Aktuell 09 19 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Konkrete Hinweispflicht

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Aktuell 09 19 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Konkrete Hinweispflicht
Neues aus Wirtschaft,
Steuern und Recht

aktuell
09 19
Konkrete Hinweispflicht     Bundesfinanzhof: Urteil    Facebooks „Gefällt mir“­
auch für Urlaubsansprüche   zu nicht ortsfest einge­   Button nur nach Aufklä­
aus Vorjahren               setzten Berufsgruppen      rung und Einwilligung
Aktuell 09 19 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Konkrete Hinweispflicht
Inhalt

Interview

04 Das Geschäftsgeheimnisgesetz – wie Sie schützen, was Ihr Unternehmen ausmacht

Top News

06 Konkrete Hinweispflicht gilt auch für Urlaubsansprüche aus Vorjahren
06 Bundesfinanzhof veröffentlicht Urteil zu nicht ortsfest eingesetzten Berufsgruppen
07 Facebooks „Gefällt mir“-Button auf Webseiten nur noch nach Aufklärung und Einwilligung

Praxistipp

08 Wie prüfen Sie die Identität bei einer Anfrage zu personenbezogenen Daten?

News für Ihr Geschäft

09   Ermäßigte Besteuerung von Überstundenvergütungen für mehrere Jahre
10   Immer Probleme mit dem Fahrtenbuch
10   Gesetzentwurf zur Rückführung des Solidaritätszuschlags
11   Steuerbetrug durch Erwerber gefährdet die Steuerfreiheit von Exporten
11   Keine persönliche Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten bei „Griff in die Kasse der GmbH“
12   Abfärbewirkung bei Beteiligungseinkünften gilt nicht für die Gewerbesteuer
13   Was tun bei falscher GmbH-Gesellschafterliste?
14   Nexia Day 2019 – internationales Barbecue

Kurz notiert

15   Veröffentlichungen, Presse, Veranstaltungen, Zahlungstermine

Impressum

Herausgeber                         Redaktion                 Konzeption, Layout       Eine Haftung für den Inhalt kann
dhpg Dr. Harzem & Partner mbB       Dr. Andreas Rohde         www.2erpack.com          trotz sorgfältiger Bearbeitung
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft     (verantwortlich),                                  nicht übernommen werden.
Steuerberatungsgesellschaft         Dr. Lutz Engelsing,       Herstellung              dhpg aktuell erscheint monatlich
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                                                                                       Stand: 23.8.2019
                                                              Fotos
                                                              Bernd Roselieb
Aktuell 09 19 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Konkrete Hinweispflicht
Editorial

                                                                              Dr. Andreas Rohde
                                                                              ist Rechtsanwalt und Steuerberater
                                                                              bei der dhpg. Mittelständische Un­
                                                                              ternehmen schätzen seine Expertise
                                                                              und lösungsorientierte Beratung
                                                                              bei gesellschafts- und steuerrecht­
                                                                              lichen Fragestellungen in den Fällen
                                                                              von Umstrukturierung, Kauf sowie
                                                                              Verkauf oder Nachfolge. Ein weiterer
                                                                              Fokus seiner Arbeit bildet das Han­
                                                                              dels- und Vertriebsrecht sowie das
                                                                              Haftungs- und Berufsrecht.

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

in diesem Jahr ist das Gesetz zum Schutz von Ge­          Die Auszahlung von Überstunden ist ein häufig stritti­
schäftsgeheimnissen in Kraft getreten. Die zugrunde­      ges Thema zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
liegende EU-Richtlinie hatte eigentlich eine Umset­       So lag dem Finanzgericht Münster ein Fall vor, in dem
zung bis Juni 2018 gefordert. Das Gesetz soll einen       zu klären war, ob Auszahlungen von Überstunden,
einheitlichen Schutz für Geschäftsgeheimnisse bieten      die ein Arbeitnehmer über mehrere Jahre gesammelt
und auf diese Weise für größere Rechtssicherheit sor­     hat, Vergütungen im Sinne der Fünftelregelung sind.
gen. Zeitgleich werden Unternehmen auch stärker vor       Das Urteil finden Sie auf Seite 9.
Wirtschaftsspionage geschützt. Was Unternehmer nun
beachten müssen, erfahren Sie im Interview auf Seite 4.   Da nun die Ferien vorbei sind, greift der eine oder an­
                                                          dere wieder häufiger zum Fahrtenbuch. Vielen ist der
In unserem Praxistipp auf Seite 8 erklären wir Ihnen,     Erfassungsaufwand jedoch zu hoch, sodass manch
wie Sie die Identität von Betroffenen bei einer An­       einer glaubt, mit elektronischen Fahrtenbüchern die
frage zu personenbezogenen Daten prüfen. Egal, ob         Lösung gefunden zu haben. Doch so einfach ist dies
postalisch, mittels E-Mail oder per Telefon: Wir zei­     nicht, wie Sie auf Seite 10 lesen können.
gen Ihnen, wie Sie sicherstellen können, dass Sie die
gewünschte Auskunft tatsächlich dem Betroffenen           Ob Sie ein Fahrtenbuch führen oder nicht: Ich wün­
selbst zukommen lassen und es nicht zu einer Ver­         sche Ihnen einen guten Start in den Arbeitsalltag.
wechslung kommt.

Über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs             Ihr
zur Information über Resturlaub hatten wir bereits
berichtet. Nun hat das Landesarbeitsgericht Köln
entschieden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer
auch konkret über Resturlaubsansprüche aus Vor­           Dr. Andreas Rohde
jahren hinweisen und ihn auffordern muss, diesen
Urlaub zu nehmen. Auf Seite 6 lesen Sie mehr hierzu.
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Interview

    Das Geschäftsgeheimnisgesetz –
    wie Sie schützen, was Ihr
    Unternehmen ausmacht
    In diesem Jahr ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft getre­
    ten. Dieses entfaltet seine Wirkung aber nur dann, wenn Sie die Geschäftsgeheimnisse Ihres Unter­
    nehmens durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt haben. Wie das funktioniert,
    erklären unsere Experten im Interview.

    Interview: Dr. Christian Lenz und Dr. Olaf Lüke

    Worum geht es in dem neuen Gesetz zum Schutz                 Und was sind angemessene Geheimhaltungsmaß­
    von Geschäftsgeheimnissen?                                   nahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen?
    Dr. Christian Lenz: Vor dem Hintergrund zunehmender          Dr. Christian Lenz: Zunächst sollten Sie alle Informatio­
    Digitalisierung und grenzüberschreitender Sachverhalte       nen systematisch erfassen, die aus Ihrer Sicht als geheim
    innerhalb der Europäischen Union soll das Gesetz einen       einzustufen sind, sprich Ihre „Kronjuwelen“. Anschließend
    einheitlichen Schutz für Geschäftsgeheimnisse bieten und     kann klassifiziert werden, welche Informationen beson­
    auf diese Weise für eine größere Rechtssicherheit sorgen.    ders schutzbedürftig sind und welche weniger. Darauf
    Zeitgleich werden Unternehmen auch stärker vor Wirt­         basierend können dann risikoorientiert Schutzmaßnah­
    schaftsspionage geschützt. Derartige Fälle von Whistle­      men definiert und ergriffen werden. Häufig stellen wir
    blowing sind in den vergangenen Jahren vermehrt durch        fest, dass auch schon diverse Schutzmaßnahmen exis­
    die Medien gegangen – Stichwort Edward Snowden. Das          tieren, gegebenenfalls wurden diese auch schon beim
    Problem betrifft aber nicht nur Konzerne, sondern durch­     Aufbau einer Datenschutzorganisation entsprechend der
    aus auch mittelständische Unternehmen. Auch für sie be­      Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dokumentiert.
    steht nun Handlungsbedarf. Auf der anderen Seite schafft     In diesen Fällen sind dann regelmäßig nur noch kleinere
    das Gesetz ausdrückliche Regelungen für den Schutz von       Nacharbeiten erforderlich. In der Praxis geht es dann bei­
    Whistleblowern und damit auch für den investigativen         spielsweise um ein passendes Berechtigungskonzept u.a.
    Journalismus im Bereich von Geschäftsgeheimnissen.           über die gesamten IT-­Anwendungen hinweg oder um
                                                                 passende Vertraulichkeitsverpflichtungen. Letztendlich
    Was gilt überhaupt als Geschäftsgeheimnis?                   bedeuten angemessene Geheim­haltungsmaßnahmen,
    Dr. Olaf Lüke: Wenn Sie sich fragen, was Ihr Unterneh­       dass auch in Abständen kontrolliert wird, ob die ergriffe­
    men ausmacht, werden Ihre Antworten sicher in etwa           nen und dokumentierten Maßnahmen passen. Hierdurch
    lauten: Know-how, Rezepturen, Strategien, Kundendaten,       wird die Eintrittswahrscheinlichkeit von Vorfällen verrin­
    Kalkulationen. Genau das sind Ihre Geschäftsgeheimnis­       gert und auch der Geheimhaltungswille dokumentiert.
    se. Das Gesetz definiert dies natürlich etwas genauer. Ein
    Geschäftsgeheimnis ist eine Information, die nur einem       Was passiert, wenn ich keine derartigen
    begrenzten Personenkreis bekannt ist, deren Inhalte ge­      Maßnahmen treffe?
    heim und entsprechend von wirtschaftlichem Wert sind         Dr. Olaf Lüke: Haben Sie keine Maßnahmen zum Geheim­
    und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interes­         nisschutz getroffen, laufen Sie Gefahr, dass Ihre Geschäfts­
    se besteht. Aber die reine Tatsache, dass es sich bei ei­    geheimnisse nicht von dem neu geschaffenen Schutz von
    nem Geschäftsgeheimnis um eine geheime Information           Geschäftsgeheimnissen durch das GeschGehG umfasst
    handelt, ist von nun an nicht mehr allein für ihren Schutz   werden. Denn in diesem Fall handelt es sich definitions­
    ausschlaggebend. Vielmehr muss das Unternehmen an­           gemäß nicht um Geschäftsgeheimnisse im Sinne des
    gemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergreifen, um              § 2 Nr. 1 GeschGehG.. Leider kann man schneller in eine
    seinen Geheimhaltungswillen zu dokumentieren. Ohne           solche Situation geraten, als man denkt. Stellen Sie sich
    angemessene Schutzmaßnahmen liegt nach dem Gesetz            beispielsweise vor, Ihr Verkaufsleiter verlässt das Unterneh­
    kein schützenswertes Geschäftsgeheimnis vor.                 men und wechselt zur Konkurrenz. Er kennt Ihre Kunden

4   dhpg aktuell 09/19
Aktuell 09 19 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Konkrete Hinweispflicht
und Lieferanten und die mit ihnen vereinbarten Konditi­
onen und trägt dieses Wissen in das neue Unternehmen.
Schon sind Ihre Geschäftsgeheimnisse offenbart.

Welche Ansprüche habe ich vor Gericht, wenn
meine Geschäftsgeheimnisse offenbart wurden?
Dr. Christian Lenz: Die Rechte Betroffener sind vielfältig.
Zunächst haben Sie Anspruch auf Beseitigung und Un­
terlassung sowie auf vollumfängliche Vernichtung und          Dr. Christian Lenz
Herausgabe des Geschäftsgeheimnisses. Darüber hinaus          ist Rechtsanwalt bei der dhpg.
müssen alle rechtsverletzenden Produkte zurückgerufen,        Der Fokus seiner Tätigkeit liegt in
entfernt und vernichtet bzw. zurückgenommen werden.           der IT- und datenschutzrechtlichen
Zudem steht Ihnen Schadensersatz zu – auch für imma­          Beratung mittelständischer Unter­
terielle Schäden wie beispielsweise Imageverlust. Und         nehmen. Dr. Christian Lenz ist
schließlich wird die Offenbarung von Geschäftsgeheimnis­      ein ausgewiesener Experte bei
sen auch strafrechtlich verfolgt und mit einer Geld- oder     Fragestellungen zur EU-Daten­
Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet.              schutz-Grundverordnung (EU-
                                                              DSGVO) und hat viele Unter­
Und wie sieht es mit der Verletzung von Geschäfts­            nehmen bei der Umsetzung der
geheimnissen durch Dritte aus?                                Anforderungen zur EU-­DSGVO
Dr. Christian Lenz: Das Gesetz geht mit der Verletzung        begleitet.
von Geschäftsgeheimnissen durch Dritte härter um. Ein
Beispiel: Bringt ein neuer Mitarbeiter Adresslisten eines
früheren Arbeitgebers mit und setzt diese ein, so haftet
nicht nur der neue Mitarbeiter, sondern auch der neue Ar­
beitgeber schon bei fahrlässiger Unkenntnis. Das heißt für
die Zukunft, dass Unternehmer stets dafür Sorge tragen
müssen, dass Informationen nicht durch sogenannte un­
befugte Erlangung beschafft werden. Hierzu zählen neben
der unbefugten Erlangung durch andere Personen auch
der unbefugte Zugang, die unbefugte Aneignung oder
das unbefugte Kopieren von Dokumenten, Gegenständen,
Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die Ge­
schäftsgeheimnisse enthalten oder aus denen sich diese
ableiten lassen.

Gibt es auch Ausnahmen von diesen Regelungen?
Dr. Olaf Lüke: Ja, die gibt es, wie eingangs kurz erwähnt.
So ist beispielsweise die Ausübung der Meinungsfreiheit
vom Gesetz unberührt. Diese schützt gerade investigativ       Dr. Olaf Lüke
tätige Journalisten. Zudem besteht immer noch die Mög­        ist Rechtsanwalt bei der dhpg. Er
lichkeit der Abwägung im Einzelfall. Auch das Whistleblo­     berät mittelständische Unternehmen
wing zur Aufdeckung von Straftaten oder Fehlverhalten         und ihre Gesellschafter sowie Verei­
eines Unternehmens ist vom Anwendungsbereich des Ge­          ne und Stiftungen in gesellschafts-
setzes ausgeschlossen – im Gegenteil das Gesetz bietet        und steuerrechtlichen Fragen. Er gilt
Whistleblowern mehr Schutz, sofern die Offenlegung des        als ausgewiesener Experte im Perso­
Geschäftsgeheimnisses altruistischer Natur ist und nicht      nen- und Kapitalgesellschaftsrecht.
dem persönlichen Vorteil des Whistleblowers dient. Zu­        Regelmäßig begleitet er mit seinem
dem ist die Offenlegung durch Arbeitnehmer gegenüber          Team Unternehmen bei Umstruktu­
der Arbeitnehmervertretung gestattet, wenn dies erforder­     rierungen sowie in nationalen und
lich ist, damit die Arbeitnehmervertretung ihre Aufgaben      internationalen M&A-Transaktionen.
erfüllen kann.

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Aktuell 09 19 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Konkrete Hinweispflicht
Top News

    GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat                     nach Maßgabe der Regelungen des Bundesurlaubsgeset­
                                                                  zes zu bewerten sei. Auch seien die Urlaubsansprüche für
                                                                  die Jahre 2014 bis 2016 nicht bereits verfallen. Unter Be­
    Konkrete Hinweispflicht gilt                                  rücksichtigung des europäischen Rechts sei ein Verfall nur
                                                                  dann gegeben, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer
    auch für Urlaubsansprüche                                     konkret auf seine Urlaubsansprüche hingewiesen, ihn klar
                                                                  und rechtzeitig zur Inanspruchnahme aufgefordert und
    aus Vorjahren                                                 über den andernfalls drohenden Verfall informiert hätte.
                                                                  Allein dem Arbeitgeber obliege die Initiativlast, den Arbeit­
    Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte jüngst               nehmer im laufenden Kalenderjahr zur Inanspruchnahme
    entschieden, dass Urlaubsansprüche nicht auto­                aufzufordern. Diese Verpflichtung gelte auch für Urlaubs­
    matisch zum Jahresende verfallen. Das Landes­                 ansprüche aus Vorjahren – so das Landesarbeitsgericht.
    arbeitsgericht Köln hat nun entschieden, dass der             Der Arbeitgeber wurde daher verpflichtet, dem Arbeitneh­
    Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch konkret auf                 mer Urlaubsabgeltung jeweils in Höhe des gesetzlichen
    Resturlaubsansprüche aus Vorjahren hinweisen                  Mindesturlaubs für die Jahre 2014 bis 2016 zu zahlen.
    und ihn auffordern muss, diesen Urlaub zu neh­
    men. Das gilt sogar dann, wenn der Arbeitnehmer               Konsequenz
    auf den Urlaub verzichtet hat.                                Das Urteil setzt damit die jüngste Rechtsprechung des
                                                                  EuGH fort und stellt klar, dass die Vorgaben ebenfalls für
    Kernaussage                                                   Urlaubsansprüche gelten, die noch aus den Vorjahren be­
    Der EuGH hat in der jüngsten Vergangenheit entschieden,       stehen. Auch wenn die Entscheidung bislang (noch) ein
    dass Urlaubsansprüche nicht automatisch zum Jahres­           Einzelfall ist, ist das wirtschaftliche Risiko für Arbeitgeber
    ende verfallen, sondern nur wenn der Arbeitnehmer kon­        hoch. Für diese bedeutet das Urteil, jetzt schnellstmög­
    kret und rechtzeitig auf den drohenden Verfall hingewie­      lich aktiv zu werden. Klargestellt wurde nochmals, dass
    sen und ihm die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des           Urlaubsansprüche (nicht mehr) automatisch verfallen,
    Urlaubs durch den Arbeitgeber gegeben wurde. Hierüber         sondern der Arbeitnehmer ganz klar und rechtzeitig auf
    hatten wir bereits berichtet. Das Landesarbeitsgericht        seine bestehenden Ansprüche, die Inanspruchnahme und
    Köln hat nun mit Urteil vom 9.4.2019 entschieden, dass        den andernfalls drohenden Verfall durch den Arbeitgeber
    der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch konkret auf Rest­       nachweisbar hinzuweisen ist.
    urlaubsansprüche aus Vorjahren hinweisen und ihn auffor­
    dern muss, diesen Urlaub zu nehmen. Das gilt sogar dann,
    wenn der Arbeitnehmer auf den Urlaub verzichtet hat.
                                                                  GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat
    Sachverhalt
    Im konkreten Fall ging es um einen langjährig bei einer
    Apotheke beschäftigten Boten. Im Arbeitsvertrag war zwi­      Bundesfinanzhof veröffent­
    schen den Parteien vereinbart worden, dass die regel­
    mäßige Arbeitszeit zwar 30 Stunden/Woche beträgt und          licht Urteil zu nicht ortsfest
    der Arbeitnehmer auch für diese Stundenanzahl vergütet
    wird, aber der Bote auf seinen Wunsch nur jeweils 27,5        eingesetzten Berufsgruppen
    Stunden/Woche – gegen Verrechnung von Urlaub – arbei­
    ten muss. Entsprechend wurde dies auch mehrere Jahre          Seit Einführung der „ersten Tätigkeitsstätte“ ist in
    zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelebt. Als das         vielen Fällen unklar geblieben, ob überhaupt eine
    Arbeitsverhältnis Anfang 2017 endete, verlangte der Arbeit­   Tätigkeitsstätte vorliegt oder ein günstigerer Ansatz
    nehmer indes einen Ausgleich für Urlaubsansprüche aus         als Reisekosten möglich ist. Der Bundesfinanzhof
    den Jahren 2014 bis 2016. Der Arbeitgeber lehnte einen        hat jetzt anhand von fünf vorgelegten Fällen für
    solchen Ausgleich mit der Begründung ab, dass der Ur­         Klarheit gesorgt.
    laub bereits gewährt worden sei und der Bote auch keinen
    darüber hinausgehenden Urlaub verlangt habe. Hiergegen        Kernaussage
    klagte der Arbeitnehmer. In erster Instanz war er vor dem      Beruflich veranlasste Fahrtkosten von Arbeitnehmern sind
    Arbeitsgericht nicht erfolgreich; im Berufungsverfahren        grundsätzlich in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten
    aber gab das Landesarbeitsgericht Köln dem Kläger wei­         abziehbar. Die Wege zwischen der Wohnung und dem
    testgehend recht.                                             Arbeitsort werden allerdings durch die sogenannte Entfer­
                                                                   nungspauschale eingeschränkt. Diese beträgt unabhängig
    Entscheidung                                                   vom Verkehrsmittel 0,30 € je Entfernungskilometer. Da­
    Nach Ansicht der Richter waren die Urlaubsansprüche nicht      bei definiert das seit dem Jahr 2014 geltende neue Recht
    durch die vereinbarte Reduzierung der wöchentlichen Ar­        den Arbeitsort als „erste Tätigkeitsstätte“ im Gegensatz zur
    beitszeit erfüllt worden, da dies nicht als Erholungsurlaub   „regelmäßigen Arbeitsstätte“. Mit der Neuregelung sind

6   dhpg aktuell 09/19
Aktuell 09 19 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Konkrete Hinweispflicht
auch materielle Änderungen verbunden, denn die erste               hof weist zudem darauf hin, dass auch ein großflächiges
Tätigkeitsstätte wird anhand der arbeitsvertraglichen oder         und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet
dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber be­              (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flug­
stimmt, während es nach der Altregelung auf den qualita­           hafen) als großräumige erste Tätigkeitsstätte in Betracht
tiven Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers ankam.           kommt. Deswegen scheiterte auch die Luftsicherheitskon­
Liegt dagegen keine Tätigkeitsstätte vor, kann das durch           trollkraft mit ihrem Antrag. Licht im Schatten gibt es nur
Ansatz von Fahrtkosten für Auswärtstätigkeiten und Verpfle­        bei dem Leiharbeitnehmer: Denn erfolgt während der Be­
gungspauschalen zu einem günstigeren Ergebnis führen.              fristung eine Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte,
                                                                   stellt Letztere keine erste Tätigkeitsstätte mehr dar, wes­
Sachverhalt                                                        halb ab diesem Zeitpunkt wieder die Dienstreisegrundsät­
Der erste Streitfall betraf einen Polizisten, der arbeitstäglich   ze Anwendung finden. Bei dem Hafenarbeiter wurde der
zunächst seine Dienststelle aufsuchte und von dort seinen          Fall an das Finanzgericht zurückverwiesen, um prüfen zu
Einsatz- und Streifendienst antrat. Die Tätigkeiten in der         lassen, ob ortsfeste Einrichtungen des Arbeitgebers im Ha­
Dienststelle beschränkten sich im Wesentlichen auf die Vor-        fengelände vorliegen. Ist das der Fall, sieht es schlecht aus.
und Nachbereitung des Einsatz- und Streifendienstes. In
seiner Einkommensteuererklärung machte er Werbungs­
kosten entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Er             GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat
ging davon aus, dass keine erste Tätigkeitsstätte vorlag, da
er schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im
Außendienst tätig war. Das Finanzamt berücksichtigte le­           Facebooks „Gefällt mir“-
diglich die Entfernungspauschale und strich die Mehrauf­
wendungen für Verpflegung. Ähnlich erging es einer Pilotin         Button auf Webseiten nur
mit fester Heimatbasis, die Reisekosten erfolglos geltend
machte. Das Gleiche galt auch für eine Luftsicherheitskon­         noch nach Aufklärung und
trollkraft mit täglich wechselnden Einsatzorten auf dem
1.500 Hektar großen Flughafengelände. Zwei weitere Urtei­          Einwilligung
le betrafen befristete Arbeitsverhältnisse: Zum einen bekam
ein Leiharbeitnehmer während der Befristung eine Zuord­            Der „Gefällt mir“-Button von Facebook lässt sich
nung zu einer anderen Tätigkeitsstätte und beantragte ab           mittels Plug-in sehr einfach auf der eigenen Web­
diesem Zeitpunkt Reisekosten. Im anderen Fall sah ein so­          seiten integrieren. Dass dieser jedoch nicht ohne
genannter Gesamthafenarbeiter, der fast täglich ein neues          die Einwilligung des Nutzers angezeigt werden
Arbeitsverhältnis zu einem Hafeneinzelbetrieb begründete,          darf, zeigt ein aktuelles Urteil des Europäischen
seine Beschäftigung als Einsatzwechseltätigkeit. Lediglich         Gerichtshofs in einem Vorlageverfahren zum
der Leiharbeitnehmer bekam vor dem Finanzgericht recht,            Mode-Onlinehändler Peek & Cloppenburg.
aber hier ging die Finanzverwaltung in Revision.
                                                                   Kernaussage
Entscheidung                                                       Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 29.7.2019 ent­
Der Bundesfinanzhof hat die Einschränkung der Neurege­             schieden, dass das Einblenden des „Gefällt mir“-Buttons
lung als verfassungsgemäß angesehen und (fast) alle Fäl­           von Facebook auf Webseiten nur nach Aufklärung und Ein­
le negativ beschieden. Hiernach ist entscheidend, ob der           willigung der Nutzer rechtmäßig ist. Der EuGH verpflichtet
Arbeitnehmer durch arbeits- oder dienstrechtliche Festle­          die Webseitenbetreiber zur Aufklärung über die Funktions­
gungen sowie entsprechende Absprachen und Weisungen                weise (z.B. den Zweck) der Buttons und zur Information der
des Arbeitgebers dauerhaft einer ersten Tätigkeitsstätte zu­       Webseitenbesucher über die Datenerhebung. Anschlie­
geordnet ist. Ist dies der Fall, kommt es auf den qualitativen     ßend muss eine ausdrückliche Einwilligung der Nutzer ein­
Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht mehr             geholt werden. Damit entsteht eine Mitverantwortlichkeit
an. Es reicht aus, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten         der einzelnen Webseitenbetreiber neben Facebook.
Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkei­
ten zu erbringen hat. Das war bei dem Streifenpolizisten           Hintergrund
im Hinblick auf Schreibarbeiten und Dienstantrittsbespre­          Der EuGH befasste sich in einem Vorlageverfahren des
chungen der Fall. Fliegendes Personal, das von seinem              Oberlandesgerichts Düsseldorf mit dieser Frage aufgrund
Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft             einer Unterlassungsklage der Verbraucherzentrale Nord­
zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest              rhein-Westfalen gegen den Mode-Onlinehändler Fashion
in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die arbeitsver­           ID der Peek & Cloppenburg KG. Dieser hatte einen sol­
traglich geschuldet sind, hat dort seine erste Tätigkeitsstät­     chen „Gefällt mir“-Button von Facebook auf seiner Web­
te. Das tat die Pilotin mit der Flugvor- bzw. Flugnachberei­       seite verwendet. Sobald ein Nutzer die Webseite lädt, die
tung und somit war unerheblich, dass sie überwiegend im            die „Gefällt mir“-Buttons von Facebook verwendet, werden
internationalen Flugverkehr tätig war. Der Bundesfinanz­           seine IP-Adresse, die Webbrowserkennung sowie Datum

                                                                                                                                    7
Aktuell 09 19 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Konkrete Hinweispflicht
und Zeit des Aufrufs an Facebook übermittelt – auch ohne         entsteht die Mitverantwortlichkeit des Webseitenbetreibers.
    Anklicken des Buttons und ohne Facebook-Account. Eine            Für die anschließende Weiterverarbeitung ist jedoch allein
    solche Verarbeitung personenbezogener Daten benötigt             Facebook zuständig und mangels Mitentscheidungsspiel­
    zu ihrer Rechtmäßigkeit eine Rechtsgrundlage gemäß               raums des Webseitenbetreibers allein verantwortlich. Die­
    Art. 6 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).                      se Vorgaben sind auch auf andere ähnlich funktionierende
                                                                     Plug-ins anzuwenden.
    Entscheidung
    Der EuGH sieht eine Verarbeitung der Daten zum Zweck             Konsequenz
    der Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwort­          Aus Gründen des Datenschutzes sollten beim Einsatz von
    lichen gemäß diesem Artikel hier als nicht ausreichend an.       Plug-ins auf Webseiten diese Vorgaben beachtet werden,
    Folglich ist zur Verarbeitung eine Einwilligung notwendig.       auch wenn der bürokratische Aufwand für die Betreiber
    Außerdem muss die Informationspflicht gemäß Art. 13              dadurch steigt und das Einwilligungsprinzip die Webseiten­
    DSGVO eingehalten werden. Aufgrund dieser Daten­
    ­                                                                nutzung komplizierter und umständlicher macht. Bei Fra­
    erhebung und -übermittlung „im gemeinsamen wirtschaft­           gen zum rechtssicheren Einsatz von Plug-ins stehen wir
    lichen Interesse“ des Webseitenbetreibers und Facebooks          Ihnen gerne zur Seite.

    Praxistipp

    Wie prüfen Sie die Identität bei einer Anfrage zu
    personenbezogenen Daten?
    Anfragen von Betroffenen können auf allen erdenklichen Kommunikationswegen bei Ihnen eingehen. Nur selten wird
    es aber wohl dazu kommen, dass Ihnen die betroffene Person dabei persönlich gegenübersteht und Sie sich den Aus­
    weis zeigen lassen können. Egal, ob also postalisch, mittels elektronischer Kommunikation oder per Telefon: Sie sollten
    sich vor Auskunftserteilung sicher sein, dass Sie diese tatsächlich dem Betroffenen selbst zukommen lassen und es
    nicht zu einer Verwechslung bei Namensidentität mit einem anderen Kunden kommt.

    Zusätzliche Informationen erfragen oder abgleichen               Nutzung des Dienstes De-Mail oder die Verwendung der
    Eine Möglichkeit, die Identität sicherzustellen, ist es, die     Online-Ausweisfunktion des Personalausweises, kann auf
    für die Anfrage genutzte E-Mail-Adresse oder Telefon­            die Richtigkeit des übermittelten Namens geschlossen
    nummer mit den bekannten Daten abzugleichen. Nicht               werden. Diese Verfahren werden zum einen jedoch noch
    immer sind diese jedoch mit den Bestandsdaten iden­              nicht von vielen genutzt und es bleiben auch Restrisiken,
    tisch. In diesem Fall können weitere Informationen, etwa         wie Verwechslungen durch Namensidentität.
    Geburtstag oder Wohnort, abgefragt werden. Eine ab­
    schließende Sicherheit stellen diese zusätzlichen Infor­         Kopie des Ausweises/Passes
    mationen zwar nicht dar, aber im Regelfall eine verhält­         Eine relativ einfache Möglichkeit, die Identität zu über­
    nismäßige Identifikationsmaßnahme.                               prüfen, ist die Anforderung einer Ausweiskopie. Dabei
                                                                     ist jedoch zu beachten, dass Sie den Betroffenen darauf
    Identifizierung über das Nutzerkonto                             hinweisen, dass er alle Angaben außer dem Namen, der
    Nicht immer hat der Betroffene ein Nutzerkonto bei dem           Anschrift, dem Geburtsdatum und dem Gültigkeitsdatum
    Unternehmen, an das er sein Auskunftsersuchen richtet.           schwärzen darf. Zudem dürfen Sie die Ausweiskopie nur
    Ist dies jedoch der Fall, genügt es für eine sichere Identifi­   zur Identifizierung verarbeiten und müssen Sie im An­
    zierung, dass der Betroffene sein Ersuchen über dieses an        schluss sofort löschen.
    Sie richtet oder Sie sich dieses im Nutzerkonto bestätigen
    lassen.                                                          Unser Tipp
                                                                     Die Wahl der Identifikationsmethode sollten Sie davon
    Video- oder Post-Ident-Verfahren                                 abhängig machen, wie hoch die Gefahr ist, dass die Da­
    Aufwendiger für den Betroffenen und mit zusätzlichen             ten in die falschen Hände geraten. Kriterien sollten hier
    Kosten für das Unternehmen verbunden sind die Iden­              insbesondere die Größe des Datenbestands und die Art
    tifikationsverfahren über die Post oder Anbieter von             der Datenkategorien sein. Je größer die Datenmenge und
    ­Video-Ident-Verfahren. Sie bieten jedoch auch eine hohe         je sensibler die Daten, desto sicherer sollte die gewählte
     Sicherheit.                                                     Identifikationsmethode sein.

    Qualifizierte elektronische Signaturen
    Bei einem Auskunftsersuchen, das mit einer qualifizier­
    ten elektronischen Signatur versehen ist, etwa durch

8   dhpg aktuell 09/19
Aktuell 09 19 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Konkrete Hinweispflicht
News für Ihr Geschäft                                       Sinne von § 34 Abs. 1 EStG zu qualifizieren sind, und gab
                                                             damit dem Kläger recht. Nach Ansicht der Richter kann
                                                             die Nach­zahlung einer Über­stunden­vergütung steuerlich
GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat                   nicht anders behandelt werden als eine Lohn­nachzahlung
                                                            für die reguläre Arbeitsleistung, denn auch mit einer Über­
                                                            stundenvergütung werden Arbeits­leistungen (Tätigkeiten)
Ermäßigte Besteuerung von                                    des Arbeitnehmers entlohnt. Die Voraussetzung der Mehr­
                                                             jährigkeit sah das Gericht vorliegend ebenfalls als erfüllt
Überstundenvergütungen                                      an, denn mit der Vergütung der Überstunden für die Jahre
                                                            2013 bis 2015 erstreckte sich der Zeitraum über mehr als
für mehrere Jahre                                           einen Veranlagungszeitraum und umfasste zugleich mehr
                                                            als zwölf Monate. Zudem sei dem Kläger die Vergütung
Das Finanzgericht Münster hatte zu klären, ob               – wie vom Gesetzgeber gefordert – „zusammengeballt“
Auszahlungen von über mehrere Jahre angesam­                zugeflossen, da die Überstunden im Jahr 2016 in einer
melten Überstunden eines Arbeitnehmers Vergü­               Summe ausgezahlt wurden. Und schließlich lag hierfür
                                                            ­
tungen im Sinne der Fünftelregelung sind.                   auch ein wirtschaftlich vernünftiger Grund vor, denn die
                                                            zusammen­    geballte Entlohnung erfolgte aufgrund eines
Kernaussage                                                 einvernehmlich geschlossenen Aufhebungsvertrags.
Einkünfte, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren
erwirtschaftet, aber nur in einem Jahr realisiert werden,   Konsequenz
unterliegen als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34       Mit seinem Urteil hat das Finanzgericht Münster der an­
EStG einer ermäßigten Besteuerung durch die sogenannte      derslautenden Sichtweise des Finanzgerichts Hamburg
Fünftelregelung. Ohne eine solche Begünstigung würden       aus dem Jahr 2002 widersprochen. Auf dessen Urteils­
diese Einkünfte andernfalls durch die Steuerprogression     begründung hatte sich nämlich das Finanzamt in seiner
überdurchschnittlich hoch besteuert. Zu den außerordent­    Einspruchsbegründung gestützt. Vor dem Hintergrund der
lichen Einkünften gehören beispielsweise Abfindungen,       uneinheitlichen Finanzgerichtsrechtsprechung und der
Gewinne aus Betriebsveräußerungen oder Vergütungen,         höchstrichterlich bislang unbeantworteten Frage der Ta­
die für mehrjährige Tätigkeiten gezahlt werden. Letztere    rifbegünstigung von Zahlungen für Überstunden hat das
waren Gegenstand in einem aktuell vor dem Finanzgericht     Finanzgericht Münster die Revision beim Bundesfinanzhof
Münster entschiedenen Fall. Es ging um die Frage, ob Aus­   zugelassen. In vergleichbaren Fällen sollten Steuerpflichti­
zahlungen von Überstunden eines Arbeitnehmers Vergü­        ge daher unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts
tungen im Sinne dieser Vorschrift sind.                     Münster bzw. bei Anhängigkeit des Verfahrens beim Bun­
                                                            desfinanzhof unter dem entsprechenden Aktenzeichen
Sachverhalt                                                 das Ruhen des Verfahrens gemäß § 363 Abs. 2 Abgaben­
Der Kläger war als Arbeitnehmer beschäftigt und leistete    ordnung (AO) beantragen.
in den Jahren 2013 bis 2015 mehr als 300 Überstunden.
2015 erkrankte er schwer. Als abzusehen war, dass der
Kläger infolge seiner Erkrankung nicht mehr an seinen al­
ten Arbeitsplatz zurückkehren konnte, schloss er 2016 mit
seinem Arbeitgeber einvernehmlich einen Aufhebungsver­
trag. Der Aufhebungsvertrag sah unter anderem vor, dass
dem Kläger die erbrachten und noch nicht ausgezahlten
Überstunden mit einem Betrag von 6.000 Euro vergütet
werden sollten. Daneben erhielt der Kläger im Jahr 2016
noch eine Vergütung für die noch nicht genommenen
Urlaubstage und bezog eine Rente sowie krankheitsbe­
dingte Lohn­ersatzleistungen. In seiner Einkommensteuer­
erklärung beanspruchte er hinsichtlich der Überstunden­
vergütungen die Anwendung des ermäßigten Steuer­satzes
für außerordentliche Einkünfte nach der sogenannten
Fünftelregelung. Das Finanzamt lehnte dies ab mit der Be­
gründung: Die Auszahlung von Überstundenvergütungen
sei eine Erschwerniszulage und damit Teil des laufenden
Arbeitslohns, für den es keine steuerliche Begünstigung
geben kann. Dass die Überstunden in einem Einmalbetrag
ausgezahlt werden, sei insoweit unbeachtlich.

Entscheidung
Das Finanzgericht Münster kam zu dem Ergebnis, dass die
ausgezahlten Überstundenvergütungen als steuerlich be­
günstigte Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit im

                                                                                                                           9
Aktuell 09 19 - Neues aus Wirtschaft, Steuern und Recht - Konkrete Hinweispflicht
GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat                     GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen, Privat

     Immer Probleme mit dem                                        Gesetzentwurf zur
     Fahrtenbuch                                                   Rückführung des
     Obwohl das Fahrtenbuch häufig günstigere Werte                Solidaritätszuschlags
     liefert, wird es selten genutzt, da vielen der Auf­
     wand zu hoch ist. Mancher glaubt, mit elektroni­              Fast 30 Jahre nach dem Fall der Mauer nimmt die
     schen Fahrtenbüchern nun die Lösung gefunden                  Abschaffung des Solidaritätszuschlags konkrete
     zu haben, doch so einfach ist dies nicht.                     Formen an: allerdings erst ab dem Jahr 2021 – und
                                                                   auch nicht für alle Steuerzahler. Bezieher höherer
     Fall                                                          Einkommen und Kapitalgesellschaften sollen auch
     Strittig war die Zulässigkeit eines elektronischen Fahrten­   künftig den vollen Zuschlag zahlen müssen.
     buchs. Der Kläger hatte ein „elektronisches Fahrtenbuch“
     erworben. Dieses wurde nicht eingebaut, sondern (ver­         Schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags
     einfacht) mittels Stecker mit dem Fahrzeug verbunden.         Nachdem sich die Regierungsparteien bereits im Koali­
     Mithilfe eines GPS-Empfängers wurden die Bewegungs­           tionsvertrag auf einen schrittweisen Abbau des seit 1995
     daten aufgezeichnet. Der Zweck einer Fahrt ist vom An­        erhobenen Solidaritätszuschlags verständigt hatten, liegt
     wender anzugeben und so lange veränderbar, bis der An­        nun ein erster Gesetzentwurf hierzu vor. Trotz langwieri­
     wender eine Periode im Programm „abschließt“. Hierzu          ger politischer Diskussionen bleibt es danach zunächst bei
     muss er den tatsächlichen Kilometerstand eingeben, der        einer nur teilweisen Abschaffung des Solidaritätszuschlags
     mit den vom Programm ermittelten Werten abgeglichen           für geringe und mittlere Einkommen. Der Personenkreis,
     wird. Gründe für Abweichungen können der Ausfall des          der von der Abschaffung profitiert, soll aber größer aus­
     GPS-Senders, das Abschalten des Gerätes oder Ähnliches        fallen als bislang angenommen. Die Rückführung des Soli
     sein. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bean­            soll ab dem Veranlagungszeitraum 2021 gelten.
     standete das Finanzamt die Aufzeichnungen. So wich der
     Kilometerstand von den Angaben in Werkstattrechnungen         Vollständige Entlastung für rund 90 % der
     um circa 10.000 km ab, die Fahrten wurden lediglich num­      Soli-Zahler
     meriert, statt den Zweck anzugeben, und im Anschluss          Der Gesetzentwurf sieht eine Anhebung der Freigrenzen
     an einen Fahrzeugwechsel führte das Programm den              vor, bis zu denen kein Solidaritätszuschlag erhoben wird.
     Kilometer­stand des Altfahrzeugs weiter, statt mit null zu    Dies führt dazu, dass Ledige bis zu einem Jahreseinkom­
     beginnen. Das Finanzamt verwarf daher das Fahrtenbuch,        men von circa 61.200 € keinen Solidaritätszuschlag mehr
     was in den Streitjahren zu Nachzahlungen zwischen 3.000       zahlen müssen. Bei Verheirateten liegt die Grenze bei circa
     und 7.000 € führte. Hiermit war der Kläger nicht einver­      122.500 €. Eine „Milderungszone“ im Anschluss an die Frei­
     standen.                                                      grenze vermeidet einen Belastungssprung und stellt einen
                                                                   kontinuierlichen Anstieg der Gesamtbelastung durch Ein­
     Entscheidung                                                  kommensteuer und Solidaritätszuschlag sicher. Hierdurch
     Das Niedersächsische Finanzgericht verwirft das Fahrten­      sollen in etwa weitere 6,5 % der Soli-Zahler zumindest
     buch ebenfalls. Entscheidend hierfür war, dass der Kläger     teilweise vom Solidaritätszuschlag entlastet werden. Ab
     das Fahrtenbuch nicht zeitnah geführt hatte. Denn hierzu      einem Jahreseinkommen von rund 96.000 € für Ledige
     hätte der Kläger auch die Angaben zum Zweck der Fahrten       sowie etwa 192.000 € für Verheiratete wird – wie bisher –
     zeitnah ergänzen müssen, die Aufzeichnungen des Pro­          der volle Solidaritätszuschlag fällig.
     gramms alleine reichten nicht aus. Auch der notwendige
     zeitnahe Abgleich der Kilometerstände unterblieb, woraus      Auswirkung auf Unternehmenssteuern
     sich die hohen Abweichungen erklärten.                        Die Freigrenzen gelten gleichermaßen für Unternehmen,
                                                                   deren Einkommen bei den Inhabern oder Gesellschaftern
     Konsequenz                                                    der Einkommensteuer unterliegt (Einzelunternehmen, Per­
     Elektronische Fahrtenbücher mögen eine Hilfe im Hinblick      sonengesellschaften wie GbR, oHG, KG, GmbH & Co. KG).
     auf die Ermittlung der privaten Kfz-Nutzung sein. Jedoch      Im Ergebnis werden somit bereits kleine mittelständische
     gilt es, Folgendes zu beachten: Nicht alles, was sich elek­   Unternehmen nicht vom Solidaritätszuschlag entlastet.
     tronisches Fahrtenbuch nennt, erfüllt auch die Anforde­       Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) werden – unabhängig
     rungen der Finanzverwaltung. Wer ein zulässiges Fahr­         von der Höhe des Einkommens – nicht von der Rückfüh­
     tenbuch nutzt, sollte die Nutzung auch beherrschen und        rung des Solidaritätszuschlags erfasst. Sie zahlen weiterhin
     in Zeitabständen die Qualität der Aufzeichnungen prüfen.      den vollen Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuer.
     Die Aufzeichnungen müssen unveränderlich sein und alle
     notwendigen Angaben zeitnah erfolgen, die zeitnahe Auf­       Erste Einordnung
     zeichnung der Bewegungsdaten alleine reicht hierfür nicht     Mit der (teilweisen) Abschaffung des Solidaritätszuschlags
     aus.                                                          löst die Politik ein Versprechen ein. Die Abschaffung war
                                                                   und ist unabhängig davon verfassungsrechtlich geboten,

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da es sich nach wie vor um einen zeitlich begrenzt einge­       Entscheidung
führten Steuerzuschlag handelt. Vor diesem Hintergrund          Das Finanzgericht Köln ist überzeugt, dass die Klägerin
erscheint auch die lediglich teilweise Abschaffung für          zumindest von dem Betrug wusste bzw. ihn gegebe­
nur einen Teil der Steuerzahler verfassungsrechtlich frag­       nenfalls sogar bewusst gefördert hat. Auch kommt es zu
würdig. Es wäre ehrlicher und aus verfassungsrechtlicher         dem Ergebnis, dass die Abnehmer eine nach türkischem
Sicht auch weniger bedenklich gewesen, den Solidaritäts­        Recht strafbare Steuerhinterziehung vorgenommen ha­
zuschlag vollständig abzuschaffen und stattdessen den            ben. Ebenso folgt das Finanzgericht der Auffassung des
Spitzensteuersatz anzuheben. So ist es nur eine Frage der       ­Finanzamts, dass die Missbrauchsrechtsprechung des
Zeit, bis die ersten Klagen der „verbleibenden Soli-Zahler“      EuGH auch auf Ausfuhren anzuwenden ist, sodass es bei
anhängig werden.                                                 der Versagung der Steuerfreiheit bleibt.

                                                                Konsequenz
                                                                Das Urteil erweitert die Missbrauchsrechtsprechung des
GmbH-Geschäftsführer, Unternehmen                               EuGH auf Ausfuhren, sodass auch die wissentliche Un­
                                                                terstützung von Steuerumgehungen in Drittländern die
                                                                Steuerfreiheit tatsächlich erfolgter Ausfuhren gefährdet.
Steuerbetrug durch                                              Allerdings hat das Finanzgericht die Revision beim Bundes­
                                                                finanzhof zugelassen, um zu klären, ob dies zutreffend ist.
Erwerber gefährdet die
Steuerfreiheit von Exporten
                                                                GmbH-Geschäftsführer, Privat
Basierend auf einem Urteil des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH) zur Versagung von Steuer­
freiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen bei                Keine persönliche Haftung
wissentlicher Teilnahme an einem Steuerbetrug,
geht das Finanzgericht Köln einen Schritt weiter.               des Geschäftsführers
Hintergrund                                                     gegenüber Dritten bei „Griff
Um Umsatzsteuerbetrug zu verhindern, enthält das Um­
satzsteuergesetz (UStG) Regelungen, die die wissentliche        in die Kasse der GmbH“
Teilnahme an einem Betrug sanktionieren, auch wenn der
betroffene Unternehmer direkt keinen Vorteil hiervon hat.       Grundsätzlich haftet der Geschäftsführer einer
Die Rechtsprechung des EuGH geht in die gleiche Rich­           GmbH gegenüber Gesellschaftsgläubigern nicht
tung, was in entsprechenden Fällen die Versagung der            persönlich wegen eines zur Insolvenz der GmbH
Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen bzw.         führenden „Griffs in die Kasse“.
des hiermit verbundenen Vorsteuerabzugs zur Folge hat.
Das Finanzgericht Köln geht noch einen Schritt weiter.          Kernaussage
                                                                 Ein GmbH-Geschäftsführer ist allein der GmbH gegen­
Fall                                                             über verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese recht­
Die Klägerin hatte 2013 19 Kfz in die Türkei geliefert. Die      mäßig agiert und ihren gesetzlichen Verpflichtungen
 türkischen Behörden vermuteten, dass die Klägerin zusam­        nachkommt. Außenstehende Dritte können aus diesem
 men mit weiteren deutschen Firmen von 2007 bis 2012             Innenverhältnis keine Ansprüche herleiten. Demzufolge
Kfz im Gesamtwert von circa 100 Millionen Euro steuerfrei        kann ein ­GmbH-Geschäftsführer auch nur dann persön­
 in die Türkei geliefert hatte, wobei der Verdacht bestand,      lich auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger
 dass die zugehörigen Rechnungen unterfakturiert worden         ­Schädigung eines Gläubigers der GmbH in Anspruch ge­
 waren, um Verbrauchs- bzw. Umsatzsteuer in der Türkei           nommen werden, wenn er gerade in Bezug auf die Schä­
zu umgehen. Eine bei der Klägerin durchgeführte Prüfung          den des Anspruchstellers sittenwidrig gehandelt hat.
 bestätigte die Vermutung. Demnach hatte sie von 2008
 bis 2013 circa 1.100 Kfz mit inhaltlich falschen Rechnun­      Sachverhalt
 gen in die Türkei verkauft, was zu einem Schaden in Höhe       Der Beklagte war Geschäftsführer einer GmbH. Die Klä­
von 40 Millionen Euro in der Türkei führte. Obwohl das          gerin, eine Mühle, belieferte die GmbH mit Weizen, den
­Finanzamt überzeugt war, dass die Lieferungen in die Tür­      diese wiederum weiterverkaufte und die Erlöse auf ihrem
 kei erfolgt waren, versagte es die Steuerbefreiung für die     Konto vereinnahmte. Gleichzeitig bezog die Klägerin ihrer­
Ausfuhren. Es begründete dies mit der Missbrauchsrecht­         seits Sachgüter von der GmbH. Zwischen den Parteien be­
 sprechung des EuGH, die nicht nur für die Unterstützung        stand eine Kontokorrentabrede, nach der die Auszahlung
von Steuerbetrug in der Europäischen Union, sondern auch        des Differenzbetrags von der GmbH an die Klägerin jeweils
 in Drittländern gelte. Hiergegen wandte sich die Klägerin,     im Folgejahr erfolgen sollte. Eine Zahlung unterblieb je­
 da sie ordentliche Ausfuhranmeldungen abgegeben, den           doch und der Beklagte stellte einen Insolvenzantrag für die
 tatsächlich vereinnahmten Kaufpreis auch besteuert habe        GmbH, der mangels Masse abgewiesen wurde. Grund für
 und der Betrug in der Türkei lediglich behauptet worden sei.   die Zahlungsunfähigkeit der GmbH war eine eigenmäch­

                                                                                                                              11
tige Entnahme des Beklagten in Höhe von 100.000 € aus          GmbH-Geschäftsführer
     deren Vermögen. Die Klägerin meinte, der Beklagte sei ihr
     persönlich wegen Insolvenzverschleppung, Betrugs und
     der Verletzung von Geschäftsführerpflichten zu Scha­           Abfärbewirkung bei
     densersatz verpflichtet. Sie unterlag; der Bundesgerichts­
     hof verwies die Sache an die Unterinstanz zur erneuten         Beteiligungseinkünften
     Entscheidung zurück.
                                                                    gilt nicht für die
     Entscheidung
     Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Ge­          Gewerbesteuer
     schäftsführer persönlich wegen vorsätzlicher sittenwidri­
     ger Schädigung setzt voraus, dass er mit der gegen die         Eine nicht gewerblich tätige Personengesellschaft
     guten Sitten verstoßenden Handlung gerade denjenigen           kann gleichwohl gewerbliche Einkünfte erzielen,
     schädigt, der den Anspruch geltend macht. Die Pflicht des      wenn sie an einer anderen Mitunternehmerschaft
     Geschäftsführers, auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten    beteiligt ist. Für diese Abfärbung gibt es keine Ba­
     durch die GmbH zu achten, besteht nur im Innenverhält­         gatellgrenze, wie jetzt der Bundesfinanzhof ent­
     nis der GmbH gegenüber und nicht im Außenverhältnis zu         schieden hat.
     Dritten. Aus vertraglichen Beziehungen werden ebenfalls
     nur die Vertragspartner verpflichtet, nicht Dritte. Auch der   Hintergrund
     Geschäftsführer einer GmbH ist im Verhältnis zu den ver­       Eine Personengesellschaft erzielt nicht nur gewerbliche
     traglichen Beziehungen der von ihm vertretenen GmbH            Einkünfte, wenn sie selbst einen Gewerbebetrieb unter­
     lediglich Dritter und aus den für sie geschlossenen Verträ­    hält. Gewerbliche Einkünfte liegen auch – und zwar in
     gen insoweit nicht persönlich verpflichtet. Da die GmbH        vollem Umfang – vor, wenn sie neben einer vermögens­
     die Gelder der Klägerin auch nicht treuhänderisch ver­         verwaltenden oder freiberuflichen Tätigkeit auch eine
     wahrt hatte, bestand keine strafrechtlich relevante Verlet­    gewerbliche Tätigkeit ausübt oder wenn sie sich an einer
     zung von Vermögensbetreuungspflichten.                         anderen gewerblichen Personengesellschaft beteiligt. Die
                                                                    Gewerblichkeit färbt dann insgesamt auf die Einkünfte der
     Konsequenz                                                     Personengesellschaft ab, weshalb in diesem Zusammen­
     Das Urteil knüpft an die bisherige Rechtsprechung an, dass     hang auch von der Abfärbetheorie gesprochen wird. In
     gegenüber einer GmbH grundsätzlich nur ein Anspruch            der Folge unterliegen die Einkünfte der Personengesell­
     hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens durchgesetzt           schaft auch der Gewerbesteuer. Der Bundesfinanzhof hat
     werden kann. Es existiert keine gesellschaftsrechtliche An­    in der Vergangenheit bereits entschieden, dass durch die
     spruchsgrundlage für Dritte gegen den Geschäftsführer.         Personengesellschaft selbst erzielte Einkünfte aus Gewer­
     Gläubigern einer GmbH steht bei einer Pflichtverletzung        bebetrieb bei einer im Übrigen nicht gewerblich tätigen
     des Geschäftsführers der Weg über die Pfändung von For­        Personengesellschaft bis zu einem Betrag von 24.500 €
     derungen der GmbH gegen ihren Geschäftsführer offen.           und 3 % des Gesamtnettoumsatzerlöses (Bagatellgrenze)
                                                                    nicht zu einer Abfärbung bzw. Umqualifizierung der Ein­
                                                                    künfte führen. Nun stand die Frage im Raum, ob die Baga­
                                                                    tellgrenze auch für die Abfärbung aufgrund gewerblicher
                                                                    Beteiligungseinkünfte gilt. Am 6.6.2019 nahm der Bundes­
                                                                    finanzhof hierzu Stellung.

                                                                    Entscheidung
                                                                    Der Bundesfinanzhof entschied, dass gewerbliche Betei­
                                                                    ligungseinkünfte unabhängig von ihrem Umfang einkom­
                                                                    mensteuerrechtlich immer zur Umqualifizierung der nicht
                                                                    gewerblichen Einkünfte führen. Dies begründet der Bun­
                                                                    desfinanzhof unter anderem damit, dass die Umqualifizie­
                                                                    rung für den Steuerpflichtigen auch zu steuerlichen Vortei­
                                                                    len führen kann. Dies ist etwa bei einer Rücklagenbildung
                                                                    oder einer Verlustberücksichtigung der Fall. Besonderhei­
                                                                    ten ergeben sich jedoch im Hinblick auf die Gewerbesteu­
                                                                    er. Der Bundesfinanzhof entschied, dass eine Abfärbung
                                                                    nur dann verfassungsmäßig ist, wenn die Einkünfte nicht
                                                                    gewerbesteuerbar sind. Damit soll eine Gleichstellung von
                                                                    Personengesellschaften und Einzelunternehmen erreicht
                                                                    werden. Der Bundesfinanzhof begründet seine Entschei­
                                                                    dung damit, dass – anders als bei der gewerblichen Ab­
                                                                    färbung aufgrund originär gewerblicher Tätigkeit – der
                                                                    Schutz des Gewerbesteueraufkommens keinen legitimen
                                                                    Gesetzeszweck darstellt. Dies ergibt sich daraus, dass bei

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der Ermittlung des Gewerbeertrags der Obergesellschaft            Gericht und meinte, die aufschiebende Bedingung sei auf­
die Anteile am Gewinn einer in- oder ausländischen Perso­         grund arglistiger Täuschung der Anteilskäuferin nicht ein­
nengesellschaft gekürzt werden. Im Ergebnis findet somit          getreten. Sie forderte die GmbH auf, eine Gesellschafterlis­
keine Abfärbung für Zwecke der Gewerbesteuer statt (ein­          te einzureichen, nach der sie selbst nach wie vor Inhaberin
geschränkte Abfärbewirkung).                                      des Geschäftsanteils sei. Nach Vorlage einer korrekten
                                                                  Bürgschaftserklärung wurde der Rechtsstreit übereinstim­
Konsequenz                                                        mend für erledigt erklärt. Das Landgericht erlegte die Kos­
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs beschränkt die              ten der Klägerin auf, mit der Begründung, die Klage hätte
Abfärbewirkung auf die Einkommensteuer. Eine zusätz­liche         nicht gegen die GmbH erhoben werden dürfen. Dagegen
Belastung mit Gewerbesteuer lässt sich daher in diesen            wandte sich die Klägerin mit teilweisem Erfolg.
Fällen vermeiden. Allerdings bringt die einkommensteu­
errechtliche Gewerblichkeit im Bereich der Vermögens­             Entscheidung
verwaltung auch Nachteile mit sich – etwa bleiben Immo­           Die Kosten des Rechtsstreits waren nach billigem Ermes­
bilien steuerverhaftet und können auch nach zehnjähriger          sen gegeneinander aufzuheben, denn es war richtig, die
Haltedauer nicht steuerfrei veräußert werden. Aus diesem          auf Korrektur der Gesellschafterliste gerichtete Klage ge­
Grund ist die Abfärbewirkung aufgrund von Beteiligungs­           gen die GmbH zu erheben. Gesetzlich festgelegt ist, dass
einkünften bei vermögensverwaltenden Personengesell­              der Geschäftsführer zur Einreichung der Gesellschafterlis­
schaften weiterhin im Auge zu behalten. Nach wie vor              te verpflichtet ist. Diese Pflicht ergibt sich auch aus seiner
sollten gewerbliche Beteiligungen daher im Zweifel über           Eigenschaft als Organ der Gesellschaft. Ebenso folgt der
eine Schwesterpersonengesellschaft gehalten werden.               Anspruch auf die Listenkorrektur letztlich aus dem mit­
                                                                  gliedschaftlichen Verhältnis, das allein zwischen dem Ge­
                                                                  sellschafter und der Gesellschaft und gerade nicht unmit­
                                                                  telbar zum Geschäftsführer besteht. Ein solcher Anspruch
GmbH-Geschäftsführer                                              auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafter­        liste
                                                                  besteht auch dann, wenn der tatsächlich eingetragene
                                                                  Scheingesellschafter der Einreichung einer korrigierten
Was tun bei falscher                                              Gesellschafterliste widerspricht.

GmbH-Gesellschafterliste?                                         Konsequenz
                                                                  Für den Erfolg der Klage wäre es hier darauf angekommen,
 Einem zu Unrecht nicht in der Gesellschafterliste                ob die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung Inhaberin
„seiner“ GmbH eingetragenen Gesellschafter steht                  des streitgegenständlichen Geschäftsanteils war. Dies hing
 ein Korrekturanspruch zu.                                        wiederum davon ab, ob die Klägerin ihre auf die Abtretung
                                                                  des Geschäftsanteils gerichtete Willenserklärung wegen
Kernaussage                                                       der behaupteten arglistigen Täuschung durch die Käuferin
Wer fälschlicherweise nicht als Gesellschafter in der Ge­         wirksam angefochten hat. Die von der Klägerin benannten
sellschafterliste eingetragen ist, hat einen Anspruch ge­         Zeugen konnten aufgrund der übereinstimmenden Erledi­
gen die GmbH auf Einreichung einer korrigierten Liste             gungserklärung der Parteien indes nicht mehr vernommen
und zwar auch dann, wenn der tatsächlich eingetragene             werden. Daher entsprach es billigem Ermessen, die Kosten
Scheingesellschafter der Korrektur widerspricht. Allerdings       des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.
muss der „richtige“ Gesellschafter die Rechtslage zunächst
in einem Rechtsstreit mit dem eingetragenen Listengesell­
schafter klären.

Sachverhalt
Ursprünglich war die Klägerin alleinige Gesellschafterin
der beklagten GmbH. Sie trat ihren Geschäftsanteil per no­
tarieller Beurkundung an eine Käuferin ab. Die Abtretung
erfolgte unter der aufschiebenden Bedingung, dass die
Käuferin eine vorformulierte Bürgschaftserklärung einer
Bank an die Klägerin zu übergeben hatte. In der Erklärung
fehlte jedoch der Passus „unter Verzicht auf Einreden“, was
zunächst nicht auffiel. Da die GmbH bei Beurkundung der
Abtretung noch nicht im Handelsregister eingetragen war,
gingen die Vertragsparteien von der Unwirksamkeit der
Abtretung aus und nahmen sie erneut vor. Die aufschie­
bende Bedingung wurde bei der Wiederholung nicht mehr
erwähnt. Der ­Notar reichte daraufhin eine Gesellschafter­
liste beim Handels­register ein, die die Käuferin als alleinige
Gesellschafterin der GmbH auswies. Als die Abweichung
in der Bürgschaftserklärung auffiel, zog die Klägerin vor

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