Deutsche Akademie auf Mallorca - Akademie an Bord & Deutsche Akademie auf Mallorca

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Prof. Dr. Erwin Leibfried                   Akademie an Bord & Deutsche Akademie auf Mallorca                                1

                                             Akademie an Bord                                        &
                              Deutsche Akademie auf Mallorca

                                   litblockín Verlag & www.komet-goethe.de

                               Kulturwissenschaften und das wahre Leben

                Deutsche Akademie auf Mallorca
                                       Die Stufe des Wissens aber ist die höchste Stufe.

                                                                Arabisches Sprichwort

Warum eine Akademie auf Mallorca?                                  Ziel des Projekts:

· weil auf Mallorca viele tausende Deutschsprechende               Erkundung der Akzeptanz geisteswissenschaftlicher
(nicht nur Deutsche) dauernd leben. Für sie gibt es zwar ein       Fachinhalte in der Lebenswelt des 20. Jahrhunderts [Oder
großes kulturelles Angebot, besonders Musik im Sommer.             Beantwortung der Frage: Kann man vom Verkauf Goethes
Es gibt aber bislang kein deutschsprachiges, verbales Kul-         und Schillers leben?]
turprogramm.
                                                                   Dieser Bericht umfaßt nicht alle Veranstaltungen, die tat-
· weil der Mensch vom Brot allein nicht lebt. Es gibt Be-          sächlich durchgeführt wurden, z. B. einen Kurs Kreatives
dürfnisse, die mit dem Begriff Kultur erinnert und nicht           Schreiben, ein Seminar Psychologie und ein workshop
bloß durch Zivilisation (immer mehr Technik) befriedigt            reden und sprechen von Bernd Holling, Folkwang Schule
werden.                                                            Essen. Ebenso sind nicht aufgeführt die Exkursionen unter
                                                                   der Leitung von Herrn Dipl-Ing. Walter Ulitzsch.
Es werden Vorträge, Seminare, workshops mit aktiver Be-
teiligung der Teilnehmer durchgeführt. Innerhalb der Aka-
demie wird etwa im Umfang der geisteswissenschaftlichen
Fakultäten einer Universität ein Programm angeboten (also
z. B. Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Geographie,          Warum?
Philosophie, Psychologie; aber auch allgemeinverständliche
Veranstaltungen von Experten über Physik, Chemie etc.).            · weil auf Mallorca viele Deutschsprechende (nicht nur
Auf Dauer wird die Themengestaltung in Absprache mit               Deutsche) leben. Für sie gibt es zwar ein großes kulturelles
den Akademie - Hörern stattfinden.                                 Angebot, besonders Musik im Sommer. Es gibt aber bis-
                                                                   lang kein deutschsprachiges, verbales Kulturprogramm.
 C. Oriente, 135
 E-07620 Llucmajor, ;                                              · Die Akademie auf Mallorca ist zunächst als Idee bei
 Telefon 12 01 06                                                  Univ.-Professor Dr. Erwin Leibfried entstanden. Hinter-
 Konto-Nr. 010123.011.6, Banca March, Llucmajor                    grund bei ihm war die Sorge um die berufliche Perspektive
                                                                   von Studierenden der Geisteswissenschaften. Es ist be-
 Blumenstr. 26                                                     kannt, daß z. B. auch das Lehrerstudierende nicht mehr mit
 D-35463 Fernwald                                                  einer Einstellung rechnen kann. im Blick auf die zuneh-
 Telefon und Telefax (0 64 04) 95 07 41                            mende Freizeit und die damit entstehende Aufgabe, diese
                                                                   freie Zeit sinnvoll, menschlich zu verbringen, entstand die-

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Prof. Dr. Erwin Leibfried                   Akademie an Bord & Deutsche Akademie auf Mallorca                              2

se Meinung: dort, wo jetzt schon besonders viele Deutsche        Interesse besteht. denn man möchte dort die Gäste näher
quasi in Muße ihre Zeit verbringen, mit einem breiten Bil-       kennenlernen.)
dungsangebot zu beginnen. Damit sollte überhaupt einmal
abgeprüft werden, inwieweit die alten europäischen Bil-          · Für die Gründungsphase wird ein Fond eingerichtet, in
dungsinhalte: Philosophie, Literatur, Theologie, Homer,          den jeder Interessierte spenden kann in Form des in den
Sophokles, Dante, Shakespeare, Goethe etc. etc noch eine         angelsächsischen Ländern so verbreiteten Sponsoring, zu-
Chance haben.                                                    gleich wird ein Förderverein gegründet; die Mitglieder
                                                                 finanzieren mit ihren Beiträgen die Veranstaltungen.
· Denn eines war gewiß: daß wir das dort bewußt Gemachte
immer präsent brauchen, wenn wir als Menschen leben              · Schon jetzt leben ständig Tausende Deutschsprechende
wollen.                                                          auf der Insel. Die Zahl der Langzeiturlauber, die weithin im
                                                                 Winterhalbjahr für 4-6 Wochen Mallorca besuchen, wird
· Mich selbst, ganz wie ich da bin, auszubilden, das war         weiter wachsen; sie dürfen als potentielle 'Kunden' der
dunkel von Jugend auf mein Wunsch und meine Absicht:             Akademie gelten. Es ist davon auszugehen, daß Freizeit
läßt Goethe - und er denkt dabei an sich selber - seinen         noch zunimmt. Arbeitszeit in allen Formen (Tages-, Wo-
Romanhelden Wilhelm Meister sagen, der am Anfang die-            chen-, Monats-, Jahres- und Lebensarbeitszeit) wird unter-
ses Goetheschen Bildungsromans noch gar kein Meister,            schiedlich gewichtet, unterschiedlich schnell zurückgehen.
kaum ein Lehrling ist. Aber er spürt schon, wo es für den
Menschen lang gehen müßte. Wenn er seinem Schwager,              · Die AKADEMIE AUF MALLORCA verdankt sich dem
dem Kaufmann Werner schreibt: Über dem Bilanzieren und           Bewußtsein, daß wir ohne Kultur in der Zivilisation unter
den Zahlen vergeßt ihr das eigentliche Fazit des Lebens.         gehen. Die Gründer gehen davon aus, daß die weitere ge-
Goethe versteht unter Ausbildung nicht Herrichtung für           schichtliche Entwicklung den Menschen immer mehr von
eine berufliche Tätigkeit. Die Akademie möchte jene Be-          notwendiger subsistenzsichernder Arbeit befreit und so
dingungen bereit stellen, die das Fazit des Lebens zu ziehen     seine Freiräume verbreitert. Ohne Begründung wird als
erlauben.                                                        Axiom gesetzt: daß ein Bedürfnis nach Kultur, nach geisti-
                                                                 ger Tätigkeit vor vorhanden ist. Daß der Mensch, um
· Innerhalb der Akademie wird etwa im Umfang der gei-            Mensch zu werden, anderes braucht als ihm die Lebenswelt
steswissenschaftlichen Fakultäten einer Universität ein          des Alltags anbietet. Aus diesen nur grob angedeuteten
Programm angeboten (also z. B. Literaturwissenschaft,            Momenten baut sich die AKADEMIE AUF MALLORCA
Kunstgeschichte, Geographie, Philosophie, Psychologie).          ihre Fundamente.

· Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, kann als Motto
über dem, was begonnen wird, stehen. Es gibt Bedürfnisse,        Geschichte des Projekts
die mit dem Begriff Kultur erinnert und nicht bloß durch
Zivilisation (immer mehr Technik) befriedigt werden. End-
                                                                 · Seit 1987 mehrere Erkundungsexkursionen nach Mallorca.
lich kann man einmal in der Freizeit das tun, was der graue
Alltag des Arbeitslebens durch Streß bislang verhindert hat.
In Deutschland gibt es immer stärker wachsend in den Uni-
                                                                 · Im Frühjahr 1989: Kleinanzeigen im Mallorca Magazin.
versitätsstädten das Gast-Studium, auch für Senioren. Das
                                                                 Es gehen ca. 50 interessierte Anfragen ein.
z.B. soll auch auf Mallorca möglich werden.

· Es werden Vorträge. Seminare, workshops mit aktiver
                                                                 · Im Herbst 1989: Zusammenarbeit mit Wolfgang Wetzel,
Beteiligung der Teilnehmer durchgeführt. Es wird gedacht
                                                                 Andraitx. Die Akademie hat einen festen Vertreter auf der
an den Gesprächskreis am Morgen, an die Rederunde am
                                                                 Insel. Vorbereitung der Gründung.
Mittag, die Talkshow am Abend. Wir schreiben unser Insel-
Tagebuch, wir filmen mit Video und texten unsere Filme.
Auf Dauer wird die Themengestaltung in Absprache mit
                                                                 · An Weihnachten/Neujahr 1989-1990: erste Veranstal-
den AKADEMIE-Hörern stattfinden. Wesentlich für die
                                                                 tungsreihe; Gründung am 09. Januar 1990 im Instituto Lu-
Programmgestaltung wird die finanzielle Kraft der AKA-
                                                                 liano. Vgl. Programm 1 (Windmühlen-Programm).
DEMIE AUF MALLORCA sein, die kaum mit öffentlicher
                                                                 Kontakte mit der lokalen Presse (Gabriela Kunze) und dem
Unterstützung vorab rechnen kann und ganz auf ihre Hörer
                                                                 Rundfunk (Interviews und Berichte in der Antena alemana).
und Hörerinnen angewiesen ist. Allenfalls auch ist auf das
kulturelle Engagement von Firmen zu hoffen, die durch
eine Förderung der Akademie ganz wesentlich ihr eigenes          Warum braucht Mallorca eine Akademie? Oder: war-
Image profilieren.                                               um ein deutscher Universitätsprofessor die Idee hat,
                                                                 eine Akademie auf Mallorca zu gründen - eine not-
· Auch z. B. dem Gedanken der Völkerverständigung, be-           wendige Betrachtung über Bildung und Kultur
sonders auf Mallorca in einem geeinten Europa. Die Aka-
                                                                 Schiller, den unsere Großmütter noch auswendig aufsagen
demie möchte auch Veranstaltungen in der Landessprache
                                                                 konnten, der aber heute allenfalls noch ein Straßenname ist,
(mallorquin) für die Inselbewohner anbieten (wofür ein
                                                                 hatte bemerkt: daß der Mensch nur als Bruchstück sich

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ausbildet, ewig das eintönige Geräusch des Rades, das er         scher Christian, die sich gegen Kapitän Bligh auflehnten,
umtreibt, im Ohre. Er entwickelt nie die Harmonie seines         verweigerten eine Rückkehr ins neblig-nordische England.
Wesens, und anstatt die Menschheit in seiner Natur auszu-        Was sie mit ihrer Rebellion an menschlichen Wünschen
prägen, wird er bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts.          und Sehnsüchten aufdeckten, wird - unterstützt von Dias -
Diese Gedanken sind zu entfalten.                                zu untersuchen sein.

Einführung in das Denken des Abendlandes                         Schiller heute?! - notwendige Anmerkungen zu einem
                                                                 Straßennamen
Das abendländische Denken beginnt als Reflexion über die
Welt und den Menschen vor fast 3 000 Jahren. Es hat sich         Lange Zeit war Schiller ein Punkt, an dem die deutsche
seither in bedeutenden Phasen entwickelt:                        Identität sich bilden konnte. Heute gilt er nichts mehr. Hat
          auf der einen Seite bis hin zu einer humanistisch-     er dies etwa insofern verschuldet, als die ganze Beschäfti-
aufgeklärten-toleranten-demokratischen Mentalität, die           gung mit seinen Dichtungen - und unsere Eltern kannten
jeden Menschen als Inividuum und Person achtet. Auch der         noch vieles auswendig - nicht die Katastrophen dieses Jahr-
totalitäre Osten scheint soeben in der Arbeit von Gorba-         hunderts verhindern konnte? Wir fra-gen, ob und wenn wie
tschow dieses Menschenbild gegen stalinistische Traditio-        der große Marbacher uns heute noch wichtig sein kann.
nen zu entfalten.
          auf der anderen Seite entwickelte sich - und zu-       Warum geht die Ziege nicht zum Tanzen? Weil sie
nächst nur im Abendland - eine naturwissenschaftlich-            keinen Bock hat! - eine Einführung ins Neudeutsche
technologische Position, die ganz zweifellos einen Fort-
schritt in der Geschichte der Menschheit bedeutet, indem         Die deutsche Sprache hat sich schon immer entwickelt; das
sie nicht zuletzt auch die Lebensqualität merklich erhöhte.      zeigt z.B. ganz deutlich die sog. hochdeutsche Laut-
Zugleich aber hat sie zu einer globalen Gefährdung der           verschiebung, die aus Water Wasser gemacht hat. Wir wol-
Erde und ihrer Bewohner geführt.                                 len diesmal besonders die Sprache unserer Kinder und En-
                                                                 kel, die Sprache der Jugend, aber überhaupt auch
Goethes Farbenlehre experimentell                                Tendenzen der Gegenwartssprache beobachten.

Der Mann auf dem DM 100.- Schein                                 Was ist Philosophie?

                                                                 Seit langem gilt dieses Fach nicht mehr viel; unsere moder-
· Ostern 1990: Zweite Veranstaltungsreihe - Ein bunter           ne Lebenswelt scheint die philosophische Reflexion nicht
Frühlingsblumenstrauß                                            mehr zu benötigen. Der Philosophie widerfährt damit das,
                                                                 was sie selbst der Theologie, die vor ihr an der Spitze stand,
Vom Meer umgeben            - eine Kulturgeschichte des          antat. Wir betrachten, welche Rolle diese alte Disziplin
Wassers                                                          heute spielt und was sie in sich selbst ist. Im Anschluß an
                                                                 die Vorträge soll nach einer Pause - auch anhand von Tex-
Auf der Insel Mallorca lebend liegt es nahe, einmal anzu-        ten - über die Thematik gesprochen werden.
schauen, welche Rolle das Wasser im Leben der Menschen
spielt: es geht dabei nicht um H2O, die Chemie des Was-
sers, vielmehr um die Bedeutung dieses Elementes im men-         · Im Herbst 1990:       Dritte Veranstaltungsreihe: Buntes
talen-emotionalen Bereich.                                       Herbstlaub

Coexistenz gegengesetztester Zustände                            Wer war Multatuli? - Hinweis auf einen Holländer
(to pharmakon)
                                                                 Erst zur Feier der Erinnerung seines 100. Todestages (1987)
Gibt es Fortschritt?                                             nahm ein Mitglied der königlich-niederländischen Familie
                                                                 zum ersten Mal an einem Multatuli-Ereignis teil: diesmal
Unsere germanischen Ahnen machten Medizin noch ma-               gleich mit einer Denkmalsenthüllung. Bis dahin hatte das
gisch: durch Handauflegen und beschwörende Worte. Wir            Königshaus alle Multatuli-Erinnerungen boykottiert. Das
haben es bis zur Pharmakeule gebracht. Oder auch: die            Nachbarland gedachte zudem mit einer Sonderbriefmarke
Entwicklung der Menschheit verlief vom Einbaum zu Ein-           eines Schriftstellers, der - trotz aller Differenzen in der
stein. Wir wollen über die hier entstehenden Probleme            Beurteilung - als der größte Hollands gilt.
nachdenken.                                                               Wir kennen ihn nicht. Wenngleich er als Emigrant
                                                                 (nach seinem Selbstverständnis aus dem Vaterland vertrie-
Warum ist die Meuterei auf der Bounty ein Urereignis?            ben) lange Jahre im Rheinland lebte.
                                                                          Lassen Sie sich ein abenteuerliches Leben erzäh-
Die Meinung: die Meuterei auf der Bounty tauge allenfalls        len, seine Schriften referieren ... Sie dürfen eine wesentli-
als Vorlage für einen Hollywood-Film, wird diesem Ereig-         che Bereicherung erwarten: eine Lebens- und
nis, das vor zweihundert Jahren zur Zeit der Französischen       Gedankenfülle, die Sie verblüffen wird!
Revolution stattfand, nicht gerecht. Die Männer um Flet-

                                                  © 2001 litblockín Verlag
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Serie: Große Maler - Paul Gauguin                                 Sokrates, der selbst keinen Buchstaben schrieb, ist durch
                                                                  sein philosophisches Wirken doch zu einer Symbolfigur
Man sollte oft wünschen, auf einer der Südseeinseln als           Europas geworden. Seine Schüler, allen voran Plato, haben
sogenannter Wilder geboren zu sein, um nur einmal das             das Leben und Denken ihres Meisters überliefert. Sokrates
menschliche Dasein, ohne falschen Beigeschmack, durch-            war im Athen seiner Zeit eine VIP; er mußte seine Auftritte,
aus rein zu genießen.                                             besonders auf dem Marktplatz seiner Heimatstadt mit dem
                                                                  Tode büßen. Er achte die alten Götter nicht und verderbe
                                 Goethe zu Eckermann, 1828        durch seine Reden die Jugend: waren die Anklagepunkte
Flucht in die Südsee: Der Maler Paul Gauguin                      vor Gericht.
                                                                           Sie dürfen erwarten, die Mentalität eines frühen
Paul Gauguin, an den immer wieder in großen Ausstellun-           Aussteigers, der sich dem ordentlichen Leben verweigerte,
gen erinnert wird, verließ zunächst seinen Beruf [in dem er       spannend zu erleben.
sehr erfolgreich war], dann Europa.
         Auf Tahiti fand er freilich nicht, was Goethe dort       Philosophie des Gartens
schon vermutet hatte. Gauguin schreibt in seinem Tage-
buch: Das war ja Europa, das Europa, von dem ich mich zu          Seit wir aus dem Garten Eden vertrieben wurden, dessen
befreien geglaubt hatte! Und dann noch unter erschweren-          Pforte nunmehr der Cherub mit dem flammenden Schwert
den Umständen ...                                                 bewacht - uns bleibt der Eintritt verwehrt - ist die Sehn-
                                                                  sucht nach dem Paradies nie mehr erloschen. Sie realisiert
[Mit Dias]                                                        sich bei vielen zumindest in dem Gärtchen, das sie beim
                                                                  Häuschen bebauen wollen.
Serie: Berühmte Inseln - die Osterinsel                                     Wir betrachten die Kulturgeschichte des Gartens
                                                                  und fragen, ob der Neander aus dem Tal schon einen Garten
Seit ihrer Entdeckung durch den Holländer Roggeveen am            hatte, fragen, wie die Hängenden Gärten der Semiramis zu
Ostertag 1722 hat diese vulkanische Insel im östlichen Pa-        Babylon aussahen, fragen, wie es mit den Gärten und Parks
zifik die Phantasie und Forschung bewegt. Wir kennen alle         im Abendland weiterging: von der römischen Villa über das
die riesigen Monumente; es gibt auch eine hieroglyphenar-         Klostergärtchen des Mittelalters, den Barockgarten, den
tige Schrift. Was wissen wir aber wirklich über die Hoch-         englischen Landschaftpark ... bis in die Gegenwart.
kultur, die dort bis kurz vor der Entdekkung durch die
Europäer bestand? Warum mußte sie untergehen? Die neue-
re Erkundung dieser einsamen Insel in der Südsee hat inter-       · Ostern 1991: Fünfte Veranstaltungsreihe
essante Thesen aufgestellt und z.T. stark belegen können.

Serie: Große Weltumsegler und Weltumseglungen –                   Modelle der menschlichen Seele
Deutsche als Begleiter von Captain James Cook
                                                                  Ein Blick in die Werkstatt ...
Die Erforschung der Südsee im 18. Jahrhundert                     Textbewegungen bei Goethe

James Cook gilt als einer der größten Seefahrer und Ent-          Goethe hat zwar oft im Stehen diktiert und was dann ge-
decker, der seine Unternehmungen mit dem Tod bezahlte.            schrieben war, lief nach dem Satz des Pilatus: was ich ge-
Auf seiner zweiten Weltumseglung wurde er von den bei-            chrieben habe, habe ich geschrieben.
den Forsters, Vater und Sohn, begleitet. Sie haben einen                    Der Weimarer hat aber auch sehr oft seine Texte
wichtigen und interessanten Reisebericht vorgelegt [der           'nachgebessert'. Manchmal ist auch nicht klar zu entschei-
auch den des Captains selbst an Niveau weit übertrifft].          den, was er vorgezogen hat. So steht in einem Gedicht:
          Cook umsegelt als erster die Antarktis; man ist auf     Mein Lied ertönt der unbekannten Menge ... Es gibt aber
der Suche nach dem großen Südland, das man in der Hoff-           auch Fassungen, die lauten: Mein Leid ertönt ... Hat Goethe
nung, Gold zu finden,, aus geostatischen Gründen irgendwo         hier sich nur verschrieben und i und e vertauscht?
dort unten vermutet. Die beiden Deutschen sind als Wissen-                  Diese Veränderungen zu beobachten ist sehr inter-
schaftler bei der Expedition dabei.                               essant und aufschlußreich für die Arbeit an der Sache, um
                                                                  die es Goethe jeweils ging.
[Mit Dias]

· Weihnachten/ Neujahr 1990/ 1991:                                · Herbst 1991: Sechste Veranstaltungsreihe
Vierte Veranstaltungsreihe
                                                                  Was ist New Age?
Serie: Abendländische Symbolgestalten
- Berühmte Philosophen I: Sokrates                                Schon seit einiger Zeit werden unter dem Schlagwort New
                                                                  Age: Neues Zeitalter, jene Tendenzen zusammengefaßt, die
Vielleicht kennen Sie bislang nur die Frau dieses Atheners:       von der Erwartung einer neuen Zeit ausgehen. Der Was-
Xanthippe. Aber auch hier soll es nicht so sein, wie Mann         sermann verspricht eine Wende; die Geburt eines Neuen
sich das so denkt.                                                Menschen, der weltweite Friede, eine Bewußtseinserweite-

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Prof. Dr. Erwin Leibfried                     Akademie an Bord & Deutsche Akademie auf Mallorca                              5

rung und Vergeistigung sei zu erwarten. So nehmen beson-         · Sommer 1992: Aufbauarbeit vor Ort - besonders Aufbau
ders magisch-mystische, mythische Gedanken, die ein              (Inventarisierung, Katalogisierung) einer Bibliothek. Kon-
ganzheitlicheres und natürlicheres Weltbild entfalten wol-       taktgespräche
len, einen breiteren Raum ein. Wir wollen diese Tendenzen,
die auch Mallorca schon erreicht haben, genauer betrachten.
                                                                 · Oktober 1992: Achte Veranstaltungsreihe
Caspar David Friedrich - ein Maler der Romantik
                                                                 Wie der Neander aus dem Tal reden lernte. Oder:
Goethe spricht von den "wunderbaren Landschaften" dieses         Ursprung und Entwicklung der Sprache
Dresdner Malers. "Ein Nebelkirchhof. Ein offenes Meer".
Es gibt viele bevorzugte Motive: Wald-, Gebirgs- und Kü-         Können Tiere schon reden? Welcher Tierfreund würde
stenlandschaften, Ruinen- und Baumbilder, Mondland-              bestreiten wollen, daß sein Liebling versteht, was er ihm
schaften, Re-genbogen und Nordlichtbilder, Winterbilder          sagt. Gut, ab und an will er nicht verstehen und ist ungehor-
und Eismeermotive, Hafenbilder, Schiffe auf See. "Wun-           sam. Aber, das Tier kann auch selbst seinem Herrchen und
derbar" ist Friedrich, weil in seinen Werken nicht etwa die      Frauchen etwas mitteilen: daß es Angst hat, Hunger, daß es
pure Natur quasi photographisch abgebildet würde; viel-          sich freut usw. Es gibt ein sehr kluges Buch über "Die
mehr enthält sie eine Dimension vielleicht des Metaphysi-        Sprache der Bienen". Viele Heilige sollen mit den Tieren
schen, was immer das heißt, jedenfalls der Bedeutung und         gesprochen haben - und überhaupt ist das ein mythisches
der Stimmungen, die "immer neu zum Denken veranlassen"           Motiv, das erdweit in den Erzählungen der Völker auf-
(wie Kant von der Kunst überhaupt sagt).                         taucht.
         Wir versuchen, auch mit Hilfe von Bildern, eine                  Noch Nietzsche hat es ironisch zitiert: das Tier
nähere Vorstellung von diesem Romantiker zu gewinnen.            wolle mit dem Menschen reden, aber jedesmal, wenn es
                                                                 vorhabe, mit dem Sprechen anzufangen, sei dieser Vorsatz
12. Oktober 1492                                                 schon wieder vergessen.
                                                                          Über den dunklen Ursprung und die Entwicklung
Schon heuer wird, wenn auch das Jubiläum erst nächstes           der Sprache(n) nachzudenken, bereitet eine große intellek-
Jahr ansteht, gefeiert: und obwohl vielleicht kein Grund         tuelle Lust. Es gibt eine riesige wissenschaftliche Literatur,
vorhanden ist und Wichtgeres zu tun wäre.                        die diesen Fragen nachgeht (auch die Bibel hat Stellung
          Wie immer: uns interessiert an dieser ganzen Sa-       genommen). Wilhelm von Humboldt, der bedeutende Be-
che eines: warum dieser Genueser oder Mallorquiner auf-          gründer der deutschen Universitäten, hat jahrelang India-
brach, was ihn bewog, das sichere Land zu verlassen, die         nerdialekte studiert, um hier weiterzukommen. Wir wollen
weniger gefährliche Küstenschiffahrt aufzugeben und sich         versuchen, durch eine rationale Rekonstruktion - was das
aufs freie Meer hinauszuwagen?                                   sein kann, wird sich zeigen - aus dem lebensweltlichen
          Columbus [die lateinische Namensform umgeht            Alltagskontext schon des Neandertalers einer Lösung dieser
Probleme, die z. B. auch bei Kopernikus ärgerlich sind, um       Fragen näher zu kommen.
den sich Polen und Deutsche (und Kaschuben) streiten] -
Columbus soll als Symbolfigur des Abendlands beschrie-           Serie: Große Reisende - Reisen und Reisende
ben werden, der das freiwillig plante und ausführte, was der
antike Odysseus noch vom verärgerten Gott verfolgt ge-           Die ersten Reisenden der Menschheit sind Vertriebene.
zwungermaßen erlebte.                                            Adam und Eva brauchen freilich noch keine Koffer zu pak-
Platon                                                           ken. Sie waren ja im Paradies unbekleidet und mußten ganz
                                                                 neu beginnen und alles aus sich selbst erschaffen.
Ein nicht ganz unbedeutender Philosoph unserer Zeit be-                   Wir wollen betrachten, wie die Menschen zum
hauptete, die gesamte abendländische Philosophie bestehe         Reisen kamen; es ist anzunehmen, daß am Anfang die Not
nur in Fußnoten zu Platon. So steht dieser Athener, wie auf      stand. Der erste Reisende auf der Erde ist ein Sucher und
dem Bild von Raphael [Die Schule von Athen], im Mittel-          Sammler, der immer weiter muß, wenn alles abgeerntet ist.
punkt, am Anfang der systematischen Reflexion. Er gilt als       Der Jäger zieht dem Wild hinterher und die Menschen brei-
"Idealist" und wurde auch durch seine sog. Ideenlehre be-        ten sich so auf der Erde aus. Straßen mußten sie keine bau-
kannt, natürlich auch bekämpft. Schon sein Schüler Aristo-       en, sie konnten die Fährten und Triften der Tiere benutzen.
teles, der Lehrer Alexanders des Großen, ist ihm in              Später gesellen sich andere Reisende hinzu: der Kaufmann,
wesentlichen Punkten nicht gefolgt.                              der Krieger - Alexander, der nach Ägypten und Indien auf-
          Wir wollen versuchen, einen ersten Einstieg in die     bricht, muß als Reisender begriffen werden , der Pilger, der
sehr inter-essanten Fragestellungen dieses Philosophen zu        pur Neugierige: Herodot der Griechebereist die Alte Welt,
finden.                                                          nur um zu sehen, was die Menschen machten.
                                                                          Im Mittelpunkt soll diesmal ein unfreiwillig Rei-
                                                                 sender stehen: Odysseus, der von der Wut des Meergotts
· Ostern 1992: Siebente Veranstaltungsreihe                      von Schiffbruch zu Schiffbruch getrieben wird und der erst
                                                                 nach langer Suche die Heimat wiederfindet. Er ist zu einer
Romantische Lebensläufe                                          Symbolfigur des Abendlandes geworden. Bis hin zu Tasso
Teleskop und Mikroskop: vom Kleinsten zum Größten

                                                  © 2001 litblockín Verlag
Prof. Dr. Erwin Leibfried                   Akademie an Bord & Deutsche Akademie auf Mallorca                               6

wird sein Schicksal erzählt und jeweils anders erzählt - was     Durch einen Neudruck bekanntgeworden ist die umfang-
wichtige Schlüsse erlaubt.                                       reichste Darstellung überhaupt der Balearen durch den Erz-
         Den Grund allen Reisens aber hat Augustinus             herzog Ludwig Salvator; sie ist auch deshalb wichtig, weil
angedeutet: inquietum est cor nostrum, donec requiescat in       sie ein altes, vergangenes Mallorca zeigt. Auch für alle, die
te (unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir).                 sich diesen Neudruck nicht leisten konnten: Mallorca, wie
                                                                 es war, Land und Leute, Sitten im 19. Jahrhundert.

· Frühjahr 1993: Neunte Veranstaltungsreihe
                                                                 · Fünfter Jahrestag der Gründung April/Ostern 1995:
Kulturgeschichte des Lesens                                      Dreizehnte Veranstaltungsreihe
Was ist barock
                                                                 Eine "Fastenpredigt"

· Weihnachten/Neujahr 1993/1994:                                 Im katholischen Spanien wird es diese Art von kirchlichen
Zehnte Veranstaltungsreihe                                       Veranstaltungen noch geben, zur Fastenzeit eine Fastenpre-
                                                                 digt (una cuaresma). Im deutschsprachigen Raum ist der
Was ist modern?                                                  barocke Pater Abraham a Santa Clara für seine wortgewal-
                                                                 tigen Wiener Auftritte bekannt. Schiller hat ihm ein Denk-
Wer kennt schon noch Ernst Eckstein?                             mal im Wallenstein gesetzt. Wir wollen uns eine solche
                                                                 "Fastenpredigt" anhören, die aktuelle Tagesthemen philo-
Faust                                                            sophisch vertieft; so aber, daß wir selbst auch mitreden und
                                                                 unsere Meinungen und Positionen äußern.

· Ostern 1994: Elfte Veranstaltungsreihe                         1995-1945 - Das Leben ist eine große Reise hin zum
                                                                 Licht.
Wortgeschichten
                                                                 Fünfzig Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen
Tragödie                                                         Herrschaft kann man das Damalige für tiefe Vergangenheit
                                                                 halten, vergessen, verdrängt - oder sich erinnern und nach-
                                                                 fragen: Wie konnte es geschehen?
·Weihnachten/Neujahr 1994/1995: Zwölfte Veranstaltungs-                   Mit biographischen Anmerkungen und Lesungen
reihe                                                            aus ihren Briefen wollen wir uns dem Leben der Geschwi-
                                                                 ster Scholl und den namentlich weniger bekannten Mitglie-
Ludvig Salvator                                                  der der WEISSEN ROSE nähern: Wolfhard Kluge - Esther
                                                                 Leibfried - Barbara Kluge
Ludwig Salvator von Toscana, Erzherzog von Österreich
wurde 1847 in Florenz geboren; er war der zweitjüngste           Aus Anlaß des 175. Geburtstages - Lesung aus den
Sohn des letzten regierenden Großherzogs aus der toscani-        frisch aus dem Holländischen übersetzten Briefen
schen Nebenlinie der Habsburger. Er verweigerte sich den         Multatulis
politischen Pflichten - er war als Jurist ausgebildet und in
seiner Jugend auf der Prager Statthalterei der kk-Monarchie      Die niederländischen Nachbarn haben eben mit einer gro-
tätig. Stattdessen entwickelte er seine naturwissenschaftli-     ßen Feier, zu der Kronprinz Willem Alexander erschien,
chen Interessen, pflegte seine großen Sprach- und Zeichen-       den 175. verjaarsdag (Geburtstag) ihres größten Schriftstel-
talente, nutzte seine riesigen Einnahmen, um ganz seinen         lers erinnert. Wir haben auf Multatuli in einem Vortrag
Neigungen zu leben: hauptsächlich zu reisen. Dafür ließ er       schon einmal hingewiesen.
sich eigens eine Segeldampfjacht bauen, die "Nixe". Er ließ               Diesmal wollen wir uns in einer Lesung weniger
aber auch auf Mallorca Märchen sammeln, die er übersetzte        die weltliterarisch bedeutsamen Schriften Eduard Douwes
und veröffentlichte. Seine Werke sind in Deutschland heute       Dekkers ansehen als den Menschen, wie er in den privaten
durchaus zugänglich; freilich selten geworden: wohl auch,        Briefen sich darstellt. Sie zeigen Dekker-Multatuli in des
weil Büchersammlern sie suchen werden, angezogen von             Lebens Drang und wälzen die größ're Hälfte seiner Schuld
der teils prunkvollen Ausstattung der Bände.                     den unglückseligen Gestirnen zu (auch wieder wie Schiller
          Wir wollen uns das Leben, die Bücher und die           von Wallenstein sagt). Sie werden Multatuli eurem Herzen
Reisen diesen interessanten Adligen aus einer vergangenen        menschlich näher bringen.
Epoche näher anschauen.

Serie: Berühmte Inseln - Mallorca
                                                                 · Sommer 1995: Mitarbeiter beschäftigen sich mit der Ein-
In einer früheren Veranstaltung hatten wir eine Insel in der     richtung der Bibliothek; es finden wissenschaftlich geleitete
fernen Südsee näher betrachtet; diesmal soll, was wir alle       Exkursionen statt mit geographischem und kunstgeschicht-
kennen [?], Thema sein.                                          lichem Schwerpunkt

                                                  © 2001 litblockín Verlag
Prof. Dr. Erwin Leibfried                    Akademie an Bord & Deutsche Akademie auf Mallorca                               7

· Jahreswechsel 1995 /1996:                                        · April/Ostern 1996: Fünfzehnte Veranstaltungsreihe
Vierzehnte Veranstaltungsreihe

Johannette Lein                                                    Wiedergeburt

Neujahrsansprache: Tendenzen des Zeitalters                        Wiederholte Fastenpredigt

                                             Angewandte Freizeitkultur

                                      Akademie an Bord

Rahmenplan                                                         Vielmehr auch von einer Tätigkeit, die Kopf und Herz be-
                                                                   schäftigt.
Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit Freizeitkultur; ein               Prof. Leibfried von der Universität Giessen will
Bereich dieser Tätigkeit ist die Kreuzfahrt. Ich arbeite an        gemeinsam mit Ihnen unterschiedliche Veranstaltungen
der Entwicklung von Programmen, die etwas außerhalb der            durchführen und anbieten, die jeweils auch im Bordfernse-
bislang üblichen Angebote liegen [Diavortrag über Land             hen und im Tagesprogramm angekündigt werden:
und Leute]. Ich habe festgestellt, daß gerade das Kreuz-                     Vorträge, die allgemein seefahrtsbezogen sind,
fahrtpublikum Interessen und Bedürfnisse hat, die etwa             diesmal z. B.: Berühmte Kämpfe mit Riesenfischen; Vor-
unter dem Titel "Akademie an Bord" bedient werden kön-             träge, die fahrtroutenspezifische Themen behandeln: dies-
nen.                                                               mal z. B. die Meuterei auf der Bounty.
                                                                             Dann: ein Schreibseminar, einen Experimentalkurs
Entwickelt habe ich im Rahmen einer Akademie an Bord               zur Farbenlehre, eine Rederunde am Morgen (oder auch
Folgendes, was sich in diesen Gruppen sortieren läßt:              Abend: wir sind für Ihre Wünsche offen), eine Talkshow
                                                                   über interessante Themen und vieles mehr.
¨ workshops, Seminare mit aktiver Beteiligung der Gäste

¨ die fahrtroutenbezogenen Darbietungen (multimedialreali-         Gibt es Fortschritt?
sierte Vorträge: mit Dias, Overhead, Video), z. B. bei Mit-
telmeerfahrten: Die Irrfahrten des Odysseus;                       Mitteilungen, die fast nur aus Fragen bestehen, aus der
                                                                   Rederunde am Morgen an Bord von TS Maxim Gorki auf
¨ die allgemein seefahrtsbezogenen Darbietungen (z. B.             der Reise von Südamerika durch die Südsee nach Australi-
Kämpfe mit Riesenfischen; Piraten, Pilger, Blinde- Passa-          en vom 25.01.1990-21.02.1990
giere an Bord. Von der christlichen und unchristlichen See-
fahrt).                                                            notiert von Erwin Leibfried

¨ allgemein bildungs- und kulturgeschichtliche Themen              In Callao, dem Hafen von Lima, startete Thor Heyerdahl
                                                                   mit seinem Balsaholzfloß Kon Tiki; nach drei Monaten
Im folgenden stelle ich nur beiher zum Durchblättern einige        landete er in der Nähe von Tahiti. Seine These, die er durch
Veranstaltungsankündigungen zusammen, die sowohl an                die gefährlich-abenteuerliche Fahrt belegen wollte: daß
Bord - im Rahmen der Akademie an Bord - wie auch auf               Ozeanien von Südamerika aus besiedelt worden sei, gilt
Mallorca - im Rahmen der Deutschen Akademie auf Mal-               heute in der Wissenschaft als abwegig. Aber, was solls,
lorca - gehalten wurden; so mag ein erster Eindruck mög-           vielleicht sind doch einige Indianer mit ähnlich primitiven
lich werden.                                                       Booten in den Pazifischen Ozean aufgebrochen, bewegt
                                                                   von einer den Menschen bestimmenden Unruhe und Neu-
                                                                   gier, von der Hoffnung, doch noch den Ort des Paradieses
Akademie an Bord der * * * * * lädt ein!                           zu finden auf jenen einsamen Inseln, die so verlassen in der
                                                                   unendlichen Wasserlandschaft unter der tropischen Sonne
Die Akademie an Bord will die langen Seetage nach dem              schwimmen.
Motto ausfüllen: der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

                                                    © 2001 litblockín Verlag
Prof. Dr. Erwin Leibfried                   Akademie an Bord & Deutsche Akademie auf Mallorca                                8

Jedenfalls wir heute fahren von Peru aus mit der MAXIM           das Gespräch auf dem Weg zum Brunnen, das Gespräch am
GORKI (die alle nach dem Malta-Gipfel Maxim Gorbi                Brunnen ein Moment von Menschlichkeit, das heute immer
taufen wollen). Und wir haben mit diesem Bild und konkret        seltener wird? Stehen wir nicht sprachlos im Lift und blik-
erlebbar ganz plastisch die Situation, aus der das Thema der     ken leer aneinander vorbei?
Runde entsteht: vom Holzfloß zur Maxim!? Vom Einbaum
zum Luxusdampfer: als roter Faden der Entwicklung der            Wir unterscheiden bald zwischen
Menschheit. Wie verläuft die Geschichte dieses Lebewe-
sens, das einmal Affe war, aufrecht gehen lernte und so die      - einem technisch-zivilisatorischen Bereich und
Arme frei bekam, um Werkzeuge herzustellen, mit denen es
sich, nach der biblischen Anweisung, die Erde untertan           - einem moralisch-sittlichen, auch kulturellen Gebiet, das
machte?                                                          etwas ganz anderes ist.

Natura non fecit salta? (Die Natur macht                         Im Technisch-Zivilisatorischen haben wir es herrlich weit
keine Sprünge)                                                   gebracht: wir haben den Tiger im Tank. Aber: sitzt weiter-
                                                                 hin ein Kamel hinter dem Steuer? War der Neander aus
Der Übergang vom Tier zum Menschen kann kaum konti-              dem Tal menschlicher als wir es sind, zumindest aber gar
nuierlich gedacht werden; es ist ein Quantensprung. Zwar         nicht unmenschlicher? Die provokante These lautet: der
hat das Tier schon Sprache (Angstschreie, Warnrufe etc.),        Fortschritt, sowieso nur im Technischen (ermöglicht durch
Erinnerungsvermögen (der Hund zittert vor dem Stock),            die Naturwissenschaften) ist zugleich ein Rückschritt, im-
Gefühle (der Hund freut sich, wenn eine ihm bekannte Per-        mer auch wird er mit Nachteilen erkauft. Geschichte ist
son nach einer Abwesenheit wiederkommt).                         eine Echternacher Springprozession: drei Schritte nach
          Aber: der Gebrauch von Werkzeugen, gar syste-          vorn, zwei Schritte zurück. Der Philosoph Ludger Oeing-
matisch hergestellten; der Gebrauch des Feuers; die Beherr-      Hanhoff spricht von den technischen Fortschritten imma-
schung einer grammatisch strukturierten, hochkomplexen           nenten Regressionen (z. B. Umweltverschmutzung), Zivili-
Sprache; der Gebrauch von Moral (und wichtiger: die Mög-         sationskrankheiten, die selbst wieder nur durch Fortschritt
lichkeit, unmoralisch zu sein): das neben anderem sind rein      allein beseitigt werden können; jedenfalls behauptet dieser
menschliche Merkmale.                                            Denker eine Ambivalenz des technischen Fortschritts. K.
          Sammelnd und jagend folgt der Mensch den Fähr-         Jaspers, einer der ganz großen Nachkriegsphilosophen,
ten der Tiere; sie bauen ihm die ersten Straßen. Der ameri-      hatte sehr bedeutend von der gesamten Unverläßlichkeit der
kanische Kontinent soll vor 40 000 Jahren so besiedelt           Welt gesprochen; alles Weltsein sei durch Unzuverlässig-
worden sein: von Sibirien folgten über eine Landbrücke           keit (leider) ausgezeichnet: etwas, was von der Fraktion der
nomadisierende Jäger riesigen Mammutherden, die als Nah-         Optimisten völlig negiert wird. Hierher gehört etwa der
rungsfundus dienten, mas o menos leicht zu fangen. Der           Chinese Mao, der in enthousiastischer Begeisterung pro-
Jäger und Sammler verhält sich quasi noch wie ein Tier,          klamiert hatte: Die Welt schreitet fort, die Zukunft ist glän-
aber der Ackerbauer, der zudem seine Nahrung zubereitet,         zend, niemand kann diese Tendenz der Geschichte ändern.
ist über das Tierstadium hinausentwickelt.                       (Nachzulesen im sog. Roten Buch des Vorsitzenden.) So
                                                                 zeigt sich, wie Verblendung immer auch zum Menschen
                            ***                                  gehört.
                                                                           Ist es nicht schon so, daß wir unsere Erde unrevi-
Fortschritt ist das Substantiv zu dem Verbum fortschreiten.      dierbar zerstören, verbrauchen wir nicht alle Ressourcen?
Fortschreiten: wohin? War es ein Fortschreiten zum Besse-        Fahren wir nicht ganz nah am Mururoa-Atoll vorbei, wo die
ren? Ist es ein Fortschritt zum Untergang? Wartet das Riff       Franzosen mit Atombomben spielen? Forschen wir falsch?
schon, an dem das Schiff zerschellen wird? Oder treibt gar       Sollten wir, statt Raketen in den Weltraum zu schießen,
in den Weiten dieses Stillen Ozeans auf unseren Dampfer          nicht doch an die Sahelzone denken und ob man deren wei-
zu jene Mine aus dem Weltkrieg, die vom Radar nicht be-          tere Austrocknung verhindern kann?
merkt wird? Findet das Fest auf der Titanic statt? Das Fest,               Oder sind diese Fragen viel zu kurzsichtig, viel zu
das zumindest der gutsituierte westliche Teil der Welt fei-      kleinmütig gestellt? Heißt denn: Raketen in den Himmel
ert? Bei modernen, negativen Denkern wie Kafka und               nicht auch: Navigationssatelliten zu plazieren, die Kommu-
Adorno findet man paradoxe, bewußt irritierende Thesen,          nikation der Menschen untereinander zu verbessern? Frei-
die sich eetwa so übersetzen lassen: was wir Fortschritt         lich: die tägliche Zeitungsnotiz: Israel schießt einen
nennen, ist nur der Widerstand gegen den Zerfall.                Aufklärungssatelliten in den Himmel, also immer noch
         Ist Fortschritt allenfalls Veränderung? Ist, ob es      haben wir Militärtechnologie, die notwendende Ziviltech-
eine Verbesserung gibt, überhaupt konsensual, so, daß alle       nologie verdrängt. Aber natürlich der Zwischenruf: auf das
zustimmen, ausmachbar? War die Kutsche, mit der man              Satellitenfernsehprogramm verzichte ich gern! Und jene,
früher durch Pommern fuhr, etwa doch "besser" als der            die schauen? Mit Recht? Fug und Unfug sind wie überall
Porsche, den man wohlverdient durch ein erfolgreiches            gemischt: Hollywood-Glitzer-Glamour in unsäglichen
Berufsleben heute fährt? Freilich, was ist besser? War es        Filmschwarten neben weltweiter Kommunikation, die ein
besser, das Wasser am Brunnen zu holen, besser als den           wichtiges Moment von Publizität bringt. Der schon genann-
Hahn aufzudrehen? Gab es andere Lebensqualitäten, solche         te Existenzphilosoph Karl Jaspers hat diese so ermöglichte
die wir heute etwa gar vermissen, wieder benötigten? War         Weltöffentlichkeit als eine wichtige Bedingung humaner

                                                  © 2001 litblockín Verlag
Prof. Dr. Erwin Leibfried                   Akademie an Bord & Deutsche Akademie auf Mallorca                                9

Verhältnisse beschrieben. Schon wegen der wechselseitigen        Wir bestreiten gar nicht, daß es vernünftigerweise richtig
Relativierung, Abarbeitung dogmatischer Positionen. Die          ist, in bestimmten Bereichen von fortschreitendem Fort-
Chomeini-Mullahs dürfen nicht mit Zustimmung rechnen;            schritt zu sprechen: in der Medizin etwa. Hier auf Pitcairn,
der Bombenbauer Saddam Hussein wird geächtet, Südafri-           wo die Nachkommen der Bounty-Meuterer schon längst
ka immer wieder ermahnt. Die globale, tägliche Präsenz           nicht mehr meinen, die paradiesische Insel gefunden zu
aller Ereignisse in den Medien (Presse, Rundfunk, Fernse-        haben, kann schon ein Beinbruch, der Sturz eines Kindes -
hen) ermöglicht ein Weltgewissen, eine Beurteilung, auch         wie wir hautnah erleben - zum Problem werden. Aber: ge-
Verurteilung: des amerikanischen Präsidenten, der mit weit       gen den Schnupfen ist noch kein Kraut gewachsen, von
überzogenen Mitteln einen Verbrecher in Panama einfan-           Aids und Krebs redet niemand. Aber von den Problemen,
gen läßt (und die Passage der MAXIM GORKI durch den              die durch den Fortschritt entstehen: wird Leben verlängert,
Kanal durchaus gefährdet); eine Ermutigung Gorbatschows,         wo es nur noch Qual bedeutet? Ist die moderne Apparate-
aber auch eine Beobachtung seiner Grenzen (in Litauen, im        und Gerätemedizin, unterstützt von der Pharmakeule eine
Festhalten an Lenin, der doch die Weichen für den stalin-        Antwort, die keine Korrektur nötig hätte?
schen Terror stellte). Schiller hatte im Wilhelm Tell die                  Jahrhunderttausende bewegte der Mensch sich
Befreiung eines Volkes von fremder Herrschaft poetisch           quasi gemütlich im Tiertempo: zu Pferd, mit einer pferde-
dargestellt: die Schweizer schütteln das Habsburger Joch ab      gezogenen Kutsche, mit dem windabhängigen Segelboot.
und lösen sich aus dem Verband des Deutschen Reiches.            Mit dem Beginn der Moderne erst entfaltet sich allmählich
Frage: ist der Oberste Sowjet bereit, sich eine Aufführung       und dann im 19. Jahrhundert bis ins rasende sich beschleu-
dieses Schillerschen Dramas anzusehen? Denkt er etwa gar         nigend eine Entwicklung, die durch die Ausnutzung der
daran, dessen Lehren zu übernehmen?                              Elektrizität, die Erfindung des Verbrennungsmotors, die
         Gibt es überhaupt bei all diesen Fragen die Hoff-       technische Ausnutzung der chemischen Erkenntnisse (Dün-
nung auf eine allgemeine Einigung? Oder wird jeder es auf        ger), des biologischen Wissens (Züchtung des Superwei-
Dauer immer anders sehen? So viele Meinungen wie Köp-            zens, der Supermilchkuh, des Hyperschweins etc.) den
fe? Kann man das eine festhalten, ohne das andere fallenzu-      gegenwärtigen Stand herbeiführte.
lassen? Also Weltraumforschung und Sahel? Verzicht auf                     Ist außer Fortschritt im Technischen auch noch
Atomkraftwerke und doch Erhaltung des hohen Lebens-              anderes nötig, wie verhält es sich mit dem Menschlichen,
standards?                                                       mit Moral? Etwa gar auch: muß der Fortschritt gebremst
         Natürlich stellen wir erst einmal Fragen; aber wo       werden? Brauchen wir eine Besinnung? O Gott, eine alte
die Antworten holen? Weiß die Wissenschaft bescheid?             Sache, die wir heute vergessen, verdrängt haben: zu alt,
Wir erinnern uns an Pompidou: drei Dinge können einen            veraltet, hinausgemendelt in der Entwicklungsgeschichte
Mann ruinieren: Wetten, Frauen und der Rat von Fachleu-          der Menschheit: wir leben, stressgepeitscht, eine vita activa;
ten.                                                             für deren Pendant: die vita contemplativa, wollen wir kei-
         Die Wissenschaft ist nicht immer in der Lage, klar      nen Deut mehr wetten.
und deutlich sagen zu können, wo es langzugehen hat, d.h.                  Wir stellen Fragen; und das aus der Verwunderung
alle Kausalitäten zu erkennen. Der Streit der Experten ge-       heraus, aus der Beobachtung eines Phänomens. Dies Phä-
hört als notwendiges wechselseitiges Korrektiv zum Pro-          nomen hat zwei Seiten:
zeß, der Wissenschaft als Fortschritt erst ermöglicht.
         Es ist jeweils eine bewußt gewollte Entscheidung        - zivilisatorische (technisch-wissenschaftliche) Leistungen,
nötig; ein Willensentschluß, der aus Verantwortung kom-          auch Hochleistungen gab es innerhalb der Geschichte der
men müßte: wissenschaftliche Daten sind oft noch nicht           Menschheit schon immer, auch immer wieder: die Ägypter
und nicht immer lebensbedeutsam bezogen: ob wir die              bauen wie die Inkas Pyramiden, die Chinesen erfinden Pul-
Atomkraftwerke abschalten sollen, kann uns die Wissen-           ver und Papier.
schaft nicht einmütig sagen; sie zerfällt in Fraktionen, die
durchaus jeweils rational begründet konträre Meinungen           - das gilt auch für kulturelle Erfindungen: Erkenntnisse,
haben. Die Mehrheit der Bürger, vertreten durch ihre ge-         Weisheiten (Buddha, Konfuzius, Jesus). Wichtige Erfah-
wählten Politiker muß hier entscheiden: und u.U. so, daß es      rungen sind hier kondensiert, evtl. widersprüchlich, evtl.
wehtut. Daß man auf Lebensqualität etwa gar, zumindest           müssen sie gefiltert werden - was immer das heißt- aber
sofern sie in Konsum besteht. verzichten müßte.                  darüber kann kaum ein Zweifel sein, daß auch bei den gro-
         Orkane über Europa: wir hören die Nachrichten           ßen Dichtern und Denkern Menschliches erarbeitet wurde,
mit Furcht und Schrecken und fragen: wer macht das Wet-          das wir alle brauchen: die großen Werte, Ideen der
ter? Haben wir es schon so weit gebracht, zwar nicht das         Menschheit: Freiheit, Persönlichkeit (als individuelle Per-
Paradies - tags die Sonne, nachts den nötigen Regen - aber       son), Subjekt, Toleranz, Menschenrechte, Verzicht auf Ge-
wenigstens die Katastrophe produzieren zu können? Und,           walt, dafür Argumentation, der einzige legitime Zwang: die
wenn wir schon mit der Technologie als dem so schwieri-          Macht des besseren Arguments, Überzeugung im Gespräch,
gen Kind der Naturwissenschaften all das angerichtet haben       Bereitschaft zur wechselseitigen Revision der eigenen Posi-
sollen - können wir es dean auch wieder mit ihr selbst, mit      tion, Glücksanspruch, Glücksverlangen: Erlösungsgewiß-
einer gesteigerten Technologie beseitigen?                       heit, Erlösungsverlangen: so oder so, als Glaube an das
                                                                 transmundane Paradies, die Verheißung der Erlösung (theo-
                            ***                                  logisch), als Hoffnung auf Befreiung (säkularisiert), Solida-
                                                                 rität, usw.: bewußt unsortiert.

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Und das ist keine Schwäche des Denkens, keine Nacht, in           der Porschepilot das Hirn eines Affen hat (was seine menta-
der alle Katzen grau sind. Es ist die Dämmerung, in der die       len, geistigen, seelischen Bedürfnisse angeht). Zwar sind
Eule zu fliegen beginnt: der Vogel, welcher der Göttin            bestimmte Kopfpartien weit entwickelt: der moderne
Athene zugeordnet ist, die auch für Einsicht steht. Bei He-       Mensch kann rechnen, konstruieren, zivilisieren. Aber er
gel wird sie zum Symbol für die Philosophie, die als Refle-       hat weithin die Fähigkeit zu kultivieren verkümmern lassen.
xion am Abend, wenn die Ereignisse des Tages gelaufen             Ihm genügen Kotelett, Hamlet ist überflüssig.
sind, ihr Leben anfängt.                                                   Oder auch, als wirklich letzte Frage: hat der Affe
          Eine gewisse Ungewißheit, eine Koexistenz von           einen Smoking angezogen?
Klarheit und Unklarheit, von Bestimmtheit und Unbe-
stimmtheit, ein Schweben: ist erst einmal das, was fest           Nachtrag
bleibt. Denn die genannten Werte waren europäische; im
asiatischen Raum ist individuelle Person, Unsterblichkeit         Die FAZ, hinter der immer ein kluger Kopf steckt, berichtet
(eine Idee, die Kant fest behauptet - der sonst sehr religi-      in ihrer Ausgabe vom 23. April 1990 über ein Symposion
onskritisch argumentiert) gar nicht so wichtig. Eher das          "Hochschule 2000", zu dem die Spitzenorganisationen der
Gegenteil: Nirwana, Nichts, Auflösung.                            deutschen Wirtschaft (der Bundesverband der Arbeitgeber-
          Aber zurück zum staunenerregenden Urphänomen:           verbände, der Bundesverband der Deutschen Industrie, das
wir beobachten eine Entwicklung der menschengemachten             Institut der deutschen Wirtschaft [IW]) besonders die Uni-
Produkte, Werkzeuge vom Einbaum, durch Einstein ermög-            versitätspräsidenten eingeladen hatten. Motto: was die deut-
licht, zur Maxim Gorki und zwar seit Jahrtausenden, welt-         sche Wirtschaft der deutschen Wissenschaft rät. Glaubt
weit;       aber,      akzeleriert,     beschleunigt       in     man dem Berichterstatter dieses konservativen Blattes, so
schwindelerzeugende Geschwindigkeiten: im zentraleuro-            stimmte man bald in dem Ziel überein, Wissenschaft und
päischen, nordamerikanischen Raum. Wir staunen, daß in            Universitäten auf die Bedürfnisse der Wirtschaft auszurich-
Afrika, Asien, in Südamerika, in Ozeanien diese Entwick-          ten. Diese rein materiell orientierte Sicht begründete der
lung allenfals importiert, imitiert wurde. Sie bleibt als ra-     Präsident des IW: "Nicht einmal die griechische Antike hat
sende das Produkt des europäischen Menschen.                      es fertiggebracht, in ihrem Verständnis von Autonomie
          Das ist eine Tatsachenhehauptung oder -                 Geist und Materie so realitätsfern zu trennen, wie es im
beschreibung und noch kein Werturteil etwa gar aus ari-           deutschen Hochschulsystem geschieht." Und die FAZ
scher Arroganz fließend. Ob das gut, ob das schlecht ist, ob      kommentiert unverbesserbar: Nicht einmal die griechische
die Europäer die intelligenteren - durch Genmutation -            Antike also! Und was das schon für Spintisierer waren,
Menschen sind, bleibt unentschieden. Immerhin denkbar:            weiß man ja. Weiter aus der FAZ: Am deutlichsten wurde
wenn man z. B. beachtet, daß die Wiege der Menschheit in          der baden-württembergische Ministerpräsident Lothar
Afrika gestanden haben soll, daß wir also, Adam und Eva,          Späth. Er haspelte zunächst den bekannten Hinweis auf die
braun waren und wir Europäer quasi geweißt sind, gebleicht        Notwendigkeit von Forschung und Bildung [...] ab und
wurden - durch Genmutation stabilisiert - warum sollte            forderte dann mehr Studienplätze für Ingenieure. Aber auch
dann nicht auch im Mentalen eine Wandlung eingetreten             die musische Bildung soll nicht zu kurz kommen, weil es
sein? Die Frage muß auch gar nicht beantwortet werden.            sonst am "kreativen Potential" fehle [...] Die Geisteswissen-
Die Phänomene sind schon - wie Goethe meinte - die Leh-           schaften nehmen in diesem Szenario am Katzentisch Platz
re: wir sehen eine immer wachsende Verwissenschaftli-             und beschäftigen sich mit der Technologiefolgenabschät-
chung und Technisierung, die global ist und schon versucht,       zung. Dabei ist - auch bei ungeputzter Brille - prima vista
transglobal zu werden: so wie die Europäer vor 500 Jahren         evident, daß die Folgen der Technik nur vom Techniker
aufbrachen - Columbus entdeckte Amerika 1492 - , die              selbst abgeschätzt werden können (Näheres hierzu findet
Erde zu missionieren und zu kolonialisieren, so versucht          man schon bei Platon, Ion). Die FAZ weist darauf hin, daß
der weiße Mensch heute, das Weltall zu erobern. Dem Fort-         vor einiger Zeit - bei den linken Vögeln - alles gesellschaft-
schritt scheint keine Grenze gesetzt.                             liche Relevanz besitzen mußte; heute sei Geltung nur noch
                                                                  zu erreichen, wenn etwas wirtschaftlich verwertbar sei.
Schiller dichtete aber schon:                                     Völlig altmodisch und deshalb vergessen sei, wie der in
                                                                  höchstem Maße zu lobende FAZ-Berichterstatter notiert,
         Zu des Südpols nie erblickten Sternen                    daß Bildung zunächst und vor allem ein Recht des einzel-
         Dringt sein rastlos ungehemmter Lauf,                    nen sei.
         Alle Inseln spürt er, alle fernen
         Küsten - nur das Paradies nicht auf.                                                 * **

Der Klassiker, den wir heute nur noch als Straßennamen                     Sowohl die AKADEMIE AN BORD wie die
kennen, hat damit angedeutet, daß der fortschreitende mate-       AKADEMIE AUF MALLORCA sind eine Replik auf diese
rielle Fortschritt noch lange nicht das Glücks- und Erlö-         Situation: zu beider Philosophie gehört das Bewußtsein
sungsverlangen des Menschen stillt. Es kann verschüttet           dessen, was die Bibel schon seit Jahrtausenden als gewiß
werden, besonders dort, wo Kultur durch Konsum ersetzt            versichert: daß der Mensch vom Brot allein nicht lebe. Die
ist; aber zunächst muß quasi theologisch daran festgehalten       Arbeit am Recht auf Bildung ist der Inhalt der Akademie-
werden, daß der Mensch mehr ist als er ißt. Freilich, gerade      Tätigkeiten.
wenn man an Genmutation denkt: die Chance bleibt, daß

                                                   © 2001 litblockín Verlag
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