Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
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Prof. Dr. Reinhold Ortner: Wenn du Gott suchst 35 Prof. Dr. Hubert Gindert: Hat die deutsche Ortskirche mit „weiter so!“ eine Zukunft? 48 Jürgen Liminski: Nach außen Demokratie, nach innen Tyrannei 52 Katholisches Wort in die Zeit 49. Jahr Februar 2018 DER FELS 2/2018 33
INHALT Liebe Leser, Die Zeitung, für die Ger- Vorbilder braucht unsere Zeit: lich schrieb, hieß „Der gerade Prof. Dr. Reinhold Ortner: Es gibt sie! Weg“. Ein passender Name. Zu Wenn du Gott suchst ............................. 35 Am 16. Dezember wurde im Gerlichs Zeit wurde in der po- Münchner Liebfrauendom der litischen Auseinandersetzung P. Dr. Dr. Andreas Hirsch FSSP: Seligsprechungsprozess für den die Wahrheit besonders von den Liebende Ganzhingabe in der Nationalsozialisten auf den Kopf Nachfolge Jesu Christi – der Zölibat . .... 37 Journalisten Fritz Gerlich er- öffnet. Kardinal Marx verglich gestellt. Adolf Hitler, Goebbels Gerlich in seiner Predigt mit und Co stellten die größte Ge- Pfr. Dr. François Reckinger: Johannes dem Täufer: „Johan- fahr für das Volk dar. Gerlich Die Ehe und ihre Unauflöslichkeit . ........ 39 nes sei kein unbeteiligter Zeuge war ihr entschiedenster Gegner. Diakon Raymund Fobes: gewesen, sondern ein Märtyrer, Dafür wurde er am 1. Juli 1934 Denn meine Augen haben der selbst betroffen gewesen sei im KZ Dachau ermordet. das Heil gesehen ................................... 46 und aus tiefer Überzeugung ge- Wenn aber Kardinal Marx handelt habe… Gerlich sei ein in seiner Predigt sagte: „Viele, Dr. Eduard Werner: Mann auf der Suche gewesen… auch viele Christen sind dieser Reformer und Wegbereiter in Kirche unter Einsatz seines Lebens habe Ideologie gefolgt“, so müsste und Welt: Georges Lemaitre................... 47 diese Aussage gerechterweise er sich auf die Seite des Lichts gestellt und sein Leben für die differenziert werden. Es waren Prof. Dr. Hubert Gindert: Christen, die in ihrem Glauben Hat die deutsche Ortskirche mit Wahrheit riskiert“ (Tagespost, 19.12.2017). heimatlos geworden waren – und „weiter so!“ eine Zukunft? ...................... 48 Fritz Gerlich ist noch nicht es waren, wie das Wahlverhalten Jürgen Liminski: selig gesprochen. Er ist trotzdem nach Konfessionen zeigt, in der Nach außen Demokratie, ein Vorbild. Gerlich wollte im- großen Mehrheit Protestanten. nach innen Tyrannei . ............................. 52 mer der Wahrheit auf den Grund Da Fritz Gerlich gegen jede gehen. Deshalb fuhr er nach Form von Diktatur auftrat würde Dr. Udo Hildenbrand: Konnersreuth, um den „Schwin- der Gott- und Wahrheitssucher Saladin: Toleranz-Ikone oder del“ mit Resl aufzudecken. Dort Gerlich heute auch gegen die „Schwert des Islam“? . ........................... 56 Diktatur des Relativismus aufste- erfuhr er nicht nur die Wahrheit über die Resl, er entdeckte mehr: hen, die nach Joseph Ratzinger Die Wahrheit der katholischen „nichts als endgültig anerkennt Auf dem Prüfstand ................................. 60 Kirche. Aus dem Saulus wurde und als letztes Maß nur das eige- Bücher ................................................... 62 Veranstaltungen . ................................... 63 ein Paulus. Konnersreuth wurde ne Ich und seine Gelüste gelten für Fritz Gerlich zum Damas- lässt“. Dieser Relativismus ist kus seines Lebens. Nach seiner das Credo des heutigen Zeitgeis- Impressum „Der Fels“ Februar 2018 Seite 63 Konversion nahm er den Kampf tes. Er ist auch in die Kirche ein- Redaktionsschluss ist jew. der 5. des Vormonats gegen seine persönlichen Schwä- gedrungen. Deswegen wird sich Titelbild: Darstellung des Herrn chen und Fehler ernst. Damit die Zustimmung für Fritz Ger- Fresko, Arenakapelle, Padua von Giotto di Bondone sagt er auch uns etwas, wenn wir lich sowohl in den säkularen wie von 1304 und 1306 gemalt. Erläuterung: S. 62 Foto- und Quellennachweise: am 14. Februar, dem Aschermitt- auch in den kirchlichen Medien Fotos: 35 oben: Kunstschätze des Vatikans, D. Redig woch, zur Umkehr aufgerufen in Grenzen halten. Gerade des- de Campos, Dt. Bücherbund Stuttgart, S. 32; unten: un- werden. 1931 schrieb Fritz Ger- wegen ist das Beispiel von Fritz bek. Meister „aus Cserény“, Beuroner Kunstverlag; 36, 48 re, 49 li, 50 re, 51 li, 56, 57 wikimedia gemeinfrei; lich über sich: „Mein Lebensweg Gerlich so zeitgemäß! 37-38 Wigratzbad, Priesterseminar St. Petrus 39 G. Gu- … ist durch viele, viele Irrtümer adalupi, Die Bibel, K. Müller, S. 169; 40-43 J. Browker Bibel-Handbuch, d. Kindersley, S. 206, 212, 218; 44 hindurchgegangen … aber unser Evangeliar für die Hochfeste des Kirchenjahres, Faksi- Herr und Heiland Jesus Chris- mile Wiedergabe aus dem Codex aureus, Eos-Verlag, tus wird dem Manne, der wegen S. 104; 46 R. Fobes; 48 li: Fresko von Paulus in Mi- chael Hesemann: Paulus von Tarsus; S. 248,Nr. 46; der offenen Aussprache seiner Sankt-Ulrich-Verlag, Augsburg; 49 re, 50 li: Archiv; 51 Überzeugung mit dem Strick um re: Bistum Regensburg; 52-55 J. Liminski; 56 photo of den Hals eines Tages zum letzten Saladin (Selahedin) Mausoleum is courtesy of TripAd- visor-g294011-d324812-i23433778 Urteil vor ihn hin tritt, sicher Mit den besten Wünschen Quelle S. 64: Otfrid Pustejovsky in „Zeugen für vieles verzeihen“ (Tagespost aus Kaufering Christus“ I Seite 861, hrsg. v. Helmut Moll 19.12.2017). Ihr Hubert Gindert 34 DER FELS 2/2018
Reinhold Ortner: Wenn du Gott suchst Einst lebten Menschen auf einer Insel, die von einem weiten Meer umschlossen war. mehr. Sie fingen an, in ihr Leben Liebe und Güte einzubringen. Opfer, Nachteile und Widerstände schreck- Diese Insel war ihnen zur gewohnten ten sie nicht ab. Trotz Spott und Be- Heimat geworden. Sie hatten sich drohung seitens ihrer Mitwelt wagten dort häuslich eingerichtet. Sie aßen, sie den Aufbruch und verließen mit tranken, arbeiteten, schliefen, heira- einem Schiff die Insel. teten und bekamen Kinder, denen sie Und siehe, als sie im Glauben und ihre Insel weiter vererbten. Vertrauen an das Versprechen des Eines Tages verbreitete jemand fernen Königs in die unbekannten eine aufregende Kunde: „Irgend- Weiten des Meeres hinausfuhren, fiel wo weit hinter dem Meer gibt es es ihnen immer mehr wie Schuppen ein unvergleichbar schöneres Land. von den Augen. Jeden Tag wurde ihre Dort lebt ein gütiger und mächtiger Gewissheit größer, ihr Kurs sicherer, König, der allen ein Höchstmaß an ihr Ziel greifbarer.“ Glücklichsein verspricht. Um dort- Leben die Menschen in unserer hin zu kommen muss man allerdings Gesellschaft nicht in einer vergleich- über die Weiten des großen Meeres baren Situation? Wenige können sa- fahren. Jeder Mensch, in dessen Herz gen, dass sie noch nie etwas von der Ein Philosoph mit der Laterne unterwegs. Mit seinem Denken will er die Geheimnisse dieser Vertrauen, Liebe und Güte wohnen, Frohen Botschaft gehört haben, die Welt ergründen und den Menschen Licht auf der kann es finden. Gott in Christus allen Menschen über- Suche nach dem Sinn des Lebens bringen. Von Diese Kunde wurde von den Men- mittelte. Und doch – wie verschieden Diogenes sagt man, dass er am helllichten Tag schen sehr verschieden aufgenom- wird diese Botschaft aufgenommen! auf dem Marktplatz in Athen mit einer Laterne men. Einige sagten: „Seit ich lebe, Die einen sagen: „Wir glauben nur, umher ging und sagte, er suche einen Menschen. kenne ich nur ein riesiges, unendli- was wir wahrnehmen. Alles andere Nietzsche erzählt die Geschichte von dem tollen ches Meer, das unser Land umgibt. sind fromme Märchen.“ Die Reichen Menschen, der am hellen Vormittag eine Laterne Ich kann daher dieser Behauptung und Mächtigen denken an die Vortei- anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich keinen Glauben schenken und blei- le ihres Leben innerhalb des etablier- schrie: „Ich suche Gott! Ich suche Gott!“ be lieber, wo ich bin. Da weiß ich, ten gesellschaftlichen Systems und was ich habe.“ Andere waren ihrem haben Angst, ihre weltanschaulichen Der hl . Martin teilt seinen Mantel und gibt die Hälfte davon einem notleidenden Bettler. „Was ihr Reichtum und ihren Vergnügungen Positionen aufgeben zu müssen. An- dem geringsten meiner Brüder getan habt, das verfallen. Daher konnten sie den dere bezeichnen Güte und Liebe als habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Gedanken nicht ertragen, diese An- charakterliche Schwachheit und ver- nehmlichkeiten aufgeben zu müssen. harren in Egoismus, Herzlosigkeit „Wir leben nur einmal“, dachten sie. und sündigem Tun. Nur eine kleine „Also essen und trinken wir und wol- Gruppe von Menschen denkt über len es uns gut gehen lassen!“ den wahren Sinn und das Ziel des Andere spürten instinktiv eine Ge- Lebens und über die Botschaft des fahr, die von dieser Kunde für ihre Evangeliums nach und vertraut dar- bisherige Machtposition ausging. auf. „Es wird höchste Zeit“, sagten sie Es ist eine alte Erfahrung: „Wer zu einander, „dass wir entschlossen Gott sucht, der findet Ihn auch.“ Su- und notfalls mit Gewalt gegen diese chen heißt zunächst einmal, sich auf staatsgefährdende Meinungsmache den Weg machen und den Aufbruch vorgehen.“ Sie fingen an, jeden Glau- wagen. Gott finden wird jeder, der ben an diese Kunde bei den Men- Ihn ehrlichen Herzens darum bittet schen von Anfang an zu zerstören. und auf der Suche nach dem Ziel sei- Wieder andere bewahrten die froh nes Lebens sich Christus anschließt, machende Nachricht in ihrem Her- der von sich sagt: „Ich bin der Weg, zen. Ihr Denken fand keine Ruhe die Wahrheit und das Leben“. Wagen, DER FELS 2/2018 35
Eines Tages wollte der Enkel von Rabbi Baruch mit anderen Kindern Verstecken spielen. Er wusste ein besonderes Versteck und dies war sein großes Geheimnis. Er verbarg sich also dort und wartete voll ge- spannter Freude darauf, dass die anderen ihn entdecken würden. Als er lange ausgeharrt hatte, kam er wieder aus dem Versteck hervor. Jedoch seine Freunde waren nirgends zu sehen. Da wusste er, dass sie ihn überhaupt nicht gesucht hatten. Er ging betrübt zu seinem Großvater und klagte ihm seine Enttäu- schung. Dieser strich ihm über das Haar und sagte: „Siehst du, mein Junge, so geht es auch Gott. Er verbirgt sich. Aber keiner will Ihn suchen.“ glauben, vertrauen – so musst du be- Aber wie kannst du ihn suchen? Hand, schau in seine Augen. In der ginnen, wenn du Gott suchst. Es gibt ungezählte Möglichkeiten. Begegnung mit der Seele deines Mit- Aber immer weniger Menschen Geh offenen Herzens in die Natur. menschens erlebst du ein Ahnen von wollen Gott suchen. Wir hasten von Lass die kunstvolle Gestaltung und der Größe Gottes, der diese Seele er- einem Tag zum andern. Unser Den- Schönheit einer Blume auf dich wir- schaffen hat. Oder denke über dich ken, Tun und Trachten ist belegt von ken. Betrachte den Flug der Schwal- selbst nach. Wie kommt es, dass du da der Suche nach irdischen Annehm- ben, die Farbenpracht eines Schmet- bist? Woher kommst du? Wohin zielt lichkeiten, Reichtümern, Erfolgen, terlings, die sinnvolle Konstruktion dein Leben? Wer hat bewirkt, dass es Ehrungen und persönlichem Wohl- eines Spinnennetzes, Blütenstaub- dich gibt? Gott hat auch dich erschaf- ergehen. Wir nehmen dies so unge- wolken, die der Befruchtung dienen. fen, einfach, weil Er dich wollte und mein wichtig. Aber warum suchen Man könnte endlos aufzählen. Got- weil Er dich liebt. Und nun wartet wir nicht ebenso nach Gott? Ist Er tes Schöpfung ist wunderbar. Und Er, dass du Ihn suchst, dass du Ihn uns weniger wichtig? Gott drängt dahinter verbirgt sich Gott. Geh auf findest, dass du Verbindung zu Ihm sich nicht auf. Er ist ein verborgener die Suche, um deine Sinne zu öffnen, aufnimmst. Gott. Aber Er wirbt mit größter Liebe nachzudenken und zu staunen. Der tiefe Sinn des Lebens ist es, um unsere Aufmerksamkeit. Er war- Vielleicht wendest du dich einem Gott zu suchen. Der tiefe Sinn des tet darauf, dass wir Ihn suchen und hilfsbedürftigen Menschen zu. Hilf Sterbens ist es, Gott ganz und für im- dann auch finden. ihm aus seiner Not. Nimm ihn bei der mer gefunden zu haben. q Vor über 500 Jahren war Christoph Kolumbus an Bord seiner Karavelle Santa Maria aufgebrochen, um den Seeweg nach Indien im Westen zu finden „Nun war man wochenlang auf See gewesen, ... Wasser, Wasser, Wasserwüsten ... überall. Nach wochenlanger Fahrt ... wurde die Besatzung un- ruhig. ..., der Schiffszwieback ging zu Ende, das Wasser wurde rationiert, und Pökelfleisch gab es auch nicht mehr. Die einen sagten: Jetzt müssen wir den Kurs ändern. ... Jetzt müssen wir nach Norden fahren. Es wird hier viel zu heiß. Die andern sagten: nach Süden; nach Westen ist es viel zu weit. Die allermeisten wollten nach Hause umkehren ... das Leben retten! Nur Kolumbus sagte: Wir müssen weiter auf Kurs bleiben und wir werden das Land finden.“ (Dyba Johannes, aus der Predigt an Mariä Namen) 36 DER FELS 2/2018
P. Andreas Hirsch FSSP: Liebende Ganzhingabe in der Nachfolge Jesu Christi – der Zölibat Die Sadduzäer glaubten nicht an die Auferstehung und das Ewige Leben. Sie wollten Jesus mehr heiraten, sondern sein wie die Engel im Himmel“ (Mt 22,30). Der verheiratete Petrus fragte Jesus: „’Du gilt nach dem Vorbild des Herrn dem Reich Gottes. Wenn Paulus schreibt, dass der künftige Bischof und Di- eine Falle stellen. Sie fragten den weißt, wir haben unser Eigentum akon nur Mann einer Frau gewesen Herrn, mit wem eine Frau, die gemäß verlassen und sind Dir nachgefolgt.’ sein darf (1 Tim 3,2.12; Tit 1,6) so dem mosaischen Gesetz nach dem Jesus antwortete ihnen: ‚Amen, ich spricht er nicht über die Vielweibe- Tod ihres Mannes dessen Bruder sage euch: Jeder, der um des Reiches rei, die sowieso den Gesetzen Got- heiratet und nach dessen Tod wiede- Gottes willen Haus oder Frau, Brü- tes widerspricht, sondern lässt nur rum den nächsten Bruder usw. (Mt der, Eltern oder Kinder verlassen hat, solche Kandidaten für die heiligen 22,23ff), im Himmel denn verhei- wird dafür schon in dieser Zeit das Weihen zu, die nur einmal verheiratet ratet sei. Jesus betont in seiner Ant- Vielfache erhalten und in der kom- waren und wie die Apostel ihre Ehe- wort die Macht Gottes, der ein Gott menden Welt das Ewige Leben’“ frau um Jesu willen verlassen haben. der Lebenden ist und dass die Men- (Lk 18,28ff). Diejenigen Apostel, die Frau und Kinder mussten versorgt schen nach der Auferstehung nicht verheiratet waren, haben demnach sein, das war selbstverständlich und mehr heiraten werden, sondern wie ihre Frauen (und Kinder), die in der entsprach dem Liebesgebot. die Engel leben. Der Hauptzweck Großfamilie versorgt waren, um Jesu der von Gott eingesetzten Ehe ist in willen verlassen. Die Diakone, Priester und Bischöfe Liebe Kinder zu haben und diese zu entscheiden sich für die Ehelosigkeit Gott zu führen. Somit ist der Zölibat Paulus stellt die Sorge um das in der Nachfolge Jesu Christi um des der Verzicht auf etwas Gutes – das Reich Gottes über eine Familie und Himmelreiches willen (Mt 19,12). Schlechte müssen wir sowieso als schreibt, dass man nicht gleichzei- Dies ist eine besondere von Gott ge- Sünde meiden. Der Zölibat erschöpft tig zwei Herren dienen kann (1 Kor schenkte Berufung (1 Kor 7,7), die sich aber nicht im Verzicht, sondern 7,26-35). Die ehelos lebenden Kle- man nicht ‚machen’ kann. Sie richtet ist auf Gott, die unendliche Liebe, riker wählen Jesus, der selbst unver- sich nicht gegen die von Gott in der ausgerichtet und weist auf das Ewige heiratet war, als den Bräutigam ihrer Schöpfungsordnung gewollte Fami- Leben hin: „Denn nach der Aufer- Seele (Mt 2,18ff), in dessen Nachfol- lie. Denn alle Formen christlichen stehung werden die Menschen nicht ge sie gerufen sind. Ihre ganze Sorge Lebens nach den Gesetzen Gottes er- DER FELS 2/2018 37
gänzen sich in der Kirche. Jeder hat Kindern mit deren Einverständnis. daten abgeraten haben und die ande- seinen Platz und seine Aufgabe. Gott Diese waren in der Großfamilie oder ren Bischöfe hätten zugestimmt. Sein wird in Seiner Liebe und Allmacht anderweitig gut versorgt. Man ging Name taucht jedoch erst in späteren allen gerecht. Jesus wird vom Vater später immer mehr dazu über, nur Schriften auf und ist beim bekannten gesandt und offenbart dessen bedin- noch unverheiratete Kandidaten zu Kirchengeschichtsschreiber Eusebi- gungslose Liebe durch Sein Leben, weihen, von denen in der Anfangs- us von Cäsarea, der in Nizäa anwe- Leiden und Sterben am Kreuz (Joh zeit noch nicht in ausreichender Zahl send war, nicht zu finden. Das Konzil 13,1; 19,30). Diese Liebe will Jesus zur Verfügung standen. In der Ostkir- von Nizäa verbietet den Bischöfen, uns offenbaren und schenken. Er be- che legte man im Vergleich zur West- Priestern und Diakonen das Zusam- ruft Bischöfe, Priester und Diakone, kirche anfangs sogar größeren Wert menleben mit Frauen, die nicht mit die leben wie Er. Sie sollen von jeder auf den Zölibat wie aus den Zeug- ihnen verwandt sind. Wegen der familiären Bindung befreit sein und nissen der griechischen Kirchenväter menschlichen Schwäche mussten die sich ungeteilt um das Reich Gottes hervorgeht. Auch die lateinischen Päpste und Konzilien immer wieder kümmern (Lk 9,58-62). Kirchenväter wie etwa Hieronymus den Zölibat einschärfen. legen ein eindeutiges Zeugnis für Wir haben gesehen, dass der Zöli- den Zölibat ab. Dies änderte sich erst Der zölibatär lebende Priester bat durch das Vorbild Jesu und Seiner durch Abspaltungen von der Reichs- schenkt ist im Dienste Jesu Christi Apostel gut begründet ist. Dieses Le- kirche in Persien und Ägypten sowie wie dieser für Seine Schafe voll ver- ben ist ein großes Zeichen einer in- durch die Trullanische Synode 691 fügbar und teilt die Einsamkeit des nigen und ungeteilten Liebe zu Gott in Konstantinopel. Dort berief man Herrn im Gebet, das immer mehr zu und den Menschen (Eph 5,25), die in sich auf absichtlich oder unabsicht- einer liebenden Zwiesprache mit dem der Ewigkeit durch Gott selbst voll- lich schlecht übersetzte Texte afri- Vater werden soll, der dem Priester endet wird. Wie Jesus folgten auch kanischer Synoden, die den Zölibat die Kraft und die Gnaden für seine den Aposteln Frauen als Helferinnen bekräftigten und deutete diese in das Aufgaben verleiht. Dies erfordert das (1 Kor 5,9) nach, die aber nicht ihre Gegenteil um, worauf schon im 16. Gebet der Priester für alle Menschen Ehefrauen waren, da sie von Paulus Jahrhundert Caesar Baronius hinge- und das Gebet der Gläubigen für ihre zusätzlich als Schwestern bezeichnet wiesen hatte. Seit dieser Zeit sind die Priester. So legen wir ein Fundament werden. Weltpriester im Osten verheiratet, die der Gottes- und Nächstenliebe. Bischöfe jedoch nicht. Diese müssen Der Zölibat macht den Priester aus dem unverheirateten Mönchs- Deshalb wiederhole ich es jedes frei für das Reich Gottes und wurde stand gewählt werden. Mal mit liebendem und frohem Her- in der nachapostolischen Zeit in Ost zen: Seid gut zueinander. Beginnen und West praktiziert. Die verheirate- Gegen den Zölibat wird immer die wir damit im Gebet. q ten Weihekandidaten (die sogenann- von Friedhelm Winkelmann als Le- ten viri probati = bewährte Männer) gende entlarvte Rede eines Bischofs Vgl. die sehr informativen Bücher von Alfons durften nur einmal verheiratet sein. mit Namen Paphnutius auf dem Kon- Maria Kardinal Stickler, Der Klerikerzöli- bat, Abensberg 1993; Arturo Cattaneo (Hg.), Sie trennten sich wie etwa der hl. zil von Nizäa (325) ins Feld geführt. Verheiratete Priester?, Paderborn 2012 und Gregor von Nyssa und der hl. Pauli- Dieser solle von einer Verpflichtung Stefan Heid, Zölibat in der frühen Kirche, Pa- nus von Nola von ihren Frauen und zur Ehelosigkeit bei den Weihkandi- derborn 32003 38 DER FELS 2/2018
François Reckinger: Die Ehe und ihre Unauflöslichkeit Was sagen Bibel und Kirche dazu? Es ist ein sehr aktuelles Thema, um das es im Folgenden geht – ein immer aktuelles Thema, das mels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“ Dem fügt der 2. Schöpfungsbe- menschaft betont, der zweite dagegen mehr die Bindung der beiden Partner aneinander. Als Bild dafür spricht jedoch vor kurzem infolge der Ein- richt, Genesis 2, Vers 21-24, einen der Verfasser erstmalig die bedeu- führung der sogenannten Ehe von wichtigen Aspekt hinzu: „Gott, der tungsschwere Erklärung aus, dass gleichgeschlechtlichen Personen in Herr ließ einen tiefen Schlaf auf den Mann und Frau durch ihre gegensei- Deutschland eine besondere Aktua- Menschen fallen (und das bedeutet tige Hingabe in der geschlechtlichen lität gewonnen hat. Dennoch geht es hier: auf den Mann fallen), so dass er Vereinigung ein einziges Fleisch mir nicht um eine politische Ausei- einschlief, nahm eine seiner Rippen, werden. nandersetzung im Blick auf die ge- baute aus der Rippe, die er vom Men- nannte Problematik, sondern um die schen genommen hatte, eine Frau, Im Volk Israel allerdings, innerhalb tiefere Frage: Was ist das Vorhaben und führte sie dem Menschen zu. dessen die Genesis genau wie alle Gottes mit der Ehe als Einswerden Darum verlässt der Mann Vater und anderen alttestamentlichen Schriften zwischen Mann und Frau – und was Mutter und bindet sich an seine Frau entstanden ist, wurde diese Stelle will er durch sie, die Ehe, innerhalb und sie werden ein Fleisch.“ wenigstens zunächst offenbar nicht der Welt und der Menschheit bewir- in dem genannten Sinn verstanden. ken? Ein Vergleich dieser beiden Be- Denn das alttestamentliche Gesetz richte erweist, dass der erste mehr erlaubte sehr wohl die Ehescheidung die Fruchtbarkeit der Ehe in der Zeu- – allerdings als ausschließliches Vor- Grundlegung und gung und Erziehung von Nachkom- recht des Mannes. Entwicklung im Alten Testament Sieben Bibelstellen im Alten Testa- ment vor allem geben eine zumindest vorläufige Antwort auf die Frage. Zuerst der erste Schöpfungsbe- richt, im 1. Kapitel des Buches Gene- sis, Vers 27f, wo es heißt: „Gott schuf ... den Menschen als sein Abbild ... Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie, und Gott sprach zu ih- nen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Him- Fra Angelico malte um 1452 die Paneele der Silbertruhe in der Kirche Santissima Annun- ziata, Florenz. Die Themen sind symbolträchtig. Das mystische Rad ist eine Interpretation des Himmels gemäß dem Ezechiel- Buch. Das äußere Rad zeigt die Propheten, das innere die Evan- gelisten und Apostel. DER FELS 2/2018 39
Die entscheidende Aussage dazu des Alten Bundes hier abzubrechen sich sind vor Liebe zueinander. Die- findet sich im Buch Deuteronomi- und damit den Eindruck zu erwe- ses Hohelied beginnt mit einem Satz, um, Kapitel 24,1-4. In der dort vor- cken, als sei das bisher Gesagte al- in dem die Braut über den Bräutigam geschriebenen Regelung erscheint les, was dessen Heilige Schrift über und zu ihm sagt: „Mit Küssen sei- die Frau gar nicht erst als Adressatin Mann und Frau, Liebe, Sexualität nes Mundes bedecke er mich. Süßer des Textes. Vielmehr geht es da aus- und Ehe zu sagen weiß. Denn außer als Wein ist deine Liebe.“ Von einer schließlich darum, was ein Mann, der den Geschichtsbüchern und den Ge- Herrschaft des Mannes über die Frau seine Frau aus der Ehe entlässt und setzesbüchern umfasst das Alte Tes- ist in diesem Buch nichts mehr zu aus seinem Haus wegschickt, zu tun tament, beginnend mit dem 8. Jh. vor verspüren. – Doch kommen wir nun hat, wenn diese seine gewesene Frau, Chr., auch die prophetischen Bücher, zum Thema Ehe und Ehescheidung nachdem sie einen anderen Mann in denen ein deutlicher geistlicher im Neuen Testament. geheiratet hat und später auch von Fortschritt auf den erwarteten Mes- diesem weggeschickt wurde, ihre sias hin festzustellen ist. Dieser Fort- Bereitschaft bekunden sollte, zu ihm, schritt betrifft u. a. auch das Denken Das Unauflöslich- ihrem ersten Mann zurückzukehren. und Empfinden hinsichtlich Sexuali- keitsgebot Jesu Und der Text besagt, dass dieser, ihr tät, Liebe und Ehe. erster Mann, sie dann nicht wieder Ausgangspunkt aller sinnvollen heiraten darf, denn, so wörtlich, sie Vor allem kommt in dem genann- Überlegungen zum Thema Ehe und sei durch ihren Geschlechtsverkehr ten 8. Jahrhundert bei dem Prophe- Ehescheidung kann nur das Wort mit dem zweiten Mann für ihn, ihren ten Hosea die Darstellung des Vol- Jesu sein, mit dem er die im Alten ersten Mann, unberührbar geworden. kes Israel als der Braut Gottes auf: Testament vorgesehene Möglichkeit eine treulose Braut, weil sie Ihn, der Ehescheidung und Wiederverhei- Allerdings wäre es ungerecht, ihren Mann, betrogen hat, indem sie ratung – im Blick auf die mit seinem den Durchgang durch die Schriften fremden, heidnischen Göttern nach- Tod und seiner Auferstehung begin- gelaufen ist und sie verehrt hat (2,4- nende Zeit des Neuen Bundes – für 17). Weiter entfaltet wurde dieselbe ungültig erklärt hat. Dieses Wort ist Thematik ein bis zwei Jahrhunderte im Neuen Testament an fünf Stellen später in den prophetischen Reden bezeugt: Matthäus 5,31f; 19,3-12; von Jeremia (3,1-13) und Ezechiel Markus 10,2-12; Lukas 16,18; Pau- (16,1-63). Ihren stärksten Ausdruck lus in 1 Korinther 7,10-16. hat diese prophetische Tradition Die erste der beiden Stellen bei dann nochmals ein bis zwei Jahr- Matthäus, 5,31f, hat folgenden Wort- hunderte später in dem sog. Hohe- laut: „(Ihr habt gehört, dass zu den lied gefunden. Hier kommen ein Alten gesagt worden ist:) Wer seine Mann und eine Frau zu Wort, die Frau aus der Ehe entlässt, muss ihr einander vollauf treu sind und außer eine Scheidungsurkunde geben. Ich aber sage euch: Wer seine Frau ent- lässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus; und wer eine Frau heiratet, die Der Prophet Jeremia (3,6-13) aus der Ehe entlassen worden ist, be- vergleicht den Bund Gottes geht Ehebruch.“ Diese Stelle gehört mit Israel und Juda mit der zu einem Abschnitt der sog. Berg- Ehe. Israel und Juda haben ihre predigt, in der Jesus nacheinander Treue gebrochen und sind in die mehrere Forderungen des alttesta- Irre gegangen. Reue und Um- mentlichen Gesetzes anführt und je- kehr sind die Voraussetzungen weils anschließend erklärt, dass die- für den Gnadenerweis Gottes. se Bestimmungen von jetzt an, in der „Der Herr sprach zu mir zur Zeit neuen Zeit, die mit seinem Kommen des Königs Joschija: Hast du angebrochen ist, nicht mehr in der gesehen, was Israel, die Abtrün- überlieferten Weise gelten, sondern nige, getan hat? Sie begab sich durch erheblich anspruchsvollere auf jeden hohen Berg und unter Forderungen ersetzt werden. Darauf jeden üppigen Baum und trieb wird weiter unten noch zurückzu- dort Unzucht. kommen sein. Geh hin, ruf diese Worte gegen Die zweite der beiden genannten Norden und sprich: Kehr um, Matthäus-Stellen zum Thema Ehe- Israel, du Abtrünnige – Spruch scheidung (19,3-12), ist nicht Teil des Herrn! Ich schaue dich nicht einer Rede Jesu, sondern eines seiner mehr finster an; denn ich bin Streitgespräche mit Schriftgelehrten. gütig – Spruch des Herrn –,ich Wörtlich heißt es da: „Es kamen Pha- trage nicht ewig nach“ (6.12). risäer zu ihm, die ihm eine Falle stel- len wollten, und fragten: Darf man sei- 40 DER FELS 2/2018
ne Frau aus jedem beliebigen Grund gegenüber Ehebruch.“ Anschließend aus der Ehe entlassen? Er antwortete: folgt dann ein Satz, der sich weder Habt ihr nicht gelesen, dass bei Matthäus noch bei Lukas findet der Schöpfer die Menschen und der in Bezug auf das hier zur De- am Anfang als Mann und batte stehende Thema die Gleichbe- Frau geschaffen hat und dass rechtigung der Frau mit dem Mann er gesagt hat: Darum wird ausspricht. Denn es heißt da ganz der Mann Vater und Mutter schlicht: „Auch eine verlassen und sich an seine Frau begeht Ehebruch, Frau binden, und die zwei wenn sie ihren Mann werden ein Fleisch sein? aus der Ehe entlässt und Sie sind also nicht mehr einen anderen heiratet.“ zwei, sondern eins. Was aber Gewiss kann die Frau mit Gott verbunden hat, das darf diesem ihr von Jesus zuer- der Mensch nicht trennen. Da kannten Recht nicht allzu sagten sie zu ihm: Wozu hat dann viel anfangen. Denn sie kann Mose vorgeschrieben, dass man (der ihren Mann zwar aus der Ehe Frau) eine Scheidungsurkunde geben entlassen, d. h. sich von ihm muss, wenn man sich trennen will? trennen; aber wenn sie dann Er antwortete: Nur weil ihr so hart- einen anderen heiratet, begeht herzig seid, hat Mose euch erlaubt, sie nach dem Wort Jesu Ehe- eure Frauen aus der Ehe zu entlas- bruch. Von daher wird deutlich, sen. Am Anfang war das nicht so. Ich dass Jesus mit dem angeführten Wort sage euch: Wer seine Frau entlässt, von ihm eine auf die Trennung fol- obwohl kein Fall von Unzucht vor- gende neue Eheschließung der Frau, liegt, und eine andere heiratet, der genau wie eine etwaige neue Ehe- begeht Ehebruch. Da sagten die Jün- schließung des Mannes, für ungültig ger zu ihm: Wenn das die Stellung erklärt. Es lässt sich wohl kaum eine des Mannes in der Ehe ist, dann ist es stärkere Art denken, wie jemand zum nicht gut zu heiraten. Jesus sagte zu Ausdruck bringen kann, dass er eine ihnen: Nicht alle können dieses Wort versuchte Eheschließung für ungül- erfassen, sondern nur die, denen es tig erklären will. Die Gleichberechti- gegeben ist ...“ gung von Mann und Frau hinsichtlich der Ehescheidung, entsprechend die- Von all den bisher genannten Stel- sem Gebot Jesu, ist demnach faktisch len sind diese beiden Matthäus-Stel- viel eher als eine Gleichunberech- len die einzigen, in denen die Ein- tigung zu verstehen. schränkung vorkommt: „... obwohl Des ungeachtet dürfen wir uns kein Fall von Unzucht vorliegt“. Auf meines Erachtens im Blick auf die Frage, was diese Einschränkung das heutige Lebensgefühl, zumin- bedeuten soll, wird zurückzukom- dest in unserem Kulturkreis, über men sein, nachdem die drei restlichen die erwähnte Gleichstellung beider Stellen zum Thema Unauflöslichkeit Geschlechter von Herzen freuen. der Ehe angeführt sind. Ezechiel 16,1-63 Dies umso mehr, als Markus mit dem Gleichnisrede gegen Jerusalem, genannten Jesuswort zwar unter den Auch der Evangelist Markus be- die treulose Braut, die mit frem- Evangelisten allein dasteht, Paulus handelt das Thema im Zusammen- den Göttern „hurte“ dagegen voll mit ihm übereinstimmt. hang mit der Frage, die die Pharisäer „Ich aber, ich werde meines Denn dieser schreibt in seinem ers- Jesus stellten. Er gibt das daraufhin Bundes mit dir aus den Tagen ten Brief an die Christengemeinde in erfolgende Gespräch jedoch in etwas deiner Jugend gedenken, und Korinth: „Den Verheirateten gebiete kürzerer Form wieder – und es findet ich werde einen ewigen Bund nicht ich sondern der Herr: Die Frau sich darin kein Wort von der von Mat- für dich aufrichten. soll sich vom Mann nicht trennen – thäus erwähnten Einschränkung „ob- Ich selbst richte meinen Bund wenn sie sich aber trennt, so bleibe wohl kein Fall von Unzucht vorliegt“. mit dir auf, damit du erkennst, sie unverheiratet oder versöhne sich Statt dessen fügt er dem Bericht über dass ich der Herr bin. So sollst wieder mit dem Mann, und der Mann dieses Streitgespräch eine wichti- du gedenken, sollst dich schä- darf die Frau nicht verstoßen“ (1 Ko- ge Angabe folgenden Inhalts hinzu: men und wirst vor Scham den rinther 7,10f). „Zu Hause (und damit offenbar nach Mund nicht mehr öffnen kön- Trennung von den pharisäischen Kri- nen, weil ich dir Versöhnung Von der Gesamthaltung Jesu ge- tikern) befragten ihn die Jünger noch gewähre für alles, was du ge- genüber Frauen, von seinem erwähn- einmal darüber. Er antwortete ihnen: tan hast – Spruch Gottes, des ten Wort bezüglich ihres möglichen Wer seine Frau aus der Ehe entlässt Herrn“ (60.62.63). Initiativwerdens in Sachen Ehetren- und eine andere heiratet, begeht ihr nung sowie von dem, was Paulus im DER FELS 2/2018 41
Zusammenhang mit diesem Wort ausreichendem und psychisch gesun- Matthäus in Vers 19,9 vorliegt, wirk- ausführt (1Korinther 7,1-15), ist der dem Nachwuchs einer erträglichen lich die Gestattung einer Eheschei- wohl stärkste Impuls innerhalb der Zukunft entgegensehen können. dung zugunsten des Mannes bedeuten Menschheitsgeschichte für die Be- würde, dann hätte das eine geradezu freiung der Frau von der Willkür- groteske Folge: Eine Frau, der es herrschaft des Mannes ausgegangen. Macht Jesus bei bei ihrem Mann nicht mehr gefallen Matthäus eine würde und die wüsste, dass auch er Ausnahme? nicht mehr so sehr an ihr hinge – eine Die unauflösliche Ehe solche Frau könnte einem solchen als Erfüllung der Die Antwort lautet: dem Wortlaut Mann anbieten, sozusagen als Ab- Schöpfungsordnung nach, ja: er nimmt an den beiden schiedsgeschenk für ihn Ehebruch zu Stellen im Matthäus-Evangelium, die begehen, damit er von der ehelichen Während die pharisäischen Schrift- das Thema betreffen, einen bestimm- Verbindung mit ihr frei würde und gelehrten als Gesprächspartner Jesu ten Fall aus. In 5,32 heißt es: „Wer eine andere Frau heiraten dürfte. bei Matthäus sich für die überliefer- seine Frau entlässt, obwohl kein Fall Und schließlich ist Folgendes zu te Scheidungspraxis auf das Gesetz von Unzucht vorliegt, liefert sie dem bedenken: Es gab zur Zeit Jesu im des Mose berufen, greift Jesus weit Ehebruch aus; und wer eine Frau Volk Israel zwei miteinander riva- darüber hinaus auf die ursprüngliche heiratet, die aus der Ehe entlassen lisierende Schulen von Rechtsge- Schöpfungsordnung zurück, wie sie worden ist, begeht Ehebruch.“ Und lehrten, angeführt von den beiden in der bildhaften Darstellung der bei- später, in 19, 9: „Wer seine Frau ent- Vordenkern Hillel und Schammai. den ersten Kapitel des Buches Gene- lässt, obwohl kein Fall von Unzucht Hinsichtlich der Ehescheidung urteilt sis geschildert wird. Seine Antwort an vorliegt, und eine andere heiratet, der der Erstgenannte streng ablehnend, die rechtskundigen Fragesteller gip- begeht Ehebruch.“ Über diese sog. Schammai dagegen ein ganzes Stück felt in dem Hinweis auf Genesis 2,24: „Unzuchtsklausel“ ist seit Jahrhun- liberaler, zugunsten des Mannes. „Darum verlässt der Mann Vater und derten viel diskutiert und geschrieben Wenn nun Jesus auch seinerseits dem Mutter und bindet sich an seine Frau, worden. Meistens wurde dabei unter Mann die Wiederverheiratung im und sie werden ein Fleisch sein.“ dem Begriff „Unzucht“ ohne weiteres Fall von Ehebruch seitens der Frau Zu beachten ist dabei, dass Je- „Ehebruch“ verstanden, obwohl das zugestanden hätte, dann hätte er sich sus mit diesem Wort erstmals den Wort an sich Sexualhandlungen zwi- hinsichtlich dieser Frage kaum von von Gott her geltenden Vollsinn schen Unverheirateten bezeichnet. der Position des zuletzt genannten des von ihm angeführten Genesis- Rechtsgelehrten Schammai unter- Textes offenbart hat, wonach damit Angesichts dessen haben im Lauf schieden. Woher dann aber die Aufre- die Erlaubtheit einer Scheidung mit der Zeit manche Bischöfe und Theo- gung unter den Jüngern Jesu, sofort Wiederverheiratung zu Lebzeiten logen die beiden genannten Mat- nachdem sie seine Forderung gehört des Partners ausgeschlossen ist. Die thäusstellen in dem Sinn ausgelegt, haben: „Da sagten die Jünger zu ihm: Glaubenstradition Israels hatte dies dass sie eine wirkliche Ausnahme Wenn das die Stellung des Mannes in niemals so gesehen – die Scheidung vom Unauflöslichkeitsgebot Jesu der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu mit Wiederverheiratung war vielmehr besagen würden. Andere kompe- heiraten“ (Mt 19,10)? gang und gäbe und wurde kaum in tente kirchliche Autoren haben dem Frage gestellt. Erst in der von Chris- jedoch entschieden widersprochen Bis vor einigen Jahrzehnten gab tus gestifteten Kirche ist das Leitbild – und das kirchliche Lehramt hat es innerhalb der Bibelwissenschaft einer lebenslangen Ehe als Abbild sich deren Position nach langer und keine einheitliche und überzeugen- der Beziehung zwischen ihm und sei- eingehender Prüfung im Trienter de Lösung für das eben dargestellte ner Kirche wirksam geworden. Dem Konzil im 16. Jahrhundert zu eigen Rätsel – d. h. für die Frage, welchen prophetischen Urbild Adam/Eva im gemacht. Sinn das Wort „Unzucht“ innerhalb Alten Testament entspricht als des- der beiden genannten Stellen bei sen Erfüllung im Neuen Testament Als Gründe, die gegen eine wirk- Matthäus haben sollte. Dann aber die Einheit Christus/Kirche. liche Ausnahme vom Scheidungsver- haben mehrere Forscher im Wesent- Daher erscheint es nicht sinnvoll, bot bei Matthäus sprechen, sind u. a. lichen übereinstimmend einen neu- von Nichtchristen die Befolgung des folgende zu nennen: en Erklärungsversuch vorgelegt, der Unauflöslichkeitsgebotes zu ver- m. E. gute Chancen hat, den wahren langen. Und noch weniger, von den Jesus würde, wenn er eine wirk- Sinn des genannten Wortes im Mat- Staaten eine Erfüllungshilfe in die- liche Ausnahme gemeint hätte, den thäusevangelium zu treffen. Es sei sem Sinn zu erwarten. Wohl aber Mann gegenüber der Frau eherecht- derselbe Sinn, so meinen sie, wie sollten Christen politisch tätig wer- lich in hohem Maß bevorzugen, in- der, den das Wort „Unzucht“ im 15. den, um dazu beizutragen, dass die dem er nur bei ihr und nicht auch bei Kapitel der Apostelgeschichte hat. Staaten durch ihre Gesetzgebung die ihm danach fragen würde, ob nicht Dort kommt es an zwei Stellen vor, vom Christentum inspirierte mono- etwa auch er Unzucht betrieben hät- nämlich in den Versen 19-21 sowie game Ehe fördern und kinderreiche te. Das würde der bei Markus und 28 und 29. Es handelt sich dabei um Familien großzügig unterstützen, Paulus ausgesprochenen eherechtli- einen Beschluss des sog. Apostel- nicht um damit uns Christen einen chen Gleichstellung von Mann und konzils in Jerusalem. Den Ausschlag Gefallen zu tun, sondern damit die Frau eindeutig widersprechen. für den Inhalt dieses Beschlusses jeweiligen Völker dank zahlenmäßig hat Petrus gegeben mit der Erklä- Wenn das Jesuswort, wie es bei 42 DER FELS 2/2018
rung, dass Gott die Herzen der Hei- in ihrer Anmerkung zu Apostelge- te in den Gemeinden die Gelegenheit den, die sich taufen ließen, „durch schichte 15,20.29 vorgelegt, indem bieten, dass sie nicht immer allein den Glauben gereinigt hat“ und dass sie schreiben: „’Unzucht’ meint hier sein müssen. Judenchristen wie Heidenchristen wahrscheinlich alle laut Levitikus 18 Im Rahmen einer menschenfreund- frei sind von der Verpflichtung, die illegale Verwandtschaftsehen“. lichen kirchlichen Verkündigung und alttestamentlichen Gesetzesvor- eines entsprechenden Gesprächsan- schriften außer den Zehn Geboten gebotes gegenüber Glaubenden und zu befolgen (15,9-11). Nach ihm er- Das Gebot Jesu ist Suchenden aller Altersschichten soll- griff dann aber Jakobus, als Anwalt schwer zu befolgen te die eben angedeutete Erkenntnis, der strengen judenchristlichen Po- dass die Lehre Jesu hinsichtlich die- sition, das Wort und erreichte, dass Nach der damit erfolgten Be- ses Themas für viele der davon Be- die Versammlung mehrheitlich oder standsaufnahme hinsichtlich der troffenen schwer zu begreifen und zu gar einstimmig eine Anweisung an neutestamentlichen Aussagen zum befolgen ist, bekannt- und bewusst- die Gemeinden in Antiochia und Thema ist es an der Zeit, uns mit gemacht werden. Umgebung zu richten beschloss, der Problematik ihrer praktischen Von daher müssten wir Seelsorger, durch die die dortigen Heidenchris- Verwirklichung zu befassen. Dabei häufiger als es durchweg geschieht, ten aufgefordert wurden, um die in sollten wir uns bewusst sein, dass die von der Schönheit und Größe der ihren Gemeinden offenbar zahlrei- von Jesus verkündete Lehre von der ehelichen Liebe als Abbild der Liebe chen Judenchristen nicht zu sehr zu Unauflöslichkeit der Ehe, und damit Jesu zur Kirche reden. Die Botschaft schockieren, vier bestimmte Verbote das Verbot der Ehescheidung, für vie- davon müsste vor allem auch jungen des mosaischen Gesetzes zu befol- le der davon Betroffenen schwer zu Menschen im Alter der Vorbereitung gen. Die ersten drei davon beziehen befolgen ist. Denn sie bedeutet, dass auf die Ehe in zeitgemäßer Form, je- sich darauf, kein Götzenopferfleisch Mann und Frau im Fall einer unüber- doch inhaltlich unverfälscht nahege- zu essen und ebensowenig Fleisch windlichen Ehekrise sich zwar tren- bracht werden – z. B. durch Night- von nicht geschächteten oder durch nen, nicht aber neu verbinden dürfen. fever-Treffen sowie durch Bibel- und Ersticken getöteten Tieren zu es- Und allein leben ist schwer – we- Gebetskreise, die als Folge derartiger sen. Das vierte Verbot verlangt nigstens für die meisten von denen, Treffen entstehen. dann ebenso, „Unzucht“ zu meiden die von der Notwendigkeit, allein zu (15,20; und noch einmal 15,28f). leben, betroffen sind. Ihnen sollten An keiner der beiden eben genann- wir, einfach schon als Mitmenschen, ten Stellen erscheint es sinnvoll, das umso mehr aber als Schwestern und Wort „Unzucht“ im Sinn von „Se- Brüder im Glauben, mit Offenheit, xualhandlungen zwischen Ledigen“ Liebe und Verständnis zur Seite oder gar im Sinn von „Ehebruch“ stehen – und ihnen zu verstehen. Denn es genügt, im 1. durch Begeg- Korintherbrief, Kapitel 5, die Verse nungsangebo- 9-13 zu lesen, um festzustellen, wie sehr die schwere Sündhaftigkeit die- ser Verhaltensweisen den Heiden- christen unabhängig von Fragen des Zusammenlebens mit Judenchristen beigebracht wurde. Eine plausible Deutung des Wor- tes „Unzucht“ im Brief des Apo- stelkonzils an die Gemeinden in Antiochia und Umgebung haben demgegenüber die für die Erstellung der Einheitsübersetzung der Bibel von 1979 verantwortlichen Exegeten In der Sprache der verletzten Liebe beklagt Gott (Hosea 2,4-17) auf altorientalische Weise die Treulosigkeit Israels, das sich an fremde Götter bin- det. Er wirbt um die Rückkehr der treulosen Braut. DER FELS 2/2018 43
Auch andere Gebote und betet für die, die euch verfolgen, auf die Ehen zwischen zwei getauften sind schwer zu erfüllen damit ihr Söhne eures Vaters im Him- Partnern bezieht. Anders dagegen, mel werdet ...“ (5,44f). Etwas weiter wenn einer der beiden nicht getauft Gleichzeitig aber ist festzustellen, dann, nachdem er das Vater unser ist. Darauf ist weiter unten noch zu- dass zur Frohbotschaft Jesu außer gelehrt hat, kommentiert Jesus eine rückzukommen. dem Unauflöslichkeitsgebot noch einzige der darin ausgesprochenen Zuerst jetzt zu den Fällen, in denen andere moralische Forderungen ge- Bitten, und zwar jene, in der es heißt: eine Ehe von zwei getauften Partnern hören, die unter Umständen heroisch „Vergib uns unsere Schuld, wie auch als von Anfang an ungültig erkannt schwer zu erfüllen sind. Zumindest wir vergeben unsern Schuldigern“. werden und deswegen entweder gül- zwei von dieser Art sind in den Evan- Dazu erklärt er: „Wenn ihr den Men- tig gemacht oder aber für nicht be- gelien nicht zu übersehen: schen ihre Verfehlungen vergebt, stehend erklärt werden kann. Solche dann wird euer himmlischer Vater Fälle kommen vor, wenn eines der 1. Die Treue im Bekenntnis zu auch euch vergeben. Wenn ihr aber sogenannten trennenden Hinder- Christus, auch wenn wir in einer den Menschen nicht vergebt, dann nisse, wie sie das Kirchenrecht be- Christenverfolgung mit Folter und wird euch euer Vater eure Verfehlun- schreibt, bei der Eheschließung nicht Tod bedroht werden für den Fall, gen auch nicht vergeben“ (6,14f). beachtet wurde. Dazu eine Auswahl dass wir nicht zur Verleugnung un- von Beispielen. seres Glaubens bereit sind; siehe z. Als erstes unter diesen Hindernis- B. den relativ langen Abschnitt Mat- Wann und auf welche sen ist die Impotenz zu nennen, d. thäus 10,17-39. Im ersten, längeren Weise ist die Beendigung h. die zum Zeitpunkt der Eheschlie- Teil dieses Textes spricht Jesus zu- einer kirchlich gültigen ßung bestehende Unfähigkeit eines nächst seine zwölf Apostel an, die er Ehe dennoch möglich? der Partner, mit dem anderen Partner zur Mission innerhalb des erwählten die geschlechtliche Vereinigung zu Volkes aussendet. Spätestens ab Vers Mitunter kommt es vor, dass Hei- vollziehen (Canon 1084). 34 aber sind dann alle gemeint, die ratswillige, wenn sie davon hören, Ungültig ist die Eheschließung an ihn glauben, und ihnen allen gel- dass die Ehe zwischen christlichen einer entführten Frau mit ihrem Ent- ten die abschließenden Verse 34 bis Partnern nach katholischer Lehre führer, solange sie nicht freigelassen, 39, mit u. a. der Aussage: „Wer Vater unauflöslich ist, geradezu in Panik vom Entführer getrennt, an einen si- und Mutter mehr liebt als mich, ist geraten und entsetzt fragen, ob sie cheren Ort gebracht wurde und sich meiner nicht würdig, und wer Sohn da, wenn sie einmal Ja gesagt hät- dort frei für die Ehe mit diesem et- oder Tochter mehr liebt als mich, ist ten, auch im schlimmsten Notfall nie was stürmischen Bewerber entschie- meiner nicht würdig ... Wer das Le- mehr loskommen könnten. Auch die- den hat (Canon 1089). ben gewinnen will, wird es verlieren; ser Frage gegenüber ist Aufklärungs- Häufiger als dieser zum Schmun- wer aber das Leben um meinetwillen arbeit angesagt. Die Antwort darauf zeln anregende Fall kann auch heute verliert, wird es gewinnen.“ lautet: Ja, es gibt, abgesehen vom noch die Situation eintreten, die in Tod eines der beiden Partner, noch Canon 1103 gemeint ist, wenn dort 2. Bei der zweiten schwer zu er- mehrere andere Fälle, in denen eine von Zwang oder schwerer Furcht ge- füllenden Forderung handelt es sich kirchlich als gültig anerkannte Ehe sprochen wird, durch die jemand sich um die der Nächstenliebe bis hin zur zu Ende gehen kann. zur Eheschließung genötigt sieht. Feindesliebe. Dazu heißt es bei Mat- Als Erstes ist dazu zu sagen, dass Dementsprechend ist nach Nr. 15 des thäus 5,44-46: „Liebt eure Feinde die strenge Unauflöslichkeit sich nur Ehevorbereitungsprotokolls beiden 44 DER FELS 2/2018
damit die Worte, mit denen Braut und nen sage ich, nicht der Herr: Wenn Bräutigam die Ehe schließen sollen, ein Bruder eine ungläubige Frau hat dies gültig zum Ausdruck bringen und sie willigt ein, weiter mit ihm und bewirken. Hauptbestimmung ist, zusammenzuleben, soll er sie nicht dass der Austausch des Jawortes vor verstoßen. Auch eine Frau soll ihren dem der Feier vorstehenden Pries- ungläubigen Mann nicht verstoßen, ter oder Diakon bzw. einem dazu wenn er einwilligt, weiter mit ihr rechtsgültig beauftragten pastoralen zusammenzuleben ... Wenn aber der Mitarbeiter geschieht. Dabei haben Ungläubige sich trennen will, soll er die Brautleute das Jawort erst aus- es tun“ (1 Korinther 7,12-15). Das Paulinische Privileg fußt auf zutauschen, nachdem der Zelebrant Damit spricht Paulus nun erstmals 1 Kor 7,12-15: Für Ehen von sie danach gefragt hat (Canon 1108- eine wirkliche Ausnahme vom Un- Ungetauften ist die Freiheit 1119). auflöslichkeitsgebot Jesu aus – und er des christlich gewordenen Gat- Damit genug zu den Arten der ist sich bewusst, als Apostel dazu die ten für eine neue christliche Ehe- Gründe, aus denen eine kirchlich ge- Vollmacht zu besitzen. Die Kirche schließung vorgesehen, wenn schlossene Ehe ungültig sein kann. hat die Geltung dieser apostolischen der andere Gatte im Unglauben Nur ein wenigstens ansatzweises Entscheidung anerkannt und dazu in verharrt und zur Fortsetzung der Wissen darum kann es uns ermög- Canon 1143 des kirchlichen Gesetz- Ehe nicht bereit ist. lichen, dem nahezu unausrottbaren buchs eine Erläuterung und eine Aus- Gerücht entgegenzutreten, die Kirche führungsbestimmung ausgesprochen. würde, ihren eigenen Behauptungen Das entsprechende Verfahren wird zum Trotz, laufend Ehescheidungen dabei als das „Paulinische Privileg“ Partnern jeweils die Frage zu stellen: durchführen. bezeichnet. In Anwendung dieses „Bestätigen Sie, dass Sie nicht durch Privilegs, so heißt es dort, „wird eine Drohung, starkes Drängen oder (äu- Ehe, die zwischen zwei Nichtgetauf- ßeren oder inneren) Zwang zur Hei- Das sogenannte ten geschlossen wurde, von selbst rat beeinflusst werden?“ Ausgeübt Paulinische Privileg aufgelöst, wenn einer der Partner die haben ein solches Drängen oder ei- als Ausweg in Taufe empfängt, der andere Partner nen solchen Zwang in der Vergan- bestimmten Fällen sich daraufhin von ihm trennt und genheit mitunter offenbar die Eltern dann der getaufte Partner eine neue eines der jeweiligen Partner (z. B. Da das Unauflöslichkeitsgebot Ehe schließt“ (Canon 1143, §1). aufgrund wirtschaftlicher Erwägun- Jesu, wie erwähnt, mitunter sehr gen im Blick auf Familienbetriebe hohe Anforderungen an verheiratete Diese in der Bibel selbst enthal- bzw. Besitztümer). Dass die Kirche gläubige Christen stellt, wurde offen- tene Ausnahme vom Unauflöslich- demgegenüber mittels ihrer Geset- bar schon im ersten Jahrhundert über keitsgebot ist sicherlich auch vielen ze die Freiheit der jungen Leute zu die Möglichkeit von Ausnahmen da- gläubigen und religiös interessierten schützen trachtet, sollte unbedingt von nachgedacht – und der Apostel Christen nicht bekannt – und durch- wirksamer als bisher bekannt ge- Paulus ist dabei fündig geworden. weg wurde bisher etwa innerhalb der macht werden. Jugendseelsorge und der kirchlichen Zu den relativ bekannten Ungül- In Erfüllung seines apostolischen Erwachsenenbildung vielleicht nicht tigkeitsbestimmungen dürfte diejeni- Dienstes hat dieser, wie wir wissen, genug getan, um sie ihnen bekannt ge gehören, die sich auf das Hinder- in vielen Städten des östlichen Mit- zu machen und zu erklären. Das soll- nis der Blutsverwandtschaft sowie telmeerraumes Christengemeinden ten wir Seelsorger und Theologen der Schwägerschaft bezieht (Canon gegründet – eine davon in der grie- jedoch nicht weiter so praktizieren, 1091-1094). chischen Hafenstadt Korinth. Dort- denn die Anwendungsmöglichkeit Weitere Nichtigkeitsgründe erge- hin hat er nach seiner Weiterreise des genannten Verfahrens wächst ben sich aus der Tatsache, dass Ehe- zwei Briefe geschrieben, wovon der von Tag zu Tag mit der kontinuierlich schließende keinen hinreichenden erste wichtige Aussagen zur christ- steigenden Zahl der nichtgetauften Vernunftgebrauch haben oder doch lichen Ehe und zum Umgang mit Mitglieder unserer Gesellschaft. Von unter einem zu geringen Urteilsver- deren Unauflöslichkeit enthält. Darin daher ist es auf keinen Fall verkehrt, mögen leiden, um eheliche Rechte hat er die Echtheit des Jesuswortes wenn man als religiös gebildeter und Pflichten erkennen und verant- zu diesem Thema eindeutig bestätigt Christ die einschlägigen Stellen zu wortlich übernehmen zu können (Ca- und seinerseits eine Ausführungsbe- benennen weiß, an denen das ent- non 1095). stimmung dazu ausgesprochen: eine sprechende Recht der Kirchenmit- Bestimmung, die zunächst von der glieder verbrieft ist. Es handelt sich Es versteht sich von selbst, dass Adressatengemeinde offenbar gut an- um die Canones, d. h. die Gesetze die Ehe nicht zustande kommt, wenn genommen wurde und in der Folge- 1142 bis 1147 im genannten „Codex Kinder ausgeschlossen werden (vgl. zeit in der gesamten Kirche Geltung des kanonischen Rechtes“, sowie den KKK1652). erlangte. Diese Bestimmung betrifft Punkt 8c auf Seite 2 des Fragebo- Es gibt auch eine ganze Reihe von die Mischehen, bei denen ein Part- gens, der beim Vorgespräch zu einer Bestimmungen bezüglich der Ehe- ner getaufter Christ ist, der andere beantragten Trauung auszufüllen ist: schließungsform, d. h. bezüglich der Partner dagegen nicht. Hinsichtlich „Kirchliche Nichtigkeitserklärung Bedingungen, die erfüllt sein müssen, derartiger Paare schreibt Paulus: „Ih- bzw. kirchliche Auflösung“. q DER FELS 2/2018 45
Raymund Fobes: Denn meine Augen haben das Heil gesehen Die Weisheit des Alters und „Mariä Lichtmess“ Im liturgischen Kalender, der bis 1970 gültig war, ende- te die Weihnachtszeit mit dem Fest allmächtige Herr.“ Und so ist der Betende in der Komplet am Abend eingeladen, zu fragen: Bin ich heute „Mariä Lichtmess“ am 2. Februar. In wie Simeon zu Jesus Christus hinge- manchen Kirchen und Familien ist es gangen? Halte ich meine Sehnsucht heute noch üblich, die Krippe bis zu nach ewigem Heil wach? Dies soll ich diesem Datum stehen zu lassen. aber nicht nur für den Abend reflek- Wenn auch „Mariä Lichtmess“, das tieren, diese Fragen sollen das Leben heute aufgrund des Namens „Dar- als Ganzes bestimmen. Denn wenn stellung des Herrn“ mehr als Chris- ich wie Simeon das ewige Heil jeden tus- denn als Marienfest gilt, seit der Tag neu ersehne, gehe ich auch auf Liturgiereform nicht mehr offiziell ein seliges Ende zu. zur Weihnachtszeit gehört, so ist es Doch gehört dazu auch die Bereit- doch mit dem weihnachtlichen Ge- schaft, so manches Kreuz auf sich zu schehen eng verbunden – steht das nehmen. Der von Simeon ersehnte Fest doch im Zusammenhang mit der Heilsbringer Jesus Christus ist auch Geburt Jesu: Genau 40 Tage nach der „Zeichen, dem widersprochen wird“. Niederkunft des Gottessohnes zieht Der Gottesmutter, die sich ganz und die Heilige Familie zum Tempel von gar auf ihn eingelassen hat, wird nach Jerusalem, weil dort Maria ein Reini- Simeons Worten „ein Schwert durch oft der schwierigere Weg der bessere gungsopfer darbringen musste, wie es die Seele dringen“. Simeon prophe- ist. Gerade da hat, so meine ich, die das mosaische Gesetz forderte. zeit, dass mit Christus das Heil ge- ältere Generation, die schwere Zeiten Das Evangelium des Tages (Lk 2, kommen ist, aber das bedeutet nicht, durchlebt und bewältigt hat, der jün- 21-27) lenkt den Blick auf zwei betag- dass nun eitel Sonnenschein herrscht. geren viel zu sagen. Aus dieser Pers- te Personen, denen die Heilige Familie Unsere Situation ist zwar die, dass uns pektive kann man den weisen Simeon begegnet. Zum einen ist dies der wei- das Heil gegeben ist – gleichwohl er- als jemand betrachten, der sich über se Simeon, zum anderen die Prophetin fordert es Anstrengungen, Entbehrun- das Heil, das in Christus gekommen Hanna. Simeon war extra in den Tem- gen und die Bereitschaft, sich gegen ist, wirklich freut – der aber auch dar- pel gekommen, um das Jesuskind zu den Strom zu stellen. Im letzten ist um weiß, dass der Weg zu diesem Heil sehen, denn ihm war verheißen wor- das aber nur möglich durch die Be- nicht ohne Entbehrungen möglich ist. den, dass er noch zu Lebzeiten dem reitschaft der ehrlichen Umkehr. Wer Dafür gibt auch die betagte Prophetin Messias begegnen werde. Er nimmt den Weg Jesu, im „Zeichen des Wi- Hanna ein Zeugnis. Sie war täglich im das göttliche Kind auf den Arm und derspruchs“ als den rechten Weg aner- Tempel und fastete und betete. Gerade spricht einen Lobpreis, der einer der kennt und annimmt, der muss oft auch das ist beispielhaft für ein Leben hin wichtigsten Texte des Breviergebetes aus eingefahrenen Wegen ausbrechen auf Christus, das Heil. Fasten und Be- ist: das sogenannte „Nunc dimittis“, und liebgewordene Gewohnheiten ten bedeuten doch in erster Linie: sich das im kirchlichen Nachtgebet, der ablegen. Diese Neuorientierung, die nicht ablenken zu lassen und sich so Komplet, seinen festen Platz hat. aber auch zu einer ganz neuen Erfah- ganz auf Gott zu konzentrieren. Und Die zentrale Aussage dieses Ge- rung von Erfüllung und Freiheit – von auf diese Weise auch die Freude am betes ist: „Nun kann ich, Simeon, in mancher Anhänglichkeit – führen Herrn zu spüren, denn Hanna „pries Frieden scheiden, denn ich habe den kann, befähigt dazu, in der Nachfolge Gott und sprach über das Kind zu al- Messias gesehen“ (vgl. Lk 2,29f). Si- Christi „Zeichen des Widerspruchs“ len, die auf die Erlösung Jerusalems meon kann getrost sterben, denn seine zu sein. Und eben jene Bereitschaft warteten“ (vgl. Lk 2, 38). Lebensaufgabe ist erfüllt – er hat den zur Umkehr vermag auch andere dazu So führt Mariä Lichtmess am Ende Herrn gesehen. bewegen, sich Christus, dem Zeichen, auch zur Fastenzeit hin, die in diesem Eine Besinnung auf den Lebens- dem widersprochen wurde, zuzu- Jahr Mitte Februar beginnt: Um sich abend und den Tod gehört zur Kom- wenden. Um aber diese Haltung zu der Bedeutung des Heils in Christus plet, wie es das Segensgebet am Ende leben und um andere für sie zu über- wirklich bewusst zu werden sind Fas- formuliert: „Eine ruhige Nacht und zeugen, braucht es vor allem Weis- ten – Verzicht – und Beten unentbehr- ein seliges Ende gewähre uns der heit – und zwar jene Weisheit, dass lich. q 46 DER FELS 2/2018
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