AUF IN EIN NEUES ZUHAUSE! - FRANZ WEBER - Fondation Franz Weber
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u n a b h ä n g i g — u n e r s c h r o c ke n — ko m p e t e n t JOUR NA L FRANZ WEBER Januar | Februar | März 2021 | Nr. 135 AUF IN EIN NEUES ZUHAUSE! f f w. c h
INHALT Editorial 3 En Bref 4–5 Equidad zieht um in ein 312 Hektaren grosses Paradies 6 – 11 Unsere fieberhafte Suche nach einem Heilmittel gegen Covid 19 bezahlen andere Arten mit ihrem Massentierhaltung abschaffen, um Pandemien zu verhindern 13 – 15 Leben. Angefangen bei Mäusen und Affen bis hin zu Millionen von Tieren bezahlen ihr Leben für Impfungen 16 – 19 Pfeilschwanzkrebsen und Haien werden Millionen Tiere zur Gewinnung von Arzneimitteln entweder Stierkampf-Lobby will Corrida-Verbot in Ecuador kippen 20 – 21 getötet oder tödlichen Experimenten unterzogen. Zoo Zürich: Tod des Elefantenbabys war nicht «natürlich» 22 – 23 Seite 16 Fondation Franz Weber entlarft marine Zierfisch-Industrie 24 – 27 Chronik einer angekündigten Naturgebiet-Zerstörung in Arlesheim 28 – 31 Helvetia Nostra: Hüterin der Natur, Landschaft und Heimat 32 – 35 Alika Lindbergh schreibt über die Angst vor Corona 36 – 38 Bonrook: Reportage über das Franz Weber Territory in Australien 39 – 43 Giessbach: Hilfe für den Unterhalt von Park, Wald und Bahn 44 – 47 «Ohne das Beschwerderecht von Helvetia Nostra wäre die Schweiz zubetoniert». So beschrieb Franz Weber in einem Interview mit RTS im Jahre 2005 IMPRESSUM treffend die Tätigkeit und die Bedeutung von EINE PUBLIKATION DER FONDATION FRANZ WEBER Helvetia Nostra. Ohne sie und ohne ihr CHEFREDAKTION: Vera Weber und Matthias Mast Beschwerderecht, das übrigens immer wieder REDAKTION: Matthias Mast, Vera Weber, Anna Zangger, Jean-Charles Kollros, politisch attackiert wird, wären unzählige Ruth Toledano, Adam Cruise, Alika Lindbergh, Monica Biondo, Alejandra García, Hektaren Land denjenigen zum Opfer gefallen, Viktoria Kirchhoff, Ambre Sanchez die nur auf kurzfristigen Profit aus sind. Seite 32 ERSCHEINT 4 x im Jahr KONZEPT: KARGO Kommunikation GMBH LAYOUT: Gianpaolo Burlon DRUCK: Swissprinters AG ABONNEMENTE: Journal Franz Weber, Abo, Postfach 257, 3000 Bern 13, Schweiz T: +41 (0)21 964 24 24 | E-Mail: ffw@ffw.ch | www.ffw.ch | | Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Fotos oder Texten nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Fotos kann keine Verantwortung Hier, an diesem gesegneten Ort, angesichts der übernommen werden. rauschenden Giessbachfälle, mitten im sagenumwo- benen Wald, der wie aus der Artussage heraufsteigt und dann niedersteigt zum See, zum ursprünglich gebliebenen Brienzersee, fühlen wir uns frei, sind wir frei wie unsere Ahnen, weil die Kraft der Freiheit, SPENDENKONTO: Postkonto Nr. 18-6117-3, Fondation Franz Weber, 3000 Bern 13 die Giessbach inneliegt, sich ganz natürlich auf uns IBAN: CH31 0900 0000 1800 6117 3 überträgt, uns frei macht. Seite 44 2
NR . 135 J A N U A R | F E B R U A R | M Ä R Z 202 1 EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser Seine Worte hallen noch oft in meinen Ohren wider und blieben in meinem Gedächtnis haften: Ich denke an die vielen Erzählungen meines Vaters Franz Weber, der einzigartige, durchschlagende Umwelt- und Tierschützer, der am 2. April 2019 verstarb. Franz Weber entwickelte seine Bewunderung und Liebe für die Schönheiten der Schweizer Berge und Landschaften bereits in seinen jungen Jahren. Später erklärte er seinen Kampf für die Natur, für die Schöpfung ungefähr so: «Eigentlich bin ich ein Poet, aber ich begriff schnell, dass ich die Natur erst retten muss, um sie wieder besingen zu können.» Seinen Willen, seinen Mut und seine Überzeugungskraft, die nötig waren, um sich gegen mächtige Zerstörer von Tier und Natur zu stellen, schöpfte er aus seiner absoluten VERA WEBER Furchtlosigkeit, wie sie nur ein Esprit libre, ein Freigeist, besitzt. Präsidentin Fondation Franz Weber Schon als Kind war er stolz, Schweizer zu sein und in diesem einzigartigen, freien Land zu leben. Nicht zuletzt, so wage ich zu behaupten, hat ihm sein «Schweizersein» die nötige Freiheit verschafft, derart kraftvoll und erfolgreich für den Tier- und Naturschutz zu kämpfen. Voller Inbrunst und Stolz zitierte er immer wieder aus Schiller’s Tell den Rütlischwur: Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr. Wir wollen frei sein, wie die Väter waren, eher den Tod, als in der Knechtschaft leben. Wir wollen trauen auf den höchsten Gott und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen. Zwei Jahre sind vergangen, seit Franz Weber uns verlassen hat, und ich frage mich, wie wohl mein Vater, dieser freie Mensch, dieser Freigeist, die heutige Zeit erleben, ja ertragen, würde. Eine Zeit, in der man kaum mehr seine Meinung äussern, Entscheide in Frage stellen oder Kritik üben kann, ohne an den Pranger gestellt zu werden. Eine Zeit, in der das vom Volk – das höchste Organ unserer direkten Demokratie (!) – gewähl- te Parlament die Flucht aus dem Bundeshaus ergriff und sämtliche Entscheidungsgewalt an jene Behörde übergab, welche eigentlich ausschliesslich dazu beauftragt wäre, die Entscheide des Volkes und des Parlaments umzusetzen: der Bundesrat. Der Diener des Volkes wurde zum Herrn des Volkes – diese Umkehr der direktdemokratischen Verhältnisse in der Schweiz hätte Franz Weber nicht akzeptieren können. Deshalb nicht, weil seine Kämpfe und Erfolge auf einer hundertprozentigen Meinungs äusserungsfreiheit beruhten. Auch unsere heutigen Kämpfe und Erfolge für Tier und Natur, gegen Landschafts- und Umweltzerstörer, gegen Tierquäler und Ausbeuter – seien es Einzelne, Firmen, Institutionen oder Regierungen – sind nur möglich, wenn alle offen und frei ihre eigene Meinung kundtun dürfen sowie ihr Wissen weitergeben und ihre Argumente uneingeschränkt darlegen können. Denn nur mit dem freien und furchtlosen Geist des Volkes und des Einzelnen lässt es sich kämpfen für eine lebenswerte Welt für Tier und Natur – und Mensch. Ihre Vera Weber 3
EN BREF * TIERSCHUTZ * NATURSCHUTZ * NATURSCHUTZ Rehe im Geplante Einsprache gegen Friedhof am Gleiswüste mitten die zerstörerische Hörnli in der Natur BLS-Werkstätte Die lösungsorientierte Arbeit der Fonda- Die SBB plant im Kanton Zürich drei Die BLS plant im Westen der Stadt Bern, tion Franz Weber: Der grösste Friedhof Abstell- und Serviceanlagen mitten in mitten in der Natur, eine Werkstätte der Schweiz, das Hörnli in Basel, be- der Natur. Die grösste soll in Bubikon, (ähnlich dem Vorhaben der SBB in Bu- herbergt seit seiner Eröffnung im Jahr mitten in einem wichtigen Wildtier bikon, Text links). Die Fondation Franz 1934 eine Rehpopulation, die in den korridor, angrenzend an Moorland- Weber wird gegen dieses Ansinnen nach letzten Jahren gewachsen ist. Weil die schaften von nationaler Bedeutung Auflage der Pläne im kommenden Som- Rehe Schäden an den Grabbepflanzun- und Naturschutzflächen, gebaut wer- mer Einsprache erheben. Der Widerstand gen anrichten, hatte die Stadtgärtnerei den. Dafür würden 20 000 Quadratme- gegen das zerstörerische Projekt ist umso eine Abschussanfrage bei der Polizei ter naturbelassenes Land und 60 000 dringender, als die BLS in letzter Zeit mit eingereicht und im Mai 2020 eine Be- Quadratmeter Fruchtfolgeflächen, 110 üblen Schlagzeilen von sich reden mach- willigung erhalten. Dagegen erhoben gesunde Hochstammbäume, siben alte te: So hat das Bahnunternehmen von die Fondation Franz Weber (FFW) und Eichen, über 1 750 Quadratmeter He- verschiedenen Betriebs-Baustellen ins- Helvetia Nostra Einsprache und stopp- ckenlandschaft und das Zuhause von gesamt 16 000 Tonnen teilweise giftigen ten das Vorhaben. Die FFW bot Gesprä- vielen Tieren, darunter auch geschütz- Schotter in den Steinbruch Mitholz im che an einem runden Tisch an, die sie ten Tierarten, zerstört. Das Projekt liegt Berner Oberland transportieren lassen seither einvernehmlich mit der Stadt- derzeit im kantonalen Richtplan auf. und dort abgelagert. Dies hat mutmass- gärtnerei Basel zusammen führt und Die Fondation Franz Weber fordert den lich zu dem Massen-Fischsterben im an nichttödlichen Lösungen arbeitet. Kantonsrat mit einer Einwendung auf, Blausee geführt. Nach diesen Machen- diesen Bau und damit die Zerstücke- schaften ist es mehr als fraglich, ob die lung einer der grössten und wertvolls- BLS überhaupt willens ist, bei ihrer ge- ten Moor- und Naturschutzflächen im planten Werkstätte irgendwelche Rück- Kanton Zürich, zu verhindern. sichten auf die Natur zu nehmen. 4
NR . 135 J A N U A R | F E B R U A R | M Ä R Z 202 1 * «Schweizer, bewahrt Eure Eigenart, bewahrt das hart erkämpfte, das gerade auf der Schweizer Eigenart beruht. Schweizer, macht Euch frei vom engstirnigen, panischen Gewinnstreben, bleibt dem Geiste treu, der die Schweiz geformt hat, über Jahrhunderte hinweg geformt und zu dem gemacht hat, was sie heute ist: ein Symbol der Prosperität für Milliarden Erdenbürger, ein Symbol des Friedens, der Freiheit und der Humanität.» FRANZ WEBER 1. AUGUSTFEIER 1991 * ZERSTÖRUNG DES HIRSCHENGRABENS IN BERN * GEPLANTE SEILBAHN ÜBER DEN ZÜRICHSEE Der alte Baum ist schutzlos Gegen die Zerstörung des Zürcher Seebeckens 2017 kündigte die Zürcher Kantonalbank (ZKB) an, aus An- lass ihres 150-jährigen Jubiläums 2020 für fünf Jahre eine temporäre Seilbahn über den Zürichsee zu errichten. Bisher hält die ZKB trotz mittlerweile verstrichenem Jubiläumsjahr weiterhin an diesem, die Seelandschaft zerstörenden, Pro- jekt fest. Die Anlage ist nicht als Verkehrsmittel konzipiert, sondern wird im Konzessionsgesuch als «touristische Beschäftigungs- anlage» umschrieben. Sie würde mit ihren zwei Masten von je 88 Metern Höhe und einer Gondelgirlande vor dem Alpenpa- «Wenn es nicht um globale Klimapolitik, Ökosteuern, C02-Ab- norama die Landschaft des Zürcher Seebeckens massgeblich gaben, den Strassenbau und generell gegen das Auto geht, beeinträchtigen sowie die einmalige Postkarten-Sicht vom vergessen manche links grüne Politiker wie dieser Fall zeigt Bürkliplatz gegen die Glarner Alpen zerstören. Zudem hät- das Grüne allzu gerne», sagte Vera Weber (Bild) vor der Ab- ten die geplanten Stationsgebäude eine Verkleinerung und stimmung über den Umbau des Hauptbahnhofes in der Stadt Entwertung von beliebten Parkanlagen am See zur Folge. Die Bern, dem die Parkanlage im Hirschengraben zum Opfer zwei Seilbahn-Masten würden mit total 120 Betonschrauben fallen soll. Vera Weber sollte mit dieser Aussage leider recht von je einem halben Meter Dicke 60 Meter tief im Seegrund behalten, denn die Mehrheit der Stimmberechtigten der verankert. Diese Betonschrauben sollen auch nach dem linksten und grünsten Stadt der Schweiz sprach sich für die Rückbau der Anlage im Seegrund verbleiben. Zerstörung der, nebst der Münster-Terrasse, einzigen histo- rischen Parkanlage innerhalb des UNESCO-Weltkulturerbes Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, politische Parteien aus. Nun sollen für den neuen Bahnhof-Zugang 25 geschütz- und Umweltschutzverbände haben deshalb die «IG Seebe- te, für die Biodiversität in der Stadt äusserst wertvolle, gröss- cken Seilbahnfrei» gegründet, welche diesen anachronisti- teils weit über 100-jährige gesunde Bäume gefällt werden, schen Gigantismus auf politischem und juristischem Weg damit die Pendlerinnen und Pendler trockenen Fusses unter- bekämpft. Die Helvetia Nostra als Schwesterstiftung der irdisch aus dem Bahnhof gelangen können. Fazit: Der öffent- Fondation Franz Weber unterstützt die IG tatkräftig, vor al- liche Verkehr zerstört die Natur in der Stadt. lem bei den juristischen Verfahren. 5
Equidad z TIER SCHUT Z Es war höc Der lang ersehnte Erwerb unseres neuen Horts des Friedens ist endlich abgeschlossen, und wir können unsere zahlreichen argentinischen Schützlinge nun dort aufnehmen! Nach sieben Jahren auf einem zu klein gewordenen Gelände in einem Natur paradies, das immer feindlicher wurde, können die von uns geret teten Tiere schon bald auf einem Gebiet mit mehr als 300 Hekta ren Grasland und Bergweiden herumtollen. Doch bevor die Tiere, ebenso wie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, diese redlich verdiente Freiheit und Fläche geniessen können, warten noch etliche Herausforderungen auf6 unser Team.
TIER SCHUT Z «Sie haben schon wieder die Zäune auch die Haltung von nahezu 300 Tie- zerschnitten und Sie wollten die Pfer- ren auf zehn Hektaren nicht länger zu- de stehlen. Einige Tage später haben mutbar. sie sogar geschossen und einen unse- rer Mitarbeiter nur knapp verfehlt. Die EIN HORT DES FRIEDENS Lage hier wird immer gefährlicher». Angesichts dieses Szenarios wurde Angesichts der Berichte von Alejandra unser Traum endlich Wirklichkeit: In Garcia, Leiterin von Equidad, konnten einigen Wochen können wir beginnen, * wir uns nicht erlauben, noch länger zu unsere Schützlinge zu ihrem neuen zögern: Verstärkt noch durch die Ge- Landgut zu befördern, wo 312 Hekta- ALEJANDRA GARCÍA sundheits- und Wirtschaftskrise gab es ren abgeschiedene Natur auf sie war- Direktorin Gnadenhof immer häufiger Versuche, unsere Tiere ten! Doch der schwierigste Teil steht Equidad und ZOOXXI in anzugreifen und zu stehlen. So mussten uns noch bevor, denn unsere vierbei- Lateinamerika wir unverzüglich Vorkehrungen treffen, nigen Freunde leiden nach jahrelang – um unsere Beschäftigten und unsere erlittenem Missbrauch unter den Fol- Schützlinge in Sicherheit zu bringen. gen früherer Traumata und schwerer Denn die von uns geretteten Pferde und körperlicher Verletzungen. Daher sind möglich, ihnen zu erklären, dass der anderen Tiere wecken die perfide Gier sie furchtsam und gehorchen nicht im- chaotische Transport auf engem Raum von Eindringlingen, die – vor allem in mer. All der Liebe und Fürsorge, die wir über 60 Kilometer schwer befahrbare diesen Krisenzeiten – lediglich Fleisch ihnen täglich entgegenbringen, zum Bergstrassen, den wir ihnen zumuten, und leicht verdientes Geld in ihnen se- Trotz bleiben einige von ihnen in ih- einzig und allein dem Zweck dient, ih- hen. Neben der Sicherheitsnotlage war ren Ängsten gefangen. Es ist uns nicht nen ein besseres Leben zu bieten. Und deshalb müssen wir all unseren Ein- fallsreichtum einsetzen, um sie mög- lichst gut auf diese Reise vorzubereiten und ihnen ihre Ängste zu nehmen. EIN STARKES TEAM Wie immer können unsere Schützlinge auf ihre Schutzengel zählen, die ihnen auf dieser heiklen Mission zur Seite ste- hen werden. Sechs angestellte und acht Diego, der Pferde- ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und trainer, arbeitet Mitarbeiter werden ständig zwischen seit Januar mit uns, dem altem und dem neuen Gnaden- damit Pferde mit hof hin und her wechseln: Sie werden besonderer Angst nicht nur das neue Gelände herrichten diese überwinden und die ersten Ankömmlinge betreuen, können. Er wird dafür sondern sich auch um die Tiere küm- sorgen, dass ihr Um- mern, die sich noch auf dem alten Gna- zug so schonend wie denhof aufhalten. Um die sensibelsten möglich ausgeführt Tiere bestmöglich vorzubereiten, wur- wird. Diego wird uns de zudem ein Tierpädagoge engagiert. in allen Phasen des Ihm wird gewiss nicht langweilig wer- Umzugs beraten und den bei unserer Menagerie aus 160 uns dabei Techni- Pferden, 1 Büffel, 10 Hähne, zwei Maul- ken beibringen, die tieren, vier Ponys, 7 Eseln, drei Zwerg- das Vertrauen vom eseln, 14 Kühen, 23 Ziegen, 11 Schafen, Tier zum Menschen 25 Schweinen, drei Wildschweinen, fördern. vier Lamas und 25 Hunden! 8
Schweine sind äusserst sensible Tiere, deshalb müssen sie besonders schonend transportiert werden. WIR BEREITEN DIE TIERE EINZELN VOR wir bereits jetzt die Behörden und die Als realistische Optimisten haben wir Polizei verständigt, damit sie sich nicht uns zum Ziel gesetzt, in zwei Monaten über unsere besondere Art des Carsha- mit der Evakuierung unserer Gefährten rings wundern! fertig zu sein. Schätzungsweise werden etwa dreissig Fahrten erforderlich sein, ... UND IN GUTER GESELLSCHAFT! da wir die Empfindlichkeiten und We- Stress und die Sensibilität unserer sensverwandtschaften der einzelnen kleinen Überlebenden mit schwerer Tiere berücksichtigen müssen, um klei- Vergangenheit sind nicht die einzigen den sind inzwischen unzertrennlich, ne Transportgruppen zu bilden. Zwar Herausforderungen, vor die uns unser und Rialto wird mit ihm reisen! müssen wir bei all unseren Schützlin- Mammutumzug stellt: Wir müssen Weitere unzertrennliche Pferde sind gen mit viel Aufwand und Mühen rech- auch auf die Empfindlichkeit und die unsere schöne Silvina und ihr Stuten- nen, doch die grössten Sorgen machen Krankheiten jedes Tiers Rücksicht neh- fohlen Soledad, die selbstverständlich uns unsere Rinder, besonders Laura, men. Tornadito, unser kleines Pony, gemeinsam reisen werden. Dank der unsere aus einem Zoo gerettete Büffel- ist eines der Tiere, für die besondere Videoüberwachung des Anhängers kuh. Ihr Transport nach Equidad wird Reisevorkehrungen getroffen wer- kommen auch sie in den Genuss eines uns für immer in Erinnerung bleiben: den müssen. Da es durch einen alten, abgesicherten Transports. Drei Stunden waren nötig, um sie zu schlecht verheilten Beinbruch mit Seh- Unsere kleinen Lamas werden den verladen! Da sie ein launisches Tem- nenkontraktur behindert ist, benötigt Gnadenhof als letzte verlassen. Bis sie perament besitzt – manchmal zeigt sie es eine Gummimatte, damit es fast zwei uns ihr Vertrauen schenken, wird es uns ihre Zuneigung, dann wieder geht Stunden lang das Gleichgewicht halten noch lange dauern. Doch immerhin sie auf Distanz –, fürchten wir ihre Stim- kann. Zur Sicherheit werden im Anhän- haben wir einen wichtigen Trumpf in mungsschwankungen, die ihren Trans- ger Kameras installiert, damit unsere der Hand, um sie zu erweichen: Mais! fer erschweren und verzögern könnten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihm Wir zählen darauf, dass ihre Naschhaf- Es wird eine wesentliche Aufgabe unse- zu Hilfe eilen können, falls es Probleme tigkeit grösser sein wird als ihre Scheu res Pädagogen sein, sie mit ihrer Ver- geben sollte. Es wird auf die Unterstüt- und sie dazu bringen wird, uns in den ladung vertraut zu machen und ihr die zung von Rialto zählen können, seinen Anhänger zu folgen, ohne in Panik zu Angst davor zu nehmen. Unsere 14 Kühe besten Freund, ein altes Pferd. Die bei- geraten. und Stiere haben wir darauf trainiert, Menschen zu meiden – eine unerläss- liche Massnahme, um sie vor gefähr- lichen Begehrlichkeiten zu schützen. Auch sie können auf die Kompetenz und das Wohlwollen unseres Spezialis- ten zählen, der sie lehren wird, gelassen in einen Anhänger zu steigen. REISEN MIT SORGFALT … Nach den Rindern gehören die Schwei- ne zu den Tieren, deren Transport am heikelsten sein wird. Diese äusserst sensiblen Tiere sind dafür bekannt, unter starkem Stress einen Herzstill- stand zu erleiden – vor allem auf der Fahrt zum Schlachthof. Daher werden für sie besondere Transportbedingun- gen gelten: Es ist nicht ausgeschlossen, Wir müssen die beim letzten Sturm beschädigten Wohngebäude reparieren, weitere Solarzellen dass wir sie jeweils zu zweit in unse- installieren sowie IT-Unterstützung finden und einrichten. Diese ist unerlässlich, um mit der ren Autos mitnehmen! Um vor bösen Aussenwelt (Tierärzte usw.) überhaupt den Kontakt aufnehmen zu können. Überraschungen gefeit zu sein, haben Diese Gegend wird vom Telefon- und Stromnetz nicht versorgt. 9
TIER SCHUT Z NEUE HERAUSFORDERUNGEN Eine weitere Herausforderung ist Und schliesslich müssen wir, trotz Wie Sie sich sicher denken können, be- die Abgeschiedenheit des neuen Gna- der zahlreichen am neuen Standort be- schränkt sich unsere Aufgabe für die denhofs. Zwar ist sie unter Sicherheits- reits vorhandenen Sonnenkollektoren, kommenden Monate nicht auf die Vor- aspekten ein Segen, doch zugleich er- eine Möglichkeit finden, Internet und bereitung der Tiere und ihren Trans- schwert sie die Kommunikation mit Telefon über Satellit einzurichten und port. Denn parallel dazu muss sich der Aussenwelt sowie in medizinischen alle unsere Gebäude mit Strom zu ver- unser Team um die Ausstattung des oder tiermedizinischen Notfällen. Da- sorgen. neuen Gnadenhofs kümmern. Obgleich her müssen wir einen Anhänger kaufen, dieser ein echtes Paradies ist, fehlen der dazu geeignet ist, zwei Pferde in die Kurz, es liegt noch ein langer Weg noch einige zentrale Infrastrukturen, Klinik zu transportieren – die Tierklinik vor uns, doch das Ziel rückt näher. Das um unsere zahlreichen ehrenamtli- von Córdoba ist drei Autostunden ent- Wesentliche haben wir bereits erreicht: chen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fernt. Zudem müssen wir eine «Kran- Bald müssen wir nicht mehr um unser und unsere Angestellten bestmöglich kenstation» für die Tiere einrichten, die Leben und das unserer Schützlinge unterzubringen. vor Ort behandelt werden müssen. bangen! So müssen wir Material kaufen – und von unserem aktuellen Standort UMFANGREICHE PLANUNG UND ARBEIT mitnehmen – um Zäune zu errichten, damit unsere kleinen Gefährten nicht Unsere Teams aus Mitarbeitern und Freiwilligen arbeiten hart. Wir müssen den Umfang ausreissen. Auch die Wohngebäude, dieser 312 Hektaren einzäunen, damit wir im Falle eines Waldbrandes eine Brandmauer in denen wir unsere ehrenamtlichen aufstellen sowie den Zustand des Zaunes überprüfen, beschädigte Pfosten und Drähte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf- ersetzen können. Der zweite Schritt besteht darin, grosse Paddocks zu bauen, auf denen nehmen können, müssen restauriert Pferde, die alt sind oder gesundheitliche Probleme haben, sicher leben können. werden. Pony Tornadito wegen eines Beinbruchs behindert. Wir haben die Logistik des Transfers so organisiert, dass die Gruppen von Pferden nach Familie und Verwandtschaft aufgeteilt sind; das bedeutet, dass jedes Pferd mit seinen engsten Freunden reist, mit denen es immer zusammen- lebt und zu denen es eine enge Bindung gibt. Hier Mutter und Kind: Silvina und Soledad. 10
NR . 135 J A N U A R | F E B R U A R | M Ä R Z 202 1 Urwald auf Equidad. Zuoberst, der Rubintyrann (Pyrocephalus rubinus), links der Schwarstirntangare (Pipraeidea bonariensis) und rechts der Buntfalke (Falco sparverius). HEGEN, PFLEGEN, SCHÜTZEN Auf den 312 Hektaren unseres neuen Landes leben zahlreiche einheimische Tierarten, die im Wald ihre Heimat und ihre Nahrung finden. Hier können sie geschützt vor menschlichen Eingriffen leben. Aus diesem Grund wird die Naturforscherin Ximena Merelle Dherve eine Weile bei uns bleiben und alle wildlebende Tier- und Pflan- zenarten katalogisieren. So können wir Programme entwickeln, um sie besser schützen. Ximena hat bereits begonnen, die Vögel des Ortes zu fotografieren, die uns mit ihrer Schönheit und ihren Farben überraschen. 11
IHR TESTAMENT IHR TESTAMENT FÜRFÜR TIER TIER UNDUND NATUR NATUR Lassen Sie Lassen Sie Ihren Ihren letzten letzten Willen Willen für eine für eine lebenswerte Welt lebenswerte wirken! Welt wirken! — Dies ist eine Legende Dies ist eine Legende Dies Wünschen Sie über Ihr irdisches Leben hinaus Tiere und Natur zu schützen? ist eine Legende Dann bitten wir Sie, in Ihren letzten Verfügungen an die Fondation Franz Dies ist eine Weber zu denken. Legende.. FONDATION FRANZ FONDATION FRANZ WEBER WEBER Kontaktieren Sie uns telefonisch für eine vertrauliche und unverbindliche Postfach Postfach257,257,3000 3000Bern 13 13 Bern Beratung. Unsere Spezialistin, Lisbeth Jacquemard, unterstützt Sie gerne und T +41 (0)21 964 24 24 +41 (0)21 964 24 24 freut sich auf Ihre Anfrage. ffw@ffw.ch ffw@ffw.ch| www.ffw.ch | www.ffw.ch 12 29
NR . 135 J A N U A R | F E B R U A R | M Ä R Z 202 1 Massentierhaltung abschaffen, um neue Pandemien zu verhindern ! Mit ihrer hohen Zahl an Toten und Kranken heit ist, sondern auch ein ge- sellschaftlicher Skandal, der an verursacht die Covid-19-Pandemie schreckliches finsterste Zeiten erinnert. Leid. Und sie hat verheerende Auswirkungen auf MASSENTIERHALTUNG – EINE ENORME GEFAHR FÜR DIE die Wirtschaft und das Sozialleben. Zudem bringt GESUNDHEIT! Anerkannte Spezialisten und die Pandemie politische Auswüchse hervor. Doch Forscher sind sich darüber ei- nig, dass wir von jetzt an im zugleich macht sie das Offensichtliche deutlich: Zeitalter der Pandemien leben und dass ein Umdenken statt- Unsere Gesellschaft kann ihren finden muss. Und zwar im Hin- blick auf unsere Ernährungs- unverantwortlichen und zerstörerischen gewohnheiten ebenso wie – ja, mehr noch – auf unsere Metho- Kurs nicht länger weiterverfolgen. den der Tierhaltung. «Le Monde diplomatique» zitierte vor Kur- zem Wantanee Kalpravidh, die Es gilt nicht, die Welt von ges- gen den Klimawandel und für bei der Welternährungsorgani- tern wiederaufzubauen, son- den Tierschutz eintreten». Und sation (FAO) für Tiergesundheit dern die Welt von morgen zu für den Tierschutz können wir zuständig ist, um darzulegen, definieren. Dafür sprechen sich uns alle konkret stark machen, dass die starke Konzentration immer mehr Menschen aus, so zum Beispiel durch ein Ja zur von Tieren mit geringer gene- auch der Leiter der Weltgesund- Volksinitiative, die die Abschaf- tischer Diversität zusammen heitsorganisation (WHO), der fung der Massentierhaltung in mit dem massiven Einsatz von vor Kurzem bekräftigte: «Die der Schweiz fordert. Monat für Antibiotika eine enorme Gefahr Coronavirus-Pandemie wird Monat kommen neue Beweise für die Gesundheit darstellt. * nicht die letzte gewesen sein, hinzu, die die Stichhaltigkeit Und da Viren nicht vor Grenzen und alle Versuche, die Gesund- des Initiativtextes untermau- haltmachen, verbreiten sich JEAN-CHARLES KOLLROS heitssituation der Menschen zu ern: Sie belegen, dass diese Form Seuchen rasch über die ganze Journalist verbessern, sind zum Scheitern der Tierindustrie nicht nur eine Welt. Dass Erzeugnisse aus der — verurteilt, solange wir nicht ge- ernste Gefahr für die Mensch- Massentierhaltung meist für 13
TIER SCHUT Z den Export bestimmt sind, verschärft jedoch offensichtlich nie stattgefunden Und eine Wende zum Besseren ist das Problem offenkundig noch. hat. Ein Fakt, der all jene ins Grübeln nicht in Sicht, wie die Politiker der Re- bringen sollte, die allzu rasch denken, gion betonen: In den nächsten zehn HORRORSZENARIO? dass Volksinitiativen nutzlos sind oder Jahren werden 50 Prozent der Land- NEIN, TRAURIGE REALITÄT zu viel Zwang ausüben. wirte in den Ruhestand treten. Damit Ein Horrorszenario, werden Skeptiker wächst auch das Risiko, dass Frank- aller Couleur nun sagen! Leider nein: DIE BRETAGNE KEHRT DER reich noch stärker von ausländischer Das äusserst seriöse Internationale MASSENTIERHALTUNG DEN RÜCKEN Produktion abhängig wird (beinahe die Tierseuchenamt weist darauf hin, dass Die Bretagne, die nicht gerade als Hälfte des Geflügels wird importiert). sich die Zahl der Seuchen in 15 Jah- Heimstatt innovativer Utopisten gilt, ren mehr als verdreifacht hat. Neben verdient heute unsere besondere Auf- André Sergent, Präsident der Land- all den Gründen, die für die Annahme merksamkeit: Die bretonischen Vieh- wirtschaftskammer der Bretagne, plä- der Initiative gegen Massentierhaltung züchter wenden sich immer stärker von diert daher für einen Paradigmenwech- sprechen (Tierwohl, menschliche Ge- der Massentierhaltung ab, und zwar aus sel. So soll eine Strategie der Abkehr sundheit, Lebensqualität, usw.) und wirtschaftlichen Gründen ebenso wie vom «Produktivismus zugunsten einer die wir in unseren früheren Ausgaben aus Respekt vor den Tieren. Ausschlag- stärkeren Bindung an den Boden» den des Journal Franz Weber bereits her- gebend für diese neue Gesinnung war Viehzüchtern ermöglichen, anders zu ausgestellt haben, ist dies ein weiterer der dramatische Rückgang der Betrie- produzieren. Und dies gelingt ganz of- schlagkräftiger Beweis dafür, dass die be, was die Landwirtschaftskammer fensichtlich nur durch einen schritt- Initiative für die Erhaltung der Gesund- der Region Bretagne dazu veranlasste, weisen Ausstieg aus der Massentierhal- heit und der Sicherheit unerlässlich ist. schrittweise auf ein ethisch korrekteres tung. und weniger produktivitätsorientiertes DEUTSCHLAND STELLT SEINE Produktionsmodell umzustellen. EIN WEITERER BEWEIS: FLEISCHINDUSTRIE INFRAGE DIE NERZ-INDUSTRIE Die Schweiz mag nicht das Land mit Die Zahlen sprechen eine deutliche Nerze stehen im Verdacht, zur Ver- den schlimmsten Auswüchsen sein. Sprache: Jedes Jahr gründen zwischen breitung des Coronavirus beizutragen Dennoch kann sie sich nicht mit ei- 600 und 700 Junglandwirte in der Bre- und Wirte für Mutationen des Virus zu nem System zufriedengeben, welches tagne einen Viehzuchtbetrieb. Im sel- sein. Damit liefern auch sie uns einen das Tierwohl mit Füssen tritt und die ben Zeitraum werden 2 000 Betriebe indirekten, tragischen und morbiden Gesundheit der Menschen gefährdet. aufgegeben, weil Landwirte in den Ru- Beweis für die Gefahren der indust- Tatsächlich begreifen einige Länder hestand gehen oder sich beruflich neu riellen Tierhaltung – aller Formen der allmählich, dass das Inakzeptable orientieren. Ein häufiger Grund für die industriellen Tierhaltung. Sie werden nicht länger akzeptiert werden kann. Betriebsaufgabe ist auch soziale Un- nun massenhaft niedergemetzelt und Deutschland etwa ist gerade dabei, die sicherheit, wenn die Absatzmöglich- geschlachtet und entrichten so der Zustände in seiner Fleischindustrie zu keiten zu gering und die Einkünfte zu menschlichen Dummheit einen trau- verbessern. Mehrere Schlachthöfe in niedrig sind. rigen Tribut. Denn eigentlich sollte es unserem Nachbarland mussten den Betrieb einstellen, da die Coronazah- len dort explodierten. Die Lage war so ernst, dass eine grundlegende Reform eingeleitet wurde, wie sie der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil öffent- lich gefordert hatte: «Ein Wirtschafts- modell, das auf Ausbeutung und der Verbreitung von Epidemien basiert, darf nicht toleriert werden». Nebenbei bemerkt, hatte die Bran- che jahrelang ihre Bereitschaft zur Selbstregulierung bekräftigt, welche 14
NR . 135 J A N U A R | F E B R U A R | M Ä R Z 202 1 der gesunde Menschenverstand gebie- durch Tierleid verursachten Krankhei- tuell befinden, zur Genüge, dass die ten, nicht den Tieren die Schuld zu ge- ten kommen die Gesellschaft teuer zu demokratische Volksinitiative nicht ben, sondern ihren Haltungsbedingun- stehen. Weltweit lösen jährlich etwa 56 nur dem legitimen Tierwohl zugute- gen, die so aussehen, dass Tausende Zoonosen bei 2,5 Milliarden Menschen kommt, sondern auch der Gesellschaft oder gar Zehntausende Nerze zusam- Krankheiten aus, die für 2,7 Millionen im Allgemeinen. Denn nur so können mengepfercht sind. von ihnen tödlich enden. Die WTO wir verhindern, dass die Lebensfreude schätzt den Verlust pro Jahr auf 300 nach und nach einer alltäglichen Höl- Vielleicht hat der Mensch geglaubt, Milliarden Dollar. le, gesellschaftlichem Widerstand und mit der Stigmatisierung der Nerze eine Es gibt also wichtige Gründe für die ständiger Angst weicht. Lösung gefunden zu haben. Doch, wie Abschaffung der Massentierhaltung in All das müssen wir uns bewusst ma- unsere Kolleginnen und Kollegen von der Schweiz – ebenso wie in anderen chen, wenn die Zeit gekommen ist, an «Le Courrier» erst vor Kurzem in einem Ländern, wenn wir verhindern wol- der Wahlurne mit einem JA der Hoff- exzellenten Dossier herausgestellt ha- len, dass sich die Tierquälerei einfach nung zu stimmen. Schon jetzt ist es ben, hat er damit nur ein echtes Prob- ins Ausland verlagert und rechtschaf- wichtig, Familie, Freunde und Bekann- lem in den Fokus gerückt: Nerzfarmen, fene Schweizer Landwirte das Nach- te davon zu überzeugen, dass wirklich vor allem die grössten unter ihnen, sehen haben. Darüber hinaus beweist dringend gehandelt werden muss. sind erwiesenermassen Brutstätten die schlimme Lage, in der wir uns ak- für Mikro-Organismen, von denen ein extrem hohes Gesundheitsrisiko aus- geht. Schlimmer noch: Die meisten der betroffenen Länder verharrten mona- DIE BASKISCHE ENTE LEISTET WIDERSTAND telang in einer Verweigerungshaltung Es war einmal eine Handvoll unbeugsamer Viehzüchter. Wie die Gallier in «Asterix und und spielten die Gefahr herunter, um Obelix», so leisten auch die Produzenten der schwarzen Enten «Kriaxera» des französi- die – an sich schon skandalöse – Pelzin- schen Baskenlandes Widerstand. Sie leisten Widerstand, indem sie sich zum Fortbestand dustrie zu schützen. Und auch hier ist einer traditionellen Rasse und einer traditionellen Form der Tierhaltung ohne «genetische es nicht übertrieben zu betonen, dass Basteleien» bekennen. In einer Welt, in der die Massenproduktion oberstes Gebot ist, solche Massentierhaltungsbetriebe mit schwimmen sie gegen den Strom. Wurden diese Tierhalter bisher als Wesen von einem den für sie typischen Problemen – Kon- anderen Stern betrachtet – es gibt nur etwa ein Dutzend Kriaxera-Farmen – rücken sie zentration der Tiere auf engem Raum, nun unerwartet in den Fokus. Grund dafür ist die derzeit explosionsartige Ausbreitung der Stress, Verletzungen und genetische Vogelgrippe in Südfrankreich, die einmal mehr für Millionen von Enten das Todesurteil Verwandtschaft – veritable Massenver- bedeutet – als «gesundheitliche Vorsichtsmassnahme». Und da die Kriaxera offenbar nichtungswaffen sind, die uns alle be- von der Vogelgrippe verschont bleiben, werden die Bestände ihrer Züchter wahrscheinlich drohen. als einzige in Frankreich der willkürlichen Schlachtung entgehen! MASSENTIERHALTUNG VON Eine Studie über die Kriaxera soll nun herausfinden, ob sie ihre Immunität einem GÄNSEN UND ENTEN: WIR HABEN besonderen Gen oder ihren Haltungsbedingungen verdanken. Tatsächlich werden diese ALLEN GRUND ZUR SORGE! hübschen Schwimmvögel auf einzigartige Weise gezüchtet: Wie früher wachsen sie in Bislang ist die Vogelgrippe nicht auf kleinen Gruppen im Gebirge heran. Auf den Entenfarmen werden maximal 2 000 Tiere den Menschen übertragbar. Dennoch gehalten, während es in den Tierhaltungsbetrieben im übrigen Frankreich manchmal ist auch sie für die Probleme im Zusam- mehr als 20 000 Enten sind; und die werden später als auf anderen Farmen geschlach- menhang mit der Massentierhaltung tet. «Wenn die Immunität mit den Haltungsbedingungen zusammenhängt, könnte dies höchst aufschlussreich. Als im Herbst die gesamte Branche veranlassen, ihr Wirtschaftsmodell in Frage zu stellen», erläutert 2020 in 46 französischen Departe- Isabelle Pargade, Bürgermeisterin von Hasparren, Pays Basque. «Die Massentierhaltung ments – darunter vier nahe der Schwei- wirbelt auf fatale Weise das Erbgut durcheinander, stresst das Tier und schwächt so sein zer Grenze – eine Warnung vor der Vo- Immunsystem», bekräftigt ein Viehzüchter in einem Interview mit der Libération. Die gelgrippe ausgegeben wurde, wurden Studie wird uns Gewissheit bringen, doch eines ist schon jetzt sicher: Unter dem dunklen wiederum mehr als eine Million Gänse Gefieder der Kriaxera leuchtet ein Schimmer der Hoffnung hervor – auf eine Rückkehr zu und Enten getötet. Denn über 300 Mas- ethischeren, regionaleren und vernünftigeren Arten der Tierhaltung. sentierhaltungs-Betriebe im Land wa- AMBRE SANCHEZ ren von der Infektion betroffen. Diese 15
TIER SCHUT Z Millionen Tiere verlieren ihr Leben für Impfstoffe Die fieberhafte Suche nach einem Heilmittel gegen Covid 19 bezahlen viele Tiere mit ihrem Leben. Einige von ihnen werden wir dadurch nahezu ausrotten. Angefangen bei Mäusen und Affen bis hin zu Pfeilschwanzkrebsen und Haien werden Millionen Tiere zur Gewinnung von Arzneimitteln sowie für Experimente gequält und getötet. In der Hoffnung, auf diese Weise wirksame Impfstoffe gegen die Pandemie zu finden. * ADAM CRUISE Journalist & Autor – Die Leber zahlreicher Haiarten enthält Millionen Haie auf der ganzen Welt ge- erst nach zehn Jahren geschlechtsreif – und ein spezielles Öl, das es den Tieren er- fangen, um ihr Squalen zu gewinnen.1 nur wenige Junge bekommen.2 möglicht, den Druck in der Tiefsee zu Ein Drittel aller Haiarten ist vom Ausserdem könnte der Verlust der wichtigs- überleben. Haifisch- Leberöl – auch Aussterben bedroht. Es ist zu befürch- ten Meeresräuber katastrophale Folgen für die Squalen genannt – ist eine fetthaltige ten, dass die gestiegene Nachfrage nach gesamte Meeresumwelt haben, da Haie diese Substanz, die für den lebenswichtigen Squalen für Impfstoffe sie noch stärker Ökosysteme intakt halten. Sterben die Spitzen- Auftrieb dieser vom Aussterben be- gefährden könnte. Fischer machen ge- prädatoren der Meere aus, so wird das gesamte drohten Arten sorgt. Leider ist Squalen zielt Jagd auf Tiefseearten, welche die Tiefsee-Ökosystem darunter leiden. auch ein Wirkstoffverstärker (Adjuvans) grössten Lebern und damit die höchste in Impfstoffen, der das Immunsystem Konzentration des Öls besitzen. Doch PFEILSCHWANZKREBSE FÜR MEDIKAMENTE stärkt und die Wirksamkeit der Vakzi- bei diesen Haien ist die Gefahr der Die meisten Pharmaunternehmen setzen auf ne erhöht. Laut «National Geographic» Überfischung besonders hoch, da sie Pfeilschwanzkrebse, um Medikamente für werden jedes Jahr mindestens drei langsam heranwachsen. Einige werden den Menschen sicher zu machen. 16
NR . 135 J A N U A R | F E B R U A R | M Ä R Z 202 1 Sammler fangen Pfeilschwanz krebse, wenn sie zum Brüten an Land kriechen. Sie werden in Labors gebracht und dort mit einer Kanüle am Herzen angepiekst, um etwa ein Drittel ihres Blutes abzuzapfen. Wie schmerzvoll die Prozedur ist, kann man nur erahnen. Gestresst und geschwächt werden sie wieder frei gelassen. 30 Prozent überleben nicht. 17
TIER SCHUT Z Pfeilschwanzkrebse sind keine ech- Jagd auf Pfeilschwanzkrebse zweifel- und andere körperliche Eigenschaften ten Krebse, sondern näher mit den los so intensiv betrieben werden, dass haben als wir. Viele vertreten die Auf- Arachniden, wie etwa Spinnen, ver- den Tieren die weltweite Ausrottung fassung, dass Tierversuche die Ent- wandt. Ihr leuchtend blaues Blut ent- droht. Auch die Zerstörung der mari- wicklung von Arzneimitteln für den hält einen wichtigen Extrakt, der aus- nen Küstenökosysteme dürfte dadurch Menschen verzögern.7 serordentlich empfindlich auf giftige ein nie gekanntes Ausmass erreichen. Bakterien reagiert. Trifft dieser Extrakt Ebenso wie Haie leisten diese Krebse NICHT-TIERISCHE ALTERNATIVEN auf eindringende Bakterien, so gerinnt einen massgeblichen Beitrag zum Er- Doch es existieren zahlreiche wirksa- er um sie herum und schützt den rest- halt anderer Tierarten in ihrer Umge- me, weniger kosten- und zeitaufwändig lichen Körper des Pfeilschwanzkrebses bung. So erklärt die IUCN: «Der Pfeil- herstellbare, nicht-tierische Produkte, vor Giften. Forscherinnen und For- schwanzkrebs ist ein entscheidendes die für Covid-19-Vakzine verwendet scher haben mithilfe dieser Blutzellen Bindeglied in der biologischen Vielfalt werden könnten. Squalen etwa kommt einen Test entwickelt, mit dem neue der Küsten. Eine seiner ökologischen nicht nur in Haien vor. Auch Pflanzen, Impfstoffe auf Verunreinigungen ge- Funktionen besteht darin, Millionen wie Zuckerrohr, Oliven, Amaranthsa- prüft werden können. Diese Technik Eier auf den Stränden abzulegen, die men und Reiskleie enthalten den In- wird seitdem weltweit eingesetzt, um Küstenvögeln, Fischen und anderen haltsstoff.8 die Ausgabe von Impfstoffen zu ver- Wildtieren als Nahrung dienen. Seine Dasselbe gilt für Pfeilschwanzkreb- hindern, die für den Menschen schäd- grosse, harte Schale bildet ein Mikro- se. Wie aus einem Artikel von Wissen- liche und potenziell krankmachende habitat für zahlreiche andere Arten, schaftlern des Natural History Muse- Bakterien enthalten. Pharmaunterneh- wie Schwämme, Mangrovenkrabben, um in London hervorgeht, erkannten men fangen in den USA alljährlich eine Muscheln und Schnecken.» Ohne Pfeil- halbe Million Pfeilschwanzkrebse ein, schwanzkrebse werden die Meeresküs- zapfen ihnen bei lebendigem Leib tenökosysteme kollabieren.5 1 Meneguzzi, J. (13. November 2020) Why covid- Blut ab, um Impfstoffe überprüfen zu 19 vaccine could further endanger deep-sea sharks können, und werfen sie anschliessend VERSUCHSTIERE National Geographic ins Meer zurück – woraufhin viele von Hunderttausende Mäuse, Affen, Frett- 2 Ibid. ihnen sterben. Diese Praxis hat in den chen, Hamster, Katzen, Kaninchen und 3 Pavid, K. (3. Dezember 2020) Horseshoe crab letzten Jahrzehnten zu einem dramati- Schweine werden aktuell als Versuchs- blood: the miracle vaccine ingredient that's saved schen Rückgang der Art geführt.3 tiere verwendet, um die möglichen millions of lives Natural History Museum Auswirkungen eines Impfstoffs oder 4 Ibid. VIELE TIERE SIND AUSGESTORBEN einer Behandlung gegen Covid-19 auf 5 Ibid. 2019 forderten die Weltnaturschutz- den menschlichen Körper zu prognos- 6 Saunders, S. 7 things you need to know about union (IUCN) und andere Umwelt- tizieren. Die Tiere werden absichtlich experiments on animals and covid-19 People for the schutzorganisationen auf der ganzen mit Covid-19 infiziert und die Auswir- Ethical Treatment of Animals (PETA) Welt strengere Regeln zum Schutz von kungen analysiert. Die meisten von ih- 7 Prater, D. (9. April 2020) Scientists Worldwide Work Pfeilschwanzkrebsen, mehr wissen- nen sterben oder müssen aufgrund der to Fight COVID-19 Without Hurting Animals People for schaftliche Forschung und einen bes- Ansteckungsgefahr, die von ihnen aus- the Ethical Treatment of Animals (PETA seren Schutz des Küstenlebensraums geht, getötet werden. Einigen Tieren, 8 Meneguzzi, J. (13. November 2020) Why covid-19 der Tiere. Zahlreiche Arten gelten als wie zum Beispiel Affen, werden das Ge- vaccine could further endanger deep-sea sharks gefährdet, sind in Taiwan bereits aus- hirn, die Lunge und anderes Gewebe National Geographic gestorben und könnten auch in Hong- entnommen, die als Teil der Impfstoffe 9 Pavid, K. (3. Dezember 2020) Horseshoe crab kong und anderen Regionen Asiens dienen sollen.6 blood: the miracle vaccine ingredient that's saved bald aussterben.4 millions of lives Natural History Museum Diese Tierversuche sind zeitraubend 10 Arnold, C. (2. Juli 2020) Horseshoe crab blood is Und das war noch vor Covid-19. und kostspielig. Zudem sind zahlrei- key to making a COVID-19 vaccine—but the ecosystem Pfeilschwanzkrebse werden seit den che Wissenschaftlerinnen und Wissen- may suffer National Geographic 1970er Jahren gejagt, um ihnen Blut schaftler der Ansicht, dass die Ergeb- 11 Galster, S. (24. Februar 2021) Wuhan is our wake- abzuzapfen. Nun, da die Pandemie nisse dieser Versuche nicht eins zu eins up call, we must stop the commercial trade in wild ausgebrochen ist und Milliarden Men- auf den Menschen übertragbar sind, animals to prevent further pandemics The Indepen- schen Impfstoffe benötigen, wird die da die Tiere andere Immunsysteme dent 18
NR . 135 J A N U A R | F E B R U A R | M Ä R Z 202 1 Laut IUCN ist «Der Pfeilschwanzkrebs ein entscheidendes Bindeglied in der biologischen Vielfalt der Küsten. Eine seiner ökologischen Funktionen besteht darin, Millionen Eier auf den Stränden abzulegen, die Küstenvögeln, Fischen und anderen Wildtieren als Nahrung dienen. Seine grosse, harte Schale bildet ein Mikrohabitat für zahlreiche andere Arten, wie Schwämme, Mangrovenkrabben, Muscheln und Schnecken.» Ohne Pfeilschwanzkrebse werden die Meeresküstenökosysteme kollabieren. Biologen der Universität von Singapur unternehmen machen allerdings wenig Während die Welt krampfhaft in den späten 1990er Jahren, dass sich Gebrauch von synthetischen Inhalts- versucht, mithilfe von Tieren eine durch Klonen eines im Blut der Krebse stoffen und alternativen Tests. Und so Behandlung der gesundheitlichen enthaltenen Moleküls eine syntheti- werden Wild- und Labortiere weiterhin und wirtschaftlichen Symptome der sche Alternative im Labor herstellen millionenfach getötet werden.10 Coronavirus-Pandemie zu finden, ver- lässt. Einige Regierungen, darunter die nachlässigt sie die eigentliche Ursa- japanische und die chinesische, haben DIE URSACHE BEKÄMPFEN che des grossen Problems. Wenn wir diesen synthetischen Tests die Zulas- Natürlich besteht der beste Umgang verhindern wollen, dass erneut eine sung erteilt. Wahrscheinlich werden mit einer Pandemie darin, dafür zu sor- Covid-19-ähnliche Pandemie aus- für einen neuen, in Grossbritannien gen, dass sie gar nicht erst ausbricht. bricht, müssen wir unseren derzeiti- hergestellten Covid-19-Test ebenfalls Die meisten Pandemien, darunter auch gen Umgang mit Tieren knallhart über- synthetische Inhaltsstoffe verwendet Covid-19, wurden dadurch ausgelöst, denken. Dazu gehört auch, dass wir werden, die auch von der Europäischen weil Menschen Tiere essen und züch- die Eroberung und Ausbeutung ihrer Union zugelassen sind. Pfizer gab an, ten. Beinahe alle Ausbrüche von Zoo- Lebensräume, den Fang, den Handel für die Herstellung seines Vakzins kein nosen in den letzten 120 Jahren gehen mit und die Zucht von Tieren, Tierver- Krebsblut zu verwenden.9 direkt auf die ausbeuterische Nutzung suche und unseren Konsum von Tie- Die meisten Länder, wie etwa die USA, und den Konsum von Tieren und tieri- ren und tierischen Produkten massiv sowie die Mehrheit der grossen Pharma- schen Produkten zurück.11 zurückfahren. 19
TIER SCHUT Z Stierkampf in Ecuador Der Volkswille hat in Ecuador den Stier- kampf durch ein Referendum abgeschafft. Die im Andenland wirtschaftlich und politisch sehr einflussreiche Stierkampf lobby hat jedoch beim Verfassungsgericht * RUTH TOLEDANO eine Beschwerde eingereicht, um das Verbot Schriftstellerin & Journalistin — dieser grausamen Spektakel zu kippen. Die Zukunft des Stierkamps in Ecuador über die Rechtmässigkeit des Stier- Strategien angewandt hat, um das Ver- ist eine Schachpartie, die noch nicht zu kampfs forderten. Im Mai 2011 wurde bot aufrechtzuerhalten. Ihre Gegne- Ende ist. Auf dem Spielbrett, auf dem dieses Referendum abgehalten. Dabei rin am Spielbrett ist eine in Ecuador diese Partie zwischen einer grausamen siegte die Position der Stierkampfgeg- äusserst mächtige und einflussreiche Vergangenheit und einer friedlichen ner in beinahe allen Kantonen über Lobby. Der letzte Schachzug der Stier- Zukunft immer noch ausgetragen wird, die der Stierkampfanhänger, auch in kampflobby bestand darin, die Debatte hat sich die Fondation Franz Weber der Hauptstadt Quito, wo regelmässig vor das Verfassungsgericht zu bringen. mit ihrem Beitrag zur Abschaffung das wichtigste Stierkamkpffest Latein des Stierkampfs als ernstzunehmende amerikas gefeiert wurde, die «Feria de Im September 2020 liess das ecuado- Spielerin positioniert. Bis zum Urteils- Jesús del Gran Poder». rianische Verfassungsgericht eine Ver- spruch ist die Partie in der Schwebe. fassungsbeschwerde zu, die der Ver- DER SCHACHZUG band der professionellen Toreros von Im Jahr 2010 war die Fondation DER STIERKAMPFLOBBY Ecuador eingereicht hatte. Ziel war es, Franz Weber (FFW) federführend bei Seitdem hat unsere Stiftung Hand in die Verfassungsmässigkeit der Volks- der internationalen Unterstützung der Hand mit den Organisationen vor Ort befragung von 2011 über das Verbot Tier- und Umweltschutzorganisatio- eine regelrechte Schachpartie gespielt, von Stierspektakeln in Frage zu stellen, nen Ecuadors, welche ein Referendum wobei sie rechtliche und politische bei denen es darum geht, die Tiere zu 20
NR . 135 J A N U A R | F E B R U A R | M Ä R Z 202 1 töten. Mit diesem Schachzug erhoff- Gesetzgeber stellt, insbesondere wenn Leid, die Misshandlung, den Tod oder ten sich die Toreros eine Annullierung es sich um Tiere handelt, die bei Veran- einen Angriff auf das Wohlergehen von des Ergebnisses, das den Stadtrat von staltungen, Ausstellungen und Spielen Tieren impliziert, sowie jede andere Art Quito dazu bewogen hatte, mehrere eingesetzt werden. Ferner legte sie dar, von Spektakel, bei denen Kämpfe zwi- Verordnungen zur Abschaffung des wie sich eine Kultur des Tierschutzes schen Tieren oder zwischen Tieren und Stierkampfs zu verabschieden, sowie im Gegensatz zu einer Kultur der Tier- Menschen stattfinden, ist ausdrücklich die Annullierung des Stierkampfspek- quälerei manifestiert, eine Kultur des verboten». takels. Friedens anstelle einer Kultur der Ge- Die Stierkampfanhänger brachten walt. Sie ging auf die Interessen ein, die BEVÖLKERUNG SAGT NEIN etliche Argumente aufs Schachbrett, bei einem Verbot des Einsatzes von Tie- ZUR TIERQUÄRELEI um die Verfassungsmässigkeits-Staktik ren und der Abschaffung bestimmter Zweifellos stellt dieses neue Verbot in auszuspielen, die ihnen ermöglichen Aktivitäten auf dem Spiel stehen und Quito, das nicht nur für Stierkämpfe, sollte, weiterhin Tiere zu quälen und zeigte auf, dass der Stierkampf mit dem sondern auch für zahlreiche andere zu töten: Sie führten einen Verstoss Schutz von Kindern und Jugendlichen Praktiken der Tierquälerei, wie etwa gegen das in der Verfassung verankerte ebenso wenig vereinbar ist wie mit ih- Hahnenkämpfe, gilt, einen gross- Gleichheitsrecht an sowie die Diskrimi- rem Recht, nicht Formen der Gewalt artigen Sieg dar und sendet eine klare nierung ihrer kulturellen Identität; sie ausgesetzt zu werden, die durch inter- Botschaft an das Verfassungsgericht, beschuldigten den ecuadorianischen nationale Verträge, wie die UNESCO- die da lautet: Schach! Oder anders ge- Staat, seine Verpflichtung zum Erhalt Konvention zur Erhaltung des immate- sagt: Die ecuadorianische Bevölkerung der kulturellen Diversität zu verletzen; riellen Kulturerbes, geschützt sind. sagt Nein zur Tierquälerei zu Unter- sie beriefen sich auf die Meinungsfrei- Unsere Anwältin veranschaulichte haltungszwecken. Und sollte das Ge- heit. Verfassungsgerichte in anderen ihre Intervention, indem sie die Erklä- richt ein Urteil fällen, das dem Willen Ländern, so führten sie an, hätten den rung des Stierkampfs zum Kulturerbe des Volkes widerspricht, würde es die Stierkampf unter Schutz gestellt. in Spanien anführte, die Abschaffung Rückkehr der – von der Mehrheit ab- des Stierkampfs in Katalonien und das gelehnten – Gewalt gegen Stiere in den ARGUMENTE FÜR DIE darauffolgende Urteil des Verfassungs- Kantonen ermöglichen, in denen noch STIERKAMPF-ABSCHAFFUNG gerichts, das allerdings keine Auswir- keine Regelung existiert. Am 17. Dezember 2020 fand die öffent- kungen hatte, da der Stierkampf nicht Noch wissen wir nicht, wie diese Par- liche Anhörung des Falles online statt. nach Katalonien zurückgekehrt ist. tie ausgeht. Die Fondation Franz Weber Anna Mulà, Rechtsanwältin der Fon- Nachdem nun die Argumente für hält jedoch an ihrer Linie fest, weiter- dation Franz Weber, erschien vor dem und gegen die Klage vorgelegt wor- hin ihre Strategien anzuwenden und ecuadorianischen Verfassungsgericht den sind, ist das Verfassungsgericht in ihre besten Taktiken auf dem Spiel- als amicus curiae, also als eine Person, die Beratungsphase eingetreten. Der brett einzusetzen, damit die Kultur der die rechtlich vorgesehen ist, um ihre Rechtsstreit ist noch nicht entschie- Gewalt und des Todes in dem Anden- fachliche Meinung beizusteuern und den. land nicht wieder auflebt. Wir werden mit dem Gericht zusammenzuarbei- die Partie, die wir im Namen des Tier- ten. Zweck ihres Auftritts vor Gericht, NEUER SCHACHZUG schutzes spielen, nicht aufgeben. Denn der umfänglich aufgezeichnet wurde, DER STIERKAMPFGEGNER wie wir von Dr. Siegbert Tarrasch, ei- war es, die Kriterien darzulegen, die Die Rochade der mächtigen ecuado- nem eingefleischten Schachspieler ge- für eine Abweisung der von den Stier- rianischen Stierkampflobby, die sich lernt haben: «Der beste Zug im Schach, kampfanhängern geltend gemachte hinter der Justiz verstecken wollte, wie im Leben, ist stets – der gemachte». Verfassungswidrigkeit sprechen. um weiterhin Gewalt gegen die Tiere Die Argumente, die Mulà für die ausüben zu dürfen, konnte einen neu- Abschaffung des Stierkampfs präsen- en Schachzug der Stierkampfgegner tierte, basieren auf Ethik und einer jedoch nicht verhindern. Nur wenige fortschrittlichen Rechtsauffassung: Tage später veröffentlichte der Stadtrat Sie wies auf die Entwicklung des Tier- von Quito eine Verordnung, die Spekta- schutzes aus rechtlicher Sicht hin so- kel mit Tieren untersagt: «Jede Art von wie auf die neuen Herausforderungen, öffentlichem oder privatem Spektakel die der Rechtsstatus der Tiere an den im Stadtgebiet von Quito, welches das 21
TIER SCHUT Z Der Zoo Zürich will uns weismachen, dass ein Elefantenbaby eines natürlichen Todes gestorben ist ! Im August 2020 brachte die Elefantenkuh Omysha im Zoo Zürich ihr erstes Elefantenbaby zur Welt. Anschliessend trampelten die ande- ren Elefanten des Geheges das Neugeborenes * – kurz nachdem es das Licht der Welt erblickt ANNA ZANGGER Rechtsanwältin hatte – zu Tode. Der Vorfall zog eine interne — Untersuchung im Zoo nach sich, deren Ergebnis vor Kurzem veröffentlicht wurde: Den Zoobetreibern zufolge handelte es sich um ein vollkommen «natürliches» Verhalten der Elefantenherde. Nach Ansicht der Fondation Franz Weber, die sich dabei auf die Schluss- folgerungen eines Experten für die Biologie der Elefanten stützt, ist das nicht wahr! 22
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