als ein Verhältnis von Vor-, Über- oder Unterordnung,
vielmehr als „wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis von Allgemeiner
Didaktik und Bereichs- bzw. Fachdidaktiken“ (Klafiki, 1996, S. 161) dar.

Die soeben skizzierte Sicht des Verhältnisses von Allgemeiner Didaktik und
Fachdidaktiken wird nicht von allen Autoren der Sportdidaktik geteilt. J.
Funke-Wieneke etwa sieht das Besondere einer Didaktik des Bewegungs-
und Sportunterrichts darin, dass das, was hier gelernt werde, nicht symbo-
lisch, sondern bewegungspraktisch ausgedrückt werde. Der Gegenstand der
Bewegungs- und Sportdidaktik sei damit so grundlegend verschieden von
anderen Fächern, dass ein Transfer allgemein didaktischer Erkenntnisse nicht
möglich sei (vgl. Funke-Wieneke, 2007, S. 16f.). Es ist zwar sicherlich rich-
tig, dass das Bewegungslernen mehr als in anderen Fächern die Ganzheit-
lichkeit des Lernenden – ein Lernen mit Körper und Geist, mit Sinnen und
Verstand usw. – verlangt. Dennoch gibt es auch hierbei vielfache Gemein-
samkeiten mit anderen Unterrichtsfächern – man denke nur an die bereits
angesprochene unverzichtbare Voraussetzung des Lernen-Wollens, an die
Bedeutung von Kommunikation und Verständigung über den Sinn im Unter-
richtsgeschehen, die gerade Funke-Wieneke so stark betont (vgl. Funke-
Wieneke, 2007, S. 95f. bzw. S. 124ff. – siehe hierzu auch Kap. III, 2.2.5).
Darüber hinaus zeigt sich, dass das Anliegen der Vermittlung von Bildung
allen Fächern gemeinsam ist. Die Frage, wie Bildung im unterrichtlichen
Geschehen vermittelt werden kann, steht sowohl im Mittelpunkt der kon-
struktiv-kritischen Didaktik – und sie bewegt auch die Sportdidaktik der
letzten Jahre wie keine andere Frage. Schließlich sei auch noch auf die Dar-
stellung der Merkmale guten Unterrichts als Anliegen der aktuellen Allge-
meinen Didaktik verwiesen, deren Transfer in die Didaktik des Bewegungs-
und Sportunterrichts im Kap. III diskutiert wird. Die hier vorliegende Ab-
handlung geht somit bewusst den Weg, der eine enge Verbindung zwischen
Allgemeiner Didaktik und einer Didaktik des Bewegungs- und Sportunter-
richts verfolgt, wie es bspw. auch H. Lange & S. Sinning sehen: „Eine Zu-
sammenarbeit zwischen den Fachdidaktikern als Spezialisten und den Allge-
meindidaktikern als Generalisten ist daher unentbehrlich“ (Lange & Sinning,
2008, S. 14).
28

Die Sportdidaktik pflegt darüber hinaus traditionell ein enges Verhältnis auch
zu weiteren Wissenschaften, wie es das Schaubild aus H. Lange & S. Sinning
widerspiegelt:

                                    Beratungsleistungen
                                     für den Schulsport

                      Weitere                                Trainings-
                  fachdidaktische                         und Bewegungs-
                      Impulse                                  lehre

  Erziehungs-     Allgemeine              Sport-                Sport-             Sport-
  wissen-        Didaktik/Schul-         didaktik              pädagogik/          wissen-
 schaften         pädagogik                                   -philosophie         schaften

                  weitere fach-                              weitere fach-
                wissenschaftliche                           wissenschaftliche
                    Zugänge                                   Zugänge

                                Beratungsleistungen für den
                                  außerschulischen Sport
Abb. 2: Wissenschaftssystematische Verortung der Sportdidaktik (aus Lange & Sinning, 2008, S. 17)

Der Arbeit an mehreren Schnittstellen und die daraus resultierende Aufgabe,
die Erkenntnisse unterschiedlicher Wissenschaften für den Sportunterricht zu
ordnen, zu strukturieren (vgl. Lange, 2008, S. 18) und fruchtbar werden zu
lassen, kommt in der Bezeichnung der Sportdidaktik als „Integrationswissen-
schaft“ (Lange & Sinning, 2008, S. 17) oder als „Brückenbildung“ (Elflein,
2008, S. 59) treffend zum Ausdruck.

1.5 Sportdidaktik - eine Annäherung
In Anlehnung an zuvor Gesagtes wird die Sportdidaktik in engem Verhältnis
zur Allgemeinen Didaktik – P. Elflein spricht von der „Sportdidaktik als
angewandte Allgemeine Didaktik“ (Elflein, 2002, S. 12) –, zu den Erzie-
hungswissenschaften, zu den anderen Disziplinen der Sportwissenschaft,
vornehmlich der Sportpädagogik, und zu den Fachdidaktiken der einzelnen
Sportarten gesehen. Das Verhältnis der Sportdidaktik zu ihnen muss als
wechselseitiges Nehmen und Geben gesehen werden. D.h.: Die Sportdidaktik
übernimmt Erkenntnisse der ihr benachbarten Wissenschaften, entwickelt sie
29

entsprechend ihrer spezifischen Ausrichtung weiter und bringt ihre Ergebnis-
se in die Diskussion ein (vgl. Größing, 2001, S. 40f.).
Als „Wissenschaft vom Lehren und Lernen“ (Lange & Sinning, 2008, S. 16)
in Bewegung und Sport soll sie Handlungsangebote, Handlungsalternativen
und Entscheidungshilfen für einen gelingenden Lehr-Lern-Prozess bereitstel-
len (vgl. Größing, 2001, S. 41).
Gegenstand der Sportdidaktik sind sportpädagogische Prozesse in ihrer Re-
alisierung (vgl. Hummel, 2001, S. 157), wobei es wesentlich darum geht, wie
aus „bloßem“ Sporttreiben eine pädagogische Angelegenheit im Sinne einer
Sporterziehung wird (vgl. Ehni, 2001, S. 175).
Dies bedingt, dass die Sportdidaktik wie keine andere sportwissenschaftliche
Disziplin an der Nahtstelle von Sporttheorie und Sportpraxis angesiedelt ist,
weshalb sie auch gerne und immer wieder als „praxeologische Wissenschaft“
(z.B. Elflein, 2008, S. 59) bezeichnet wird. Sie muss einerseits die Voraus-
setzungen ihrer Konzeption, ihre Ziele, Inhalte, Methoden usw. benennen,
begründen und sie mit bestehenden Theorien, Modellen und Konzeptionen –
auch – der ihr benachbarten Wissenschaften diskutieren2. Sportdidaktik ist
notwendigerweise normativ, insofern nämlich, als sie formuliert, was sein
soll, was man „aus sportlicher oder pädagogischer Sicht für wertvoll oder
sinnvoll hält und in der Schule haben möchte“ (Martin, 2000, S. 12). Dabei
muss die Sportdidaktik auch die Entscheidungsgrundlagen für diese Sollen-
saussagen, z.B. die Pädagogik bzw. die Bildungstheorie, die Voraussetzun-
gen der Schüler, die Sache des Sports, die Rahmenbedingungen der Schule
usw. (vgl. Balz, 2001, S. 149) bedenken. Über die theoretischen Begründun-
gen hinaus muss die Sportdidaktik andererseits auch den Nachweis ihrer
praktischen Realisierungsmöglichkeiten liefern. Dabei muss sie der Komple-
xität des Unterrichts entsprechen und alle seine Ebenen – seine anthropologi-
schen und gesellschaftlichen Voraussetzungen, dessen Gestaltung und seine
Auswertung – bedenken (vgl. Größing, 2001, S. 38ff.) und sie im Hinblick
auf ihren spezifischen Bereich beantworten.

2
  Eine strukturelle Unterscheidung der Sportdidaktik von der Sportpädagogik, wie sie R. Prohl
vornimmt, indem er ihr – als Praxis des Lehrens und Lernens – lediglich den Bereich der Inhalte
und darüber hinaus – als Lehre von den Vermittlungsprozessen – den Bereich der Unterrichtsme-
thodik zuweist (vgl. Prohl, 2006, S. 14), kann hier nicht mitgegangen werden. Das hier vertrete-
ne Verständnis von Sportdidaktik ist dem gegenüber viel umfassender.
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