Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels

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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Prof. Dr. Reinhold Ortner:
                                  Wenn du Gott suchst                         35

                                  Prof. Dr. Hubert Gindert:
                                  Hat die deutsche Ortskirche mit
                                  „weiter so!“ eine Zukunft?                  48

                                  Jürgen Liminski:
                                  Nach außen Demokratie, nach innen Tyrannei 52

Katholisches Wort in die Zeit                   49. Jahr Februar 2018

   DER FELS 2/2018                                                       33
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
INHALT                                                          Liebe Leser,
                                                                                                         Die Zeitung, für die Ger-
                                                                    Vorbilder braucht unsere Zeit:   lich schrieb, hieß „Der gerade
 Prof. Dr. Reinhold Ortner:                                      Es gibt sie!                        Weg“. Ein passender Name. Zu
 Wenn du Gott suchst ............................. 35               Am 16. Dezember wurde im         Gerlichs Zeit wurde in der po-
                                                                 Münchner Liebfrauendom der          litischen     ­Auseinandersetzung
 P. Dr. Dr. Andreas Hirsch FSSP:                                 Seligsprechungsprozess für den      die Wahrheit besonders von den
 Liebende Ganzhingabe in der                                                                         Nationalsozialisten auf den Kopf
 Nachfolge Jesu Christi – der Zölibat . .... 37
                                                                 Journalisten Fritz Gerlich er-
                                                                 öffnet. Kardinal Marx verglich      gestellt. Adolf Hitler, Goebbels
                                                                 Gerlich in seiner Predigt mit       und Co stellten die größte Ge-
 Pfr. Dr. François Reckinger:
                                                                 Johannes dem Täufer: „Johan-        fahr für das Volk dar. Gerlich
 Die Ehe und ihre Unauflöslichkeit . ........ 39
                                                                 nes sei kein unbeteiligter Zeuge    war ihr entschiedenster Gegner.
 Diakon Raymund Fobes:                                           gewesen, sondern ein Märtyrer,      Dafür wurde er am 1. Juli 1934
 Denn meine Augen haben                                          der selbst betroffen gewesen sei    im KZ Dachau ermordet.
 das Heil gesehen ................................... 46         und aus tiefer Überzeugung ge-          Wenn aber Kardinal Marx
                                                                 handelt habe… Gerlich sei ein       in seiner Predigt sagte: „Viele,
 Dr. Eduard Werner:                                              Mann auf der Suche gewesen…         auch viele Christen sind dieser
 Reformer und Wegbereiter in Kirche                              unter Einsatz seines Lebens habe    Ideologie gefolgt“, so müsste
 und Welt: Georges Lemaitre................... 47                                                    diese Aussage gerechterweise
                                                                 er sich auf die Seite des Lichts
                                                                 gestellt und sein Leben für die     differenziert werden. Es waren
 Prof. Dr. Hubert Gindert:                                                                           Christen, die in ihrem Glauben
 Hat die deutsche Ortskirche mit                                 Wahrheit riskiert“ (Tagespost,
                                                                 19.12.2017).                        heimatlos geworden waren – und
 „weiter so!“ eine Zukunft? ...................... 48
                                                                    Fritz Gerlich ist noch nicht     es waren, wie das Wahlverhalten
 Jürgen Liminski:                                                selig gesprochen. Er ist trotzdem   nach Konfessionen zeigt, in der
 Nach außen Demokratie,                                          ein Vorbild. Gerlich wollte im-     großen Mehrheit Protestanten.
 nach innen Tyrannei . ............................. 52          mer der Wahrheit auf den Grund          Da Fritz Gerlich gegen jede
                                                                 gehen. Deshalb fuhr er nach         Form von Diktatur auftrat würde
 Dr. Udo Hildenbrand:                                            Konnersreuth, um den „Schwin-       der Gott- und Wahrheitssucher
 Saladin: Toleranz-Ikone oder                                    del“ mit Resl aufzudecken. Dort     Gerlich heute auch gegen die
 „Schwert des Islam“? . ........................... 56                                               Diktatur des Relativismus aufste-
                                                                 erfuhr er nicht nur die Wahrheit
                                                                 über die Resl, er entdeckte mehr:   hen, die nach Joseph Ratzinger
                                                                 Die Wahrheit der katholischen       „nichts als endgültig anerkennt
 Auf dem Prüfstand ................................. 60
                                                                 Kirche. Aus dem Saulus wurde        und als letztes Maß nur das eige-
 Bücher ................................................... 62
 Veranstaltungen . ................................... 63        ein Paulus. Konnersreuth wurde      ne Ich und seine Gelüste gelten
                                                                 für Fritz Gerlich zum Damas-        lässt“. Dieser Relativismus ist
                                                                 kus seines Lebens. Nach seiner      das Credo des heutigen Zeitgeis-
 Impressum „Der Fels“ Februar 2018 Seite 63
                                                                 Konversion nahm er den Kampf        tes. Er ist auch in die Kirche ein-
 Redaktionsschluss ist jew. der 5. des Vormonats
                                                                 gegen seine persönlichen Schwä-     gedrungen. Deswegen wird sich
 Titelbild: Darstellung des Herrn                                chen und Fehler ernst. Damit        die Zustimmung für Fritz Ger-
 Fresko, Arenakapelle, Padua von Giotto di Bondone
                                                                 sagt er auch uns etwas, wenn wir    lich sowohl in den säkularen wie
 von 1304 und 1306 gemalt. Erläuterung: S. 62
 Foto- und Quellennachweise:                                     am 14. Februar, dem Aschermitt-     auch in den kirchlichen Medien
 Fotos: 35 oben: Kunstschätze des Vatikans, D. Redig             woch, zur Umkehr aufgerufen         in Grenzen halten. Gerade des-
 de Campos, Dt. Bücherbund Stuttgart, S. 32; unten: un-
                                                                 werden. 1931 schrieb Fritz Ger-     wegen ist das Beispiel von Fritz
 bek. Meister „aus Cserény“, Beuroner Kunstverlag;
 36, 48 re, 49 li, 50 re, 51 li, 56, 57 wikimedia gemeinfrei;    lich über sich: „Mein Lebensweg     Gerlich so zeitgemäß!
 37-38 Wigratzbad, Priesterseminar St. Petrus 39 G. Gu-          … ist durch viele, viele Irrtümer
 adalupi, Die Bibel, K. Müller, S. 169; 40-43 J. Browker
 Bibel-Handbuch, d. Kindersley, S. 206, 212, 218; 44             hindurchgegangen … aber unser
 Evangeliar für die Hochfeste des Kirchenjahres, Faksi-          Herr und Heiland Jesus Chris-
 mile Wiedergabe aus dem Codex aureus, Eos-Verlag,               tus wird dem Manne, der wegen
 S. 104; 46 R. Fobes; 48 li: Fresko von Paulus in Mi-
 chael Hesemann: Paulus von Tarsus; S. 248,Nr. 46;               der offenen Aussprache seiner
 Sankt-Ulrich-Verlag, Augsburg; 49 re, 50 li: Archiv; 51         Überzeugung mit dem Strick um
 re: Bistum Regensburg; 52-55 J. Liminski; 56 photo of           den Hals eines Tages zum letzten
 Saladin (Selahedin) Mausoleum is courtesy of TripAd-
 visor-g294011-d324812-i23433778                                 Urteil vor ihn hin tritt, sicher          Mit den besten Wünschen
 Quelle S. 64: Otfrid Pustejovsky in „Zeugen für                 vieles verzeihen“ (Tagespost                         aus Kaufering
 Christus“ I Seite 861, hrsg. v. Helmut Moll                     19.12.2017).                                    Ihr Hubert Gindert

34                                                                                                                DER FELS 2/2018
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Reinhold Ortner:

                                     Wenn du Gott suchst

Einst           lebten Menschen auf
                einer Insel, die von
einem weiten Meer umschlossen war.
                                         mehr. Sie fingen an, in ihr Leben
                                         Liebe und Güte einzubringen. Opfer,
                                         Nachteile und Widerstände schreck-
Diese Insel war ihnen zur gewohnten      ten sie nicht ab. Trotz Spott und Be-
Heimat geworden. Sie hatten sich         drohung seitens ihrer Mitwelt wagten
dort häuslich eingerichtet. Sie aßen,    sie den Aufbruch und verließen mit
tranken, arbeiteten, schliefen, heira-   einem Schiff die Insel.
teten und bekamen Kinder, denen sie         Und siehe, als sie im Glauben und
ihre Insel weiter vererbten.             Vertrauen an das Versprechen des
   Eines Tages verbreitete jemand        fernen Königs in die unbekannten
eine aufregende Kunde: „Irgend-          Weiten des Meeres hinausfuhren, fiel
wo weit hinter dem Meer gibt es          es ihnen immer mehr wie Schuppen
ein unvergleichbar schöneres Land.       von den Augen. Jeden Tag wurde ihre
Dort lebt ein gütiger und mächtiger      Gewissheit größer, ihr Kurs sicherer,
König, der allen ein Höchstmaß an        ihr Ziel greifbarer.“
Glücklichsein verspricht. Um dort-          Leben die Menschen in unserer
hin zu kommen muss man allerdings        Gesellschaft nicht in einer vergleich-
über die Weiten des großen Meeres        baren Situation? Wenige können sa-
fahren. Jeder Mensch, in dessen Herz     gen, dass sie noch nie etwas von der     Ein Philosoph mit der Laterne unterwegs. Mit
                                                                                  seinem Denken will er die Geheimnisse dieser
Vertrauen, Liebe und Güte wohnen,        Frohen Botschaft gehört haben, die
                                                                                  Welt ergründen und den Menschen Licht auf der
kann es finden.                          Gott in Christus allen Menschen über-    Suche nach dem Sinn des Lebens bringen. Von
   Diese Kunde wurde von den Men-        mittelte. Und doch – wie verschieden     Diogenes sagt man, dass er am helllichten Tag
schen sehr verschieden aufgenom-         wird diese Botschaft aufgenommen!        auf dem Marktplatz in Athen mit einer Laterne
men. Einige sagten: „Seit ich lebe,      Die einen sagen: „Wir glauben nur,       umher ging und sagte, er suche einen Menschen.
kenne ich nur ein riesiges, unendli-     was wir wahrnehmen. Alles andere         Nietzsche erzählt die Geschichte von dem tollen
ches Meer, das unser Land umgibt.        sind fromme Märchen.“ Die Reichen        Menschen, der am hellen Vormittag eine Laterne
Ich kann daher dieser Behauptung         und Mächtigen denken an die Vortei-      anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich
keinen Glauben schenken und blei-        le ihres Leben innerhalb des etablier-   schrie: „Ich suche Gott! Ich suche Gott!“
be lieber, wo ich bin. Da weiß ich,      ten gesellschaftlichen Systems und
was ich habe.“ Andere waren ihrem        haben Angst, ihre weltanschaulichen      Der hl . Martin teilt seinen Mantel und gibt die
                                                                                  Hälfte davon einem notleidenden Bettler. „Was ihr
Reichtum und ihren Vergnügungen          Positionen aufgeben zu müssen. An-
                                                                                  dem geringsten meiner Brüder getan habt, das
verfallen. Daher konnten sie den         dere bezeichnen Güte und Liebe als       habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).
Gedanken nicht ertragen, diese An-       charakterliche Schwachheit und ver-
nehmlichkeiten aufgeben zu müssen.       harren in Egoismus, Herzlosigkeit
„Wir leben nur einmal“, dachten sie.     und sündigem Tun. Nur eine kleine
„Also essen und trinken wir und wol-     Gruppe von Menschen denkt über
len es uns gut gehen lassen!“            den wahren Sinn und das Ziel des
   Andere spürten instinktiv eine Ge-    Lebens und über die Botschaft des
fahr, die von dieser Kunde für ihre      Evangeliums nach und vertraut dar-
bisherige Machtposition ausging.         auf.
„Es wird höchste Zeit“, sagten sie          Es ist eine alte Erfahrung: „Wer
zu einander, „dass wir entschlossen      Gott sucht, der findet Ihn auch.“ Su-
und notfalls mit Gewalt gegen diese      chen heißt zunächst einmal, sich auf
staatsgefährdende Meinungsmache          den Weg machen und den Aufbruch
vorgehen.“ Sie fingen an, jeden Glau-    wagen. Gott finden wird jeder, der
ben an diese Kunde bei den Men-          Ihn ehrlichen Herzens darum bittet
schen von Anfang an zu zerstören.        und auf der Suche nach dem Ziel sei-
   Wieder andere bewahrten die froh      nes Lebens sich Christus anschließt,
machende Nachricht in ihrem Her-         der von sich sagt: „Ich bin der Weg,
zen. Ihr Denken fand keine Ruhe          die Wahrheit und das Leben“. Wagen,

DER FELS 2/2018                                                                                                               35
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Eines Tages wollte der Enkel von Rabbi Baruch mit anderen Kindern Verstecken spielen. Er wusste ein
   besonderes Versteck und dies war sein großes Geheimnis. Er verbarg sich also dort und wartete voll ge-
   spannter Freude darauf, dass die anderen ihn entdecken würden. Als er lange ausgeharrt hatte, kam er
   wieder aus dem Versteck hervor. Jedoch seine Freunde waren nirgends zu sehen. Da wusste er, dass sie
   ihn überhaupt nicht gesucht hatten. Er ging betrübt zu seinem Großvater und klagte ihm seine Enttäu-
   schung. Dieser strich ihm über das Haar und sagte:
   „Siehst du, mein Junge, so geht es auch Gott. Er verbirgt sich. Aber keiner will Ihn suchen.“

glauben, vertrauen – so musst du be-                   Aber wie kannst du ihn suchen?      Hand, schau in seine Augen. In der
ginnen, wenn du Gott suchst.                        Es gibt ungezählte Möglichkeiten.      Begegnung mit der Seele deines Mit-
   Aber immer weniger Menschen                      Geh offenen Herzens in die Natur.      menschens erlebst du ein Ahnen von
wollen Gott suchen. Wir hasten von                  Lass die kunstvolle Gestaltung und     der Größe Gottes, der diese Seele er-
einem Tag zum andern. Unser Den-                    Schönheit einer Blume auf dich wir-    schaffen hat. Oder denke über dich
ken, Tun und Trachten ist belegt von                ken. Betrachte den Flug der Schwal-    selbst nach. Wie kommt es, dass du da
der Suche nach irdischen Annehm-                    ben, die Farbenpracht eines Schmet-    bist? Woher kommst du? Wohin zielt
lichkeiten, Reichtümern, Erfolgen,                  terlings, die sinnvolle Konstruktion   dein Leben? Wer hat bewirkt, dass es
Ehrungen und persönlichem Wohl-                     eines Spinnennetzes, Blütenstaub-      dich gibt? Gott hat auch dich erschaf-
ergehen. Wir nehmen dies so unge-                   wolken, die der Befruchtung dienen.    fen, einfach, weil Er dich wollte und
mein wichtig. Aber warum suchen                     Man könnte endlos aufzählen. Got-      weil Er dich liebt. Und nun wartet
wir nicht ebenso nach Gott? Ist Er                  tes Schöpfung ist wunderbar. Und       Er, dass du Ihn suchst, dass du Ihn
uns weniger wichtig? Gott drängt                    dahinter verbirgt sich Gott. Geh auf   findest, dass du Verbindung zu Ihm
sich nicht auf. Er ist ein verborgener              die Suche, um deine Sinne zu öffnen,   aufnimmst.
Gott. Aber Er wirbt mit größter Liebe               nachzudenken und zu staunen.              Der tiefe Sinn des Lebens ist es,
um unsere Aufmerksamkeit. Er war-                      Vielleicht wendest du dich einem    Gott zu suchen. Der tiefe Sinn des
tet darauf, dass wir Ihn suchen und                 hilfsbedürftigen Menschen zu. Hilf     Sterbens ist es, Gott ganz und für im-
dann auch finden.                                   ihm aus seiner Not. Nimm ihn bei der   mer gefunden zu haben.             q

Vor über 500 Jahren war Christoph Kolumbus an
Bord seiner Karavelle Santa Maria aufgebrochen,
um den Seeweg nach Indien im Westen zu finden

„Nun war man wochenlang auf See gewesen, ...
Wasser, Wasser, Wasserwüsten ... überall. Nach
wochenlanger Fahrt ... wurde die Besatzung un-
ruhig. ..., der Schiffszwieback ging zu Ende, das
Wasser wurde rationiert, und Pökelfleisch gab es
auch nicht mehr. Die einen sagten: Jetzt müssen
wir den Kurs ändern. ... Jetzt müssen wir nach
Norden fahren. Es wird hier viel zu heiß. Die
andern sagten: nach Süden; nach Westen ist es
viel zu weit. Die allermeisten wollten nach Hause
umkehren ... das Leben retten!

Nur Kolumbus sagte: Wir müssen weiter auf Kurs
bleiben und wir werden das Land finden.“ (Dyba
Johannes, aus der Predigt an Mariä Namen)

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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
P. Andreas Hirsch FSSP:

                   Liebende Ganzhingabe in der
                 Nachfolge Jesu Christi – der Zölibat

Die          Sadduzäer glaubten nicht
             an die Auferstehung und
das Ewige Leben. Sie wollten Jesus
                                         mehr heiraten, sondern sein wie die
                                         Engel im Himmel“ (Mt 22,30). Der
                                         verheiratete Petrus fragte Jesus: „’Du
                                                                                  gilt nach dem Vorbild des Herrn dem
                                                                                  Reich Gottes. Wenn Paulus schreibt,
                                                                                  dass der künftige Bischof und Di-
eine Falle stellen. Sie fragten den      weißt, wir haben unser Eigentum          akon nur Mann einer Frau gewesen
Herrn, mit wem eine Frau, die gemäß      verlassen und sind Dir nachgefolgt.’     sein darf (1 Tim 3,2.12; Tit 1,6) so
dem mosaischen Gesetz nach dem           Jesus antwortete ihnen: ‚Amen, ich       spricht er nicht über die Vielweibe-
Tod ihres Mannes dessen Bruder           sage euch: Jeder, der um des Reiches     rei, die sowieso den Gesetzen Got-
heiratet und nach dessen Tod wiede-      Gottes willen Haus oder Frau, Brü-       tes widerspricht, sondern lässt nur
rum den nächsten Bruder usw. (Mt         der, Eltern oder Kinder verlassen hat,   solche Kandidaten für die heiligen
22,23ff), im Himmel denn verhei-         wird dafür schon in dieser Zeit das      Weihen zu, die nur einmal verheiratet
ratet sei. Jesus betont in seiner Ant-   Vielfache erhalten und in der kom-       waren und wie die Apostel ihre Ehe-
wort die Macht Gottes, der ein Gott      menden Welt das Ewige Leben’“            frau um Jesu willen verlassen haben.
der Lebenden ist und dass die Men-       (Lk 18,28ff). Diejenigen Apostel, die    Frau und Kinder mussten versorgt
schen nach der Auferstehung nicht        verheiratet waren, haben demnach         sein, das war selbstverständlich und
mehr heiraten werden, sondern wie        ihre Frauen (und Kinder), die in der     entsprach dem Liebesgebot.
die Engel leben. Der Hauptzweck          Großfamilie versorgt waren, um Jesu
der von Gott eingesetzten Ehe ist in     willen verlassen.                           Die Diakone, Priester und Bischöfe
Liebe Kinder zu haben und diese zu                                                entscheiden sich für die Ehelosigkeit
Gott zu führen. Somit ist der Zölibat       Paulus stellt die Sorge um das        in der Nachfolge Jesu Christi um des
der Verzicht auf etwas Gutes – das       Reich Gottes über eine Familie und       Himmelreiches willen (Mt 19,12).
Schlechte müssen wir sowieso als         schreibt, dass man nicht gleichzei-      Dies ist eine besondere von Gott ge-
Sünde meiden. Der Zölibat erschöpft      tig zwei Herren dienen kann (1 Kor       schenkte Berufung (1 Kor 7,7), die
sich aber nicht im Verzicht, sondern     7,26-35). Die ehelos lebenden Kle-       man nicht ‚machen’ kann. Sie richtet
ist auf Gott, die unendliche Liebe,      riker wählen Jesus, der selbst unver-    sich nicht gegen die von Gott in der
ausgerichtet und weist auf das Ewige     heiratet war, als den Bräutigam ihrer    Schöpfungsordnung gewollte Fami-
Leben hin: „Denn nach der Aufer-         Seele (Mt 2,18ff), in dessen Nachfol-    lie. Denn alle Formen christlichen
stehung werden die Menschen nicht        ge sie gerufen sind. Ihre ganze Sorge    Lebens nach den Gesetzen Gottes er-

DER FELS 2/2018                                                                                                    37
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
gänzen sich in der Kirche. Jeder hat     Kindern mit deren Einverständnis.         daten abgeraten haben und die ande-
seinen Platz und seine Aufgabe. Gott     Diese waren in der Großfamilie oder       ren Bischöfe hätten zugestimmt. Sein
wird in Seiner Liebe und Allmacht        anderweitig gut versorgt. Man ging        Name taucht jedoch erst in späteren
allen gerecht. Jesus wird vom Vater      später immer mehr dazu über, nur          Schriften auf und ist beim bekannten
gesandt und offenbart dessen bedin-      noch unverheiratete Kandidaten zu         Kirchengeschichtsschreiber Eusebi-
gungslose Liebe durch Sein Leben,        weihen, von denen in der Anfangs-         us von Cäsarea, der in Nizäa anwe-
Leiden und Sterben am Kreuz (Joh         zeit noch nicht in ausreichender Zahl     send war, nicht zu finden. Das Konzil
13,1; 19,30). Diese Liebe will Jesus     zur Verfügung standen. In der Ostkir-     von Nizäa verbietet den Bischöfen,
uns offenbaren und schenken. Er be-      che legte man im Vergleich zur West-      Priestern und Diakonen das Zusam-
ruft Bischöfe, Priester und Diakone,     kirche anfangs sogar größeren Wert        menleben mit Frauen, die nicht mit
die leben wie Er. Sie sollen von jeder   auf den Zölibat wie aus den Zeug-         ihnen verwandt sind. Wegen der
familiären Bindung befreit sein und      nissen der griechischen Kirchenväter      menschlichen Schwäche mussten die

sich ungeteilt um das Reich Gottes       hervorgeht. Auch die lateinischen         Päpste und Konzilien immer wieder
kümmern (Lk 9,58-62).                    Kirchenväter wie etwa Hieronymus          den Zölibat einschärfen.
                                         legen ein eindeutiges Zeugnis für
   Wir haben gesehen, dass der Zöli-     den Zölibat ab. Dies änderte sich erst       Der zölibatär lebende Priester
bat durch das Vorbild Jesu und Seiner    durch Abspaltungen von der Reichs-        schenkt ist im Dienste Jesu Christi
Apostel gut begründet ist. Dieses Le-    kirche in Persien und Ägypten sowie       wie dieser für Seine Schafe voll ver-
ben ist ein großes Zeichen einer in-     durch die Trullanische Synode 691         fügbar und teilt die Einsamkeit des
nigen und ungeteilten Liebe zu Gott      in Konstantinopel. Dort berief man        Herrn im Gebet, das immer mehr zu
und den Menschen (Eph 5,25), die in      sich auf absichtlich oder unabsicht-      einer liebenden Zwiesprache mit dem
der Ewigkeit durch Gott selbst voll-     lich schlecht übersetzte Texte afri-      Vater werden soll, der dem Priester
endet wird. Wie Jesus folgten auch       kanischer Synoden, die den Zölibat        die Kraft und die Gnaden für seine
den Aposteln Frauen als Helferinnen      bekräftigten und deutete diese in das     Aufgaben verleiht. Dies erfordert das
(1 Kor 5,9) nach, die aber nicht ihre    Gegenteil um, worauf schon im 16.         Gebet der Priester für alle Menschen
Ehefrauen waren, da sie von Paulus       Jahrhundert Caesar Baronius hinge-        und das Gebet der Gläubigen für ihre
zusätzlich als Schwestern bezeichnet     wiesen hatte. Seit dieser Zeit sind die   Priester. So legen wir ein Fundament
werden.                                  Weltpriester im Osten verheiratet, die    der Gottes- und Nächstenliebe.
                                         Bischöfe jedoch nicht. Diese müssen
   Der Zölibat macht den Priester        aus dem unverheirateten Mönchs-             Deshalb wiederhole ich es jedes
frei für das Reich Gottes und wurde      stand gewählt werden.                     Mal mit liebendem und frohem Her-
in der nachapostolischen Zeit in Ost                                               zen: Seid gut zueinander. Beginnen
und West praktiziert. Die verheirate-       Gegen den Zölibat wird immer die       wir damit im Gebet.            q
ten Weihekandidaten (die sogenann-       von Friedhelm Winkelmann als Le-
ten viri probati = bewährte Männer)      gende entlarvte Rede eines Bischofs       Vgl. die sehr informativen Bücher von Alfons
durften nur einmal verheiratet sein.     mit Namen Paphnutius auf dem Kon-         Maria Kardinal Stickler, Der Klerikerzöli-
                                                                                   bat, Abensberg 1993; Arturo Cattaneo (Hg.),
Sie trennten sich wie etwa der hl.       zil von Nizäa (325) ins Feld geführt.     Verheiratete Priester?, Paderborn 2012 und
Gregor von Nyssa und der hl. Pauli-      Dieser solle von einer Verpflichtung      Stefan Heid, Zölibat in der frühen Kirche, Pa-
nus von Nola von ihren Frauen und        zur Ehelosigkeit bei den Weihkandi-       derborn 32003

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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
François Reckinger:

                    Die Ehe und ihre Unauflöslichkeit
                                      Was sagen Bibel und Kirche dazu?

Es      ist ein sehr aktuelles Thema,
        um das es im Folgenden geht
– ein immer aktuelles Thema, das
                                          mels und über alle Tiere, die sich auf
                                          dem Land regen.“
                                             Dem fügt der 2. Schöpfungsbe-
                                                                                   menschaft betont, der zweite dagegen
                                                                                   mehr die Bindung der beiden Partner
                                                                                   aneinander. Als Bild dafür spricht
jedoch vor kurzem infolge der Ein-        richt, Genesis 2, Vers 21-24, einen      der Verfasser erstmalig die bedeu-
führung der sogenannten Ehe von           wichtigen Aspekt hinzu: „Gott, der       tungsschwere Erklärung aus, dass
gleichgeschlechtlichen Personen in        Herr ließ einen tiefen Schlaf auf den    Mann und Frau durch ihre gegensei-
Deutschland eine besondere Aktua-         Menschen fallen (und das bedeutet        tige Hingabe in der geschlechtlichen
lität gewonnen hat. Dennoch geht es       hier: auf den Mann fallen), so dass er   Vereinigung ein einziges Fleisch
mir nicht um eine politische Ausei-       einschlief, nahm eine seiner Rippen,     werden.
nandersetzung im Blick auf die ge-        baute aus der Rippe, die er vom Men-
nannte Problematik, sondern um die        schen genommen hatte, eine Frau,            Im Volk Israel allerdings, innerhalb
tiefere Frage: Was ist das Vorhaben       und führte sie dem Menschen zu.          dessen die Genesis genau wie alle
Gottes mit der Ehe als Einswerden         Darum verlässt der Mann Vater und        anderen alttestamentlichen Schriften
zwischen Mann und Frau – und was          Mutter und bindet sich an seine Frau     entstanden ist, wurde diese Stelle
will er durch sie, die Ehe, innerhalb     und sie werden ein Fleisch.“             wenigstens zunächst offenbar nicht
der Welt und der Menschheit bewir-                                                 in dem genannten Sinn verstanden.
ken?                                         Ein Vergleich dieser beiden Be-       Denn das alttestamentliche Gesetz
                                          richte erweist, dass der erste mehr      erlaubte sehr wohl die Ehescheidung
                                          die Fruchtbarkeit der Ehe in der Zeu-    – allerdings als ausschließliches Vor-
      Grundlegung und                     gung und Erziehung von Nachkom-          recht des Mannes.
      Entwicklung im
      Alten Testament

    Sieben Bibelstellen im Alten Testa-
ment vor allem geben eine zumindest
vorläufige Antwort auf die Frage.
    Zuerst der erste Schöpfungsbe-
richt, im 1. Kapitel des Buches Gene-
sis, Vers 27f, wo es heißt: „Gott schuf
... den Menschen als sein Abbild ...
Als Mann und Frau schuf er sie. Gott
segnete sie, und Gott sprach zu ih-
nen: Seid fruchtbar und vermehrt
euch, bevölkert die Erde, unterwerft
sie euch und herrscht über die Fische
des Meeres, über die Vögel des Him-

    Fra Angelico malte um 1452
    die Paneele der Silbertruhe in
    der Kirche Santissima Annun-
    ziata, Florenz. Die Themen sind
    symbolträchtig. Das mystische
    Rad ist eine Interpretation des
    Himmels gemäß dem Ezechiel-
    Buch. Das äußere Rad zeigt die
    Propheten, das innere die Evan-
    gelisten und Apostel.

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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Die entscheidende Aussage dazu        des Alten Bundes hier abzubrechen          sich sind vor Liebe zueinander. Die-
findet sich im Buch Deuteronomi-         und damit den Eindruck zu erwe-            ses Hohelied beginnt mit einem Satz,
um, Kapitel 24,1-4. In der dort vor-     cken, als sei das bisher Gesagte al-       in dem die Braut über den Bräutigam
geschriebenen Regelung erscheint         les, was dessen Heilige Schrift über       und zu ihm sagt: „Mit Küssen sei-
die Frau gar nicht erst als Adressatin   Mann und Frau, Liebe, Sexualität           nes Mundes bedecke er mich. Süßer
des Textes. Vielmehr geht es da aus-     und Ehe zu sagen weiß. Denn außer          als Wein ist deine Liebe.“ Von einer
schließlich darum, was ein Mann, der     den Geschichtsbüchern und den Ge-          Herrschaft des Mannes über die Frau
seine Frau aus der Ehe entlässt und      setzesbüchern umfasst das Alte Tes-        ist in diesem Buch nichts mehr zu
aus seinem Haus wegschickt, zu tun       tament, beginnend mit dem 8. Jh. vor       verspüren. – Doch kommen wir nun
hat, wenn diese seine gewesene Frau,     Chr., auch die prophetischen Bücher,       zum Thema Ehe und Ehescheidung
nachdem sie einen anderen Mann           in denen ein deutlicher geistlicher        im Neuen Testament.
geheiratet hat und später auch von       Fortschritt auf den erwarteten Mes-
diesem weggeschickt wurde, ihre          sias hin festzustellen ist. Dieser Fort-
Bereitschaft bekunden sollte, zu ihm,    schritt betrifft u. a. auch das Denken           Das Unauflöslich-
ihrem ersten Mann zurückzukehren.        und Empfinden hinsichtlich Sexuali-              keitsgebot Jesu
Und der Text besagt, dass dieser, ihr    tät, Liebe und Ehe.
erster Mann, sie dann nicht wieder                                                     Ausgangspunkt aller sinnvollen
heiraten darf, denn, so wörtlich, sie       Vor allem kommt in dem genann-          Überlegungen zum Thema Ehe und
sei durch ihren Geschlechtsverkehr       ten 8. Jahrhundert bei dem Prophe-         Ehescheidung kann nur das Wort
mit dem zweiten Mann für ihn, ihren      ten Hosea die Darstellung des Vol-         Jesu sein, mit dem er die im Alten
ersten Mann, unberührbar geworden.       kes Israel als der Braut Gottes auf:       Testament vorgesehene Möglichkeit
                                         eine treulose Braut, weil sie Ihn,         der Ehescheidung und Wiederverhei-
  Allerdings wäre es ungerecht,          ihren Mann, betrogen hat, indem sie        ratung – im Blick auf die mit seinem
den Durchgang durch die Schriften        fremden, heidnischen Göttern nach-         Tod und seiner Auferstehung begin-
                                         gelaufen ist und sie verehrt hat (2,4-     nende Zeit des Neuen Bundes – für
                                         17). Weiter entfaltet wurde dieselbe       ungültig erklärt hat. Dieses Wort ist
                                         Thematik ein bis zwei Jahrhunderte         im Neuen Testament an fünf Stellen
                                         später in den prophetischen Reden          bezeugt: Matthäus 5,31f; 19,3-12;
                                         von Jeremia (3,1-13) und Ezechiel          Markus 10,2-12; Lukas 16,18; Pau-
                                         (16,1-63). Ihren stärksten Ausdruck        lus in 1 Korinther 7,10-16.
                                           hat diese prophetische Tradition            Die erste der beiden Stellen bei
                                            dann nochmals ein bis zwei Jahr-        Matthäus, 5,31f, hat folgenden Wort-
                                            hunderte später in dem sog. Hohe-       laut: „(Ihr habt gehört, dass zu den
                                            lied gefunden. Hier kommen ein          Alten gesagt worden ist:) Wer seine
                                           Mann und eine Frau zu Wort, die          Frau aus der Ehe entlässt, muss ihr
                                         einander vollauf treu sind und außer       eine Scheidungsurkunde geben. Ich
                                                                                    aber sage euch: Wer seine Frau ent-
                                                                                    lässt, obwohl kein Fall von Unzucht
                                                                                    vorliegt, liefert sie dem Ehebruch
                                                                                    aus; und wer eine Frau heiratet, die
                                              Der Prophet Jeremia (3,6-13)          aus der Ehe entlassen worden ist, be-
                                                vergleicht den Bund Gottes          geht Ehebruch.“ Diese Stelle gehört
                                               mit Israel und Juda mit der          zu einem Abschnitt der sog. Berg-
                                             Ehe. Israel und Juda haben ihre        predigt, in der Jesus nacheinander
                                             Treue gebrochen und sind in die        mehrere Forderungen des alttesta-
                                             Irre gegangen. Reue und Um-            mentlichen Gesetzes anführt und je-
                                             kehr sind die Voraussetzungen          weils anschließend erklärt, dass die-
                                             für den Gnadenerweis Gottes.           se Bestimmungen von jetzt an, in der
                                             „Der Herr sprach zu mir zur Zeit       neuen Zeit, die mit seinem Kommen
                                             des Königs Joschija: Hast du           angebrochen ist, nicht mehr in der
                                             gesehen, was Israel, die Abtrün-       überlieferten Weise gelten, sondern
                                             nige, getan hat? Sie begab sich        durch erheblich anspruchsvollere
                                             auf jeden hohen Berg und unter         Forderungen ersetzt werden. Darauf
                                             jeden üppigen Baum und trieb           wird weiter unten noch zurückzu-
                                             dort Unzucht.                          kommen sein.
                                             Geh hin, ruf diese Worte gegen            Die zweite der beiden genannten
                                             Norden und sprich: Kehr um,            Matthäus-Stellen zum Thema Ehe-
                                             Israel, du Abtrünnige – Spruch         scheidung (19,3-12), ist nicht Teil
                                             des Herrn! Ich schaue dich nicht       einer Rede Jesu, sondern eines seiner
                                             mehr finster an; denn ich bin          Streitgespräche mit Schriftgelehrten.
                                             gütig – Spruch des Herrn –,ich         Wörtlich heißt es da: „Es kamen Pha-
                                             trage nicht ewig nach“ (6.12).         risäer zu ihm, die ihm eine Falle stel-
                                                                                    len wollten, und fragten: Darf man sei-

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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
ne Frau aus jedem beliebigen Grund                                           gegenüber Ehebruch.“ Anschließend
aus der Ehe entlassen? Er antwortete:                                        folgt dann ein Satz, der sich weder
Habt ihr nicht gelesen, dass                                                 bei Matthäus noch bei Lukas findet
der Schöpfer die Menschen                                                    und der in Bezug auf das hier zur De-
am Anfang als Mann und                                                       batte stehende Thema die Gleichbe-
Frau geschaffen hat und dass                                                 rechtigung der Frau mit dem Mann
er gesagt hat: Darum wird                                                    ausspricht. Denn es heißt da ganz
der Mann Vater und Mutter                                                                    schlicht: „Auch eine
verlassen und sich an seine                                                                  Frau begeht Ehebruch,
Frau binden, und die zwei                                                                    wenn sie ihren Mann
werden ein Fleisch sein?                                                                  aus der Ehe entlässt und
Sie sind also nicht mehr                                                                einen anderen heiratet.“
zwei, sondern eins. Was aber                                                               Gewiss kann die Frau mit
Gott verbunden hat, das darf                                                            diesem ihr von Jesus zuer-
der Mensch nicht trennen. Da                                                            kannten Recht nicht allzu
sagten sie zu ihm: Wozu hat dann                                                        viel anfangen. Denn sie kann
Mose vorgeschrieben, dass man (der                                                     ihren Mann zwar aus der Ehe
Frau) eine Scheidungsurkunde geben                                                    entlassen, d. h. sich von ihm
muss, wenn man sich trennen will?                                                     trennen; aber wenn sie dann
Er antwortete: Nur weil ihr so hart-                                                  einen anderen heiratet, begeht
herzig seid, hat Mose euch erlaubt,                                                 sie nach dem Wort Jesu Ehe-
eure Frauen aus der Ehe zu entlas-                                                bruch. Von daher wird deutlich,
sen. Am Anfang war das nicht so. Ich                                         dass Jesus mit dem angeführten Wort
sage euch: Wer seine Frau entlässt,                                          von ihm eine auf die Trennung fol-
obwohl kein Fall von Unzucht vor-                                            gende neue Eheschließung der Frau,
liegt, und eine andere heiratet, der                                         genau wie eine etwaige neue Ehe-
begeht Ehebruch. Da sagten die Jün-                                          schließung des Mannes, für ungültig
ger zu ihm: Wenn das die Stellung                                            erklärt. Es lässt sich wohl kaum eine
des Mannes in der Ehe ist, dann ist es                                       stärkere Art denken, wie jemand zum
nicht gut zu heiraten. Jesus sagte zu                                        Ausdruck bringen kann, dass er eine
ihnen: Nicht alle können dieses Wort                                         versuchte Eheschließung für ungül-
erfassen, sondern nur die, denen es                                          tig erklären will. Die Gleichberechti-
gegeben ist ...“                                                             gung von Mann und Frau hinsichtlich
                                                                             der Ehescheidung, entsprechend die-
   Von all den bisher genannten Stel-                                        sem Gebot Jesu, ist demnach faktisch
len sind diese beiden Matthäus-Stel-                                             viel eher als eine Gleichunberech-
len die einzigen, in denen die Ein-                                              tigung zu verstehen.
schränkung vorkommt: „... obwohl                                                    Des ungeachtet dürfen wir uns
kein Fall von Unzucht vorliegt“. Auf                                             meines Erachtens im Blick auf
die Frage, was diese Einschränkung                                           das heutige Lebensgefühl, zumin-
bedeuten soll, wird zurückzukom-                                             dest in unserem Kulturkreis, über
men sein, nachdem die drei restlichen                                        die erwähnte Gleichstellung beider
Stellen zum Thema Unauflöslichkeit                                           Geschlechter von Herzen freuen.
der Ehe angeführt sind.                  Ezechiel 16,1-63                    Dies umso mehr, als Markus mit dem
                                         Gleichnisrede gegen Jerusalem,      genannten Jesuswort zwar unter den
   Auch der Evangelist Markus be-        die treulose Braut, die mit frem-   Evangelisten allein dasteht, Paulus
handelt das Thema im Zusammen-           den Göttern „hurte“                 dagegen voll mit ihm übereinstimmt.
hang mit der Frage, die die Pharisäer    „Ich aber, ich werde meines         Denn dieser schreibt in seinem ers-
Jesus stellten. Er gibt das daraufhin    Bundes mit dir aus den Tagen        ten Brief an die Christengemeinde in
erfolgende Gespräch jedoch in etwas      deiner Jugend gedenken, und         Korinth: „Den Verheirateten gebiete
kürzerer Form wieder – und es findet     ich werde einen ewigen Bund         nicht ich sondern der Herr: Die Frau
sich darin kein Wort von der von Mat-    für dich aufrichten.                soll sich vom Mann nicht trennen –
thäus erwähnten Einschränkung „ob-       Ich selbst richte meinen Bund       wenn sie sich aber trennt, so bleibe
wohl kein Fall von Unzucht vorliegt“.    mit dir auf, damit du erkennst,     sie unverheiratet oder versöhne sich
Statt dessen fügt er dem Bericht über    dass ich der Herr bin. So sollst    wieder mit dem Mann, und der Mann
dieses Streitgespräch eine wichti-       du gedenken, sollst dich schä-      darf die Frau nicht verstoßen“ (1 Ko-
ge Angabe folgenden Inhalts hinzu:       men und wirst vor Scham den         rinther 7,10f).
„Zu Hause (und damit offenbar nach       Mund nicht mehr öffnen kön-
Trennung von den pharisäischen Kri-      nen, weil ich dir Versöhnung           Von der Gesamthaltung Jesu ge-
tikern) befragten ihn die Jünger noch    gewähre für alles, was du ge-       genüber Frauen, von seinem erwähn-
einmal darüber. Er antwortete ihnen:     tan hast – Spruch Gottes, des       ten Wort bezüglich ihres möglichen
Wer seine Frau aus der Ehe entlässt      Herrn“ (60.62.63).                  Initiativwerdens in Sachen Ehetren-
und eine andere heiratet, begeht ihr                                         nung sowie von dem, was Paulus im

DER FELS 2/2018                                                                                                 41
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Zusammenhang mit diesem Wort              ausreichendem und psychisch gesun-        Matthäus in Vers 19,9 vorliegt, wirk-
ausführt (1Korinther 7,1-15), ist der     dem Nachwuchs einer erträglichen          lich die Gestattung einer Eheschei-
wohl stärkste Impuls innerhalb der        Zukunft entgegensehen können.             dung zugunsten des Mannes bedeuten
Menschheitsgeschichte für die Be-                                                   würde, dann hätte das eine geradezu
freiung der Frau von der Willkür-                                                   groteske Folge: Eine Frau, der es
herrschaft des Mannes ausgegangen.              Macht Jesus bei                     bei ihrem Mann nicht mehr gefallen
                                                Matthäus eine                       würde und die wüsste, dass auch er
                                                Ausnahme?                           nicht mehr so sehr an ihr hinge – eine
      Die unauflösliche Ehe                                                         solche Frau könnte einem solchen
      als Erfüllung der                      Die Antwort lautet: dem Wortlaut       Mann anbieten, sozusagen als Ab-
      Schöpfungsordnung                   nach, ja: er nimmt an den beiden          schiedsgeschenk für ihn Ehebruch zu
                                          Stellen im Matthäus-Evangelium, die       begehen, damit er von der ehelichen
   Während die pharisäischen Schrift-     das Thema betreffen, einen bestimm-       Verbindung mit ihr frei würde und
gelehrten als Gesprächspartner Jesu       ten Fall aus. In 5,32 heißt es: „Wer      eine andere Frau heiraten dürfte.
bei Matthäus sich für die überliefer-     seine Frau entlässt, obwohl kein Fall        Und schließlich ist Folgendes zu
te Scheidungspraxis auf das Gesetz        von Unzucht vorliegt, liefert sie dem     bedenken: Es gab zur Zeit Jesu im
des Mose berufen, greift Jesus weit       Ehebruch aus; und wer eine Frau           Volk Israel zwei miteinander riva-
darüber hinaus auf die ursprüngliche      heiratet, die aus der Ehe entlassen       lisierende Schulen von Rechtsge-
Schöpfungsordnung zurück, wie sie         worden ist, begeht Ehebruch.“ Und         lehrten, angeführt von den beiden
in der bildhaften Darstellung der bei-    später, in 19, 9: „Wer seine Frau ent-    Vordenkern Hillel und Schammai.
den ersten Kapitel des Buches Gene-       lässt, obwohl kein Fall von Unzucht       Hinsichtlich der Ehescheidung urteilt
sis geschildert wird. Seine Antwort an    vorliegt, und eine andere heiratet, der   der Erstgenannte streng ablehnend,
die rechtskundigen Fragesteller gip-      begeht Ehebruch.“ Über diese sog.         Schammai dagegen ein ganzes Stück
felt in dem Hinweis auf Genesis 2,24:     „Unzuchtsklausel“ ist seit Jahrhun-       liberaler, zugunsten des Mannes.
„Darum verlässt der Mann Vater und        derten viel diskutiert und geschrieben    Wenn nun Jesus auch seinerseits dem
Mutter und bindet sich an seine Frau,     worden. Meistens wurde dabei unter        Mann die Wiederverheiratung im
und sie werden ein Fleisch sein.“         dem Begriff „Unzucht“ ohne weiteres       Fall von Ehebruch seitens der Frau
   Zu beachten ist dabei, dass Je-        „Ehebruch“ verstanden, obwohl das         zugestanden hätte, dann hätte er sich
sus mit diesem Wort erstmals den          Wort an sich Sexualhandlungen zwi-        hinsichtlich dieser Frage kaum von
von Gott her geltenden Vollsinn           schen Unverheirateten bezeichnet.         der Position des zuletzt genannten
des von ihm angeführten Genesis-                                                    Rechtsgelehrten Schammai unter-
Textes offenbart hat, wonach damit           Angesichts dessen haben im Lauf        schieden. Woher dann aber die Aufre-
die Erlaubtheit einer Scheidung mit       der Zeit manche Bischöfe und Theo-        gung unter den Jüngern Jesu, sofort
Wiederverheiratung zu Lebzeiten           logen die beiden genannten Mat-           nachdem sie seine Forderung gehört
des Partners ausgeschlossen ist. Die      thäusstellen in dem Sinn ausgelegt,       haben: „Da sagten die Jünger zu ihm:
Glaubenstradition Israels hatte dies      dass sie eine wirkliche Ausnahme          Wenn das die Stellung des Mannes in
niemals so gesehen – die Scheidung        vom Unauflöslichkeitsgebot Jesu           der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu
mit Wiederverheiratung war vielmehr       besagen würden. Andere kompe-             heiraten“ (Mt 19,10)?
gang und gäbe und wurde kaum in           tente kirchliche Autoren haben dem
Frage gestellt. Erst in der von Chris-    jedoch entschieden widersprochen             Bis vor einigen Jahrzehnten gab
tus gestifteten Kirche ist das Leitbild   – und das kirchliche Lehramt hat          es innerhalb der Bibelwissenschaft
einer lebenslangen Ehe als Abbild         sich deren Position nach langer und       keine einheitliche und überzeugen-
der Beziehung zwischen ihm und sei-       eingehender Prüfung im Trienter           de Lösung für das eben dargestellte
ner Kirche wirksam geworden. Dem          Konzil im 16. Jahrhundert zu eigen        Rätsel – d. h. für die Frage, welchen
prophetischen Urbild Adam/Eva im          gemacht.                                  Sinn das Wort „Unzucht“ innerhalb
Alten Testament entspricht als des-                                                 der beiden genannten Stellen bei
sen Erfüllung im Neuen Testament             Als Gründe, die gegen eine wirk-       Matthäus haben sollte. Dann aber
die Einheit Christus/Kirche.              liche Ausnahme vom Scheidungsver-         haben mehrere Forscher im Wesent-
   Daher erscheint es nicht sinnvoll,     bot bei Matthäus sprechen, sind u. a.     lichen übereinstimmend einen neu-
von Nichtchristen die Befolgung des       folgende zu nennen:                       en Erklärungsversuch vorgelegt, der
Unauflöslichkeitsgebotes zu ver-                                                    m. E. gute Chancen hat, den wahren
langen. Und noch weniger, von den            Jesus würde, wenn er eine wirk-        Sinn des genannten Wortes im Mat-
Staaten eine Erfüllungshilfe in die-      liche Ausnahme gemeint hätte, den         thäusevangelium zu treffen. Es sei
sem Sinn zu erwarten. Wohl aber           Mann gegenüber der Frau eherecht-         derselbe Sinn, so meinen sie, wie
sollten Christen politisch tätig wer-     lich in hohem Maß bevorzugen, in-         der, den das Wort „Unzucht“ im 15.
den, um dazu beizutragen, dass die        dem er nur bei ihr und nicht auch bei     Kapitel der Apostelgeschichte hat.
Staaten durch ihre Gesetzgebung die       ihm danach fragen würde, ob nicht         Dort kommt es an zwei Stellen vor,
vom Christentum inspirierte mono-         etwa auch er Unzucht betrieben hät-       nämlich in den Versen 19-21 sowie
game Ehe fördern und kinderreiche         te. Das würde der bei Markus und          28 und 29. Es handelt sich dabei um
Familien großzügig unterstützen,          Paulus ausgesprochenen eherechtli-        einen Beschluss des sog. Apostel-
nicht um damit uns Christen einen         chen Gleichstellung von Mann und          konzils in Jerusalem. Den Ausschlag
Gefallen zu tun, sondern damit die        Frau eindeutig widersprechen.             für den Inhalt dieses Beschlusses
jeweiligen Völker dank zahlenmäßig                                                  hat Petrus gegeben mit der Erklä-
                                            Wenn das Jesuswort, wie es bei
42                                                                                                   DER FELS 2/2018
rung, dass Gott die Herzen der Hei-      in ihrer Anmerkung zu Apostelge-         te in den Gemeinden die Gelegenheit
den, die sich taufen ließen, „durch      schichte 15,20.29 vorgelegt, indem       bieten, dass sie nicht immer allein
den Glauben gereinigt hat“ und dass      sie schreiben: „’Unzucht’ meint hier     sein müssen.
Judenchristen wie Heidenchristen         wahrscheinlich alle laut Levitikus 18       Im Rahmen einer menschenfreund-
frei sind von der Verpflichtung, die     illegale Verwandtschaftsehen“.           lichen kirchlichen Verkündigung und
alttestamentlichen      Gesetzesvor-                                              eines entsprechenden Gesprächsan-
schriften außer den Zehn Geboten                                                  gebotes gegenüber Glaubenden und
zu befolgen (15,9-11). Nach ihm er-            Das Gebot Jesu ist                 Suchenden aller Altersschichten soll-
griff dann aber Jakobus, als Anwalt            schwer zu befolgen                 te die eben angedeutete Erkenntnis,
der strengen judenchristlichen Po-                                                dass die Lehre Jesu hinsichtlich die-
sition, das Wort und erreichte, dass        Nach der damit erfolgten Be-          ses Themas für viele der davon Be-
die Versammlung mehrheitlich oder        standsaufnahme hinsichtlich der          troffenen schwer zu begreifen und zu
gar einstimmig eine Anweisung an         neutestamentlichen Aussagen zum          befolgen ist, bekannt- und bewusst-
die Gemeinden in Antiochia und           Thema ist es an der Zeit, uns mit        gemacht werden.
Umgebung zu richten beschloss,           der Problematik ihrer praktischen           Von daher müssten wir Seelsorger,
durch die die dortigen Heidenchris-      Verwirklichung zu befassen. Dabei        häufiger als es durchweg geschieht,
ten aufgefordert wurden, um die in       sollten wir uns bewusst sein, dass die   von der Schönheit und Größe der
ihren Gemeinden offenbar zahlrei-        von Jesus verkündete Lehre von der       ehelichen Liebe als Abbild der Liebe
chen Judenchristen nicht zu sehr zu      Unauflöslichkeit der Ehe, und damit      Jesu zur Kirche reden. Die Botschaft
schockieren, vier bestimmte Verbote      das Verbot der Ehescheidung, für vie-    davon müsste vor allem auch jungen
des mosaischen Gesetzes zu befol-        le der davon Betroffenen schwer zu       Menschen im Alter der Vorbereitung
gen. Die ersten drei davon beziehen      befolgen ist. Denn sie bedeutet, dass    auf die Ehe in zeitgemäßer Form, je-
sich darauf, kein Götzenopferfleisch     Mann und Frau im Fall einer unüber-      doch inhaltlich unverfälscht nahege-
zu essen und ebensowenig Fleisch         windlichen Ehekrise sich zwar tren-      bracht werden – z. B. durch Night-
von nicht geschächteten oder durch       nen, nicht aber neu verbinden dürfen.    fever-Treffen sowie durch Bibel- und
Ersticken getöteten Tieren zu es-        Und allein leben ist schwer – we-        Gebetskreise, die als Folge derartiger
sen. Das vierte Verbot verlangt          nigstens für die meisten von denen,      Treffen entstehen.
dann ebenso, „Unzucht“ zu meiden         die von der Notwendigkeit, allein zu
(15,20; und noch einmal 15,28f).         leben, betroffen sind. Ihnen sollten
An keiner der beiden eben genann-        wir, einfach schon als Mitmenschen,
ten Stellen erscheint es sinnvoll, das   umso mehr aber als Schwestern und
Wort „Unzucht“ im Sinn von „Se-          Brüder im Glauben, mit Offenheit,
xualhandlungen zwischen Ledigen“         Liebe und Verständnis zur Seite
oder gar im Sinn von „Ehebruch“          stehen – und ihnen
zu verstehen. Denn es genügt, im 1.      durch     Begeg-
Korintherbrief, Kapitel 5, die Verse     nungsangebo-
9-13 zu lesen, um festzustellen, wie
sehr die schwere Sündhaftigkeit die-
ser Verhaltensweisen den Heiden-
christen unabhängig von Fragen des
Zusammenlebens mit Judenchristen
beigebracht wurde.

   Eine plausible Deutung des Wor-
tes „Unzucht“ im Brief des Apo-
stelkonzils an die Gemeinden in
Antiochia und Umgebung haben
demgegenüber die für die Erstellung
der Einheitsübersetzung der Bibel
von 1979 verantwortlichen Exegeten

    In der Sprache der verletzten
    Liebe beklagt Gott (Hosea
    2,4-17) auf altorientalische
    Weise die Treulosigkeit Israels,
    das sich an fremde Götter bin-
    det. Er wirbt um die Rückkehr
    der treulosen Braut.

DER FELS 2/2018                                                                                                     43
Auch andere Gebote                 und betet für die, die euch verfolgen,    auf die Ehen zwischen zwei getauften
      sind schwer zu erfüllen            damit ihr Söhne eures Vaters im Him-      Partnern bezieht. Anders dagegen,
                                         mel werdet ...“ (5,44f). Etwas weiter     wenn einer der beiden nicht getauft
  Gleichzeitig aber ist festzustellen,   dann, nachdem er das Vater unser          ist. Darauf ist weiter unten noch zu-
dass zur Frohbotschaft Jesu außer        gelehrt hat, kommentiert Jesus eine       rückzukommen.
dem Unauflöslichkeitsgebot noch          einzige der darin ausgesprochenen            Zuerst jetzt zu den Fällen, in denen
andere moralische Forderungen ge-        Bitten, und zwar jene, in der es heißt:   eine Ehe von zwei getauften Partnern
hören, die unter Umständen heroisch      „Vergib uns unsere Schuld, wie auch       als von Anfang an ungültig erkannt
schwer zu erfüllen sind. Zumindest       wir vergeben unsern Schuldigern“.         werden und deswegen entweder gül-
zwei von dieser Art sind in den Evan-    Dazu erklärt er: „Wenn ihr den Men-       tig gemacht oder aber für nicht be-
gelien nicht zu übersehen:               schen ihre Verfehlungen vergebt,          stehend erklärt werden kann. Solche
                                         dann wird euer himmlischer Vater          Fälle kommen vor, wenn eines der
   1. Die Treue im Bekenntnis zu         auch euch vergeben. Wenn ihr aber         sogenannten trennenden Hinder-
Christus, auch wenn wir in einer         den Menschen nicht vergebt, dann          nisse, wie sie das Kirchenrecht be-
Christenverfolgung mit Folter und        wird euch euer Vater eure Verfehlun-      schreibt, bei der Eheschließung nicht
Tod bedroht werden für den Fall,         gen auch nicht vergeben“ (6,14f).         beachtet wurde. Dazu eine Auswahl
dass wir nicht zur Verleugnung un-                                                 von Beispielen.
seres Glaubens bereit sind; siehe z.                                                  Als erstes unter diesen Hindernis-
B. den relativ langen Abschnitt Mat-           Wann und auf welche                 sen ist die Impotenz zu nennen, d.
thäus 10,17-39. Im ersten, längeren            Weise ist die Beendigung            h. die zum Zeitpunkt der Eheschlie-
Teil dieses Textes spricht Jesus zu-           einer kirchlich gültigen            ßung bestehende Unfähigkeit eines
nächst seine zwölf Apostel an, die er          Ehe dennoch möglich?                der Partner, mit dem anderen Partner
zur Mission innerhalb des erwählten                                                die geschlechtliche Vereinigung zu
Volkes aussendet. Spätestens ab Vers        Mitunter kommt es vor, dass Hei-       vollziehen (Canon 1084).
34 aber sind dann alle gemeint, die      ratswillige, wenn sie davon hören,           Ungültig ist die Eheschließung
an ihn glauben, und ihnen allen gel-     dass die Ehe zwischen christlichen        einer entführten Frau mit ihrem Ent-
ten die abschließenden Verse 34 bis      Partnern nach katholischer Lehre          führer, solange sie nicht freigelassen,
39, mit u. a. der Aussage: „Wer Vater    unauflöslich ist, geradezu in Panik       vom Entführer getrennt, an einen si-
und Mutter mehr liebt als mich, ist      geraten und entsetzt fragen, ob sie       cheren Ort gebracht wurde und sich
meiner nicht würdig, und wer Sohn        da, wenn sie einmal Ja gesagt hät-        dort frei für die Ehe mit diesem et-
oder Tochter mehr liebt als mich, ist    ten, auch im schlimmsten Notfall nie      was stürmischen Bewerber entschie-
meiner nicht würdig ... Wer das Le-      mehr loskommen könnten. Auch die-         den hat (Canon 1089).
ben gewinnen will, wird es verlieren;    ser Frage gegenüber ist Aufklärungs-         Häufiger als dieser zum Schmun-
wer aber das Leben um meinetwillen       arbeit angesagt. Die Antwort darauf       zeln anregende Fall kann auch heute
verliert, wird es gewinnen.“             lautet: Ja, es gibt, abgesehen vom        noch die Situation eintreten, die in
                                         Tod eines der beiden Partner, noch        Canon 1103 gemeint ist, wenn dort
   2. Bei der zweiten schwer zu er-      mehrere andere Fälle, in denen eine       von Zwang oder schwerer Furcht ge-
füllenden Forderung handelt es sich      kirchlich als gültig anerkannte Ehe       sprochen wird, durch die jemand sich
um die der Nächstenliebe bis hin zur     zu Ende gehen kann.                       zur Eheschließung genötigt sieht.
Feindesliebe. Dazu heißt es bei Mat-        Als Erstes ist dazu zu sagen, dass     Dementsprechend ist nach Nr. 15 des
thäus 5,44-46: „Liebt eure Feinde        die strenge Unauflöslichkeit sich nur     Ehevorbereitungsprotokolls beiden

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damit die Worte, mit denen Braut und     nen sage ich, nicht der Herr: Wenn
                                         Bräutigam die Ehe schließen sollen,      ein Bruder eine ungläubige Frau hat
                                         dies gültig zum Ausdruck bringen         und sie willigt ein, weiter mit ihm
                                         und bewirken. Hauptbestimmung ist,       zusammenzuleben, soll er sie nicht
                                         dass der Austausch des Jawortes vor      verstoßen. Auch eine Frau soll ihren
                                         dem der Feier vorstehenden Pries-        ungläubigen Mann nicht verstoßen,
                                         ter oder Diakon bzw. einem dazu          wenn er einwilligt, weiter mit ihr
                                         rechtsgültig beauftragten pastoralen     zusammenzuleben ... Wenn aber der
                                         Mitarbeiter geschieht. Dabei haben       Ungläubige sich trennen will, soll er
                                         die Brautleute das Jawort erst aus-      es tun“ (1 Korinther 7,12-15).
     Das Paulinische Privileg fußt auf   zutauschen, nachdem der Zelebrant           Damit spricht Paulus nun erstmals
      1 Kor 7,12-15: Für Ehen von        sie danach gefragt hat (Canon 1108-      eine wirkliche Ausnahme vom Un-
      Ungetauften ist die Freiheit       1119).                                   auflöslichkeitsgebot Jesu aus – und er
    des christlich gewordenen Gat-          Damit genug zu den Arten der          ist sich bewusst, als Apostel dazu die
    ten für eine neue christliche Ehe-   Gründe, aus denen eine kirchlich ge-     Vollmacht zu besitzen. Die Kirche
    schließung vorgesehen, wenn          schlossene Ehe ungültig sein kann.       hat die Geltung dieser apostolischen
    der andere Gatte im Unglauben        Nur ein wenigstens ansatzweises          Entscheidung anerkannt und dazu in
    verharrt und zur Fortsetzung der     Wissen darum kann es uns ermög-          Canon 1143 des kirchlichen Gesetz-
    Ehe nicht bereit ist.                lichen, dem nahezu unausrottbaren        buchs eine Erläuterung und eine Aus-
                                         Gerücht entgegenzutreten, die Kirche     führungsbestimmung ausgesprochen.
                                         würde, ihren eigenen Behauptungen        Das entsprechende Verfahren wird
                                         zum Trotz, laufend Ehescheidungen        dabei als das „Paulinische Privileg“
Partnern jeweils die Frage zu stellen:   durchführen.                             bezeichnet. In Anwendung dieses
„Bestätigen Sie, dass Sie nicht durch                                             Privilegs, so heißt es dort, „wird eine
Drohung, starkes Drängen oder (äu-                                                Ehe, die zwischen zwei Nichtgetauf-
ßeren oder inneren) Zwang zur Hei-             Das sogenannte                     ten geschlossen wurde, von selbst
rat beeinflusst werden?“ Ausgeübt              Paulinische Privileg               aufgelöst, wenn einer der Partner die
haben ein solches Drängen oder ei-             als Ausweg in                      Taufe empfängt, der andere Partner
nen solchen Zwang in der Vergan-               bestimmten Fällen                  sich daraufhin von ihm trennt und
genheit mitunter offenbar die Eltern                                              dann der getaufte Partner eine neue
eines der jeweiligen Partner (z. B.         Da das Unauflöslichkeitsgebot         Ehe schließt“ (Canon 1143, §1).
aufgrund wirtschaftlicher Erwägun-       Jesu, wie erwähnt, mitunter sehr
gen im Blick auf Familienbetriebe        hohe Anforderungen an verheiratete          Diese in der Bibel selbst enthal-
bzw. Besitztümer). Dass die Kirche       gläubige Christen stellt, wurde offen-   tene Ausnahme vom Unauflöslich-
demgegenüber mittels ihrer Geset-        bar schon im ersten Jahrhundert über     keitsgebot ist sicherlich auch vielen
ze die Freiheit der jungen Leute zu      die Möglichkeit von Ausnahmen da-        gläubigen und religiös interessierten
schützen trachtet, sollte unbedingt      von nachgedacht – und der Apostel        Christen nicht bekannt – und durch-
wirksamer als bisher bekannt ge-         Paulus ist dabei fündig geworden.        weg wurde bisher etwa innerhalb der
macht werden.                                                                     Jugendseelsorge und der kirchlichen
   Zu den relativ bekannten Ungül-          In Erfüllung seines apostolischen     Erwachsenenbildung vielleicht nicht
tigkeitsbestimmungen dürfte diejeni-     Dienstes hat dieser, wie wir wissen,     genug getan, um sie ihnen bekannt
ge gehören, die sich auf das Hinder-     in vielen Städten des östlichen Mit-     zu machen und zu erklären. Das soll-
nis der Blutsverwandtschaft sowie        telmeerraumes Christengemeinden          ten wir Seelsorger und Theologen
der Schwägerschaft bezieht (Canon        gegründet – eine davon in der grie-      jedoch nicht weiter so praktizieren,
1091-1094).                              chischen Hafenstadt Korinth. Dort-       denn die Anwendungsmöglichkeit
   Weitere Nichtigkeitsgründe erge-      hin hat er nach seiner Weiterreise       des genannten Verfahrens wächst
ben sich aus der Tatsache, dass Ehe-     zwei Briefe geschrieben, wovon der       von Tag zu Tag mit der kontinuierlich
schließende keinen hinreichenden         erste wichtige Aussagen zur christ-      steigenden Zahl der nichtgetauften
Vernunftgebrauch haben oder doch         lichen Ehe und zum Umgang mit            Mitglieder unserer Gesellschaft. Von
unter einem zu geringen Urteilsver-      deren Unauflöslichkeit enthält. Darin    daher ist es auf keinen Fall verkehrt,
mögen leiden, um eheliche Rechte         hat er die Echtheit des Jesuswortes      wenn man als religiös gebildeter
und Pflichten erkennen und verant-       zu diesem Thema eindeutig bestätigt      Christ die einschlägigen Stellen zu
wortlich übernehmen zu können (Ca-       und seinerseits eine Ausführungsbe-      benennen weiß, an denen das ent-
non 1095).                               stimmung dazu ausgesprochen: eine        sprechende Recht der Kirchenmit-
                                         Bestimmung, die zunächst von der         glieder verbrieft ist. Es handelt sich
   Es versteht sich von selbst, dass     Adressatengemeinde offenbar gut an-      um die Canones, d. h. die Gesetze
die Ehe nicht zustande kommt, wenn       genommen wurde und in der Folge-         1142 bis 1147 im genannten „Codex
Kinder ausgeschlossen werden (vgl.       zeit in der gesamten Kirche Geltung      des kanonischen Rechtes“, sowie den
KKK1652).                                erlangte. Diese Bestimmung betrifft      Punkt 8c auf Seite 2 des Fragebo-
   Es gibt auch eine ganze Reihe von     die Mischehen, bei denen ein Part-       gens, der beim Vorgespräch zu einer
Bestimmungen bezüglich der Ehe-          ner getaufter Christ ist, der andere     beantragten Trauung auszufüllen ist:
schließungsform, d. h. bezüglich der     Partner dagegen nicht. Hinsichtlich      „Kirchliche Nichtigkeitserklärung
Bedingungen, die erfüllt sein müssen,    derartiger Paare schreibt Paulus: „Ih-   bzw. kirchliche Auflösung“.        q

DER FELS 2/2018                                                                                                      45
Raymund Fobes:

         Denn meine Augen haben das Heil gesehen
                         Die Weisheit des Alters und „Mariä Lichtmess“

Im        liturgischen Kalender, der
          bis 1970 gültig war, ende-
te die Weihnachtszeit mit dem Fest
                                          allmächtige Herr.“ Und so ist der
                                          Betende in der Komplet am Abend
                                          eingeladen, zu fragen: Bin ich heute
„Mariä Lichtmess“ am 2. Februar. In       wie Simeon zu Jesus Christus hinge-
manchen Kirchen und Familien ist es       gangen? Halte ich meine Sehnsucht
heute noch üblich, die Krippe bis zu      nach ewigem Heil wach? Dies soll ich
diesem Datum stehen zu lassen.            aber nicht nur für den Abend reflek-
   Wenn auch „Mariä Lichtmess“, das       tieren, diese Fragen sollen das Leben
heute aufgrund des Namens „Dar-           als Ganzes bestimmen. Denn wenn
stellung des Herrn“ mehr als Chris-       ich wie Simeon das ewige Heil jeden
tus- denn als Marienfest gilt, seit der   Tag neu ersehne, gehe ich auch auf
Liturgiereform nicht mehr offiziell       ein seliges Ende zu.
zur Weihnachtszeit gehört, so ist es         Doch gehört dazu auch die Bereit-
doch mit dem weihnachtlichen Ge-          schaft, so manches Kreuz auf sich zu
schehen eng verbunden – steht das         nehmen. Der von Simeon ersehnte
Fest doch im Zusammenhang mit der         Heilsbringer Jesus Christus ist auch
Geburt Jesu: Genau 40 Tage nach der       „Zeichen, dem widersprochen wird“.
Niederkunft des Gottessohnes zieht        Der Gottesmutter, die sich ganz und
die Heilige Familie zum Tempel von        gar auf ihn eingelassen hat, wird nach
Jerusalem, weil dort Maria ein Reini-     Simeons Worten „ein Schwert durch         oft der schwierigere Weg der bessere
gungsopfer darbringen musste, wie es      die Seele dringen“. Simeon prophe-        ist. Gerade da hat, so meine ich, die
das mosaische Gesetz forderte.            zeit, dass mit Christus das Heil ge-      ältere Generation, die schwere Zeiten
   Das Evangelium des Tages (Lk 2,        kommen ist, aber das bedeutet nicht,      durchlebt und bewältigt hat, der jün-
21-27) lenkt den Blick auf zwei betag-    dass nun eitel Sonnenschein herrscht.     geren viel zu sagen. Aus dieser Pers-
te Personen, denen die Heilige Familie    Unsere Situation ist zwar die, dass uns   pektive kann man den weisen Simeon
begegnet. Zum einen ist dies der wei-     das Heil gegeben ist – gleichwohl er-     als jemand betrachten, der sich über
se Simeon, zum anderen die Prophetin      fordert es Anstrengungen, Entbehrun-      das Heil, das in Christus gekommen
Hanna. Simeon war extra in den Tem-       gen und die Bereitschaft, sich gegen      ist, wirklich freut – der aber auch dar-
pel gekommen, um das Jesuskind zu         den Strom zu stellen. Im letzten ist      um weiß, dass der Weg zu diesem Heil
sehen, denn ihm war verheißen wor-        das aber nur möglich durch die Be-        nicht ohne Entbehrungen möglich ist.
den, dass er noch zu Lebzeiten dem        reitschaft der ehrlichen Umkehr. Wer      Dafür gibt auch die betagte Prophetin
Messias begegnen werde. Er nimmt          den Weg Jesu, im „Zeichen des Wi-         Hanna ein Zeugnis. Sie war täglich im
das göttliche Kind auf den Arm und        derspruchs“ als den rechten Weg aner-     Tempel und fastete und betete. Gerade
spricht einen Lobpreis, der einer der     kennt und annimmt, der muss oft auch      das ist beispielhaft für ein Leben hin
wichtigsten Texte des Breviergebetes      aus eingefahrenen Wegen ausbrechen        auf Christus, das Heil. Fasten und Be-
ist: das sogenannte „Nunc dimittis“,      und liebgewordene Gewohnheiten            ten bedeuten doch in erster Linie: sich
das im kirchlichen Nachtgebet, der        ablegen. Diese Neuorientierung, die       nicht ablenken zu lassen und sich so
Komplet, seinen festen Platz hat.         aber auch zu einer ganz neuen Erfah-      ganz auf Gott zu konzentrieren. Und
   Die zentrale Aussage dieses Ge-        rung von Erfüllung und Freiheit – von     auf diese Weise auch die Freude am
betes ist: „Nun kann ich, Simeon, in      mancher Anhänglichkeit – führen           Herrn zu spüren, denn Hanna „pries
Frieden scheiden, denn ich habe den       kann, befähigt dazu, in der Nachfolge     Gott und sprach über das Kind zu al-
Messias gesehen“ (vgl. Lk 2,29f). Si-     Christi „Zeichen des Widerspruchs“        len, die auf die Erlösung Jerusalems
meon kann getrost sterben, denn seine     zu sein. Und eben jene Bereitschaft       warteten“ (vgl. Lk 2, 38).
Lebensaufgabe ist erfüllt – er hat den    zur Umkehr vermag auch andere dazu           So führt Mariä Lichtmess am Ende
Herrn gesehen.                            bewegen, sich Christus, dem Zeichen,      auch zur Fastenzeit hin, die in diesem
   Eine Besinnung auf den Lebens-         dem widersprochen wurde, zuzu-            Jahr Mitte Februar beginnt: Um sich
abend und den Tod gehört zur Kom-         wenden. Um aber diese Haltung zu          der Bedeutung des Heils in Christus
plet, wie es das Segensgebet am Ende      leben und um andere für sie zu über-      wirklich bewusst zu werden sind Fas-
formuliert: „Eine ruhige Nacht und        zeugen, braucht es vor allem Weis-        ten – Verzicht – und Beten unentbehr-
ein seliges Ende gewähre uns der          heit – und zwar jene Weisheit, dass       lich.                               q

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