Analog 01.23 An der Grenze

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Analog 01.23 An der Grenze
analog
                                     Zeitschrift für analoge Musikwiedergabe € 12,50

                                                                  01.23

  An der Grenze
         des Machbaren
  Die Neukonstruktion der Legende
    STELLAVOX »PRO TD9«

Ansteckend: In familiärer Vinyl-Mission

Verlockend: Masse-Laufwerk von SIKORA aus Polen

Begeisternd: Metamorphosen des DENON »DL 103«

Inspirierend: 24 Schallplatten und 10 Masterbänder
Analog 01.23 An der Grenze
Inhalt
AAA         Grenzgang und Gratwanderung: Wiederauferstehung einer Legende:
            Die STELLAVOX »PRO TD9« kehrt zurück                                   4
            Regionale Analog-Treffpunkte                                           7
            Klangpioniere: 40 Jahre High End-Society                              10
            Vinyl-Generationen: Zwei Perspektiven – eine Leidenschaft             20
            Augenzeuge: Die Norddeutschen HiFI-Tage                               22
            Neues und Wissenswertes: Pressemitteilungen aus der Szene             31
            Soundtracks, die dritte: Hörenswerte Filmmusiken                      32
            Musikalische Sozialisation: Folge 3 der neuen Serie über
            Musikbiografien von AAA-Mitgliedern                                    37
            Mission: Wie man Leidenschaft vererben kann                            44
            Aus der Geschäftsstelle                                                99
            Mitgliedsfirmen                                                       100

Technik     Mehr Kult als Klang: SONYs »Walkman DD III« auf der Intensivstation   26
            Im Namen des Masterbandes: Eine Bandmaschine nur zum Abspielen        39
            Im Osten was Neues: Basis High End-Laufwerk von SIKORA                46
            Messen statt Tüfteln: »Wissenschaftliche« Lautsprecher-Entwicklung
            bei FINKTEAM.                                                         50
            Frischzellen-Kur: Das legendäre »DL-103« im Tuning-Modus              54

Musik       Das Erbe des MERCURY-Labels: Interview mit Tom Fine                   58
            Audiophile Viererbande:
            Unser »Berliner Quartett« stellt neue Schallplatten vor               65
            Neue und einzigartige Analog-Produktionen auf Vinyl & Tonband
            Schallplatten
            Henrik Freischlader: »Recorded By Martin Meinschäfer II«              71
            GoGo Penguin: »Everything Is Going To Be OK«                          72
            Soen: »Atlantis«                                                      74
            Andrea Motis & WDR Big Band: »Colors & Shadows«                       78
            Anne Clark & Ulla van Daelen & Justin Ciuche: »Borderland«
            (STOCKFISCH DMM)                                                      79
            Magdalena Ganter & Die Herren von Montreux: » Studio Konzert«         80
            Grimson Oak: »Grimson Oak«                                            81
            Carly Simon: »No Secrets« (SPEAKERS CORNER Reissue)                   82
            Masterbänder
            »Jazz On Vinyl« 1-7 (Quinton/Edition Phönix der AAA)                  84
            John McLaughlin, Al Di Meola, Paco De Lucía:
            »Saturday Night In San Francisco« (HORCH HOUSE)                       91
            Richard Koch Quartett: »Fluss« (HORCH HOUSE)                          94
            »Sommernachtsträume « (RN AUDIO)                                      98

                                                                                  103
Impressum

                                    Strictly analogue!!
                                    15.04. – 16.04.2023
             M   O   E   R   S      Van der Valk Hotel Moers
                                    Infos: www.aaanalog.de
Analog 01.23 An der Grenze
ANALOG 1/2023                                                                                                             A A A     3

Editorial

Grenzgänger
Unsere Herangehensweise an passioniertes Musikhören, die          Es ist fraglos ein relevanter Unterschied, ob ich mir für 65 €
man eher Leidenschaft als einfach nur „Hobby“ nennen muss,        eine audiophile LP oder für 480 € das entsprechende Master-
besitzt die vielleicht typisch männliche Komponente, bei der      band kaufe. Und es setzt ein noch größeres Fragezeichen in
Auslotung des Möglichen bis zum Äußersten zu gehen und erst       die Welt, wenn man sich mit der Neukonstruktion einer Band-
an unüberwindlichen Grenzen Halt zu machen. Den Beweis für        maschine befasst, für die ein mittlerer fünfstelliger Betrag auf
diesen Sachverhalt erbringen wir eigentlich mit jeder Ausgabe     den Tisch zu legen ist. Ich höre die Fragen: „Wer hört überhaupt
dieses Magazins. Seien es nun sündhaft teure Geräte, riesige      Bänder?“, „Rechtfertigt das geringe erhältliche Repertoire über-
Tonträgersammlungen oder ungeheuer aufwendige Mastering-          haupt diesen Aufwand?“ und „Ist es nicht irre, dafür derart viel
Verfahren, deren magische Anziehungskräfte wir zelebrieren.       Geld auszugeben?“

Man kann dieses Streben, ohne Rücksicht auf technischen und       All diese Einwände sind legitim. Aber wer, wenn nicht wir von
auch finanziellen Aufwand den bestmöglichen Klang erreichen        der AAA, sollte sich auch solchen Entwicklungen zuwenden?
zu wollen, „verrückt“ oder „besessen“ nennen, wie das viele       Wer, wenn nicht wir, sollte aufzeigen, welche klanglichen
Zeitgenossen auch tun.                                            Potentiale analoge Musikproduktion hat, weil genau das ja
Aber es verfolgt letzten Endes nur das eine Ziel: Die Reproduk-   die Existenzberechtigung unserer Bewegung und des ana-
tion von Musik zu einem Erlebnis zu machen, das atemberau-        logen Hörens selbst unter Beweis stellt?
bend ist und uns in den Niederungen des Alltags emotionale
Lichtblicke verschaff t, die mit nichts anderem zu vergleichen
sind. Das macht diesen Aufwand subjektiv vertretbar.
                                                                  Herzlich
Aber selbst in unseren Kreisen, in denen über solche Eskapaden
Einvernehmen besteht, gibt es Stimmen, die gewisse „Exzesse“      Ihr
ablehnen und darüber den Kopf schütteln; jugendliche Vinyl-
Fans sowieso.

 Hat sich Ihre Bankverbindung geändert oder sind Sie
 umgezogen?
 Sie können uns die Verwaltungsarbeit sehr erleich-
 tern, indem Sie uns diese Änderungen mitteilen.
 email: pthoeler@aaanalog.de oder Fax: +49 181-7051 6010
Analog 01.23 An der Grenze
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     Zu Höchstem berufen
             40 Jahre HIGH END SOCIETY – Geschichte und Gegenwart

     Von Uwe Mehlhaff

     Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir – Aussteller und Medienvertreter – nach einem Feierabend

     auf der HIGH END einer Einladung der HIGH END SOCIETY folgten. Sofern ich mich richtig erinnere, war

     es das 30-jährige Jubiläum, und wir schrieben Mai 2012. Ich saß in einer Halle im MOC, dem Münchener

     Veranstaltungs- und Ordercenter, an einem für unser flächenmäßig größtem Bundesland typischen

     Biergartentisch in langer Reihe umringt von zahlreichen Ausstellern. Viel zu laute Livemusik übertönte

     mögliche Konversationen. Und für Bayern untypisch gab es Weißbier aus 0,3 l-Gläsern. Für mich persönlich

     ein No-Go.
Analog 01.23 An der Grenze
ANALOG 1/2023                                                                                                                  A A A   11

                                              und interessanten Gesprächen zu später
                                              Abendstunde endete.

                                              Den amüsanten Teil des Nachmittags bis
                                              in den Abend moderierte gekonnt und
                                              professionell der populäre Wuppertaler
                                              Entertainer und Moderator Jörg Knör,
                                              dessen Parodien für reichlich Lacher
                                              und Beifall sorgten. Aber was hatte die
                                              HIGH END SOCIETY an diesem Ehrentag           40 Jahre HIGH END SOCIETY: Feier in der
                                              zu berichten? Jürgen Timm, Vorstands-         historischen Stadthalle Wuppertal
                                              vorsitzender der HIGH END SOCIETY,            am 08.11.2022
                                              schilderte den Ursprung des Verbands,
                                              der auf das Gründungsjahr 1982 zurück
                                              geht und auf den ich später näher einge-
Noch taufrisch: Ankündigung der HIGH          hen werde. Ich zitiere Jürgen Timm: „40
END im Hotel Interconti in der 10. Etage in   Jahre ist es her, dass diese Menschen
Düsseldorf (erste HIGH END 1982)              sich zusammenfanden und diesen Ver-
                                              band gegründet haben… … Aber Musik
                                              ist damals genauso wie heute ganz wich-
Als ich am 08.11.2022 Richtung Wupper-        tig gewesen. Ich glaube, für mich war die
tal fahre, denke ich, dass dieses Event       Musik damals sehr sehr wichtig. Und es
auch schon wieder 10 Jahre her und wie        war wichtig, dass sie auch gut klingt.
die Zeit seitdem verflogen ist. 2022 ist       Damals gab es noch kein Internet. Was         Ehre, wem Ehre gebührt: Die bundes-
die HIGH END SOCIETY e.V., der Inte-          hat man gemacht? Man hat sich mit             weiten Top 40 Hifi -Händler wurden aus-
ressenverband für hochwertige Ton-            Freunden unterhalten, man hat Musik           gezeichnet
und Bildwiedergabe, nunmehr 40 Jahre          gehört. Man ist in den Handel gegangen
alt geworden. Anlass, Mitgliedsfi rmen,        und hat sich dort umgeschaut, was es für
Fachpresse sowie die bundesweiten Top         spannende und interessante Produkte
40 Hifi-Händler für diesen Tag nach Wup-       gab. Dann hat man auf das Preisschild
pertal, wo der Verband seinen Sitz hat, in    geschaut und hat gesagt, ganz schön
die dortige historische Stadthalle einzu-     teuer… …Ein anderes Medium, Internet
laden. Insgesamt wurden 160 Teilnehmer        gab es ja noch nicht, war die Presse. Man
zur Feier gebeten. Bis auf einige wenige      hat in die Zeitschriften geschaut und hat
Absagen fanden diese auch den Weg in          verglichen. Man hat sich bei Freunden
die bergische Metropole.                      umgehört, und man hat letzten Endes
                                              auch festgestellt, dass in diesen Fach-
Die Stimmung im historischen Ambiente         zeitschriften ungebändigte Kompetenz
war gut und die Branche bester Laune.         gebündelt ist.“ Ich erinnere mich, wie ich    Richtig gezählt! 38 Mal seit 1982 gab es
Wie von vielen Herstellern, Vertrieben        mir in den 1970er- und 1980-er Jahren         eine HIGH END (HIGH END 2022)
und Händlern zu vernehmen war, war            am Wochenende am Schaufenster eines
das Jahr 2021 ein sehr umsatzträchtiges       damaligen Bonner Radio- und Fernseh-          und zu dem gemacht, was er heute mit
Jahr, dem 2022 wohl nicht nachstehen          händlers die Nase plattgedrückt hatte:        Fug und Recht reklamieren darf, nämlich
wird. Die Veranstaltung war durchwegs         Da standen Tonbandgeräte für 1000 und         der größte und wichtigste Interessensver-
gelungen; es gab keinen Anlass zu Kri-        mehr DM, für die mir damals das nötige        band für die hochwertige Ton- und Musik-
tik. An dieser Stelle nochmals Dank an        Kleingeld fehlte. Was ist mir leisten konn-   wiedergabe zu sein mit einer sehr sehr
die HIGH END SOCIETY, deren Tochter-          te, war das Hifi -Jahrbuch Nr. 7 (1975),       starken Gemeinschaft.“ Stefan Dreischärf,
gesellschaft HIGH END SOCIETY SER-            welches ich heute noch immer besitze.         Geschäftsführer der HIGH END SOCIE-
VICE GmbH sowie allen Mitarbeitern,           Das ist lange her, und meine Fettnasen        TY SERVICE GmbH, bestätigte wie sein
in deren Verantwortung die gelungene          an den Schaufensterscheiben? Die musste       Vorredner Jürgen Timm, sich schon seit
Organisation lag. Insgesamt war es ein        der Händler montagsmorgens natürlich          einigen Jahrzehnten mit dem Thema Hifi
dem Anlass gebührender Abend, der             wieder wegwischen.                            und Highend im Privaten zu beschäfti-
mit einem abwechslungsreichen Büffet                                                         gen. Geehrt wurden im Laufe des Abends
                                              Der Verband ist (Stand November 2022)         zwei der 12 Gründungsmitglieder, die
                                              nunmehr auf satte 68 Mitglieder (Her-         aktuell noch in der Branche aktiv sind:
Bietet Platz für größere Veranstaltungen:
Die historische Stadthalle in Wuppertal       steller und Vertriebe) angewachsen.           Kurt Hecker, Ehrenvorsitzender der HIGH
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     Begleiterscheinung bis 2019: Messekata-      Ein Muss für Freunde von physischen Tonträgern: Das Tonträgerdorf (HIGH END 2012)
     loge in Buchform (hier HIGH END 2005,
     die zweite Messe im Münchner MOC)

     END SOCIETY, und Rolf Gemein, Inhaber        Renner, ein Diplom-Ingenieur der Elek-          seitens der kleinen High-End-Firmen
     und Mastermind von Symphonic Line.           trotechnik aus München, der die Ver-            als vordringliche Aufgabe, dem Rum-
                                                  öffentlichung der Zeitschrift „Das Ohr“          mel auf der „HifiVideo“ Paroli zu bieten.
     Im weiteren Verlauf des Abends wur-          plante. Alle Teilnehmer waren sich nach         Damit war die Idee der ersten HIGH END
     den die Top 40 Hifi-Händler, soweit diese     diesem Treffen einig, dass die bis dato          geboren. Ich zitiere die Zeitschrift „Das
     anwesend waren, geehrt und mit ger-          große Düsseldorfer Messe „Hifi Video“            Ohr“: „Warum sollte es in Deutschland
     ahmten Urkunden ausgezeichnet. Jürgen        mit den damals namhaften deutschen              nicht möglich sein, eine gemeinsame
     Timm: „Ganz wichtig für uns ist hier die     sowie internationalen Herstellern von           Hotelausstellung aller ‚High-End-Leute‘
     Basis, ohne die nichts draußen geht. Diese   Produkten der Unterhaltungselektronik           durchzuführen? Zumal die Düsseldorfer
     Basis sind unsere Fachhändler... …Wir        dem Thema „Hören“ keine rechte Auf-             Messe 1982 durch das ungeliebte Objekt
     haben darüber beraten, wer denn diese        merksamkeit schenkt. Zu sehr konzen-            Video erweitert werden würde.“ Ein Zet-
     Besten der Besten unserer Fachhändler        trierte sich diese Veranstaltung auf das        tel wanderte von Tisch zu Tisch, auf dem
     sind.“ Also Ehre, wem Ehre gebührt.          Thema Video, sprich Bild. Der gute Ton          jeder Teilnehmer seinen Raumbedarf
                                                  spielte folglich eine Nebenrolle.               anmeldete.
     Kommen wir auf die Historie der HIGH
     END SOCIETY zu sprechen und auf              Klaus Renner erläuterte den anwesenden          Am 15.01.1982 traf man sich zwecks
     den 18.12.1981. An diesem Tag und bei        Teilnehmern in Alzenau sein Konzept der         Hotelinspektion in Düsseldorf. Es kamen
     Schneetreiben, so die Chronik, trafen        Zeitschrift „Das Ohr“. Gleichzeitig unter-      mehr High-End-Firmenvertreter in die
     sich in einem kleinen Hotel im unterfrän-    breitete er den Vorschlag, dass die deut-       rheinische Landeshauptstadt als zum
     kischen Alzenau 13 kleine High-End-Fir-      schen High-End-Hersteller im Jahr 1982          Auftakt in Alzenau. Mit dem Intercon-
     men mit 12 stimmberechtigten Mitglie-        ihre Produkte erstmals auf einer eigenen        ti fand man letztendlich trotz parallel
     dern. Initiiert hatte dieses Treffen Klaus    Messe präsentieren sollen. Man sah es           stattfindender „HifiVideo“ ein Hotel,

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                                                                                                            'LHXOWLPDWLYHGLJLWDOH0XVLNTXHOOHs
                                                                       /6Ʋ                                  LQ{.RPELQDWLRQPLWGHP/6Ʋ
                                                                       Der Referenzlautsprecher             HLQXQYHUJOHLFKOLFKHOHJDQWHV
                                                                       PLW6%Ʋ7LHIWRQHUZHLWHUXQJs        +LJK(QG$XGLRV\VWHP
                                                                       KÑFKVWH.ODQJSU¿]LVLRQ
                                                                       XQGXQJHEUHPVWH0XVLNDOLW¿W

                                                                       www.hoerzone.de
Analog 01.23 An der Grenze
ANALOG 1/2023                                                                                                            A A A   13

Typisch bayerisch: „Livemusi“ (HIGH END 2012)                     Walking Act: Livemusik auf acht Beinen (HIGH END 2013)

 das den benötigten Raumbedarf zur Verfügung stellen konn-
 te. Das während diverser Messetage unerwünschter Baulärm
 die Hörvorführungen störte, war ärgerlich. Die Veranstaltung
 ging vom 19.08. bis zum 26.08.1982, der Besucherstrom war
 enorm. Die 1. HIGH END war trotz aller Beeinträchtigungen
 durch Baumaßnahmen sehr erfolgreich. Man beschloss seitens
 der Aussteller, 1983 eine weitere Messe durchzuführen, aber
 an einem anderen Standort.

 Am 10.12.1982 fand in Frankfurt am Main die Gründungsver-
 sammlung der „High End-Interessengemeinschaft für hoch-
 wertige Musikwiedergabe e.V.“ statt. Es war der Vorläufer der
 heutigen HIGH END SOCIETY. Die Satzung wurde einstimmig
 abgesegnet und beschlossen. Damit war der Verein gegründet.      Haste Töne? Nichts für die Einzimmerwohnung (HIGH END
 Der etwas sperrig klingende Vereinsname ließ sich internatio-    2013)
 nal nicht vermarkten. 1990 geschah folgerichtig die Umbenen-
 nung in HIGH END SOCIETY.

 Es nahte das Jahr 1983 und die geplante 2. HIGH END. Das
 Interconti hatte sich nach dem Desaster im Vorjahr als nicht
 ideal erwiesen. Mit dem 5 Sterne-Hotel Kempinski Hotel Gra-
 venbruch in Neu-Isenburg nahe Frankfurt am Main war ein
 neues, luxuriöses Domizil gefunden. Es vereinte mehrere Vor-
 teile: Mitten in Deutschland gelegen, Anbindung an den größ-
 ten internationalen deutschen Flughafen, die Mainmetropo-
 le in unmittelbarer Nähe und der Charme eines Grandhotels
 mit allen damit verbundenen Annehmlichkeiten. Parkplätze
 für Aussteller und Besucher waren reichlich vorhanden, und
 nach beendetem Messetag konnte man diesen an der reich-          Small Faces oder Familienbande: Designlautsprecher aus
 lich bestückten Hausbar in stilvollem Ambiente ausklingen las-   Italien (HIGH END 2013)
 sen. Wie lautet aktuell die Eigenwerbung dieses Hotels: „Ein
 Zufluchtsort im Grünen“. Befragt man Zeitzeugen, die die HIGH
 END im Kempinski seinerzeit besucht hatten, fallen wohlwol-
 lende Begriffe wie „vornehm“, „edel“, „stillvoll“. Die HIGH END
 zog durch das Kempinski in den Folgejahren ständig wei-
 tere internationale HiFi- und High End-Hersteller, -Vertriebe
 sowie Besucher an. Man war als Gemeinschaft unter sich, weit
 weg von den Branchengrößen der Unterhaltungselektronik.
 Das Ende der HIGH END in Neu-Isenburg war im Jahr 2003
 besiegelt. Die HIGH END hatte sich prächtig entwickelt. Die
                                                                  HIGH END on Wheels: Highend-Anlagen auf vier Rädern
                                                                  (HIGH END 2014)
Analog 01.23 An der Grenze
14   A A A                                                                                                             ANALOG 1/2023

     Der Meister schließt die Augen und           Kein Bohrturm: Plattenspieler aus deut-
     genießt Musik: „Tonabnehmerpapst“            schen Landen für „Geldliebhaber“
     Aalt Jouk van den Hul (HIGH END 2013)        (HIGH END 2014)

                                                  tisch. Unabhängig vom MOC hat Mün-
                                                  chen natürlich auch seine nicht zu ver-
                                                  leugnenden Vorteile: Da wäre der interna-
                                                  tionale Flughafen zu nennen. Hinzu kom-
                                                  men das großzügige Einzugsgebiet und
                                                  natürlich das attraktive Umland gepaart
                                                  mit bayerischer Gastfreundlichkeit. Und
                                                  wer kehrt nicht gerne nach Messetag
                                                  in einem Biergarten ein? Wer nach der
                                                  Messe noch Zeit hatte, hängte ein paar
                                                  Tage Urlaub im Münchener Umland dran.

     Mitbegründer der heutigen HIGH END           Die HIGH END als Messe wuchs bezogen        Japanische Tuner-Legende: Ken Ishiwata (†
     SOCIETY: Dieter Burmester († 2015 /          auf Aussteller und Besucher beständig.      2019 / HIGH END 2014)
     HIGH END 2014)
                                                  Die HIGH END SOCIETY war durch die
                                                  zunehmende Internationalität mit über-
     Zahl der vorhandenen Vorführräume im         schaubarer Mannschaft nicht mehr zu         2014 wurde die HIGH END SOCIETY
     Kempinski war begrenzt und die Nachfra-      managen. Folglich kam der Gedanke,          MARKETING GmbH in HIGH END SOCIE-
     ge nach entsprechenden Zimmern größer        eine Tochtergesellschaft zu gründen, die    TY SERVICE GmbH umbenannt. Die Auf-
     als das Angebot. Zunehmend kam Bedarf        die HIGH END SOCIETY in „organisato-        gaben blieben weitgehend die gleichen.
     auch nach Bildvorführungen, also gutes       rischen und operativen Belangen“ unter-     War anfangs Branco Glisovic Geschäfts-
     Bild zum guten Ton, auf. Dafür waren die     stützt. 2003 (Neueintragung im Handels-     führer, so lag 2017 die Organisation und
     Hotelräume im Kempinski nicht vorgese-       register) wurde die HIGH END SOCIETY        Durchführung der HIGH END erstmals in
     hen.                                         Marketing GmbH als Tochtergesellschaft      den Händen von Stefan Dreischärf. Auch
                                                  der HIGH END SOCIETY gegründet. In          gab es Änderungen im Vorstandsvorsitz
     2004 geschah der Umzug nach München          den Folgejahren wurde nicht nur die         bzw. Vorstand des Verbands. Kurt Hecker,
     in das dortige MOC; kein Vergleich zum       HIGH END jährlich durchgeführt. Audio-      Gründungsmitglied und einer der 12 Teil-
     luxuriösen 5 Sterne-Hotel! Wer beide Loca-   philen Interessenten, die weder Zeit noch   nehmer in Alzenau, bis Mitte 2018 Vor-
     tions kennen gelernt hat, mag 2004 ange-     Muße hatten, nach München zu kommen,        standsvorsitzender der HIGH END SOCI-
     sichts des schnöden Messegeländes im         wurde oder wird die Gelegenheit gebo-       ETY, übergab ab diesem Zeitpunkt den
     Münchener Stadtteil Freimann enttäuscht      ten, über regionale Messen an verschie-     Stab an Jürgen Timm. Ihm zur Seite ste-
     gewesen sein. Das MOC wurde Anfang           denen Orten wie die „World of Hifi“, die     hen Dieter Amann (in-akustik) und Man-
     der 1990er Jahre im Auftrag der Messe        „Highend on Tour“ bzw. die „Finest Audio    sour Mamaghani (Audio Reference). Kurt
     München nach den Plänen des Stararchi-       Show“ klanglich auf ihre Kosten zu kom-     Hecker ist nunmehr Ehrenvorsitzender.
     tekten Helmut Jahn erbaut. Das MOC ist       men: Wenn man so will, eine regionale
     ein Zweckbau, nicht schön, aber prak-        HIGH END.
Analog 01.23 An der Grenze
ANALOG 1/2023                                                                                                             A A A     15

Alles Geschmackssache? Das ist bei diesen Kopfhörerverstärkerverstärkern die Frage      Horchposten: Lauschen an der Kopfhörer-
(HIGH END 2014)                                                                         bar (HIGH END 2014)

Schauen wir auf 40 Jahre HIGH END und       chen mit ihren rund 600.000 Besuchern,
deren Veranstaltungsorte zurück: Da         mag die HIGH END eine Petitesse sein.
sind Düsseldorf (1 Messe/Hotel Intercon-    Wir sprechen aber von der HIGH END als
ti), Neu-Isenburg (21 Messen/5 Sterne-      eine weltweit anerkannte Branchenleit-
Hotel Kempinski Hotel Gravenbruch) und      messe, von deren Ausmaßen anno 1982
München (16 Messen/MOC) zu nennen.          im Düsseldorfer Interconti noch niemand
Insgesamt gab es 38 HIGH END-Veran-         zu träumen wagte.
staltungen in 40 Jahren. 2020 und 2021
fanden diese Pandemie-bedingt nicht         Die HIGH END SOCIETY SERVICE GmbH
statt.                                      ist in den letzten Jahren bezogen auf die
                                            HIGH END nicht untätig gewesen. Zur         Wird schlüsselfertig geliefert: Legendäre
Kommen wir auf das MOC am Beispiel          HIGH END gehörte natürlich auch ein         Kopfhörer-/Röhrenverstärker-Kombination
                                                                                        aus Norddeutschland (HIGH END 2015)
der HIGH END 2022 zu sprechen: Da sind      musikalisches Rahmenprogramm, seien
die 29.000 qm Fläche Ausstellungsfläche      es Alphornbläser zur Begrüßung der
zu nennen. Mehr ist nicht und mehr geht     Messbesucher am Eröff nungstag oder
nicht! Da sich die HIGH END im Laufe        „Wandermusiker“ (Walking Act), die an
ihrer 38 Messen zur weltgrößten Spezi-      den drei Folgetagen durch die Hallen mit
almesse für Hifi und Highend entwickelt      Livemusik schlenderten.
hat, reicht dieser Platz 2022 schon nicht
mehr aus. Das MOC ist mit seiner Aus-       Im „Newcomer-Bereich“ (ab 2013) bot
stellungsfläche an seine Grenzen gekom-      sich Hifi-/Highend-Debütanten erst- und
men. Zur Ausstellungsfläche zählen die       einmalig die Gelegenheit, sich mit ihren
vier Hallen im Erdgeschoss sowie die drei   Produkten zu präsentieren. 2022 wurde
Atrien mit ihren Hörräumen im 1. und 2.     aus dem „Newcomer-Bereich“ die „Start-
Obergeschoss des MOC. Musik wird in         Up Area“. Wie sagte es Jürgen Timm
140 Vorführräumen sowie 54 Soundka-         anlässlich der Pressekonferenz auf der
binen präsentiert. 2022 wurden knapp        HIGH END 2022: „Die HIGH END SOCI-          Zwei, die etwas von Highend verstehen:
                                                                                        Mansour Mamaghani und Branco Glisovic
20.000 Besucher registriert, davon nahe-    ETY möchte ‚aufstrebenden Newcomern‘        (HIGH END 2015)
zu 9.500 Fachbesucher aus 80 und über       eine gemeinsame Bühne verschaffen um
400 Medienvertreter aus 36 Ländern.         ihre Produkte einer breiten Öffentlichkeit
Im Vergleich zur weltgrößten Messe, der     zu präsentieren und diese Unternehmen
Baumaschinenmesse „Bauma“ in Mün-           fördern und fordern“.                       Auf der „HIGHEND on Wheels” (ab 2014)
                                                                                        konnte man ohrenfällig einen Konzert-
                                                                                        saal im Auto anhand maßgeschneiderter
                                                                                        Audiosysteme in unterschiedlichen
                                                                                        Nobelkarossen livehaftig erleben. Leider
                                                                                        kostete dieses Erlebnis zu viel Ausstel-
                                                                                        lungsfläche und wurde 2022 auf ein paar
                                                                                        wenige Fahrzeuge im Eingangsbereich
                                                                                        des MOC reduziert.
Analog 01.23 An der Grenze
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     Schwarzhörer gesucht! Schallplatten erfreuen sich hoher Beliebt-   Full House: Die HIGH END war stets gut besucht
     heit (HIGH END 2015)                                               (HIGH END 2015)

     Die Initiative „SoundsClever“ wurde          zu unterschiedlichen Themen vertiefen.
     2019 eingeführt. Bezahlbares Hifi sollte      Hier referierten namhafte nationale und
     in Form komplett spielfähiger Anlagen        internationale Referenten zu ausgewähl-
     präsentiert werden. Diese Initiative kam     ten Themen, um diese dem interessierten
     derart gut an, dass sie in 2022 fortge-      Besucher leicht und verständlich nahe zu
     führt wurde und aktuell auch bei einigen     bringen.
     Hifi-Fachhändlern umgesetzt wird.
                                                  2022 wurde die IPS ins Leben geru-
     Auf der „Technology Stage“ (u. a. im Jahr    fen, die International Parts + Supply,
     2011) oder dem „HIGH END KOLLEG“             die Internationale Original Equipment
     (letzteres in 2019 unter dem Motto „Wer      Manufacturer (OEM) Messe für die
     hören will, muss wissen.“) konnten inte-     Audio-Industrie. Auf dieser Messe in der
     ressierte Besucher ihr Wissen rund um        Messe findet man die Zulieferfirmen, die
     Hifi und Highend auf diversen Workshops       Hersteller mit Bauteilen beliefern oder     Großartig? Die Betonung liegt auf groß.
                                                                                              Übermannshoher Hornlautsprecher (HIGH
                                                  diesen Dienstleistungen anbieten. Die       END 2015)
                                                  World of Headphones zeigte in diesem
                                                  Jahr deutlich, welchen Stand die Kopfhö-
                                                  rer- und In-Ear-Entwicklung bei draht-
                                                  gebundenen und drahtlosen Systemen
                                                  erreicht hat. Noise-Cancelling-Systeme,
                                                  also Rauschunterdrückungssysteme zur
                                                  Reduzierung von Außengeräuschen, sind
                                                  mittlerweile hoff ähig geworden.

                                                  Natürlich dürfen wir auch die Markenbot-
                                                  schafter nicht unerwähnt lassen, Stars
                                                  aus der Musikbranche, die als Aushän-
                                                  geschild ihr Gesicht der HIGH END zur
                                                  Verfügung stellen und sich in München
                                                  vor Ort präsentieren. Für 2018 konnte
                                                  die norwegische Sängerin und Lieder-
                                                  macherin Kari Bremnes als Markenbot-
                                                  schafterin gewonnen werden. 2019 folgte
                                                  der britische Musiker, Tontechniker und
                                                  Produzent Steven Wilson. 2022 war der
                                                  britische (und heute in den USA leben-
                                                  de) Musiker, Tontechniker und Produzent
                                                  Alan Parsons „Face of the Fair“.
     Koryphäe in Sachen Röhren: Tim de Paravi-                                                Heute Waschtag: Schallplattenwaschen will
     cini († 2020, HIGH END 2015)                                                             gelernt sein (HIGH END 2017)
                                                  Und last not least darf ein für mich per-
                                                  sönliches Highlight nicht unerwähnt
18   A A A                                                                                                            ANALOG 1/2023

                                                Bad or good connection? Surroundverstärker bieten viel und manchmal auch zu viel
                                                Ausstattung (HIGH END 2018)

                                                bleiben: Das etablierte Tonträgerdorf       größe lässt sich den Besuch in München
                                                auf der High End, wo man nach Ton-          nicht entgehen. Als Fazit und langjäh-
     Kein Fake! Tonbandmaschinen werden         trägern aller Art, sei es das „schwarze     riger Betrachter der Szene kann ich fest-
     zunehmend als Wiedergabequelle genutzt
     (HIGH END 2017)                            Gold“ (Vinyl), Silberlinge (CDs & Co.)      halten, dass sich die HIGH END in 40 Jah-
                                                oder unter Umständen auch bespielten        ren zu der Leitmesse im Hifi-/Highend-
                                                Tonbändern Ausschau halten kann. Hier       Sektor entwickelt hat. Sie ist zweifelsfrei
                                                darf man tatsächlich einmal nach Her-       die Spezialmesse, auf der die Branche
                                                zenslust „shoppen“ gehen und die Seele      in einer Leistungsshow ihre besten und
                                                baumeln lassen, auch wenn es nur Ton-       edelsten Produkte zeigt. Zugegebener-
                                                träger sind. Ein Ort, bei dem man trotz     maßen ist die Idee, die in Alzenau im
                                                aller Messehektik abschalten und die        Jahre 1981 entstand, der Zeit geschuldet
                                                Zeit vergessen kann. Das Tonträgerdorf      in den Hintergrund gerückt: Gute Musik
                                                hat sich etabliert; Sammler von „Hard-      einem interessierten Hörerkreis in hoch-
                                                ware“ kommen hier auf ihre Kosten,          wertiger Qualität nahezubringen. Bei
                                                manchmal auch unter dem Motto „Koste        20.000 Besuchern in vier Tagen mag dies
                                                es, was es wolle…“.                         heute eher ein frommer Wunsch sein.
                                                                                            Aber es gibt trotz des ganzen Rummels
                                                Dass die HIGH END sich in 40 Jahren zur     im MOC immer noch Vorführungen die
                                                Weltmesse einer Branche entwickelt hat,     (mich) begeistern können. Und jedem
     Norwegische Liedermacherin und Sän-        zeigt sich auch im Erscheinen illustrer     kann man es nicht recht machen oder
     gerin: Markenbotschafterin Kari Bremnes    Prominenz. Die eine oder andere Szene-      wie der Engländer sagt: „You can‘t please
     (HIGH END 2018)                                                                        everyone…“.

     Kein Fall für Schlangenbeschwörer: Kabel   Vorstandssache (v. l. n. r.): Stefan Dreischärf (HIGH END SOCIETY Service GmbH),
     haben als Zubehör einen festen Platz in    Kurt Hecker, Jürgen Timm (HIGH END SOCIETY), Steven Wilson (Markenbotschafter),
     der High End-Szene (HIGH END 2018)         Dieter Amann, Mansour Mamaghani (HIGH END SOCIETY) auf der HIGH END 2019
ANALOG 1/2023                                                                                                                     A A A      19

Mach mir schöne Augen, Kleines: Sooo
schön kann Röhre sein (HIGH END 2019)

                                            Newcomer? Findet man ab 2022 teilweise
                                            im START-UP-Bereich (HIGH END 2022)        Wo geht’s lang: Der Messekatalog weiß,
                                                                                       wo es lang geht (HIGH END 2019)

Schlitzsauber: Plattenreiniger mit Ultra-
schallreiniger (HIGH END 2019)

                                                                                       My home is my castle: Hier ist die HIGH
                                                                                       END SOCIETY zu Hause

HiFi muss nicht teuer sein: SOUNDS CLE-
VER zeigt, was gut und günstig ist (HIGH
END 2019)
                                            Markenbotschafter für 2022: Alan Parsons   Kontaktdaten:
Alle Teilnehmer der Gründungsver-           auf der Pressekonferenz 2022
sammlung in Frankfurt am Main vom                                                      HIGH END SOCIETY e.V.
10.12.1982:                                 7.  Jochen Rebmann, Taurus/Clear           Interessenverband für hochwertige
1. Klaus Renner, Zeitschrift “Das Ohr“          Audio (Nürtingen)                      Ton- und Bildwiedergabe
     (München), später 1. Vorsitzender      8. Hermann Hoff mann, Audio Int’l           Vorm Eichholz 2g
2. Christina Puschmann (heute Ishi-             GmbH (Frankfurt am Main)               D-42119 Wuppertal
     zuka ), P.I.A. HiFi-Vertriebs GmbH     9. Werner Schmitt, AVP GmbH                Telefon: +49 202 - 408 649 52
     (Mörfelden-Walldorf), später 2. Vor-       (Hanau)                                HIGH END SOCIETY SERVICE GmbH
     sitzende                               10. Helmut Püllmanns, Püllmanns            Vorm Eichholz 2g
3. Dieter Burmester, Burmester Audi-            GmbH (Köln)                            D-42119 Wuppertal
     osysteme (Berlin), später 3. Vorsit-   11. Dusan Klimo, D. Klimo GmbH             Telefon: +49 202 - 702022
     zender                                     (Reutlingen)
4. Kurt Wolfram Hecker, Kurt Hecker         12. Thomas Deyerling, Audio Arts           Quellenangaben:
     GmbH (Frankfurt am Main)                   (Frankfurt am Main)                    • Die Tonmitschnitte auf der Jubiläumsveranstaltung
                                                                                          erfolgten mit freundlicher Genehmigung von Stefan
5. Rolf Gemein, Vernissage Laboratori-                                                    Dreischärf, HIGH END SOCIETY SERVICE GmbH.
     um (Duisburg)                          Fotos: Uwe Mehlhaff                         • Zeitschrift „Das Ohr“
6. Branco Glisovic, Pirol Audio Syste-
     me (Böblingen)
20   A A A                                                                                                              ANALOG 1/2023

     Two Generations
     Von Jürgen und Mike Ehrlich                                        sich in etwa gleichaltrige und damit der gleichen Generation
     Zwei Generationen – In Anbetracht dessen, dass sich in den letz-   entstammende Vinyl-Liebhaber zusammen und bilden somit
     ten Jahren Schallplatten auch bei der jungen Generation stei-      keinen generationenübergreifenden Eindruck. Mike, der vor
     gender Beliebtheit erfreuen, wollen wir unseren Lesern einen       zwei „analog“-Ausgaben (02/22) ein Gastbeitrag zum „Quar-
     Eindruck davon geben, warum trotz diverser Streaming-Dienste       tett“ beisteuerte, brachte mich ebenfalls dazu, einen neuen
     mittlerweile auch junge Leute ein reges Interesse an Vinyl zei-    »Block« generationenübergreifend in diesem Magazin aufzubau-
     gen.                                                               en. Mit einem neuen, oder besser - anderen Bewertungssystem.
     Der Sohn meines Cousins - Mike (Alter: 31 Jahre) und ich (Alter:   In dieser Ausgabe werden wir beide zunächst unseren Wer-
     58 Jahre), möchten Euch aufzeigen, Wie, Was und Warum wir          degang, geprägt durch den im jeweiligen Zeitalter erfassten
     Vinyls hören und lieben. Und vielleicht auch, warum unsere bei-    Musikgeschmack sowie die damit verbundenen Erfahrungen
     den Generationen so verschieden sind, und dabei soll bei uns       und Umstände aufzeigen. Im Anschluss möchten wir für die fol-
     immer der berühmte „Blick über den Tellerrand“ hinaus gelten.      genden Ausgaben jeweils zwei Schallplatten austauschen, so dass
     Die Idee dazu entstammt aus der Tatsache, dass meine bishe-        es zu diesen die jeweiligen Bewertungen mit Begründungen, aus
     rige Autorentätigkeiten in der »analog« sich auf meine Beiträge    den »Two Generations« geben wird.
     im „Vinyl-Quartett“ beschränk(t)en. Dort, im „Quartett“, finden

     Jürgen Ehrlich                                                     selbst gekaufte Scheibe war dann auch der Soundtrack dieses
     Als Kind der 1970er Jahre verbrachte ich meine Kindheit in         Films, und die Scheibe lief bei mir in Dauerschleife. Mein erster
     Berlin-Kreuzberg. Meine Familie, Verwandtschaft und Freunde        Discotheken-Besuch kam dann ebenfalls im Jahre 1978; eine
     – kurzum alle Erwachsenen um mich herum waren begeisterte          Freundin nahm mich mit in die „modernste Diskothek Euro-
     Fans des damaligen deutschen Schlagers. Auf dem Plattenteller      pas“ - das SOUND (siehe „Christiane F.“- Buch: „Wir Kinder vom
     meiner Eltern lagen Dieter Thomas Hecks und Wim Thoelkes           Bahnhof Zoo“). Aber zu meiner Verwunderung spielte sich dort
     „Schlager Parade“, „Schlager Festival“, „Der große Preis“ und      nicht »Saturday Night Fever« ab, sondern ProgRock. Keiner dort
     wie auch immer die damaligen Schlager-Zusammenstellungen           bewegte sich wie John Travolta, und ich kehrte zunächst dem
     hießen. Ich hörte mit dem vom Vater ausrangierten 50er Jahre       SOUND (und auch dem ProgRock) wieder den Rücken.
     Röhren-Radio und mit einem 60er-Jahre PHILIPS-Mono-Plat-           Meine Leidenschaft für Disco-Musik und in Folge auch für
     tenspieler meine Hörspielplatten. Im Radio bekam man eben-         RnB, Funk und Soul wuchs. Anfang 1980 - ich war 15 - gabs
     falls meist die Schlager um die Ohren. Ausnahme waren Sender       für mich einen »Urknall«: Sugarhill Gang mit „Rappers Delight“.
     wie der AFN, RIAS und BBC – die liefen allerdings nicht im         Schon Chics „Good Times“ war ja ein Knaller, aber die »Gang«
     Elternhaus.                                                        setzte dem Beat die Krone auf! Es war die Geburtsstunde des
     Im Alter von 13 Jahren (das war 1978) zogen wir nach Ber-          Hip-Hops. Ja, später erfuhr ich, dass der „Hip-Hop“ schon viel
     lin-Neukölln in die Nähe der Gropiusstadt (bekannt als sozi-       früher geboren wurde (siehe Kool Herc), aber vor Rappers
     aler Brennpunkt und auch durch „Christiane F.“). Inzwischen        Delight gabs Hip-Hop eben nicht auf einer Scheibe.
     hatte ich eine Supadupa-Plastik-Stereo-Anlage mit allem            Im Laufe der folgenden Jahre schleppte ich so einige Hunder-
     Schnickschnack. Im gleichen Jahr lief neben dem Blockbuster        ter zu meinen Plattendealer. Meine Einkünfte wuchsen durch
     »Star Wars« auch ein meinen musikalischen Geschmack prä-           meine Ausbildung und meinen Nebenjob als DJ in einem Ami-
     gender Film in den Kinos: »Saturday Night Fever«. Die erste        Club nahe der Air Base Berlin-Tempelhof. Viele Maxis in mei-
ANALOG 1/2023                                                                                                               A A A     21

ner Sammlung stammen aus dieser Zeit,         mit diesen damals als DJ auflegte. Mein      tät entwickelt, und so schlich sich immer
bezahlt vom Club-Besitzer. Mit 18 durfte      Dad verließ die Familie und dann lief auf   wieder und mehr Musik aus einem ande-
ich dann auch endlich die NCO-Clubs der       einmal ein ganz anderer Sound. Denn         ren Genre in meinen Gehörgang.
Amis besuchen und war begeistert von          der damalige Freund meiner Mutter kam
der Atmosphäre, den dort herrschenden         aus der Szene um „Headbangers Ball“,        2017 dann zündete mein Onkel mit der
Tanzstilen (viel cooler als die in den nor-   also schallten Bands wir Ryker´s, Sick O    Idee, Tickets für Rise Against, die ein
malen Discos) und von der Musik sowie-        Fit All oder Terror meist im Auto durch     exklusives Release-Konzert im »SO36-
so. Einmal war ich zufällig da, als so ein-   die Boxen, und ich kann sagen mir gefiel     Club« in Kreuzberg spielen sollten, zu
fach mal die Sister Sledge auf die Bühne      diese Musik.                                besorgen, das Feuer vollständig an.
traten und „We Are Family“ zum Besten                                                     Deutsch-Rap war uninteressant, monoton,
gaben!                                        Aber so richtig bewusst hörte ich wohl      einfallslos und ist es in meinen Augen
Ach ja, ganz (West-)Berlin war damals         erst 2001 Musik, und es war der Song        bis auf wenige Ausnahmen leider auch
eine Party…                                   „Stan“ von Eminem. Ungeachtet der Tat-      geblieben. Und so kam ich doch wieder
Ich könnte noch viele Seiten über meine       sache, dass mein Englisch mit 10 Jahren     zurück zu der Musik, die mir als Kind
Erlebnisse in Zusammenhang mit Musik,         noch nicht auf dem Level war, diesen        schon gefallen hatte: Punk, Heavy Metal,
Tanz und auch über die Entwicklung mei-       Song zu verstehen, hatte er mich gepackt    Metal Core, Nu Metal und Hardcore faszi-
ner Stereo-Anlage schreiben. Hier soll es     und ich habe ihn im TV immer aufge-         nieren mich bis heute und sie werden es
aber nur um eins gehen: Musik auf Vinyl.      dreht, wenn ich ihn erwischt habe. Meine    wohl auch immer tun, denn Tempo, Ener-
Heute stehen in trauter Eintracht Miles       erste CD war dann - wie sollte es auch      gie und Raum sowie Variation sind für
Davis, Drake, Dvorak und Deep Purple          anders sein: »The EMINEM Show«.             mich das perfekte Setup in dieser Musik.
in meinem Plattenregal – kein Problem.        So lief es mit US-HipHop bis circa zur 7.
Meine Liebe zu Disco, RnB, Funk, Soul         Klasse. Ab dem Alter von 13 Jahren hörte    So.… aber wie kam ich zur Schallplat-
und insbesondere Hip-Hop besteht aller-       ich einen wilden Mix aus Nu-Metal wie       te?
dings bis heute. Ich bin froh, dass der       z.B. Korn (mein erstes Live-Konzert mit     Grundlegend fand ich es einfach immer
Hip-Hop seit nun bald 50 Jahren immer         14), aber auch den asozialsten Under-       wunderschön, Geräte aus »vergangenen
noch junge Menschen begeistert und            ground Deutschrap wie BASSBOXXX             Zeiten« anzuschauen. Ich liebe auch mei-
werde auch in Zukunft nicht nachlassen        oder MOK mit so blumigen Albumtiteln        nen Oldtimer. Die Optik eines 70er Jahre
meine Vinyl-Sammlung damit zu füllen.         wie „Fick MOR“. Battle-Rap beeinflusste      Setups, wie ich es auch dank meines
                                              mich ungemein und ich fi ng selbst an,       Cousins Jürgen jetzt besitze, zaubert mir
Mike Ehrlich, geboren im Herbst 1991          Musik in Form von Beats und Texten          jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht. Aber
in Berlin Neukölln, das ist der Anfang.       zu produzieren. Mein Zimmer und mein        ich brauchte es auch, denn in der Szene,
Im Leben eines 31-Jährigen, der 1991          Kleiderschrank wurden zum Tonstudio         in der ich mich musikalisch bewege, wird
geboren ist, würde ich behaupten, spielt      für mich und die Crew, um Tracks aufzu-     so hoch anspruchsvolle Musik produziert
die Schallplatte für die ersten 25 Jahre      nehmen und zu produzieren. Vier Under-      und in limitierter Stückzahl auf 1A-Plat-
keine Rolle. Geprägt durch die Musik,         ground-Alben und Dutzende Songs ent-        ten gepresst, dass ich mir diesen Klang
die die Eltern hörten und die man als         standen einfach aus Spaß mit den Jungs.     nicht entgehen lassen konnte.
Kind auf deren Partys hörte, würde ich        So zog sich Deutsch-Rap durch mein
sagen, meine erste Erinnerung ist Micha-      Leben. Es wurde inflationäres Hören über     Mit der Schallplatte in meinem Leben ent-
el Jackson mit dem Song „Beat It“. Natür-     Streaming-Plattformen - nicht mehr so       wickelte sich auch mein Musikgeschmack
lich nicht auf Vinyl gepresst, sondern als    wie am Anfang, als ich noch mit Freun-      weiter, und eigentlich liegt bei mir alles
Musikvideo auf MTV. Mein Vater besaß          den mp3 getauscht habe, die wir auf dubi-   auf dem Teller. Außer Schlager, den ver-
oder besser besitzt viele Schallplatten,      osen Internetseiten runtergeladen hatten.   stehe ich einfach nicht, HAHA…
doch verbinde ich ihn nur mit CDs, da er      Aber ich hatte schon ein Gehör für Quali-
ANALOG 1/2023                                                                                                           A A A     37

        Ein Stück von mir
         Die Geschichte meiner Musikleidenschaft:
Pop, Rock, Klassik - und wieder Rock
Von Rainer Neuwirth

Das wesentliche Jahr meiner musikalischen Sozialisation war das Jahr 1974. Ich war 16 und hatte so

langsam die gesamte musikalische Welt zu Hause.

Da waren zum einen die angesagten            bekam ich mit 16 von einem Onkel das
Rockplatten, die man auch kaufte, um im      erste Klassik-Doppelalbum geschenkt
Freundeskreis zu bestehen. Deep Purple       (ein „Sampler“!), mit Highlights der
hier ganz vorn mit »Machine Head«, Naza-     DEUTSCHEN GRAMMO-
reth mit »Razamanaz«, Queen, T. Rex,         PHON, und fand
Slade, ELO und andere. Vieles auch auf       das Klasse!
Single, weil das Geld durchaus knapp war.    Und dann
Damals ergab dies auch eine (immer noch      kam kurz
währende) Vorliebe für Sampler aller Art,    darauf ein
zig Pop-Sampler fristen nunmehr im Par-      etwas älterer
tykeller ein eher tristes Dasein. Einige     Nachbar zu
der heißgeliebten Rock-Scheiben habe ich     mir und spielte
in mein Dachstudio übertragen und gewa-      von      P r o c ol
schen. Jetzt sind sie mit neuer Innenhülle   Harum die Live-
unverändert ein immerwährender Quell         aufnahme mit
der Freude. Gehört wurde das damals          dem Edmonton
auch in einem „Dachstudio“, mit Pop-         Symphony Orche-
Postern an den Wänden und Matratzen          stra. Das musste ich
auf dem Boden, mit Simpel-Plattenspie-       mir auch kaufen und
ler, einem Röhrenreceiver, einem kleinen     ging damit meinen
Tonbandgerät und Selbstbau-Boxen. Das        Eltern gehörig auf die
ging sogar laut!                             Nerven (“Ja, das muss
                                             so laut!“). Ich liebe es
Angefangen hatte das vier Jahre zuvor        noch heute.
ganz anders. Ich war 12, als ich einen
TELEFUNKEN-Plattenspieler bekam, der         Die Plattenkäufe wur-                                   Chorleiter hat mich dann
an einem alten Röhrenradio ganz passa-       den spezifischer und                             sukzessive mit den Highlights der
ble Töne abgab. Durch einen fünf Jahre       breiter gefächert. Von eini-              Klassik versorgt. Ein, zwei Alben pro
älteren Cousin lernte ich um 1971 Cat Ste-   gen wenigen wurde auch »in der Tiefe«     Monat, und der Horizont wurde immer
vens (»Teaser And The Firecat«) , Donovan    gesammelt. Über einen englischen          breiter. Zunächst die »Highlights« der
und Simon & Garfunkel kennen und lie-        Sampler lernte ich Lindisfarne kennen     Klassik: Holst, Saint-Saëns, Dvořák,
ben. Diese Liebe hat auch kaum nachge-       und über diese auch andere Gruppen und    Tschaikowsky und dergleichen mehr.
lassen, von Cat Stevens habe ich mittler-    Künstler der englischen Folkrock-Szene.
weile praktisch alles.                       Steeleye Span wurden bald darauf auch     Über jenen Chorleiter lernte ich Ende der
                                             zu meinen Lieblingen.                     70er-Jahre die King´s Singers kennen,
Durch ein kirchenmusikalisches Eltern-                                                 die ich und meine Freundin (ebenfalls
haus hatte ich nie irgendwelche Berüh-       Ab dem 17. Lebensjahr machte ich auch     chor-verrückt) leidenschaftlich liebten.
rungsängste in Richtung Klassik. Und so      aktiv bei der Chormusik mit. Einer der    Eine Unzahl von Platten und CDs zeu-
38   A A A                                                                                                              ANALOG 1/2023

     gen davon. Es gibt interessanterweise      möglichen Ländern. Solo-Sängerproduk-          ty oder The Strawbs komplettierten die
     nur zwei Orgelplatten in meiner Samm-      tionen von Fritz Wunderlich (ich liebe         Folkrock-Abteilung. Und Reggae, ver-
     lung, obwohl ich die Orgelmusik liebte     ihn!), Bryn Terfel oder Thomas Quasthoff        flixt, ich vergaß: Seit Paul Simons Single
     und auch ab etwa 1980 regelmäßig selbst    erweiterten den Horizont noch weiter.          „Mother And Child Reunion“ (1972) und
     Orgelkonzerte aufnahm. Das war mir                                                        einigen wohlfeilen Bekanntschaften auf
     dann wohl genug aus dem Genre. Ande-       Erst mit 50 erwachte die Leiden-               diversen Samplern hat mich diese Lei-
     re Chormusik-Platten, vor allem aus Eng-   schaft zur LP, zum Tonband und zur             denschaft auch nie losgelassen. Ich habe
     land und USA, machten große Freude.        Rockmusik wieder. Und mächtiger als            heute so einiges von Bob Marley, Des-
                                                je zuvor. Zumeist »Second hand« kaufte         mond Dekker, Johnny Nash, Peter Tosh
     Eine Sonderstellung nimmt das Doppel-      ich seitdem einige Hundert »neue« alte         und anderen.
     Album »Jesus Christ Superstar« ein, das    Scheiben, wobei vor allem der Rock-,
     ich mit 14 im Musikunterricht kennen       Blues- und Folkrock ganz entschieden an        Der Wunsch, bisher unbekanntes Altes
     lernte, liebgewann und seit 1973 jedes     Volumen gewann. Erst jetzt kamen The           wie auch Neues kennen zu lernen, ist
     Jahr am Karfreitag auflege (!).             Sweet (ging gar nicht, unter Jungs!) dazu,     weiter ungebrochen und verleitet doch
                                                oder die Dire Straits (die ich in der Jugend   immer wieder zu Spontankäufen und
     Irgendwann Mitte der 80er-Jahre erfasste   übersah), Fleetwood Mac und Super-             regelmäßigen Stöber-Aktionen im heiß-
     dann auch mich das CD-Fieber. Ich war      tramp. Jethro Tull, Van Morrison und, ja,      geliebten Plattenladen.
     mittlerweile über 20 und begann, fast      alle Scheiben des Electric Light Orchestra
     nur noch Klassik-CDs zu kaufen: Sinfo-     und seines Nachfolgers, Jeff Lynne´s ELO.
     nien, Oratorien, Klavierkonzerte, Chor-    Dazu Eric Clapton und die Eagles. Fair-
     musik in allen Variationen und aus allen   port Convention, Pentangle, Gerry Raffer-       Foto des Covers: Rainer Neuwirth
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             Masse mit Klasse
             Mit dem Modell »Initial« will das polnische Unternehmen
     SIKORA den Weg zum Masselaufwerk leicht machen.

     Von Michael Vorbau

     Ich hatte das Glück, einen näheren Blick auf das polnische Lauf-   Wie auf dem Foto zu sehen, handelt es sich um ein mittelschwe-
     werk SIKORA »Initial« werfen zu dürfen. Hierbei handelt es sich    res Masselaufwerk. Es geht hier ausschließlich um das Lauf-
     um das »Einstiegslaufwerk« von SIKORA. »Einstiegslaufwerk«         werk, also ohne Tonarm und Tonabnehmer. Damit wir uns auf
     heißt aber keinesfalls, dass es sich hierbei um ein Schnäppchen    die Eigenschaften des Laufwerks konzentrieren können, haben
     für den analogbegeisterten Newcomer handeln würde. Vielmehr        wir das direkte Umfeld des SIKORA »Initial« ein wenig over-
     ist es das kleinste Laufwerk der Firma SIKORA, dem noch zwei       sized. Als Tonarm kommt ein AUDIO CREATIV »Groovemaster
     größere Laufwerke folgen.                                          III« zum Einsatz, an dem der Tonabnehmer »Red Heart« von
                                                                        AIDAS BLACK SOUND die Musik aus der Rille holt.
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Die erste Verstärkung erhält das Signal dann über den exzel-
lenten Phono-Pre »Johann Sebastian Bach« von LINNENBERG,
der wiederum sein Signal weiter auf den Röhren-Vollverstärker
»A75« von AUDIO HUNGARY mit KT 120 Endröhren leitet.
                                                                      Frontalansicht des Laufwerks, die das Tellerlager auf der Basis
Als letztes Glied der Kette finden wir die schönen Standboxen          und den Teller selbst gut zeigt.
»Bellatrix« von DEVINE ACOUSTICS.
Bevor wir zur klanglichen Beschreibung kommen, noch ein
paar Sätze zum Laufwerk selbst und seiner Ausbaufähig-
keit. Der »Initial« bringt 28 kg auf die Waage, von denen der
Plattenteller lediglich vier Kilo beisteuert, somit wird der größte
Teil der Masse durch die Aluminium-Basis gestellt.

Diese ruht auf drei polierten Aluminiumkegeln, die mittels
Keramikkugeln an die jeweiligen drei Unterlegteller gekoppelt
werden. Das Laufwerk steht also gut entkoppelt und vor allem
auch sicher auf seinen Füßen. Ein Gleichstrommotor treibt den
Plattenteller über zwei parallele Gummiriemen an. Ungewohnt
ist dabei, dass der Motor vorne auf der rechten Seite der Basis
steht, aber genau das macht dieses Masselaufwerk so herrlich
kompakt. Man könnte sich fragen, ob das nicht elektromagne-
tische Einstreuungen in Richtung des sich in der Nähe befind-
lichen Tonabnehmers mit sich bringt. Man kann aber davon              Der Tonarm Groovemaster III
ausgehen, dass der Entwickler
wusste, was er tut, und der Motor
ausreichend abgeschirmt ist. Bei
der Hörsession konnte ich keiner-
lei Einstreuungen wahrnehmen.
Der Motor wird von einer externen
Motorsteuerung, dem sogenannten
Controller, versorgt und gesteuert.
Hier kann man auch die Geschwin-
digkeiten 33 und 45 RPM umschal-
ten und feinjustieren. Das in das
formschöne Stahlgehäuse des Con-                                      Links der Röhrenvollverstärker, rechts der Phono-Pre
trollers eingebaute Display zeigt
die jeweilige Geschwindigkeit an
und ermöglicht auch Feinjustagen                                      stahl. Durch zusätzliche Ausfräsungen in der Basis erzielt man
im Handumdrehen. Kommen wir                                           eine weitere Entkopplung von der Lagerbasis.
noch einmal auf den Plattenteller zu
sprechen. Er besteht aus POM (Poly-                                   Die im Teller befindliche Edelstahl-Lagerbuchse trägt in sich
oxymethylen). Der Teller rotiert auf                                  einen entsprechenden Gegenpart in Form eines Lagerspiegels
einem invertierten Tellerlager mit                                    aus Teflon. Diese Kombination sorgt für einen geräuschfreien
einem auf der Lagerbasis befi nd-                                      Betrieb.
lichen Edelstahldorn, der auf seiner
Spitze eine Keramikkugel beher-                                       Optional bietet SIKORA noch ein Tellergewicht aus eloxierter
bergt.                                                                Glockenbronze mit einem Gewicht von 2 kg an. Durch seine
                                                                      Einfräsungen dient es zusätzlich auch als Antiresonator.
Das Tellerlager wiederum ruht auf                                     Das Gewicht ist eigentlich ein integraler Bestandteil der klang-
einer eigenen Lagerbasis aus Edel-                                    lichen Abstimmung, jedoch erst in der SIKORA »Initial Max«-

                                                                      Standbox Bellatrix von Devine Acoustics
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                                                  Eine optionale Tellerauflage von SIKORA
                                                  aus 10 mm Spezialglas mit einer Alumi-
                                                  nium-Zentrierhilfe sorgt für zusätzliche
     Externer Controller für den Motor, der       Absorption von unliebsamen Schwin-
     auch einen zweiten Motor synchron steu-      gungen.
     ern kann.
                                                  Wenn ich jetzt zu den Höreindrücken
                                                  komme, möchte ich erst noch den Hör-
                                                  raum als solchen beschreiben. Es handelt Tellergewicht mit Antiresonatorfunktion.
                                                  sich um den Vorführraum von LEN HiFi
                                                  von Herrn Björn Kraayvanger in Duis-
                                                  burg aus Sicht der Hörposition zur Anla-
                                                  ge.                                      werk bewahrte klanglich immer eine
                                                                                           angenehme Neutralität. Wenn ich mir
                                                  Die Beschallung fi ndet eigentlich dia- jetzt den SIKORA »Initial« im Vollausbau,
                                                  gonal im Raum statt, was wirklich gute also in der »Initial Max«-Version vorstel-
                                                  raumakustische Einflüsse hat, weil der le, wüsste ich nicht, was mir die beiden
                                                  Schall kaum auf parallele Flächen auf- größeren Modelle – »Standard« und »Refe-
                                                  triff t.                                  renz« – noch mehr bieten sollten. Natür-
                                                  Unsere Vinyl Auswahl sah folgenderma- lich wäre es jetzt noch interessant, durch
                                                  ßen aus:                                 welche Tonarm- und Tonabnehmerbestü-
                                                  • Miles Davis – Live                     ckung man dem »Initial« gerecht wird.
                                                  • Friend ‘n Fellow – Covered             Sicherlich geht es auch ein wenig preis-
     Edelstahlbasis auf der ausgefrästen Basis    • Harbour Jazzband                       werter als in der hier gehörten Varian-
     mit Edelstahldorn.                           • Jeff Goldblum the Mildred Snitzer te. So ein Masselaufwerk muss natürlich
                                                     Orchestra                             auch in ein Wohn- oder Hörzimmer pas-
                                                  • Sarah K. – Water Falls                 sen und da gefällt mir, dass der SIKORA
                                                  • Prince – Welcome 2 America             »Initial« so angenehm kompakt und gar
                                                                                           nicht protzig daherkommt. Besonders in
                                                  Der SIKORA »Initial« spielte alle Vor- Weiß mit einer roten Tellermatte würde
                                                  teile eines Masselaufwerks für sich aus. er mir gut gefallen.
                                                  Er spielt sehr ruhig und entspannt. Das
                                                  Klangbild zeigte sich zu keinem Moment
                                                  nervös, Bässe wurden kraftvoll und tief
                                                  wiedergegeben. Das gesamte
                                                  Klangbild blieb immer stabil,
                                                  egal welche der sechs Plat-
                                                  ten wir auflegten. Die Stim-
                                                  me von Sarah K. kam sehr
                                                  natürlich und unverfärbt
     Edelstahldorn mit Keramikkugel.              rüber, dem Flügel von Jeff
                                                  Goldblum hörte man sei-
     Version im Lieferumfang enthalten und        nen voluminösen Klang-
     muss optional erworben werden. In un-        körper an, egal in wel-
     serer Hörsession hatten wir eine gelbe       chem Oktavbereich er
     Tellermatte von LEVIN DESIGN, deren          spielte. Die Harbour
     klangliche Qualifi kation außer Frage         Jazz-band stand fest
     steht (vgl. »analog« 02.19, S. 60) und die   und livehaftig auf der
     dem schwarzen Masselaufwerk einen            Bühne. Dieses Lauf-
     schö-nen Farbtupfer verlieh.
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Das Laufwerk „raan audio projekt w 303“ im Steckbrief
Gewicht Laufwerk:               28 kg
Plattentellergesicht            4 kg
Material Plattenteller          Derlin (POM)
Material Zarge                  Aluminium, Inox, Guss
Material Tellerbasis            Edelstahl
Tellerlager                     invertiertes Keramiklager
Motor                           1, DC
Riemen                          2, Gummi
Tonarmbasen                     1
Armboard                        1
Geschwindigkeiten               33, 45 (UPM)
Maße [BxTxH/mm]                 440 x 330 x 160
Preis SIKORA »Initial«          € 6.499,-
Preis SIKORA »Initial Max«      € 10.300,-
Optionale Anbauteile, um auf Initial MAX aufzurüsten
Tellerauflage aus Spezialglas   € 339,-
Premium-Netzteil:               € 650,-
Plattengewicht                  € 650,-
Zweiter Motor                   € 1.375,-
Zusätzliche Armbasis            € 875,-

                                                            ElArʦ OTL-Röнvрstärkр
                                                            Nur ein OTL bietet den Klang ,Röhre pur', denn jeder Übertrager im Signalweg stellt ein Bandpass-Filter dar, weil
                                                            induktive und kapazitive Anteile der Wicklungen den Frequenzgang beeinträchtigen.

                                                            Deshalb klingt ein EtemalArts OTL hörbar anders, entfacht ein Feuerwerk an Dynamik, ist präzise, dennoch weich,
                                                            sezierend analytisch, aber nie nervig.

                                                                                           In puncto Schnelligkeit und Rasanz findet ein EternalArts OTL keinen Gegner, in
                                                                                            welcher Technik auch immer. Mit seinem größten Dämpfungsfaktor unter allen
                                                                                            Verstärkern mit Röhren bietet er eine schier unglaubliche Basspräzision mit weit
                                                                                             hinabreichendem, schlanken und knurrigen Bass.

                                                                                                    Nach dem einstimmigen Urteil der Fachpresse sind unsere OTL edle,
                                                                                                             betriebssichere Musikmaschinen mit sensationell
                                                                                                             feinsinnig-dynamischem Klang.

                                                                                                                                    EternalArts Audio Laboratorium
                                                                                                                                                www.eternalarts.de
                                                                                                                                               0511 / 56 37 5007
70   N E U E S   &   E I N Z I G A R T I G E S    V I N Y L                                                              ANALOG 1/2023

                                                                                    Taylor Swift: Gesang
                                                                                    Jack Antonoff: Verschiedene Instrumente, Hintergrund-
                                                                                    gesang
                                                                                    Label: REPUBLIC, LP, 33 rpm, Gatefold-Cover,
                                                                                    Special Edition Mahogany Marbled, Booklet
                                                                                    Besonderheiten: Farbiges Vinyl, Beiheft
                                                                                    Preis: 35,- €

                                                                        Bewertung     Sven    Andreas    Rolf      Claus      Gesamt
                                                                        Musik          2,5      2,5        2        2,5         2,4
                                                                        Klang           2       1,5       1,5        2          1,8
                                                                        Vinyl           1        1         1         1           1

     Taylor Swift: »Midnights«
     (2022)
     Von Rolf Reppert                                                   nische Bass liefert ein kräftiges Fundament und ist tief, aber
                                                                        nicht übertrieben.
     Taylor Swift hat im Herbst 2022 mit »Midnights« ihr zehntes
     Album veröffentlicht. Laut dem Musikanbieter SPOTIFY ist die-       Die LP gibt es als Sonderveröffentlichung in vier verschiedenen
     ses Album innerhalb eines Tages öfter gestreamt worden als         Farben. Ein Aufkleber weist darauf hin und fordert dazu auf,
     jedes andere Album zuvor. Das ist für uns uninteressant, aber      alle zu sammeln. Das Cover ist für die vier verschiedenen Aus-
     es zeigt, wie erfolgreich die Musik von Taylor Swift ist. In der   gaben auch individuell gestaltet und nutzt dafür unterschied-
     Woche nach der Veröffentlichung von »Midnights« gelang es           liche Fotos der Künstlerin. Naja, ein Marketing-Gag, der die
     Swift auch noch, mit zehn ihrer Songs die kompletten Top Ten       Verkaufszahlen hochtreiben soll. Das haben vorher schon ande-
     der „Billboard Hot 100“-Charts zu belegen. Das hatte noch nie-     re gemacht. Das farbige Vinyl macht sich zumindest nicht
     mand vor ihr geschaff t. Aha, ein Rekord, der auf etwas Beson-      durch erhöhten Nebengeräuschpegel nachteilig bemerkbar. Die
     deres hinweisen könnte. Dann sollten wir in die LP mal rein-       Aufmachung der Klapphülle, mit den Fotos in der Anmutung
     hören.                                                             von Amateurschnappschüssen, die aber tatsächlich vom Profi
                                                                        geschossen sind, ist modern und passt zum musikalischen
     Die Lieder sollen in schlaflosen Nächten komponiert worden          Inhalt.
     sein. Taylor Swift kommt aus der Country-Musik, aber hier
     klingt es elektronisch, das hört sich nach R&B und Synth-Pop       Für sein Geld bekommt man ein sehr gut ausgestattetes Album.
     an. Es ist nicht schlecht gemacht. Die Musik passt zu der Stim-    Es befindet sich ein Beiheft mit Liedtexten in der reich bebil-
     mung, dass die Lieder nachts entstanden sind. Vielleicht schlaf-   derten Doppelhülle. Das farbige Vinyl ist schwarz marmoriert,
     los im Hotelzimmer? Die vielen Bilder suggerieren das. Keines      störgeräuschfrei und hat ein individuell gestaltetes Label. Die
     der Stücke sticht hervor, aber ebensowenig ist eines schwächer     Musik ist eingängig und auch etwas für den Einstieg in die
     als die anderen. Das triff t auch auf das Lied „Snow On The         Welt von Taylor Swift. Mit dem guten Klang ist das ein solides
     Beach“ mit Lana Del Rey zu. Taylor Swift hat keine kräftige        Paket.
     Stimme, aber die professionelle Produktion lässt sie gut zur
     Geltung kommen.                                                    Unsere fünf Noten:
                                                                        1 Hervorragend
     Die Aufnahme ist mit Sicherheit digital erfolgt, aber der Klang    2 Ordentlich
     kann als analog gelesen werden. Auch wenn es in der Wirk-          3 Mittelmäßig
     lichkeit bestimmt nicht so ist, könnte man den Eindruck gewin-     4 Akzeptabel
     nen. Nichts klingt unangenehm, sondern alles eher warm, und        5 Unterirdisch
     die S-Laute sind absolut unkritisch. Trotzdem ist die Dynamik
     unbeschnitten und das Klangbild gut durchhörbar. Der elektro-      Idee, Konzept: Claus Müller
                                                                        Quartettkarten: Sven Fandrich
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