Der Kirchentag Das Magazin - Deutscher Evangelischer ...
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Der Kirchentag
ISSN 1869-0181
Das Magazin
kirchentag.de Ausgabe 04/2017
Die Losung für Dortmund
setzt Akzente
Nach der Reformation ist vor der Reformation
Rückblick von Christina Aus der Au
Mit Gottvertrauen die Welt verändern
Im Interview: Kirchentagspräsident Hans Leyendecker
Neu in Deutschland
Geflüchtete schreiben über Flucht, Liebe und das Leben
DAS FEST DES GL AU BENS
D E U T S C H E R E VA N G E L I S C H E R K I R C H E N T A G
DEKT/Monika Johna
Installation in der Zwinglikirche im Rahmen des Kunstprojekts „Zeig dich!“ auf dem Kirchentag in Berlin 2017.
Liebe Leserinnen und Leser,
ein besonderes Jahr geht zu Ende, 500 Jahre Reformation Aber Kirchentag dreht sich nie nur um sich selbst, sondern
sind vielseitig gefeiert worden – nicht nur bei uns in Deutsch- greift Themen auf, die uns alle beschäftigen. Wie gute Integra-
land, sondern in aller Welt. Wir als Kirchentag waren ein tion gelingen kann, darüber spricht der Experte für Religions-
Teil davon: mit dem Kirchentag in Berlin und Wittenberg und Integrationspolitik, Dawood Nazirizadeh. Was Geflüchtete
und den Kirchentagen auf dem Weg. umtreibt und wie sie auf Deutschland blicken, das zeigen ihre
Unter dem Motto „Nach der Reformation ist vor der eigenen Texte und Gedichte, die wir abdrucken durften.
Reformation“ beschreibt Christina Aus der Au ihren ganz
persönlichen Rückblick auf das Jahr 2017. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein gesegnetes
Rückblick heißt aber auch, auf die Grundimpulse der Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr.
Reformation zu schauen: Partizipation, Eigenverantwortlich-
keit und eine aktive Weltgestaltung. Sie sind auch Säulen des
Kirchentages. Julia Helmke greift diese in ihrem Blickwechsel Herzlich,
Deutscher Evangelischer Kirchentag Deutscher Evangelischer Kirchentag –
auf.
Berlin – Wittenberg 2017 Wurzeln und Anfänge
Dokumente Im Auftrag des Deutschen Evangelischen Unser Blick richtet sich in dieser Ausgabe aber auch
Im Auftrag des Deutschen Evangelischen Kirchentages hrsg. von Ellen Ueberschär schon nach Dortmund – die nächste Kirchentagsstadt.
Kirchentages herausgegeben von Wir stellen die neue Losung „Was für ein Vertrauen“ vor, und
304 Seiten / gebunden
Stefanie Rentsch und Heide Stauff Kirchentagspräsident Hans Leyendecker spricht im Interview
€ 19,99 (D) / € 20,60 (A) / CHF* 26,90
unter Mitarbeit von Mario Zeißig * empf. Verkaufspreis
über die Dinge, die ihm Halt geben, und seine besondere
648 Seiten und 32 Bildseiten ISBN 978-3-579-08209-7
Beziehung zum Kirchentag und zu Dortmund. Britta Jagusch Sirkka Jendis
mit CD-ROM / gebunden Auch als E-Book erhältlich
Was die neue Kirchentagsstadt so alles mit sich bringt, Redaktionsleiterin Chefredakteurin
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Subskriptionspreis bis 30.04.2018: haben wir Ihnen außerdem bunt illustriert zusammengestellt.
€ 89,00 (D) / € 91,50 (A) / CHF* 119,00 Gegründet wurde der Kirchentag im Jahr
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ISBN 978-3-579-08212-7 1949. Wer aber hatte die Idee zu einem
Erscheint Mai 2018 Kirchentag? Welche Herausforderungen
standen am Anfang? Die Wurzeln liegen
im Widerstand gegen den National-
Der Dokumentarband versammelt sozialismus, im Widerspruch gegen
die wichtigsten Bibelarbeiten, Vorträge, die deutsche Teilung, in der kirchlichen
Podiumsdiskussionen, Foren und Erneuerung durch die internationale
liturgischen Veranstaltungen des Ökumene. Persönlichkeiten aus Kirche
Kirchentages in Stuttgart. Damit und Gesellschaft, vor allem Reinold von
ist er eine unerlässliche Hilfe zur Thadden, brachten die Idee Kirchentag
Nachbereitung dieses kirchlichen voran. Wer die Gründerpersönlichkeiten
Großereignisses, das sich als waren und was sie bewirkten, zeigt dieser
Forum für kritische Debatten zu Band auf. Mit bisher unbekannten Quellen
den brennenden Themen unserer werden die Anfänge des Deutschen
Zeit versteht. Evangelischen Kirchentages freigelegt.
www.gtvh.de
Inhalt
6 „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ 15 Meldungen
Im Porträt: Petra-Bosse Huber Bettina Limperg ist evangelische Präsidentin
Hannes Leitlein des Ökumenischen Kirchentages
Einladung zum Kirchentagssonntag
Geschäftsstelle in Dortmund angekommen
9 Nach der Reformation ist vor
der Reformation
Rückblick auf das Reformationsjubiläumsjahr 16 Überraschend anders
Christina Aus der Au Die bunte Seite von Dortmund
Christa A. Thiel
Neue Mitglieder bereichern
18
das Präsidium des Kirchentages
Mit Engagement und guten Wünschen
DEKT/Jan-Peter Boening
in das neue Jahr
22 Das Grundgesetz nicht nur übersetzen,
sondern auch leben
Fünf Fragen an Dawood Nazirizadeh, Experte
für Integrationspolitik
10 Was für ein Vertrauen Stephan von Kolson
Die Losung für den Kirchentag in Dortmund
setzt Akzente
Oliver Volmerich 24 Neu in Deutschland
Texte und Gedichte über Flucht, Liebe und das Leben
Nahed Al Essa, Lamia Hassow, Omar Al Nabulsi,
11 Vertrauen als Kraft, die aktiviert Issam Al Naim, Khaled Al Rifai
Eine theologische Einordnung
Julia Helmke
12 Mit Gottvertrauen die Welt verändern
Interview mit Kirchentagspräsident Hans Leyendecker
Britta Jagusch
Foto: nid-zeitung.de
26 Blickwechsel
Verwandeln, verbessern, gestalten –
Holger Schäfers
Kirchentag ist Bewegung
Julia Helmke
„Neu in Deutschland“ ist eine besondere Zeitung, in ihr berichten geflüchtete Frauen und Männer über Flucht, Liebe und das Leben.
Dorte Huneke-Nollmann (r.) hat das Projekt initiiert. Lamia Hassow ist eine der Autorinnen, deren Texte wir auf den Seiten 24–25 vorstellen.
Impressum Herausgegeben im Auftrag des Vereins zur Förderung des Deutschen Evangelischen Kirchentages e.V.
Foto: Ximena Léon
Chefredaktion (verantwortlich): Sirkka Jendis. Projektleitung und Redaktion: Britta Jagusch. Art Direktion: Holger Schäfers, Kölledesign.
Titel: Silvia Kriens. Redaktionsbeirat: Dr. Christina Aus der Au, Dr. Julia Helmke, Dr. Stefanie Schardien, Dr. Beatrice von Weizsäcker.
Druck: Hoehl, Bad Hersfeld. Klimaneutral gedruckt. Weitere Infos unter: http://cpol.climatepartner.com/11077-1310-1001 Erscheinungsweise: vierteljährlich.
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Redaktionsanschrift: Deutscher Evangelischer Kirchentag, Magdeburger Str. 59, 36037 Fulda, Tel. 0661 96950-0, Fax 0661 96950-90,
E-Mail fulda@kirchentag.de. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. ISSN 1869-0181 Nr. 4/17
ich noch bekommen habe“, sagt sie heute. Dem neuen Präses,
„Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ Manfred Rekowski, aber wollte sie als Alteingesessene
nicht ins Gehege kommen. „Ich hatte die Freiheit – ich
Als Auslandsbischöfin besucht Petra Bosse-Huber die Bewohner einsamer Inseln, die vom konnte gehen“, sagt sie. Die Niederlage hat sie dennoch
mitgenommen nach Hannover, wo damals der Auslandsbi-
Klimawandel bedroht sind, und deutsche Gemeinden in aller Welt. Sie geht im Auswärtigen
schofstuhl frei wurde, das ist ihr heute noch anzumerken.
Amt ein und aus, reist ins Heilige Land und zum Papst. Ihr Zuhause ist ein kleines Dorf bei „Mein Gefühl war immer, dass die Ämter zu mir gekom-
Hannover. Hannes Leitlein men sind“, sagt sie. Wenn sie über ihre Ämter spricht, dann
klingt sie eher so, als hätte sie „gemusst“. Zwar wurde Petra
Bosse-Huber nicht gezwungen, sie mag ihre Arbeit. Und den-
noch scheint da ein gewisser äußerer Drang zu sein, der sie
abhält zu tun, was sie in ihrem Leben bisher am liebsten getan
hat: Pfarrerin sein. Warum ist sie es nicht einfach geblieben?
Vom Rheinland nach Hannover Beruf und Berufung
Zuhause, das war fast ihr ganzes Sie habe sich selbst gefragt: „Willst du wirklich Nein
Leben lang das Rheinland: Kindheit sagen, wenn du als erste Frau Präses werden kannst?“ Das
in Velbert, Germanistik und Theolo- Pflichtgefühl und der Wunsch nach mehr Gerechtigkeit
giestudium im nicht allzu fernen Göt- führten Petra Bosse-Huber in die leitenden Ämter ihrer
tingen, Vikariat in Düsseldorf, Pfarr- Kirche. Ein Amt, das auf sie zukommen könnte, schließt
amt in Wuppertal und dann wieder: sie dennoch aus: Ratsvorsitzende will sie nicht werden.
Düsseldorf. Nach dem Examen wäre So weit reicht das Pflichtgefühl dann doch nicht. Aber ob
sie gerne in die USA gegangen. Doch sie sich gegen eine Anfrage wehren könnte? bischöfin auch in der Bibel. Sie ist fromm, Spuren des
da kam ihre erste von drei inzwi- Als sie vor einigen Jahren gefragt wurde, ob sie nicht bergischen Pietismus finden sich in ihrer Biografie und
schen erwachsenen Töchtern dazwi- im Präsidium des Kirchentages mitarbeiten wolle, fühlte auch in ihrem Glaubensleben. Im Christlichen Verein
schen. Petra Bosse-Huber blieb. sie sich geehrt. Der Kirchentag, das ist für Petra Bosse- Junger Menschen (CVJM) ist sie groß geworden. Die Aus-
Zuhause, das ist mittlerweile ein Huber so etwas wie der „protestantische Ernstfall“. Je einandersetzung mit ihrem atheistischen Vater, sagt sie,
Dorf bei Hannover, ein Haus mit mehr sie erlebe, wie hierarchisch und patriarchal Kirchen sei ebenso wichtig für ihr Glaubensleben gewesen wie
Garten und Gartentor, in dem sie mit oft funktionieren, desto mehr wisse sie das zutiefst evan- ihr frommer Großvater und ihre Mutter. Mindestens: Weil
ihrem Mann, dem Physiker Wolfgang gelische Basisverständnis und Selbstbewusstsein dieser ihr Vater sonntags allein zum Fußballplatz gehen wollte,
Huber, wohnt. Ein Ort, der sie bei all Laienbewegung zu schätzen. lieferte er die Kinder in der Kirche ab.
den schweren Schicksalen, die ihr auf Auch ist der Kirchentag für die Auslandsbischöfin ein Als „Missionarin“ würde sich die Auslandsbischöfin,
ihren Reisen begegnen, dankbar wichtiges Netzwerk. Selbstverständlich wird im Präsidi- die auch die interreligiösen Beziehungen für die EKD
macht. „Privilegiert“ ist ein Wort, das um vor allem über den Kirchentag gesprochen – und pflegt, nicht bezeichnen wollen, „missionarisch“ sei sie
Petra Bosse-Huber oft gebraucht. Will doch ist es auch ein Ort, an dem Petra Bosse-Huber im aber doch. „Ich lebe mit der Bibel. Ich lebe mit dem
sie überhaupt noch weg? Gespräch sein kann mit den Verantwortungsträgern der Gebet. Ich lebe aus der Gemeinschaft“, sagt sie. In diesem
„Unbedingt!“, platzt es aus ihr her- Gesellschaft. Hier hat sie Thomas de Maizière kennenge- Sinne sei sie fromm – wenngleich sich ihr Horizont durch
aus. Die Lust, noch mehr zu sehen, lernt, den bisherigen Innenminister, und auch den Bun- das Studium sehr geweitet hat.
werde mit jeder Reise nur noch despräsidenten, Frank-Walter Steinmeier.
größer. „Würden mich nicht unsere Und das ist es vielleicht, was Petra Bosse-Huber so Von Gnade und Kraft
Alle Fotos: Hannes Leitlein
ökumenischen Partner an die Hand sympathisch macht: Sie würde mit diesen mächtigen „Lass dir an meiner Gnade genügen“ – diesen Teil des
nehmen und mit mir ihre Sicht der Kontakten nicht prahlen, es ist ihr auch kaum zuzutrauen, Verses jedoch dürfe man nicht unterschlagen, insistiert
Wirklichkeit teilen, wüsste ich so viel dass sie sie zu ihren Petra Bosse-Huber. Die Gnade, meint sie, sei entschei-
weniger von dieser Welt!“, sagt sie. Zum Autor: Hannes Leitlein ist Autor und Gunsten nutzt. dend. Die Kraft, zugänglich und verletzlich zu bleiben,
Noch so ein Privileg. Redakteur bei DIE ZEIT Christ & Welt. Immer hat sie die scheitern zu dürfen und nicht abzuhärten, zu verbittern
brutale Wirklichkeit in einer bitteren Welt.
Das Haus einer Auslandsbischöfin, könnte man meinen, Keine Frau an die Spitze vor Augen, mit der so viele Menschen zurechtkommen Ob sie das Rheinland vermisst? Ihre Antwort kommt
muss voll sein von Mitbringseln: hölzerne Masken, bunte Viele Jahre war Petra Bosse-Huber Teil der Kirchenleitung müssen. Für Eitelkeiten ist da wenig Platz. Die Beschei- prompt: „Die Menschen dort.“ Zuhause, das ist für Petra
Kleider, exotischer Schmuck. Was man aus Indien, Tansa- im Rheinland, erst Oberkirchenrätin, dann Vizepräses. denheit gepaart mit rheinischer Frohnatur ist Bosse- Bosse-Huber heute die ganze Welt – und ganz besonders
nia oder Brasilien eben so mitbringt. Doch kaum etwas Zweimal hat sie sich auf das höchste Amt ihrer Kirche bewor- Hubers Trumpf. ein kleiner Ort in der Wedemark bei Hannover. Und das
davon findet sich in Petra Bosse-Hubers Haus. „Wir pfle- ben – und zweimal ist sie an der Präseswahl gescheitert. Rheinland natürlich, das Rheinland ganz besonders.
gen einen ziemlich klaren Stil“, sagt die 58-Jährige. Ihr 2013 flog in ihrer Kirche ein Finanzskandal auf. Petra Bosse- Fromm und pietistisch
Haus sei kein Museum. Und auch ihr Büro lässt nur Huber verwaltete nach innen die Krise – galt nach außen „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“, das ist ihr
vereinzelt durchblicken: Diese Frau ist weit gereist – und aber als eine von denen, die den Skandal zu verantworten Vers, der Satz von Paulus ist zu Petra Bosse-Hubers
schon oft zurückgekehrt. hatten. „Ich war damals eher überrascht, wie viele Stimmen Lebensmotto geworden. Denn zu Hause ist die Auslands-
6 Nr. 4/17 Porträt Porträt Nr. 4/17 7
Nach der Reformation ist vor der Reformation
Christina Aus der Au verabschiedet sich als Präsidentin des 36. Deutschen Evangelischen
Kirchentages und der Kirchentage auf dem Weg.
Das Reformationsjubiläumsjahr liegt hinter uns. Lange Dies ist Kirchentag pur – nicht nur im Reformationsjahr.
diskutiert, geplant, bezweifelt, erarbeitet, berechnet, Dass diese Auseinandersetzung in diesem Jahr weite
gefürchtet und erhofft – ein eigentlich unmögliches Kon- Kreise gezogen hat, dass kontrovers, mit den unterschied-
strukt von Reformationsfeier, Weltausstellung, Konfi- und lichsten Medien und Mitteln darum gestritten wurde, das
Jugendcamp und Europäischem Stationenweg. Und mit- ist Reformation pur – nicht nur im Reformationsjahr. Es
tendrin der Kirchentag in Berlin, die Kirchentage in den geht weiter – wenn wir dran bleiben!
Städten auf dem Weg und das Festwochenende in So rufe ich ein weiteres Reformationsjahr aus! Keine
Wittenberg. Angst, ich will um Himmels willen nicht nochmals so viele
Erst mal aufatmen. Vorbei, alles gut gegangen, vieles Veranstaltungen, so viele Mega-Events wie 2017! Aber
sogar sehr gut, einiges nicht ganz so. Und natürlich sind ich möchte, dass wir, Christinnen und Christen aller
jetzt auch die Kritikerinnen unterwegs und die Buchhal- Couleur, weiterhin um Sprache ringen, um dasjenige
ter. Nicht nur zu Unrecht, es wurde auch sehr groß ange- zum Ausdruck zu bringen, das uns bewegt und trägt,
richtet und viel gewerbetrommelt. Nicht alles ist aufge- auch und gerne öffentlich. Ich möchte, dass wir weiterhin
gangen, und es sind an einigen Orten auch Verletzungen immer wieder das Gespräch suchen mit Ähnlich- und
und Enttäuschungen zurückgeblieben. Das tut mir sehr Andersdenkenden, uns streiten und finden und uns
leid. Gerade vor diesem Hintergrund wollen wir fragen: gemeinsam einsetzen für eine friedvollere Welt.
Was bleibt davon? Nach der Reformation ist vor der Reformation. In die-
Am eindrücklichsten bleibt für mich der unglaubliche, sem Sinne wünsche ich uns allen ein fröhliches, fantasie-
fröhliche, vielfältige, fantasievolle und großartige Einsatz volles, vielfältiges und gesegnetes Reformationsjahr 2018!
von so vielen Menschen! Überall, in Berlin, Wittenberg,
in Halle, Leipzig, Jena und Weimar, Dessau und Rosslau,
Magdeburg und Erfurt natürlich, aber auch in Genf und
in Sibiu, in Rom und Viborg und in ganz Europa dazwi-
schen. Auch wenn die Medien viel über die Mega-Veran-
staltungen mit den Promis berichteten – das Reformato-
rische in all diesen Tausenden von Veranstaltungen
waren nicht die Superstars und auch nicht Martin
Luther. Sondern dort, wo „alle“ Gläubigen, alle Getauften,
Protestanten wie Katholikinnen, Vertreter von Freikirchen
und den orthodoxen Kirchen und darüber hinaus auch
viele Zweifelnde, Ungetaufte, Ungläubige – was auch
immer das heißt, sich eingelassen haben auf dieses Refor-
mationsjahr mit seinen Themen und seiner Geschichte,
seinen Vertretern und Vertreterinnen und seinen Liedern.
Das gilt besonders auch für die Kirchentage auf dem
Weg, die mit fantasievollen Formaten Menschen erreicht
haben, die um offizielle Veranstaltungen einen großen
Bogen gemacht hätten. Dass sich dies nicht überall in
den Zahlen niedergeschlagen hat, nimmt dem Enga-
gement nichts von seinem Wert.
Die Reformation war eine vielfältige Bewe-
gung, welche nicht nur das Evangelium, sondern
auch Kirche unter die Leute gebracht hat. Das
bedingungslose Ja Gottes zu allen Menschen –
mitsamt den politischen, ethischen, gesell-
DEKT/Jens Schulze
schaftlichen und kirchlichen Konsequenzen.
Und die tiefe Überzeugung, dass der Glaube
als menschliche Antwort darauf alle Berei-
che des Lebens umfasst und prägt.
r2017/Carsten Stolze
8 Nr. 4/17 Rückblick Nr. 4/17 9
Was für ein Vertrauen
»
Ansprechend und aktuell …
„Die Losung spricht unmittelbar alle an, sie lässt nieman- Ohne Vertrauen in die eigenen
den unberührt. ‚Vertrauen‘, dazu kann jede und jeder
etwas erzählen. Die Losung hat ein hohes aktuelles
Fähigkeiten und Stärken und
Potenzial und passt wunderbar zu Dortmund“, freute sich ohne Vertrauen in die
Annette Kurschus, Präses der Westfälischen Landes- Intelligenz der persönlichen
kirche. Dortmund sei eine Stadt kultureller, sozialer und
gesellschaftlichen Gemein-
politischer Gegensätze, und auch in der Landeskirche
gebe es Umbrüche und Spannungen. „Das Vertrauen in schaft traut man sich nicht in
manches, was immer selbstverständlich schien, ist dahin. die Zukunft und an die Lösung
Alle Fotos: Silvia Kriens
Im gemeinsamen Suchen und Fragen, wo und wie Ver-
von Problemen. Also:
trauen heute konkret und fruchtbar wird, wird Vertrauen
wachsen und stark werden.“ Ohne Vertrauen keine Zukunft!
…
Leitthema der biblischen Texte
«
Vorfreude auf den Kirchentag: Generalsekretärin Julia Helmke, Kirchentagspräsident Hans Leyendecker und Annette Kurschus, Präses der Westfälischen Landeskirche. Das Thema Vertrauen zieht sich auch durch die beglei-
tendenden biblischen Texte für Gottesdienste und Bibel- Ullrich Sierau, Oberbürgermeister der Stadt Dortmund
arbeiten, die mit der Losung ebenfalls vom Präsidium des
Die Losung für den 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag, der vom 19. bis 23. Juni 2019 in
Kirchentages festgelegt wurden. Während der Eröffnungs-
Dortmund stattfindet, setzt einen starken Akzent gegen Vertrauenskrisen und Untergangsstimmung. gottesdienst am 19. Juni 2019 Bezug nimmt auf das Bibel-
Oliver Volmerich wort aus dem 2. Buch der Könige, 18-19, „Was ist das für
ein Vertrauen, das du da hast?“, steht der Schlussgottes-
„Vertrauen in die Politik verloren“, „Konsum steigt, 2. Buch der Könige. „Junge Leute haben oft kein Vertrauen dienst am 23. Juni unter dem Motto „Werft euer Vertrauen Zum Autor: Oliver Volmerich ist Diplom-Journalist und
Vertrauen sinkt“, „Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist in ihre Zukunft mehr, die Alten misstrauen den Eliten“, nicht weg“ (Hebr. 10, 35-36). Redakteur der Dortmunder Tageszeitung „Ruhr Nachrichten“.
erschüttert“. So lauteten Zeitungsschlagzeilen in den letz- erklärt Hans Leyendecker, Präsident des 37. Deutschen
ten Monaten. Immer wieder ist von Vertrauensverlust Evangelischen Kirchentages. „Gemeinsam müssen wir die
und Vertrauenskrise die Rede. Auch die Kirche ist davon Vertrauenskrise überwinden.“ Vertrauen sei „ein Gegen-
nicht ausgenommen. Der Kirchentag setzt dagegen: „Was gift für die Untergangsstimmung in der Welt“. Und die
für ein Vertrauen“ lautet die Losung für den 37. Deut- Losung sei bestens geeignet, „darüber zu reden, in wel-
schen Evangelischen Kirchentag in Dortmund. Mitte cher Welt wir leben wollen und in welcher Welt nicht“,
Oktober wurde sie im Haus der Evangelischen Kirche zeigt sich Leyendecker überzeugt. Vertrauen als Kraft, die aktiviert geknickten Rohrstab, der jedem die Hand durchbohrt, der
in Dortmund der Öffentlichkeit vorgestellt. Julia Helmke sich auf ihn stützt (2. Kön 18,21). Oder glaubt Hiskia, dass
Zeitansage und biblische Wahrheit der Glaube rettet? Der assyrische König behauptet, er sei
» Von einer „Zeitansage“, verbunden mit „der tiefen Wahr- Die Geschichte, aus der die Losung für Dortmund 2019 vom Gott Israels gesandt, um Juda zu zerstören.
… heit biblischer Texte“, sprach Julia Helmke, Generalsekre- stammt, ist eine Kriegsgeschichte aus dem 8. Jahrhundert Ja, Hiskia vertraut auf seinen Gott – trotz des über-
Mit Blick auf die aktuellen tärin des Kirchentages, bei der Vorstellung der Losung in vor Christus. Wie ist das Setting, das zu dieser Frage nach mächtigen Feindes. Er zieht das Bußgewand an, geht in den
Dortmund. „Als Kirchentag ist es uns wichtig zu zeigen, dem Vertrauen führt? Es geht um unerbittlichen Kampf und Tempel und bittet seinen Gott um die Rettung der Stadt.
gesellschaftlichen und wie Vertrauen hilft zu leben – Vertrauen als Kraft, die eine überraschend friedliche Lösung. Es geht um Machtver- Und der Prophet Jesaja überbringt dem König eine gute
politischen Debatten ist man aktiviert und beiträgt, menschliche Enge und Vorurteile hältnisse, um Zweifel, Staunen, Glaube, Zuversicht, kluges Botschaft: Sanheribs mächtiges Heer zieht ab.
auf der Höhe der Zeit. zu überwinden“, so Helmke. „‚Was für ein Vertrauen‘, ist menschliches und göttliches Handeln. Das übermächtige Die Erzählung vom gottesfürchtigen König Hiskia und
eine Losung, die Zuversicht und Ermutigung gibt, ohne assyrische Heer hat wichtige Landstädte Judas eingenom- der wundersamen Verschonung Jerusalems ist so wichtig
Schlagender könnte eine Fragen und Zweifel auszusparen. Staunend. Fröhlich. men und steht nun vor den Toren Jerusalems. An einer für für das kulturelle Gedächtnis Israels, dass sie im Alten Tes-
Losung kaum sein Widerständig.“ die Wasserversorgung der Stadt strategisch wichtigen Stelle tament gleich dreimal mit wenigen Varianten erzählt wird.
… treffen Delegationen beider Kriegsparteien aufeinander. Der Die weiteren biblischen Texte des Kirchentages für Gottes-
» assyrische Feldherr verkündet die Worte seines Großkönigs dienste und Bibelarbeiten loten die Komplexität von Ver-
« … Sanherib, die einer Verspottung des hoffnungslos unterlege- trauen aus und die Abgründe, die jenseits des Vertrauens
Ulf Schlüter, Superintendent des Evangelischen Die Losung ist nah nen judäischen Königs Hiskia gleichkommen: „Was ist das auf Gottes Beistand lauern. Es geht um die Frage, wie weit
Kirchenkreises Dortmund, Lünen und Selm für ein Vertrauen, das du da hast? Meinst du, bloße Worte Vertrauen in existenziellen und gesellschaftlichen Krisen
bei den Menschen. seien schon Rat und Macht zum Kämpfen? Auf wen verlässt trägt und was geschieht, wenn Vertrauen auf die Probe
Zukunft positiv gestalten … du dich denn, dass du von mir abtrünnig geworden bist?“ gestellt wird und wieder neu zu lernen ist. Psalm 23 wird
Vor allem Gespräche mit Vertretern des Jugendausschus- (2. Könige 18,19-20, Luther 2017). unser Kirchentagspsalm.
«
ses des Kirchentages hatten den Anstoß für die Losung Hat der König nicht schon fast alles verloren? Vertraut
geliefert, die vom Präsidium des Kirchentages beschlos- Marit Günther, Beauftragte der Westfälischen er auf die Hilfe von schwierigen Koalitionspartnern, wie hier Zur Autorin: Julia Helmke ist Generalsekretärin des
sen wurde und Bezug nimmt auf einen Bibeltext aus dem Landeskirche für den Kirchentag 2019 den Ägyptern? Der assyrische König verspottet Ägypten als Deutschen Evangelischen Kirchentages.
10 Nr. 4/17 Losung Losung Nr. 4/17 11
Zur Person:
auch ein Ort, an dem ich auftanken kann, für das, was Hans Leyendecker, 1949 in Brühl geboren, gilt als
nach dem Kirchentag kommt. Meine Frau und ich haben einer der profiliertesten investigativen Journalisten
seit 1975 alle Kirchentage besucht und sind immer Deutschlands. Er deckte seit 1982 zahlreiche politi-
gemeinsam mit dem Rucksack unterwegs gewesen. sche Affären im In- und Ausland auf und wurde mit
vielen Auszeichnungen geehrt. Als Redakteur und
Vom Rucksackbesucher zum Kirchentagspräsidenten – wie Reporter arbeitete er in den Anfangsjahren bei der
bereiten Sie sich auf diese neue Rolle vor? „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund bevor er
Als Erstes freue ich mich sehr, dass ich Kirchentags- 1979 zum Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ wech-
präsident sein darf. Es ist eine Ehre für mich, in der Tradi- selte. Seit 1997 arbeitet er für die „Süddeutsche Zei-
tion eines Richard von Weizsäcker, Erhard Eppler oder tung“. Zunächst als Leitender Politischer Redakteur,
Reinhard Höppner zu stehen. Vor vielen anderen wie bei- dann bis Sommer 2016 als Leiter des Investigativ-
spielsweise Andreas Barner oder Christina Aus der Au ressorts. Er ist bis heute in seinem alten Ressort noch
habe ich großen Respekt. Schon in den ersten Wochen als Mitarbeiter freiberuflich tätig.
habe ich so viele tolle Menschen kennengelernt, das ist
ein richtiger Gewinn. Ich habe zwar am Anfang nicht
geahnt, wie viel Arbeit das ist, und es wird ja noch mehr
werden, aber ich und auch meine Frau sind mit Begeiste-
rung dabei. Und alle anderen Aktivitäten, auch bei der
Süddeutschen Zeitung, habe ich erst einmal runter
gefahren. Ich möchte mich stark auf den Kirchentag kon-
zentrieren. Ich lese zurzeit die Dokumentarbände, und es Und wie passt die Losung zur Kirchentagsstadt?
ist sehr spannend zu sehen, wer in der Vergangenheit Sie passt – ganz genau. Denn die Menschen im Revier
dabei war, auch auf die Frage hin, was können wir 2019 tun etwas, sie begegnen den Krisen mit Zuversicht und
tun und wie kann ich mich einbringen. Und Dortmund ist trauen sich etwas zu. Wenn ich mir anschaue, was in
Foto: Holger Schäfers
eine Stadt, die mir sehr am Herzen liegt, nicht nur weil dieser Stadt passiert und was die Menschen hier aus ihrer
ich ein leidenschaftlicher Fan von Borussia Dortmund bin Situation gemacht haben, dann ist das wirklich eine
und nach Möglichkeit kein Heimspiel versäume. große Lebensleistung. Und das geht nur mit Vertrauen –
auch in sich selbst.
Dortmund und Kirchentag, was ist das Besondere an dieser
Verbindung? Worauf bauen Sie, was gibt Ihnen Kraft?
Mit Gottvertrauen die Welt verändern Dortmund und das Umland ist eine Region, die gemein-
sam anpacken kann, wo Leute füreinander einstehen. Es sind
Es gibt zwei Pfeiler in meinem Leben, der eine ist
der Glaube und der andere ist die Familie. Ich bin seit
Menschen, die Strukturkrisen erlebt haben, die existenziell 45 Jahren mit meiner Frau verheiratet und habe fünf Kin-
Als investigativer Journalist deckte Hans Leyendecker zahlreiche politische Affären im In- und
waren: die Kohle, der Stahl und die große Dortmunder der und acht Enkelkinder. Das sind die zwei wichtigsten
Ausland auf. Halt findet der neue Kirchentagspräsident für Dortmund im Vertrauen auf Gott Union-Brauerei – das, was früher sicher war, war auf einmal Fundamente, die mir Halt und Kraft geben. Kraft ziehe ich
und in seiner Familie. Mutig eintreten für das, was wirklich wichtig ist, lautet seine Devise. nicht mehr da. Und es sind viele Fremde gekommen nach aber auch aus der Motivation, dass man die Verhältnisse
Dortmund. Heute leben dort Menschen aus 150 Nationen, ändern und verbessern kann. Mit den richtigen Bündnis-
Der Kirchentag – Das Magazin: Mitte Oktober wurde dass wir etwas tun können, um die Welt besser zu zum Teil unter schwierigen Verhältnissen, aber nicht mutlos. partnern kann man viel erreichen.
die Losung für den Kirchentag in Dortmund beschlossen: machen, zumindest müssen wir es versuchen, und da sehe Sie krempeln die Ärmel hoch und packen zu. Dortmund ist
„Was für ein Vertrauen“. Wie schaffen Sie es bei Ihrem Beruf, ich auch die Aufgabe von Kirche und Kirchentag. Dass man ein idealer Kirchentagsort, weil die Themen, die wir haben: Verändern und verbessern – welche Themen beschäftigen Sie
das Vertrauen in die Welt nicht zu verlieren? sich zusammensetzt und nicht nur über alles schimpft, Migration, Integration, aber auch ein Verlust an sozialer da besonders?
Hans Leyendecker: Zum einen habe ich ein sehr star- sondern gemeinsam nach Wegen und Lösungen sucht. Gerechtigkeit, vor Ort spürbar waren oder sind. Ich glaube, dass wir uns oft mit Nebenschauplätzen
kes Gottvertrauen, was mir Halt gibt, zum anderen bin ich beschäftigen. Ein Beispiel: Ende Oktober wurde eine
ein Mensch, der anderen Menschen erst mal vertraut – Sie sind schon lange mit dem Kirchentag verbunden, was ist » internationale Studie veröffentlicht, dass 2015 allein neun
trotz aller Skandale, Affären, Betrügereien und Korruptio- Ihnen wichtig an diesem Großereignis? … Millionen Menschen an den Folgen der Umweltver-
nen, mit denen ich beruflich konfrontiert war und teilweise Kirchentag ist für mich eine Art Selbstvergewisse- schmutzung starben. Aber in Debatten beschäftigen wir
noch bin. Vertrauen ist etwas, was mich immer begleitet rung: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Was können
Wenn wir einen offenen und uns in Deutschland mit den Zahlen des Familiennach-
hat. Die Losung ist für mich daher ein wirkliches wir tun? Fragen, die auf dem Kirchentag offen und ernst- ehrlichen Kirchentag wollen, zugs, als wäre das unser größtes Problem. Wenn man sich
Geschenk. Aber auch in unserer Gesellschaft spielt die haft diskutiert und thematisiert werden. Dann natürlich an dem über das, was wirklich vor Augen führt, dass mehr Menschen an dreckiger Luft
Frage, wem kann ich noch trauen und vertrauen, eine große auch das große Gemeinschaftsgefühl und dass man Leute und unsauberem Wasser sterben als an Aids, Tuberkulose
Rolle. Vertrauenskrisen und die Frage nach Lüge oder trifft, die man schon lange kennt, aber auch das offene
wichtig ist, gesprochen wird, und Malaria zusammen, dann müssen wir endlich aufwa-
Wahrheit, nach Aufklärung oder Vernebelung, das treibt Singen, die Bibelarbeiten, der Abendsegen, also alle dann ist Dortmund und die chen und uns auf das Wesentliche konzentrieren. Und
die Medien und die Menschen um. Trotz vieler ungelöster Kirchentagsklassiker. Wichtig ist, dass man sich um die Region der ideale Platz. dazu gehören die Fragen: Was hinterlassen wir unseren
Probleme und Ungewissheiten war ich nie auf der Seite wirklich entscheidenden Themen kümmert, um die Kindern und Enkeln? Was fügen wir Menschen in ande-
…
derer, die die Apokalypse prophezeien oder proklamieren, Bewahrung der Schöpfung, um die Frage, wie wir mehr ren Ländern zu? Unter welchen Bedingungen lassen
dass alles immer schlechter wird. Ich glaube eher daran, Gerechtigkeit erreichen können. Und dann ist Kirchentag « unsere Firmen in anderen Ländern produzieren?
12 Nr. 4/17 Interview Interview Nr. 4/17 13
Wie kann es sein, dass wir durch Überfischung Fischern
vor Ort die Lebensgrundlage entziehen? Und wo ist
Was würden Sie gern ändern?
Ich würde mir wünschen, dass wir ruhiger rangehen
Bettina Limperg: evangelische
unser Verantwortungsgefühl, wenn wir Secondhand-Kla- an die Konflikte und den Blick für die Dimensionen Präsidentin für den ÖKT 2021
motten nach Afrika liefern, die so den einheimischen Tex- zurückgewinnen – das gilt nicht nur für Medien, sondern
tilmarkt kaputt- für die gesamte Gesellschaft. Ein hysterischer oder pani- Bettina Limperg, Präsidentin des Bundesgerichtshofs, ist
Interviewerin: Britta Jagusch ist Redaktions- machen? Das darf scher Umgang mit Themen – wie das der Migration zum die neue evangelische Präsidentin des 3. Ökumenischen
leiterin des Magazins „Der Kirchentag“ und uns nicht egal sein! Beispiel – ist schädlich und auch absurd. Da wünsche ich Kirchentages, der vom 12. bis 16. Mai 2021 in Frankfurt
arbeitet als Journalistin in Frankfurt am Main. Da sehe ich auch mir mehr Gelassenheit von allen Seiten. Auch Politiker am Main stattfindet.
die Aufgabe von sollten sich nicht treiben lassen und erst mal Fakten sam-
Christinnen und Christen, schreiendes Unrecht in der meln oder eine Entwicklung abwarten, bevor getwittert Auf der Präsidialversammlung Mitte Oktober wurde Bettina
Welt anzuprangern und aus der Empörung über Unge- wird. Die Gesellschaft braucht ein Stückchen mehr Ruhe, Limperg zur Präsidentin des Ökumenischen Kirchentages 2021
DEKT/Robert Gross
rechtigkeiten dann mutig tätig zu werden. nicht mit dem Smartphone bei jeder Party dabei sein, gewählt. Die 58-Jährige wird damit Teil des vierköpfigen Präsidi-
nicht ständig am Rechner durchs virtuelle Dorf flanieren. umsvorstandes, dem Kirchentagspräsident Hans Leyendecker,
Als investigativer Journalist haben Sie unrechtes Verhalten Wir haben viel Unwichtiges, mit dem wir uns ständig und Christina Aus der Au, Präsidentin des Kirchentages in Berlin und
aufgedeckt, wo stehen die Medien aus Ihrer Sicht heute? mit einer großen Faszination beschäftigen. Da wünsche Wittenberg, und Andreas Barner, Präsident des Deutschen Evange-
Zum einen haben wir wirklich guten Nachwuchs im ich mir, dass wir mehr innehalten, um zu erkennen, was lischen Kirchentages in Stuttgart, angehören. Bettina Limperg wurde
Journalismus, auch im investigativen Bereich. Zum ande- wirklich wichtig ist. 1960 in Wuppertal geboren und gilt als eine der profiliertesten Juristinnen Deutschlands. Als langjährige Richterin in
ren erlebe ich aber auch, dass man durch die Schnellle- Stuttgart, zuletzt Amtschefin des Justizministeriums Baden-Württembergs und seit 2014 Präsidentin des Bundesgerichts-
bigkeit immer wieder versucht, auf zu viele Themen auf- Und was wünschen Sie sich für den Kirchentag in Dortmund? hofs, engagiert sie sich neben ihrer beruflichen Tätigkeit unter anderem für freiere Formen des Jugendstrafvollzugs. Die
zuspringen. Auch das Internet trägt seinen Teil dazu bei, Ich wünsche mir einen politischen und einen from- Richterin ist evangelisch-freikirchlich erzogen worden und ließ sich im Alter von 33 Jahren evangelisch taufen. Heute ist
men Kirchentag. Für mich gehört Christsein und eine sie Mitglied der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.
politische Überzeugung zu haben zusammen. Verriegelte
Grenzen und Flüchtlinge, die im Meer ertrinken, Armut Ausführlich stellen wir Bettina Limperg und die Mitglieder des gemeinsamen Präsidiums des Ökumenischen Kirchentages
und wachsende Gleichgültigkeit, Lobbyismus und zerstö- in unserer nächsten Magazinausgabe 01/2018 vor.
rerischer Turbokapitalismus, Desinformation und Halb-
wahrheiten, das darf nicht stillschweigend hingenommen
werden. Das gehört auf den Kirchentag.
Einladung zum Kirchentagssonntag
»
… Am 28. Januar sind alle Gemeinden eingeladen, sich auf den Kirchentag in Dortmund einzustimmen.
Ich wünsche mir aber auch,
Im Mittelpunkt des Kirchentagssonntags steht der Psalm 23: „Der gute Hirte“. Eine Übersicht der Gemeinden, die den
dass Dortmund Mut machen Kirchentagssonntag feiern, findet sich auf der Internetseite des Kirchentages. Auch das Materialheft zum Gottesdienst
kann, auf Gott zu vertrauen steht zum Download zur Verfügung. Der Trend ist eindeutig: Von Jahr zu Jahr beteiligen sich mehr Gemeinden am
Kirchentagssonntag – 2017 waren es über 150 Gemeinden in Deutschland und der Schweiz. Seien Sie dabei!
gegen alle Unsicherheiten,
www.kirchentag.de/sonntag
DEKT/Jenna Dallwitz
die diese Welt zurzeit zu
bieten hat.
…
Ist die Vernunft noch zu retten? Hans Leyendecker beim Hauptvortrag in Berlin im « Logistische Meisterleistung
Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
wenn über Ereignisse sofort und ungefiltert und oft falsch Thematisch finde ich die Digitalisierung spannend mit all
berichtet wird. Es gleicht dann eher einer Art Ratten- ihren Facetten. Ich fände es wunderbar, sich mehr mit der Binnen sechs Wochen ist die komplette
rennen, jeder versucht der Erste zu sein, das ist kein guter Ethik von Robotern zu beschäftigen. Wie verändert sich Geschäftsstelle des Kirchentages von
Journalismus. Es geht darum, sich wirklich intensiv mit unsere Welt, wenn Roboter Entscheidungen treffen? Und Berlin nach Dortmund umgezogen.
einem Thema zu befassen und auch mal länger zu recher- neue Formen der Ansprache gerade für junge Leute zu Bürotische, Stühle, Fahrräder, Technik,
chieren, wie wir das jüngst bei den Paradise Papers finden, das fände ich gut. Ich glaube fest daran, dass wir Regale – all das und noch viel mehr wurde
gemacht haben. Das bewahrt auch davor, über jedes einen wunderbaren und lebendigen Kirchentag feiern, auf 15 Sattelzüge gepackt, die jeweils
Stöckchen zu springen, das einem vorgehalten wird, und wünsche mir, dass meine Begeisterung für den bis zu 40 Tonnen Material transportieren
Fotos: DEKT
denn das gibt manchen Themen mehr Raum, als gut ist. Kirchentag auch auf die Menschen überspringt. dürfen. Selbstverständlich: Alle Mitarbeiter
Auch sollte man mutig sein, Fehler einzugestehen, oder haben mit angepackt – und jetzt sind wir
Menschen nicht vorschnell verurteilen. richtig in Dortmund angekommen!
14 Nr. 4/17 Interview Meldungen Nr. 4/17 15
Dortmund – überraschend anders Vorreiter in Sachen künstliche Intelligenz
In Dortmund findet der weltweit größte Versuch zur Anwen-
Kohle, Stahl und Bier – das verbinden viele mit Dortmund. Und natürlich den BVB. Letzterer holte dung künstlicher Intelligenz in der Logistik statt. Im Fraun-
während des Kirchentages in Berlin den DFB-Pokal nach Dortmund. Seit 1909 ist er ein – mal mehr, hofer-Institut für Materialfluss und Logistik untersuchen
Wissenschaftler, wie sich „Schwarmintelligenz“ für die
mal weniger gutes – Aushängeschild der Stadt. Mit Kohle, Stahl und Bier sieht das schon anders aus.
Logistik nutzen lässt, um Versorgungsketten energie-
Denn da war ja der Strukturwandel im Ruhrgebiet. Und der war nicht Abbruch, sondern Aufbruch! sparender zu gestalten und flexibler auf unvorher-
Christa A. Thiel gesehene Ereignisse reagieren zu können.
Als erste Messe weltweit hat FAIR FRIENDS eine beson-
dere Zertifizierung als „Competence partner of RCE-Ruhr“
erhalten. Das Messekonzept von FAIR FRIENDS in den
Vom Förderturm zum Event Dortmunder Westfalenhallen legt ein besonderes Augen-
Die Zeche Zollern I gilt als eins der schönsten und außergewöhnlichsten Zeugnisse der merk auf nachhaltige Entwicklung.
industriellen Vergangenheit in Deutschland. Hier begann die deutsche Industriedenk-
malpflege. Die Dauerausstellung erzählt die Geschichte des Bergwerks. In den Räumen
der ehemaligen Zeche finden heute Tagungen und kulturelle Veranstaltungen statt. Eine der grünsten Städte Europas
Mit fast 50 Prozent Freifläche gehört Dortmund zu den grünsten
Großstädten Europas. Beliebt sind neben dem Westfalenpark und
dem Zoo Parkanlagen wie der Botanische Garten Rombergpark mit
seinem alten Baumbestand.
Die Dortmunder Nordstadt ist stolz auf den größten zusammen-
Vom Bier zum Kulturzentrum hängenden Altbaubestand im Ruhrgebiet. Hier leben 52.000 Menschen.
Bier wird in Dortmund immer noch getrunken. Das hat Tradition: Schon Ihren besonderen Charme erhält die Nordstadt durch ihre soziale
im 13. Jahrhundert war Bier ein wichtiges Handelsprodukt Dortmunds. Vielfalt, die auch ein junges Szenepublikum anzieht.
Heute gibt es in der Bierstadt Dortmund noch die Dortmunder Actien-
Brauerei. Aus der Union-Brauerei ist ein innovatives Kulturzentrum gewor-
den: das Dortmunder U. Gleich beim Hauptbahnhof, nicht zu übersehen
mit bewegten Bildern von Adolf Winkelmann in der Dachkrone.
Jugendarbeit im größten Indianerzelt der Welt
Mit dem BIG TIPI besitzt Dortmund das größte
Aus Stahl wird Naherholung Indianerzelt der Welt. Es ist Mittelpunkt der
In Dortmund-Hörde wurde 160 Jahre lang Stahl gegossen. Diese Erlebniswelt Fredenbaum. Das Zelt mit einer
Industriegeschichte endete 2001. Der Phoenix-See entstand auf Grundfläche von über 360 Quadratmetern gilt
dem Gelände. Mit 24 Hektar ist er größer als die Hamburger als Symbol für innovative Kinder- und Jugend-
Binnenalster. Eine Runde um das Flachgewässer ergibt eine arbeit in Dortmund.
Strecke von 3,2 Kilometern. Die Stadt- und Landesbibliothek ist
So viel zu Kohle, Stahl und Bier. Außer beim Fußball ist der deutschlandweit führend als Anbieter von
Dortmunder an und für sich eher bescheiden, obwohl sein Dort- Schulungen zur (Online-)Literatur-Recherche.
mund einige Superlative zu bieten hat. Jährlich greifen rund 3.500 Oberstufenschüler
und Studierende darauf zurück.
Musikfestivals der Superlative
Das alljährliche „Fest der Chöre“ in der Dortmunder City ist Juicy Beats gehört zu den größten Musikfestivals der Region.
Deutschlands größtes städtisches Chorfest. Insgesamt treten Jedes Jahr verwandelt das Musikfestival den Westfalenpark in
mehr als 4.000 aktive Sängerinnen und Sänger auf Bühnen in ein riesiges Festivalgelände für Pop, Rap, Electro, Indie, Alterna-
der ganzen Innenstadt auf. Traditionell kommen rund 50.000 tive, Reggae und Urban Beats. Weltoffen und mit Charme
Besucher. Geboten wird die ganze Vielfalt der Dortmunder Dortmund ist international und weltoffen: Menschen Der „Indupark“ zum Beispiel ist ein riesiger Einkaufs- und
Illustrationen: Stephan Preuß, www.mehrbilder.de
Chorlandschaft: klassische Männergesangvereine, Kirchen- aus 172 Nationen fühlen sich hier zu Hause. Vereine unter- Servicepark, von A = Autovermietung bis Z = Zoohandlung
chöre, Kinderchöre, junge Popchöre und A-cappella-Ensembles. schiedlichster Art leisten einen wichtigen Beitrag für mehr findet man hier hier alles für den täglichen Bedarf.
Die INTERMODELLBAU in den Dortmunder Westfalen- Miteinander und Teilhabe in der Gesellschaft.
hallen ist die weltgrößte Messe für Modellbau und Modell- Der Dortmunder an und für sich spricht Ruhrdeutsch. Weitere Überraschungen unter: dortmund-ueberrascht-dich.de
sport. Sie ist ein Schaufenster der Szene, in dem sich alle Ein Kennzeichen dieser Sprache: Das „R“ ist eher zu erahnen
Trends aus dem Modellbahn-, Flugzeug-, Schiff- und als zu hören. Beispiel: Doatmund. Zur Autorin: Christa A. Thiel ist in der Öffentlichkeitsarbeit der
Fahrzeugsektor widerspiegeln. Wichtiger Hinweis für Auswärtige: Nicht jeder Park ist Evangelischen Kirche von Westfalen für den Kirchentag zuständig.
im Sinne von Grünanlage zu verstehen. Der „Doatmunder“
geht großzügig mit dem Wort „Park“ um.
16 Nr. 4/17 Glück auf Dortmund Glück auf Dortmund Nr. 4/17 17
Neue Mitglieder im Präsidium des Kirchentages
Die Präsidialversammlung des Deutschen Evangelischen Kirchentages hat auf ihrer Tagung Mitte
Oktober in Fulda sechs neue Präsidiumsmitglieder gewählt und eines im Amt bestätigt. Im Magazin Dr. Reinhard Rauball Prof. Dr. Christian Schertz
stellen sie sich vor und berichten über ihr Engagement und ihre Wünsche für das neue Jahr.
Rechtsanwalt, Präsident DFL Deutsche Fußball Liga e.V., Jurist, Medienanwalt, Honorarprofessor
Präsident BV. Borussia 09 e.V. Dortmund
Ich bin schon als Jugendlicher regelmäßig auf Kirchen-
Dr. Martin Hoffmann Dr. Thela Wernstedt In meinen beruflichen und privaten Funktionen engagiere tage gefahren. Das ist bis heute eine meiner prägendsten
ich mich in den Themenfeldern Integration, Toleranz, Erfahrungen gewesen. Zudem war ich lange in der
Ingenieur, Vorstand Verband Christlicher Pfadfinderinnen Palliativmedizinerin, Abgeordnete des niedersächsischen Respekt, Inklusion und Vielfalt. Ein wichtiges Anliegen Gemeindearbeit aktiv. Ich setze mich seit jeher in meiner
und Pfadfinder e.V. Landtags ist mir auch der Kampf gegen Rassismus und Diskrimi- anwaltlichen wie wissenschaftlichen Arbeit für den
nierung, dies insbesondere im Umfeld des Fußballs. Schutz des Individuums in der modernen Mediengesell-
Ich bin seit 1997 als Helfer auf Kirchentagen und fest im Kirchlich engagiere ich mich seit vielen Jahren im Vor- Gerade in der heutigen Zeit ist es von entscheidender schaft ein und sehe meine Arbeit in der Tradition des
Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder stand der Neustädter Hof- und Stadtkirche in Hannover Bedeutung, dass sich auch die Kirchen und ihre Gläubi- Humanismus und der christlichen Werte.
(VCP) verwurzelt. Mein Ziel ist es, Brücken zwischen der und bin Vorsitzende des Konventes der Evangelischen gen verstärkter denn je und nach ihren Möglichkeiten Durch die digitale Revolution ist das Individuum vor
inhaltlichen und der ausführenden Organisation des Akademie Loccum. Bis 2016 war ich stellvertretende Vor- für ein Miteinander der Kulturen und die Förderung des unerlaubter Vorführung noch weniger geschützt als frü-
Kirchentages zu bauen, die sich auf der ehrenamtlichen sitzende im Kuratorium der Hanns-Lilje-Stiftung. gesellschaftlichen Zusammenhalts einsetzen. Meines her. Insofern würde ich mich gerne mit meiner Expertise
Ebene aktuell noch zu wenig kennen. Gesellschaftlich und politisch brennt das Thema das Erachtens ist diese Aufgabe – gerade für uns Christinnen aus Praxis und Wissenschaften zu meinen Hauptthemen
Zudem liegt es mir als Ingenieur am Herzen, die Interdis- interreligiösen Dialoges und die Ausgestaltung der Religi- und Christen – eine Selbstverständlichkeit. „Menschenwürde“ und „Persönlichkeitsrechte“ einbrin-
ziplinarität im Kirchentag zu stärken, gerade im Lichte onsfreiheit. Nach meinem Eindruck kann Religionsfrei- Beim Kirchentag freue ich mich auf viele interessante gen. Insbesondere im Zeitalter von Hass-Postings, Fake-
der Digitalisierung unserer Gesellschaft. heit nicht gewährt, sondern muss miteinander erarbeitet Begegnungen und einen regen Austausch mit Christinnen News und Wutbürger, brennt dieses Thema wirklich
Foto: www.katrindenkewitz.de
Foto: Till Brönner
Foto: Thilo Nass
Foto: privat
Ich freue mich auf einen kontroversen Kirchentag, bei werden im Rahmen dessen, was die Verfassung vorgibt. und Christen aus Deutschland und aller Welt. unter den Nägeln der Gesellschaft. Wo hilft uns das Auf-
dem Pfadfinderinnen und Pfadfinder nicht nur hinter Ich freue mich auf lebendige und argumentativ kontro- Für das kommende Jahr wünsche ich uns, dass wir alle in einanderzugehen und wo hilft der Rechtsstaat, um der
den Kulissen agieren, sondern das Programm aktiv verse Gespräche und Debatten. diesen unruhigen Zeiten zu den positiven Werten, die Verrohung der Debattenkultur zu begegnen?
mitgestalten. Für das kommende Jahr wünsche ich uns ein Auf- uns als Menschen ausmachen, zurückfinden und mehr Mein Wunsch für das nächste Jahr bleibt in Ansehung der
Für das kommende Jahr wünsche ich der Präsidialver- brechen der überemotionalisierten und -moralisierten auf ein Miteinander als ein Gegeneinander bedacht sind. Weltlage bescheiden: dass es zumindest in einem
sammlung und dem Präsidium Mut, sich auf weniger politischen Debatten in Deutschland hin zu mehr Profes- Gerade jetzt ist Zusammenhalt und Gemeinschaft Krisenherd auf der Welt eine Wendung zum Guten geben
Themen zu konzentrieren, gute Ideen für neue Veran- sionalität und Sachlichkeit. gefragt. Wir sollten der Angst, Ohnmacht und manchmal möge.
staltungsformate und engagierte Projektleitungen für auch Wut über die Geschehnisse in der Welt keinen
den Kirchentag in Dortmund. Dr. Thela Wernstedt ist Ärztin für Anästhesiologie, Ret- Raum lassen, sondern selbst aktiv und mit Vertrauen an Prof. Dr. Christian Schertz ist Rechtsanwalt auf dem
tungs- und Intensivmedizin und seit 2013 Abgeordnete einer Veränderung zum Guten mitwirken. Gebiet des Presse-, Urheber- und Medienrechts in Berlin
Dr. Martin Hoffmann ist Forschungsgruppenleiter „Indust- des niedersächsischen Landtages für die SPD. Als Ober- und Honorarprofessor für Persönlichkeits-, Presse- und
rial Data Analytics“ bei der ABB AG in Mannheim, einem ärztin für Palliativmedizin an der Medizinischen Hoch- Dr. Reinhard Rauball ist Präsident des DFL Deutsche Medienrecht an der Juristischen Fakultät der Technischen
global führenden Konzern für Energie- und Automatisie- schule Hannover baute sie eine flächendeckende palliativ- Fußball Liga e.V. und Vorsitzender des DFL-Aufsichtsrats Universität Dresden. Er betreut seit vielen Jahren Persön-
rungstechnik. Der promovierte Ingenieur ist Co-Autor von medizinische Versorgung in Niedersachsen auf. Zuvor war sowie 1. Vizepräsident des Deutschen Fußballbundes lichkeiten des öffentlichen Lebens, aber auch „Medienop-
mehr als 50 wissenschaftlichen Publikationen und hält sie Geschäftsführerin des Klinischen Ethikkomitees und (DFB). Seit 2004 ist er Präsident des BV. Borussia 09 fer“ im Bereich des Presse- und Persönlichkeitsrechts und
Vorträge u.a. zum Thema Industrie 4.0. Seit 1991 enga- Ethikberaterin an der Universitätsklinik Erlangen-Nürnberg. e.V. Er ist Vorsitzender des Stiftungsrates der DFL-Stif- ist Herausgeber, Autor und Co-Autor zahlreicher Fachbü-
giert er sich im Verband Christlicher Pfadfinderinnen und tung und Mitglied des Stiftungsrates der Robert-Enke- cher auf dem Gebiet des Medienrechts.
Pfadfinder (VCP) e.V. und stand zuletzt dessen Bundes- Stiftung. Rauball studierte Rechtswissenschaften, promo-
versammlung vor. Seit 2013 ist er Mitglied der Präsidial- vierte an der Ruhr-Universität in Bochum und war in
versammlung des Kirchentages. Dortmund als Rechtsanwalt tätig.
18 Nr. 4/17 Kirchentag Kirchentag Nr. 4/17 19Prof. Dr. Thorsten Moos Dr. Stefanie Schardien Torsten Zugehör In die Präsidialversammlung wurden neu gewählt:
Theologe, Physiker, Professor an der Kirchlichen Hoch- Pfarrerin in der Altstadtkirche St. Michael/Fürth Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg Ruth Heß, Theologin, Ev. Zentrum für Frauen und Männer
schule Wuppertal/Bethel
Ob in der Wissenschaft, Ökumene, Kindergottesdienst- Seit 2009 war ich mit der Vorbereitung und Durchfüh- Corinna Hirschberg, Bundesstudierendenpfarrerin,
Als Physiker und langjährig in der interdisziplinären For- arbeit oder Gemeinde – stets leitet mich die Frage: Wie rung des Reformationsjubiläums 2017 beschäftigt. In Verband der Ev. Studierendengemeinden in Deutschland
schung Tätiger möchte ich den Kirchentag stärken im vermitteln wir Theologie verständlich und lebensnah? vielen Arbeitsgruppen und Gremien durfte ich Teil einer
Bemühen, den Dialog mit Wissenschaftlerinnen und Neben diesem Anliegen habe ich als Gemeindepfarrerin großartigen Gemeinschaft sein, die den 36. Deutschen Dr. Ulrike Höppner, Politikwissenschaftlerin, Referentin,
Wissenschaftlern zu führen: vor allem mit den auf dem viele der Themen und Wünsche, auch der Frömmigkeit Evangelischen Kirchentag in Berlin und Wittenberg 2017 Travis Foundation
Kirchentag nicht häufig vertretenen Fächern wie den jener Menschen im Präsidialgepäck, die wir als Teilneh- organisiert hat. Diese Chance zur Mitarbeit an diesem
Natur- und Technikwissenschaften. mende zum Kirchentag einladen. einzigartigen Ereignis hat mich als evangelischen Christen, Prof. Dr. Silja Klepp, Professorin für Humangeographie,
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Bernhard König, Komponist, Autor und Interaktionskünstler
Dr. des. Elisabeth Krause-Vilmar, Pfarrerin,
Foto: DEKT/Jens Schulze
Foto: Marko Schoeneberg
More Ecumenical Empowerment Together (MEET)
Dr. Veit Laser, Pastor, Arbeitsgemeinschaft der Ev. Jugend
Foto: privat
Jörg Thadeusz, Journalist, Radio- und Fernsehmoderator,
Schriftsteller
Stefan Wegner, Partner und Geschäftsführer bei der
Agentur Scholz & Friends
Als Diakoniewissenschaftler geht es mir um die wirt- Barrieren abzubauen ist mir wichtig, seien es gesell- als Familienvater und Repräsentanten einer Kommune
schaftliche Verantwortung von Christinnen und Christen schaftliche oder theologische. So manche Abgrenzung sehr bewegt und geprägt. Gila Zirfas-Krauel, Sozialwissenschaftlerin, Verband Kirche-
zwischen Markt, Staat und Zivilgesellschaft. Als Theologe nehme ich zum Beispiel immer noch gegenüber Lebens- Der Kirchentag ist weit mehr als ein Treffen der Christen; Wirtschaft-Arbeitswelt, Bundesarbeitsgemeinschaft der EKD
möchte ich dazu beitragen, die interreligiösen Kontakt- formen von Menschen wahr oder auch zwischen Gene- er ist Ort der kritischen Auseinandersetzung mit der
flächen des Kirchentages zu erweitern. rationen: Darum würde ich gern Ideen weiterentwickeln, Gegenwart und Impulsgeber für die Zukunft.
Der Kirchentag ist für mich ein unverzichtbares Forum wie wir sie etwa mit dem Eröffnungsgottesdienst für Als Privatperson und im Amt möchte ich gesellschaftspoli-
für Begegnungen zwischen den Religionen und für die Groß und Klein in Berlin begonnen haben. tische Prozesse anstoßen und begleiten und freue mich,
gemeinsame Suche nach modernen Formen, je auf eigene Ich freue mich auf die Verantwortung und die Gestal- meine Erfahrungen aus kommunaler Ebene in die Ent-
Weise fromm zu sein. Auf das gemeinsame Weiterwer- tungsmöglichkeiten im Präsidium – und als mittlerweile wicklung des Kirchentages beisteuern zu dürfen.
keln am Kirchentag freue ich mich sehr. Mittelfränkin mit Dortmunder Migrationshintergrund „Vertrauen wagen!“: Diese Losung des Kirchentages von
Für das kommende Jahr wünsche ich uns eine Kultivie- auch besonders auf die kommenden Kirchentagsorte. 1983 in Wittenberg hat mein Handeln auch in der Refor-
rung demokratischen Streitens: angstlos gegensätzlich, Für das kommende Jahr wünsche ich uns viel von dem mationsdekade stets begleitet. „Was für ein Vertrauen“, so PRÄSIDIUM
respektvoll zu Menschen und kritisch zu Ideen, in Vertrauen, nach dem die Dortmunder Losung fragt. lautet die Losung für den kommenden Kirchentag in
beharrlicher und unzynischer Weise pragmatisch. All Dortmund. Für das neue Jahr wünsche ich mir, dass die- Das Präsidium trägt die Verantwortung für den Deut-
das – auch – in den Veranstaltungen und Gremien des Dr. Stefanie Schardien studierte Evangelische Theologie ses Motto für uns selbst und unser Gegenüber mehr schen Evangelischen Kirchentag. Es bestimmt Zeit,
Kirchentages! in Heidelberg, Bochum und Toronto (Kanada) und war von Beachtung findet Ort und Programm der jeweiligen Kirchentage und
2008 bis 2013 Juniorprofessorin für Systematische Theo- beruft die Vorbereitungsgruppen für einzelne Programm-
Dr. Thorsten Moos ist seit 1. Dezember 2017 Inhaber des logie an der Stiftung Universität Hildesheim. Von 2013 Torsten Zugehör ist seit 2015 Oberbürgermeister der teile, die sogenannten Projektleitungen. Immer
Lehrstuhls für Diakoniewissenschaft und Systematische bis 2014 war sie als Pfarrerin für Kindergottesdienst und Lutherstadt Wittenberg. Er studierte Rechtswissenschaften 15 Mitglieder des Präsidiums werden von der
Theologie/Ethik an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/ Referentin für Gottesdienste mit Kindern in der Ev.-luth. an der Universität Leipzig und arbeitete unter anderem als Präsidialversammlung gewählt. Bis zu sechs weitere
Bethel. Zuvor leitete er den Arbeitsbereich „Religion, Kirche in Bayern tätig. Seit 2016 ist sie Pfarrerin der Rechtsanwalt und Justitiar. 2009 übernahm er das Amt Mitglieder werden vom Präsidium selbst bestimmt.
Recht, Kultur“ bei der Forschungsstelle der Ev. Studienge- Kirchengemeinde St. Michael in Fürth. Die gebürtige Dort- des Bürgermeisters der Lutherstadt Wittenberg. Er ist Die Amtszeit beträgt jeweils sechs Jahre. Außerdem
meinschaft (FEST). 2017 habilitierte er sich an der Theo- munderin ist seit 2009 Mitglied der Präsidialversammlung Ehrenmitglied des Verbands Christlicher Pfadfinderinnen gehören zum Präsidium der amtierende und der
logischen Fakultät der Universität Heidelberg mit einer des Kirchentags. und Pfadfinder und engagiert sich unter anderem beim vorangegangene Präsidiumsvorstand sowie Gäste
Arbeit über „Krankheit als Thema der Theologie“. Seit Deutschen Roten Kreuz, im Aufsichtsrat der Paul-Gerhardt- aus der gastgebenden Landeskirche für den nächsten
2011 ist der Theologe und Physiker Mitglied des Präsidi- Diakonie und im Vorstand der Evangelischen Akademie Kirchentag. Darüber hinaus kann das Präsidium
ums des Kirchentages, seit 2007 Mitglied der Präsidial- Sachsen-Anhalt. Ehrengäste berufen.
versammlung.
20 Nr. 4/17 Kirchentag Kirchentag Nr. 4/17 21Sie können auch lesen
