Unser Profil - Der Mensch ist keine Labormaus
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SoSe 2019 Unser Profil GESUNDHEIT M AT E R I A L I E N V E R S T E H E N – LEBEN RE SSOURCEN SCHONEN Der Mensch ist Picknick keine Labormaus auf Bagasse
↖ Titelbild: Annika Wesbuer studiert zu neuen Werkstoffen, die unser Leben erleichtern, Ressourcen schonen und der Gesundheit dienen. Mehr dazu auf den Seiten 12 / 13. Foto Martina Weiland
Editorial Unser Profil für die Zukunft ist längst Gegenwart Worin unterscheiden wir uns von anderen Hochschulen, was macht uns erfolgreich für Förderprogramme und zukunftsfähig? Mit diesen Fragen haben wir uns vor einigen Jahren bei einem Innovationsworkshop mit Exter- nen und bei mehreren Open-Space-Veranstal- tungen beschäftigt. Zwei Themenfelder machten das Rennen: „Materialien verstehen – Ressourcen schonen“ und „Gesundheit leben“. Diesen beiden Profillinien, als Entwicklungsfeld Kontakt Prof. Dr. Ute von Lojewski „Inhaltliche Profilierung“ im aktuellen Hoch- praesidentin@fh-muenster.de schulentwicklungsplan verankert, widmet sich Foto Thorsten Arendt die aktuelle Ausgabe der fhocus. Dass es in den beiden Profillinien Überschneidungen gibt, ist typisch für unsere Hochschule – und passt gut zu unserem Jahresmotto für 2019 „gemeinsam weiter denken“. Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen Prof. Dr. Ute von Lojewski Präsidentin der FH Münster 3
Inhaltsverzeichnis SoSe 2019 Schwerpunkt Inhaltliche Profilierung Editorial Materialien verstehen – Gesundheit leben Ressourcen schonen 03 Unser Profil für 24 Ein neuer Ansatz die Zukunft ist längst 08 Kostbar und knapp in der Krebstherapie Gegenwart 10 Nährstoffe 26 Eine Brücke zwischen Inhaltliche Profilierung zurückgewinnen – zwei Welten 06 Zwei mit einem Ziel Regionen entlasten 28 Vertrauen ist gut, 12 Werkstoffe der Sicherheit ist besser Zukunft 30 Auf die Augen ist nicht 14 Sensoren im Ofen immer Verlass 16 Picknick auf Bagasse 32 Der Mensch ist keine Labormaus 18 Wachstum: Weniger ist mehr 34 Der Ratsuchende ist Experte für sich selbst 20 Update für Plattenbauten 22 Forschung für Berufungen sicheres Spielzeug 36 Willkommen an der FH Münster Prof. Cornelia Haas Prof. Dr. Eik-Henning Tappe Prof. Dr. Carmen-Maria Albrecht Prof. Dr. Julian Löhe Prof. Dr. Markus Gregor Prof. Dr. Anke Kohmäscher 38 FH Münster im Profil 39 FH-Storys Hinweis zur geschlechter- Impressum gerechten Sprache fhocus Ausgabe 34 www.fh-muenster.de Die Gleichberechtigung aller Geschlech- ter ist im Leitbild der FH Münster ver- ankert. Nach Möglichkeit verwenden wir Herausgeber Die Präsidentin der FH Münster geschlechtsneutrale Formulierungen. Redaktion Pressestelle der FH Münster: Katharina Kipp (V. i . S. d. P.), Anne Holtkötter Gestaltung BOK + Gärtner GmbH, Münster, www.bokundgaertner.de Wo sich dies nicht umsetzen lässt, be- Korrektorat Lektorat Schreibweise, Hamm nutzen wir aus Gründen der besseren Druck Blömeke Druck SRS GmbH, Herne Lesbarkeit das generische Maskulinum. Papier Umschlag MultiOffset 190 g/m², Innenteil MultiOffset 100 g/m² Selbstverständlich sind dabei alle Ge- Auflage 1.400 Stück schlechter eingeschlossen. ISSN 1610-2592 5
Zukunftsfähig bleiben! Dieser Anspruch war der Grund dafür, eine inhaltliche Profilierung als Entwicklungsfeld im aktu- ellen Hochschulentwicklungsplan zu definieren. Kontakt Prof. Dr. Gernot Bauer gernot.bauer@fh-muenster.de Carsten Schröder schroeder@fh-muenster.de Warum sich „Materialien verstehen – Ressourcen schonen“ und „Gesund- heit leben“ als Profillinien dafür beson- ders eignen, dazu sprach fhocus mit Prof. Dr. Gernot Bauer, Vizepräsident für Zwei Forschung und Hochschulplanung, und Carsten Schröder, Vizepräsident für Transfer, Kooperation und Innovation. mit einem Ziel Text und Foto Anne Holtkötter 6 fhocus Ausgabe 34
Inhaltliche Profilierung „Wir verstehen die Hochschule als Innovations- motor für die Region.“ Carsten Schröder fhocus: Warum wurden es gerade diese beiden Pro- fillinien? Bauer: In den Workshops und Open-Space-Veranstaltun- Bauer:Wir sind jetzt „Inno- anderen Kompetenzfelder Info gen wurde bewusst darauf ge- vative Hochschule“, haben die unserer Hochschule. Unsere Die FH Münster ist drittmittel- achtet, den Bogen weit zu span- grenzüberschreitende Zusam- große Stärke liegt ja in der stärkste Fach- nen – vielseitig und fächerüber- menarbeit mit den Niederlan- enormen fachlichen Band- hochschule. Im vergangenen greifend zu denken, aber nicht den gestärkt und bekommen breite. Ich sehe weiterhin Jahrzehnt ha- beliebig. So bindet „Gesundheit ein neues Optikzentrum. Diese meine Aufgabe vor allem da- ben wir die Drittmittel ver- leben“ unter anderem Kompe- und viele weitere Bewilligun- rin, leistungsfähige Prozesse doppelt. tenzen des Fachbereichs Phy- gen gehen mit einer Finanzie- und Strukturen für Forschung Aktuell punkten sikalische Technik im Bereich rung von Personal einher. Auch und Transfer gemeinsam mit können wir mit der Medizintechnik wie auch die Profilierung funktioniert. unseren Wissenschaftlerin- neu bewilligten ↖ Haben Projekten, dank strategische Ent- des Fachbereichs Gesundheit Die FH Münster wird noch nen und Wissenschaftlern EFRE-Förderung, scheidungen in ZIM, FHprofUnt, Forschung und in den Rehabilitationswissen- stärker als Expertin in diesen zu entwickeln und Koopera- Interreg-VA-Pro- Transfer im Blick: schaften ein. „Materialien ver- Themenfeldern wahrgenom- tionen auf- und auszubauen. gramm „Deutsch- Carsten Schröder stehen – Ressourcen schonen“ men und angesprochen. Unsere Gesellschaft ist auf land-Nederland“, (l.) und Prof. Dr. Gernot Bauer. Innovative Hoch- lässt sich mit vielfältigen The- Innovationen angewiesen. schule, münster. men füllen: von der nachhal- fhocus: Wie wichtig ist die Bauer: Ich widme mich vor land.leben und FH Invest tigen Produktentwicklung bei FH Münster in der Region? allem der akademischen Seite, des BMBF. den Designern bis zur Rückge- Schröder: Unbescheiden for- unterstütze kooperative Pro- winnung von Spurenmetallen muliert: sehr. Wir verstehen motionen und versuche, An- bei den Bauingenieuren. die Hochschule weiter als In- reize dafür zu setzen, dass die Carsten Schröder: Eine Such- novationsmotor für die Region. Hochschule neue Forschungs- spur bei der Strategieentwick- Eine gute Gesundheitsversor- felder erschließt. Letztendlich lung war damals unter anderem, gung, Teilhabe und Wohlbe- haben wir beide ein Ziel: die welche gesellschaftlichen oder finden sind schöne Beispiele Forschung an unserer Hoch- technologischen Herausfor- hierfür. Sie sind sehr harte schule weiter zu intensivieren derungen auf nationaler und Faktoren bei der Fachkräftege- und ihre Resultate breit ver- europäischer Ebene definiert winnung. Im Wettbewerb der fügbar zu machen. wurden. Regionen setzen wir aktuell viele Impulse und kommen fhocus: Was braucht es Ist uns das fhocus: unserer gesellschaftlichen denn gerade momentan? gelungen? Verpflichtung nach. Digitali- Schröder: Wie gesagt, stra- Schröder:Ja. Unsere beste- sierung, Personalentwicklung, tegische Entscheidungen grei- henden Institute haben sich Ressourceneffizienz – all dies fen manchmal erst mittel- bis neu ausgerichtet, neue sind ent- sind entscheidende Kriterien langfristig. Somit könnte ich standen. Und wir haben unser für den Erfolg unserer mittel- flapsig sagen: „einen langen Marketing noch strategischer ständischen Unternehmen. Atem“. Die beeindruckenden ausgerichtet. Manche unserer Erfolge unserer Wissenschaft- Bemühungen tragen erst jetzt Was ist Ihre per- fhocus: ler in den letzten Jahren zeigen, Früchte, was aber eine Bestä- sönliche Rolle dabei? dass wir alle zusammen einen tigung dafür ist, sich immer Schröder: Die inhaltliche guten Riecher bei der Themen- frühzeitig über die Zukunft Profilbildung geschieht aus- setzung hatten. • Gedanken zu machen. drücklich nicht zulasten der 7
Kostbar und knapp Endlose Weite und vor allem eine schier nicht enden wollende Menge an Sand – diesen Eindruck gewinnen Reisehungrige in einer Wüste. Doch der Eindruck täuscht. Denn Sandvorräte sind endlich und hierzulande vor allem eins: knapp. Diese Tatsache macht Sand zu einem kostbaren Rohstoff. Text und Fotos Katharina Kipp 8 fhocus Ausgabe 34
Materialien verstehen – Ressourcen schonen „Jedes Kind kennt Sand, aber man irrt sich schnell: Die Vorräte sind endlich!“ Info „Wir verbrauchen sehr viel Sand, vor allem zum Prof. Dr. Frank Heimbecher Sand ist kostbar, Bauen“, sagt Prof. Dr. Frank Heimbecher von un- und seit Jahren steigt der Preis. serem Fachbereich Bauingenieurwesen. Für ein Die Preissteige- klassisches Einfamilienhaus benötigt man circa rung in Deutsch- land liegt aktuell 200 Tonnen dieses Rohstoffs, weltweit sind es Das gilt auch für die Einfuhr von Sand aus fer- bei 31 Prozent schätzungsweise 15 Milliarden Tonnen für ver- nen Ländern. „Die langen Transportwege sind gegenüber dem Jahr 2000. schiedenste Bauvorhaben. Doch Sand ist nicht aus Gründen der Nachhaltigkeit eigentlich schon gleich Sand. „Er ist ein natürlich vorkommendes, ein Tabu. Stattdessen sollte man lieber bestehende unverfestigtes Sediment, entstanden im Laufe von Sandvorkommen in der Region nutzen.“ Doch das Millionen von Jahren durch Verwitterungsprozesse ist nicht so einfach: Eine Sandgrube darf nicht an Festgesteinen. Sand besteht aus Mineralkör- überall aufmachen. „Man muss ein Genehmigungs- nern, vorwiegend Quarzkörnern, von 0,063 bis verfahren durchlaufen, die Auflagen sind sehr hoch, 2,0 Millimeter. Vor allem der Quarzsand ist ein die Besiedelungen reduzieren die Möglichkeiten er- bedeutender Rohstoff für das Bauwesen – und heblich. Und auch das ist keine dauerhafte Lösung.“ das ist das Problem“, erklärt der Wissenschaftler. Heimbecher versucht daher, seine Studierenden für In der Sahara gibt es zwar Sand ohne Ende. Für den gewissenhaften Umgang mit der kostbaren Bauvorhaben aber ist er nicht zu gebrauchen. Der Ressource zu sensibilisieren. „Wir haben hohe Grund: „Er ist zu fein und rundgeschliffen. Durch Anforderungen an zukünftige Bauwerke, machen die fehlenden Kanten und glatten Oberflächen uns aber keinen Kopf um die Sandvorräte. Das verzahnen sich die Körner schlecht.“ Genau das müssen wir dringend ändern.“ ↖ Grob- oder ist aber wichtig. Denn der ideale Baugrund besteht feinkörnig – nicht jeder Sand eignet aus einem Sand-Kies-Gemisch. Es ist frostsicher Bauwerke ressourcenschonend planen sich zum Bauen. und lässt sich gut verdichten. Der Kies hat eine Deshalb hat Heimbecher zusammen mit seiner gröbere Struktur, die Sandkörner dazwischen Kollegin Prof. Dr. Sabine Flamme ein Mastermo- füllen die Hohlräume und verzahnen sich mit dul zum Thema Ressourcenschonung aufgebaut. den umgebenen Körnern. „Wenn man so will, ist „Wir müssen bereits während der Planung der Sand ein verbindender Lückenfüller.“ Die Böden Bauwerke noch stärker als bislang den gesam- müssen tragfähig und belastbar sein. Ohne Sand ten Lebenszyklus der Bauwerke berücksichtigen. ↖ Prof. Dr. Frank Heimbecher wird das schwierig! Und er ist nicht nur wichtig Vor allem auch den Rückbau und die Wiederver- lehrt am Fach- im Haus- oder Straßenbau, sondern zum Beispiel wendung der eingesetzten Materialien“, sagt der bereich Bau- ingenieurwesen auch bei Brücken oder Tunnelbauwerken. Hier wird Hochschullehrer. „Abreißen und neu bauen wird unserer Hoch- schule. viel Stahlbeton verbaut. Dieser besteht zu einem zukünftig nur noch unter ressourcenschonenden Drittel aus Zement und zu zwei Dritteln aus Sand Gesichtspunkten funktionieren.“ Das Thema der und groben Gesteinskörnungen. Ressourcenschonung betreffe alle, und auch des- halb werde in der Vorlesung mit den Masterstu- Altes Material recyceln dierenden eifrig diskutiert. Sie alle haben bereits Richtige Alternativen gibt es aktuell nicht, und erste Berufserfahrungen gesammelt, sei es als Sand künstlich herzustellen ist keine Option – zu Planer, Mitarbeiter in Behörden oder ausführenden aufwendig und zu teuer. Stattdessen lässt sich altes Bauunternehmen. Durch ihre Verknüpfung mit Material etwa zu Brechsand recyceln. Der Preis der Praxis wissen sie genau, worum es geht. „Jedes liegt hier aber deutlich höher als bei natürlichem Kind kennt Sand, aber man irrt sich schnell: Die Sand. Auch muss die Qualität beachtet werden. Vorräte sind endlich!“ • Kontakt Prof. Dr. Frank Heimbecher heimbecher@fh-muenster.de 9
Nährstoffe zurückgewinnen – In Gülle steckt viel drin. Phosphor, Stickstoff und Kalium etwa – lebenswichtige Bausteine für alle Lebewesen. Regionen entlasten Prof. Dr.- Ing. Christof Wetter und sein Team konzentrieren die Nährstoffe aus der Gülle. Text Maxi Krähling Fotos Theresa Gerks (rechts), Juliana Rolf 10 fhocus Ausgabe 34
Materialien verstehen – Ressourcen schonen „Zukünftig könnte man maßge- Kontakt schneiderte Düngemittel anbieten.“ Prof. Dr. Christof Wetter christof.wetter@fh-muenster.de Elmar Brügging „Mithilfe des Separators lässt sich die Hälfte des Gesamtphosphors aus der Gülle konzentrieren“, sagt Prof. Wetter. „Je feiner die Siebe, desto besser ist der Abscheidegrad der Nährstoffe“, ergänzt Brügging. Schwieriger ist die Aufbereitung der flüssigen Phase. Darin stecken die restlichen 50 Prozent des Phosphors. Dazu haben die Forscher Versuche mit ↖ Lukas Wettwer Flockungsmitteln durchgeführt. Diese bündeln in fügt das Flo- der flüssigen Phase besonders feine Partikel, die ckungsmittel den Gülleproben zu. sich dann besser abscheiden lassen. „Unsere Flockungsmittel bestehen aus Kartoffel- 200 Millionen Tonnen Gülle und über 82 Millionen und Erbsenstärke. Der Clou an der Geschichte Tonnen an Gärresten – so viel fällt jährlich von ist, dass sie biologisch abbaubar sind und bis zu diesem natürlichen Dünger in Deutschland an. 100 Prozent des Phosphors abscheiden“, erklärt Dadurch entsteht ein Überschuss an Nährstoffen, Prof. Wetter. Weil sie biologisch unbedenklich der in manchen Regionen überdüngte Böden und sind, dürfen sie ohne Probleme als Düngemittel eine erhöhte Nitratbelastung des Grundwassers genutzt werden – und die Pflanzen erhalten den ↖ Flockungs- zur Folge hat. Die aktuelle Düngeverordnung ver- wichtigen Phosphor. „Da die ersten Versuche sehr ergebnis nach der Zugabe schärft diese Lage zusätzlich. Denn sie regelt, wie positiv verlaufen sind und auf ein großes Poten- unterschiedli- der Wirtschaftsdünger gelagert und ausgebracht zial hindeuten, werden wir ein Anschlussprojekt cher Mengen an Flockungs- werden soll: Ein größerer Teil der Gülle muss beantragen“, sagt Brügging. mitteln deswegen länger auf den Höfen verbleiben. Ein weiterer Vorteil: Nach mehreren Filtrations- Landwirte und Biogasanlagenbetreiber müssen die stufen mit den Flockungsmitteln bleibt von der Gülle und Gärreste aber loswerden. „Allerdings Gülle nicht viel übrig – nur noch Wasser sowie kostet der Abtransport je nach Region und Jah- Phosphor, Stickstoff und Kali. „Das sind die drei reszeit zwischen 10 und 20 Euro pro Kubikmeter Nährstoffe, die im Ackerbau ohnehin als Haupt- Dünger“, erklärt Elmar Brügging, Koordinator düngemittel eingesetzt werden. Zukünftig könnte des Forschungsteams von Prof. Wetter. Das ist man damit maßgeschneiderte Düngemittel an- kostenintensiv – und eigentlich lässt sich die Gülle bieten, je nach Bodenbeschaffenheit und Bedarf wesentlich effektiver nutzen. Deshalb haben die der Landwirte, ohne die Gülle auf die Felder zu Forscher in Zusammenarbeit mit der BETEBE fahren“, erklärt Brügging. GmbH aus Vreden einen Separator entwickelt und optimiert. Der kann Schweine- und Rindergülle Die Arbeit am Separator hat sich gelohnt, das Pro- sowie Gärreste hochwertig aufbereiten. jekt ist abgeschlossen. „Das Interesse der Landwirte ist da, die Maschine ist wirtschaftlich einsetzbar Dieser Separator trennt die Gülle mithilfe feiner und wird auch schon von BETEBE vertrieben“, so Siebe in eine feste und eine flüssige Phase und Prof. Wetter zum Erfolg. Ein großer Betrieb habe konzentriert die vorhandenen Nährstoffe. Einer bereits eine Anlage mit 20 Fördersäulen bestellt – davon ist Phosphor – ein essenziell wichtiger Nähr- ein normaler Separator hat zwei. „Das ist denkbar stoff für Pflanzen, Tiere und Menschen. Ohne günstig. Die Anlage verarbeitet die Gülle direkt Phosphor wäre kein Leben möglich, denn er ist beim Betrieb und kann kontinuierlich laufen“, elementar für das Pflanzenwachstum und Teil der sagt Lukas Wettwer. Als zuständiger Ingenieur menschlichen DNA. Darüber hinaus ist Phosphor für dieses Projekt hat er seine Masterarbeit über ein endlicher Rohstoff. die Optimierung des Separators geschrieben. • 11
Werkstoffe der Zukunft Auf dem Steinfurter Campus ist der neue Master Materials Science and Engineering gestartet. Zukünftige Absolventen können sich auf exzellente Berufsaus- sichten freuen. Text und Foto Martina Weiland „Ich studiere Materialwis- senschaft, weil dieses Fach eine gute Mischung aus Kontakt Prof. Dr. Hans-Christoph Mertins Chemie und Physik bietet mertins@fh-muenster.de und man anwendungs- bezogenes Forschen lernt.“ Prof. Dr. Thomas Jüstel tj@fh-muenster.de Ruth Kühn kuehn@fh-muenster.de Annika Wesbuer 12 fhocus Ausgabe 34
Materialien verstehen – Ressourcen schonen Ob Elektroauto oder Touchscreen-Handy, Leicht- „Ich studiere Materialwissenschaft, weil dieses Fach bau-Airbus oder Bio-Implantat: Ohne neue Werk- eine gute Mischung aus Chemie und Physik bietet stoffe und Materialien geht heute gar nichts mehr. und man anwendungsbezogenes Forschen lernt“, Die Materialwissenschaft gilt als eine der Schlüs- sagt Annika Wesbuer, die zuvor ihre Bachelorar- seldisziplinen des 21. Jahrhunderts. Aktuellen Stu- beit in Physikalischer Technik und Praktika in der dien zufolge sind auf deren Entwicklung rund Sensortechnik absolviert hat. „Ich bin mit meinen 70 Prozent aller Innovationen zurückzuführen. Interessen hier sehr gut aufgehoben.“ Ebenfalls Mit dem neuen Masterprogramm bildet die bringen Studierende, die zuvor einen Bachelor ↙ Annika FH Münster genau diese Experten aus, die neue Chemieingenieurwesen abgeschlossen haben, Wesbuer (l.) und Wen Yao Materialien und Werkstoffe für industrielle Ver- das nötige Wissen für die Einschreibung mit. In Lim aus Ma- fahren sowie moderne Produkte entwickeln und Brückenkursen zur jeweils anderen Fachdisziplin laysia studie- ren im Master- Probleme in der Energie- oder der Informations- können die Studierenden ihr Grundlagenwissen programm. technologie lösen können. im ersten Semester erweitern. Synergien im Studium „Neue Materialien sind die Basis für fast alle techni- schen Innovationen“, beschreibt Prof. Dr. Thomas Jüstel vom Fachbereich Chemieingenieurwesen die hohe zukünftige Bedeutung. Der Studiengang „Neue Materialien kombiniert Materialwissenschaften mit Werkstoff- technik und vermittelt Wissen von der Festkörper- sind die Basis für physik bis hin zur Polymerwissenschaft. „Physiker verstehen es gut, neue Materialien zu designen, aber beim Herstellen, da haben die Chemiker fast alle technischen die Krone auf“, erklärt Prof. Dr. Hans-Christoph Mertins vom Fachbereich Physikalische Technik Innovationen.“ die Synergieeffekte. Denn durch die interdiszipli- näre Zusammenarbeit einzelner Forschungslabore gelinge es, ganz spezielle Materialeigenschaften auf mikroskopischer und makroskopischer Ebene Prof. Dr. Thomas Jüstel zu modellieren. Viele offene Türen für Absolventen In Deutschland erzielen material- und werkstoff- Start des Masterprogramms basierte Branchen laut Aussage der Deutschen Seit dem Wintersemester 2018/19 gibt es das neue Gesellschaft für Materialkunde e.V. einen Um- Masterprogramm an unserer Hochschule. Und satz von rund einer Billion Euro im Jahr – und die Nachfrage ist enorm. „Rund 120 Studieninte- sichern auf diese Weise fünf Millionen Arbeits- ressierte aus aller Welt hatten sich für einen der plätze. Denn das Wissen von Materialwissenschaft- 20 Studienplätze beworben“, erklärt Ruth Kühn lern ist in zahlreichen Branchen gefragt: etwa in vom Institut für Technische Betriebswirtschaft. der Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie, Die ersten Studierenden des englischsprachigen Kraftwerkstechnik, Elektroindustrie, chemischen Programms, das vorwiegend physikalisches und Industrie, Mikroelektronik, Glas-, Kunststoff- und chemisches Wissen verknüpft, kommen aus Ma- Metallverarbeitung, Optik, Laser- und Lichttech- laysia, Pakistan, Thailand, der Türkei und Deutsch- nik, Medizin- und Umwelttechnik und natürlich im land. Und nach wie vor landen wöchentlich Maschinenbau. Außerdem forschen sie in staatli- zwei bis drei neue Anfragen im E-Mail-Konto chen Institutionen sowie Forschungseinrichtungen. der Studienberaterin. Insgesamt also hervorragende Aussichten. • 13
Wie gut Wärme auf Gipsplatten wirkt und diese trocknet, hat das Team vom Labor für Strömungstechnik zusammen mit dem Projektpartner trilogik untersucht. Statt Gipskarton kam dafür eine Platte mit Sen- sorik in den Ofen. Text Theresa Gerks Fotos Theresa Gerks (rechts), Nico Volbert Sensoren im Ofen ↘ Weil die Platte nur sehr flach sein darf, hat das Team mit winzi- ger Sensorik gear- Kontakt beitet. Das ist Prof. Dr.-Ing. Hans-Arno Jantzen die Nahaufnahme jantzen@fh-muenster.de eines Wärme- übergangssensors Dennis Borgmann mit einem Milli- meter Durchmesser. dborgmann@trilogik.de 14 fhocus Ausgabe 34
Materialien verstehen – Ressourcen schonen Der Apfelkuchen backt vor sich hin. Und während Info Gipsplatte simulieren sein Duft schon verführerisch durch die Küche Die Abkürzung So weit, so gut. Das Ziel steht, und Projektpartner ZIM steht für tanzt, blinzelt der Hobbybäcker auf die Eieruhr „Zentrales trilogik aus Emsdetten sieht in der Idee großes und fragt sich: Ist der Kuchen wohl schon überall Innovations- Potenzial, ein innovatives Messverfahren für die programm gar? Zeit für die Stäbchenprobe. Mittelstand“. Gipsplattenproduktion anbieten zu können. Um Unterneh- aber die Heißluftanpassung im Ofen richtig ein- men und Manche Ingenieure backen sogar beruflich – Gips- Forschungsein- zustellen, muss man wissen: Wie gut wirkt die platten. Sie sind zum Beispiel beim Häuserbau nö- richtungen Wärme auf die Gipsplatte? Jantzens Team mit den erhalten dabei tig, viele Wände bestehen aus ihnen. In der Produk- Förderungen wissenschaftlichen Mitarbeitern Nico Volbert und tion wird der Gips flüssig in Formen gegossen, da- vom Bundes- Marek Kapitz entwickelte deshalb eine komplexe ministerium rauf kommt robuste Pappe. Das Ganze wird dann für Wirtschaft Sensorikeinheit. „Eigentlich simulieren wir damit in einen 100 Meter langen Ofen geschoben. Die und Energie. eine Gipsplatte“, erklärt Volbert. Der Kasten aus Stahl ist flach genug gebaut, die Platten auf ihrer Fahrt durch den Ofen zu begleiten. In seinem Inne- „Das ist ein echter ren ist jede Menge Technik verbaut. „Und die muss einiges aushalten, denn die Temperaturen können Mindblower!“ deutlich über 200 Grad liegen. Je nach Prozess dau- ert die Trocknung mehrere Stunden“, sagt Frederik Grote von trilogik. Darum muss das Equipment Dennis Borgmann hitzebeständig sein. Die Sensoren sind deshalb mit geschweißten Kontakten verbaut – gelötete heiße Luft strömt durch viele schlitzförmige Dü- Kontakte würden bei sehr hohen Temperaturen sen direkt auf die Gipsplatten, damit diese schnell schmelzen. Auch die Elektronik muss aus tem- „gar“ werden, also trocknen können. „Und genau da peraturstabilen und energiesparenden Bauteilen liegt das Problem“, sagt Prof. Dr.-Ing. Hans-Arno wie Spannungsreglern und Mikroprozessoren Jantzen vom Fachbereich Maschinenbau. „Die sein, da es innerhalb des Stahlgehäuses 90 Grad heiße Luft kommt unkontrolliert aus dem Schlitz, heiß werden kann. Und fällt die Elektronik aus, und so trocknet der Gips nur ungleichmäßig.“ Bes- würde das im schlimmsten Fall einen totalen ser müsste die heiße Luft exakt gleich auf die kom- Datenverlust der Messung bedeuten. plette Gipskartonplatte herausgeblasen werden. „Das verkürzt die Trocknungszeit, und die Anlage In der realen Anlage lässt sich deutlich kleiner bauen. Das wiederum Das Team vom Strömungstechniklabor legte los: spart Geld und Energie – sowohl in der Anschaf- Erst mit Handberechnungen und theoretischen fung als auch im Betrieb.“ Betrachtungen, dann mit professioneller Simulati- onssoftware. In den letzten eineinhalb Jahren ent- stand so die Gipsplatte 2.0. Und jetzt ging es zum Projektabschluss in die Anlage, um Laborwerte und Realität abzugleichen. Das war ein großer Erfolg – denn die Simulationen stimmten, die Sen- ↖ Die Experten sorik-Gipsplatte hielt der Hitze stand und zeichnete checken die Sensorikplatte, die gesuchten Werte der Wärmeübertragung auf. die die Echt- Obendrein hat das Team in diesem ZIM-Projekt zeitmessung überstanden hat nicht nur dafür gesorgt, dass die Chips mit den (v. l.): Prof. Dr. Hans-Arno Sensordaten überleben. Zur Sicherheit haben die Jantzen, Dennis Entwickler auch noch eine Funkstrecke eingebaut, Borgmann, Max Filor (beide die die Daten praktisch wie beim WLAN direkt trilogik), Nico Volbert, in Echtzeit an einen Laptop weiterleitet. Frederik Grote (trilogik) und Marek Kapitz. „Meines Wissens nach sind wir die Ersten, die das in dieser flachen Bauweise über so viele Stunden hin- gekriegt haben“, sagt Jantzen. Das freut auch den Projektpartner. „Das ist ein echter Mindblower!“, sagt Dennis Borgmann von trilogik begeistert. • 15
Picknick auf Bagasse 16 fhocus Ausgabe 34
Materialien verstehen – Ressourcen schonen Studierende unserer Hochschule haben kom- postierbarem Einweggeschirr ein neues Design verpasst. Für das Projekt „Esskultur“ kooperierte Prof. Steffen Schulz mit einem Unternehmen in Norddeutschland. Text Anne Holtkötter Fotos Larissa Schmidt (links), Team „Sharing is caring“ Ein Projekt mit Haltung sei das, nachhaltig und Auch wenn „Sharing is caring“ vielleicht nie den zukunftweisend. Deshalb habe sich Pia Willing Weg auf Picknickwiesen schafft, weil bei Bionatic für den Kurs bei Prof. Steffen Schulz angemeldet. die „Genusswellen“ eines anderen Teams hoch im Info Die Aufgabe: für die Bionatic GmbH & Co. KG Kurs stehen – Willing war begeistert: vom Thema, Bionatic-Gründer in kleinen Teams eine zum Rohstoff adäquate dem Austausch in der studentischen Projektgruppe, Robert Czichos ist Absolvent unse- Gestaltung für Einweggeschirr und die Umver- dem experimentellen Ausprobieren. Und auch rer Hochschule: packung zu entwerfen. „Das mittelständische Un- von der praxisnahen Erfahrung, dass nicht alles Am Fachbereich Wirtschaft hat ternehmen in Bremen beliefert Gastronomen und wie gewünscht glattgeht. „Wir mussten für die er sein BWL-Dip- Einzelhändler mit Lebensmittelverpackungen und Prototypen Kunststoff verwenden und haben ver- lom gemacht. Einweggeschirr aus nachwachsenden und recycel- sucht, die grobkörnige Struktur von Bagasse mit ten Rohstoffen“, erklärt der Hochschullehrer für Granitspray nachzustellen, Pannen gab es beim Produktdesign. Beim „Budenzauber“ in Münster, Kleben von Einzelteilen.“ Bei der Präsentation im wo die Studierenden ihre Kleinserien zum Advent Unternehmen lief alles wie am Schnürchen. „Für ↖ „Sharing“ ist eine der beiden verkaufen, wurde Schulz von einem Mitarbeiter uns war das Projekt eine Premiere. Wir hatten eine Produktlinien von „Sharing is caring“: der Firma angesprochen: Mit dem Design ihres grobe Idee, wie es laufen könnte, keine konkreten Der dreiteilige Einweggeschirrs aus Bagasse, das sind faserige, Erwartungen. Am Ende waren die präsentierten Teller ist eher für den privaten Ge- gemahlene Überreste aus der Zuckerrohrfabrika- Konzepte und das Engagement der Studierenden brauch gedacht – einer füllt auf tion, seien sie nicht zufrieden. Schulz war sofort sehr beeindruckend“, so das Fazit von Firmen- und teilt mit den begeistert. „Wäre es um Plastik gegangen, hätte gründer Robert Czichos. Und auch Willings Bilanz anderen. „Caring“ besteht aus ei- ich abgelehnt, hier habe ich sofort zugesagt.“ fällt gut aus: Sie kann sich vorstellen, beruflich nem stapelbaren Behältnis in zwei im Produktdesign Fuß zu fassen. • Größen mit teilba- Für Pia Willing und ihre Kommilitonen begann rem Aufsatz zum Essen und eignet es, wie immer bei Schulz’ Projekten, mit der Re- sich für Food- trucks und den Trans- cherche: zur Esskultur, zu Einweggeschirr und port zum Tisch. Verpackungen. „Für mich war das eine Premiere, Eine Perforation zum Teilen ha- damit hatte ich mich noch nie so intensiv beschäf- ben beide Linien. tigt“, erzählt die 21-Jährige. Sie und ihr Team über- legten sich dann als Erstes, welche Botschaft ihr Entwurf vermitteln sollte. Der Name des Geschirrs „Sharing is caring“ ist also auch Programm. Dank einer Perforation lassen sich die Teller halbieren oder dritteln, auch die Servietten und das Besteck passen jeweils für zwei – das unterstreiche den Ge- meinschaftsgedanken. Der Name des Sets könnte aber auch fürs gesamte Projekt gelten. Denn es unterstützt jene, mit denen wir uns die Erde teilen. ↖ Eines von fünf Die Bagasse wird in Indien gewonnen und das bis- Teams: Larissa Schmidt, Pia herige Einweggeschirr auch dort produziert. „Im Kontakt Willing, Amanda Kock und Rebecca Übrigen unter zertifizierten Arbeitsbedingungen“, Prof. Steffen Schulz Arnold (v.l.) mit steffen-schulz@fh-muenster.de wie Schulz weiß. „Sharing is caring“. 17
Wachstum: Weniger ist mehr! Was haben Hamster mit dem Wirtschaftswachstum zu tun? Jede Menge! Denn das Tier dient in einem Video als Beispiel für den Irrsinn endlosen Kontakt exponentiellen Wachstums. Prof. Dr. Nina V. Michaelis michaelis@fh-muenster.de Dass das nicht sein muss, zeigt Prof. Dr. Nina Michaelis von unserem Fachbereich Wirtschaft, der Münster School of Business (MSB). Text und Foto Susanne Lüdeling Ein Hamster verdoppelt ab der Geburt jede Wo- Ressourcenschonend konsumieren che sein Gewicht. Würde sein Wachstum bis zu „In der traditionellen BWL wird Studierenden ver- seinem ersten Lebensjahr so weitergehen, wöge mittelt, Gewinne zu maximieren und Produkte so das Tier neun Milliarden Tonnen und fräße die effizient wie möglich zu produzieren. Effizienz jährliche weltweite Getreideernte an einem Tag ist gut, aber oft geht die rein wirtschaftliche Aus- auf – und wäre immer noch hungrig. Das Beispiel richtung auf Kosten zukünftiger Generationen – aus dem Video „The Impossible Hamster“ der „New denn Ressourcen sind endlich“, so Michaelis. „Ein Economics Foundation“ zeigt: Jedes Wachstum in Mehrverbrauch der kostbaren Rohstoffe führt dazu, der Natur hat seine Grenzen. Beim Wirtschafts- dass die Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit wachstum gehen Ökonomen aber davon aus, dass überschritten werden“, berichtet die VWL-Expertin dieses immer weitergeht und ein endloser Anstieg weiter, die gemeinsam mit Prof. Dr. Bert Kiel, Hoch- theoretisch möglich sei. Aber nicht alle Ökonomen schullehrer für International Marketing and Sales, ticken so. Die Volkswirtin Michaelis plädiert für und Dr. Therese Kirsch, Lehrkraft für Logistik und eine nachhaltige Wirtschaft als einen wichtigen Nachhaltiges Wirtschaften, ein neues Aufbau- und Schritt hin zu einem gesunden Wachstum. Erweiterungsmodul zu der Thematik entwickelt hat. Dieses heißt „Nachhaltiges Wirtschaften“ und wird bereits seit zweieinhalb Jahren angeboten. Bei den Studierenden stößt es auf großes Interesse. 18 fhocus Ausgabe 34
Materialien verstehen – Ressourcen schonen „Die Transformation zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft muss von der gesamten Gesell- schaft beschleunigt werden – damit können wir schon heute im Hörsaal beginnen.“ Prof. Dr. Nina Michaelis ↗ Brennt für das Thema Nachhaltig- keit in der Öko- nomie: Prof. Dr. Nina Michaelis in der Ringvorlesung „Ak- tuelles Wirtschafts- geschehen – ver- Wurzel des Umdenkens, und darüber kann Nach- ständlich und kom- haltigkeit beeinflusst werden. Wir können Werte pakt“ am Fach- bereich Wirtschaft. nur in einem Diskurs vermitteln“, weiß Michaelis, die seit zehn Jahren an unserer Hochschule lehrt. „Wir debattieren viel in unserem Modul“, fügt sie lächelnd hinzu. Info Wenn man VWL oder BWL studiert, muss man Dabei darf aber natürlich nicht der Praxisbezug Der AStA der FH sich auch mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinan- fehlen. Großunternehmen sind mittlerweile dazu Münster hat im November dersetzen, fordern die Dozenten, denen das Thema verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte über ökono- und Dezember sehr am Herzen liegt. „Wir leben in einem kapi- mische, ökologische und soziale Entwicklungen zu 2018 eine fach- bereichsüber- talistischen Wirtschaftssystem, und der Konsum führen. Die Studierenden erlernen, solche Berichte greifende Ring- spielt dabei eine wichtige Rolle. Wir regen unsere zu verstehen und zu bewerten. vorlesung zu Umwelt und Studierenden dazu an, darüber nachzudenken, ob Nachhaltigkeit mehr Konsum auch glücklicher macht“, so Kirsch. Kein Wandel ohne Change Agents organisiert, bei der auch Prof. Ziel des Moduls sei es, die Art des Wirtschaftens Aus Sicht der Wissenschaftler wäre es wünschens- Michaelis über und Konsumierens zu hinterfragen und Anre- wert, das Thema Nachhaltigkeit hochschulweit in nachhaltige Entwicklungen gungen zu bewusstem Konsum und bewusstem den Modulen zu integrieren. Denn Nachhaltigkeit im Wirtschafts- Nicht-Konsum zu geben. betrifft alle Bereiche – nicht nur die BWL. Die system ge- sprochen hat. VWL-Professorin Michaelis regt dazu an, Stu- Anders über Werte nachdenken dierende zu Change Agents für Nachhaltigkeit „Ein anderer Blick auf die BWL“, „Augenöffner“ – auszubilden: „Die Transformation zu einer ökolo- das ist regelmäßig das Feedback zu dem Modul, gisch-sozialen Marktwirtschaft muss von der ge- welches die Lehrenden von den Teilnehmern be- samten Gesellschaft beschleunigt werden – damit kommen. „Eine neue Wertevermittlung ist die können wir schon heute im Hörsaal beginnen.“ • 19
Kontakt Klaus Dömer doemer@fh-muenster.de Hochhaussiedlungen eilt kein guter Ruf voraus. Sie gelten als soziale Brennpunkte Update für Platten- mit hoher Kriminali- tät. So auch der von Plattenbauten geprägte bauten Stadtteil Erfurt-Rieth. Studierende entwickeln nun Sanierungsideen, um die Wohnqualität dort zu verbessern. Text Stefanie Gosejohann Fotos Stefanie Gosejohann (rechts), Stefanie Kaindl 20 fhocus Ausgabe 34
Materialien verstehen – Ressourcen schonen „Meet-and-gRieth“-Zonen möchten etwa Anna Okon und Angelina Orsagosch in einem Elf-Geschossbau mit Y-förmiger Grundfläche einrichten, indem sie verschiedene Durchbrüche vornehmen. Das bringt Mit geeigneten Konzepten lassen sich seiner Platz für Gemeinschaftsbereiche, in denen sich die Meinung nach Hochhaussiedlungen durchaus Nachbarn begegnen können. Auch ihre beiden an heutige Wohnanforderungen anpassen und Kommilitonen Beniamin Richter und Eunkue auch von ihrem Stigma als sozialer Brennpunkt Park setzen auf die Stärkung sozialer Kontakte. Sie befreien. „Denn nicht die städtebauliche Großform planen, an einen 16-geschossigen Hochhausturm oder die Größe der Gebäude stoßen per se auf Gemeinschaftsflächen anzubauen: für zwei Etagen Ablehnung, sondern eher andere Randbedingun- je einen Garten und einen überdachten Raum. gen wie ein Mangel an sozialem Zusammenhalt Damit die Bewohner dann trotzdem beides nutzen und Nachbarschaftsgefühl, Vernachlässigung des können, teilen die angehenden Architekten die Wohnumfelds oder fehlende kulturelle Angebote“, Doppeletage in zweigeschossige Maisonettewoh- so der Architekt. nungen auf. Die Dachflächen sollen ebenfalls ge- meinschaftlich genutzt werden, etwa als Sportplatz. Die vier Studierenden des Fachbereichs Architek- tur, der Münster School of Architecture (MSA), nehmen am Entwurfsseminar „Schöne Aussicht – ↖ Beniamin Richter (l.) und Plattenbau-Update in Erfurt-Rieth“ teil. Das Ko- Eunkue Park (M.) operationsprojekt der Fachhochschulen Münster besprechen während einer und Erfurt leiten Klaus Dömer, Lehrbeauftragter Korrektur mit ihrem Dozenten ↖ Der Stadtteil an der MSA, und Prof. Stefanie Kaindl, Leiterin Klaus Dömer den Erfurt-Rieth ist aktuellen Stand von Plattenbau- des Lehrgebiets Entwerfen und Bauen im Bestand ihres Entwurfs. ten geprägt. an der Fachhochschule Erfurt. „Bestehende Hoch- Ein gemeinsames Entwurfspro- häuser durch geeignete Sanierungsstrategien an Um sich ein wirklichkeitsgetreues Bild von der tat- jekt der Fach- hochschulen moderne Wohnbedürfnisse anzupassen, ist extrem sächlichen Lebenssituation der Anwohner machen Erfurt und Müns- wertvoll für die Gesamtressourcenbilanz“, erklärt zu können, reisten die Studierenden zu Beginn ter soll diese an moderne Wohn- Dömer. Denn für die Errichtung von Hochhäusern des Entwurfsprojekts selbst nach Erfurt-Rieth. bedürfnisse anpassen. werde insgesamt so viel Energie verbraucht, dass Während der fünftägigen Exkursion wohnten es sowohl aus ökologischen als auch aus wirtschaft- sie in einem Plattenbau und erkundeten so das lichen Gründen sinnvoller sei, sie zu erhalten und Stadtviertel aus nächster Nähe. Durch Gespräche entsprechend zu modernisieren – anstatt sie abzu- mit den Anwohnern, Vor-Ort-Recherchen und In- reißen, um anschließend Neubauten zu errichten. formationen, die ihnen die Kommunale Wohnungs GmbH Erfurt zur Verfügung stellte, analysierten sie die Stärken und Schwächen des Wohnviertels und spürten Potenziale für eine zukunftsweisende „Bestehende Hochhäuser Weiterentwicklung auf. In Kleingruppen erarbei- durch geeignete teten sie anschließend prototypische Umbauvor- schläge für zwei verschiedene Hochhaustypen, die Sanierungsstrategien an nicht nur in Erfurt weit verbreitet sind. moderne Wohnbe- Seminarleiter Dömer ist überzeugt, dass die Ar- dürfnisse anzupassen, ist beiten der Studierenden für zukünftige städte- extrem wertvoll für die bauliche Planungen eine hohe Relevanz besitzen: „Es braucht Entwurfsbeispiele, die zeigen, was in Gesamtressourcenbilanz.“ Plattenbauten für Möglichkeiten stecken. Vielleicht stoßen unsere Ideen auf offene Ohren und werden Klaus Dömer tatsächlich irgendwann umgesetzt.“ • 21
Forschung für sicheres Spielzeug Prof. Dr. Martin Kreyenschmidt entwickelte für die Europäische Norm spezielle Kunst- stoffe, um den Nachweis aus Spielsachen austretender Giftstoffe zu vereinheitlichen und zu verbessern. Text und Fotos Martina Weiland Kunterbunte Knete, Kreide oder Fingerfarben lassen die Kreativität vieler kleiner Künstler er- blühen. Doch immer wieder gerät Spielzeug in die Schlagzeilen, weil es Giftstoffe enthält. Blei, Chrom, Nickel oder Zinn sind nur einige der potenziell toxischen Elemente, die im Kinderspielzeug vor- kommen können. Völlig unkritisch, wenn sie sich nicht aus den Spiel- sachen herauslösen. Gefährlich und problematisch hingegen, wenn sie durch Verschlucken, Ablecken, Daraufbeißen in den Körper von Kindern gelangen. „Wir mussten Verfahren und Kunst- stoffe entwickeln, die europaweit oder sogar weltweit vergleichbare Messungen ermöglichen.“ Kontakt Prof. Dr. Martin Kreyenschmidt martin.kreyenschmidt@fh-muenster.de Prof. Dr. Martin Kreyenschmidt 22 fhocus Ausgabe 34
Materialien verstehen – Ressourcen schonen Die Norm Die Europäische Norm DIN 71-3 zur Sicherheit „Einerseits mussten wir Referenzmaterialien entwi- von Spielzeug legt Prüfverfahren und Grenzwerte ckeln und andererseits ging es um die Analytik für hinsichtlich der Migration von Schadstoffen fest. die jeweiligen Giftstoffe, die im Labor etabliert wer- Zum besseren Schutz der Kinder wurde diese den musste.“ Die hochgenaue Probenvorbereitung überarbeitet und die Grenzwerte verschärft. Um zu ist gerade bei diesen Materialien für eine repro- klären, inwieweit die in der Norm vorgeschlagenen duzierbare Messung zwingend erforderlich. „Wir Messverfahren geeignet sind, in verschiedenen mussten Verfahren und Kunststoffe entwickeln, Prüflaboren bei identischen Proben vergleich- die europaweit oder sogar weltweit vergleichbare bare Werte zu generieren, bedarf es geeigneter Messungen ermöglichen.“ Referenzmaterialien. Auf die Ausschreibung zur Entwicklung dieser Materialien, die für die vorge- Neue Grenzwerte und Prüfverfahren schlagenen Analyseverfahren notwendig sind, um Insgesamt fand das Team vier Materialien, die sich trockene, brüchige und abschabbare Spielzeugma- für die Prüfverfahren von elf verschiedenen Gift- terialien sowie Kunststoffe mit zinnorganischen stoffen im Kinderspielzeug eignen. Mittlerweile ↖ Prof. Dr. Martin Verbindungen zu beurteilen, hatte sich das Insti- wurden diese in europäischen Ringversuchen Kreyenschmidt begutachtet die tut für Konstruktions- und Funktionsmaterialien erfolgreich getestet. Auch international sind die Proben. (IKFM) beworben und bekam den Zuschlag. Ergebnisse von großem Interesse. Kreyenschmidt präsentierte die Thematik auf einem internationa- Schwieriger als gedacht len Fachkongress für Standardisierung in China – Vor rund drei Jahren begann unter Leitung von dem Land mit der weltweit größten Spielzeug- Prof. Dr. Martin Kreyenschmidt ein Team aus produktion. Bachelor- und Masterstudierenden, einem Dok- toranden und einer Laboringenieurin mit der Ent- „Es war ein spannendes Projekt, diese Referenzma- wicklung der neuen Referenzmaterialien, die in terialien zu entwickeln und gleichzeitig an der Re- einem europaweit geplanten Ringversuch zum vision der Europäischen Norm in einem Gremium Einsatz kommen sollten. Damit mussten sich die mitzuarbeiten“, sagt Kreyenschmidt rückblickend. Wissenschaftler in einer kurzen Zeitspanne zahl- Im Juni 2018 hat das Europäische Komitee eine reichen Herausforderungen stellen. überarbeitete Fassung der DIN 71-3 veröffentlicht, die mit geänderten Migrationsgrenzwerten seit So sollten sie Kunststoffe entwickeln, die die gifti- Oktober 2018 in Kraft ist. • gen Elemente bei festgelegter Probenvorbereitung und -behandlung in vorgegebenen Konzentrati- onsbereichen freisetzen. Der Test sieht vor, dass die Proben eine Stunde lang bei 37 Grad Celsius ↖ Als Granulat in einer wässrigen Salzsäurelösung – wie im Ma- oder in Form von Pucks liegen gen – geschüttelt und eine weitere Stunde darin die Referenz- belassen werden, bevor die Konzentration der kunststoffe mit den Giftstof- Giftstoffe in der Lösung gemessen wird. Die DIN EN 71-3 … fen vor. … legt Anforderungen an und Prüfverfahren für die Aufgrund der sehr hohen Konzentrationen eini- Migration von Aluminium, Antimon, Arsen, Barium, Bor, ger Gifte, die freigesetzt werden sollten, waren Cadmium, Chrom (III), Chrom (VI), Cobalt, Kupfer, Kunststoffe notwendig, die in salzsaurem Wasser Blei, Mangan, Quecksilber, Nickel, Selen, Strontium, Zinn, stark quellen. Herkömmlich verwendete nehmen Organozinnverbindungen und Zink aus Spielzeugma- gewöhnlich weniger als 1 Prozent Wasser auf. terialien und Spielzeugteilen fest. „Wir benötigten jedoch Kunststoffe, die mehr als Diese Norm enthält Anforderungen an die Migration 100 Prozent Wasser aufnehmen können“, erklärt bestimmter Elemente aus den folgenden Kategorien von Kreyenschmidt. Weiterhin war die Suche nach Spielzeugmaterialien: einem Trägermaterial manchmal schwierig, bei- • Kategorie I: trockene, brüchige, staubförmige spielsweise für Chrom (VI), das ausgesprochen oder geschmeidige Materialien; stark oxidiert und unter den Herstellungsbedin- • Kategorie II: flüssige oder haftende Materialien; gungen der Standards sehr instabil ist. • Kategorie III: abgeschabte Materialien. 23
Ein neuer Ansatz in der „Ich habe die richtigen Partikel gefunden, Versuche mit Krebs- zellen aus der Haut wurden schon gemacht.“ Krebs- Sara Espinoza therapie 24 fhocus Ausgabe 34
Gesundheit leben Haarausfall, Übelkeit, Müdigkeit und Erschöpfung – wer an Krebs erkrankt ist und eine Strahlentherapie machen muss, leidet etwa unter diesen Nebenwirkungen. Die Krankheit besser zu bekämpfen, ist ein großes Ziel vieler Wissenschaftler. Zu ihnen gehört Sara Espinoza von unserem Fachbereich Chemieingenieurwesen. Text und Foto Katharina Kipp „UV-C Strahlung kann Krebszellen töten“, sagt die Doktorandin. Die Idee: winzige Nanopartikel in den menschlichen Körper einbringen und darauf Röntgenstrahlung einwirken lassen. „Dadurch er- zeugen Nanopartikel UV-C Strahlung und greifen damit das Erbgut der umgebenden Krebszellen an.“ ↗ Die 30-Jäh- rige erforscht, Herkömmliche Strahlentherapien könnten so sehr wie sich Krebs viel zielgerichteter und effektiver sein – und das besser bekämp- fen lässt. mit geringerer Strahlendosis und somit weniger Nebenwirkungen. In der Theorie klingt das ein- Kontakt fach, praktisch ist es das aber nicht. Denn wie sich Sara Espinoza sara.espinoza@fh-muenster.de Info ein Partikel im Menschen verhält, ist abhängig von Die Wissenschaft- der Größe und seiner Oberfläche. „Sind die Parti- ler in Steinfurt und in Boston tau- kel zu groß, passen sie nicht durch die Blutbahn. seit Ende 2016 zusammenarbeitet. „Die Kollegen schen sich re- Haben sie die falschen Oberflächeneigenschaften, sind auf uns aufmerksam geworden, weil wir 2004 gelmäßig aus. Alle zwei Wochen erkennt der Körper sie als fremd und stößt sie ab. gemeinsam mit Philips ein Patent zu dieser Idee bringen sie sich Je winziger sie sind, desto toxischer können sie angemeldet haben“, so Jüstel. „Dr. Martin Purschke im Rahmen einer Skype-Konfe- wirken. Das müssen sie auch, aber eben nur in hat uns kontaktiert, und seitdem arbeiten wir renz auf den Kombination mit Röntgenstrahlung.“ Die Partikel zusammen.“ Schließlich sei die Radioonkologie neuesten Stand ihrer Forschung. müssen wasserstabil sein, UV-C Strahlung effizient der Medizinbereich, dessen Therapieformen bei abgeben, und sie dürfen nur in Verbindung mit mehr als 50 Prozent aller Krebserkrankungen zum Röntgenstrahlung toxisch sein, nicht ohne sie. Es Einsatz kommen. „Wenn sie noch besser werden galt also das richtige Maß zu finden. kann, wäre das ein Riesenschritt.“ Kooperation mit Harvard Medical School Doppelter Effekt der Strahlentherapie Und das ging nur durch Dutzende Versuche. „Ich Durch die von den Forschern entwickelten Partikel habe Partikel hergestellt mit verschiedenen Verfah- wäre der toxische Effekt der Strahlentherapie min- ren und unterschiedliche Materialien ausprobiert. destens doppelt so groß bei geringeren Nebenwir- Neben der Größe war auch der Anteil der Rönt- kungen – weil die Strahlendosis nur halb so hoch genstrahlung entscheidend. Es war ein ständiges sein müsste. „Das menschliche Gewebe absorbiert Ausprobieren, bis ich endlich das richtige Mate- UV-C sehr effizient. Deshalb werden nur die Zellen rial und die Synthesemethode gefunden habe.“ ringsherum bestrahlt. Die Therapie wäre dadurch Schließlich schaffte Sara Espinoza den Durch- sehr punktuell und effizient“, erklärt die 30-Jäh- bruch – zumindest im Labor. „Ich habe die richti- rige. Dass sie einmal Krankheiten erforschen und gen Partikel gefunden, Versuche mit Krebszellen bekämpfen möchte, war schon immer ihr Traum. aus der Haut wurden schon gemacht. Jetzt folgen „Und den habe ich mir erfüllt, wenngleich ich na- präklinische Tests mit anderen Zellen und weitere türlich nur einen winzigen Beitrag leiste.“ Dafür Krebsmodelle.“ Das übernimmt die Harvard Me- hat sie sogar ihre Heimat Ecuador verlassen und dical School in Boston, mit der Prof. Dr. Thomas in Norddeutschland Biotechnologie studiert. • Jüstel vom Fachbereich Chemieingenieurwesen 25
Eine Brücke zwischen zwei Welten Einen Großteil unseres Alltags verbringen wir bei der Arbeit. Dort sind wir mit physischen und psychischen Belastungen konfrontiert. Welche technischen Lösungen können helfen, dass wir trotzdem gesund bleiben? Text Victoria Liesche Foto Anne Holtkötter 26 fhocus Ausgabe 34
Gesundheit leben Info Forschungsprojekte zu diesem Thema haben seit Auch die Stimmen aus der Praxis haben im IGTA Am IGTA betei- ligt sind die Sommer 2018 ein neues Zuhause: das Institut für In- einen hohen Stellenwert: Durch Workshops, Inter- Fachbereiche terdisziplinarität in Gesundheit – Technik – Arbeits- views und andere Beteiligungsformen sollen die Gesundheit, Elektrotechnik fähigkeit (IGTA), an dem sich verschiedene Fach- Arbeitnehmer ihre Bedürfnisse konkret benennen, und Informatik bereiche unserer Hochschule beteiligen. sodass die Wissenschaftler ihre Entwicklungen sowie Physi- kalische Technik, mit ihnen gemeinsam darauf abstimmen können. assoziiert sind „Es ist sehr selten, dass sich Forschende aus so Sozialwesen und Eigene Ideen entwickeln Oecotropholo- vielen unterschiedlichen Bereichen zusammen- gie ∙ Facility schließen“, sagt IGTA-Sprecherin Prof. Dr. Anke Bereits gestartet ist das Lehrprojekt „Mensch(lich- Management. Menzel-Begemann vom Fachbereich Gesundheit. keit) und Technik“. Bachelorstudierende des Diese Vielfalt der Kompetenzen biete die Chance, Fachbereichs Gesundheit setzen sich mit den das Schwerpunktthema, den Erhalt der Arbeitsfä- verschiedenen Perspektiven und Herangehens- higkeit, von vielen Seiten zu betrachten. weisen bei der Entwicklung technischer Lösungen auseinander – gemeinsam mit Studierenden der Das Ziel des Instituts: Ergebnisse hervorzubrin- Fachrichtungen Mechatronik und Wirtschafts- gen, die sowohl technisch realisierbar sind als ingenieurwesen von der FH Bielefeld. auch von Nutzern akzeptiert werden. Daran sei nämlich in der Vergangenheit so manches Pro- Geplant sind weitere Lehrprojekte, Masterstudie- Info Das Projekt jekt gescheitert, weiß Prof. Dr. David Hochmann. rende des Studiengangs Lehramt am Berufskol- „münster.land. „Es gab schon einige geniale Ideen, zum Beispiel leg werden sich beispielsweise mit technischen leben“ geht eine große eine Apparatur, die Pflegende beim Waschen der Potenzialen zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit gesellschaftli- ↖ Instituts- Patienten unterstützt. Aber sie war so kompliziert von Lehrenden beschäftigen. „Sie reflektieren che Heraus- sprecherin forderung an: Prof. Dr. Anke zu reinigen, dass sie einfach nicht zu den realen dadurch ihren späteren Beruf und entwickeln Gesundheits- Menzel- Arbeitsbedingungen in Kliniken und bei Pflege- eigene Ideen, wie das Arbeiten erleichtert und versorgung, Begemann sieht Teilhabe und die fachliche diensten passte“, berichtet der Experte für Tech- ein Burnout verhindert werden könnte“, erläutert Wohlbefinden Vielfalt der IGTA- Mitglieder als nische Orthopädie am Fachbereich Physikalische Menzel-Begemann. im ländlichen große Chance. Raum. Wir Technik. Gemeinsam mit Menzel-Begemann und kooperieren Prof. Dr. Dirk Fischer vom Fachbereich Elektrotech- Forschungsprojekte sind darüber hinaus zu The- dafür seit Frühjahr 2018 nik und Informatik bildet er den Institutsvorstand. men wie Telerehabilitation und Ergonomie am mit über Arbeitsplatz geplant. Und es mangelt nicht an 70 regionalen Ein Forschungsmiteinander schaffen Partnern. weiteren Ideen. Die Verankerung des Instituts Damit technische Innovationen in Zukunft nicht im großen strategischen Projekt „münster.land. als Konzept in der Schublade verschwinden, leben“ eröffnet viele Spielräume, vor allem für sondern tatsächlich den Arbeitsalltag oder die die Zusammenarbeit mit Partnern in der Region. berufliche Wiedereingliederung von Menschen „Das IGTA wird die Aktivitäten auch über den erleichtern, setzt das Institut von Anfang an auf Projektzeitraum hinaus fortführen und ist so- enge Zusammenarbeit und gute Kommunikation. mit ein wichtiger Garant der Nachhaltigkeit“, so „Wir merken immer wieder, dass wir unterschiedli- Menzel-Begemann. • che ‚Sprachen‘ sprechen“, sagt Menzel-Begemann. „Unter Begriffen wie zum Beispiel ‚Toleranz‘ und ‚Passung‘ verstehen wir Wissenschaftler mit ge- sundheitsprofessionellen Wurzeln etwas ganz anderes als Ingenieure.“ Umso wichtiger sei es, bei neuen Projekten genügend Zeit einzuplanen, um sich gegenseitig zuzuhören und so ein echtes „Forschungsmiteinander“ zu schaffen. Kontakt Prof. Dr. Anke Menzel-Begemann (Institutssprecherin) Thilo Künnemann (Leiter Koordination) igta@fh-muenster.de 27
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