Stadtentwicklungsplan Zentren 3 - Statusbericht 2016 Planen
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Impressum Herausgeber Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Kommunikation Am Köllnischen Park 3 10179 Berlin www.stadtentwicklung.berlin.de Inhaltliche Konzeption und Bearbeitung Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Abteilung I Stadt- und Freiraumplanung Referat I A Stadtentwicklungsplanung Jens Nyhues Elke Plate Thorsten Tonndorf in Zusammenarbeit mit Junker + Kruse Stadtforschung Planung Markt 5 44137 Dortmund Tel. 0231 557858-0 info@junker-kruse.de www.junker-kruse.de Elisabeth Kopischke Stefan Kruse Redaktion und Layout Junker + Kruse Fotos complan Kommunalberatung GmbH: S. 40 Spath + Nagel: S. 22 Till Budde: S. 14 URBAN CATALYST studio (Lukas Halemba): S. 26 Polinna Hauck Landscape and Urbanism (Cordelia Polinna): S. 36 Mitte übrige Fotos: SenStadtUm (Jens Nyhues) Berlin, Juli 2016
Inhalt Zusammenfassung und Fazit 7 1 Zentren- und Einzelhandelsentwicklung in Berlin 12 1.1 Entwicklung des Einzelhandelsbestands 12 1.2 Entwicklung der Berliner Zentren 14 1.3 Wohnungsnahe Grundversorgung 19 1.4 Standorte für Fachmärkte 23 1.5 Kaufkraft- und Umsatzentwicklung 27 1.6 Bevölkerungsentwicklung 29 1.7 Tourismus und Einzelhandel 30 1.8 Internet- und Versandhandel 32 1.9 Sonstige Rahmenbedingungen der Einzelhandelsentwicklung 35 2 Der Stadtentwicklungsplan Zentren 3 im Kontext 38 Anhang43
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | Zusammenfassung und Fazit Zusammenfassung und Fazit Impulse für die Besuchsfrequenz und beeinflusst maßgeblich die Einzugsbereiche der Zentren. Daher sichert er die Attrak- tivität der Zentren und erhöht die Marktchancen für die wei- teren gewerblichen Nutzungen der Geschäftsstraßen – etwa die Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe. Statusbericht zur Positionsbestimmung In den vergangenen fünf Jahren – seit dem Beschluss des Stadtentwicklungsplans (StEP) Zentren 3 im Jahr 2011 – ha- ben sich wesentliche Rahmenbedingungen des Einzelhan- dels verändert: Die Einwohnerzahl ist stärker gewachsen als damals angenommen, die touristische Bedeutung Berlins hat sich weiter stark erhöht, und auch die Vertriebsstruktu- ren des Einzelhandels wandeln sich mit hoher Dynamik. Be- sonders der Internethandel hat seit wenigen Jahren einen massiven Bedeutungszuwachs erfahren. Hierdurch be- schleunigt sich der Strukturwandel im Einzelhandel und der Verkaufsflächenbedarf der wachsenden Stadt wird durch zunehmend online getätigte Umsätze kompensiert. Anlässlich dieser veränderten Rahmenbedingungen hat die Verwaltung überprüft, inwiefern die Zielstellungen und In- halte des StEP Zentren 3 zu aktualisieren sind. Der vorlie- gende Statusbericht fasst zusammen, wie sich die Berliner Zentren- und Einzelhandelsstruktur in den vergangenen Lebendige Zentren und funktionierende Nahversorgungs- Jahren entwickelt hat, und er skizziert anhand der jüngsten strukturen bilden das Rückgrat der wachsenden Stadt. Sie Trends die aktuellen und künftigen Herausforderungen für bieten eine Versorgung mit Waren unterschiedlicher Art die Stadtentwicklungsplanung. Im Fokus stehen dabei ins- und Güte, Dienstleistungs-, Kultur- und Bildungseinrichtun- besondere die städtischen Zentren (ab Ortsteilzentren auf- gen, Gastronomie, Erlebnisse und Flair, stadträumliche wärts), während die Entwicklung der in der Regel kleineren Identifikationsorte, und nicht zuletzt Möglichkeiten zur Nahversorgungszentren primär seitens der Bezirksämter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die städtischen Zen- untersucht wird. tren gewährleisten Lebensqualität für die Berlinerinnen und Berliner. Als methodische Basis für die Positionsbestimmung wurde der gesamtstädtische Einzelhandelsbestand nach fünf Jah- Und auch aus touristischer Perspektive sind die Berliner ren neu erfasst, so dass empirisch basierte, fundierte Aus- Zentren und Geschäftsstraßen wichtig. Die Anzahl und Viel- sagen zu relevanten Marktveränderungen getroffen wer- falt an Szeneläden, Showrooms, Pop-Up-Stores, Warenhäu- den können. sern, Shoppingcentern und Märkten in Berlin ist imagebil- dend und fördert bei den Stadtbesucherinnen und -besu- Neben angebotsseitigen Marktfaktoren stellt der Statusbe- chern die Lust auf weitere Entdeckungen. richt auch Angaben zur Nachfrageseite, etwa zur Kaufkraft- entwicklung und zum veränderten Verbraucherverhalten, Der Einzelhandel bildet eine wesentliche Leitfunktion in den dar. Nicht zuletzt enthält er einen Überblick über die instru- kleinen und großen Zentren Berlins, denn er generiert starke mentelle Untersetzung des StEP Zentren 3. 7
Wesentliche Ergebnisse C. Bedeutung der polyzentralen Struktur für die wachsende Welche Potenziale, aber auch welche neuen Herausforde- Stadt rungen hinsichtlich der Zielstellungen des StEP Zentren 3, Die wachsende Stadt erfordert eine kundennahe und für weitere Instrumente und Programme sowie auch für leistungsfähige Versorgung. Hierfür bieten die bestehen- den Einzelhandel und die Immobilienbranche erkennbar den 83 städtischen Zentren vielfältige etablierte Ange- werden, wird im Folgenden zusammengefasst. botsstrukturen. Zudem verfügen sie über umfassende Nachnutzungs-, Verdichtungs-, Neubau- und Qualifizie- A. Angebots- und Nachfrageentwicklung: Gute Ausgangs- rungspotenziale. Die Kulisse der vorhandenen städti- lage in einem sich verschärfenden Wettbewerb schen Zentren ist auf das erwartete Bevölkerungswachs- Die gesamtstädtische Verkaufsfläche ist zwischen 2010 tum eingestellt und geeignet, den Versorgungsbedarf und 2015 erneut gewachsen. Sie stieg um rund drei der wachsenden Stadt abzudecken. Prozent auf nunmehr 4,42 Millionen Quadratmeter an. Stadtplanerische Aufgabe ist es, die ggf. erforderlichen Mit der anziehenden Kaufkraft der Berliner Bevölke- Nachverdichtungs-, Ergänzungs- und Qualifizierungs- rung und der gestiegenen touristischen Nachfrage ist vorhaben konstruktiv zu begleiten und instrumentell eine Zunahme des gesamtstädtischen Einzelhandels- umzusetzen. umsatzes auf rund 18,7 Milliarden Euro im Jahr 2015 Die Vielfalt der Markt-, Entwicklungs- und Ansiedlungs- verbunden. potenziale in den städtischen Zentren kann gegenüber Verkaufsflächenwachstum verzeichnen besonders die expandierenden Handelsunternehmen und der Immo- großen Zentrumsbereichskerne Berlins in der Histori- bilienwirtschaft auf gesamtstädtischer Ebene wirksa- schen Mitte und der City West, was ihre erfolgreiche mer als bislang kommuniziert und dargestellt werden. Marktposition wie auch die marktseitige Akzeptanz der Die gewachsenen Berliner Zentren bilden stadthistori- stadtplanerischen Zielstellungen zur Stärkung der Zen- sche und städtebauliche Identifikationsorte in vielen tren unterstreicht. Aber auch manche Haupt-, Stadtteil- Ortsteilen und Kiezen. Sie dienen damit nicht nur der und Ortsteilzentren konnten ihre Versorgungsfunktion alteingesessenen Bevölkerung, sondern bieten Orien- festigen. tierung gerade auch für die neu zuziehenden Men- Gleichwohl sind im Verlauf der vergangenen zehn Jahre schen. Die Erkennbarkeit des stadthistorischen Wertes sinkende Zuwachsraten der gesamtstädtischen Ver- mancher Stadt- und Ortsteilzentren ist dabei noch aus- kaufsfläche zu beobachten, was dem bundesweiten baufähig. Trend entspricht und auf Sättigungstendenzen sowie einen sich verschärfenden Wettbewerb hinweist. D. Potenziale der Nahversorgung sichern und nutzen Ein dichtes Netz an gut erreichbaren Nahversorgungs B. Kleine und mittelgroße Zentren zunehmend unter Druck standorten in allen Ortsteilen und Kiezen bleibt ange- Während sich die großen Berliner Zentren gut behaup- sichts der älter werdenden Bevölkerung – 2030 werden ten können, geraten viele kleine und mittelgroße Zent- in Berlin rund 850.000 Menschen über 65 Jahre leben – ren durch Marktveränderungen von mehreren Seiten weiterhin eine wichtige stadtplanerische Aufgabe. zunehmend unter Druck („Sandwich-Effekt“). Um diese Innerhalb der kleinen und mittelgroßen Zentren stellen Zentren zu stabilisieren und um Fehlentwicklungen mit Lebensmittel- und Drogeriemärkte bedeutende Fre- negativen Auswirkungen zu vermeiden, bedarf es einer quenzerzeuger dar, von denen die kleinen Läden und erhöhten Aufmerksamkeit auf den verschiedenen Ak- die Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe stark teursebenen der Landesplanung, der gesamtstädti- profitieren. In manchen städtischen Zentren Berlins schen Planung und der bezirklichen Planung. fehlen jedoch einzelne solcher Magnetbetriebe. Stadt- planerisch ist es daher geboten, Zentren mit Ausbaupo- 8
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | Zusammenfassung und Fazit tenzialen zu identifizieren, und mit den stadtplaneri- Städtebaufördermaßnahmen weiterhin einen hohen schen Instrumenten die Angebotsergänzung in diesen Stellenwert einnehmen. Zentren unterstützen. Ein vernetztes Vorgehen unterstützt eine integrierte Ar- Nahversorgungszentren sind seitens der Bezirksämter beitsweise sowie eine Aktivierung von Finanzierungs- unter Bezug auf den StEP Zentren in bezirklichen Zent- möglichkeiten, die ursprünglich nicht primär zur Zent- ren- und Einzelhandelskonzepten zu überprüfen. Darin renstärkung eingeführt worden sind (z. B. Erhöhung der sollen auch Empfehlungen für ihre Weiterentwicklung Fußverkehrsfreundlichkeit einer Geschäftsstraße im formuliert werden. Zudem ist für die zwölf neuen Stadt- Rahmen von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen). quartiere zu klären, ob es ergänzender Nahversor- gungszentren bedarf. E. Strukturwandel im Einzelhandel: Qualität vor Quantität Die Ausdifferenzierung der Nachfrage (zum Beispiel zwischen Discount und Luxus, zwischen Massenkon- sum und Konsumverzicht, zwischen Versorgungs- und Erlebniseinkauf) und der Zielgruppenansprache be- stimmter Marken generiert gerade in Berlin ständig neue Nischen und Marktchancen. Erkennbar wird hieran auch, dass die präzise Positio- nierung des Angebots immer bedeutender wird. Der Faktor „Größe“ (einer Filialkette, einer Ladenfläche) verliert dabei an Gewicht. Dieser Trend wird durch den Internet- und Multi-Channel-Handel noch verstärkt: Durch die Bestell- und Lieferoptionen lässt sich selbst auf einer kleinen Ladenfläche eine nahezu unendlich große Produktpalette präsentieren. Rückläufige Ladenflächengrößen sind bereits im Buch-, Elektronik- und Sportwarenhandel erkennbar. Hiermit verbinden sich für die gewachsenen Zentren neben der Gefahr von Funktionsverlusten zugleich neue Entwick- lungschancen: Auf frei werdenden Flächen kann der Nutzungsmix mit gastronomischen, kulturellen, medi- zinischen und sonstigen Funktionen verbessert werden. Zudem lassen sich vormals „sperrige“ Betriebsformate wie etwa Möbel und Einrichtungsartikel zunehmend leichter in zentrale Lagen integrieren. F. Städtebauliche Qualitäten als Standortfaktor beim Er- lebniseinkauf Im Wettbewerb um Kunden gewinnt beim Erlebnisein- kauf die Aufenthaltsqualität des Standortes, d.h. die Nutzungsfreundlichkeit und baulich-gestalterische Qualität des öffentlichen Raumes, eine stärkere Bedeu- „Ziel-Dreiklang“ des StEP Zentren 3: Attraktive Zentren, wohnungsnahe Grundver- tung. Dieser Aspekt wird daher insbesondere in den sorgung und stadtverträglich integrierte Fachmarktstandorte. 9
Schlussfolgerungen für den StEP Zentren 3 Eine grundlegend veränderte Neuaufstellung des StEP Zen- Das Instrument des StEP Zentren ist eine wesentliche und tren ist daher nicht angezeigt. Empfehlenswert ist – wie bei erforderliche Grundlage für weitere Planungen und Pro- allen städtebaulichen Entwicklungskonzepten – gleichwohl gramme in Berlin. seine regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung. Das Ziel des StEP Zentren, die polyzentrale Struktur der In einer künftigen Aktualisierung des StEP Zentren sollten Stadt zu sichern und zu stärken, ist zugleich eine Basis ins- angesichts der o. g. Trends und Entwicklungen folgende As- besondere für die Bauleitplanung sowie für die Städte- pekte vertieft werden: bauförderung mit ihrer jüngst ausgeweiteten Gebietskulis- Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für Stadt- se für das Förderprogramm „Aktive Zentren“. und Ortsteilzentren, die unter zunehmenden Wettbe- werbsdruck geraten. Hierbei ist zu prüfen, ob eine stär- Der StEP Zentren ist auch die zentrale Grundlage für die in- kere Nutzungsbündelung zielführend sein kann und zwischen zahlreich erarbeiteten Zentren- und Einzelhan- inwieweit die vorhandenen Berliner Instrumente und delskonzepte in den Berliner Bezirken, mit denen die Bezir- Strategien deutlicher miteinander vernetzt werden ke ihre eigenen Entwicklungsvorstellungen konkretisieren. können. Die polyzentrale Struktur Berlins mit ihren 83 städtischen Einige Ortsteilzentren in der äußeren Stadt erfüllen ihre Zentren ist ein wesentlicher Baustein für die kompakte Versorgungsfunktion noch nicht vollständig. In der Ak- Stadt der kurzen Wege. Die Inhalte des StEP Zentren unter- tualisierung kann aufgezeigt werden, welche Ortsteil- stützen somit einerseits die Reduzierung des Verkehrsauf- zentren zugunsten der wohnungsnahen Grundversor- kommens bzw. die Strategien des Stadtentwicklungsplans gung weiter ausgebaut werden sollten. Verkehr. Andererseits dienen sie auch der Berliner Lärm- Zur Stärkung der kleinen und mittelgroßen Zentren ist minderungs- und Luftreinhalteplanung. es hilfreich, insbesondere der Immobilienwirtschaft, den Handelsunternehmen und sonstigen Standort su- Nicht zuletzt stehen die Inhalte des StEP Zentren in einem chenden Akteursgruppen die Bandbreite der Berliner engen Wechselspiel mit dem StEP Industrie und Gewerbe, Zentren mit ihren vielfältigen Markt-, Entwicklungs- durch den Flächen für das Handwerk und das produzieren- und Ansiedlungspotenzialen aufzuzeigen. Daher sollte de Gewerbe gesichert werden sollen. auf gesamtstädtischer Ebene eine übersichtliche und zugleich konkrete Darstellung sämtlicher städtischer Die aktuelle Überprüfung des StEP Zentren 3 ergibt, dass Zentren öffentlich bereit gestellt werden. sich seine Ziele und Inhalte bewährt haben. Auch und gera- de angesichts der oben genannten Potenziale, Trends und Die Weiterentwicklung attraktiver Zentren setzt neben den Herausforderungen ist er ebenso erforderlich wie zielfüh- stadtplanerischen Instrumenten und öffentlichen Mitteln rend. auch das Engagement, die Vernetzung und die Verantwor- tungsbereitschaft der lokalen Akteure voraus (Grundstücks- Abbildung 1: eigentümer, Einzelhandel, sonstige Gewerbetreibende etc.). Die vorrangigen Zielstellungen des Stadtentwicklungsplans Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Zentren bietet hierfür vielfältige Impulse und Arbeitsgrundlagen, beispielsweise in Form von Verfügungsfonds für Geschäfts- Erhaltung und Stärkung der städtischen Zentren straßen in Fördergebieten, mit dem Wettbewerb „Mitten- Sicherung einer flächendeckenden und wohnungsna- drIn Berlin!“ und auf Basis des Berliner Immobilien- und hen Grundversorgung im gesamten Stadtgebiet Standortgemeinschafts-Gesetzes. Zudem existieren diverse zentren- und stadtverträgliche Integration großflächi- Möglichkeiten der freiwilligen bzw. selbst organisierten Ko- ger Einzelhandelseinrichtungen operation. Bei der Auswahl der geeigneten Kooperations- Quelle: StEP Zentren 3 10
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | Zusammenfassung und Fazit form sollte ein angemessenes Verhältnis zwischen dem er- lungsfeld. Dies kann maßgeblich zur Aufwertung der Berli- wünschten Ziel und dem erforderlichen Aufwand erreicht ner Zentren und Einkaufsdestinationen beitragen. Die be- werden. schlossenen Ziele und Inhalte des StEP Zentren erhöhen hierbei flankierend die Markttransparenz und tragen zur In- Die Immobilienwirtschaft begreift die Revitalisierung und vestitionssicherheit für das Engagement des Handels und Modernisierung der bereits bestehenden Geschäftsgebäude der Immobilienwirtschaft in Berlin bei. und Einkaufszentren zunehmend als ein wichtiges Hand- Abbildung 2: Zentrenkonzept und Zentrenhierarchie Berlins: Festlegung der zu erhaltenden und zu stärkenden städtischen Zentren Zentrumsbereichskern Hauptzentrum Stadtteilzentrum Ortsteilzentrum Zentrumsbereich Quelle: Junker + Kruse, 2016; Kartengrundlage: SenStadtUm, Abteilung III - Geoinformation 11
1 Zentren- und Einzelhandelsentwicklung in Berlin Die Zentrenstruktur und die Handelslandschaft einer Me westlichen Stadtgebiet – geprägt. Seit 2003 findet ein abge- tropole lassen sich anhand einer großen Vielzahl von Para- schwächtes Verkaufsflächenwachstum statt (vgl. Abbil- metern darstellen und bewerten. Die nachfolgenden Kapitel dung 3). Hierin drückt sich eine zunehmende Marktsätti- greifen die wesentlichen Faktoren angebots- und nachfra- gung aus, die mit der Verschärfung des Wettbewerbs und geseitiger Marktaspekte heraus und reflektieren wichtige mit Verdrängungseffekten einher geht. Trends und Rahmenbedingungen für den Einzelhandel. Tie- fer gehende Daten und Analysen finden sich in den Zentren- Seit dem Abschluss der Erhebung im Januar 2015 ist die Ge- und Einzelhandelskonzepten der Berliner Bezirke sowie un- samtverkaufsfläche nochmals gestiegen. Bis Januar 2016 ter anderem in Veröffentlichungen des Amtes für Statistik umfasste dieses Wachstum schätzungsweise 40.000 Quad- Berlin-Brandenburg, der Industrie- und Handelskammer ratmeter. Aufgrund der sich bereits in Bau befindenden Vor- Berlin, des Handelsverbands Berlin-Brandenburg und der haben werden 2016 und 2017 voraussichtlich weitere einschlägigen Makler- und Analystenhäuser. 100.000 bis 130.000 Quadratmeter Verkaufsfläche in Be- trieb genommen. Darüber hinaus ist eine Vielzahl weiterer Einzelhandelsvorhaben bereits in der Planungsphase, wo- 1.1 Entwicklung des Einzelhandelsbestands bei zu deren Volumen und zeitlicher Realisierungsperspek- tive noch keine hinreichend gesicherten Daten vorliegen. Als analytische Grundlage für diesen Statusbericht zum StEP Zentren 3 wurde eine gesamtstädtische Einzelhandels- Während in Berlin ein leichtes Verkaufsflächenwachstum erhebung durchgeführt. Die Erhebung zeigt, dass in Berlin festgestellt werden kann, ist bundesweit seit 2010 eine an- rund 20.400 Einzelhandelsbetriebe mit einer Gesamtver- nähernde Stagnation der Verkaufsfläche zu beobachten kaufsfläche von 4,42 Millionen Quadratmeter betrieben (vgl. Abbildung 4). Den Neueröffnungen im Einzelhandel werden (ohne Ladenleerstand). Gegenüber 2010 mit einem stehen demnach Betriebsschließungen und Ladenflächen- Bestand von 4,30 Millionen Quadratmeter ist also ein Ver- reduktionen in gleicher Größenordnung gegenüber. Das kaufsflächenzuwachs um 2,8 Prozent zu verzeichnen. Umsatzwachstum im deutschen Einzelhandel wird nicht mehr über ein Flächenwachstum, sondern durch Qualifizie- Die Phase zwischen 1990 und 2003 war zunächst von einem rungsmaßnahmen im Bestand sowie durch den Internet- starken Nachholbedarf an Verkaufsflächen insbesondere handel (vgl. Kapitel 1.8) erbracht. der östlichen Stadthälfte – in geringerem Maße auch im Abbildung 3: Entwicklung der Verkaufsfläche in Berlin in Mio. qm 5,0 4,5 4,0 4,30 4,42 3,5 3,76 3,0 2,5 2,94 2,0 2,28 1,5 1,0 0,5 0,0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Quelle: Einzelhandels-Bestandsdaten SenStadtUm (ohne Leerstand) 12
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | 1 Zentren- und Einzelhandelsentwicklung in Berlin Abbildung 4: Entwicklung der Verkaufsfläche in Deutschland in Mio. qm 125 123,1 123,1 122,4 122,1 121,5 120,0 120,0 120 119,0 117,0 116,0 115,0 115 114,0 112,0 111,0 110 109,0 105 100 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quelle: Statistisches Bundesamt, Handelsverband Deutschland (HDE), veröffentlicht Juli 2015; EHI Handelsdaten 2015; www.handelsdaten.de Verkaufsflächenangaben der amtlichen Statistik nition der Rechtsprechung findet i.d.R. keine Anwendung. Es In der Handelsfachliteratur wird regelmäßig auf Vergleichs- ist damit keine einheitliche Zuordnung von Grenzfällen daten der bundesweiten Verkaufsflächenausstattung ver- (z. B. Gänge, Pfandräume, Lagerflächen) gewährleistet. wiesen, die auf Angaben des statistischen Bundesamtes beruhen. Dazu zählt insbesondere die durchschnittliche Im Gegensatz zu den Befragungen und Hochrechnungen Verkaufsfläche je Einwohner in Höhe von 1,46 m² (Stand: der amtlichen Statistik handelt es sich bei der Berliner Ein- 2014). zelhandelserfassung zum Statusbericht um eine Vollerhe- bung des Einzelhandels. Im Rahmen der Stadtplanung und Die bundesweiten Verkaufsflächenangaben werden im Rah- Einzelhandelssteuerung ist dies eine gerichtlich anerkannte men einer schriftlichen Befragung von Unternehmen in Methode. Eine Vergleichbarkeit mit der Bundesstatistik ist Form einer Stichprobe mit anschließender Hochrechnung vor allem aufgrund der unterschiedlichen Methoden grund- erhoben. Angaben zur Verkaufsfläche werden dabei nach sätzlich nicht gegeben. Ermessen der Befragten gemacht. Die Verkaufsflächendefi- 13
1.2 Entwicklung der Berliner Zentren Gestärkte Marktposition der Zentren Die Sicherung und Stärkung der historisch gewachsenen städtischen Zentren gehören zu den vorrangigen Zielen der Stadtentwicklungsplanung in Berlin. Neben den städtischen Zentren (Ortsteil-, Stadtteil-, Hauptzentren sowie Zent- rumsbereichskerne) tragen die Nahversorgungszentren als zentrale Versorgungsbereiche zur polyzentralen Bündelung von Versorgungseinrichtungen sowie zur wohnortnahen Versorgung bei. Die Nahversorgungszentren werden nicht auf gesamtstädtischer Ebene im StEP Zentren 3 ausgewie- sen, sondern von den zwölf Berliner Bezirken im Rahmen der Erarbeitung bezirklicher Zentren- und Einzelhandels- konzepte festgelegt. Die Auswertung der aktuellen Einzelhandelsdaten veran- schaulicht, dass die städtischen Zentren Berlins ihre Markt- position und Versorgungsfunktion in den vergangenen Jah- ren ausbauen konnten: Ihre Verkaufsfläche ist um rund 140.000 qm bzw. 7,9 Prozent auf 1,91 Mio. qm angestiegen. Die City-West (Zoo, Kurfürstendamm, Tauentzienstraße) bietet mit 280.000 qm das größte Verkaufsflächenangebot aller Berliner Zentren. Tabelle 1: Verkaufsflächenanteil der städtischen Zentren Berlins 2010 2015 Verkaufsfläche der städtischen Zentren 1,77 Mio. qm ä 1,91 Mio. qm Anteil an der Gesamt- verkaufsfläche Berlins 41,0 % ä 43,2 % Quelle: Einzelhandels-Bestandsdaten SenStadtUm 2010 und 2015 (ohne Leerstand) 14
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | 1 Zentren- und Einzelhandelsentwicklung in Berlin Wachstum der Zentrumsbereichskerne… Einen wesentlichen Anteil an der gestärkten Marktposition der städtischen Zentren bringen die Zentrumsbereichsker- ne der Historischen Mitte und der City West ein. In ihnen konnten besonders viele Neueröffnungen und Verkaufsflä- chenerweiterungen realisiert werden (vgl. Abbildung 5). Die Attraktivität der Zentrumsbereichskerne speist sich aus ih- ren großen und vielfältigen Einzelhandelsangeboten, ihren kulturellen und touristischen Highlights, der hervorragen- den Lage, einer sehr guten Anbindung auch mit den öffent- lichen Verkehrsmitteln sowie aus ihrer nationalen und in- ternationalen Bekanntheit. Vor diesem Hintergrund attestieren die einschlägigen Mak- lerhäuser den 1A-Lagen der Zentrumsbereichskerne neben stetig steigenden Einzelhandelsmieten eine weiterhin unge- brochene Flächennachfrage nationaler wie auch internatio- naler Handelsketten und Kapitalgeber. Auch das Hauptzentrum Schloßstraße zählt zu den großen Berliner Einkaufsboule- vards mit wachsender Verkaufsfläche. Abbildung 5: Verkaufsflächenentwicklung der Berliner Zentren 2010 bis 2015 Zentrumsbereichkerne 20,4% Hauptzentren 5,0% Stadtteilzentren -2,4% Ortsteilzentren 0,9% -5% 0% 5% 10% 15% 20% Quelle: Einzelhandels-Bestandsdaten SenStadtUm 2010 und 2015 (ohne Leerstand) 15
Abbildung 6: Handlungsbedarf in den städtischen Zentren (2016) städtebaulich Einzelhandel Zentrumsbereich/Hauptzentrum hoch Stadtteilzentrum mittel Ortsteilzentrum gering Quelle: Junker + Kruse, 2016; Kartengrundlage: SenStadtUm, Abteilung III - Geoinformation 16
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | 1 Zentren- und Einzelhandelsentwicklung in Berlin 2. Thesen zu den städtebaulichen Nicht nur die Zentrumsbereichskerne, sondern auch die Die Wettbewerbsposition der Haupt-, Stadtteil- und Orts- Hauptzentren haben sich mit einem Zuwachs von fünf Pro- teilzentren ist von zunehmenden Herausforderungen ge- zent überdurchschnittlich entwickelt. Dies ist im Wesentli- prägt. Auf der einen Seite beeinflussen die besonders star- Auswirkungen aktueller Trends im chen auf größere Projekte in den beiden Hauptzentren ken Zentrumsbereichskerne das Einkaufsverhalten der Schloßstraße (Steglitz-Zehlendorf) und Bahnhofstraße (Kö- Menschen, die auf der Suche nach bestimmten Modelabels Einzelhandel auf die Berlineroder Zentren penick) zurück zu führen. Die Gesamtverkaufsfläche der üb- einem besonderen Erlebnisfaktor beim Einkauf sind. rigen sechs Hauptzentren blieb in den vergangenen Jahren Auf der anderen Seite streben viele Handelsunternehmen weitestgehend unverändert. etwa an den Fachmarktagglomerationen und in dezentral verorteten Nahversorgungsbetrieben einen Ausbau der …Cordelia geringe Polinna, Impulse in den „Sandwich-Zentren“ die Kernezentrenrelevanten Sortimentsgruppen der wichtigen Zentrumsbereiche, wie die Cityan. Auch die Waren- Eher mäßig Polinna und teils Hauck sogar rückläufig Landscape + Urbanismverlief zuletzt die Ver- West; bzw. Kaufhauskrise mit ihren Standortschließungen hat in kaufsflächenentwicklung der 21 Stadtteilzentren und der der Vergangenheit die Zentren der Ortskerne, diegerade 1920 zu die mittelgroßen Groß-Berlin zu- Zentren getrof- Berlin zeichnet sich durch seine polyzentrale, hierarchisch 49 Ortsteilzentren. Insgesamt konnte ein Großteil der sammengefügt wurden, z.B. Alt-Rudow; fen. Und nicht zuletzt mindert der im Internet generierte gegliederte Struktur aus. Neben den Zentrenbereichen His- die vielfach an den Radialen liegenden Haupt- und Haupt-, Stadtteil- und Ortsteilzentren nicht vom allgemei- Einzelhandelsumsatz das typische Marktpotenzial der torische Mitte und City West übernehmen die vielfältigen Stadtteilzentren, z.B. die Karl-Marx-Straße, sowie nen Trend des Verkaufsflächenwachstums in Berlin Haupt-, Stadtteil- und Ortszentren unterschiedliche Aufga- profi- Haupt-, die neueren Stadtteil- Zentren, undzweiten die in der Ortsteilzentren Hälfte des 20.insbesondere in den tieren. ben undInsbesondere aufBedürfnisse decken vielfältige der Ebeneabder Ortsteilzentren – von der engma- sind Branchen Jahrhunderts Bekleidung, entstanden Schuhe, sind, etwa Bücher und Elektronik. in Großsiedlungen. anschigen einigen Standortenbiserhöhte Nahversorgung Leerstandsquoten hin zu hochwertigen, speziali- zuver- Ferner gibt es Fachmarktagglomerationen für großflä- sierten Produkten, zeichnen, und nicht die wenige auch zurOrtsteilzentren Attraktivität Berlins als verfügen chigen Besonders der- Einzelhandel mit und Stadt- nichtOrtsteilzentren zentrenrelevantenerfahren somit einen (internationale) Shopping-Metropole beitragen. Diese Zent- Hauptsortimenten. zeit (noch) nicht über ein ausreichendes Maß an Angebots- zunehmenden Wettbewerbsdruck von mehreren Seiten. ren haben eine wichtige Tradition in Berlin. Sie bilden das vielfalt und Magnetbetrieben. Grundgerüst der Stadtregion und sind Voraussetzung da- Ihre Vor allem die Stellung Haupt-, im Marktgefüge Stadtteil- vermittelt und Ortsteilzentren stehen das Bild von „Sand- für, dass das planerische Leitbild der nachhaltigen Stadt der wich-Zentren“ (vgl. Abbildung 7). aktuell unter Druck – suchen in einer „Sandwichposition“ kurzen Wege umgesetzt werden kann. Prägend und im zwischen den prosperierenden Zentrenbereichskernen und Abbildung 7: Stadtentwicklungsplan Zentren definiert sind: den Fachmarktagglomerationen nach einer neuen Rolle. „Sandwich-Zentren“: Zunehmender Konkurrenzdruck von mehreren Seiten Kerne der Zentrumsbereiche Hauptzentren Stadtteilzentren Ortsteilzentren nicht integrierte Fachmarktzentren Quelle: Polinna Hauck Landscape and Urbanism © Zeichnung: M. Burke, E. Harmel, L. Jank 8 17
Potenziale und Funktionen der Berliner Zentren Denn die polyzentrale Stadt Zugleich weisen die „Sandwich-Zentren“ eine Vielzahl an sichert die wohnungsnahe Grundversorgung im gesam- Potenzialen auf. Sie liegen wohnortnah und sind siedlungs- ten Stadtgebiet, räumlich integriert, und sie sind in der Regel nicht nur mit erleichtert mobilitätseingeschränkten Personen die dem Pkw, sondern auch sehr gut fußläufig, mit dem Rad Teilhabe am öffentlichen Leben, und dem ÖPNV erreichbar. Die vorhandene Nutzungsmi- fördert aufgrund kurzer Versorgungswege den Umwelt- schung mit Bildungs-, Dienstleistungs- und Gastronomie- verbund im Modal Split und trägt zu einer verkehrs- einrichtungen sorgt ebenso für Kundenfrequenz wie die und emissionssparenden Stadtstruktur bei, Wochenmärkte, die in ihnen stattfinden. bündelt öffentliche Angebote und verstärkt die Wirk- samkeit privater wie auch öffentlicher Investitionen In vielen Fällen besitzen die „Sandwich-Zentren“ historisch und bedeutsame Strukturen und Denkmäler auf, die auf frühe bildet nicht zuletzt die Grundlage für eine städtebauli- Angerdörfer, Kolonien und Gartenstädte verweisen. Dies che Identität der Ortsteile und Kieze. kann eine hohe städtebauliche Identität generieren. In an- deren Fälle stellen sie integriert geplante Wohngebietszent- Herausforderungen zur Stabilisierung und Stärkung der ren der Großwohnsiedlungen – Ost wie West – dar, die auf- Berliner Zentren grund ihrer zentralen Lage und multifunktionalen Ausstat- In den städtischen Zentren existieren Brachflächen, minder- tung ein hohes Maß an Kundenbindung erzeugen können. genutzte Flächen und Umnutzungspotenziale. Auch in be- sonders stark wachsenden Ortsteilen bieten die Zentren da- her einen großen Spielraum für ein Verkaufsflächenwachs- Abbildung 8: tum sowie eine Angebotsqualifizierung. Die Kulisse beste- Stadthistorisches Potenzial: viele Berliner Zentren weisen hender Zentren bildet auch angesichts der erwarteten Be- Relikte früherer Ortskerne auf (hier: Dorf Tempelhof um völkerungsentwicklung eine angemessene polyzentrale 1850, heute Bestandteil des Stadtteilzentrums Tempelho- Struktur, die keiner Ergänzung durch weitere Zentren be- fer Damm) darf. Vielmehr bestehen die stadtentwicklungsplanerischen Her- ausforderungen zur Stabilisierung und Stärkung der ge- wachsenen Zentren – angesichts der veränderten Entwick- lungsbedingungen des Einzelhandels sowie aufgrund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks – aus folgenden Aufga- ben und Aspekten: Es sind diejenigen Zentren zu identifizieren und in ihrer Einzelhandels-Versorgungsfunktion auszubauen, die trotz eines ausreichenden Einwohnerpotenzials bislang noch nicht voll leistungsfähig sind. Solche Ausbauerfor- dernisse können insbesondere in den bezirklichen Zen- trenkonzepten untersucht und definiert werden. Quelle: Ausschnitt aus dem Ur-Messtischblatt Nr. 1908 von 1851 Vermehrt wird die Modernisierung und Revitalisierung bereits bestehender – auch komplexer – Handelsimmo- bilien eine Aufgabe der Projektentwicklung darstellen, Die städtischen Zentren sind das Rückgrat des sozial wach- um weiterhin zeitgemäße Handelsformate in Berlin an- senden Berlins. Angesichts des Bevölkerungswachstums bieten zu können (aktuelle Beispiele: Modernisierung und der älter werdenden Stadtgesellschaft benötigt Berlin der Gropius-Passagen, Umbauplanungen für das die Vielfalt und Leistungsfähigkeit wohnortnaher Zentren. Ku`damm-Karree). 18
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | 1 Zentren- und Einzelhandelsentwicklung in Berlin Zur Erhaltung und Entwicklung aller zentralen Versor- Kennziffern und Entwicklungstrends der Nahversorgung gungsbereiche in Berlin sind auch künftig die bewähr- Aus gesamtstädtischer Sicht ist die Ausstattung Berlins mit ten Instrumente des Städtebaurechts erforderlich, um Nahversorgungsangeboten als gut zu bezeichnen. Die Zen- eine räumlich-funktionale Arbeitsteilung zwischen den tralität nahversorgungsrelevanter Sortimentsgruppen liegt Zentren und den sonstigen Einzelhandelsstandorten zu bei 1,0. Dies weist auf ein ausgeglichenes Kaufkraft-Um- sichern. Eine zentrale Grundlage hierfür bieten die satz-Verhältnis hin. übergeordneten Steuerungsgrundsätze des StEP Zent- ren 3. In vielen Berliner Zentren besteht Potenzial zur weite- Tabelle 2: ren Qualifizierung der öffentlichen Räume zugunsten Kennziffern der Nahversorgung in Berlin 2015 einer höheren Aufenthalts- und Erlebnisqualität, um im Wettbewerb mit den starken Zentrumsbereichskernen, Anzahl der Lebensmittelmärkte 1.119 den Konkurrenzstandorten im Umland sowie dem Ein- ab 300 qm Verkaufsfläche kauf im Internet deutlichere Stärken auszubilden. Neben dem Einzelhandel kommt der Dichte und Vielfalt Verkaufsfläche Nahrungs- und weiterer Nutzungen in den Zentren eine zunehmende 1,2 Mio. qm Genussmittel Bedeutung zu. Bei der Errichtung oder der Verlagerung öffentlicher Einrichtungen sollten daher Standorte in Verkaufsfläche Nahrungs- und den Zentren angestrebt werden. 0,34 qm Genussmittel je Einwohner Die verlässliche Vermittlung und Anwendung der stadt- entwicklungsplanerischen Ziele und Instrumente so- Umsatz Nahrungs- und Genuss- wohl auf gesamtstädtischer Ebene als auch in den ca. 6,8 Mrd. EUR mittel Bezirken unterstützt weiterhin die notwendige Vertrau- ensbasis für unternehmerische Revitalisierungs- und Zentralitätskennziffer aller nah- Neubauinvestitionen zur Stärkung der Zentren (Investi- versorgungsrelevanten Sorti- ~ 1,0 tionssicherheit). mentsgruppen Die Weiterentwicklung attraktiver Zentren setzt neben Quelle: Junker + Kruse, 2015; Berechnung auf Basis der Einzelhandels- den stadtplanerischen Instrumenten und öffentlichen Bestandsdaten SenStadtUm 2015 Mitteln zunehmend auch das Engagement, die Vernet- zung und die Verantwortungsbereitschaft der lokalen Akteure in den Zentren und Geschäftsstraßen voraus. Im weitaus größten Teil der Berliner Wohnsiedlungsfläche sind Lebensmittelmärkte sehr gut fußläufig erreichbar. Selbst in peripher gelegenen und vergleichsweise kleinen Siedlungsgebieten wie Rahnsdorf und Müggelheim sind Le- 1.3 Wohnungsnahe Grundversorgung bensmittelmärkte zur Sicherung der Grundversorgung vor- handen. Nahversorgung ist nicht allein eine Thematik einzelner Wohngebiete oder Quartiere, sondern schon aufgrund ihrer In fast allen Wohngebieten Berlins sind Lebensmittelmärkte quantitativen Dimension von gesamtstädtischer Relevanz: in fußläufiger Entfernung erreichbar. Voraussetzung hier- Die nahversorgungsrelevanten Sortimentsgruppen wie Le- für sind ausgewogen dimensionierte Lebensmittelmärkte bensmittel und Drogeriewaren umfassen immerhin 37 Pro- an integrierten wohnungsnahen Standorten (vgl. Abbil- zent der gesamtstädtischen Verkaufsfläche. Und in den dung 9). Ortsteilzentren stellen sie sogar 60 Prozent der Verkaufs- fläche dar. 19
Abbildung 9: Der Lebensmitteleinzelhandel ist nach wie vor von einer ho- Beispiele zur fußläufigen Erreichbarkeit von strukturprä- hen Veränderungsdynamik geprägt. In Berlin zeichnen sich genden Lebensmittelmärkten aus Neukölln/Treptow-Köpe- derzeit folgende Trends ab: nick und Charlottenburg-Wilmersdorf/Mitte/Tempelhof- Die meisten Supermarkt- und Discounterketten betrei- Schöneberg (Ausschnitte) ben und entwickeln sog. City- bzw. Kleinflächenkonzep- te, so dass in verdichteten Stadtbereichen auch weiter- hin ein wohngebietsnahes Standortnetz gewährleistet sein wird. Zudem trägt die Expansion der Biosuper- märkte aufgrund ihrer Kleinflächigkeit in Verbindung mit integrierten Standorten ebenfalls zur wohnungsna- hen Versorgung urbaner Lagen bei. Die Expansionstätigkeit der filialisierten Discounter-, Supermarkt- und SB-Warenhausketten lag in den ver- gangenen fünf Jahren primär außerhalb der städti- schen Zentren. Innerhalb der städtischen Zentren ha- ben die filialisierten Lebensmitteldiscounter acht Prozent ihrer Betriebe geschlossen. Das Standortnetz hat sich insgesamt zulasten der städtischen Zentren Berlins entwickelt. Bereits heute gibt es zehn städtische Zentren ohne ei- nen Supermarkt sowie 16 ohne einen Lebensmitteldis- counter. Ein Fehlen solcher Magnetbetriebe kann zur Instabilität der Zentren beitragen und bedarf einer nä- heren Analyse zu Handlungserfordernissen und Aus- baupotenzialen. Die Lebensmittelketten streben – gerade jenseits der Berliner Zentrenstruktur – stets größer werdende Neu- bauten an, wodurch über den Nahbereich hinaus ge- hende Einzugsgebiete generiert werden. Zugleich wer- den kleinere Filialen geschlossen, was zu einer Netzausdünnung führt und eine fußläufige Erreichbar- keit der wohngebietsnahen Versorgung gefährdet. Einige Lebensmittelketten haben in Berlin bereits neu- artige Vertriebsstrukturen für online bestellte Waren entwickelt und etabliert, so dass sich der Umsatzanteil der sog. stationären Lebensmittelläden in Berlin kurz- bis mittelfristig nennenswert verändern kann. Ob und wie sich dies auf das Ladennetz auswirkt, ist derzeit strukturprägender Lebensmittelbetrieb nicht vorhersehbar. Abgrenzung fußläufige Erreichbarkeit zentraler Versorgungsbereich Einzugsgebiet 600 m Ergänzungsbereich Einzugsgebiet 800 m Fachmarktagglomeration Quelle: Junker + Kruse, 2016; Kartengrundlage: SenStadtUm, Abteilung III - Geoinformation 20
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | 1 Zentren- und Einzelhandelsentwicklung in Berlin Stadtentwicklungsplanerische Zielstellungen Der StEP Zentren 3 definiert, dass neben den städtischen Zentren eine möglichst engma- schige Nahversorgung in den Wohngebieten gesichert und fortentwickelt werden soll. Die Erreichbarkeit von Grundversorgungseinrich- tungen soll im Einklang mit den Strategien des StEP Verkehr primär zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gewähr- leistet sein. Die Umsetzung dieser Leitlinie und Zielstellung obliegt insbesondere den zwölf Bezirken Berlins, denen zur Analyse und stadt- planerischen Konzeption einer ausgewogenen Standortstruktur insbesondere das Instru- ment der bezirklichen Zentren- und Einzelhan- delskonzepte zur Verfügung steht. Nahversorgung seit 130 Jahren: Ab 1886 ließ der Berliner Magistrat zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung neben den Zentralmarkthallen dreizehn weitere Markthallen für Lebensmittel errichten (hier: Supermarkt in der Markthalle VI im Jahr 2016). Lebensmittel- und Drogeriemärkte sind wesentliche Frequenzbringer in den gewachsenen Zentren Berlins. 21
Herausforderungen Besonderer stadtplanerischer Aufmerksamkeit bedürfen Die Fortentwicklung der Nahversorgung, die einerseits die weiterhin die Einzelhandelsentwicklungen außerhalb der Zentren stärkt und andererseits ein kleinräumig dichtes städtischen Zentren, die bei unausgewogenen Betriebsgrö- Versorgungsnetz in den Wohngebieten schafft, bleibt ange- ßenstrukturen oder an städtebaulich nicht integrierten sichts der betreiberseitigen Marktentwicklung eine Heraus- Standorten einerseits die Stabilität umliegender Zentren forderung für die Stadtplanung in Berlin. gefährden. Sie können andererseits eine Netzausdünnung wohngebietsnaher Versorgungsstandorte sowie – vermeid- Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, dass die Nahver- bare – erhöhte Verkehrsbelastungen bewirken. sorgungsangebote eine der wichtigsten Zentrenfunktionen in den Stadtteil-, Ortsteil- sowie Nahversorgungszentren Angesichts des großen Wohnraumbedarfs der wachsenden darstellen: Ein durchschnittlicher Supermarkt generiert pro Stadt sind im Lebensmitteleinzelhandel, der auch in ver- Jahr über 500.000 Kundenbesuche, von denen sowohl die dichteten Lagen bislang oft von eingeschossigen Typenbau- benachbarten kleinen Läden als auch die Dienstleistungs- ten geprägt ist, vermehrt mehrgeschossige Neubaulösun- und Gastronomieeinrichtungen wesentlich profitieren. Ge- gen mit Wohnungen in den Obergeschossen umzusetzen. rade die kleinen und mittelgroßen Zentren Berlins sind da- her darauf angewiesen, dass in ihnen attraktive und markt- gerechte Supermärkte und Discounter angesiedelt sind. Für Zentren, die eine solche Ausstattung noch vermissen las- sen, sollte ein entsprechender Ausbau des Angebots geprüft werden. Gute Beispiele zeigen: Die Vermeidung eingeschossiger Typenbauten im Lebensmitteleinzelhandel ist möglich und beinhaltet Poten- ziale für die Multifunktionalität von Quartieren und für den Wohnungsbau. 22
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | 1 Zentren- und Einzelhandelsentwicklung in Berlin 1.4 Standorte für Fachmärkte Angebotsstruktur Quantitativ ist das Angebot nicht zentrenrelevanter Sorti- Die Stadtentwicklungsplanung Berlins definiert Fachmärkte mentsgruppen in Berlin umfassend und vielseitig (vgl. Ta- als Einzelhandelseinrichtungen mit nicht zentrenrelevanten belle 3). Zwar rücken in der allgemeinen Wahrnehmung der Kernsortimenten. Somit fallen neben den Möbelhäusern Möbel- und Baumarktbranche häufig die großen Anbieter und Baumärkten auch Gartencenter und zahlreiche Spezi- und Standorte in den Fokus. Gemessen an der Anzahl der alanbieter wie etwa Küchenstudios oder Autoteile-Händler Läden nehmen jedoch kleinere Anbieter eine herausragende in dieses Marktsegment. Marktposition ein. Allein entlang der Kantstraße und ihrer Nebenstraßen in Charlottenburg-Wilmersdorf sind ca. 50 kleinflächige Möbelanbieter ansässig, davon etwa die Hälf- te im „stilwerk“. Tabelle 3: Anzahl der Einzelhandelsläden mit nicht zentrenrelevantem Hauptsortiment in Berlin 2015 Hauptsortiment unter 800 qm Verkaufsfläche ab 800 qm Verkaufsfläche Möbel (inkl. Büro- und Küchenmöbel, Antiquitäten) 555 76 Baumarktsortimente (inkl. Bodenbeläge) 345 62 Gartenbedarf 58 32 sonstige nicht zentrenrelevante Sortimente 168 7 Quelle: Einzelhandels-Bestandsdaten SenStadtUm 2015; Möbel: ohne Hauptsortiment Einrichtungszubehör und Leuchten; Gartenbedarf: Hauptsorti- ment Pflanzen und Gartenartikel (ohne Hauptsortiment Blumen) Einrichtungsbedarf auf kleiner Fläche: Möbelanbieter in Berlin-Mitte. 23
Entwicklungstrends Die strukturellen Veränderungen der Nachfrageseite erfor- Strukturveränderungen und ein Wandel der Betriebsformen dern eine schärfere Profilierung der Betriebstypen im Mö- sind auch bei den Fachmärkten zu beobachten: Neben Un- belhandel. Der Nachfrage nach innerstädtischem Wohnen ternehmenskonzentrationen und einer auch in diesen Bran- folgt der Möbelhandel an ersten Standorten bereits durch chen zunehmenden Bedeutung des Online-Handels deuten zentrale Standorte und neue Vertriebsformate (z. B. IKEA im sich besonders in der Möbelbranche Grenzen des Wachs- Zentrum von Hamburg-Altona, IKEA-Abholstation u. a. in tums an. Die Umsätze stagnieren bundesweit seit mehr als Leipzig). zehn Jahren. Die dezentralen Stadtrand-Standorte großer Möbelketten passen immer weniger zur gestärkten Attrak- Auch die Baumarktbranche versucht der durch Großflä- tivität urbaner Wohnquartiere, in denen die Menschen teils chenkonzepte verursachten Netzausdünnung im Kampf um jenseits klassischer Familienstrukturen und ohne eigenes Umsatzanteile zu begegnen, indem aktuell neue Kleinflä- Auto leben. chenformate etabliert werden (beispielsweise Screwfix, Hornbach-Compact, Obi-Contact-Point). Solche Ansätze Dennoch wird von einigen Unternehmen weiterhin eine Ex- sind aus stadtentwicklungsplanerischer Sicht interessant, pansion auf großen Flächen – verbunden mit einem unter- da sie Einkaufswege verkürzen können und sich städtebau- nehmerischen Interesse an hybriden Angeboten und um- lich sowie hinsichtlich der Verkehrserschließung in die kom- fangreichen zentrenrelevanten Randsortimenten – betrie- plexen Siedlungsstrukturen der Metropole Berlin meist gut ben, was die stadt- und zentrenverträgliche Integration einbinden lassen. weiterhin vor große Herausforderungen stellt. Für großflächige Fachmärkte besteht angesichts ihrer Größe in der Regel das Erfordernis zur Aufstellung eines Bebauungsplans. 24
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | 1 Zentren- und Einzelhandelsentwicklung in Berlin Stadtentwicklungsplanerische Zielstellungen portional zum Gesamtumsatz eines Vorhabens beitragen. Auch der nicht zentrenrelevante Einzelhandel kann die An- Mehr als zehn Prozent Randsortimentsanteil können Fach- gebotsvielfalt und Attraktivität der gewachsenen Zentren marktvorhaben landes- und stadtplanerisch in der Regel Berlins erhöhen. Der StEP Zentren 3 formuliert daher den dann zugestanden werden, wenn ihr Standort in einem zen- Grundsatz, dass großflächige Ansiedlungen von Fach- tralen Versorgungsbereich – also etwa in einem der 83 städ- marktsortimenten primär in zentralen Versorgungsberei- tischen Zentren Berlins – liegt. chen erfolgen sollen. Da größere Fachmarktvorhaben nicht immer städtebaulich und funktional verträglich in Zentren- Herausforderungen lagen integriert werden können, weist der StEP Zentren für Für die stadtplanerische Bewertung von Fachmarktvorha- den nicht zentrenrelevanten Einzelhandel 17 ergänzende ben formuliert das Fachmarkkonzept Berlin geeignete Fachmarktagglomerationen (FMA) aus. Standort- und Verfahrenskriterien. Einer weiter gehenden Konzeption bedarf es derzeit nicht. Stadtplanerischer Hand- Im Jahr 2013 hat der Senat das Fachmarktkonzept Berlin lungsbedarf besteht neben der Umsetzung des Konzeptes beschlossen, das eine branchenspezifische Vertiefung zum in den Berliner Bezirken darin, das Thema der städtebau- StEP Zentren 3 darstellt und die Gebietskulisse für Möbel- lich-gestalterischen Qualität von Fachmarktagglomeratio- häuser sowie Bau- und Gartenmärkte um Fachmarktstand- nen und -standorten näher auszuarbeiten. Als Teilaspekte orte (FMS) erweitert. Hiermit greift die Stadtentwicklungs- sind beispielhaft die städtebauliche Anordnung der Gebäu- planung auf, dass die städtischen Zentren und die 17 Fach- de auf dem Vorhabengrundstück, platzsparende gestapelte marktagglomerationen als Standortkulisse für die große Lösungen für den ruhenden Verkehr, bauliche Nachverdich- Vielzahl der Fachmärkte nicht ausreichend sind. Zudem de- tungsoptionen sowie die architektonische Qualität der Ge- finiert das Fachmarktkonzept zwei weitere Fachmarktag- bäudeentwürfe zu nennen (vgl. Kapitel 3.6 des StEP Zent- glomerationen, so dass deren Gesamtzahl nunmehr bei 19 ren 3). liegt. An vier Fachmarktagglomerationen – Rangierbahnhof Pan- Leitgedanke zur Ausweisung von Fachmarktagglomeratio- kow (Pankow), Glienicker Weg/Adlergestell (Treptow-Köpe- nen und -standorten ist die dezentrale Bündelung der Ange- nick), Pilgramer Straße (Marzahn-Hellersdorf) sowie Lands- bote im Stadtgebiet. Diese bietet aus Sicht der Stadtent- berger Allee (Lichtenberg) – werden zur Zeit weitere groß- wicklungsplanung, der Kundschaft wie auch der Unterneh- flächige Fachmärkte geplant bzw. errichtet. Kurzfristig ist men vorteilhafte Agglomerations- und Koppelungseffekte daher mit einer nennenswerten Angebotsausweitung zu an leistungsfähigen, gut angebundenen Standorten. rechnen. Zudem können die Bezirksämter mit Hilfe bezirkli- cher Zentren- und Einzelhandelskonzepte im Einklang mit Damit sie gegenüber Wettbewerbern konkurrenzfähig sein den Kriterien des Fachmarktkonzeptes nach Bedarf ergän- können, wird neu geplanten Fachmärkten mit den Regelun- zende Fachmarktstandorte festlegen. Eine Änderung der gen des Fachmarktkonzeptes Berlin zugebilligt, dass auf bis Gebietskulisse der aktuell 19 Fachmarktagglomerationen zu zehn Prozent der Verkaufsfläche auch zentrenrelevante ist auf der Ebene des StEP Zentren 3 bzw. des Fachmarkt- Sortimente angeboten werden können. Diese Ausnahme- konzeptes daher aktuell nicht erforderlich. regelung entspricht dem Rahmen des übergeordneten Lan- desentwicklungsplans Berlin-Brandenburg, so dass zugleich Der Strukturwandel und der hoch dynamische Wettbewerb eine Landesgrenzen überschreitende Gleichbehandlung im Einzelhandel bedingen, dass neben den Neueröffnungen neuer Vorhaben gewährleistet wird. und Erweiterungsvorhaben regelmäßig auch Betriebsauf- gaben und -verlagerungen zu verzeichnen sind. Hierdurch Zu berücksichtigen sind hierbei stets die städtebaulichen ergeben sich regelmäßig neue stadtplanerische Aufgaben- Auswirkungen gegenüber den gewachsenen Zentren, da stellungen. Handlungsbedarf entsteht vor allem dann, zentrenrelevante Sortimentsanteile in der Regel überpro- wenn unternehmerisch geplante Um- und Nachnutzungen 25
nicht mit den landes- und stadtentwicklungsplanerischen Vorgaben für die entsprechenden Standorte vereinbar sind. Eine weitere Herausforderung – und zugleich Chance – wird nicht zuletzt hinsichtlich der neuen Vertriebsschienen des Möbel- und Baumarkteinzelhandels erkennbar. Der Wunsch der Unternehmen nach kleineren bzw. zentral gelegenen Standorten rückt die Angebote wieder näher zur Kund- schaft, kann Verkaufsaufwand verringern und zugleich zur Stärkung vorhandener Zentren genutzt werden. Ohne pla- nerischen Aufwand wird dies – wie das Beispiel des in der Fußgängerzone eröffneten IKEA in Hamburg-Altona jüngst gezeigt hat – allerdings nicht erfolgen können. Insofern ist und bleibt die stadtplanerische Begleitung vieler Fach- marktvorhaben auch künftig ein relevantes Aufgabenge- biet. Trend zu zentral gelegenen Standorten: Europas erster City-IKEA im Altonaer Zentrum (Hamburg). 26
StEP Zentren 3 Statusbericht 2016 | 1 Zentren- und Einzelhandelsentwicklung in Berlin 1.5 Kaufkraft- und Umsatzentwicklung Entwicklung der Konsumausgaben Ein Großteil der Haushaltseinkommen wird in Deutschland für den privaten Konsum, das heißt für Ernährung, Wohnen, Bekleidung und Reisen, verwendet. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte nehmen stetig zu. Der Einzelhandels- umsatz in Deutschland profitiert jedoch nicht im gleichen Maße von diesem Wachstum, so dass der Einzelhandelsan- teil an den Konsumausgaben seit Jahren rückläufig ist (vgl. Abbildung 10). Abbildung 10: Ausgaben der privaten Haushalte (BRD) in Mrd. Euro 1.800 40% 1.600 35% 1.400 30% 1.200 25% 1.000 20% 800 15% 600 10% 400 200 5% 0 0% 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Konsumausgaben der privaten Haushalte Nettoumsatz im Einzelhandel Anteil des Einzelhandelsumsatzes an privaten Konsumausgaben Quellen: Statistisches Bundesamt Wiesbaden 2016; handelsdaten.de (Zugriff 07.2016) 27
Einzelhandelskaufkraft in Berlin Einzelhandelsumsatz in Berlin Das Kaufkraftniveau bzw. die Kaufkraftkennziffer gibt an, Auch der Umsatz im Berliner Einzelhandel hat in den ver- wieviel Geld den Menschen einer Stadt im Vergleich zum gangenen Jahren Zugewinne verbucht. Lag der Umsatz Bundesdurchschnitt für den Konsum zur Verfügung steht. 2010 noch bei etwa 17 Mrd. Euro, so ist auf Basis des Einzel- Der bundesweite Durchschnitt wird dabei mit dem Index- handelsbestands im Jahr 2015 ein Gesamtumsatz von ca. wert 100 verdeutlicht. Das einzelhandelsrelevante Kauf- 18,7 Mrd. Euro zu ermitteln (inklusive Lebensmittelhand- kraftniveau der Berlinerinnen und Berliner liegt aufgrund werk, freiverkäuflichen Arzneimitteln, ohne Kraft- und der Sozialstruktur und der Beschäftigungssituation seit Brennstoffe, Kfz-Handel, Wochenmärkte und Versandhan- Jahren einige Punkte unterhalb des Bundesdurchschnitts. del). Dies entspricht einer Einzelhandelszentralität von Seit 2009 ist ein leichtes Wachstum zu verzeichnen. Im Jahr 1,06. 2015 lag die Messzahl für Berlin bereits bei 95,75. Ange- sichts einer rückläufigen Arbeitslosenquote sowie des Wirt- Die wachsende Bedeutung Berlins als Tourismusdestinati- schaftswachstums in Berlin ist für die nächsten Jahre wei- on, die positive Bevölkerungs- und Kaufkraftentwicklung terhin von leichten Zuwächsen des einzelhandelsrelevanten sowie die sich derzeit in der Bau- und Planungsphase befin- Kaufkraftniveaus auszugehen. denden Einzelhandelsvorhaben lassen darauf schließen, dass der gesamtstädtische Einzelhandelsumsatz in den kommenden Jahren weiter ansteigen wird. Abbildung 11: Entwicklung des einzelhandelsrelevanten Kaufkraftniveaus in Berlin 102,0 100,0 98,0 96,0 94,0 92,0 90,0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quelle: Daten BBE, IBH, IFH, Köln 2005-2015 28
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