FLEISCHATLAS NEUE THEMEN - Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel - Heinrich-Böll-Stiftung

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FLEISCHATLAS NEUE THEMEN - Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel - Heinrich-Böll-Stiftung
FLEISCHATLAS
Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel   2014

                                         NEUE THEMEN

                                                  6. Auflage
IMPRESSUM

Der FLEISCHATLAS 2014 ist ein Kooperationsprojekt von
Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland
und Le Monde diplomatique.

Inhaltliche Leitung:
Christine Chemnitz
Reinhild Benning

Projektmanagement: Dietmar Bartz
Art Direktion und Herstellung: Ellen Stockmar

Übersetzungen: Bettina von Arps-Aubert
Textchefin: Elisabeth Schmidt-Landenberger
Dokumentation und Schlussredaktion: Bernd Cornely, Stefan Mahlke

Mit Originalbeiträgen von Michael Álvarez Kalverkamp, Wolfgang Bayer,
Reinhild Benning, Stephan Börnecke, Christine Chemnitz, Karen Hansen-Kuhn,
Patrick Holden, Ursula Hudson, Annette Jensen, Evelyn Mathias,
Heike Moldenhauer, Carlo Petrini, Tobias Reichert, Marcel Sebastian,
Shefali Sharma, Ann Waters-Bayer, Kathy Jo Wetter, Sascha Zastiral

V. i. S. d. P.: Annette Maennel, Heinrich-Böll-Stiftung

6. Auflage, Oktober 2015

Der Beitrag auf Seite 44/45 erschien zuerst im
„Fleischatlas Extra: Abfall und Verschwendung“, November 2014

Produktionsplanung:
Norman Nieß, taz Verlags- und Vertriebs GmbH

Druck: Phoenix Print GmbH, Würzburg
Klimaneutral gedruckt auf 100 % Recyclingpapier (Innenteil) und 60 % Recyclingpapier (Umschlag).

Dieses Werk steht unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung –
Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“ (CC BY-SA 3.0 DE). Der Text
der Lizenz ist unter http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode
abrufbar. Eine Zusammenfassung (kein Ersatz) ist unter
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/ nachzulesen.

Bestell- und Download-Adressen

Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstr. 8, 10117 Berlin, www.boell.de/fleischatlas
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland/Versand, Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin, www.bund.net
fleischatlas
  Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

                    6. Auflage
                       2015
Inhalt
          2 IMPRESSUM

          6 VORWORTE

         50 Über uns

          8 ELF KURZE LEKTIONEN                             18 In DEN SCHLACHTHÖFEN DER WELT
                                                               Das Töten von Tieren zur Herstellung von
         10 UNERSÄTTLICHER WELTMARKT                           Nahrungsmitteln ist hoch industrialisiert.
            In Asien findet im Schnelldurchgang ein            Die Schlachthöfe der globalen
            Wandel statt, den die Industrieländer              Konzerne verfügen über unvorstellbare
            längst hinter sich haben: Die Mittelschichten      Kapazitäten und liegen fern der Städte –
            lösen eine Nachfrage aus, die mit                  Konsumenten sehen keine Verbindung
            dem Einsatz von Kapital und Technik bedient        mehr zwischen einem lebenden
            wird. Doch für Rinder ist jetzt weniger            Tier und einem eingeschweißten Filet.
            Platz als für Schweine und Hühner – vor allem
            aber boomen indische Büffel.                    20 Deutsches DUMPING-SchlaCHTEN
                                                               Großbetriebe dominieren auch in
         12 KONZENTRATION – DIE ZUKUNFT                        Deutschland die Schlachthofbranche.
            DER GLOBALISIERTEN INDUSTRIE                       Billiglöhne für die Leiharbeiter
            Größenvorteile senken die Erzeugerpreise           aus dem Osten der EU begünstigen weitere
            und steigern den Umsatz. Mit Zukäufen              Investitionen der Konzerne. Doch
            von Unternehmen stoßen die weltweit                gegen noch mehr Mast- und Schlachtanlagen
            aktiven Fleischkonzerne unter die Größten          regt sich Widerstand.
            der Lebenmittelbranche vor. Jetzt
            schlägt die Stunde der Banken, die auf          22 TIERGENETIK: EINE HANDVOLL
            Rohstoffmärkten spekulieren, Kredite               ARTEN FÜR DIE GANZE WELT
            anbieten und weitere Fusionen planen.              Das Zuchtmaterial für die meisten Tiere in
                                                               der industriellen Landwirtschaft
         14 FreihÄndler WITTERN                                stammt von einigen wenigen Firmen. Sie
            MORGENLUFT                                         dominieren auch die Erforschung
            USA und EU verhandeln über ein neues               neuer Hochleistungsrassen. Dabei macht die
            Handelsabkommen. Die Wunschliste                   zurückgehende genetische Vielfalt
            der Industriekonzerne ist lang. Amerikaner         die Nutztiere anfälliger für Schädlinge,
            möchten europäische Schutzvorschriften             Krankheiten und Wetterextreme.
            gegen Hormone, Antibiotika und
            Genmanipulationen aushebeln, Europas            24 HORMONE – DER KAMPF UM DAS NEIN
            Fleischkonzerne hingegen endlich wieder            Hormonfleisch und -milch sollen in Europa
            Rindfleisch über den Atlanik verkaufen.            wieder zugelassen werden – darum bemühen
                                                               sich die USA seit mehr als 25 Jahren.
         16 Rosarot im Kühlregal                               Dabei sind in der EU nur Wachstums-, nicht
            Supermärkte mit Kühltruhen und                     aber Sexualhormone verboten.
            Fast-Food-Ketten mit Qualitätsversprechen
            verändern das Einkaufen in den                  26 TIERFUTTER VERGEUDET ACKERLAND
            Städten der Boomländer. Die Städte wachsen         70 Prozent aller agrarischen Nutzflächen
            so schnell, dass kleine Läden die                  werden heute in irgendeiner Weise
            Menschen nicht mehr versorgen können.              für die Tierfütterung beansprucht. Dabei
            Diese Aufgabe übernehmen                           wären sie effizienter für die Produktion
            kapitalstarke Lebensmittelketten.                  menschlicher Nahrungsmittel zu verwenden.

4                                                                                            FLEISCHATLAS 2014
28 SCHNITZEL, WÜRSTCHEN,                           38 URBANE TIERHALTUNG
   GLYPHOSAT                                          Tiere in der Stadt – für viele ein
    Was essen die Tiere, die wir essen? Wenn          Widerspruch in sich. Gehören sie nicht aufs
    Fleisch, Milch und Eier Rückstände von            Land, jenseits von Lärm, Gestank und
    Pestiziden, Herbiziden oder Medikamenten          Luftverschmutzung? Und doch sind gerade
    enthalten, nehmen wir diese Stoffe                sie für viele ärmere Stadtbewohner
    womöglich auch zu uns. Zwar schützen              eine wichtige Lebensgrundlage, denn
    Gesetze vor den gefährlichsten Substanzen,        sie liefern preiswertere Nahrung
    aber sie bieten auch Schlupflöcher                als ihre Artgenossen auf dem Lande.
    und ermöglichen Grauzonen, wie das
    Beispiel Glyphosat zeigt.                      40 Protein aus Gras und Gestrüpp
                                                      Nomaden halten ihr Vieh auf Land, das
30 Argentinien, das Soja-Reich                        für Nutzpflanzen ungeeignet ist. Sie
    Die globale Nachfrage nach Tierfutter hat         produzieren große Mengen Nahrungsmittel
    einen neuen Typ Farmer hervorgebracht             und tragen zum Schutz der Natur
    und der Regierung in Buenos Aires                 bei. Aber sie erhalten zu wenig politische
    enorme Steuereinnahmen verschafft. Der            und rechtliche Unterstützung.
    Strukturwandel in der Landwirtschaft              Existenziell bedrohlich sind die
    hat soziale, ökologische und gesundheitliche      Beschränkungen ihrer Wanderwirtschaft.
    Auswirkungen, die in der argentinischen
    Öffentlichkeit kaum diskutiert werden.         42 gute Lebensmittel GESUCHT
                                                      Bewusste Verbraucher in der reichen
32 HÜHNER – WELTWEITER                                Welt erwarten Fleisch von hoher Qualität
   STEIGFLUG IN DIE FABRIK                            aus umweltfreundlicher, artgerechter
    In den Industrieländern, wo die                   Produktion. Als bewusste Akteure
    Geflügelproduktion hoch industrialisiert          im Nahrungsmittelsystem können sie auch
    ist, wird mittlerweile mehr Hühner-               „solidarische Landwirtschaft“ treiben.
    als Rindfleisch konsumiert. In Asien wird
    sich die Nachfrage vervielfachen.              44 Die groSSe Vergeudung
    Hier endet die Zeit der Kleinproduzenten,         Nur knapp die Hälfte eines zur
    Händler auf Fahrrädern und                        Schlachtung vorgesehenen
    Lebendvogelmärkte.                                Tieres landet als Fleisch und
                                                      Wurst bei den Konsumentinnen
                                                                                                       20 Themen
34 DIE Zweifel DER REICHEN                            und Konsumenten. Und
    In den Industrieländern scheint der               selbst bei ihnen wird noch viel               und 60 Grafiken
    Höhepunkt des Fleischbooms vorbei zu sein.        weggeworfen.                                   über die Folgen
    Skandale haben die Konsumenten                                                                  der industriellen
    verunsichert, Informationen über die Folgen    46 EINE SINNVOLLE                                  Tierhaltung
    der Massentierhaltung sind weithin                EU-Agrar-politik
    zugänglich. Aber Biofleisch bleibt für viele      Jahrzehntelang hat die Gemeinsame
    Menschen zu teuer, und neue                       Agrarpolitik (GAP) der Europäischen
    Gütesiegel verwirren die Interessenten.           Union die landwirtschaftliche Produktion
                                                      verzerrt. Zu langsam wird sie
36 DIE NEUE HUNGRIGE MITTELKLASSE                     umweltbewusster. Aber es ist auch eine
   – VON RIO BIS SCHANGHAI                            GAP vorstellbar, die aktiv für eine
    Brasilien, Russland, Indien, China und            sozial und ökologisch vertretbare
    Südafrika – woher die Tiere und ihr               Viehwirtschaft eintritt.
    Futter kommen sollen, um den künftigen
    Fleischkonsum in den fünf „Brics“-Ländern      48 Autoren uND QUELLEN VON
    zu decken, weiß heute noch niemand.               TEXTEN, KARTEN unD DATEN

FLEISCHATLAS 2014                                                                                                       5
VORWORTE

                         F
                              ragen Sie sich auch manchmal,        Anbau von Futtermitteln in den
                              woher die Steaks, Würstchen          Entwicklungsländern für den
                              oder Burger kommen, die              Fleischkonsum der reichen Staaten
                         Sie gelegentlich verspeisen? Und selbst   immer weiter ausdehnen?
                         wenn Sie es wüssten, könnten Sie          Globalisierte Agrarkonzerne auf
                         dann sagen, unter welchen Umständen       der Jagd nach Anbauflächen
                         und mit welchen Folgen das Fleisch        tragen dazu bei, dass Bauern von
                         für Ihre Mahlzeit produziert wurde?       ihrem Land vertrieben werden
                         Nein? Das verwundert nicht, denn          und so die Grundlage ihrer
                         darüber steht auch nichts auf den         Ernährungssicherheit verlieren.
                         Verpackungen von Wurst und Fleisch

                                                                   W
                         in den Supermärkten.                               ie soll außerdem das
                                                                            weltweit vereinbarte Ziel
                         Woher also sollen durchschnittlich                 erreicht werden, den
                         informierte Konsumentinnen                Verlust der biologischen Vielfalt
                         und Konsumenten wissen, dass ihr          bis zum Jahr 2020 zu bremsen? Die
                         Fleischkonsum Auswirkungen                agrarindustrielle Bewirtschaftung
                         rund um den Globus hat? Wer weiß          verwandelt immer mehr artenreiche
                         schon, dass die massenhafte               Wiesen in Mais- oder Soja-
                         und global organisierte                   Monokulturen. Und die Gülle aus
                         Fleischproduktion für die Abholzung       der Massentierhaltung trägt immer
                         des Amazonas-Regenwalds                   weiter zur Überdüngung bei
                         unmittelbar verantwortlich ist?           und ist eine der Hauptursachen des
                         Wer kennt die Auswirkungen                Artensterbens.
                         unserer Agrarexporte auf Armut und
                         Hunger in Ländern wie Kamerun             Die großen Agrarkonzerne
                         oder Ghana, auf Vertreibung               versuchen, die negativen Auswirkungen
                         und Migration, auf Klimawandel und        der Fleischproduktion unter
                         Artenvielfalt?                            den Teppich zu kehren. Ihre Werbe-
                                                                   versprechen suggerieren den
                         Und wie kann das Menschenrecht            Konsumenten das Bild einer
                         auf Nahrung, dem sich fast alle Länder    heimatverbundenen und intakten
                         der Welt verpflichtet haben,              bäuerlichen Tierhaltung – die Leiden
                         überhaupt umgesetzt werden,               der Tiere, ökologische Schäden
                         wenn sich die Flächen für den             oder sozial negative Auswirkungen

       Die Fleisch-
    Industrie will die
    negativen Seiten
    ihrer Produktion
        verbergen

6                                                                                            FLEISCHATLAS 2014
werden hingegen verheimlicht.             für eine ökologische, soziale
Die Heinrich-Böll-Stiftung hat vor        und ethisch vertretbare                               Soll „Konsum
einem Jahr zusammen mit dem               Landwirtschaft. Deshalb ist es der                 in Verantwortung“
Bund für Umwelt und Naturschutz           Heinrich-Böll-Stiftung und                            funktionieren,
Deutschland (BUND) und                    dem BUND so wichtig, über die
                                                                                               benötigt er viel
Le Monde diplomatique einen               negativen Auswirkungen
                                                                                                 Information
„Fleischatlas“ mit Daten und              der Fleischproduktion zu informieren
Fakten veröffentlicht, der die globalen   und Alternativen aufzuzeigen.
Zusammenhänge der Fleisch-
erzeugung durchleuchtete. Jetzt,          Jede und jeder soll selbst entscheiden
Anfang 2014, veröffentlichen wir          können, was sie oder er essen
eine Fortsetzung, die erneut              möchte. „Konsum in Verantwortung“
hinter die Kulissen der Schlachthöfe      wird von immer mehr Menschen
und der Fleischindustrie blickt.          gefordert. Dafür benötigen
                                          sie umfangreiche Informationen.

D
       er Einsatz von Hormonen, die       Wir hoffen, dass wir mit diesem
       Rolle der Fast-Food-Ketten,        „Fleischatlas 2014“ einen Beitrag
       aber auch die neuen Fleisch-       dazu leisten.
großkonsumenten wie China
und Indien nehmen wir unter die Lupe.
                                          Barbara Unmüßig		        Hubert Weiger
Und wir stellen die Frage, welche
                                          Heinrich-Böll-Stiftung   Bund für Umwelt und
Auswirkungen das aktuell diskutierte      			                      Naturschutz Deutschland
„Freihandelsabkommen“ zwischen
den USA und der EU für die Bauern,
ihre Produkte und ihre Tiere hat.

Weltweit haben es die
Verbraucherinnen und Verbraucher

                                          I
satt, von der Agrarindustrie                 ch will mir mein saftiges Steak
für dumm verkauft zu werden.                 nicht madig machen lassen!
Anstatt – wie in der EU und den USA          Die Lebensmittelkonzerne diktieren
üblich – die Massentierhaltung            doch sowieso die internationale
mit öffentlichen Geldern zu               Agrarpolitik! – Mit derartigen Aussagen
fördern, verlangen sie vernünftige        schleichen wir uns aus der
politische Rahmenbedingungen              Verantwortung und rechtfertigen den
                                          gleichgültigen Konsum von
                                          Tieren. Aber das Unbehagen bleibt.
                                          Wir wollen es genauer wissen,
                                          informieren uns, lesen kritische
                                          Zeitungsartikel, erkennen
                                          Zusammenhänge und engagieren uns –
                                          weil wir etwas verändern wollen.

                                          Barbara Bauer
                                          Le Monde diplomatique

FLEISCHATLAS 2014                                                                                                 7
ELF KURZE LEKTIONEN
          ÜBER FLEISCH UND DIE WELT

             Ernährung ist nicht
         1   nur Privatsache. Sie hat ganz
             konkrete Auswirkungen auf das
             Leben der Menschen in allen Ländern,
             an die wir häufig nicht denken,
             wenn wir ein Stück Fleisch essen. Auf
             die Umwelt, die biologische
             Vielfalt und das Klima. Auch bei uns.

                              Wasser, Wald, Landnutzung, Klima und Biodiversität:
                    2         DIE UMWELT LIESSE SICH DURCH EINEN
                              GERINGEREN FLEISCHKONSUM UND EINE
                              ANDERE ART DER Produktion leicht schützen.

                                                     Die globale Mittelschicht isst zu viel Fleisch.
                                                 3   NICHT NUR IN AMERIKA UND
                                                     EUROPA, SONDERN ZUNEHMEND
                          4                          AUCH IN CHINA, INDIEN und
                                                     anderen Boomländern.
      Hoher Fleischkonsum
           führt zu einer
              Industrialisierten
                Landwirtschaft.
                 Nur einige wenige
                  internationale                         5
                  Konzerne profitieren
                 von ihr und bauen               Der Konsum verändert sich. Vor allem
                ihre Marktmacht                  STÄDTER Essen immer mehr
               immer weiter aus.
                                                 Fleisch. Bevölkerungswachstum
                                                 spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

8                                                                                     FLEISCHATLAS 2014
Kein landwirtschaftlicher
               Teilbereich ist so stark
               international verflochten,
               produziert so massenhaft
               und wächst gleichzeitig so stark
               wie die Geflügelproduktion –
               SEHR ZUM LEIDWESEN                 7   Intensive Fleischproduktion
               DER TIERE, DER KLEINEN                 kann krank machen – nicht nur
               PRODUZENTEN UND DER                    durch den Gebrauch von Antibiotika und
                                                      Hormonen, sondern auch
               UmwelT.
                                                      durch den exzessiven
                                                      Einsatz von Pflanzen-
                             6                        schutzmitteln in der
                                                      Futterproduktion.

       Urbane und bäuerliche Tierhaltung
       könnenARMUT LINDERN, FÜR  8
       GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT
       UND EINE GESUNDE ERNÄHRUNG                                  9
       sorgen – nicht nur im globalen Süden.
                                                  Fleischkonsum muss kein
                                                  Klima- und Umweltkiller sein.
                                                  Im Gegenteil. Wenn Tiere auf Weiden
                                                  artgerecht und in passender Zahl
                                                  gehalten werden, kann das sogar vorteilhaft
                        10                        für Klima und Umwelt sein.

Alternativen gibt es: Viele
zertifizierte Produktionen des                                11
ökologischen Landbaus zeigen, WIE
                           EINE
                                                          Wandel ist möglich.
ANDERE FLEISCHPRODUKTION                                  Entgegen der Behauptung, dass
AUSSEHEN KÖNNTE, die die Umwelt                           sich die Gewohnheiten beim
und die menschliche Gesundheit schützt                    Fleischkonsum nicht ändern werden,
und annehmbare Lebensbedingungen                          gibt es inzwischen viele Menschen,
für Tiere garantiert.                                     die es nicht als Verzicht empfinden,
                                                          kein oder wenig Fleisch zu essen,
                                                          und die eine gesunde Ernährung
                                                          und einen verantwortungsvollen
                                                          Konsum als modernen Lebensstil
                                                          empfinden.

FLEISCHATLAS 2014                                                                                9
UNERSÄTTLICHER WELTMARKT
                                 In Asien findet im Schnelldurchgang ein Wandel statt, den die Industrieländer
                                 längst hinter sich haben: Die Mittelschichten lösen eine Nachfrage aus, die mit dem
                                 Einsatz von Kapital und Technik bedient wird. Für Rinder ist jetzt weniger Platz als
                                 für Schweine und Hühner – vor allem aber boomen indische Büffel.

                                 D
                                        ie weltweite Nachfrage nach Fleisch steigt           Raum gehalten werden. Damit befriedigen sie die
                                        in den Regionen der Welt ganz unterschied-           unersättliche Nachfrage nach billigem Fleisch.
                                        lich. In Europa und den USA, den traditio-           Bis 2022 wird fast die Hälfte des zusätzlich konsu-
                                 nell großen Fleischproduzenten des 20. Jahrhun-             mierten Fleischs Geflügel sein.
                                 derts, nimmt der Konsum nur noch langsam zu                      Die Produktion von Rindfleisch hingegen
                                 oder stagniert sogar. Auf die zumeist asiatischen           wächst kaum. Die USA bleiben mit 11 Millionen
                                 Boomländer werden hingegen bis 2022 rund                    Tonnen der größte Rindfleischproduzent der
                                 80 Prozent des Wachstums im Fleischsektor ent-              Welt. Dennoch beschreibt die Fleischindustrie die
                                 fallen. Das größte Wachstum wird aufgrund der               Lage als dramatisch schlecht. Für 2013 rechnet sie
                                 immensen Nachfrage der neuen Mittelschichten                mit einem Rückgang von 4 bis 6 Prozent im Ver-
                                 in China und Indien stattfinden.                            gleich zum Vorjahr und sieht diesen Trend auch
                                     In China werden heute noch mehr als 50 Pro-             im Jahr 2014. In anderen traditionellen Erzeuger-
     Exportieren                  zent der Schweine in kleinbäuerlichen Betrieben            regionen – Brasilien, Kanada, Europa – stagniert
                                    produziert. Das wird ohne Gegensteuern nicht             oder sinkt die Produktion.
   kann nur, wer die                 mehr lange so bleiben. Die gleichen technik-                 Das Land der Stunde hingegen ist Indien – dank
 Qualitätsansprüche                  und kapitalintensiven Prozesse, die die Tier-           der Produktion von Büffelfleisch. Dessen Wachs-
 der Abnehmerländer                  produktion des Nordens dominieren, wachsen              tum hat sich zwischen 2010 und 2013 fast verdop-
        erfüllt                     in die lukrativen Märkte des Südens hinein, zu-          pelt, und Indien drängt damit auf den Weltmarkt:
                                   gleich integriert in globale Wertschöpfungsket-           25 Prozent des dort gehandelten Rindfleisches
                                 ten. Dies bedeutet, dass bald auch in den Boom-             stammt inzwischen vom Subkontinent. Seit 2012
                                 ländern, wenn ein Ferkel geboren wird, schon                ist Indien – knapp vor Brasilien – der größte Expor-
                                 feststeht, in welcher Stadt und in welchem Super-           teur von Rindfleisch, wenn man Büffel darunter
                                 markt mit welcher Werbung sechs Monate später               mitversteht. Büffel sind kostengünstig zu halten,
                                 die Filets zu kaufen sein werden.                           weshalb der Kilopreis in der Erzeugung um mehr
                                     Dabei sind die Rahmenbedingungen der Pro-               als einen Dollar unter dem von Rindfleisch liegt.
                                 duktion heute grundlegend anders als früher.                Zudem hat die indische Regierung viel Geld in
                                 Die industrielle Tierhaltung in Europa und den              Schlachthäuser investiert. Hinzu kommen die
                                 USA hatte sich noch mit geringen Futterpreisen,             hohen Preise für Futtermittel; deren Erlöse lassen
                                 niedrigen Energiekosten und billigem Land eta-              brasilianische Farmer von Rinder- auf Sojaproduk-
                                 bliert. Heute sind Agrarflächen, Futter und Ener-           tion umsteigen. So werden, wenn auch noch auf
                                 gie knapp und die Kosten hoch. Daher steigt die             niedrigem Niveau, Marktanteile frei, die die indi-
                                 Gesamtproduktion von Fleisch weniger stark als              schen Exporteure übernehmen.
                                 noch in den letzten Dekaden. Nur bei Schweinen                   In Afrika wird ebenfalls mehr Fleisch geges-
                                 und Geflügel wächst der Markt. Beide Tierarten              sen, wenn auch weder die Nachfrage noch das An-
                                 verwerten das Futter gut und können auf engem               gebot so wächst wie in anderen Teilen der Welt.

Produktion                             Handel                                 Handel                                Verbrauch

 Weltweit, Prognose für 2013,            Weltweit, Prognose für 2013,          Weltweit, Prognose für 2013,          Weltweit, pro Kopf, Prognose
                                 FAO

                                                                        FAO

                                                                                                              FAO

                                                                                                                                                    FAO

 in Millionen Tonnen                     in Millionen Tonnen                   in Prozent                            2013, Kilogramm/Jahr

               13,8                                     0,9                               9,9
                          68,1                                  8,6
                                                7,2                                                                          33,3

       114,2      308,2                                  30,2                                100                                    43,1

                       106,4                             13,3                                   9,.1                                   79,3

     Rind, Kalb       Schwein andere       Rind, Kalb     Schwein andere          Verbrauch im Inland                   entwickelte Länder    weltweit
     Geflügel         Schaf, Ziege         Geflügel       Schaf, Ziege            Export                                Entwicklungsländer

10                                                                                                                                    FLEISCHATLAS 2014
Globale Fleischproduktion

                                                                                                                                                                                                                                                            FAO
                                                                                                                                                                                                 50,4
                                                                                                   23,0                                                                       3,2
                                                                                                                                                                        2,5                            17,1
               19,2              2,1
                                                                                                         12,4                            0,6                      1,7
    11,4                                                                                                                                    0,9                                     0,2     6,5
                           1,4                                                                   8,1                                  0,4                                                                                                           1,4
                                       1,2                                                                                                                             Russland                               4,1
                                                                                                                                                                                                                                              1,3
         10,2                                                                                                                           Ukraine                                                                                        0,5
                                                                                                               1,0
                                Kanada
                                                                                                                                 1,6                       1,7                                                            1,0
                     0,1                                                                                EU                                                       0,5
                                                               13,1                                                    0,2             0,3         0,4                                                                                        Japan
                                                                                                                                                                                                                    0,3
           USA                                                                                                                                                                                                                  0,7
                                                    9,7
                                                                                                       0,3                    Türkei
                                                                                                                                                         Iran           2,9         2,9                              Südkorea
                                                                                      0,1                    0,2                                                                                  China
                                                                                                                               0,8                   0,5                      0,3
                                                          3,3                              Algerien                                                                                       0,9
                    2,8
        1,8                                                                                                        0,7               0,1 Saudi-Arabien                                                                                 1,7
                                                                                                                                                                              Indien
                                                                                                                       Ägypten                                                                               1,5                 0,7
                                                                                                                                                                1,5     0,8
              1,2                                                                                                                                                                                      0,2                 0,5               0,1
                          0,1                                                                                                                                              0,5
                                                                                                                                                                  Pakistan                            Malaysia              Indonesien
           Mexiko                                                                                                                                                                         0,2
                                                                      0,1                                                                                                     0,2               0,2

                                                         Brasilien                                                        0,3                                                 Bangladesch                                   2,1
                                                                                                                                                                                                                                        1,0
                                                                                                                    0,9         1,5
                                                                                                                                                                                                                                  0,3
                                       2,6                                                                                            0,2                                                                                                     0,6
                  0,6
                                                                0,5                                                                                                       Rind, Kalb
               0,5                                                                                                      Südafrika                                                                                               Australien
                                                   1,8                                                                                                                    Schwein
         0,2
                                                                  Uruguay                                                                                                 Geflügel
                                             0,3                                                                                                                                                                                      0,6            0,5
                Chile                                                                             Millionen Tonnen, Durchschnitt 2010-                                    Schaf, Ziege
                                                         0,1                                                                                                                                                                                   0,2
                                                                                                  2012, Angaben für 2012 sind geschätzt
                                       Argentinien                                                                                                                                                                                    Neuseeland

Vielerorts hat in den letzten zehn Jahren die Pro-                                                      inzwischen von den Entwicklungs- und Schwel-
duktion angezogen, überproportional in bevöl-                                                           lenländern bestimmt. Noch geht nur ein Zehntel
kerungsreichen Ländern wie Südafrika, Ägypten,                                                          des Fleisches in den Handel. Denn exportieren
Nigeria, Marokko und Äthiopien. Pro Kopf liegt                                                          kann nur, wer den Qualitätsansprüchen in den
der Kontinent mit 20 Kilogramm im Jahr unter                                                            Abnehmerländern entspricht und dies auch nach-
dem weltweiten Durchschnitt. Zugenommen hat                                                             weisen kann. Die Angst vor Tierkrankheiten wie
der Import von preiswerten Geflügelteilen, oft auf                                                      BSE, Maul- und Klauenseuche oder Vogelgrippe
Kosten heimischer Erzeuger.                                                                             ist groß. Der zeitweilige Zusammenbruch der Ge-
   Der internationale Fleischhandel nimmt                                                               flügelmärkte in Südostasien und der vollständige
schnell zu, allein in den letzten zehn Jahren um                                                        Kollaps der britischen Rindfleischexporte haben
40 Prozent. Heute dominieren noch die Industrie-                                                        gezeigt, wie internationale Handelsströme inner-
länder den Weltmarkt, doch sein Wachstum wird                                                           halb kürzester Zeit versiegen können.

Kleinere Tiere, größere Mengen                                                                          Stabile Preise nur ohne Spekulanten

  Trends der Fleischerzeugung, in Millionen Tonnen                                                           Reale Fleischpreise, 2005–2021, Dollar pro Tonne
                                                                                                                                                                                                                                                            OECD/FAO
                                                                                      OECD/FAO

                    Rind, Kalb               Schwein                                                                                               Rind, Kalb           Schwein
                    Geflügel                 Schaf, Ziege                                                                                          Geflügel             Schaf, Ziege
  140                                                                                                         5000

  120
                                                                                                              4000
  100
  80                                                                                                          3000

  60                                                                                                          2000
  40
                                                                                                              1000
  20
   0                                                                                                               0
    1995        1999            2003     2007        2011        2015       2019   2021                                1991                 1996                2001                 2006               2011                    2016                 2021

FLEISCHATLAS 2014                                                                                                                                                                                                                                             11
KONZENTRATION – DIE ZUKUNFT
DER GLOBALISIERTEN INDUSTRIE
                                   Die Größenvorteile der Fleischkonzerne senken die Erzeugerpreise und steigern
                                   ihre Marktmacht. Mit Zukäufen von Unternehmen stoßen sie unter die Größten
                                   der Lebenmittelbranche vor. Jetzt schlägt die Stunde der Banken, die auf
                                   Rohstoffmärkten spekulieren, Kredite anbieten und weitere Fusionen planen.

                                   I
                                       m September 2013 erwarb Shuanghui Inter-              Schweine und 12 Millionen Vögel – und zwar täg-
                                       national Holdings, Hauptaktionär von Chinas           lich. Sobald das Fleisch vom Knochen getrennt ist,
                                       größtem Fleischverarbeiter, den weltgrößten           wird es in 150 Länder ausgeliefert.
                                   Schweinefleischproduzenten: das US-amerika-                   Da die Gewinnmargen in der Fleischindustrie
                                   nische Unternehmen Smithfield Foods. Der Ge-              gering sind, jagen die Unternehmen Größenvor-
                                   samtpreis der Übernahme lag bei 7,1 Milliarden            teilen hinterher: Sie versuchen die Produktion
                                   Dollar, darunter 2,4 Milliarden Dollar Schulden.          durch mehr Effizienz und zu geringeren Kosten
                                   Dieser Verkauf steht für eine Umstrukturierung,           zu steigern. Dies führt zu einer doppelten Konzen-
                                   die sich weltweit über Ländergrenzen hinweg               tration. Einerseits werden Unternehmen durch
                                     beobachten lässt. Investitionen sind keine Ein-         Fusionen und Übernahmen immer größer und
   Hohe Schulden                       bahnstraße mehr. Firmenkäufer kommen jetzt            expandieren über Grenzen und Arten hinweg.
 der Fleischkonzerne                    auch aus dem globalen Süden und werden im            Andererseits nimmt die Intensität der Fleisch-
  sorgen für immer                      Norden fündig.                                       produktion zu, indem mehr Tiere gehalten und
  neue Eigentümer-                         JBS, ein Rindfleischunternehmen aus Brasi-        schneller und mit weniger Abfall verarbeitet wer-
                                       lien, wurde mit dem Kauf mehrerer Fleischun-          den. Einige Analysten weisen jedoch darauf hin,
       Wechsel
                                     ternehmen in den USA, Australien und Europa             dass das Fleischgeschäft von Natur aus riskant ist:
                                   sowie im eigenen Land Ende der 2000er Jahre zum           Auch wenn man weiß, wie Rinder gezüchtet, ge-
                                   weltweit größten Produzenten von Rindfleisch.             schlachtet, verarbeitet und transportiert werden,
                                   Seit er im Sommer 2013 vom kleineren Konkur-              bedeutet das nicht automatisch, dass man auch
                                   renten Marfrig, seinerseits mit 4,7 Milliarden            Geflügelgroßbetriebe führen kann.
                                   Dollar verschuldet, für 2,5 bis 3 Milliarden Dollar           Schwankende Dünger- und Futtermittelpreise
                                   dessen Firmentochter Seara übernommen hat,                verschärfen das finanzielle Risiko. Höherpreisige
                                   ist JBS auch der weltgrößte Geflügelproduzent.            Tierfuttermittel treiben die Produktionskosten
                                   Der weit verzweigte Konzern gehört inzwischen             in die Höhe, senken die Gewinne und verschie-
                                   sogar zu den zehn führenden internationalen               ben die Nachfrage. Hinzu kommen spekulative
                                   Lebensmittel- und Getränkekonzernen und setzt             Marktmanipulationen, die zu Preissprüngen
                                   mit Lebensmitteln mehr um als Unilever, Car-              führen. Zudem verknappt der Anbau von Pflan-
                                   gill und Danone. Nicht sinnlich vorstellbar sind          zen, die zu Agrokraftstoffen verarbeitet werden,
                                   JBS’ Schlachtkapazitäten: 85.000 Rinder, 70.000           das verfügbare Land. Insgesamt ein Geschäft wie

Weltmarktpreise für Fleischarten im Vergleich                                Milchprodukte werden teuer

 Indizes, 2002–2004 = 100                                                     Indizes, 2002–2004 = 100
                                                                       FAO

                                                                                                                                                     FAO

                         Rind, Kalb       Schwein
                                                                                                                                                      FAO

                         Geflügel         Schaf, Ziege
     220                                                                        220

     190                                                                        190

     160                                                                        160
                                                                                                                              Fleisch
     130                                                                        130                                           Milchprodukte
                                                                                                                              Lebensmittel
     100                                                                        100

      70                                                                         70
           2007   2008      2009       2010      2011    2012   2013                  2006    2008       2009   2010   2011       2012        2013

12                                                                                                                                 FLEISCHATLAS 2014
Die Top 10 der Branche

  Konzerne nach Lebensmittelumsätzen (2011–13),

                                                                                                                                                                                                                                 Leatherhead/ETC
  Milliarden Dollar

                                                                                        7
                                                                                Smithfield Foods.
                                                3
                                                                          Gegründet 1936; Umsatz 2012:
                                    Cargill. Gegründet 1865,              13,1 Milliarden Dollar. Größter
                                      Familienunternehmen.                Produzent und Verarbeiter von                                                                          9
                                  Weltumsatz 2013: 32,5 Milliar-           Schweinefleisch in den USA.                                                                  Danish Crown AmbA.
                      33         den Dollar. Hält in den USA einen        Mit Milliardenschulden 2013 an                                                             1998 aus mehreren Fusionen
                                   Marktanteil von 22 Prozent             die halb so große chinesische                                                               entstanden. Umsätze 2012:
                                     bei Fleischprodukten, in                   Shuanghui-Gruppe                                                                     10,3 Milliarden Dollar. Haupt-
                                       Argentinien größter                            verkauft
                               33            Exporteur                                                             13 10 Danish Crown AmbA
                                                                                                                                                                    niederlassungen in USA, Polen
                                                                                                                                                                   und Schweden, Europas größter
                                                                                                        Vion                                                        Fleischproduzent, weltgrößter
                                                                                                                         9                                                Schweineexporteur
        Cargill                          13                                                                    5                                                                                                            13
                                                                                                                                               5
                                       Smithfield Foods                                                                                                                                          Nippon Meat Packers
                  3                                                                                                                Vion. 2003 aus mehreren
                                                                                                                                     Fusionen entstanden.
      Tyson Foods                    7                                                                                                                                                                                           6
                                                                                                                                          Umsatz 2011:
                                     8 Hormel Foods                            39
                                                                                                                                 13,2 Milliarden Dollar. Größter
                           2                                                                                                      Schweinefleischverarbeiter
                                      10                                                                                         Europas, enormes Wachstum.
                                                                                                                                    2002: 1 Milliarde Dollar
                                                                                                                                       (Vorläuferfirmen)
                   2
              TysonFood.                                                                                                                                                                                 6
        Gegründet 1935; Umsatz                                                                                                                                                                 Nippon Meat Packers.
      2012: 33,3 Milliarden Dollar.                                                                                                                                                               Gegründet 1949;
      Weltgrößter Fleischhersteller                                                                                                                                                         Umsatz 2013: 12,8 Milliarden
                                                           15        JBS
      und zweitgrößter Verarbeiter                                                                                           1                                                               Dollar. Bekann als „Nippon
       von Hühnern, Rindern und                                                                                                                                                             Ham“. Betriebe an 59 Stand­
                                                         BRF                                                       JBS. Gegründet 1953;
              Schweinen                                                                                                                                                                     orten in 12 Ländern, meist in
                                                                                                               Umsatz 2012: 38,7 Milliarden
                                                                        13 1                                                                                                                    Asien und Australien
                                                                                                           Dollar. Weltgrößter Fleischverarbei-
                                10                              4
                                                                     Marfrig                              ter, weltgrößte Schlachtkapazitäten.
                     Hormel Foods.                                                                          Übernahm kürzlich von Smithfield
             Gegründet 1891; Umsatz 2012:                                                                    Foods die Rindfleischsparte und
                                                                    8
                  8,2 Milliarden Dollar.                                                                        von Malfrig Geflügel- und
                                                                                                  4
            40 Betriebe und Verteilerzentren,                                                                       Schweinebetriebe
                                                                                     BRF. 2009 als Brasil Foods                                     8
             Ausrichtung auf „ethnic food“
                   (z. B. mexikanisch,                                                aus der Fusion von Sadia                        Marfrig. 2000 aus mehreren
                        asiatisch)                                                   und Perdigão entstanden.                             Fusionen entstanden.
                                                                                    Umsatz 2012: 14,9 Milliarden                   Umsatz 2012: 12,8 Milliarden Dol-
                                                                                        Dollar. 60 Fabriken in                    lar. Niederlassungen in 22 Ländern.
                                                                                     Brasilien, Vertretungen in                    Viertgrößter Rindfleischproduzent
                                                                                            110 Ländern                                  der Welt. Verkaufte 2013
                                                                                                                                    seine Geflügel- und Schweinebe-
                                                                                                                                              triebe an JBS

geschaffen für Investmentbanker. Tatsächlich                                                        Effizienz birgt aber auch Gefahren. Wo enden
hat die Wall-Street-Firma Goldman Sachs den                                                     die Größenvorteile, wenn heutzutage bereits bis
­Shuanghui-Smithfield-Deal auf unterschiedliche                                                 zu 100.000 Tiere zugleich gemästet werden kön-
 Art und Weise eingefädelt und abgewickelt. Es                                                  nen? Solche Betriebsgrößen gibt es in den USA be-
 wurde von Smithfield mit der Beratung über po-                                                 reits. Die Logistik ist heute noch beherrschbar, je-
 tenzielle Verkäufer beauftragt, hält selbst einen                                              doch gilt: je größer das System, desto anfälliger.
                                                                                                                                                                                                 Je größer
 fünfprozentigen Anteil an Shuanghui und ist                                                    In der Intensivhaltung breiten sich Krankheits-
 Großhändler von Rohstoffen: 2012 erwirtschafte-                                                erreger schneller und leichter von einem Tier                                                das System der
 te Goldman Sachs damit rund 1,25 Milliarden Dol-                                               auf das nächste aus, sowohl im Stall wie beim                                               Fleischerzeugung,
 lar, davon 400 Millionen im Food-Bereich.                                                      Transport. Das Gleiche gilt für die Schlachthö-                                              umso anfälliger
     Die doppelte Konzentration in der Fleisch­                                                 fe, da die Geschwindigkeit der Verarbeitung                                                       wird es
 industrie – Expansion der Unternehmen, In-                                                     zunimmt. Außerdem funktioniert das System im
 tensivierung der Produktion – lässt kleineren                                                  Falle einer Katastrophe, etwa einer weitflächigen
 Produzenten kaum eine Überlebenschance. Die                                                    Überschwemmung, nicht mehr. Und wenn die
 multinationalen Strukturen vernichten eine                                                     Verbrauchernachfrage sinkt, droht Unternehmen
 Einkommensquelle der Armen und schränken                                                       mit knappen Reserven der Bankrott. Das wieder-
 gleichzeitig die Produktauswahl für die Verbrau-                                               um macht Versicherungsunternehmen mit maß-
 cher ein. Die Größenvorteile versprechen Aktionä-                                              geschneiderten Risikobewertungen zu wichtigen
 ren und anderen Kapitalgebern höhere Gewinne.                                                  Spielern im modernen Fleischgeschäft.

FLEISCHATLAS 2014                                                                                                                                                                                                                      13
FREIHÄNdlER wITTERN MoRGENlUFT
                                USA und EU verhandeln über ein neues Handelsabkommen. Die Wunschliste der
                                Industriekonzerne ist lang. Amerikaner möchten europäische Schutzvorschriften
                                gegen Hormone, Antibiotika und Genmanipulationen aushebeln, Europas
                                Fleischkonzerne hingegen wollen mehr Rindfleisch über den Atlantik verkaufen.

                                I
                        n der Europäischen Union basieren die Vor-                                 Trade Agreement, TAFTA) entstehen soll. Als Maß-
                        schriften für die Sicherheit von Nahrungsmit-                              nahme zur Stützung der schwächelnden Wirt-
                        teln und Chemikalien auf dem Vorsorgeprin-                                 schaft beider Regionen gedacht, könnte dieser
                     zip. Dieser Grundpfeiler europäischen Rechts                                  Vertrag das größte bilaterale Freihandelsabkom-
                     ermöglicht es der EU, alle Einfuhren, die ein po-                             men in der Geschichte werden. Auf beiden Seiten
                     tenzielles Risiko für Mensch oder Umwelt dar-                                 des Atlantiks drängen jetzt einflussreiche Inte-
                       stellen, so lange zu beschränken, bis gesicherte                            ressengruppen, darunter der Landwirtschafts-,
       Beamte
                        wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen – im-                             Futtermittel- und Chemiesektor, auf ein Abkom-
 verhandeln heimlich     portiert werden darf nur, was nachweisbar                                 men, das Handelsschranken für landwirtschaftli-
über neue Grenzwerte ungefährlich ist. In den Vereinigten Staaten                                  che Erzeugnisse einschließlich Fleischprodukten
   für Chemikalien       hingegen ist es umgekehrt – exportiert werden                             abbaut. Ein derartiger Vertrag könnte drastische
      im Fleisch        darf alles, was nicht nachweisbar gefährlich ist.                          Änderungen beim Einsatz von Antibiotika in der
                       Derartige Entscheidungen erfolgen mittels einer                             Fleischproduktion, bei der Zulassung von ge-
                     Kosten-Nutzen-Analyse der Risiken und mit Da-                                 netisch veränderten Organismen, für den Tier-
                     ten, die als „belastbare wissenschaftliche Fakten“                            schutz und andere Bereiche mit sich bringen. Die
                     gelten – und die etwa im Fall der Unbedenklich-                               Industrie wird bestrebt sein, im Interesse einer
                     keitserklärung für gentechnisch modifizierte Or-                              Ausdehnung ihrer Märkte die jeweils niedrigsten
                     ganismen direkt von der Industrie kamen.                                      Standards auch auf der Gegenseite zuzulassen.
                         Ungeachtet solcher erheblichen Unterschiede                                   Beispielhaft dafür ist Ractopamin, das in den
                     begannen EU und USA 2013 mit Verhandlungen                                    Vereinigten Staaten als Futterzusatz zur Steige-
                     über eine Transatlantische Handels- und Investi-                              rung der Produktion mageren Schweine- und
                     tionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Invest-                           Rindfleischs eingesetzt wird. Sein Einsatz ist in
                     ment Partnership, TTIP), mit der ein Transatlanti-                            160 Staaten, darunter auch der EU, verboten,
                     sches Freihandelsabkommen (Trans-Atlantic Free                                denn es gibt keine unabhängigen wissenschaft-

Gewinner und Verlierer der transatlantischen Handelsgespräche

 Mögliche Zu- und Abnahmen des realen Pro-Kopf-Einkommens durch stärkeren Wettbewerb, in Prozent. Unterstellt ist der

                                                                                                                                                     IFO
 Wegfall aller Zölle und Einfuhrverbote von EU und USA, ohne dass sich die Handelsvorschriften anderer Staaten anpassen.

                                                                              7,3
                                                                          Schweden 6,2
                                  Kanada                               9,7        Finnland
                                   -9,5                           6,9 GB
                                                                Irland
                              13,4                                        6,6
                              USa                                      Spanien

                       Mexiko
                        -7,2

          -9,5 bis -6,1
          -6,0 bis -3,1
          -3,0 bis 0,0
           0,1 bis 3,0                                                                                                     australien
           3,1 bis 6,0                                                                                                        -7,4
           6,1 bis 13,4
           keine Angaben

14                                                                                                                                      FlEISCHaTlaS 2014
lichen Studien, die etwas über die Folgen für die     Fleischhandel zwischen den USA und der EU
menschliche Gesundheit aussagen könnten. Den
USA ist es derzeit nicht gestattet, Fleisch von mit    Im- und Exporte, Millionen Dollar

                                                                                                                                 USDA ERS
Ractopamin behandeltem Vieh in die EU zu ex-                                   2010        2011           2012
portieren. Amerikanische Agrarkonzerne und
fleischverarbeitende Unternehmen fordern, dass
                                                                               946         1.154          988
die EU dieses Verbot aufhebt und das Thema in
die TTIP-Verhandlungen aufnimmt.
                                                           Gesamter
    Nach mehreren Jahren relativer Ruhe wurde            Fleischhandel
auch ein alter Handelsstreit neu belebt. Im Rah-
men des TTIP versuchen die USA jetzt wieder, eine
                                                                               1.652       2.031          2.154
Zulassung von Peroxysäure zu erhalten. Dieser
antimikrobiell wirksame Stoff wird in den USA                  USA                                                      EU
verbreitet zur Desinfektion von Rohgeflügel nach
dem Schlachten eingesetzt. Die EU, in der Geflü-
                                                            Rind, Kalb          136        231            223
gel ausschließlich mit heißem Wasser gereinigt
werden darf, betrachtet den Einsatz von Peroxy-
                                                                               298         326            355      Schwein
säure als Verstoß gegen das Konzept „Vom Erzeu-
ger zum Verbraucher“ und vom damit verbunde-
nen möglichst geringen Einsatz von Chemikalien             Geflügel, Eier       219        218            199
in der Nahrungsmittelverarbeitung.
    Darüber hinaus bietet das TTIP multinationa-
                                                                                741        868            845         Käse
len Konzernen die Möglichkeit, die EU-Verbote
von genetisch veränderten Nahrungsmitteln zu
unterlaufen, die in den USA als wettbewerbswid-
rige „technische Handelsschranken“ gesehen
werden. Umwelt-, Verbraucher- und Tierschützer
fürchten nun, dass sich die EU bei den Verhand-       sundheitsfolgen der industriellen Tierproduktion
lungen hinter verschlossenen Türen eine Schwä-        zu beseitigen. Statt die Standards weiter zu ver-
chung ihrer Schutzvorschriften abhandeln lässt.       wässern, sollten die Verbraucher und Aktivisten
Die EU ihrerseits versucht das Verbot von Rindflei-   in den USA und der EU ihre Regierungen drängen,
schimporten aus Europa in die USA zu kippen. Die      mit dem TTIP die Standards auf beiden Seiten des
Vereinigten Staaten verbieten den Einsatz und         Atlantiks anzuheben. Oder sie sollten die Gesprä-
die Einfuhr von Futtermittelbestandteilen, die        che komplett abbrechen.
nachweislich an der Übertragung von BSE, dem
„Rinderwahn“, beteiligt sind. Die Verfechter von
Nahrungsmittelsicherheit in den USA sind be-          Futtermittelhandel zwischen den USA und der EU
sorgt, dass die EU-Vorschriften über den Einsatz
von aus Wiederkäuern gewonnenen Futtermit-             Im- und Exporte, Millionen Dollar

                                                                                                                                 USDA ERS
telzusätzen nicht ausreichen, um eine Kontami-                                 2010        2011           2012
nation zu verhindern. Da die EU gegenwärtig so-
gar noch eine weitere Lockerung der Standards                 Mais              43         239             18
für diese Futtermittelzusätze erwägt, nähme aus
US-Sicht das Risiko aufgrund des Handels mit BSE-                 Hirse         38         239              1
verseuchtem Rindfleisch zu.
    Darüber hinaus gibt es noch den Mechanis-
mus zur „Schlichtung von Streitigkeiten zwischen            Futtermittel       320         492            265
Investoren und dem Staat“. Mit dieser bereits in
vielen Handelsverträgen enthaltenen Klausel                    USA                                                      EU
kann ein Unternehmen den Staat auf Schaden-
ersatz für Vorschriften verklagen, die seine Ge-           Ölsaaten           2.072        1.632          2.676
winne beeinträchtigen. Mit dem TTIP wollen die
Agrarkonzerne nun diesen Mechanismus auch                        Soja          1 108       795            1 481
auf die Standards zur Nahrungsmittelsicherheit
„uneingeschränkt“ anwenden. Mit anderen Wor-
                                                                                217        270            265     Futtermittel
ten: Da internationale Investoren durch diesen
Mechanismus einen Rechtsanspruch auf „stabile
Investitionsbedingungen“ erhalten, würden alle
                                                                               872         928            1.016     Ölsaaten
Verschärfungen von Umwelt- oder Tierschutzge-
setzen erheblich erschwert.                                                    847         897            976     Olivenöl
    So könnte es durch TTIP deutlich schwieriger
werden, nachteilige Umwelt-, Sozial- und Ge-

FLEISCHATLAS 2014                                                                                                                   15
ROSAROT IM KÜHLREGAL
                                 Supermärkte mit Kühltruhen und Fast-Food-Ketten mit Qualitätsversprechen
                                 verändern das Einkaufen in den Städten der Boomländer. Die Städte
                                 wachsen so schnell, dass kleine Läden ihre Bedeutung verlieren. Deren Aufgabe
                                 übernehmen kapitalstarke Lebensmittelketten.

                                D
                                        er Metzger, der im Hinterraum seines                         Der Prozess ist gut untersucht: Die erste Welle
                                        Ladens fachgerecht halbe Rinder oder                         begann in den frühen 1990er Jahren in Südame-
                                        Schweine zerlegt und vorne Fleisch und                       rika, in den ersten ostasiatischen Boomländern
                                 Wurst an seine Kunden verkauft, ist in den Indus-                   wie Korea und Taiwan sowie in Südafrika; von
                                 trieländern selten geworden. Heute werden diese                     1990 bis um 2005 stieg der Marktanteil von Super-
                                 verderblichen Lebensmittel auf null bis vier Grad                   märkten von 10 auf bis zu 60 Prozent. Die zweite
                                 heruntergekühlt, vom Großhändler oder gleich                        Welle konnte Mitte bis Ende der Neunziger in Mit-
                                   vom Schlachthof in die Supermärkte geliefert.                     telamerika und südostasiatischen Ländern beob-
      Normierte
                                    Dort legen die Verkäuferinnen das Fleisch nur                    achtet werden; hier lag der Marktanteil um 2005
  Waren erleichtern                  noch hinter die Scheiben des Verkaufstresens,                   bei 30 bis 50 Prozent. Die dritte Welle begann um
    Supermärkten                     oder die Kunden holen sich die verpackte                        2000 in China sowie Indien und großen aufho-
  den massenhaften                   Ware direkt aus der Truhe. Damit Selbstbe-                      lenden Volkswirtschaften wie Vietnam; nach we-
       Absatz                       dienungsware tagelang appetitlich aussieht,                      nigen Jahren wuchsen die Umsätze um 30 bis 50
                                  werden Hühnerbrüste und Koteletts in einer                         Prozent jährlich.
                                 möglichst keimkontrollierten Umgebung vaku-                             Die Gründe dafür liegen nicht einfach in der
                                 umverpackt und die Päckchen anschließend mit                        steigenden Kaufkraft der Mittelschichten, son-
                                 einem sauerstoffreichen Gas aufgeblasen. Das                        dern in fundamentalen gesellschaftlichen Verän-
                                 sorgt bei Rind und Schwein für eine rote Färbung                    derungen. In Pakistan etwa schreitet die Urbani-
                                 und suggeriert Frische – auch wenn tatsächlich                      sierung sehr schnell voran, die Metropole Lahore
                                 durch eine mehrtägige Lagerung schon Keime                          wächst um 300.000 Einwohner pro Jahr. Die Lie-
                                 entstanden sein können.                                             ferung von Fleisch und Milchprodukten kommt
                                     Fleisch, vielerorts noch vor zehn, zwanzig Jah-                 auf den traditionellen Handelswegen nicht nach.
                                 ren ein Luxusgut, gehört für immer mehr Men-                        Der Mangel an Waren und ihre schlechte Qualität
                                 schen auch in den Schwellenländern zum festen                       treibt den Mittelstand in die Supermärkte, wie die
                                 Bestandteil ihrer täglichen Ernährung. Das Su-                      Tageszeitung Express Tribune berichtet. Berufs-
                                 permarktmodell kapitalkräftiger Einzelhandels-                      tätige Frauen, weiterhin für die Zubereitung der
                                 ketten wie WalMart aus den USA, Carrefour aus                       Mahlzeiten zuständig, hätten keine Zeit mehr,
                                 Frankreich, Tesco aus Großbritannien und Metro                      von Laden zu Laden zu laufen, um die Qualität des
                                 aus Deutschland eroberte die Welt und löste auch                    empfindlichen Fleisches zu prüfen und mit den
                                 enorme Investitionen heimischer Konzerne aus.                       Verkäufern um Preise zu feilschen.

China: Schnellimbisse wachsen langsamer                                                              Indien: Der Aufschwung geht weiter

 Jährliches Wachstum von Fast-Food-Geschäften, 2010–14,                                                 Vorhandene und geplante Fastfood-Filialen
                                                                                                                                                                    Business Standard
                                                                                       Euromonitor

 und Marktanteile, 2012, in Prozent
     12                                                                                                                     vorhanden, 2012/13
     11                                                                    6,5                                              geplant, 2013/14
     10

     9                                                                       2,3
                                             84,1                            1,5                                         + 125                       + 250
     8
                                                                                     0,6
     7                                                                                 0,4                                602
                                                                                    0,3
     6                                                                     4,3                                                                       500
     5

     4
                                                                                                                                           + 38–50
                    Unabhängige
     3
                                                 Yum!*                Hua Lai Shi                                                            166
                    Ketten
     2                                           McDonald‘s           Shigemitsu
      1                                          Ting Hsin            Kungfu                                           Domino‘s McDonald‘s           Yum!*
     0                                           andere Fast-Food-Ketten
      2010   2011   2012   2013     2014         unabhängige Fast-Food-Geschäfte           *Kentucky Fried Chicken, Pizza Hut, Taco Bell
                            (geschätzt)

16                                                                                                                                                     FLEISCHATLAS 2014
Große Einkaufsflächen lohnen sich in Ein-         Der Umsatz kommt aus den Kühltruhen
zugsgebieten mit mehreren tausend potenziellen
Kunden. In vielen Regionen mit hoher Mobilität          Verkäufe im Einzelhandel, 2012/13, in Dollar

                                                                                                                                                                          Euromonitor
– in den autogerechten Vorstädten der USA etwa
– können arme Leute deshalb heute keinen Le-                     über 600 Millionen                 150–299 Millionen                  kein Wachstum
bensmittelladen mehr zu Fuß erreichen, in dem                    300–599 Millionen                  0,1–149 Millionen                  negatives Wachstum
sie frische Produkte kaufen können, um sie selbst
zuzubereiten. Sie bekommen nur noch fertiges Es-
sen in Fast-Food-Ketten. Sozial- und Ernährungs-                KA
forscher bezeichnen solche Gegenden als „Food                                 GB                      CN
                                                                                     DE
Deserts“, Nahrungswüsten.                                       US
     Der Verkauf von normierten Produkten er-                                                                  Konservierte Fleischerzeugnisse
leichtert den Lebensmittelketten nicht nur die
Werbung, sondern verschafft ihnen auch eine
enorme Marktmacht gegenüber den Lieferanten,
denen sie die Preise diktieren und die sie jederzeit
wechseln können. Zugleich machen sich auch die                                                                                                              RU
Supermarktkonzerne gegenseitig Konkurrenz. So                                                                US                            TR        IR
sind die Angebote billig und Produkte aus der Re-                                                                                                                 CN
gion können sich bestenfalls noch in Nischen hal-                                      Tiefgekühlte Fleischwaren
ten. Mit der Öffnung der globalen Märkte haben
Millionen Kleinhändler ihre Existenzgrundlage                                                                          AR
verloren, weil sie nicht umsatzstark genug waren
und nicht für angemessene Lagerung und vor al-
                                                                                                      RU
lem für die kontinuierliche Kühlung von Fleisch,
                                                                              GB     DE   UA
Wurst, Eiern oder Frischmilch sorgen konnten.
                                                            US                                 IR
     Aufgrund des Dumpingwettbewerbs kommt                                    FR
                                                                                     TR
es immer wieder zu Skandalen mit Gammel- oder                MX       VE                    SA                    Käse
                                                                                     NG
verbotenem Hormonfleisch sowie falschen De-                             BR
klarationen. So landete Esels- statt Rindfleisch auf
den Tellern von Südafrikanern, in Europa wurde                   AR
Pferdefleisch als Rind ausgegeben und in die Kühl-
truhen der Supermärkte verteilt. Und in In­dien                                                                                                            RU
                                                                                                                                      DE
mag manches Stück abgepacktes Büffelfleisch                                                                  US
                                                                                                                                                IR           CN
tatsächlich aus einer illegalen Rinderschlachterei                                                                                FR
                                                                                                                                                      IN
stammen.                                                                      Milchprodukte                  MX      VE                    NG
                                                                                                                                                                   ID
     In keinem anderen Land der Welt wird so viel
Fleisch produziert und gegessen wie in China.                                                                               BR         ZA
                                                                                                                  AR
                                                                                                                                                                    AU
Vor allem Schweinefleisch ist dort äußerst beliebt.
Die meisten im Land gezüchteten Tiere kommen
                                                                                               RU
bisher noch nicht aus Massenställen. Vielerorts
                                                                              GB     DE
gibt es zudem noch keine funktionierenden Kühl-              US                                       CN
ketten, und so wird ein Großteil des Fleisches ge-                            FR
                                                                                     TR        IR
schmort oder gekocht an die Endverbraucher ver-                                                                    Tiefgekühltes Geflügel
kauft. Doch die Nachfrage nach Fleisch aus dem
Supermarkt wächst und macht inzwischen gut
10 Prozent des Gesamtumsatzes aus.
     Internationale Fast-Food-Ketten wie Kentucky
                                                                                                                                                             RU
Fried Chicken (KFC) und McDonald’s versprechen                                                                                   GB
ihrer Kundschaft, dass die Zulieferbetriebe zer-                                                                                        FR
                                                                                                             US
                                                                                                                                                      IR
tifiziert sein müssen und immer wieder kontrol-
liert werden. Denn Lebensmittelskandale verder-                   Fertigmahlzeiten mit/ohne Fleisch                                     AL
ben den Appetit und sind schlecht fürs Geschäft.
                                                                                                                            BR
KFC hatte um die Jahreswende 2012/13 zweimal
Probleme mit antibiotikaverseuchtem Geflügel-
fleisch. Ihr Geschäft ist daraufhin um 10 Prozent
eingebrochen und hat sich bis in den Herbst 2013           AR   Argentinien     DE   Deutschland       IR   Iran
                                                           AU   Australien      AL   Algerien          MX   Mexiko
nicht erholt. McDo wurde in den Strudel mit hin-
                                                           BR   Brasilien       FR   Frankreich        NG   Nigeria              TR Türkei                 US USA
eingezogen – die Verkäufe gingen hier ebenfalls            KA   Kanada          ID   Indonesien        RU   Russland             UA Ukraine                VE Venezuela
zurück.                                                    CN   China           IN   Indien            SA   Saudi-Arabien        GB Großbritannien         ZA Südafrika

     Auch in China müssen die Endverkäufer nun
die Endverbraucher fürchten.

FLEISCHATLAS 2014                                                                                                                                                               17
IN DEN SCHLACHTHÖFEN DER WELT
                               Das Töten von Tieren zur Herstellung von Nahrungsmitteln ist hoch industrialisiert.
                               Die Schlachthöfe der globalen Konzerne verfügen über unvorstellbare
                               Kapazitäten und liegen fern der Städte – Konsumenten sehen keine Verbindung
                               mehr zwischen einem lebenden Tier und einem eingeschweißten Filet.

                               D
                                      as Chicago des beginnenden 20. Jahrhun-            ist auch erforderlich, um der starken Marktmacht
                                      derts gilt als die Wiege der industriellen         der Großabnehmer – der internationalen Han-
                                      Schlachtung. Mit den Fließbändern, die hier        delsketten und Großimporteure – die eigene wirt-
                               zum ersten Mal systematisch in den Fabriken ein-          schaftliche Stärke entgegenzusetzen. Aber auch
                               gesetzt wurden, dauerte es insgesamt nur noch             Lohnschlachterei für andere Hersteller ist mög-
                               15 Minuten, ein Rind zu töten und vollständig zu          lich, wenn zur Verfügung stehende Kapazität und
                               zerlegen. Bis auf zwölf Millionen im Jahr stieg so        Marktlage dies erlauben – oder erzwingen.
                               die Zahl der hier geschlachteten Tiere, ein solcher            Die Einführung von öffentlichen oder privaten
                               Effizienzsprung, dass Henry Ford das Verfahren            Schlachthöfen war in den armen Ländern der ers-
                               für den Bau von Autos übernahm.                           te gezielte Schritt zur systematischen Hygiene in
                                   Mit der Industrialisierung des Schlachtpro-           der Tierverarbeitung. Am Ende der Entwicklung
                               zesses setzte auf der ganzen Welt die Zentralisie-        stehen heute Hochleistungsfabriken in den Indus-
                               rung ein. In den USA bildeten sich bis zur Welt-          trieregionen, verbreitet inzwischen auch in den
                               wirtschaftskrise zunächst marktbeherrschende              Boomländern. Vor allem die Lebensmittelskan-
                               Konglomerate, gefolgt von einer langen Phase              dale führten zu strengeren, oft sehr kostspieligen
                                 der Entflechtung. Doch ab den frühen 1970er             Auflagen. Der Kampf um die niedrigsten Schlacht-
     Billigfleisch                Jahren, als die Deregulierung begann und der           preise wird vor allem auf dem Rücken der Arbeiter
 entsteht auch durch               Börsenboom einsetzte, nahm die Konzentrati-           ausgetragen.
  die Dumpinglöhne                 on schnell wieder zu. Zwischen 1967 und 2010               Weltweit arbeiten mehrere Millionen Men-
   der Schlachthof-                sank die Zahl der Schlachthöfe in den USA             schen in Schlachthöfen – niemand weiß, wie vie-
                                  von fast 10.000 auf weniger als 3.000. Heute           le es genau sind. Ihre Arbeit gilt als „dirty work“.
       Arbeiter
                                schlachten dort zehn Konzerne 88 Prozent aller           Vor allem in westlichen Industrienationen erfährt
                               Schweine. Die globalen Kapazitäten der Firmen             sie kaum soziale Anerkennung und ist kulturell
                               erreichen Ausmaße, die sinnlich nicht mehr nach-          weitgehend geächtet. Dumpinglöhne und ka-
                               vollziehbar sind: Die US-Gesellschaft Tyson Foods,        tastrophale Arbeitsbedingungen sind die Regel.
                               nach JBS aus Brasilien das zweitgrößte Fleisch-           Hohe Arbeitsgeschwindigkeit, die Monotonie der
                               unternehmen der Welt, schlachtet 42 Millionen             immer gleichen Abläufe, die Unfallgefahr beim
                               Hühner, 170.000 Rinder und 350.000 Schweine –             Umgang mit gefährlichen Werkzeugen und Che-
                               pro Woche.                                                mikalien sowie die einseitige Beanspruchung von
                                   Sie stammen meist aus eigener Aufzucht, wer-          Rücken und Gelenken – diese Kombination ist
                               den in eigenen Fabriken verarbeitet und unter             enorm belastend. Je nach Arbeitsplatz kommen
                               eigener Handelsbezeichnung vermarktet. Nach               Hitze oder Kälte, Lärm, ein erhöhtes Risiko durch
                               dem Motto „From farm to fork“, „Vom Hof bis auf           Infektionskrankheiten sowie besonders frühe
                               die Gabel“, soll so ein möglichst großer Teil der         oder späte Schichten hinzu. Zusätzlich kann für
                               Wertschöpfungskette ausgenutzt werden. Dies               Arbeitnehmer auch der Umgang mit und die Tö-

Branchenkonzentration in den USA

 Zahl der Schlachtanlagen                                           Marktanteil der vier größten Schlachtfirmen, in Prozent
                                                                                                                                              Denny/ USDA

     12.000                                                                80
                                                                           70
     10.000
                                                                           60
     8.000
                                                                           50
     6.000                                                                 40
                                                                                                                                 Rind
                                                                           30
     4.000                                                                                                                       Schwein
                                                                           20
     2.000
                                                                           10
         0                                                                  0
              1967      1977        1987        1997       2007                 1965         1975           1985          1995     2005

18                                                                                                                               FLEISCHATLAS 2014
weltweite Schlachtungen: Milliarden Tiere im jahr

  Amtliche und amtlich geschätzte Zahlen, 2011

                                                                             517                              58 110
                                 1 383                                                                                 000 000
                                                                             000 000
        296
        000 000
        24   000 000                 000 000
                                                          430                             654
                                                                                           000 000

                                                                                                                2 817
           Büffel           Hühner                         000 000
           Rinder           Enten
           Ziegen           Truthähne
           Schafe           Gänse und
           Schweine         Perlhühner
                                                                                                                     000 000
  Schlachtungen in den vier wichtigsten Ländern,
  2011, Köpfe

                                                                                                                                       649
    35.108.100                                                 8.954.959.000
                                       46.193.000
       USa     Rinder und                                           USa                      11.080.000.000
                                          China
                        Büffel                                                                    China
                                 21.490.000
                                    Indien                              5.370.102.000
                                                                                        Geflügel   2.049.445.000                       000 000
          39.100.000                                                                                Indonesien
                                                                           Brasilien
           Brasilien

                                          59.735.680                                                                     273.080.000
                       110.956.304       deutschland   661.702.976                                                84.110.000 China
                           USa                           China                                                      Indien
                                                                                                        38.600.000
                                                           44.270.000                                                 28.980.000
                                 Schweine                                               Schafe und        Nigeria
                                                            Vietnam                                                  Bangladesch
                                                                                               Ziegen

                                                                                                                                                 FAOSTAT
tung von Tieren belastend sein. Viele Schlachter                     In den meisten Industrieländern wurden die
nennen „Härte“ als Voraussetzung für die Aus-                    Schlachthöfe aus den urbanen Zentren in die ru-
übung ihres Berufes.                                             rale Peripherie verlagert. Die Grausamkeit des
    Mit der Industrialisierung des Schlachtens be-               Schlachtens soll den Konsumenten verborgen
gann aber auch ein Prozess der Dequalifizierung                  bleiben. Hier offenbart sich ein sozialer Prozess:
und Mechanisierung der Arbeit. Heute brauchen                    Sichtbare Gewalt wird aus dem öffentlichen
Schlachter die meisten traditionellen Fähigkeiten                Raum verdrängt. Schlachtung und die Schlach-
und ein Handwerkswissen nicht mehr. Eingestellt                  ter wurden und sind für die meisten Menschen
                                                                                                                                die Gewalt der
werden billige, immer häufiger nur angelernte                    unsichtbar. Die Verbindung zwischen dem
Arbeitskräfte. Die Arbeitsmigration aus Mexiko                   einst lebenden Tier, das in Viehwaggons in die                Schlachthöfe soll
nach Nordamerika oder von Ost- nach Westeuro-                    Stadt gebracht wurde, dem früher sicht-, hör-               nicht ins Bewusstsein
pa und die kurze Verweildauer der Arbeiter füh-                  und riechbaren Tod im Schlachthof und dem                     der Öffentlichkeit
ren zu Belegschaften, die den Anforderungen der                  Fleischprodukt am Ende dieser Produktion                           gelangen
Unternehmen weitgehend schutzlos ausgesetzt                      wurde gekappt. Die meisten Konsumenten se-
sind. Waren die Gewerkschaften auf den Schlacht-                 hen vom Tier heute nur noch ein eingeschweißtes
höfen bis in die 1960er Jahre noch stark, ist ihre               Erzeugnis im Supermarkt. Die Vermutung liegt
Arbeit in den vergangenen beiden Jahrzehnten                     nahe, dass ein Besuch im Schlachthof, um diese
deutlich schwieriger geworden. Und Tarifverträ-                  Anonymisierung zu durchbrechen, die Bereit-
ge sind weltweit überwiegend unbekannt.                          schaft zum Fleischverzehr nicht erhöht.

FlEISCHaTlaS 2014                                                                                                                                19
DEUTSCHES DUMPING-SCHLACHTEN
                            Großbetriebe dominieren auch in Deutschland die Schlachthofbranche. Billiglöhne
                            für die Leiharbeiter aus dem Osten der EU begünstigen weitere Investitionen der
                            Konzerne. Doch gegen noch mehr Mast- und Schlachtanlagen regt sich Widerstand.

                            D
                                    eutschland steht bei der Schweineschlach-                  per Stromschlag betäubt. Arbeiter hängen sie in
                                    tung mit über 58 Millionen getöteten Tie-                  ein „Schlachtband“ ein. Von hier an übernimmt
                                    ren pro Jahr auf Platz 1 der europäischen                  die Maschine die Zerlegung der Tierkörper. Die
                            Spitzenproduzenten, beim Rindfleisch auf Platz                     Teile kommen in ein Kühlhaus, bis sie zur Weiter-
                            2 hinter Frankreich. Auch bei Hühnern gehört                       verarbeitung transportiert werden.
                            Deutschland zu den Top 5. Bundesweit existieren                        2012 waren in Deutschland fast 28.000 Men-
                            knapp 350 Schlachthöfe mit jeweils über 20 Be-                     schen im Bereich Schlachtung sozialversiche-
                            schäftigten. Die meisten dieser Betriebe sind klein                rungspflichtig beschäftigt. Die tatsächlichen
                            bis mittelgroß; Betriebe mit mehr als 500 Arbeit-                  Arbeitsverhältnisse und die enorme Fluktuation
                            nehmern sind selten.                                               erschweren präzise Angaben. Durch die EU-Richt-
                                   Dennoch ist der deutsche Schlachtmarkt                      linie zur grenzüberschreitenden Entsendung von
    Tierschützer
                                zentralisiert. Die vielen kleineren Unterneh-                  Arbeitnehmern ist Deutschland zu einem Billig-
   kritisieren die              men spielen in Bezug auf die absolute Menge                    lohnland geworden. In den Betrieben arbeiten
 Quälerei des Tötens,            an geschlachteten Tieren nur eine geringe                     vor allem polnische, rumänische oder bulgari-
  Tierrechtler das              Rolle. Über 55 Prozent des Schlachtwertes                      sche Leiharbeiter, angeworben von Unterneh-
    Töten selbst                entfielen im Jahr 2012 auf die drei größten                    men in ihren Heimatländern, die sie dann nach
                              Schweineschlachtkonzerne – Tönnies, Vion und                     Deutschland schicken. Ohne Mindestlohn oder
                            Westfleisch. Bei den Rindern teilen sich die fünf                  flächendeckende Tarifverträge sind Stundenlöh-
                            größten Unternehmen etwa die Hälfte des Mark-                      ne unter 5 Euro für Leiharbeiter keine Seltenheit.
                            tes, der Branchenprimus Vion liegt dabei mit fast                  Untergebracht werden sie in wenig attraktiven
                            25 Prozent deutlich vorn. Bei Geflügel führt die                   Sammelunterkünften. Manche Schlachter arbei-
                            PHW Gruppe die Branche an, bekannt durch ihre                      ten scheinselbständig, weil die Unternehmen die
                            Handelsmarke Wiesenhof.                                            Lohnnebenkosten senken wollen.
                                 Jede Tierart erfordert ein anderes Schlachtsys-                   Die niedrigen Löhne in Deutschland führen
                            tem, das sich an ihren Körpern orientiert. Rinder                  dazu, dass Fleischkonzerne aus Nachbarländern
                            werden meistens mit einem Bolzenschuss be-                         ihre Tiere zur Schlachtung nach Deutschland
                            täubt, Schweine mit Gas oder der Elektrozange.                     bringen. Der Großkonzern Danish Crown ver-
                            Beide werden anschließend mit einem Kehlen-                        lagerte tausende Arbeitsplätze von Dänemark
                            schnitt getötet, nach dem Entbluten in das Pro-                    nach Deutschland. Einige Staaten und Initiati-
                            duktionsband eingehängt und von den Arbeitern                      ven legten deshalb offiziell bei der Europäischen
                            zerlegt. Wie die Bundesregierung 2012 auf eine                     Kommission Beschwerde ein. Die belgische Regie-
                            Kleine Anfrage der Grünen bestätigte, ist die Be-                  rung sowie eine Initiative französischer Schlacht-
                            täubung bei 4 bis 9 Prozent der Rinder und bei                     betriebe sehen in den deutschen Dumpinglöh-
                            10 bis 12 Prozent der Schweine mangelhaft oder                     nen Wettbewerbsverzerrungen. Im Januar 2014
                            fehlt sogar ganz. Die Schlachtung von Hühnern                      kündigten die Gewerkschaft Nahrung, Genuss,
                            ist stärker automatisiert. Sie werden in ein elekt-                Gaststätten (NGG) und Vertreter der deutschen
                            risch geladenes Wasserbecken getaucht und so                       Fleischindustrie nun an, einen Mindestlohn von
                                                                                               7,75 Euro/Stunde einzuführen, der schrittweise
                                                                                               auf 8,75 Euro steige. Dies gelte auch für die aus-
Fleischproduktion in Deutschland                                                               ländischen Beschäftigten, die bei Subunterneh-
                                                                                               men in ihren Heimatländern angestellt sind.
 Millionen Tonnen                                                                                  Damit hofft die Branche, endlich aus den Ne-
                                                                                    DESTATIS

     6                                                                                         gativ-Schlagzeilen zu kommen. Bei den Arbeits-
     5                                                                                         bedingungen kann die NGG jedoch nicht allzu
                                                                                               viel ausrichten. Die meist kurzen Beschäftigungs-
     4
                                                                                               verhältnisse in Deutschland und Sprachprobleme
                                          Rind              Schwein
     3
                                          Geflügel          Schaf
                                                                                               mit den Arbeitnehmerorganisationen im Ausland
     2                                                                                         erschweren eine dauerhafte grenzüberschreiten-
                                                                                               de Zusammenarbeit. Viele Arbeiter haben außer-
     1
                                                                                               dem Angst, ihre Arbeit zu verlieren, wenn sie Kri-
     0
      2003    2004   2005   2006   2007    2008      2009      2010   2011   2012
                                                                                               tik äußern.
                                                                                                   Auch Tierschutzverbände und Tierrechtsor-
                                                                                               ganisationen kritisieren die Schlachtbranche. Ers-

20                                                                                                                                FLEISCHATLAS 2014
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