A la riva dal Rom Ein Fluss schreibt Geschichte - Val Müstair

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A la riva dal Rom Ein Fluss schreibt Geschichte - Val Müstair
A la riva dal Rom
Ein Fluss schreibt Geschichte

 Val Müstair

 © BVM
A la riva dal Rom Ein Fluss schreibt Geschichte - Val Müstair
Herzlich Willkommen
 Diese Broschüre begleitet Sie auf der Wanderung
 801 «A la riva dal Rom». Sie erfahren dabei Span-
 nendes über die Geschichte, Flora, Fauna, Sagen
 und Legenden rund um den Rom von der Quelle
 Pro‘l Rom
 in Tschierv bis nach Müstair. Schwerpunkte bilden:
 T’inchüra giuvnetta da l’aua dal Rom, • Die Romquelle und der Ursprung des Roms
 chi chant’e chi sbuorfla tant dutsch e tant lom, • Die Urbarisierung der Palü dals Lais in Fulde-
 chi chant’e chi sbuorfla tant dutsch e tant lom. ra und die anschliessende Revitalisierung
 • Das Auengebiet zwischen Valchava und
 Nun ir pro quell’aua, chi glüsch’al sulai, Müstair und das Amphibienlaichgebiet Plaun
 e’t rend’in seis spejel plü bella co mai, Schumpeder
 chi’d rend’in seis spejel plü bella co mai. • Die Geschichte der Wassernutzung und
 Stromerzeugung beim Wasserkraftwerk
 Davo la frus-chaglia s’badaintan ils mats, Chasseras kurz vor Müstair
 e l’aua rabütta lur milli nardats, • Die Flussraumaufweitung in Müstair, die
 e l’aua rabütta lur milli nardats. fischereiliche Nutzung, sowie das Gebiet
 «Schler dal Podestà»
 E tü nun est buna da tuornar a chà,
 e vainst amurada e restast a là,
 e vainst amurada e restast a là.

 E chantast e güvlast cull’ au‘ e cul vent: Toureninfo
 a quia e be quia pro’l Rom stuni jent, Start - Ziel: Tschierv, 1727 m - Müstair, 1246 m
 a quia e be quia pro’l Rom stuni jent. Distanz: 14.5 km, ca. 3 bis 4 Stunden
 Höhenmeter:  480 m
 Tista Murk Anreise: Postautohaltestelle Süsom Tschierv
 Rückreise: Postautohaltestelle Müstair, Clostra Son Jon
 Technik / Kondition: Leicht
 Etappen:  Die Wanderung lässt sich auch in Etappen
 machen, siehe Umschlag.

 «A la riva dal Rom» mit Apps entdecken
 • Die Flower Walks App nimmt Sie auf
 einen botanischen Streifzug entlang
 des Roms von der Quelle bis nach Sta.

 © Andrea Badrutt
 Maria. Sie zeigt, welche Pflanzen und
 Lebensräume es entlang des Weges zu
 entdecken gibt. Gratis Download: flowerwalks.ch

 • Die Biosfera App enthält ein Entdeckermodul mit
 Quiz zum Rombach. Gratis Download siehe S. 39

2 3
A la riva dal Rom Ein Fluss schreibt Geschichte - Val Müstair
N

 S. 12
 -13
 Rombachquelle

 Flachmoor La Stretta

 Start

 So kam es dazu Wo entsteht der Rom?
 Der Rom ist der einzige Haupttalfluss der Schweiz, Genau genommen beginnt der Rom nicht erst bei
 der nicht zur Stromerzeugung genutzt wird. Gänz- Tschierv, sondern bereits auf der Alp da Munt.
 lich unberührt blieb er dennoch nicht. Zum Schutz Das Gestein der Sassa Marscha (faules Gestein) ist
 vor Hochwasser wurden die Ufer besonders in ein gipshaltiges Kalkgestein und deshalb äusserst
 Müstair mit Blocksteinen verbaut und so in ein anfällig auf Lösungsverwitterung. Es wird durch
 enges Korsett gezwungen. Als Folge der starken Kohlensäure gelöst, die aus Wasser und dem
 Einengung grub sich der Rom im Laufe der Jahre Kohlendioxid der Luft entsteht. Diese chemische
 immer tiefer in die Talsohle ein. Die aufwändig er- und teilweise auch mechanische Lösungstätig-
 stellte Uferverbauung wurde unterspült und fiel keit erzeugt im Gestein ein Netz von Spalten und
 in sich zusammen. Da eine Sanierung erhebliche Klüften, welche einen Durchmesser von mehre-
 Kosten verursacht hätte, nutzte man die Gelegen- ren Zentimetern oder gar Dezimetern aufweisen
 heit, den Bach wieder natürlicher zu gestalten. Im können. Typisches Merkmal einer Karstlandschaft
 Jahre 1995 wurde deshalb bei Müstair die erste sind zerklüftete Felsen, Einsturztrichter (Dolinen)
 Flussraumaufweitung realisiert, der bis 2003 fünf und Höhlen. Dieses Karstgebiet wirkt wie ein Ent-
 weitere folgten. Um Kulturland zu gewinnen, er- wässerungssystem und führt das Wasser von der
 fuhr der Bach in der Ebene zwischen Tschierv und Alp da Munt durch das Gestein zur Quelle. Das
 Fuldera einen weiteren grossen Eingriff. Der Bach Wasser sammelt sich unterirdisch auf einer was-
 wurde verlegt und kanalisiert, die Ebene entwäs- serdichten Gesteinsschicht (Verucano) und findet
 sert. Dass der Rom heute wieder durch die Ebene seitlich seinen Weg aus dem Boden als Quelle
 mäandrieren darf, ist der Revitalisierung von 2004 des Roms. Deshalb führt der Rom bereits bei der
 bis 2007 zu verdanken. Quelle eine ansehnliche Wassermenge.

 Als im UNO-Jahr des Wassers 2003 am «Di dal
 Rom – Tag des Roms» seitens der Bevölkerung
 grosses Interesse an «ihrem» Talfluss offensicht- Dolomit,
 durchlässig

 lich wurde, beschloss man, alle Informationen Kristallin, dicht
 über den Rom in einer Broschüre zu bündeln. Die Alp da Munt

 zweite, überarbeitete Version halten Sie nun in Gips, wasserlöslich

 den Händen. Dolomite und Kalke,
 durchlässig

 Die Biosfera Val Müstair und die Regionalgruppe Rom

 Pro Natura Val Müstair freuen sich, wenn diese Verucano, dicht

 Broschüre Ihnen auf dieser schönen Wanderung
4 spannende Erkenntnisse vermittelt. Wir wünschen Geologische Situation des Karstgebietes bei Alp da Munt 5
 Ihnen dabei viel Vergnügen.
Auf der Alp da Munt sind im Laufe der Zeit durch Moore – Relikte der Eiszeit
 den Einsturz der unterirdischen Hohlräume zahl-
 Entlang des Roms gibt es mehrere Flachmoore.
 reiche trichterförmige Dolinen entstanden. Solche
 Das erste gleich direkt bei der Quelle in Tschierv,
 Risse und Öffnungen mit einer Verbindung ins
 weitere in Fuldera, Sta. Maria und das grösste
 Berginnere haben schon immer die Fantasie des
 «Schler dal Podestà» bei Müstair.
 Menschen angeregt, was in Form von Sagen und
 Geschichten wie in jener der Dialas zum Ausdruck
 Moore sind nach der letzten Eiszeit vor rund
 kommt.
 13‘000 Jahren in Mulden mit wasserdichtem Un-
 tergrund entstanden. Es sind also sehr nasse Le-
 bensräume, die eine Jahrtausend lange Entwick-
 lung hinter sich haben. Man unterscheidet Flach-,
 Die Dialas Übergangs- und Hochmoore. Von Flachmooren
 Es wird berichtet, dass auf der Alp da Munt die Dialas lebten, spricht man, wenn die Wurzeln der Pflanzen das
 kleine weibliche Wesen mit Ziegenfüssen. Sie sollen in den Grundwasser noch erreichen. Die Vernässung er-
 Höhlen des Karstgebirges gelebt, aus goldenem Geschirr ge- folgt so mit Grund- oder Oberflächenwasser, mit
 gessen und Kleider aus schneeweissem Linnen getragen ha- dem auch Nährstoffe in diesen Moortyp einge-
 ben.
 bracht werden. Deshalb sind Flachmoore im Ver-
 An einem schönen Sommertag, als die Bauern von Tschierv gleich zu den Hochmooren relativ nährstoffreich
 am Heuen waren, hatten die Dialas grosse Wäsche und häng- und damit artenreicher als Hochmoore. Typische
 ten sie zum Trocknen an Seilen auf, welche sie an Felszacken Flachmoorpflanzen sind Schilf, Rohrkolben und
 spannten. Sie halfen den Bauern beim Heuen, hielten aber im-
 mer einen gebührenden Abstand zu ihnen und sprachen nicht Seggen. Seggen wurden früher als Schnittgut zur
 mit ihnen. Einstreu genutzt. Ausserdem wachsen dort oft
 zahlreiche Orchideenarten.
 Während die Dialas an der Arbeit waren, schlichen zwei dreis-
 te und geizige Frauen aus dem Dorf zu ihrer schillernden Wä-
 sche und bedienten sich mit Wäschestücken, die sie im Heu
 versteckten. Die Dialas bemerkten diesen unerhörten Dieb-
 stahl erst bei Sonnenuntergang.

 Als die Bauern mit ihrem Heufuder noch auf dem Heimweg
 waren, vernahm man ein schauerliches Donnern und Tosen
 im Berg und die Erde bebte fürchterlich. Am Morgen war das
 Dorf unter Geröll und Schutt begraben. Ein grosser Felsblock
 stand mitten in den Trümmern und erinnerte die nachfolgen-
 den Generationen noch lange an die Untat. Die Dialas wurden
 nie wieder gesehen.

6 7
 Geschütztes Moor «La Resia» bei Fuldera
Aus dem Flachmoor bildet sich unter geeigneten
 Bedingungen ein Hochmoor, wenn absterbende Schilf (Phragmites australis)
 Pflanzenteile im Laufe der Jahrhunderte eine Ab- Das Schilfrohr ist eine Art der
 lagerungsschicht bilden. Die Pflanzendecke be- Süssgräser und wird in tieferen
 ginnt sich zu heben und die Wurzeln erreichen Lagen bis vier Meter hoch. Die
 Blütenrispe des Schilfrohrs kann
 das Grundwasser nicht mehr. Weil sich Hochmoo- 50 cm lang werden; sie blüht im
 re mit dem Regenwasser als Wasserversorgung August und September. Die Pflan-
 begnügen müssen und das Milieu stark sauer ist, zen vermehren sich vor allem über
 können nur noch spezialisierte Pflanzen und Tiere Ausläufer, welche bis zu 20 m lang
 werden können. Ganze Schilfbe-
 wie der Sonnentau oder der Hochmoor-Perlmutt- stände bestehen oft nur aus einer
 falter gedeihen. Das Übergangsmoor liegt in der einzigen Pflanze. Man fand schon
 Entwicklung zwischen Flach- und Hochmoor. Exemplare, deren Alter auf 8000
 Jahre geschätzt wurde. Grössere
 Schilfbestände bieten zahlreichen
 Die Flachmoore am Rom werden regelmässig ge- Vögeln Schutz. Schilf wird auch
 pflegt, damit sie ihren Charakter erhalten. Einmal wirtschaftlich genutzt zur Her-
 pro Jahr werden sie geschnitten, und das Schnitt- stellung von Schilfmatten oder
 gut wird abgeführt. von Papier. Die jungen Sprossen
 lassen sich als Gemüse essen und
 aus den Wurzeln kann man Mehl
 gewinnen.

 Seggen (Carex-Arten)
 Die Seggen bilden mit beinahe
 2000 Arten eine Familie der Sauer-
 rum)
 Wollgräser (Eriopho gräser. Über 120 Arten kommen in
 W oll grä ser ge hören wie die
 Die der Schweiz vor. Die knotenlosen
 uergräsern. Ihre
 Seggen zu den Sa Stengel sind aufrecht, mehr oder
 e bis mehrere
 Blüten bilden ein weniger dreikantig und oft mit
 Die lan ge n Hüllfäden der
 Ähren. kleinen Zähnen besetzt. Sie sind
 de n weissen, cha-
 Früchte bilden getrenntgeschlechtlich, männ-
 ollschopf. In der
 rakteristischen W liche und weibliche Blüten sind
 d fün f Arten bekannt,
 Schweiz sin aber kaum zu unterscheiden.
 ch im Val Müs-
 von denen vier au Seggen kommen in sumpfigen
 mm en . All e sind typische
 tair vorko Wiesen, Mooren oder flachen
 Moorpflanzen. Gewässern vor. Seltenheitswert
 hat die Schnabelsegge (Foto); sie
 kommt im Val Müstair in der «Palü
 Sot» in Tschierv vor.
8 9
Neues Leben im Bach! Ökomorphologische Bewertung
 Ökomorphologische Bewertung des Roms
 des Rom
 – Revitalisierungsprojekte am Rom
 Die Bemühungen des Menschen, Kultur- und
 Bauland in Gewässerräumen zu gewinnen, haben
 im vergangenen Jahrhundert auch vor dem Val
 Müstair nicht Halt gemacht. Durch Verbauungen
 zum Schutz vor Hochwasser wurden viele Gewäs-
 ser kanalisiert. Allerdings setzte diese Entwicklung
 hier viel später ein als im schweizerischen Mittel-
 land. Die grössten Eingriffe am Rom erfolgten
 1940 in der Ebene von Fuldera und 1960 in Müs- Zustand 1993
 tair. Die bauliche Beeinträchtigung eines Gewäs-
 sers wird häufig mit einem ökomorphologischen
 Bewertungssystem erfasst und dargestellt. Die
 Klassifizierung erfolgt in vier Bewertungsstufen
 «natürlich/unbeeinträchtigt», «wenig beein-
 trächtigt», «stark beeinträchtigt» und «künstlich/
 naturfern». Der ökomorphologische Zustand des
 Roms vor und nach den Revitalisierungsmassnah-
 men wird aus den nachfolgenden Gewässerkar-
 ten ersichtlich.

 Zustand 2020

 Weiden
 rstabilisierung
 Weiden werden häufig zur Ufe
 weigten Wur- Legende:
 verwendet, da ihre stark verz
 Die schlafenden
 zeln den Boden festigen. natürlich / unbeeinträchtigt
 e können je nach
 Knospen unter der Rind wenig beeinträchtigt
 Wu rzel n ode r Äste entwickeln. stark beeinträchtigt
 Ereignis
 nut zt man beim Grün- künstlich / naturfern
 Diese Eigenschaft
 en entwickelt
 verbau: Der Astteil im Bod
 Luft neue Äste.
 Wurzeln, derjenige an der den.
 vor allem Purpur- und Reifwei
 Am Rom findet man die Zwe ige der Reif-
 pur farb ig,
 Junge Purpurweiden sind pur f bed eck t.
 sie mit Rauhrei
 weiden sehen aus, als wären
10 11
Fuld
 N era
 >

 Palü dals Lais

 5
 S. 4-

 -15
 14
 S.

 Revitalisierungsprojekt in Fuldera Diese unbefriedigende Situation für Landwirte,
 Fischer und Naturschützer brachte schlussend-
 Für die Ebene vor Fuldera finden wir auf der lich alle gemeinsam zu einer Lösung: eine natur-
 Landeskarte die Namensbezeichnung «Palü dals nahe Flusslandschaft, die sowohl die Interessen
 Lais», was soviel bedeutet wie «Seensümpfe». der Landwirtschaft, als auch die des Landschafts-
 In diesen «Seensümpfen» darf sich der Rom seit schutzes und der Ökologie berücksichtigte. Die
 2007 wieder frei entfalten. Das Landschaftsbild ist Meliorationsgenossenschaft startete im Jahre
 aufgewertet und der Fluss für Mensch und Tier 2004 ein ganzheitliches Projekt zur Sanierung des
 wieder zugänglich geworden. Entwässerungssystems und zur gleichzeitigen Re-
 vitalisierung des Roms und seiner Zuflüsse.

 Die Geschichte der «Palü dals Lais» Die Begriffe Revitalisierung oder Renaturierung
 Noch in den 1930er Jahren haben die Einwoh- gehören heute zum modernen Wasserbau. Ob-
 ner von Fuldera in den Palü dals Lais erfolgreich wohl beide Begriffe miteinander sehr verwandt
 gefischt und barfuss mit aufgekrempelten Ho- sind, bedürfen sie dennoch einer klaren Trennung.
 sen Schilf geschnitten. Es gab dort hervorragen- Revitalisieren heisst «wieder beleben». Unter Re-
 de Lebensräume für Grasfrösche, Bergmolche naturierung hingegen wird die Rückführung eines
 und Kleinfischarten wie Elritze und Bartgrundel. durch den Menschen künstlich beeinträchtigten
 Dieser ökologisch wertvolle Lebensraum wurde Lebensraumes in seinen ursprünglichen natürli-
 während des zweiten Weltkriegs als Folge der chen Zustand verstanden.
 Anbauschlacht (Plan Wahlen) weitgehend zer-
 stört. Mit dem Ziel, möglichst viel unproduktives Baubeginn der Revitalisierung 2004
 Land urbar zu machen, wurden auch die Palü
 dals Lais entwässert. Dazu wurde der Rom ver-
 legt und kanalisiert. Doch bereits 1978 waren
 etliche Wiesen wieder nass. Das Drainagesystem
 musste saniert und der Rom einen halben Meter
 tiefer gesetzt werden, um den Abfluss durch die
 Entwässerungsgräben sicherzustellen. Der Erfolg
 dieser Massnahme war von kurzer Dauer. Starke
 Bodenbewegungen engten den schmalen Rom-
 kanal wieder ein und verhinderten den Abfluss
 abermals.

12 13
S. L‘Aqua
 12
N -13

 Palü dals Lais

 Fu
 l
 de
 ra
 >
 S. 18-19

 Das Revitalisierungsprojekt – ein Gewinn für die
 Landwirtschaft und die Natur
 Der Mann von Aqua (L’hom da l’Aqua)
 Die Umsetzung des Projektes dauerte drei Jahre.
 Es kostete insgesamt CHF 2.8 Mio. und wurde Der alte Janett von Aqua hatte grosse Schulden. Aber wer hat
 schon keine Schulden? Dumm war, dass er Steuerschulden bei
 von der öffentlichen Hand und verschiedenen der Gemeinde hatte. Diese nicht begleichen zu können, das
 Stiftungen finanziert. Um mehr Raum für den wollte etwas heissen, damals. Am guten Willen hätte es nicht
 Fluss zu schaffen, wurde das umliegende Land- gefehlt. Aber die Summe von drei Golddukaten hatte er ganz
 wirtschaftsland auf einer Breite von bis zu 30 einfach nicht. Was sollte er machen? Der Termin war längst
 verstrichen und Janett immer noch arm wie eine Kirchenmaus.
 Metern auf die Höhe der Bachsohle abgesenkt.
 Im unteren Abschnitt des Revitalisierungsperime- Der Steuerkommissar wusste gut, was Janett besass. So wuss-
 ters, der nicht mehr im landwirtschaftlichen Ge- te er auch von dem schönen Schimmel. Der würde auch ihm
 biet liegt, konnte der Flussraum sogar auf bis zu gefallen. Den könnte man verpfänden. Der alte Fuchs wusste
 jetzt schon, dass Janett nicht in der Lage sein würde, das Pfand
 45 Meter aufgeweitet werden. Dort wurden auch wieder auszulösen. Er selber könnte das dann für ihn besorgen
 wertvolle stehende Gewässerbereiche geschaffen. und günstig zu einem Ross kommen. So wurde es gemacht.
 Mit dem anfallenden Aushubmaterial wurden Der Schimmel wurde verpfändet. Nach einiger Zeit zahlte der
 die vernässten Wiesen aufgefüllt und damit die Kommissar dem Alten noch einen Golddukaten. Dann beglich
 er die Steuerschulden und der Schimmel gehörte ihm. Ein gu-
 landwirtschaftliche Ertragsfähigkeit verbessert. tes Geschäft. Er hatte damit mindestens 10 Golddukaten ge-
 Gleichzeitig wurden die teilweise zerfallenen Drai- wonnen. Er ist halt mit allen Wassern gewaschen. Und jeder
 nageeinrichtungen erneuert oder ergänzt. Die für glaubt, er habe dem Alten einen Dienst erwiesen.
 den Fluss beanspruchte Bodenfläche von gut 3 ha
 Aber dem Schimmel geht’s nicht gut. Er magert ab. Beim Holz-
 führen stolpert er, bricht sich ein Bein und muss erschossen
 werden. Die Golddukaten des Kommissars haben gar keine
 Zinsen abgeworfen. Und was dann passiert: Der Geist des
 Wasseramsel (Cinclus cinclus) Schimmels von Aqua geht um. Mit dem zwölften Glocken-
 Die Wasseramsel – dunkel gefiedert mit schlag um Mitternacht wiehert er jämmerlich vor dem Stall. Er
 weisser Brust – ist ein charakteristischer Vo- kommt zum Haus, schlägt einige Male an die Türpfosten und
 gel breiter Gewässer mit mittlerer bis hoher verschwindet dann, fliegt talauswärts. Von jedem Schlag mit
 Fliessgeschwindigkeit. Während der Brutzeit den Hufeisen bleibt im Holz ein runder Abdruck mit sieben
 ist sie vollständig ans Wasser gebunden. Sie Nagellöchern zurück. Die Pfosten sind ganz verschlagen.
 baut ihr Nest in der Nähe der Gewässer unter
 Brücken und anderen geschützten Stellen. Erst am Morgen kehrt der Schimmel zurück. Ein lautes Gepol-
 Wasseramseln verraten sich durch ihren schar- ter die alte Stiege hinauf bis auf den Dachboden. Drei Schläge
 fen Ruf, schwirren knapp über dem Wasser und an die Dachbalken, dass die ganze Hütte erzittert. Dann, nach
 ngssuche tau-
 setzen sich auf Steine mitten im Bach. Zur Nahru einem zufriedenen Wiehern, gibt er endlich Ruhe. Bis um Mit-
 nach Insektenlar-
 chen sie auf den Grund der Gewässer, wo sie ternacht der ganze Zauber von neuem beginnt.
 n Wassertieren
 ven, Fischeiern, Schnecken und anderen kleine
 t, vor allem
 suchen. Am Rom bekommt man sie oft zu Gesich Gekürzt aus H.-P. Schreich-Stuppan, Geheimnisvolles Müns-
 am revital isierte n Flussla uf in Fulder a.
 tertal in Sagen und Legenden
14 15
Der Rom und seine Seitenbäche
 Wasserhahnenfus – eine erfolgreiche Revitalisierung
 s (Ranunculus tri
 Die Pflanze bilde chophyllus) Die jahreszeitlich schwankende Wasserführung
 t bis zu 2 Meter
 aus. Ihre Schwim lange Sprosse
 mblätter sind nieren lässt das Erscheinungsbild des Flussraums immer
 tief gezähnt, die förmig und
 Die weissen, fün
 Tauchblätter haarf
 ein zerteilt. wieder neu entstehen. Manchmal gräbt sich der
 dem Wasser; sie blü fzähligen Blüten Rombach tief in torfigen Untergrund, manchmal
 ragen aus
 Der Wasserhahne hen von April/Mai
 nfuss braucht nä bis September. verzweigt er sich und lässt mit dem Geschiebe
 me Gewässer mit hrstoffreiche, aber
 schlammigem Gr kalkar- Kies- und Schotterbänke entstehen. Aufgrund des
 Im Val Müstair ko und.
 mmt diese Art an
 len des Roms zw lan gsam fliessenden
 Stel-
 abwechslungsreichen Längsgefälles ergeben sich
 ischen Tschierv un
 ausgedehnten Pfl d Fuldera vor. M unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten,
 anzenkissen trägt it seinen
 einer vielfältigere der Wasserhahne
 n Gestalt der Ba
 chsohle bei. Fisch
 nfuss zu die eine eigene Dynamik entfalten und dem Rom
 darin Schutz und e finden
 Grasfrösche überw einen Rhythmus zwischen Wildbach und ruhig
 zenbüscheln. Im intern sogar in de
 Kanton Graubünd n Pflan-
 fuss sonst nur no
 ch aus dem Enga
 en ist der Wasserh
 ahnen-
 fliessendem Gewässer geben.
 din bekannt.
 Den Fischen stehen seit der Revitalisierung wie-
 der sämtliche für ihre natürliche Entwicklung er-
 wurde somit durch die Ertragssteigerung auf den forderlichen Lebensräume zur Verfügung. Das
 umliegenden Wiesen weitgehend kompensiert. Angebot an Laichplätzen, Jung- und Kleinfisch-
 habitaten ist vielfältig. Die Bachforellen finden
 Mit dem neuen, 30 bis 45 Meter breiten Ge- verbesserte Laichplätze auf kiesigem Untergrund
 wässerkorridor bekam der Rom ausreichend Frei- und Elritzen profitieren von stehenden Wasser-
 raum für die Eigengestaltung. Die grosszügige flächen. Die zahlreichen Seitenbäche sind sehr
 Flussraumaufweitung erlaubte, auf teuere und gut mit dem Hauptfluss vernetzt. Hindernisfrei
 ökologisch unerwünschte Uferschutzmassnah- können dort die Fische vom Hauptfluss aufwärts
 men weitgehend zu verzichten. Die Pflanzen- wandern. Funktionslos gewordene seitliche Ge-
 besiedlung innerhalb des Flussraumes wurde der schiebesammler wurden am rechten Hangfuss zu
 natürlichen Entwicklung überlassen. Einzig die wertvollen Amphibienbiotopen umfunktioniert.
 ausgegrabenen alten Wurzelstöcke entlang des Die neuen, reich strukturierten Uferpartien des
 alten Romkanals fanden an den umgestalteten Hauptflusses und seiner Seitengewässer bieten
 Ufern einen neuen Standort als Initialbestockung. einer Vielzahl von Wasservögeln und anderen
 Als weiteres Strukturelement im neuen Flussbett Tieren einen wertvollen Lebensraum. Heute be-
 diente jahrhunderte altes Totholz, welches bei wachsen vor allem Weidengebüsche den Ufer-
 den Grabarbeiten aus dem Torf zutage kam. Es rand und Flachmoorvegetation breitet sich in den
 bietet Schutz und Lebensraum für Fische, Insek- weniger überfluteten Bereichen aus. Der befreite
16 ten und Wasservögel. Fluss in Eigenregie, ein wunderbares Beispiel für 17
 eine gelungene Revitalisierung.
S. 14-15

N

 -23
 22
 S.

 Der alte Furomèr

 Wann ist Wasser sauber?
 Der alte Furomèr Anhand des Vorkommens bestimmter kleiner wir-
 Zwischen Fuldera und Valchava an der Abzweigung der Stras- belloser Tiere kann die Wasserqualität bestimmt
 se nach Lü steht auf Furom ein einsames Haus. Da hat einmal werden. Dazu fängt man auf einer definierten
 ein Hexenmeister gewohnt, der sich auf das Stellen verstand, Fläche des Grundes die Kleintiere und bestimmt
 wie die Nachtbuben von Valchava erfahren mussten. Die ka-
 men nämlich an den Winterabenden oft nach Fuldera, um hier
 Art und Häufigkeit.
 zu hengern*.
 Insbesondere Stein-, Köcher- und Eintagsfliegen-
 Wenn sie gegen Morgen wieder heimwärts gingen, zogen sie larven sind Indikatoren für sauberes Wasser. Je
 auf Furom jedes Mal einen grossen Schlitten, der dort neben
 dem Hause stand, auf die Strasse und rodelten nach Valcha-
 mehr Arten vorkommen, desto höher ist die Was-
 va hinunter, denn es geht in jener Richtung hübsch abwärts. serqualität. Die Individuenzahl gibt Auskunft über
 Drunten liessen sie ihn einfach am Wege stehen und verzogen die Qualität des Lebensraums für die betreffende
 sich in ihre Häuser. Anderntags hatte der Besitzer dann das Art.
 Vergnügen, mit seinem Zugtier hinab zu fahren und seinen
 Schlitten wieder heim zu holen, bevor er damit an die Arbeit
 gehen konnte.

 Endlich wurde ihm das zu bunt, und als die Burschen abends
 wieder an seinem Hause vorbeikamen, trat er auf die Laube
 hinaus und sagte ihnen, sie sollten doch seinen Schlitten ste-
 hen lassen, wo er hingehöre. Er habe keine Lust, ihn jedes
 Mal selber wieder herauf zu schaffen. Doch die Hengerer lies- Köcherfliegen Lar-
 n gleichen Nachtfaltern. Die
 sen sich durch diese Mahnung nicht beeindrucken. Auf dem Ausgewachsene Köcherfliege steh end en Gew ässe rn.
 oder in
 Rückweg nahmen sie wie gewohnt den Schlitten und fuhren ven entwickeln sich in Bächen nen Stei nen , Sand oder
 her aus klei
 johlend den Rain hinunter. Einzelne Arten bauen Köc und
 schützen vor Verletzungen
 pflanzlichem Material. Diese Ver pup pung verschlies-
 emm en. Bei der
 Aber jetzt ging es anders als sonst. Sowie sie drunten in Val- vor dem Fortschw ne
 gen des Köchers bis auf klei
 chava aufstanden und auseinander gehen wollten, vermoch- sen die Larven beide Öffnun Larv en ernä hren sich
 Die meisten
 ten sie auf einmal keinen Schritt vorwärts zu tun. Schlotternd Durchlässe für Atemwasser.
 nen Pflanzenteilen. Einige
 mussten sie in der scharfen Winterkälte neben dem ausge- von Algen, Detritus und klei
 en netzartige
 führten Schlitten stehen bleiben und konnten nicht heim. Hin- leben räuberisch und bau
 run g zu fangen.
 gegen zurück gegen Furom hinauf laufen und ihn an seinen Gespinste, um Nah
 Platz bringen, das konnten sie. Oben auf der Laube aber stand
 der Alte und rief lachend herunter. «So, jetzt dürft ihr zu Fuss
 nach Hause gehen. Guten Morgen!»

 *Brauch der männlichen Dorfjugend, zu nächtlicher Stunde
 Mädchen ihres Alters zu besuchen.

18 Aus H.-P. Schreich-Stuppan, Geheimnisvolles Münstertal in 19
 Sagen und Legenden
Auen – ein dynamischer Lebensraum
 Eintagsfliegen
 Die Larven der Eintagsfliegen entwickeln sich im Im ausgedehnten Auengebiet zwischen Valchava
 Wasser. Man erkennt sie am meist abgeplatteten und Müstair prägen Wasser, Geschiebe und Dy-
 Körper und den drei Schwanzfäden. Die flache Kör-
 perform ist eine Anpassung an die Strömung. Die
 namik die Flusslandschaft. Der Rom bekommt in
 Larven halten sich meist an der Unterseite von Stei- diesem Abschnitt durch drei Seitenbäche erheb-
 nen auf. Sie ernähren sich von Algen und Schlamm- lich Verstärkung. Obwohl diese zum Teil für die
 teilchen. In der Larvenhaut bildet sich das geflügel- Stromgewinnung genutzt werden, tragen sie bei
 te Insekt aus. Es schlüpft auf der Wasseroberfläche
 oder an Pflanzenteilen ausserhalb des Wassers. Das
 jedem Starkregen oder bei der Schneeschmelze
 geschlüpfte Tier muss sich noch einmal häuten. End- viel Material in Form von Sand, Kies, Schotter und
 lich erwachsen, paaren sich die Insekten und nach- Schwemmholz ein.
 dem das Weibchen die Eier ins Wasser abgelegt hat,
 sterben sie 2-3 Tage später.
 Auengebiete werden periodisch überflutet. Mit
 jedem Hochwasser kann sich das Aussehen einer
 Steinfliegen
 Die Larven entwickeln sich meist in fliessenden Aue verändern. Kiesbänke werden abgetragen,
 Gewässern. Sie reagieren sehr empfindlich auf verschwinden und entstehen an anderer Stel-
 Verschmutzung und dienen deshalb als Zeiger für le neu. Pflanzen werden umgeknickt oder ganz
 gute Wasserqualität. Man erkennt sie an ihren mitgerissen. Schwemmhölzer errichten neue Bar-
 dreigliedrigen Füssen mit je zwei Klauen und den
 beiden Schwanzfäden. Steinfliegen sind oft auf rieren oder das gesamte Flussbett sucht sich gar
 der Unterseite hohl aufliegender Steine zu fin- einen neuen Weg. Durch diese Dynamik entsteht
 den. Kleine Larven ernähren sich von Algen, die das für intakte Auen typische Mosaik an unter-
 grösseren leben räuberisch. Nach 1-3 Jahren krie- schiedlichen Lebensräumen. Deren Herz, das
 chen die ausgewachsenen Larven aus dem Was-
 ser. Das geflügelte Insekt lebt wenige Wochen und Flussbett, ist meist unter Wasser. Hier leben vor
 legt seine Eier ab. allem Fische und im Wasser lebende Kleinlebe-

 ria germanica)
 Deutsche Tamariske (Myrica
 Bioindikation am Fliessgewässer tsch e Tam aris ke ist ein Strauch mit
 Die Deu
 , der bis zu zwe i Meter
 – Bildungsangebot der Biosfera Val Müstair schmalen Blättern
 h wird . Die Pion ierp flan ze siedelt sich
 hoc
 rflächen von
 Der Naturpark bietet Schulklassen eine Reihe von Erlebnis- auf neu gebildeten Schotte
 ssen an. Mit einer
 tagen an, welche die Natur- und Kulturwerte im Naturpark Alpen- und Voralpenflü
 vermitteln. Beim Angebot «Bioindikation am Fliessgewässer» n Pfah lwu rzel befe stig t sich die
 kräftige
 übersteht so auch Hochwasser
 erforscht die Klasse Kleinlebewesen im Rom nach wissen- Pflanze im Untergrund und z,
 h wenige Auen in der Schwei
 schaftlichen Methoden und kann dadurch Rückschlüsse auf unbeschadet. Es gibt nur noc ke gün stig sind . Am
 die Tamaris
20 den Gewässerzustand ziehen. Weitere Infos: biosfera.ch wo die Voraussetzungen für 21
 ria bis Müstair.
 Rom wächst sie von Sta. Ma
5
 4-2
 S. S. 2
 18
 -19

 Auengebiet
N

 wesen. Kiesbänke liegen bei Niedrigwasser an Auen haben in landschaftlicher und in ökologi-
 der Luft und können sehr trocken sein. Steht das scher Hinsicht eine grosse Bedeutung. Sie sind in
 nächste Hochwasser lange aus, fangen einjähri- unseren Breiten die artenreichsten Lebensräume.
 ge Pflanzen an, diesen Lebensraum zu besiedeln. 10 Prozent der einheimischen Tierarten sind auf
 Später gesellen sich mehrjährige Pflanzen und diesen Lebensraum angewiesen; 84 Prozent aller
 Sträucher dazu. Eine Besonderheit ist die selten heimischen Arten können in diesem Ökosystem
 gewordene Deutsche Tamariske, die man in der vorkommen. Zum Schutz und zur Aufwertung der
 Romaue noch häufig antrifft. Sie besiedelt schnell wertvollsten Auengebiete der Schweiz wurde das
 offene Stellen am Ufer oder eben Kiesbänke. «Bundesinventar der Auengebiete von nationaler
 Wärmeliebende Insekten finden sich dort eben- Bedeutung» errichtet. Auch die Romaue ist darin
 so gerne ein, wie einige Vogelarten, die brüten aufgenommen.
 oder rasten. Die Weichholzaue schliesst an die
 Kiesbänke an und besteht, wie der Name sagt,
 aus Bäumen mit weichem Holz, z.B. Weiden und
 Grauerlen. Diese wachsen schnell, haben biegsa- Grauerle (Alnus incana)
 me Äste und ein gutes Regenerationsvermögen. genannt, wird
 Die Grauerle, auch Weisserle
 älter als 50 Jahre.
 So halten sie auch Überschwemmungen stand. 20 - 25 m hoch und kaum
 rn des Roms von
 Sie bieten mehreren stark bedrohten Tierarten Man findet sie an den Ufe
 Sie blüh t bereits im März
 Fuldera an abwärts.
 einen Lebensraum. Viele Insekten ernähren sich oder Apr il und bild et auf dem selben Baum
 von den Bäumen oder finden dort Unterschlupf, wei blic he Blüt ens tände. Sie ist
 männliche und
 verwechseln , wei st aber auf den
 im Totholz entwickeln sich verschiedene Käfer- leicht mit der Schwarzerle zu zerl e lediglich
 erve n auf, die Sch war
 arten. Die Insekten wiederum bieten zahlreichen Blättern 10 - 15 Seitenn wei ssgr aue , glat te Rin-
 sie eine
 Vögeln Nahrung. Die höher gelegenen Gebie- deren 4 - 7. Ausserdem hat rau. Die Schwarzerle
 zerl e ist dun kel und
 de. Jene der Schwar ist in
 te einer Aue, die Hartholzauen, werden nur bei t vor. Ihr nächster Standort
 kommt im Val Müstair nich
 einem Jahrhunderthochwasser überschwemmt. Südtirol.
 den Schludernser Auen im
 Hier wachsen Bäume langsam und entwickeln
 dadurch ein härteres Holz, das höhlenbrütenden
 Vögeln wie Meisen, Spechten, Kleibern und Eulen
 Nistmöglichkeiten bietet.

Spitzenhochwasser
Hochwasser
Mittelwasser
Mittleres Sommerwasser
Niederwasser 23
 Flutrasen Schilf Weidengebüsch Weiden-Auenwald Grauerlen-Auenwald Traubenkirsche

 Wasser Pionierkrautfluren Weichholzaue Hartholzaue
N

 Plaun Schumpeder

 3
 3

 2-3
 2-2

 S. 3
S. 2

 Kraftwerk Chasseras

 Neue Weiher für Amphibien
 Aspisviper (Vipera
 aspis)
 Im Val Müstair sind vier Amphibienlaichplätze Im Val Müstair leb
 en beide in der Sc
 von nationaler Bedeutung bekannt: «La Juata» in kommenden Gifts hweiz vor-
 chlangen, die Kreu
 die Aspisviper. Di zotter und
 Tschierv, «Lai da Valpaschun» in Valchava, «Plaun 1600 m ü. M. vo
 e Aspisviper komm
 t bis etwa
 Schumpeder» in der Romaue bei Sta. Maria und r, die Kreuzotter
 eher in höheren trifft man
 Lagen an. Die As
 «Schler dal Podestà» in Müstair. In diesen Gewäs- vorzugt sonnige
 und warme Gebie
 pisviper be-
 standorttreu ist, te. Da sie recht
 sern laichen der Grasfrosch und der Bergmolch, ben Orten beob
 kann man sie im
 mer wieder an de
 achten. Sie ernäh nsel-
 die einzigen Vertreter der Amphibienfauna im Tal. Eidechsen, kleine rt sich räuberisch
 n Vögeln und Frö von
 öfters in der Nähe schen. Deshalb ist
 von Lesesteinhau sie
 In Plaun Schumpeder wurden drei neue Teiche auch von Gewässe fen und Hecken aber
 rn zu sehen.
 angelegt, nachdem die alten Laichgewässer auf
 der gegenüberliegenden Strassenseite fast jedes
 Jahr ausgetrocknet waren, bevor sich alle Kaul-
 und ist so gekennzeichnet. Die Elritzen sollten sich
 quappen zu Jungfröschen entwickeln konnten.
 nicht in allen Teichen entwickeln können, da sie
 Die alten Laichgewässer waren aus einem Altarm
 die frisch geschlüpften Kaulquappen dezimieren.
 des Roms entstanden. Sie waren Überreste einer
 bis in die 1990er Jahre betriebenen Jungfischauf-
 In diesen stehenden Gewässern mit geringem
 zucht und eines eigens angelegten Amphibien-
 Durchfluss paart sich der Grasfrosch zeitig im
 teichs. Die neu geschaffenen Teiche liegen nun im
 Frühling. Die Weibchen legen den Laich in gros-
 sicheren Grundwasserbereich des Roms, die Ge-
 sen Klumpen mit mehreren hundert Eiern ab und
 fahr der Austrocknung wurde dadurch gebannt.
 später verlassen die erwachsenen Frösche das Ge-
 Zwei Teiche dienen den Amphibien als Laich-
 wässer wieder. Ab Juni/Juli kann man diese Jung-
 gewässer, der dritte Teich steht Fischern für den
 frösche am Gewässer beobachten. Aber nicht nur
 Fang von Elritzen als Köderfische zur Verfügung
 Grasfrosch, Bergmolch und Elritze tummeln sich
 hier. Die stillen Gewässer bieten einer Vielzahl von
 Lebewesen einen Lebensraum. Libellen, die sich
 Bergmolch (Triturus alpestris) in den Teichen vom Ei bis zur Larve entwickelt ha-
 Die Bergmolche sind Vertreter der Schwanzlur- ben, umschwirren im Sommer die Ufer und Was-
 Das
 che. Sie haben einen orangefarbigen Bauch.
 Männchen legt sich währe nd der Paaru ngsze it an seroberflächen. Die Wasserspitzmaus geht dort
 Paa- für Nahrungssuche auf Tauchgang. Stockenten
 der Seite einen blauen Streifen zu. Nach der
 n
 rung legt das Weibchen 100 bis 600 Eier einzel nutzen die Teiche als Brutplatz und der Eisvogel –
 s-
 an Pflanzen ab. Bergmolche stellen an das Gewä das fliegende Juwel – auf seinem Durchzug zum
 fast
 ser keine hohen Ansprüche; man findet sie in
 allen Amphibienteichen im Val Müsta ir, ja sogar in Fischfang. Natürlich bieten die Teiche auch einer
 24 kleinsten Tümpeln oder Gartenweihern. Reihe von Pflanzen einen Lebensraum. 25
Ein Fluss schreibt Geschichte der rechtsseitigen Zuflüsse, der Aua da Vau und
 der bereits gefassten Muranzina, in einer neuen
 Der Rom als Energiequelle Kraftwerk-Zentrale in Chasseras nutzen wollte.
 Der Rom wurde schon seit eh und je als Ener- Alle sechs Gemeinden (vor der Fusion zur Ge-
 giequelle genutzt. Er trieb die Wasserräder von meinde Val Müstair) stimmten diesem Projekt mit
 Mühlen, Sägen und Schmieden an. Als 1912 die grosser Mehrheit zu.
 Elektrifizierung auch im Val Müstair Einzug hielt,
 spielte die Wasserkraft dank der Topografie des
 Bergtals sofort eine wichtige Rolle. Kleinkraftwer-
 Die Münstertaler Stromgeschichte
 ke wurden stetig ausgebaut und vergrössert, seit
 1942 wird der Strom im Tal mit Wasser aus den 1912 Erster Strom im Val Müstair aus einem privaten Klein-
 kraftwerk in Tschierv. Müstair, Sta. Maria und Valcha-
 Seitengewässern erzeugt. 1955 wurde das loka- va erhalten Strom aus dem Vinschgau.
 le Stromversorgungsunternehmen «Provedimaint 1922 Zusätzliches Kleinkraftwerk im oberen Dorfteil von
 Electric Val Müstair», kurz PEM, gegründet. Es Tschierv versorgt Tschierv, Fuldera und Lü.
 versorgt noch heute die rund 750 Haushalte mit 1932 Gründung Consorzi Rom mit dem Ziel einer taleige-
 nen Stromversorgung.
 Ökostrom. Elektrischer Strom ist aus unserer Welt 1941 Anschluss von Fuldera, Tschierv und Lü an die Strom-
 nicht mehr wegzudenken. Das merken wir, sobald versorgung aus dem Vinschgau.
 wir einmal von einem Stromausfall betroffen sind. 1953 Einigung der Münstertaler auf eine taleigene Strom-
 Stromerzeugung ist aber immer auch mit Auswir- versorgung.
 1955 Gründung PEM – Provedimaint Electric Val Müstair.
 kungen auf die Umwelt, Gesellschaft und Wirt- 1958 Kraftwerk Muranzina geht ans Netz. Ende der Strom-
 schaft verbunden. Wie kann der Bedarf gedeckt lieferung aus dem Vinschgau.
 werden und können gleichzeitig die negativen 1968 Anschluss an das Schweizer Mittelspannungsnetz.
 Auswirkungen und Risiken minimiert werden? Die neue Ofenpassleitung bringt mehr Versorgungs-
 sicherheit.
 Die Antworten sind nicht einfach und hängen 1982 Bau der grenzüberschreitenden Hochspannungslei-
 von unterschiedlichen Werten und Prioritäten ab tung Müstair – Taufers.
 – diese wurden im Val Müstair in den 1980er der- 1984 Beginn der «Münstertaler Wirren» rund um die Nut-
 art heftig diskutiert, dass man rückblickend von zung des Roms.
 1991 Einweihung des Kraftwerks Chasseras.
 den «Münstertaler Wirren» spricht. 1992 Die neue Talleitung ist als 10 kV-Kabelleitung reali-
 siert.
 Das Konzessionsprojekt 1996 Ausbau und Erneuerung des Kraftwerks Muranzina
 Angefangen hatte alles mit der gut gemeinten als Alternative zur Romnutzung.
 2001 Schutz- und Nutzungsplanung Val Müstair wird durch
 Absicht einiger Talbewohner, das Tal durch den den Bundesrat ratifiziert.
 Ausbau der eigenen Wasserkraft von Öl- und 2017 Erhöhte Netzstabilität und Versorgungssicherheit
 Stromimporten über den Ofenpass unabhängi- durch eine neue Mittelspannungsringleitung.
 ger zu machen. Dafür legte die PEM ein Projekt
26 vor, welches das Romwasser sowie das Wasser 27
Wie viel Wasser ist genug? befragung nötig. Die politische Auseinanderset-
 Im Genehmigungsverfahren des Kantons forder- zung hatte inzwischen die Talbewohner in zwei
 te das damals für die Fischereibelange zuständige Lager gespalten. In einer denkwürdigen und dra-
 Justiz- und Polizeidepartement ein fischereibio- matischen Abstimmung scheiterte der benötigte
 logisches Gutachten. Der beauftragte Gutachter Nachtragskredit 1987 am Gemeindemehr.
 kam zum Schluss, dass man im Rom, wolle man
 ihn weiterhin als Fischgewässer am Leben erhal- Studienauftrag der Pro Natura Graubünden
 ten, eine Dotierwassermenge von 400 Litern pro Die Pro Natura Val Müstair nutzte diese Situation
 Sekunde (l/s) belassen müsse. Dies entsprach dem und ging in die Offensive. Sie gab eine Studie
 Vierfachen der Wassermenge, welche das Kon- in Auftrag, welche das Projekt zur Nutzung des
 zessionsprojekt vorschlug. Die Regierung werte- Roms von neutraler Seite und vor allem in wirt-
 te das Bestreben nach Eigenversorgung und die schaftlicher Hinsicht kritisch beleuchten und al-
 damit verbundene Versorgungssicherheit für das lenfalls Alternativen aufzeigen sollte. Diese Studie
 Tal höher als die auf dem Spiel stehenden öko- wies nach, dass im Winter die Stromversorgung
 logischen Werte und genehmigte im Jahre 1984 mit der Nutzung des Roms nicht sichergestellt
 das Projekt mit einer Mindestabflussmenge von werden kann. Sie zeigte weiter, dass durch einen
 250 l/s. Ausbau des bestehenden Kraftwerks Muranzina,
 gekoppelt mit einer Nutzung der Aua da Vau, die
 Beschwerde an das Bundesgericht Versorgungssicherheit verbessert werden kann.
 Fischer und Umweltschutzorganisationen liessen Auch in wirtschaftlicher Hinsicht schnitt diese Lö-
 sich diese willkürliche Senkung der Restwasser- sung besser ab. Damit wurde klar, dass es unsinnig
 menge nicht gefallen und reichten Beschwerde an ist, einen geringen Stromertrag mit einem grossen
 das Bundesgericht ein. Die Bundesrichter würdig- ökologischen Defizit zu bezahlen. Diese Argu-
 ten zwar den hohen ökologischen Wert des Roms, mente haben die PEM-Verantwortlichen vorerst
 liessen sich aber von der durch die Kraftwerkspro- überzeugt. Sie vergaben die Ausarbeitung eines
 motoren hochgespielten Versorgungslücke im Tal neuen Projekts für die Sanierung des KW Muran-
 beeindrucken und hiessen den Entscheid der Re- zina. Gleichzeitig wurde die Zentrale Chasseras,
 gierung für 250 l/s gut. Für die Aua da Vau for- nur gespeist mit dem Wasser der Nebenflüsse,
 derten sie allerdings eine Mindestwassermenge realisiert und 1990 in Betrieb genommen. Auf die
 von 20 l/s im Winter und 50 l/s im Sommer. Fassung des Roms wurde vorläufig verzichtet.

 Erneute Volksabstimmung Die Wiedererwägung durch die Hintertüre
 Die Auflage des Bundesgerichts bezüglich der Wer glaubte, die Diskussion um die Romfassung
 Mindestwassermenge in der Aua da Vau und sei damit endgültig vom Tisch, täuschte sich. Ein
28 die Zeitverzögerung verteuerten das Projekt. Jahr später präsentierte die PEM ein neues Pro- 29
 Die Mehrkosten machten eine neuerliche Volks-
jekt, welches zum Ziel hatte, den Ausbau des folgenden Volksabstimmung fiel der endgültige
 Kraftwerkes Muranzina aufzuschieben und eine Entscheid: Verzicht auf die Konzession zur Nut-
 Teilnutzung des Roms vorzuziehen. Das Vorgehen zung des Roms und Erneuerung des Kraftwerks
 der PEM empörte neben Pro Natura auch viele Muranzina. Damit war der Grundstein gelegt für
 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Die Oppo- die Schutz- und Nutzungsplanung, welche 2001
 sition im Tal wuchs. Angesichts des steigenden in Kraft trat und sich heute über das gesamte Ge-
 politischen Drucks erklärte sich die PEM bereit, wässernetz des Val Müstairs erstreckt.
 zusammen mit den Gegnern einen Informations-
 abend durchzuführen. In der vollbesetzten Turn- Andere Länder, andere Sitten...
 halle von Sta. Maria kippte am Schluss der Veran- Anders verhält es sich mit dem Rom kurz hin-
 staltung die Stimmung ganz klar auf die Seite der ter der Grenze bei Taufers, Italien. Dort wurde
 Opposition. Dazu beigetragen hatte sicher auch 2019/2020 ein Wasserkraftwerk gebaut. Obwohl
 der von der Schweizerischen Gesellschaft für Um- sich auch auf der italienischen Seite viele Men-
 weltschutz und des Lotteriefonds des Kantons Zü- schen für den Erhalt des noch frei fliessenden Tal-
 rich gespendete Beitrag von insgesamt 600‘000 flusses ausgesprochen hatten, konnte 2013 bei
 Franken bei Verzicht auf die Romnutzung und einer Volksbefragung keine Mehrheit gewonnen
 Sanierung und Effizienzsteigerung des KW Mu- werden. Inwieweit dieser Eingriff Auswirkungen
 ranzina. Im Mai 1990 beschloss die Bevölkerung auf das ökologische Gleichgewicht des Roms auf
 des Val Müstair mit der Zustimmung von vier der Schweizer Seite hat, ist abzuwarten.
 sechs Gemeinden, vorläufig auf die Nutzung des
 Roms zu verzichten und das Projekt zur Erneue- Stromversorgung heute
 rung des KW Muranzina voranzutreiben. Mit die- Heute produzieren die beiden Kraftwerke Muran-
 ser Entscheidung kehrte wieder etwas Ruhe ein zina und Chasseras sowie sechs Trinkwasserkraft-
 im Tal. werke im Sommer mehr Strom als verbraucht
 wird. Die Überproduktion wird an Repower ver-
 Einkehr des Energiefriedens im Val Müstair kauft. Im Winter kann durch den Wasserrück-
 Als 1993 der Vorstand der PEM dem Delegierten- gang der Energiebedarf nicht gedeckt werden.
 rat das Projekt zur Erneuerung des KW Muranzi- Strom mit Herkunftsnachweis wird zugekauft.
 na vorlegte, lehnte dieser mit einem Stimmenver- Das Kraftwerk Muranzina erhielt die Konzession
 hältnis von 8:7 ab. Die ablehnenden Delegierten für weitere 70 Jahre, die Nutzung des Pischbaches
 wollten den endgültigen Verzicht auf die Nut- wurde auf die Wintermonate beschränkt und bei
 zungskonzession des Roms hinausschieben. Ge- der Wasserfassung Vau wurde für diese Jahreszeit
 gen den negativen Entscheid des Delegiertenrates eine Unterschreitung der Restwassermenge be-
 ergriffen 3 Gemeinden und 195 Stimmbürgerin- willigt.
30 nen und Stimmbürger das Referendum. In der 31
S.
 38
 -3
N

 9

 Kraftwerk Chasseras

 4-2
 5 Fischzucht

 S. 34
 S. 2

 Alternative Wegführung
 entlang Schler dal Podestà
 Schler dal Podestà

 Der Rom in Müstair
 Schützen oder nutzen? Ein gelungener Bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts
 Ausgleich im Val Müstair wurde die Romebene bei Müstair bei Hochwasser
 regelmässig überflutet. Als Folge des steigenden
 Am 16. Mai 2001 genehmigte der Bundesrat die Schutz- und
 Nutzungsplanung Val Müstair. Zum ersten Mal wurde damit Siedlungs- und Nutzungsdruckes nahm in der
 von der im Gewässerschutzgesetz vorgesehenen Möglichkeit Bevölkerung der Wunsch zu, sich vor dem Rom
 Gebrauch gemacht, Schutz- und Nutzungsinteressen auszu- zu schützen. Man beschloss, den Fluss teilweise
 gleichen und verbindlich festzulegen. Das Gewässerschutz-
 zu begradigen und die Ufer mit umfangreichen
 gesetz regelt unter anderem die Frage, welches Minimum an
 Wasser ein Gewässer führen muss, nachdem es für die Ener- Massnahmen zu sichern. Anfang der 70er Jahre
 gieproduktion genutzt wurde. Diese Menge nennt man Min- war der Rom vollständig kanalisiert. Das verhin-
 destwassermenge. derte zwar Überschwemmungen, zog aber erheb-
 liche Unterhaltskosten nach sich. Ausserdem war
 Die Kantone können nach dem Prinzip der Schutz- und Nut-
 zungsplanung eine stärkere Nutzung von Fliessgewässern ge- der Rom in diesem knapp 3 km langen Teilstück
 statten und damit geringere Restwassermengen zulassen als ökologisch sehr beeinträchtigt. Daher einigte
 das Gesetz vorschreibt. Diese Mehrnutzung muss jedoch mit man sich 1994 auf eine nachhaltige Lösung. So
 weitergehenden Schutzmassnahmen bei anderen Fliessgewäs-
 wurden bis 2003 sechs Gerinneaufweitungen mit
 sern wettgemacht werden, zum Beispiel mit der Festlegung
 höherer Restwassermengen. einer Gesamtlänge von über 1 km realisiert.

 Im Val Müstair ging es darum, den Rom zu schützen und auf Das gesamte landschaftliche Erscheinungsbild ist
 eine Wasserentnahme zur Wasserkraftnutzung zu verzichten.
 dadurch deutlich aufgewertet worden. Die na-
 Zum Ausgleich musste die Wasserentnahme andernorts er-
 höht werden. Dies geschah, indem man die Konzession für turnahen Ufersicherungen, die flachen Böschun-
 das bestehende Kraftwerk Muranzina um weitere 70 Jahre gen, die teilweise verzweigten Flussläufe mit ihrer
 verlängerte und hier von der Festlegung einer Mindestrest- flussmorphologischen Vielfalt sowie die gelunge-
 wassermenge absah. Auch für das Kraftwerk Chasseras wurde
 ne Integration des Spielplatzes in die neue Fluss-
 die Konzession erneuert. Hier wurden die Mindestrestwasser-
 mengen der beiden Seitengewässer, der Aua da Pisch und der landschaft lassen auch den Menschen den Fluss
 Aua da Vau reduziert beziehungsweise zeitlich eingeschränkt. wieder als solchen erleben.
 Die Schutz- und Nutzungsplanung Val Müstair kann als erfolg-
 reich bezeichnet werden. Dank dem Nutzungsverzicht blieb
 der Hauptfluss, der Rom, mit seinem Auengebiet von natio- Azurjungfern
 Familie der
 naler Bedeutung erhalten. Die stärkere Nutzung der seitlichen Die Azurjungfern sind eine
 n. Sie falle n dur ch ihre schlanke
 Fliessgewässer, die teilweise stark abfallen, stark verbaut und Kleinlibelle
 lich e Zeic hnu ng auf.
 fischarm sind, fällt aus ökologischer Sicht kaum ins Gewicht. Gestalt und ihre bläu
 vers chie den en Arte n lassen sich nur
 Die
 heiden. An
 schwer voneinander untersc
 n man beob-
 stehenden Gewässern kan
 Eier ablegen. Azurjungfern
 achten, wie sie im Flug ihre
 und bild en dabei ein so genanntes
32 paaren sich oft im Flug 33
 Paarungsrad.
N

 S. 32 Fischzucht
 -33

 S.
 Schler dal Podestà

 38
 -3
 9
 Alternative Wegführung
 entlang Schler dal Podestà

 Schler dal Podestà Wilde Wasser – starke Forellen
 Das Flachmoor «Schler dal Podestà» ist das gröss- Auf Grund der Höhenlage, des kühlen und sauer-
 te Feuchtgebiet im Talboden des Val Müstair. Es stoffreichen Wassers und seiner Rauheit zählt der
 enthält einen kleinen Weiher, der als Laichgebiet Rom fischereibiologisch zur oberen Forellenre-
 für den Grasfrosch und den Bergmolch nationale gion. Über Jahrtausende hat sich die Bachforelle
 Bedeutung hat. In diesem Gebiet steht der gröss- an die harten Lebensbedingungen im Bergbach
 te Schilfbestand des Tales. Um die Verlandung zu angepasst. Im bis vor 1950 kaum verbauten Rom
 verlangsamen und die Artenvielfalt zu erhalten, entwickelten sich die Forellen so gut, dass sie
 werden das Flachmoor und die angrenzenden dem Dutzend Fischern im Tal einen einträglichen
 Riedwiesen regelmässig gemäht. Nebenverdienst ermöglichten. Die gefangenen
 Fische wurden an die damals noch wenigen Gast-
 betriebe verkauft.

 Angeln – ein beliebter Freizeitsport
 Heutzutage ist Angeln eine beliebte Sport- und
 Freizeitbeschäftigung, die man allerdings nur mit
 einer kantonalen Bewilligung betreiben kann und
 der im Tal etwa 30 Personen nachgehen. Da die
 Fischer verpflichtet sind, ihren Fang in eine Fang-
 statistik einzutragen, kennt man die Anzahl ge-
 fangener Forellen genau. Jährlich werden aus dem
 Rom gut 100 Bachforellen mit dem vorgeschrie-
 benen Mindestmass von 28 cm gezogen. Das ist
 die Länge, bei der man davon ausgehen kann,
 Mosaikjungfern dass die Forelle bereits zweimal in ihrem Leben
 Die Mosaikjungfe gelaicht hat. Durch die natürliche Fortpflanzung
 rn sind eine Fa
 Grosslibellen und milie der
 jungfern zu unser
 gehören mit den
 Quell- allein wären diese Erträge nicht möglich. Jungfi-
 en grössten Libell
 Hinterleib ist meist en. Der sche, welche zur Stützung des Fischbestandes in
 hell und dunkel ge
 Eine häufige Art
 ist die blaugrüne
 fleckt. die Gewässer eingesetzt werden, stammen aus
 jungfer (Aeshna Mosaik-
 cyanea), welche der kantonalen Fischbrutanstalt in Müstair. Jedes
 ihre schöne grüng durch
 fällt. Mosaikjungfe
 elbe Zeichnung
 auf- Jahr gelangen so an die 7000 junge Bachforellen
 rn sind ausgezeic in den Rom, wobei der Besatz jährlich an die je-
 te Flugkünstlerinn hne-
 en. Ihre Larven
 in stehenden Ge
 wässern und ern
 leben weiligen Voraussetzungen angepasst wird.
 räuberisch. ähren sich
34 35
Moderne Fischwirtschaft Dadurch steigt in den Fliessgewässern vorüber-
 In der Schweiz stehen die Fischereirechte den gehend die Schwebstoffkonzentration so hoch
 Kantonen zu. Das Amt für Fischerei kümmert sich an, dass die Sauerstoffaufnahme für die Fische
 um die Bewirtschaftung der Gewässer, legt heute beeinträchtigt wird und dadurch grosse Verluste
 aber mehr Wert auf die Erhaltung der natürlichen entstehen können.
 Artenvielfalt und den Bestand an einheimischen
 Fischarten sowie auf die Verbesserung ihrer Le- Ein Blick in die Zukunft
 bensräume. Die Massnahmen zur Revitalisierung Grundsätzlich ist der Rom ein produktiver Bach,
 des Roms und seiner Seitenbäche ergänzen die der den Forellen eine gute Lebensgrundlage bie-
 Bemühungen in der fischereilichen Bewirtschaf- tet. Die revitalisierten Strecken werden mit der
 tung. Die Schaffung besserer Lebensräume mit Zeit in einem ökologischen Gleichgewicht stehen
 möglichst vielen neuen Plätzen für die natürli- und den Fischen ausreichend gutes Substrat zur
 che Verlaichung wird mit der Zeit den Besatz mit natürlichen Fortpflanzung bieten. Ausserdem ist
 Jungfischen vermindern oder sogar ablösen. die Verschärfung der Fischereivorschriften mit der
 Maximalentnahme von jährlich 60 Fischen pro
 Ein sehr gutes Beispiel für eine gelungene Mass- Person aus den Fliessgewässern und dem Min-
 nahme zur Verbesserung der Bedingungen für destmass von 28 cm ein wichtiges Instrument für
 die Bachforellen geschah 1994 unmittelbar vor den Erhalt einer natürlichen Population, in der
 der italienischen Grenze. Eine zwei Meter hohe sich genug erfahrene Individuen entwickeln kön-
 Betonschwelle wurde mit einer Blocksteinrampe nen. Diese kennen ihr Habitat so gut, dass sie bei
 für Fische und andere Wasserlebewesen passier- kurzzeitiger Verschlechterung der Lebensbedin-
 bar gemacht. Damit konnten die Forellen wieder gungen in geschütztere Lebensräume ausweichen
 zu ihren Laichgebieten wandern und man konnte können.
 eine deutlich erhöhte Laichaktivität in den dar-
 auffolgenden Jahren sowohl im Rom als auch im
 Seitenbach «Schler dal Podestà» in Müstair be- o)
 Bachforelle (Salmo trutta fari
 obachten. Dennoch kann selbst den Forellen das häufigsten Fisch-
 Die Bachforelle ist eine der
 ist in fast allen
 Wasser im Rom manchmal zu wild werden und arten in der Schweiz. Sie
 en zu find en, bevorzugt aber
 die Fischpopulation beeinträchtigen. Gewässertyp
 eich e Bäc he der obe-
 kühle und sauerstoffr
 e, die des halb oft als Forellenre-
 ren Stuf
 Haben sich früher die kanalisierten Bachabschnit- wird . Zur Fort pflanzung
 gion bezeichnet
 schen Oktober
 te negativ auf die natürliche Entwicklung der wandert die Bachforelle zwi
 fwärts auch in kleinere
 Forellen ausgewirkt, sind es heute die durch den und Dezember meist bachau
 in lock erem Kies oder sandigem Boden
 Seitenbäche, wo sie Eier
 Klimawandel heftigeren Wetterereignisse. Ver- ube schlägt und darin ihre
 n
 mit der Schwanzflosse Laichgr glic hte die Wa nde -
 mehrt lösen sommerliche Starkregen Rüfen aus. Roms verunmö
36 ablegt. Die Verbauung des 37
 en Stel len.
 rung und Laichablage an viel
N

 Ziel

 S.
 -33 34 Alternative Wegführung
 32 über die Grenze
 S.

 Heute sind nicht nur die Bachforellen Impressum
 glücklich Zweite überarbeitete Auflage 2021
 Der Rom ist heute dank Weit- und Umsicht auf Herausgeber: Biosfera Val Müstair
 Schweizer Gebiet ein lebendiger Talfluss. Der Ver- Pro Natura Val Müstair
 Überarbeitung & Redaktion: Christiane Stemmer
 zicht auf Nutzung für elektrische Energie, aber Lektorat: Margit Huber-Berninger
 auch die vielen Massnahmen zur Revitalisierung Layout & Druck: Aimara AG
 werten ihn ökologisch auf und machen ihn von Konzept:  Biosfera Val Müstair
 seiner Quelle bis zur Grenze für uns Menschen Auflage: 5000 Stück
 erlebbar. Zudem bieten die Projekte Sicherheit vor
 Biosfera Val Müstair und Pro Natura Val Müstair bedanken
 Hochwasser und bringen wesentliche Einsparun-
 sich bei allen, die zum Gelingen dieser zweiten Auflage
 gen beim Gewässerunterhalt mit sich. In einzel- beigetragen haben. Wir sind dankbar für das aufmerksame
 nen Aufweitungen konnte die ideale natürliche Gegenlesen, für die zur Verfügung gestellten Bilder und
 Pendelbandbreite eines Fliessgewässers erreicht Informationen.
 werden. In den Abschnitten, in welchen dies nicht
 Bildnachweis
 möglich war, sind heute trotzdem viele natürliche Françoise Alsaker S.23u. / Ivo I. Andri S.16-17o., 26-27 / Muriel
 Funktionen wieder gewährleistet. Bendel S.10u. / Monica Benz-Kaiser S.8u., 9m. / Wolfgang Bischoff
 S.9u. / Kathy Büscher S.24 / Daniel Fleuti S.2, 7o. / Roland Gerth
 S.10-11o. / Eckehard Jagdmann S.33 / Thomas Kraft¹ S.14 / Susann
 Die verbleibenden künstlichen Abschnitte wer- Mielke S.34u. / Markus Nolf² S.21u. / Pio Pitsch S.13, 35 / Valentin
 den in den kommenden Jahren revitalisiert. Einer Pitsch S.25 / Peter Rey S.37u. / Manfred Richter S.16u. / Rest-
 liche: BVM / Karten: Biosfera Val Müstair 2021 / Kartengrundlagen:
 völligen Befreiung und Renaturierung setzen ge- swisstopo
 gebene Rahmenbedingungen Grenzen, aber man ¹ https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cinclus_cin-
 clus_R(ThKraft).jpg), „Cinclus cinclus R(ThKraft)“, https://creative-
 strebt mit den verfügbaren Flächen die ökologi-
 commons.org/licenses/by-sa/2.5/legalcode
 schen Mindestanforderungen an. Die Lebensräu- ² https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Myricaria_germani-
 me der Bachforelle haben an Qualität gewonnen ca_flowers.jpg), „Myricaria germanica flowers“, https://creative-
 commons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode
 und die einheimische Bevölkerung und ihre Gäste
 schätzen das neue Flusserlebnis.
 BIOSFERA VAL MÜSTAIR
 Parc da natüra / Naturpark
 Die Biosfera Val Müstair und Pro Natura hoffen, Sie hatten
 eine spannende Wanderung mit Einblicken in die Geschichte,
 Center da Biosfera
 Ökologie und Kultur entlang dieses einzigartigen Flusses.
 CH-7532 Tschierv
 +41 81 851 60 70
 Sie können nun dem Wegweiser 801 folgen. Er bringt sie zur
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 Postautohaltestelle Müstair, Clostra Son Jon. Oder Sie folgen
 www.biosfera.ch
 dem Rom weiter (gestrichelte Linie) über die Grenze und zur
 Mündung in die Etsch.
38 Mehr Infos finden Sie auch auf unserer App 39
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