ALTERNATIVEN ZUM KRIEG - Zivile Konfliktbearbeitung im Kontext internationaler Politik - Rosa Luxemburg Stiftung NYC
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ALTERNATIVEN ZUM KRIEG Zivile Konfliktbearbeitung im Kontext ROSA LUXEMBURG internationaler Politik STIFTUNG NEW YORK OFFICE Von Andreas Buro
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG NEW YORK OFFICE Inhaltsverzeichnis Give Peace A Chance. Von den Herausgebern......................................................................................1 Alternativen zum Krieg Zivile Konfliktbearbeitung in internationaler Politik.....................................................................2 Von Andreas Buro Grundlage I: Folgen militärischen Konfliktaustrages......................................................................4 Grundlage II: Was bedeutet und umfasst Zivile Konfliktbearbeitung?.......................................6 Grundlage III: Auf welche politischen Institutionen kann sich Zivile Konfliktbearbeitung bereits heute beziehen?.....................................................................................................................7 Perspektive I: Bestandsaufnahme von Ziviler Konfliktbearbeitung in der gegenwärtigen internationalen Politik.........................................................................................................................9 Perspektive II: Widerstände gegen Zivile Konfliktbearbeitung, mit denen zu rechnen ist.......16 Perspektive III: Strategien und Elemente der Durchsetzung von Ziviler Konfliktbearbeitung...18 Schlussfolgerungen...........................................................................................................................22 Veröffentlicht von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro New York, Januar 2013 Herausgeber: Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg Adresse: 275 Madison Avenue, Suite 2114, New York, NY 10016 E-Mail: info@rosalux-nyc.org; Telefon: +1 (917) 409-1040 Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist eine international tätige, progressive Non-Profit-Organisation für politische Bildung. In Zusammenarbeit mit vielen Organisationen rund um den Globus arbeitet sie für demokratische und soziale Partizipation, die Ermächtigung von benachteiligten Gruppen, Alternativen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und für friedliche Konfliktlösungen. Das New Yorker Büro erfüllt zwei Hauptaufgaben: sich mit Themen der Vereinten Nationen zu befassen und mit nordamerikanischen Linken in Hochschulen, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und der Politik zusammenzuarbeiten. ww w .r osal u x - n yc.or g
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG NEW YORK OFFICE Give Peace A Chance „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, schrieb einst der preußische General Carl von Clausewitz. „Krieg ist manchmal notwendig”, sagte US-Präsident Brack Obama zwei- hundert Jahre später, pikanterweise bei der Annahme des Friedensnobelpreises in Oslo. Und die medialen Meinungsmacher springen ihm bei: Im Grunde seien die heutigen Militäreinsätze gar keine Kriege mehr, sondern „humanitäre Aktionen“, die der Westen unternähme, um bedrängten Menschen in aller Welt selbstlos beizustehen. Die Fernsehanstalten senden auch kaum mehr Bilder der Grausamkeiten des Krieges, wie weiland aus Vietnam. Heute berichten stattdessen Journalisten von der Front, die in das Militär „eingebettet“ sind. Entsprechend gibt es auch keine „Bombardements“ mehr, sondern nur noch „chirurgische Eingriffe“. Dass Krieg mit medizinischen Eingriffen, die der Heilung dienen sollen, gleichgesetzt wird, veran- schaulicht die Vollendung der aus George Orwells „1984“ bekannten Losung „Krieg bedeutet Frieden“. Zur Erinnerung, dort heißt es weiter: „Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke.“ Wo Begriffe im Orwellschen Sinne verschwimmen, sodass Bomben geradezu das Werkzeug der Hei- lung sein sollen, kann man getrost davon ausgehen, dass Ideologen am Werke sind. Ideologen, denen es nicht darum geht, ein angemessenes Bild der Wirklichkeit zu zeichnen, sondern darum, Kriege zu rechtfertigen. Man kann ebenfalls davon ausgehen, dass die realen Interessen der Kriegführenden – seien sie materieller, geopolitischer oder anderer Natur – keine Erwähnung finden. Stattdessen wird denen, die zumindest mitverantwortlich für den Krieg sind, der Mantel der Uneigennützigkeit, ja des Humanismus übergestreift. In den aktuellen Debatten über Krieg spielt deshalb auch die Mär von der „Alternativlosigkeit“ eine zentrale Rolle: Angeblich gibt es nämlich keine Alternative zum gewaltsamen Austrag von Konflikten – nicht in Serbien/Kosovo, nicht in Afghanistan, nicht im Irak, nicht in Libyen. Man ist geneigt zu glau- ben: nirgendwo. Andreas Buro, emeritierter Professor für Internationale Politik an der Universität Frankfurt am Main und langjähriger Aktivist der bundesdeutschen Friedensbewegung, dem in diesem Frühjahr der Göttinger Friedenspreis 2013 verliehen wird, widerspricht dieser scheinbaren Gesetzmäßigkeit. Der Pazifist argumentiert in seiner Studie: Es gibt immer Alternativen – und die Alternative zum Krieg heißt Zivile Konfliktbearbeitung. Buro zeigt zunächst die Folgen militärischen Konfliktaustrages auf und entwickelt vor diesem Hintergrund die Grundlagen Ziviler Konfliktbearbei- tung. Er diskutiert, auf welche politischen Institutionen sich die Methode zivilen Konfliktaustrags heute bereits beziehen kann, aber auch, welche Widerstände es in der internationalen Politik gegen diese gibt. Seine Leitfrage lautet: Was muss getan werden, damit das Zeitalter des Krieges beendet werden und das der Zivile Konfliktbearbeitung beginnen kann? Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg, Leiter des Büros New York, Januar 2013 1
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG NEW YORK OFFICE Alternativen zum Krieg Zivile Konfliktbearbeitung im Kontext internationaler Politik Von Andreas Buro Wie kommt es eigentlich, dass ein griechischer Geschichte ist ein Steinbruch für kriegerische Philosoph namens Heraklit (etwa 520-460 Argumente, wie zweifelhaft die Geschichtsin- v.Chr.), von dessen Werk nur Bruchstücke über- terpretation, welche die Bruchsteine liefert, liefert sind, bis heute mit nur einem Satz, der auch sein mag. Man liest beispielsweise, die auch nur zum Teil zitiert wird, so berühmt ge- Schüsse von Gavrilo Princip auf den österrei- worden ist? Der Satz lautet: „Der Krieg ist der chischen Thronfolger in Sarajewo hätten den Vater aller Dinge.“ Er wird immer wieder vor- Ersten Weltkrieg ausgelöst, obwohl die deut- getragen in dem Sinne, dass Krieg der Motor sche Heeresleitung und wohl auch der Kaiser des Fortschritts sei, auf den man nicht verzich- lange vorher planten, den Aufstieg Russlands ten könne. Unabhängig davon, ob die richtige durch einen Angriff zu stoppen. Man wartete Übersetzung nicht heißen müsste: „Der Konflikt nur auf einen günstigen Anlass, der es erlauben ist der Vater aller Dinge“, wird Heraklits wichti- würde, Russland die Schuld am Kriege zuzu- ger Zusatz verschwiegen. Er lautet: „Die einen schieben.1 macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien.“ Gegen die Legitimation des Krieges stehen his- Mit diesem Zusatz nimmt Heraklits Aussage torisch immer wieder Versuche, ihn zu delegi- eine ganz andere Wendung. Sie kann nicht timieren oder ihn zumindest einzuhegen. Im mehr als Bejahung des Krieges gelesen werden. vergangenen Jahrhundert gab es hierzu zwei Denn durch sie treten Kriegsverbrechen und hoch bedeutsame Versuche. Erstens die Grün- riesige Zerstörungen – verharmlosend „Kolla- dung des Völkerbundes 1920, also kurz nach teralschäden“ genannt – in den Vordergrund. Ende des Ersten Weltkrieges, dessen Aufgabe es Nimmt man noch hinzu, dass Heraklit nicht war, in Konflikten zu vermitteln, die Einhaltung zwingend über Krieg sprach, sondern mögli- von Friedensverträgen zu überwachen (eine Art cherweise Konflikt meinte, dann ergibt sich die Monitoring) und die Zusammenarbeit zwischen Frage, ob die Konflikte, die es notwendigerwei- den Staaten zu fördern. Dazu wurde ein System se stets geben wird, nicht ohne grausame Krie- „Kollektiver Sicherheit“, wie man heute sagen ge gelöst werden können. Oder weiter gefasst, würde, vereinbart. Doch die Vereinigten Staaten ob der „Motor des Fortschritts“ nicht eher im hatten sich dem Völkerbund verweigert, und die gemeinsamen Bemühen als im Kampf gegenei- divergierenden Interessen der Nationalstaaten nander zu suchen sei. Kurz: Das selektiv genutz- ließen sich vom Völkerbund nicht bändigen. Er te und möglicherweise falsch übersetzte Zitat scheiterte schließlich im Zweiten Weltkrieg. des griechischen Philosophen von vor zwei- einhalbtausend Jahren ist anscheinend nichts Der zweite Versuch in gleichem Sinne war die weiter als eine PR-Legitimationsformel für Gründung der Vereinten Nationen (UNO) nach weitere Rüstung und Anwendung militärischer 1 Für Anregungen und Kritik danke ich Prof. Dr. Hanne- Gewalt. Magret Birckenbach und Dr. Volker Böge. 2
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG Ende des Zweiten Weltkrieges. Diesmal betei- Krieg zu beobachten war. Die UNO kann den ligten sich die USA und hatten einen wesentli- delegierten Militäreinsatz nicht mehr kont- chen Anteil am Zustandekommen der UNO. Die rollieren, wenn dieser sich verselbstständigt Präambel der UNO von 1945 verdeutlicht die und ganz andere Ziele als die vorgegebenen grundsätzlichen Ziele dieses Zusammenschlus- verfolgt. ses der Staaten: Wie groß die Zahl der gewaltsamen weltweiten Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest ent- Auseinandersetzungen ist, zeigt das jährlich schlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel veröffentlichte Konfliktbarometer des Heidel- des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren berger Instituts für Internationale Konflikt- Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, unseren Glauben an die Grund- forschung (HIIK).2 Im Jahr 2010 wurden von rechte des Menschen, an Würde und Wert der insgesamt 363 beobachteten Konflikten 126 menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberech- bewaffnet und 28 „hochgewaltsam“, das heißt tigung von Mann und Frau sowie von allen Nati- mit massivem Einsatz organisierter Gewalt, onen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen, ausgetragen. Die Zahlen des Instituts zeigen Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtig- keit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus eindrucksvoll den Anstieg der Konflikte ver- Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts schiedener Intensitätsgrade von 1945 bis 2010. gewahrt werden können, den sozialen Fortschritt Mit je neun hochgewaltsamen Auseinanderset- und einen besseren Lebensstandard in größerer zungen sind der Nahe und Mittlere Osten sowie Freiheit zu fördern, und für diese Zwecke Duld- Asien, gefolgt von Afrika südlich der Sahara mit samkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frie- fünf, die am stärksten betroffenen Regionen den miteinander zu leben, unsere Kräfte zu verei- nen, um den Weltfrieden und die internationale der Erde. Sicherheit zu wahren, Grundsätze anzunehmen und Verfahren einzuführen, die gewährleisten, In diesem Text geht es um die Form und die da- dass Waffengewalt nur noch im gemeinsamen In- raus resultierenden Folgen des internationalen teresse angewendet wird, und internationale Ein- Konfliktaustrages. Wie kann zivile Konfliktbear- richtungen in Anspruch zu nehmen, um den wirt- schaftlichen und sozialen Fortschritt aller Völker beitung – ein wichtiges Postulat der Vereinten zu fördern – haben beschlossen, in unserem Be- Nationen – vorangebracht und der militärische mühen um die Erreichung dieser Ziele zusammen- Konfliktaustrag mit seinen verheerenden Lei- zuwirken. den und Schäden zurückgedrängt und schließ- lich überwunden werden? In drei Kapiteln wer- An diesen Zielen und Aufgaben ist festzuhalten, den zunächst Grundlagen für eine Politik der obwohl sie in der Folgezeit nicht verwirklicht Zivilen Konfliktbearbeitung betrachtet; an- werden konnten. Der West-Ost-Konflikt hat schließend geht es in weiteren drei Kapiteln sie an den Rand geschoben. Auch nach seiner um die Perspektiven der Zivilen Konfliktbear- Beendigung kam man diesen Zielen kaum nä- beitung. her. Künftige Geschlechter sind nach wie vor nicht vor der Geißel des Krieges gefeit. Noch immer sehen die meisten Nationalstaaten, die den Frieden organisieren sollen, das Militär als wichtiges, wenn nicht sogar als wichtigstes In- strument der Durchsetzung ihrer Interessen. Auch schließt die UN-Charta den Einsatz des Militärs als Ultima Ratio (oder Ultima Irratio?) 2 Heidelberg Institute for International Conflict Research: nicht aus. Eine verhängnisvolle Entscheidung, Conflict Barometer 2010, Heidelberg 2011, http://hiik. wie etwa am Irak-, Afghanistan- und Libyen- de/de/konfliktbarometer. 3
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG Grundlage I: Folgen militärischen Konfliktaustrages Der berühmte Militärtheoretiker des 19. Jahr- Die Militärapparate, die meist besser mit Finan- hunderts Carl von Clausewitz schrieb: zen ausgestattet sind als andere Institutionen, verfügen in Verbindung mit der Rüstungsindus- Der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der trie oftmals über die Fähigkeit, die politischen Anwendung derselben keine Grenzen; so gibt jeder Bedingungen für ihr weiteres Wachstum selbst dem anderen das Gesetz, es entsteht eine Wech- selwirkung, die dem Begriff nach zum Äußersten zu kontrollieren. Dies hat in vielen Ländern die führen muss.3 Etablierung von Militärdiktaturen begünstigt, die nicht nur Demokratisierungsprozesse ver- Wie zutreffend seine Aussage ist, zeigen die hindert, sondern auch die Bereicherung der Eli- Kriege des 20. und des beginnenden 21. Jahr- ten auf Kosten der Bevölkerung ermöglicht ha- hunderts mit ihren unfassbar und weiter wach- ben. Um ihre Position abzusichern, organisieren senden Zerstörungspotenzialen sowie mit der sie Milizen, Geheimdienste und Foltercamps, Ausweitung der Kampfebenen vom Land-, Was- mit denen sie jeglichen Widerstand gegen ser- und Luftkrieg auf den sogenannten Cyber ihre Willkürherrschaft im Keime zu ersticken War (Datenkrieg) und den Weltraum. versuchen. Der militärische Konfliktaustrag tötet, hinter- Militärische Aufrüstung und Kriegführung ha- lässt zerstörte Landschaften und zerrissene Ge- ben schon immer zivile Zuarbeit benötigt für sellschaften und schafft häufig neue Feindschaf- die Herstellung von Rüstungsgütern – vom ten, die zu langwierigen Bürgerkriegen – wie Schwert bis zu Giftgas, Atomwaffen und In- etwa in Afghanistan nach dem Abzug der sowje- terkontinentalraketen. Die in vielen Staaten tischen Truppen 1989 oder in Nicaragua 1981- betriebene Zivil-Militärische Zusammenarbeit 1990 – führten. Schritte zur Aussöhnung und (ZMZ) – oder Civil-Military Cooperation (CIMIC) – Kooperation werden, wie sich im Kosovo zeigt, dient der Ausweitung der Nutzung ziviler Kapa- wenn überhaupt, sehr mühsam sein und lange zitäten für die Durchsetzung militärischer Ziele rückfallgefährdet bleiben. und insbesondere auch zur Bewältigung von Nachkriegssituationen. Die ZMZ verkehrt auch Die Vorbereitung auf den militärischen Konflikt- politische Ansätze, die sich auf zivile Konflikt- austrag erzwingt eine permanente Steigerung prävention beziehen, in ihr Gegenteil. So wird der Rüstung, und zwar quantitativ wie qualita- im Deutschen Bundestag der Unterausschuss tiv, wodurch die gegenseitige Bedrohungslage „Zivile Konfliktprävention und vernetzte Sicher- der Völker sich ständig verschärft, was wie- heit“ in beiden Bereichen in Verbindung mit derum die Aufrüstung weiter vorantreibt. Es möglichen militärischen Aktivitäten gebracht. entsteht so ein sich selbst verstärkender Rüs- Diese Gefahr besteht auch für die Entwicklungs- tungskreislauf. Die Militärausgaben bewirken politik. große finanzielle Belastungen – im weltweiten Durchschnitt 2,6% des Bruttoinlandsprodukts.4 Der deutsche Entwicklungsminister, Dirk Niebel Zugleich versagen die allermeisten Staaten da- (FDP), drohte Nichtregierungsorganisationen bei, ihre Entwicklungshilfe auch nur auf den zu- (NGOs) mit dem Entzug ihrer finanziellen Förde- gesagten Satz von 0,7% zu bringen. rung, sollten sie nicht bereit sein, mit der Bun- 3 Carl von Clausewitz: Vom Kriege, Bonn 1966 [1832], S.92. International Security, Kurzfassung auf Deutsch, Stock- 4 Vgl. SIPRI Yearbook 2011: Armaments, Disarmament and holm 2011, S. 9. 4
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG deswehr zusammenzuarbeiten. Viele dieser Or- und politischen Interessen durch Protestak- ganisationen bemühen sich jedoch gerade um tionen und zivilen Ungehorsam die militärge- einen explizit nicht-militärischen Zugang zu der stützte Politik empfindlich stören? Solche Be- Bevölkerung in Konfliktregionen, beispielsweise fürchtungen und die daraus resultierende Si- in Afghanistan, weil sie wissen, dass sie nur auf cherheitspolitik tragen tendenziell zum Abbau zivile Art und Weise ausreichend Akzeptanz und demokratischer Rechte und Strukturen bei, so Vertrauen finden, um den Menschen helfen zu etwa bei der Verschärfung des Demonstrations- können. rechts und den Kontrollmöglichkeiten durch die neuen Medien. ZMZ ist also keine Zivilisierung des militärischen Bereiches und auch keine Zurückdrängung des Um Militäreinsätze wider besseres Wissen militärischen Konfliktaustrags. Im Gegenteil in der Öffentlichkeit zu legitimieren, werden geht es um die Unterwerfung weiterer ziviler Feindbilder von potenziellen Gegnern konstru- Bereiche unter die Bedürfnisse des Militärs und iert und verbreitet. Da man mit denjenigen, deren Logik. die derart gebrandmarkt wurden, keinen Dia- log mehr führen kann, entledigt man sich der Die Rüstungstechnologie vergrößert die Un- Möglichkeiten friedlicher Einflussnahme. Dieje- gleichheit in der Welt. Gekämpft wird auf höchst nigen, die – wie die Friedensbewegung – zivile unterschiedlichem technischem Niveau: von der Mittel der Konfliktbearbeitung fordern, sollen Steinschlossflinte bis zur Drohne. Dies hat die entmutigt und als naiv diskriminiert werden. Kriegsformen in den vergangenen Jahrzehnten Diesen Feindbildmechanismen erliegen häufig grundsätzlich verändert. Die für viele Staaten auch diejenigen, die an der Feindbildschaffung uneinholbare rüstungstechnische Überlegen- selbst beteiligt sind. Feindbilder führen nämlich heit der hochindustrialisierten Staaten hat zu zu Realitätsverlust und somit zu gravierenden asymmetrischen, unterschiedlichen Formen des Fehlbeurteilungen von Konflikten und ihren Krieges geführt. Diese Kämpfe überschreiten Lösungsmöglichkeiten und im Ergebnis zu Se- häufig bestehende Staatsgrenzen und haben die rien von verpassten Chancen der Friedens- Tendenz zur Ausweitung. Die Kriegführung der stiftung. militärisch-technologisch schwachen Kriegspar- teien wird von den USA und der NATO als ter- Die militärgestützte Politik, besonders der grö- roristisch bezeichnet und in einem „Krieg gegen ßeren Militärmächte, drängt die internationalen den Terror“ bekämpft. Dieser wird gegenwärtig Institutionen, die zum Zweck der Kriegsverhin- zu einem Krieg ohne Kriegserklärungen und derung und Kooperationsförderung geschaffen ohne Grenzen ausgeweitet. Für ihn werden In- wurden, immer weiter in den Hintergrund oder terventionskräfte für Auslandseinsätze und die zwingt sie in friedenspolitisch unproduktive Ko- Drohnen-Technologie ausgebaut, um überall auf operationen, die einer militärpolitischen Logik der Welt militärisch zuschlagen zu können. folgen. Dies betrifft zum Beispiel die Wirkungs- möglichkeiten der OSZE und des Generalsekre- Weil in diesem „Krieg gegen den Terror“ die Si- tariats der UNO, vor allem wenn der Sicher- cherheit nicht steigt, sondern die Bedrohung heitsrat involviert ist. durch reagierende Kräfte sich ausweitet, tref- fen die Regierungen sicherheitspolitische Vor- Diese bedrohliche militärische Entwicklung kehrungen durch die polizeiliche Kontrolle der findet vor dem Hintergrund großer globaler Bevölkerung und den Abbau demokratischer Machtverschiebungen statt, in denen die so- Rechte. Sie fragen sich: Könnten die Menschen genannten BRICS-Mächte (Brasilien, Russland, in Verfolgung ihrer wirtschaftlichen, sozialen Indien, China, Südafrika) aufgrund ihrer wirt- 5
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG schaftlichen Konkurrenzfähigkeit aufsteigen Entfaltung von Einsichten und Kapazitäten zur und ihre Ansprüche auf die Ressourcen der Welt friedlichen Konfliktlösung und Kooperation auf zunehmend zur Geltung bringen. Klimabelas- die Tagesordnung der Weltgemeinschaft. Diese tungen steigern die Dramatik der Situation. Ein Notwendigkeit muss zur Grundlage von Politik militärischer Austrag dieser Konflikte wäre eine werden. Zivile Konfliktbearbeitung ist eine vor- Katastrophe für alle. rangige Zukunftsaufgabe – und zwar nicht nur für die unmittelbaren Konfliktparteien, sondern Fazit: Da militärischer Konfliktaustrag zerstö- auch für alle, die von außen vermittelnd helfen rerisch und friedensunwirksam ist, gehört die wollen. Grundlage II: Was bedeutet und umfasst Zivile Konfliktbearbeitung ? Zivile Konfliktbearbeitung (ZKB) bedeutet, dass ⇒⇒ alle beteiligten Akteure auf gesellschaft- Konfliktparteien miteinander in Beziehung tre- licher, staatlicher und internationaler ten, sich nachhaltig für eine konstruktive Lösung Ebene zu informieren und zu beteiligen; zugunsten aller Beteiligten einsetzen, einen Dia- log aufnehmen und miteinander verhandeln. ⇒⇒ die normative Orientierung an den Men- Sie beinhaltet demnach: schen- und Minderheitenrechten in allen ihren politischen, sozialen und kulturel- ⇒⇒ Konflikte ohne militärische Drohung und len Dimensionen, an kulturübergreifen- Militäreinsatz zu bearbeiten, das heißt sie den ethischen Normen sowie an dem im Hinblick auf ihre Ursachenzusammen- Gebot, der Befriedigung menschlicher hänge zu verstehen, nach Lösungsmög- Grundbedürfnisse Priorität vor allen an- lichkeiten zu suchen und entsprechende deren Interessen einzuräumen; Prozesse in der Praxis einzuleiten; ⇒⇒ zur Überwindung direkter, aber auch ⇒⇒ Konflikttransformation von der militäri- struktureller Gewalt beizutragen, die in schen auf die politische Ebene zu fördern; Armut und Hunger ihren Ausdruck fin- det und häufig durch Gewalt abgesichert ⇒⇒ eine Politik der Kooperation, des gegen- wird. seitigen Respekts und der Bereitschaft zum Dialog und zur Aussöhnung zu be- Die Haltung, mit der ZKB zu betreiben ist, treiben; kommt vielleicht am besten in den Satyagraha- Normen Mahatma Gandhis zum Ausdruck: ⇒⇒ sich – auch durch einseitige Schritte und Vorleistungen – um Vertrauen zum all- Gib dem Kampf einen positiven Inhalt! Dehne die gemeinen Nutzen zu bemühen; Ziele des Kampfes nicht aus! Schenke dem Geg- ner Vertrauen! Begegne dem Gegner persönlich! ⇒⇒ Vorschläge so zu gestalten, dass sie für Sei zum Kompromiss bereit! Richte den Kampf gegen die Sache, nicht gegen die Person! Nütze alle Beteiligten annehmbar sein können die Schwäche des Gegners nicht aus! Provoziere und nach Möglichkeit für alle Vorteile den Gegner nicht! Wähle Mittel, die dem Ziel ent- bringen. sprechen! Sei nicht abhängig von einer Hilfe von 6
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG außen! Sei opferbereit! Lebe dich in die Gesichts- schaft, wie man im letzten Jahrzehnt etwa im punkte des Gegners ein! Verberge deine Pläne Irak und in Afghanistan beobachten konnte. nicht! Gestehe deine Fehler ein! Entziehe dem Geg- ner das Handlungsobjekt! Mache keine Sabotage! Sei loyal!5 Die Methoden von ZKB können dagegen Em- pathie, Kooperation und Aussöhnung fördern ZKB geht nicht von einem naiven, idealisie- und damit auch die Lebensbedingungen der renden Menschenbild aus, setzt aber auf die Konfliktpartner verbessern. Damit dies auch Lernfähigkeit von Menschen zugunsten ei- für die Mehrheit der Bevölkerung zutrifft, muss gener Lebensgestaltung und Überlebensin- diese am ZKB-Dialog beteiligt sein und auf ihn teressen. Sie bezieht sich nicht nur auf die Einfluss nehmen können. Wenn der ZKB-Dialog Form des Konfliktaustrags, sondern auch auf nur unter den Eliten geführt wird, besteht die die konkreten Inhalte des Konflikts, für den Gefahr, dass eine Verbesserung der Lebensbe- ethisch vertretbare Problemlösungen gefun- dingungen der Bevölkerung zugunsten der Be- den werden müssen. Wie im Fall des militä- reicherungsinteressen von Eliten ausbleibt. Die rischen Konfliktaustrags besteht auch im Fall Frage nach der Überwindung struktureller Ge- von ziviler Konfliktbearbeitung eine Beziehung walt durch ZKB ist demnach eng damit verbun- zwischen den angewandten Mitteln und den den, ob auch die benachteiligten gesellschaft- erreichbaren Zielen (Ziel-Mittel-Relation). Mi- lichen Kräfte einbezogen und von einer Prob- litärische Mittel verstärken Hass und Feind- lemlösung erkennbaren Nutzen haben werden. Grundlage III: Auf welche politischen Institutionen kann sich Zivile Konfliktbearbeitung heute schon beziehen ? Nach Kriegen, die mit Sieg und Niederlage ende- die Überlieferung, vielleicht ist es auch nur ein ten oder wegen der Erschöpfung beider Seiten Mythos – nicht gekämpft, sondern sich mit dem nicht fortgeführt werden konnten, kam – wenn Bevollmächtigten des Sultans beim Schachspiel nicht das Chaos – die Stunde der Verhandlun- über eine friedliche Lösung des Zugangs zu Je- gen. Es begannen die Gespräche der Diploma- rusalem geeinigt. Eine Tradition ist daraus indes ten, die in der Regel zwar zivil, aber nicht vom nicht erwachsen; andere Konflikte hat Friedrich Geist der Aussöhnung und der Bereitschaft zu II. durchaus mit Waffengewalt ausgetragen. Kooperation der Kontrahenten getragen waren. Bestimmend waren eher die verbliebenen Kräf- Verfassungen, Gesetze, Rechtsprechung, Institu- teverhältnisse und der Blick auf neue Bündnisse, tionen der Gewaltenteilung und Verfahrensrege- die eine Revanche ermöglichen sollten. Sicher lungen im Binnenverhältnis von Herrschaftsbe- gab es Ausnahmen von dieser Regel. Von Kai- reichen und Staaten haben Willkürherrschaft ser Friedrich II. wird berichtet, er habe sich dem unter Umständen begrenzen können. Gerichte Wunsch des Papstes gefügt, einen Kreuzzug ins trafen Entscheidungen zwischen Kontrahenten „Heilige Land“ zu führen. Dort habe er aber – so nach jeweils geltendem Recht. Jedoch waren solche Instrumente immer auch Ausdruck so- 5 Vgl. Andreas Buro: Meine Erfahrungen mit den ‚Satya- wohl der Überwindung vorangegangener wie graha-Normen’ von Johan Galtung und Arne Naess nach Gandhi, in: Reiner Steinweg und Ulrike Laubenthal (Hg.): auch der Etablierung neuer gesellschaftlicher Gewaltfreie Aktion, Frankfurt a.M. 2011, S. 174-185. Herrschaftsverhältnisse. Das alte Athen, immer 7
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG wieder als Wiege der Demokratie gelobt, unter- der internationalen Sicherheit zu gefährden, be- schied freie und unfreie Bürger; letztere waren mühen sich zunächst um eine Beilegung durch Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Ver- ausgegrenzt aus der Demokratie des Stadtstaa- gleich, Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung, tes. Häufig unterlag der Adel in Europa einer Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen oder anderen Gerichtsbarkeit als die bäuerliche und Abmachungen oder durch andere friedliche Mittel städtische Bevölkerung. Und vor allem wurden eigener Wahl. Menschen durch Rechtsordnungen zu Leibeige- nen und Sklaven, die man oftmals als privates Im Fall der Kubakrise 1962, als der Kalte Krieg Eigentum behandelte. in einen Atomkrieg zu münden drohte, hat sich Artikel 33 als friedensrettend erwiesen. Damals Internationale Verträge und internationales Recht wandte sich der UN-Generalsekretär, Sithu U spielen beim zivilen Austrag von Konflikten eine Thant, an den Sicherheitsrat, verlangte dringend bedeutende Rolle, besonders wenn sich die Verhandlungen und informierte über seine eige- Kontrahenten einer internationalen Gerichts- nen Aktivitäten. Er appellierte an Kennedy und barkeit unterwerfen. Man denke zum Beispiel Chruschtschow, in ein zwei- bis dreiwöchiges an die Festlegung von Hoheitsgewässern um Moratorium einzuwilligen, und an den kubani- Küstenstaaten, die dann dort ein alleiniges schen Präsidenten Castro, den Aufbau von Mi- Recht für Fischerei und die Ausbeutung von litäranlagen zu unterbrechen, reiste zu Gesprä- Bodenschätzen im Meer erhalten. chen mit Castro nach Havanna und diente Ken- nedy and Chruschtschow als Mediator, indem Staatsübergreifende regionale Zusammenschlüs- er Botschaften kommunizierte und Zeit schuf. se, wie etwa die EU und die ASEAN-Staaten, Später dankten der US-amerikanische und der spielen eine wichtige Rolle in der Überwindung sowjetische Unterhändler dem Generalsekretär gegenseitiger militärischer Bedrohung und des in einem gemeinsamen Brief, in dem sie ihn ih- Wettrüstens. Weil sie einen beständigen Dialog rer gemeinsamen Wertschätzung für die geleis- über all- oder gegenseitig interessierende Fra- teten Vermittlungsbemühungen versicherten. gen und Vereinbarungen führen, orientieren sie Ein solcher Dank war und ist ungewöhnlich, weil stärker auf Kooperation als auf Konfrontation. in der Regel die Konfliktparteien den Erfolg für Dies betrifft jedoch nicht ihr Verhalten nach au- sich beanspruchen und Mediatoren in der Re- ßen, bei dem nach wie vor militärgestützte Poli- gel zur Vertraulichkeit verpflichtet werden. Das tik eine Rolle spielt. erklärt auch, warum die UNO für die tatsächlich von ihr erbrachten Friedensleistungen so wenig Unter den globalen Zusammenschlüssen neh- Anerkennung erfahren.6 men die Vereinten Nationen (UNO) eine heraus- gehobene Stellung ein. Mit ihrer Gründung im Als Problem einer zivilen Konfliktbearbeitung Frühjahr 1945 in San Francisco und der Unter- durch die UNO hat sich die hohe, in der Charta zeichnung der UN-Charta durch die Vertreter vorgesehene Einflussnahme des Sicherheits- von 50 Staaten begann nach dem Scheitern rates erwiesen. Der dortige Dialog wurde bald des Völkerbundes ein neuer Versuch, durch nach Gründung der Vereinten Nationen durch eine Weltorganisation die Geißel des Krieges zu den Kalten Krieg zwischen West und Ost und überwinden und friedliche Konfliktregulierung später durch die Vetomächte, die gemeinsame voranzutreiben. Die Charta verpflichtet die Staa- Entscheidungen mit einer einzigen Stimme zu ten in Kapitel VI zur friedlichen Beilegung von Fall bringen konnten, blockiert. Die kriegerische Streitigkeiten und regelt in Artikel 33 Absatz 1: Geschichte der Zeit nach 1945 und die enorme Die Parteien einer Streitigkeit, deren Fortdauer 6 Bertrand G. Ramcharan: Preventive Diplomacy at the geeignet ist, die Wahrung des Weltfriedens und UN, 2008. 8
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG Aufrüstung zeigen, dass der UN-Sicherheitsrat benspraxis, zum Beispiel der Quäker; im Islam im Bereich der Friedensstiftung wenig erfolg- auf die Idee vom Zusammensein und Teilen mit reich war, wenngleich er Konflikteskalationen den Armen. Sie können sich beispielsweise auf bisweilen durch den Einsatz von Blauhelmen Immanuel Kants Schrift „Vom Ewigen Frieden“ verhindern konnte. Zusammen mit dem Ge- und seine Darlegung von Friedensbedingungen neralsekretariat und der Generalversammlung berufen sowie auf die Bedeutung von Toleranz bemühen sich aber mehrere Unterorganisatio- in dem Stück „Nathan der Weise“ von Gotthold nen der UNO in vielen Bereichen mit Methoden Ephraim Lessing. Zu diesen Bezugnahmen ge- des Dialoges, ihren Aufgaben zur Friedensstif- hören die Tradition des gewaltfreien Konflikt- tung im Sinne ZKB nachzugehen. austrags und Widerstands, die mit den Lehren Mahatma Gandhis verbunden ist, wie auch der ZKB und ihre Vertreter können sich ebenfalls Kampf der amerikanischen Bürgerrechtsbewe- auf religiöse, philosophische und ethische gung gegen die Rassentrennung, den Martin Überlegungen beziehen, die in allen Religionen Luther King anführte. Auch in der muslimischen und Kulturen dokumentiert sind. Im christli- Welt gibt es inzwischen eine Fülle von Erfahrun- chen Bereich auf die „Nächstenliebe“, ja sogar gen im gewaltfreien Aufstand, zuletzt mit dem auf die „Feindesliebe“, sowie auf die Unterschei- „arabischen Frühling“, die dringend wahrge- dung zwischen Täter und Tat, auch auf die Le- nommen werden müssen.7 Perspektive I: Bestandsaufnahme von Ziviler Konfliktbearbeitung in der gegenwärtigen internationalen Politik Die Erhebungen in Tunesien und Ägypten, die bei den frühen Vorbereitungen auf die Volkser- trotz repressiver Staatsgewalt bemüht waren, hebung gegen die Mubarak-Diktatur offenbar ihre Proteste und Demonstrationen gewaltfrei Gene Sharps Leitfaden, „Von der Diktatur zur zu gestalten, haben viel Bewunderung hervor- Demokratie“,8 vermittelt durch Friedensaktivis- gerufen und die Öffentlichkeit auf die Themen ten aus Belgrad, die sich dort gegen die Milo- Gewaltfreiheit und Zivile Konfliktbearbeitung sevic-Herrschaft gewandt hatten, eine wichtige aufmerksam gemacht. Dies galt über lange Rolle gespielt. Zeit auch für die Opposition in Syrien, wo die Demonstrierenden aufgrund ihrer gewaltfrei- Da die gewaltsameren Konflikte heute ganz en Haltung sogar eine ausländische Militär- überwiegend innerhalb von Staaten ausge- intervention ablehnten. Desertierte syrische tragen werden, muss sich ZKB nicht zuletzt in Soldaten, die einen bewaffneten Kampf gegen innerstaatlichen Krisen bewähren. Das heißt das terroristische Regime aufnahmen, stellten umgekehrt freilich keineswegs, die schwerwie- jedoch die Gewaltfreiheit der Volkserhebung in genden Krisen und Kriege im globalen Zusam- Frage. Das gewaltfreie Verhalten war umso er- menhang könnten vernachlässigt werden; denn staunlicher, als es in diesen drei Ländern keine mag ihre Zahl auch geringer sein, so sind die langfristigen Bemühungen einer Friedensbewe- Folgen eines internationalen Konfliktaustrags gung um eine Kultur der ZKB gab. Allerdings hat doch massiv und von langer Dauer. 7 Stephen Zunes: Nonviolence in the Islamic World, in: 8 Gene Sharp: Von der Diktatur zur Demokratie. Ein Leit- “Nonviolent Activist: Magazine of the War Resister’s faden für die Befreiung, München 2008. (Das Buch League”, 1/2002. wurde bereits 1993 in englischer Sprache veröffentlicht.) 9
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG ZKB bezeichnet eine Haltung in und gegenüber sowie Beratung und Trainingsmaßnahmen in Konflikten sowie eine friedenspolitische Praxis. ziviler Konfliktbearbeitung durchzuführen. Zu- Bei der folgenden exemplarischen Bestands- sammen mit drei lokalen Organisationen wird aufnahme dieser Praxis, die sich überwiegend die Geschichte gewaltlosen Widerstandes im in einzelnen Projekten konkretisiert, wird zwi- Libanon dokumentiert. schen innerstaatlichen und internationalen Konflikten unterschieden. Auf der philippinischen Insel Mindanao, wo seit 40 Jahren Konflikte andauern, werden ver- Angesichts der großen Vielzahl der ZKB-Projek- schiedene Friedens- und Menschenrechtsgrup- te werden im Folgenden einzelne Projekte „von pen sowie zivilgesellschaftliche Netzwerke ge- unten“ exemplarisch vorgestellt; ähnliche Pro- fördert. jekte werden von zahlreichen NGOs in vielen Teilen der Welt ausgeführt. Das Forum hatte 2010 für seine gesamte Arbeit (einschließlich der Akademie für die Ausbildung) ein Budget von etwa 4,4 Mio. Euro zur Verfügung. Innerstaatliche Konflikte Zum Vergleich: Der Militäretat der Bundesrepub- lik betrug nach SIPRI etwa 34 Mrd. Euro. Das „Forum Ziviler Friedensdienst“ (ZFD) ist 1996 aus dem Zusammenhang der Deutschen Zur Veranschaulichung der unterschiedlichen Friedensbewegung entstanden. Es arbeitet Aktionsformen sei hier noch auf das Projekt „Fe- durch die Entsendung ausgebildeter Frauen rien vom Krieg“ des Komitees für Grundrechte und Männer in Krisenherde im Inland (vorwie- und Demokratie verwiesen, das seit 1994 jähr- gend kommunale Konfliktberatung) wie auch lich betrieben wird. Zunächst war es das Ziel, im Ausland.9 Die ZFD-Gruppen bestehen aus Kinder der verfeindeten Ethnien auf dem Bal- 10-20 Personen mit guter Ausbildung. kan am Strand der Adria zusammenzuführen, um rassistische Feindbilder zu überwinden. Im Programm „Westlicher Balkan“ stehen Pro- jekte der Vergangenheitsarbeit und der Dialog Zunächst kamen Bosnier, Serben und Kroaten, über ethnische Grenzen hinweg im Mittelpunkt. später auch Kosovo-Albaner. Bis 2011 waren Zu den Handlungsfeldern zählen die Stärkung es weit über 20.000 Kinder und Jugendliche, und Vernetzung politischer Initiativen der Ver- die sich spielerisch kennen und schätzen lern- gangenheitsarbeit, die eine konstruktive, öf- ten. Im Rahmen dieser Aktion wurden später fentliche Diskussion anstreben, sowie die För- Jugendliche aus Israel und Palästina zum ge- derung interethnischen Dialogs im Bildungs- meinsamen Treffen eingeladen. Aus diesen Ak- wesen. tivitäten sind inzwischen Folge-Projekte in den Heimatländern entstanden. Im Programm „Israel & Palästina“ geht es seit 1999 um den Aufbau von Dialog-Strukturen und Eine andere Form der zivilen Intervention in die Förderung von Friedenspädagogik. Im Liba- innergesellschaftliche Konflikte besteht in der non baut das Forum ZFD seit 2009 zusammen Ausarbeitung, Veröffentlichung und Verbreitung mit der Gesellschaft für internationale Zusam- von Konzepten, wie der jeweilige Konflikt dees- menarbeit ein neues Programm auf, dessen Ziel kaliert und behandelt werden könnte. Sie initi- es ist, die vergangenen Konflikte aufzuarbeiten ieren einen politischen Dialog über Alternativen zum Militär und machen die häufig verpassten 9 Forum ZFD: Geschäftsbericht 2010. Entwicklung und Fi- friedenspolitischen Chancen bewusst. Ein Bei- nanzen im Überblick, Bonn 2011. spiel hierfür ist das Monitoring-Projekt und da- 10
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG rin das Dossier über den türkisch-kurdischen Tamilen und Singhalesen in Sri Lanka zu dees- Konflikt.10 Dort heißt es im Editorial: kalieren, zu transformieren und schließlich zu einer friedlichen Bearbeitung des Konflikts zu Im Oktober 2006 hat die Guerilla einen neuen gelangen. Von deutscher Seite war besonders unbefristeten Waffenstillstand ausgerufen. Die die Berghof-Stiftung engagiert. Trotz großer EU-Staaten halten trotzdem an ihrem Terrorismus- Bemühungen setzte sich schließlich das Bestre- Vorwurf gegenüber der PKK und ihren Organisa- tionen fest und verbauen sich so die Möglichkeit, ben der Regierung in Colombo durch, die Ta- in den Konflikt vermittelnd eingreifen zu können. mil Tigers militärisch vernichtend zu besiegen, Es gilt, eine weitere Eskalation des gewaltsamen wodurch zwar Unterwerfung erreicht, aber der Konflikts zu verhindern und ihn mit zivilen Mitteln Konflikt nicht gelöst werden konnte. Viele der beizulegen. Dazu können staatliche, internationale ZKB-Vermittler mussten sogar das Land verlas- und nicht-staatliche Stellen einen Beitrag leisten. Auch die Erfahrungen, die in Europa mit nationa- sen. Dieses Beispiel zeigt, dass die Bemühun- len Minderheiten gemacht wurden – zum Beispiel gen um ZKB durch nicht-staatliche Organisatio- das Südtirol-Abkommen zwischen Österreich und nen in einem Land mit innerstaatlichen Konflik- Italien – sollten herangezogen werden. ten keineswegs immer die Unterstützung ihrer jeweiligen Botschafter erhielten.11 Diese waren Das Dossier enthält einen Fahrplan (Road- möglicherweise mehr an der Stabilität der be- map) für die Lösung des türkisch-kurdischen stehenden Herrschaft als an der friedlichen Lö- Konflikts. Diese Roadmap setzt auf einseitige sung der Konflikte interessiert. Schritte, die Vertrauen schaffen, Ängste ab- bauen und die jeweilig andere Seite zu eben- Wo gab es direkte Bemühungen von Staaten, in- solchen Schritten veranlassen können. Einen nerstaatliche Konflikte im hier verstandenen zentralen Stellenwert besitzen die Beendigung Sinne von ZKB zu schlichten? Bei der Überwin- des Krieges durch die Bereitschaft der kurdi- dung der Apartheid in Südafrika etwa spielten schen Seite, ihre Waffen unter internationaler die industrialisierten Großmächte, darunter Kontrolle abzugeben und damit den Konflikt zu auch Deutschland, eine eher negative Rolle. transformieren, sowie die Erklärung Ankaras, Und Interventionen waren oft mit Parteinahme eine Politik der Aussöhnung anzustreben und für einen Konfliktpartner oder – wie in Libyen – eine allumfassende Amnestie durchzusetzen. gar mit militärischer Unterstützung verbunden. Die EU-Staaten sollen sich ernsthaft um Hil- Wo blieb die Unterstützung der Transforma- fe bei der Lösung des Konflikts bemühen und tionsprozesse im arabischen Frühling, sei es dazu ihren Terrorismus-Vorwurf gegenüber durch Aufnahme von Flüchtlingen, sei es durch der kurdischen Seite fallen lassen und anerken- Investitionen und Maßnahmen, die geeignet nen, dass es sich auch um Widerstand gegen wären, die Entwicklung der sozialen Frage posi- die türkische Politik der Zwangsassimilierung tiv zu beeinflussen? handelt. In Post-Konfliktsituationen richtet sich die Ein- ZKB zwischen den Konfliktparteien vor Ort ist eine wirkung von außen vorwiegend auf den Aus- weitere Form der zivilen Intervention. Als Bei- bau des sogenannten Sicherheitssektors. Im spiel nenne ich hier die vielfältigen und lang- Vordergrund stehen Militär- und Polizeiaufbau, jährigen Versuche von Stiftungen, Forschungs- Geheimdienste, die Sicherung des staatlichen instituten und NGOs, den Konflikt zwischen Gewaltmonopols usw. Mit ZKB hat dies nur sel- 10 Andreas Buro: Monitoring-Projekt. Dossier III: Der türk- ten etwas zu tun. isch-kurdische Konflikt, Bonn 2007. Die Herausgabe des Dossiers begleitete die vieljährige Arbeit des Dia- 11 Norbert Ropers: A Systemic Approach: Reflections on Sri log-Kreises: „Die Zeit ist reif für eine politische Lösung Lanka, 2011, www.berghof-handbook.net/documents/ im Konflikt zwischen Türken und Kurden“. publications/ropers_handbookII.pdf. 11
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG Auf der Ebene der internationalen Organisationen zuweiten. Die Kommission hätte dann die Auf- sind zuerst die Vereinten Nationen zu nennen. gabe, gestützt auf einen Stab von Wissenschaft- Sie haben nach Ende des West-Ost-Konflikts lern und Praktikern der Konfliktbearbeitung in eine wichtige Weichenstellung in Richtung recht- Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und zeitiger, vorbeugender Konfliktbearbeitung vor- den vorhandenen Frühwarneinrichtungen, de- genommen. Ausgangspunkt war die Agenda for taillierte Empfehlungen für eine rechtzeitige, Peace, die vom damaligen UN-Generalsekretär nicht-militärische Bearbeitung regionaler Kri- Boutros Boutros-Ghali 1992 veröffentlicht wur- sen durch die Vereinten Nationen zu erarbei- de. Vorbeugende Diplomatie, Friedensschaf- ten. Man könnte sich vorstellen, dass auch in fung, Friedenssicherung und -konsolierung wa- vielen Staaten sowie in der EU solche Kommis- ren wichtige Pfeiler dieser neuen Orientierung. sionen entsteht, sodass sich ein Mehrebenen- Zu den Instrumenten gehörte allerdings auch system der ZKB entwickeln kann, das von den der Einsatz von UN-Truppen. Auch wenn es lokalen und nationalen Ebenen über regionale sich also nicht um ein pazifistisches Konzept Ebenen bis hin zur globalen Ebene reicht und handelt, enthält es doch viele interessante An- Erfahrungen bündelt. sätze im Sinne von ziviler Konfliktbearbeitung. Im Rahmen der Agenda wurde das Department Bei allen positiven Entwicklungen auf dem Wege of Political Affairs als Hauptabteilung des UN- zur ZKB darf allerdings nicht vergessen werden, Sekretariats mit der Aufgabe der Frühwarnung dass der UN-Sicherheitsrat immer noch über vor drohenden, eskalierenden Konflikten ge- den Einsatz der Instrumente zu entscheiden gründet. Der Nachfolger von Boutros-Ghali, hat.12 In ihm spielen die jeweiligen (vermeint- Kofi Annan, hat diese Orientierung weiter ver- lichen) nationalen Interessen eine entschei- folgt und von einer „Kultur der Prävention“ ge- dende Rolle, insbesondere jene der mit einem sprochen. Vetorecht ausgestatteten Großmächte. Wie in Deutschland mit der zivil-militärischen Zusam- Die in der deutschen Zivilgesellschaft entstan- menarbeit (ZMZ) besteht auch auf der globalen dene Initiative PRO UNCOPAC hat sich ein ehr- Ebene immer die Gefahr, dass der Friedensge- geiziges und langfristiges Projekt zum Ziel ge- danke und die ZMZ von den etablierten militär- setzt: die Einrichtung eines Nebenorgans der orientierten Institutionen gekapert werden. Auf Generalversammlung der UNO – eine UN-Kom- der Ebene der UNO hat dieser Mechanismus mission für Frieden und Krisenprävention (UN- dazu geführt, dass die „Agenda for Peace“ nicht Commision on Peace and Crisis Prevention). zufriedenstellend umgesetzt werden konnte. Dazu wurde ein modellhaftes Statut erarbeitet, Andreas Zumach schrieb bereits 1995: das von Anfang an großes internationales Inte- resse gefunden hat. In der Nachfolge hat sich In der veröffentlichten Meinung ist zumeist undiffe- das Forum Crisis Prevention e.V. vorgenommen, renziert von der UNO die Rede – zumal, wenn über Versagen und Fehler wie in Somalia, Ex-Jugoslawi- Vorschläge in die politische Diskussion einzu- en oder Ruanda berichtet wird. Diese Darstellung bringen und Menschen aus möglichst vielen unterschlägt die Verantwortung einzelner Mit- Ländern an seiner Arbeit für Zivile Krisenprä- gliedstaaten, die mit ihren oft gegensätzlichen In- vention zu beteiligen. Im Jahr 2005 hat die UNO teressen und höchst unterschiedlichen politischen, die Einrichtung einer Peace Building Commis- wirtschaftlichen und militärischen Einflussmöglich- keiten die Politik der UNO bestimmen. Die UNO als sion für Post-Konflikt-Situationen beschlossen. eigenständig handelndes Subjekt existiert nicht.13 Das Forum Crisis Prevention bemüht sich nun mit anderen Initiativen darum, das Mandat die- 12 Vgl. UN: Reports of the Security Council. ser Kommission auf pro-aktive Prävention un- 13 Andreas Zumach: special Vereinte Nationen, Reinbek ter aktiver Mitwirkung der Zivilgesellschaft aus- 1995, S. 8. 12
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG Unterorganisationen der UNO spielen eine be- Die ständigen Spendenbitten der humanitär deutende Rolle in der Arbeit der UNO. Sie sind ausgerichteten Unterorganisationen zeigen, in der Regel nicht unmittelbar in die Deeskala- wie knapp die Ressourcen für ihre Arbeit sind. tion und Lösung gewaltsamer Konflikte einge- Je mehr es gelingt, zivile Konfliktbearbeitung an bunden, haben aber sehr wohl mit den Entste- die Stelle von militärischem Konfliktaustrag zu hungsbedingungen zu tun und werden von den setzen, desto größer fallen Einsparung im militä- Auswirkungen militärischen Konfliktaustrags rischen Bereich aus, und desto mehr können die betroffen. Die Unterorganisationen der UNO Unterorganisationen auch hoffen, dass die Ein- müssen für die Bewältigung ihrer Aufgaben an sicht und Bereitschaft der UN-Mitgliedstaaten friedlichen Verhältnissen und damit auch an der wächst, diese Organisationen ausreichend zu friedlichen, zivilen Bearbeitung von Konflikten finanzieren. interessiert sein. In dieser Hinsicht sprechen be- reits die Namen der folgenden Organisationen für sich: Internationale Konflikte ⇒⇒ Economic Commission for Africa Laut dem bereits benannten Konflikt-Barome- ter des „Heidelberg Institute for International ⇒⇒ Food and Agriculture Organization Conflict Research“ hat die Zahl internationalen Konflikte abgenommen. Zu ihnen zählen aller- ⇒⇒ Global Programme on Globalization, Li- dings auch Interventionskriege wie in Afgha- beralization and Sustainable Human De- nistan und im Irak sowie der Konflikt zwischen velopment Israel und Palästina. ⇒⇒ International Labour Organization Soziale Bewegungen und NGOs haben immer wieder gegen Kriege und die Kriegsteilnah- ⇒⇒ United Nations Children’s Fund me des eigenen Landes protestiert. Dies war wirkungsvoll beim Interventionskrieg der USA ⇒⇒ United Nations Conference on Trade and in Vietnam und hat die Bereitschaft in Wa- Development shington gestärkt, über eine Friedenslösung in diesem Kriege nachzudenken und schließ- ⇒⇒ United Nations Educational, Scientific lich zu verhandeln. Die Bundesrepublik war and Cultural Organisation an diesem Kriege nicht unmittelbar beteiligt. Trotzdem war es wichtig, im Bewusstsein sei- ⇒⇒ United Nations Environment Programme ner Bevölkerung eine Ablehnung des Krieges ⇒⇒ United Nations Framework Convention und damit eine kritische Haltung zu militär- on Climate Change gestützter Politik zu fördern, auch wenn dies Kritik an einem Bündnispartner bedeutete. ⇒⇒ United Nations High Commissioner for Das hat sich auch während des Interventions- Refugees kriegs der USA und der NATO in Afghanistan ausgewirkt. Er wird von etwa zwei Dritteln der ⇒⇒ UN System Network on Rural Develop- Bevölkerung in Deutschland abgelehnt, die ei- ment and Food Security nen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan und eine friedliche Lösung durch Verhandlun- ⇒⇒ UN Women – United Nations entity for gen fordert. So hat sich in etlichen Medien eine Gender Equality and the empowerment kritische Haltung zu diesem Krieg artikulieren of Women können. 13
ROSA LUXEMBURG STIFTUNG ANDREAS BURO NEW YORK OFFICE ALTERNATIVEN ZUM KRIEG Um in der Öffentlichkeit überzeugen zu kön- Der palästinensischen Administration gelang nen, war es wichtig, eine zivile Alternative zur es in der Interimsperiode durchaus, die Grund- Bearbeitung der Konflikte zur Diskussion stel- strukturen eines staatlichen Gemeinwesens her- len zu können. Erneut kann exemplarisch die zustellen, obwohl ihre Befugnisse geographisch Arbeit des Monitoring-Projekt14 genannt wer- und rechtlich weiterhin stark eingeschränkt wa- den, in dessen Rahmen die ZKB-Alternativen ren. Die PA hatte am Ende der Interimsperiode nicht nur zum türkisch-kurdischen und zum nur in 10% des Westjordanlandes und in 60% israelisch-palästinensischen Konflikt, sondern des Gazastreifens die alleinige Kompetenz für auch zum Iran- und Afghanistan-Krieg ausgear- Selbstverwaltung, innere Ordnung und Sicher- beitet wurden. heit. Außerdem trieb Israel den Siedlungsbau weiter voran. Nach der Ermordung Rabins 1995 Dort, wo es finanziell und logistisch möglich ist, hat Israel in der Folgezeit seine Verpflichtungen wird auch weiterhin eine grenzüberschreiten- aus Oslo II nicht erfüllt, und die USA haben ihre de Friedensarbeit geleistet. Neben wichtiger Vermittlungsbemühungen nicht mit Nachdruck humanitärer Hilfe bestand sie bei den Balkan- weiter verfolgt. kriegen in der Unterstützung dortiger Friedens- gruppen, im Aufbau von Mediationsgruppen Eine wichtige Entwicklung auf der staatlichen und in der Herstellung internationaler Kontakte Ebene ist die Bildung von regionalen Zusammen- unterschiedlichster Art, so auch zwischen Schu- schlüssen. Ihr Anlass sind erhoffte ökonomische len und Gemeinden. Vorteile, etwa die wirtschaftliche Entwicklung durch Freihandel untereinander, und eine Stär- Auf der staatlichen Ebene ist ZKB als Richtlinie kung des Einflusses der Region bei internationa- der Politik noch kaum erkennbar. Als ein frag- len Verhandlungen. Als Vorbild diente oftmals würdiges Beispiel kann der Oslo-Friedenspro- die Europäische Union, obwohl die zu bewälti- zess gewertet werden. Dieser Oslo-Prozess genden Probleme jeweils in hohem Maße spe- entstand im Rahmen von NGO-Workshops. Er zifisch sind. Zu nennen sind hier, neben der EU, führte schließlich über geheime Parallelver- beispielsweise die Association of East Asian Na- handlungen am 13. September 1993 zu einem tions (ASEAN), der Gemeinsame Markt Südame- von Yitzhak Rabin und Jassir Arafat im Beisein rikas (Mercosur), die Schanghaier Organisation von Bill Clinton in Washington unterzeichneten für Zusammenarbeit (SOZ), die Gemeinschaft Prinzipienabkommen (Oslo I). Danach sollte die unabhängiger Staaten (GUS) sowie die Orga- israelische Regierung schrittweise Territorium nisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), und politische Zuständigkeiten an die zu bilden- der derzeit 57 Staaten angehören, in denen der de Palästinensische Autorität (PA) übergeben. Islam Staatsreligion oder Religion der Mehrheit Die zentralen Fragen nach dem Status Jerusa- bzw. einer großen Minderheit der Bevölkerung lems, der Zukunft der Siedlungen, der Grenzzie- ist. Solche regionale Zusammenschlüsse von hung usw. sollten in „Endstatusverhandlungen“ Staaten haben den großen Vorteil, dass sie im nach einer fünfjährigen Interimsperiode geklärt Binnenverhältnis einen militärischen Konflikt- werden. Nach dem Interimsabkommen (Oslo II) austrag tendenziell ausschließen und die be- von 1995 sollte dieser Prozess bis 1999 abge- stehenden Probleme über Dialoge regeln. Aller- schlossen sein. dings ist ihr außenpolitisches Verhalten durch- aus auch militärgestützt. 14 Andreas Buro: Das Monitoring-Projekt. Zivile Konflikt- bearbeitung – Gewalt- und Kriegsprävention. Die Alter- Die Organisation für Sicherheit und Zusammen- nativen der Friedensbewegung zum militärischen Konf- liktaustrag. Bürgerinnen- und Bürgerinformation, hgg. arbeit (OSZE) ist nach dem Ende des Ost-West- von der Kooperation für den Frieden, Bonn 2006. Konflikts in der Nachfolge der Konferenz für 14
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