Aufschwung AVINEWS APRIL 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
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Dorngrasmücke (Foto: Marcel Burkhardt) AV I N E W S APRIL 2021 Aufschwung Mit einer Vorwärtsstrategie will Britain» will Kulturlandflächen für verbindliche Sicherung besonders nach mehr Natur entgegen, der die Vogelwarte der Schweizer die Natur zurückgewinnen. wertvoller Biodiversitätsflächen im Shutdown spürbar gewachsen Vogelwelt zum Aufschwung und Und hierzulande? Bis 2040 soll wird nur als «zu prüfende Mass- ist. Naturschutzgebiete waren unserem Land zu mehr attrakti- die Schweiz über eine funktions- nahme» aufgeführt. Das klingt im letzten Jahr beliebte Aus- vem Lebensraum verhelfen. fähige ökologische Infrastruktur nicht nach einem ambitionierten flugsziele und Erholungsgebiete. verfügen – sowohl im ländlichen und visionären Plan, um die letz- Studien zeigen ausserdem, dass Der weltweite Rückgang der Bio- als auch im städtischen Raum, so ten Naturparadiese zu schützen. Naturerlebnisse Menschen glück- diversität schreitet weiter voran. der Aktionsplan Strategie Bio- Wieso opfern wir für Siedlungs- licher und gesünder machen. Hier Er kann nur mit entschlossenem diversität Schweiz. Als Sofort- und Infrastrukturprojekte schier setzt das neue Vorhaben der Handeln gestoppt werden. Joe massnahme sollen bestehende unbegrenzt und unwiderruflich Vogelwarte an: Mit dem Projekt Biden, der neue Präsident der Schutzgebiete revitalisiert wer- Land und tun uns schwer damit, «Aufschwung für die Vogelwelt» Vereinigten Staaten, hat schon den. Doch das reicht nicht. Die zu- Flächen für die Biodiversität zu si- wollen wir eine Trendwende ein- wenige Tage nach Amtsantritt ein nehmende Überbauung und Zer- chern, selbst wenn davon letzt- läuten und gemeinsam mit vie- ambitiöses Naturschutzziel ver- schneidung von Lebensräumen lich unsere eigene Existenz ab- len Partnern im ganzen Land at- kündet. Bis ins Jahr 2030 sollen und die weitere Intensivierung hängt? traktive Lebensräume schaffen. 30 % der Landesfläche geschützt der landwirtschaftlichen Nut- Was die Vogelwelt braucht, Nicht nur die Vögel werden dar- werden, um den Verlust an Bio- zung auch in den Berggebieten ist eine Vorwärtsstrategie, die ihr auf fliegen! diversität zu stoppen. Heute sind werden den bereits starken Druck zum nötigen Lebensraum verhilft. es in den USA erst 12 %. Auch auf die Biodiversität noch weiter Denn ausreichender und guter Matthias Kestenholz, in Grossbritannien wächst die Er- erhöhen. Im Aktionsplan wird Lebensraum ist genauso wich- Vorsitzender der Institutsleitung kenntnis, dass für Wildtiere jetzt daher vorgeschlagen, zusätz- tig wie saubere Luft und saube- mehr Platz geschaffen werden liche Schutzgebiete einzurichten. res Trinkwasser. Zudem kommt muss: Die Bewegung «Rewilding So weit, so gut. Doch schon die er dem Wunsch der Bevölkerung
AVINEWS APRIL 2021: IM FOKUS Aufschwung für die Vogelwelt – machen Sie mit! – naturnahe Lebensräume, aber von Menschenhand erschaffen. Vorzeigeprojekte weisen den Weg Die Vogelwarte hat bereits in verschiedenen Regionen unse- res Landes Gebiete ökologisch aufgewertet. Im Schaffhauser Klettgau hat sie mitgeholfen, im Ackerbaugebiet grossflächig Buntbrachen und Hecken an- zulegen. Gleiches gelang in der Champagne genevoise. Die Be- stände von Dorngrasmücke, Schwarzkehlchen und Orpheus- spötter erholten sich in den immer grösseren Ausgleichs- flächen. In der Wauwiler Ebene halfen neu angelegte Blumen- wiesen und wechselfeuchte Standorte, die letzten Bestände von Feldlerche und Kiebitz im Diese Fläche in der Wauwiler Ebene LU wurde für den Kiebitz renaturiert. Wechselfeuchte Standorte sind auch für rastende Luzerner Mittelland zu stärken. Zugvögel und die ganze Biodiversität sehr wertvoll. Vielerorts fehlen sie, da seit 1850 über 90 % der Feuchtgebiete in der Bei all diesen Vorzeigeprojekten Schweiz zerstört wurden (Foto: Schweizerische Vogelwarte). war die gute Zusammenarbeit zwischen ökologisch gesinnten Landwirten, Vogelwarte und Be- Vögel brauchen Raum zum Leben dass viele einheimische Vogel- den Vögeln mehr Lebensraum hörden entscheidend. in ausreichender Menge und arten mit etwas höheren An- zur Verfügung zu stellen und Diese Erfolge weisen den Weg Qualität. Hier setzt das neue sprüchen an ihren Lebensraum dies in ausreichender Quali- in die Zukunft. Vom Bodensee bis Grossprojekt «Aufschwung für die weiter zurückgedrängt werden. tät. Denn es reicht nicht mehr, zum Genfersee braucht es mehr Vogelwelt» an, das die Vogelwarte Die Vogelwarte hat daraus den das noch Vorhandene zu be- Refugien für die Vögel und die in den nächsten Jahren zusammen dringlichen «Handlungsbedarf wahren. Es braucht neue at- Biodiversität. Insbesondere im mit Partnern umsetzen wird. in 11 Punkten» abgeleitet. Ein traktive Lebensräume, in denen Kulturland und in den Feucht- zentrales Anliegen dabei ist es, die Biodiversität Vorrang erhält gebieten gibt es viel zu tun. Wer Tag für Tag wird in der Schweiz Natur zerstört. Der Lebensraum für Wildpflanzen und -tiere schwindet, viele Vogelbestände schrumpfen. Rund ein Drit- tel aller einheimischen Pflan- zen-, Tier- und Pilzarten ist be- droht, bei den Vögeln sind es 40 %. Immer mehr Fläche wird vom Menschen beansprucht, was für den Naturschutz rele- vante Fragen aufwirft: Wenn der Gemüseanbau mehr und mehr unter Plastik oder in Ge- wächshäusern stattfindet, wo findet dann die Feldlerche noch Platz zum Brüten? Wenn in den Wiesen nur noch Löwenzahn blüht und nachher nichts mehr, wovon leben dann die Insekten und wovon der Baumpieper? Wenn das Wegnetz immer dich- ter wird und den Zugang in die entlegensten Wälder eröffnet, wo findet das Auerhuhn noch ungestörte Wälder? Die Bürger- und Einwohnergemeinde Saint-Gingolph VS wertet zusammen mit der Vogelwarte, die das Biodiversitätskonzept Der Schweizer Brutvogelatlas beisteuerte, und verschiedenen Geldgebern einen einst traditionell genutzten Edelkastanienhain auf (Foto: Schweizerische Vogelwarte). 2013–2016 hat deutlich gezeigt, 2
AVINEWS APRIL 2021: IM FOKUS In einer Bergblumenwiese wachsen an die 50 Gras- und Wiesenblumenarten, den Als Hotspots für die Biodiversität und als Kohlenstoffspeicher erhalten Moore heute ganzen Frühling hindurch blüht etwas. Insekten finden hier über mehrere Monate wieder vermehrt Aufmerksamkeit. So unterstützt die Vogelwarte die Renaturierung Nahrung. Davon profitieren auch Insektenfresser wie das Braunkehlchen. Die intensive und Wiedervernässung von Mooren und setzt sich damit neben der Artenförderung Landwirtschaft hingegen führt zu Kunstwiesen mit wenigen Pflanzenarten. auch für den Klimaschutz ein (Foto: Schweizerische Vogelwarte). Dementsprechend kurz ist die Blütezeit und dementsprechend wenige Insekten kommen dort vor (Foto: Roman Graf). über Land fährt, hält vielerorts welchen die Vogelwarte gross- gaben im Vogelschutz wie zum setzungen sollten aber erfüllt vergebens Ausschau nach Land- zügig bedacht wurde, kann sie Beispiel Nistkastenparks, die sein: (1) Das Land, das für die schaften, in denen sich Äcker in den kommenden Jahren meh- Schaffung von Kleinstrukturen, Vogelwelt und die Natur auf- und Wiesen mit hochstämmigen rere Millionen Franken in solche Sensibilisierungsprojekte, Kam- gewertet und langfristig ge- Obstgärten, Buntbrachen und Vorhaben investieren. Die ent- pagnen oder Veranstaltungen sichert werden kann, ist min- extensiven Weiden abwechseln. stehenden Lebensräume sollen sind nicht Gegenstand dieses destens 3 ha gross und liegt an Und vielen Feuchtgebieten fehlen grossflächig sein, d.h. mindes- Projekts. Aber alle, die über die einem Ort, der sich für die Förde- breite Schilfufer und daran an- tens 3 Hektar umfassen. «Auf- Nutzung einer geeigneten grös- rung der Biodiversität eignet. (2) schliessende ungedüngte Sumpf- schwung für die Vogelwelt» ist seren Fläche (mit)bestimmen kön- Die Realisierung wird von einer wiesen. Eine solche ökologische auch ein Vorbote zum 100-Jahr- nen, rufen wir auf, mitzuhelfen. Erfolgskontrolle begleitet und Infrastruktur soll nun geschaffen Jubiläum der Vogelwarte 2024. Wir freuen uns, wenn Sie sich als eine langfristige, zielorientierte werden, einerseits als Lebens- In Form von Vogelparadiesen Waldeigentümer, Kiesgruben- Nutzung oder Pflege der Fläche raum für Vögel und andere Wild- möchten wir der Schweizer Be- besitzerin, Landschaftsschutzver- ist gesichert. Die Fachleute der tiere. Andererseits aber auch als völkerung etwas zurückgeben als band, Korporation, Bürger- und Vogelwarte sind gerne bereit mit- attraktive Naherholungsgebiete Dank für die langjährige Treue zur Einwohnergemeinde, Landwirt, zuhelfen, um das Projekt von der für uns Menschen. Gerade die Vogelwarte. Die Projekte sollen Firma, Naturschutzorganisation, Idee bis zur Ausführung voran- letzten Monate haben gezeigt, beständig sein und langfristig kommunale, kantonale oder na- zubringen. dass jede Gemeinde über Natur- vertraglich gesichert werden, so tionale Behörde, private Land- Ziel ist ein langfristiger Auf- oasen verfügen sollte. dass sie auch weit über das Jubi- besitzerin oder als regionaler schwung für die Vogelwelt und läum hinaus zum Wohl der Vögel Naturpark mit einer Idee, einem die ganze Biodiversität, an dem Landesweiter «Aufschwung für erhalten bleiben. Vorhaben oder einem Projekt bei sich hoffentlich noch viele zu- die Vogelwelt» Die Vogelwarte ist dabei auf uns melden. künftige Generationen erfreuen Die Vogelwarte will die Schaf- Partnerinnen und Partner an- So unterschiedlich die Part- können. fung von solchen Naturoasen gewiesen. Wenn Sie als Ge- nerinnen und Partner sind, so vorantreiben und lanciert daher meindevertreterin eine Allmend unterschiedlich werden auch die Petra Horch das Projekt «Aufschwung für die ökologisch gestalten möchten Projekte und ihr Stand der Aus- Vogelwelt». Sie möchte damit oder als innovativer Landwirt arbeitung sein. Folgende Voraus- einen langfristigen Beitrag leis- der Vogelwelt zum Aufschwung ten und gemeinsam mit ver- verhelfen wollen, wenn Sie in schiedensten Partnerinnen und ihrem lokalen Naturschutzver- Partnern zahlreiche Projekte im ein ein grösseres Naturschutz- Ein Projekt anmelden ganzen Land realisieren. Es geht projekt realisieren oder als Wald- darum, geeignete Flächen auf- besitzerin ihren Forst naturnah Schildern Sie uns Ihre Idee oder schicken Sie uns Ihr Projektdossier, mög- zuwerten oder neu zu gestalten bewirtschaften möchten, dann lichst mit Angaben zum Gebiet und seiner Lage, dem Ausgangszustand und langfristig zu sichern, um melden Sie sich bei uns. und dem Potenzial für die Biodiversität, zum geplanten Vorgehen, allen- für die bedrohten Vögel und die falls auch einer groben Kostenschätzung und einem Hinweis, wie die Flä- ganze Biodiversität attraktive Gesucht: Flächen und Ideen! che langfristig gesichert werden soll. Helfen Sie mit beim «Aufschwung Lebensräume zu schaffen. Dank Die Vogelwelt können wir nur ge- für die Vogelwelt»! aufschwung@vogelwarte.ch Legaten und Erbschaften, mit meinsam retten. Wichtige Auf- 3
AVINEWS APRIL 2021: VOGELSCHUTZTHEMEN ERKLÄRT Kormoran und Fischerei – gefangen im Konflikt? Der Kormoran ist immer wie- der Thema heftig geführter Dis- kussionen. Die Vogelwarte setzt sich dafür ein, dass diese auf Fak- ten beruhen und dass die Dis- kussionspartner Umweltprobleme, welche Fische und Vögel betreffen, gemeinsam angehen. Fische gehören zu den gefähr- detsten Tiergruppen der Schweiz. Durch menschliche Aktivitäten wurden die natürlichen Struk- turen in ihren Lebensräumen vielerorts zerstört und ihre Wan- derungen durch Dämme und an- dere Bauwerke unterbunden. Um diese Verluste zu kompensieren, wurden Gewässer auch mit ge- bietsfremden Fischarten besetzt, die in Konkurrenz zu den heimi- schen Fischen traten. Pestizide, Ein Kormoran trocknet nach einem Tauchgang seine Flügel (Foto: Marcel Burkhardt). Spurenstoffe wie Arzneimittel- rückstände und Mikroplastik sowie die Folgen des Klima- auch in der Schweiz, der Bestand scheinbare Widerspruch zu stark unterhalb des Fangmasses liegen, wandels wirken schon heute auf lag 2020 gemäss Zählungen bei gesunkenen Fischfangerträgen sind anhand des Fischereiertrags manche Fischart kritisch. Zudem 2468 Brutpaaren. Wie bei vie- ist mit methodischen Schwierig- keine Aussagen möglich. Kormo- ist wissenschaftlich erwiesen, len grossen Vogelarten wird der keiten zu begründen. Selbst mit rane nutzen jedoch genau diese dass die fischereiwirtschaftliche Kormoranbestand kaum durch grösstem Aufwand kann der tat- Fische in hohem Masse. Eine Zu- Nutzung an manchen unserer Prädatoren, sondern vor allem sächliche Fischbestand nur un- nahme fischfressender Vögeln Seen das Mass der Nachhaltig- durch die Verfügbarkeit von genau erfasst werden. Meist bei gleichzeitig rückläufigem keit übersteigt. Doch trotz erheb- Nahrung und Nistplätzen bzw. wird der Fangertrag der Berufs- Fangertrag ist somit noch kein licher Bestandsrückgänge vieler Konkurrenz mit Artgenossen li- fischer als Mass für den Fisch- Nachweis eines Schadens oder Fischarten und sinkender Erträge mitiert. Die seit 2016 geringe bestand verwendet. Doch dieser einer Gefährdung der Fischbe- der Berufs- und Angelfischer ver- jährliche Zuwachsrate des Brut- wird z.B. vom Befischungsauf- stände durch die Vögel. bleiben die Kormoranzahlen auf bestands deutet darauf hin, dass wand, den Mindestfanggrössen, Kormorane bevorzugen Fi- hohem Niveau. Der Konflikt wird diese Faktoren zu wirken begin- aber auch von den Vorlieben für sche zwischen 10 und 15 cm sich weiter verschärfen, wenn nen. Die limitierende Ressource wenige, wirtschaftlich relevante Länge, ausnahmsweise können massgebende menschgemachte scheint dabei eher die Verfüg- Fischarten beeinflusst. Über die sie bis um 40 cm gross sein. Ge- Einflüsse auf unsere Gewässer barkeit geeigneter Nistplätze zu Bestände wirtschaftlich wenig nutzt werden vor allem jene Fi- ausgeblendet werden. sein, als knapp werdende Nah- interessanter Fischarten sowie sche, die am einfachsten und rung. Darauf weist die Tatsache von Jung- und Kleinfischen, die häufigsten verfügbar sind. Das Bestandsentwicklung mit hin, dass sich alle Schweizer Brut- Grenzen kolonien in Schutzgebieten be- Der Kormoran ist eine ein- finden. heimische Art, die seit histori- schen Zeiten bei uns überwintert. Komplexe Zusammenhänge Der Bestand der in der Schweiz Lange Zeit stiegen die Fischfang- überwinternden Kormorane erträge und die Bestände des hat sich seit einem Maximum in Kormorans parallel an. Doch den 1990er Jahren inzwischen in den letzten Jahren wuchsen bei rund 5500 Individuen ein- nur noch die Kormoranzahlen. gependelt. Seit Jahrhunderten Mancherorts fangen Kormorane verfolgt, wurde er in Europa in inzwischen ähnlich viel Fisch wie den 1960er Jahren an den Rand Berufsfischer. Ist also der Kor- des Aussterbens gebracht. Nach moran Schuld am Zusammen- Unterschutzstellung erholte sich bruch der Fischfangerträge? sein Bestand aber rasch. Bei der Der Zusammenhang zwischen letzten Erfassung im Jahr 2012 Fischfangertrag und Kormoran- wurden in Europa etwa 370 000 bestand ist wesentlich komple- Brutpaare der im europäischen xer. Ein über Jahre steigender Be- An kanalisierten Gewässern, wie hier am Linthkanal, ist der Fischbestand aufgrund Binnenland heimischen Unterart stand an fischfressenden Vögeln des Mangels an natürlichen Strukturen stark reduziert. Zudem finden die Fische keine Refugien vor einfliegenden Kormoranen (Foto: Parpan05 | CC BY-SA 3.0 | sinensis gezählt. Seit 2001 brü- bedeutet, dass ausreichend Nah- wikimedia.org). tet er ohne menschliches Zutun rung vorhanden sein muss. Der 4
AVINEWS APRIL 2021: VOGELSCHUTZTHEMEN ERKLÄRT können auf Laichgründen aber 2500 auch seltene Fischarten sein. Der sonstige Seen tägliche Nahrungsbedarf eines Greifensee einzelnen Kormorans hängt von 2000 Zugersee seiner Grösse, sowie seinem Ge- schlecht und Alter ab, aber auch Sempachersee Anzahl Brutpaare vom Nährwert der Beutefische. Lago Maggiore 1500 Bei kalten Luft- und Wasser- Genfersee temperaturen sowie Störun- Neuenburgersee gen, welche die Kormorane zur 1000 Flucht zwingen, steigt der Appe- tit. Im Schnitt benötigt ein Kor- moran täglich etwa 300 bis 500 g 500 Fisch. Dabei führen die täglichen Jagdflüge bis in Distanzen von 100 km. 0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Viel Fisch, viele Nutzer Analysen der Vogelwarte zeigen, In den letzten Jahren ist der Brutbestand des Kormorans kaum grösser geworden. Im Gegenteil: 2020 war der Brutbestand dass der Fischfangertrag positiv erstmals tiefer als im Vorjahr, wenn auch nur geringfügig. Drei Viertel des Bestands brütet am Neuenburger- und Genfersee (Grafik: Schweizerische Vogelwarte). mit der Anzahl der Kormorane korreliert. Dies ist angesichts der Nutzung einer gemeinsamen Ressource einleuchtend, verstärkt jedoch das Konkurrenzgefühl 9000 und den Wunsch nach Mass- nahmen. Der Kormoran ist in der 8000 Schweiz im Winter jagdbar. Zwi- 7000 schen 2010 und 2019 wurden gemäss eidgenössischer Jagd- 6000 Anzahl Individuen statistik pro Jahr durchschnitt- lich 1509 Kormorane erlegt (inkl. 5000 Spezialabschüsse). Problematisch ist dies, wenn dadurch störungs- 4000 empfindliche überwinternde 3000 Vogelarten beeinträchtigt und die Schutzziele von Wasser- und 2000 Zugvogelreservaten gefährdet werden. Vom 1. Februar bis 31. 1000 August geniesst der Kormoran eine Schonzeit, doch reicht seine 0 1967 1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009 2012 2015 2018 Brutzeit regelmässig bis weit in den September. Die Kantone können zudem jederzeit Mass- Der Winterbestand des Kormorans hat seit Beginn der Zählungen 1967 bis Anfang der 1990er-Jahre stark zugenommen. nahmen gegen einzelne Kor- Danach ging er wieder zurück und ist inzwischen seit mehr als 20 Jahren stabil bei rund 5500 Individuen (Grafik: Schweizerische Vogelwarte). morane, die erheblichen Scha- den anrichten, anordnen oder erlauben. In den angrenzenden EU-Staaten ist der Kormoran hin- erfassungen am Défilé de l’Écluse weichen sie rasch innerhalb des ohne andere Schutzziele zu ge- gegen ganzjährig geschützt. Er in Frankreich zeigen, dass dort Gewässers oder auf Flüsse aus, fährden. Diese Haltung vertritt kann dort nur mit Ausnahme- im Herbst bis zu 20 000 Kormo- wo der Frassdruck auf die durch die Vogelwarte nach Abwägung bewilligung geschossen werden, rane durchziehen, die zuvor die den Klimawandel bereits stark der bekannten Fakten. Sie setzt die allerdings regelmässig aus- Schweiz passiert haben. Diese gefährdete Äsche künstlich er- sich unverändert dafür ein, dass gestellt wird. Zahl veranschaulicht auch die höht werden könnte. Diskussionen und getroffene Sinnlosigkeit, über winterliche Massnahmen auf Fakten beruhen Was bringen Massnahmen zur Abschüsse in der Schweiz einen Wichtig sind Massnahmen zum und zielführend sind. Schadensabwehr? Bestandsrückgang erwirken zu Artenschutz Die Vogelwarte ruft zudem Ein Grossteil der bei uns nisten- wollen. Die Vogelwarte lehnt gezielte alle von der Kormorandiskussion den Kormorane zieht im Win- Wirkung könnte durch Ver- Massnahmen gegen den Kor- Betroffenen dazu auf, sich durch ter Richtung Iberische Halbinsel, grämungsabschüsse erzielt wer- moran zum Schutz der Äsche einen allfälligen Konflikt nicht insbesondere Jungvögel. Unsere den (ein Vogel wird erlegt, der während der Laichzeit nicht ab. von ihren gemeinsamen Zielen Wintergäste stammen gemäss Rest eines Trupps flieht). Dadurch So kann an begradigten Fluss- abbringen zu lassen, die Lebens- Ringfunden primär von der Nord- mag bei konsequentem Vor- läufen durch den gezielten Ver- bedingungen für Fische und und der Ostsee. Abschüsse im gehen die Kormoranpräsenz zwar grämungsabschuss weniger Kor- Vögel an den Schweizer Seen Winter haben somit kaum Ein- lokal reduziert werden, doch gilt morane der Äschenschutz an den und Flüssen zu verbessern. fluss auf bei uns brütende Kor- es, genau abzuwägen: Werden wenigen verbliebenen Laich- morane. Systematische Zugvogel- Kormorane an Seen vergrämt, gründen gewährleistet werden, Stefan Werner 5
AVINEWS APRIL 2021: ARTENFÖRDERUNG Vom absehbaren Aus zur erfolgreichen Rückkehr? Nach Jahren in denen die Zwerg- Die Ökologie der Zwergohreule ohreule in der Schweiz kurz vor besser verstehen dem Verschwinden stand, erobert Schon sehr früh hat sich die Vogel- sie nun verlorenes Terrain zurück. warte mit Unterstützung des Kan- Der Bestand wird sich aber nur tons Wallis für die Förderung und bei gezielter Förderung halten den Erhalt dieser Lebensräume können. eingesetzt. Dank Studien der Vogelwarte mit den Universitäten Früher konnte man den Ge- Lausanne und Bern wissen wir sang der Zwergohreule im Wal- heute recht gut, was die Zwerg- lis, im Genferseebecken, am ohreule zum Überleben braucht. Südufer des Neuenburgersees Das Revier einer Zwergohreule sowie in einigen Bündner und umfasst 10 bis 30 ha. An Orten Tessiner Tälern hören. Zu Be- mit hoher Bestandsdichte, also ginn des 21. Jahrhunderts war mit 3–4 Sängern pro km2, sind die er jedoch fast überall verstummt. Singwarten der Männchen 150 bis Eingesetzt hatte der starke Be- 250 m voneinander entfernt. standsrückgang dieses Lang- Mit diesem Wissen können wir streckenziehers, der sich in jetzt gezielte Schutzmassnahmen Dank des rindenfarbenen Gefieders verschmilzt die Zwergohreule optisch perfekt der Schweiz nur von April bis ergreifen. Untersuchungen zur mit ihrer Umgebung. Sie macht sich vor allem durch ihre typischen Rufe bemerkbar, die man in der Schweiz immer öfter hört (Foto: Peter Keusch). September aufhält, schon in Raumnutzung der Zwergohr- den 70er-Jahren. Bis kurz nach eule und zur verfügbaren Nah- der Jahrtausendwende waren rung zeigen, dass extensiv bewirt- auch die Vorkommen im Wal- schaftete Wiesen mit geringer einen Flächenanteil von 10–20 % nahmen zur Wiederherstellung lis auf ein einziges Brutpaar Düngerzufuhr und Bewässerung ausmachen, denn bei grösserer von vergandeten Wiesen und bei Sitten geschrumpft. Ursa- sowie spätem Grasschnitt mehr Gehölzfläche sinkt der Anteil Weiden im Wallis konsequent che dafür sind zwei gegensätz- Insekten beherbergen als inten- an Magerwiesen und die Wahr- weiter. Mehr als 5 ha konnten liche Entwicklungen. Die erste, siv genutzte Steppen oder Wie- scheinlichkeit steigt, dass sich wir in den letzten Jahren wie- zunehmende Überbauung und sen. Angesichts des Rückgangs dort auch Fressfeinde wie Wald- der offenlegen. Ein weiterer Intensivierung der Landwirt- der Insektenbestände sind kauz oder Waldohreule ansiedeln. Schwerpunkt ist die Pflanzung schaft, führt zum Verschwinden diese Lebensräume für ein aus- Unsere Fördermassnahmen sind neuer, bzw. Verjüngung alter, vielfältiger Extensivwiesen mit reichendes Nahrungsangebot von deshalb auf zwei Aspekte fo- kurz vor dem Lebensende stehen- alten, Höhlenbäumen und för- Insektenfressern sehr wichtig. Ein kussiert: Forstliche Eingriffe zu- der Hochstamm-Obstgärten, die dert stattdessen Weinberge, Zwergohreulenrevier sollte min- gunsten der Zwergohreule und auch als Brutbiotop für Höhlen- Wohnquartiere und monotone destens 30 % extensiv genutzte die Erhaltung der traditionellen brüter wie Gartenrotschwanz Intensivkulturen. Die zweite Mähwiesen oder Weiden auf- Agrarlandschaft, dazu das Schaf- und Wiedehopf wichtig sind. ist die Nutzungsaufgabe auf weisen. fen von Rückzugsgebieten für In- Bei der Anlage eines extensiv schwer zugänglichen Flächen, Zwergohreulen nutzen zum sekten, etwa mit Hilfe von nicht genutzten Hochstamm-Obst- die dann verganden. Auch diese Brüten meist Grünspecht- gemähten Krautstreifen. gartens schaffen wir unterschied- Entwicklung geht zulasten tradi- höhlen in alten Bäumen. Feld- liche Kleinstrukturen. So dienen tioneller Extensivwiesen, die der gehölze, Baumhecken und Einzel- Wiesen freilegen, Bäume ungemähte Bereiche, Ast- und auf Grossinsekten spezialisierten bäume sind deshalb für die Fort- pflanzen Steinhaufen als Unterschlupf für Eulenart als Speisekammer die- pflanzung und Jagd sehr wichtig. Nach ersten ermutigenden Er- Insekten und kleine Wirbeltiere nen. Sie sollten im Revier aber nur gebnissen führen wir die Mass- und werten die Lebensräume zu- Luftaufnahmen der Region um Savièse aus den Jahren 1946 (links) und 2019 (rechts). Wohnquartiere, Weinberge und Waldparzellen haben zulasten von Wiesen und dorfnahen Obstgärten flächenmässig stark zugelegt (© swisstopo). 6
sätzlich auf. Überdies ist es zwin- gend, auch auf höherer Ebene aktiv zu werden: Bei der an- stehenden Erneuerung der kom- munalen Nutzungspläne wird sich die Schweizerische Vogel- warte dafür einsetzen, dass die Lebensräume der Zwergohreule berücksichtigt und für die neuen Planungsperioden geschützt wer- den. Gute Aussichten Dank der Zunahme in den letz- ten 20 Jahren könnte der Zwerg- ohreulenbestand im Wallis möglicherweise bereits selbst- erhaltend und nicht von der Ein- wanderung aus anderen Ge- bieten abhängig sein; er ist aber Freilegen alter, vor einigen Jahren noch als Wiesen oder Weiden genutzter Terrassen. Heute sind sie von Gehölzpflanzen nach wie vor stark aufgesplittert. überwuchert, vor allem von Hartriegeln und Eschen (Foto: Jean-Nicolas Pradervand). Nach einem Anstieg der Brut- paarzahlen in den Hanglagen folgte die Besiedlung der Ebene zu Einflügen in Gebiete ausser- und des Oberwallis, wo lokal klei- halb des Wallis und des Tessins. nere Kernbestände entstanden 2020 war dies aber offenbar nicht sind, zum Teil sogar in Siedlungs- der Fall, zumindest nicht in dem nähe. Insgesamt beherbergte das Ausmass wie im Wallis. Es wird Wallis in den letzten Jahren wie- darum interessant sein, zu er- der etwa 30 Zwergohreulen- fahren, welcher Anteil der neuen reviere. Im Tessin registriert man Reviere auch in den kommenden alljährlich 3–5 Sänger, in Grau- Jahren noch besetzt sein wird. bünden und ab und zu im Kan- Weil die Zwergohreule unter ton Genf weitere 1–2, während Druck steht, müssen wir sie genau Bruten in der übrigen Schweiz im Auge behalten und können selten sind. nicht annehmen, ihre Rückkehr 2020 sind die Brutbestände sei schon dauerhaft gesichert. im Wallis mit grösserem Auf- Der gesamteuropäische Trend wand kartiert worden. Rund 20 jedenfalls ist wenig ermutigend. Freiwillige fanden auf ihrer nächt- Zwar könnte sich die Klima- Öffnen einer vergandeten Parzelle und Anlegen eines Hochstamm-Obstgartens. Bis lichen Suche rund 70 Reviere! änderung in Osteuropa und in der die Bäume die erforderliche Grösse erreicht haben, dienen Nistkästen als Brutplatz- Alternativen (Foto: Jean-Nicolas Pradervand). Diese Zahl überrascht, denn sie Schweiz positiv auf die Bestände liegt doppelt so hoch wie der auswirken, vor allem in den tro- Otus scops Mittelwert der letzten Jahre. Der ckensten Brutgebieten in Frank- grössere Kartierungsaufwand reich und Spanien ist aber eher dürfte bei dieser Zunahme nur mit rückläufigen Populationen zu 500 eine geringe Rolle spielen. Denn rechnen. Die Bemühungen um die neu gefundenen Territorien überlebensfähige Brutbestände 400 liegen vor allem an den Rändern und intakte Lebensräume in der bisher besetzter und deshalb Schweiz und speziell im Wal- auch schon früher regelmässig lis müssen also uneingeschränkt 300 Index überwachter Gebiete. Es könnte weitergehen, damit der Gesang also sein, dass die Neuzuzügler der «Pioute», wie die Zwerg- 200 durch die alteingesessenen Vögel ohreule von der französisch- angelockt worden sind. sprachigen Bevölkerung im Wal- Ausnahmejahre wie 2020 sind lis genannt wird, auch in Zukunft 100 bei der Zwergohreule durchaus zu hören sein wird. bekannt. Bereits in den 1980er- 0 Jahren wurde darauf hin- Jean-Nicolas Pradervand gewiesen, dass ein nordwärts 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 verlängerter Heimzug zu unter- schiedlich starken Einflügen füh- Die Fördermassnahmen wirken, denn seit 20 Jahren nehmen die Bestände der ren kann. In der Schweiz kommt Zwergohreule deutlich zu, wenn auch mit gewissen Schwankungen (Grafik: Schweizerische Vogelwarte). es in solchen Fällen regelmässig 7
AVINEWS APRIL 2021: NEUES AUS DER FORSCHUNG Fragmentierung und Habitatverlust unterscheiden unterschiedlichen Prozesse aus- tiv aus. In diesen Fällen sollte einanderzuhalten. Das Verständ- man bei Schutzmassnahmen da- nis ihrer Wechselwirkungen ist rauf achten, begrünte Weinberg- aber entscheidend, um die Ziele flächen möglichst am Stück zu er- für Nutzungsplanungen festlegen halten. Ist ihr Anteil in einem Re- zu können. vier aber höher als 30 %, sollten Eine von Laura Bosco und die begrünten Weinbergparzellen Alain Jacot geleitete Studie der möglichst fragmentiert und Walliser Aussenstelle der Schwei- gleichmässig verteilt sein. Dann zerischen Vogelwarte wollte des- führt die Zerstückelung zu einem halb den Einfluss von Lebens- Mosaik vielfältiger Lebensräume. raumfragmentierung und -verlust Diese Empfehlungen sollten bei auf die Habitatwahl der Heide- der Nutzungsplanung berück- lerche ermitteln. Zwischen 2014 sichtigt werden, um möglichst und 2016 wurden 49 Vögel be- positive Effekte für den Arten- ringt und mit Radiosendern aus- schutz zu erzielen. gerüstet, um herauszufinden, wie sie ihren Lebensraum in den schö- Bosco, L., S. A. Cushman, nen, begrünten Walliser Wein- H. Y. Wan, K. A. Zeller, R. Die Heidelerche gilt in der Schweiz als verletzlich und zieht im Wallis Weinberge bergen nutzen. Die Bestimmung Arlettaz & A. Jacot (2020): mit spärlicher Bodenvegetation anderen Lebensräumen vor (Foto: Ralph Martin). der Habitatqualität erfolgte mit Fragmentation effects on Hilfe von Satellitenaufnahmen. woodlark habitat selection Aufgrund der Ergebnisse er- depend on habitat amount and Um gefährdete Arten zu erhalten, Lebensraumverlust und -frag- scheint es sinnvoll, die beiden spatial scale. Anim Conserv 24: ist es wichtig, ihre Lebensräume mentierung tragen wesentlich Prozesse zu unterscheiden. In 84–94. https://doi.org/10.1111/ zu schützen und die auf die Habi- zum Rückgang der Biodiversität Revieren mit weniger als 20 % acv.12604. tate einwirkenden Faktoren bes- bei. Allerdings ist es schwierig, begrünter Weinbergfläche wirkt ser zu verstehen. die Auswirkungen dieser beiden sich die Fragmentierung nega- Ist die Schweiz zu aufgeräumt für den Steinkauz? Politische Grenzen können einen sen als in der Schweiz. Auch grossen Einfluss auf die Eignung alte Hochstamm-Obstbäume mit einer Region als Lebensraum vielen potenziellen Bruthöhlen haben. Dies zeigt sich deutlich kamen häufiger vor. Zudem waren am Beispiel des Steinkauzes, bei Kleinstrukturen wie Asthaufen dem die Besiedlung in der Schweiz und Trockensteinmauern in Süd- langsamer verläuft als in Süd- deutschland rund drei Mal häufi- deutschland. ger, was sich auf das Angebot an Bruthöhlen und Beutetieren aus- Ein für die Schweiz und Ba- wirkt. Grund dafür sind sozio- den-Württemberg erstelltes kulturelle, historische und recht- Habitateignungsmodell zeigte, liche Unterschiede in der Land- dass weite Teile des Landwirt- nutzung über politische Grenzen schaftsgebiets beider Regionen hinweg. Auch unterschiedliche Der Steinkauz bewohnt strukturreiche und wenig intensiv bewirtschaftete als Lebensraum für den Stein- Anreize der Agrarpolitik spielen Landwirtschaftsgebiete (Foto: Mathias Schäf). kauz geeignet wären. Trotzdem eine Rolle: Zum Beispiel wurden nahm in den letzten Jahren die viele Schweizer Hochstamm-Obst- süddeutsche Population stark gärten nach dem Zweiten Welt- Steinkauzes in der Schweiz er- Tschumi, M., P. Scherler, J. zu, während der Schweizer Be- krieg durch staatlich unterstützte fordert also ein Umdenken in Fattebert, B. Naef-Daenzer & stand trotz Fördermassnahmen Rodungsaktionen ausgemerzt. der Agrarpolitik und mehr Tole- M. U. Grüebler (2020): Political vergleichsweise langsam an- Diese Unterschiede führen zu ranz gegenüber unproduktiven borders impact associations stieg. Die Gründe dafür zeigt einer unterschiedlich intensiven Strukturen und scheinbarer «Un- between habitat suitability eine neue Studie der Schweize- Nutzung und damit auch zu einer ordnung» wie alten Hütten und predictions and resource rischen Vogelwarte. unterschiedlichen Verfügbarkeit grossen Einzelbäumen mit ab- availability. Landscape Ecol In Baden-Württemberg fan- von überlebenswichtigen Ressour- gestorbenen Ästen, wovon auch 35: 2287–2300. https://doi. den die Fachleute deutlich mehr cen wie Nahrung oder Nistplätzen. viele weitere gefährdete Arten org/10.1007/s10980-020- extensiv bewirtschaftete Wie- Die erfolgreiche Förderung des profitieren würden. 01103-8 8
AVINEWS APRIL 2021: IM FOKUS Koexistenz dank ausreichendem Brutplatzangebot Die Mittelmeermöwe zeigte in len könnten eine Begrenzung der 1600 den letzten Jahrzehnten eine Nahrungsverfügbarkeit und eine restliche Schweiz starke Dynamik in Bestand und Limitierung des Brutplatzangebots 1400 Neuenburgersee Ausbreitung. Dabei ist oft auch auf den Kiesinseln durch auf- Dachbruten die Brutplatzkonkurrenz mit klei- kommende Vegetation, aber auch 1200 neren Laridenarten ein Thema, die Prädation, welche den Bruterfolg Anzahl Brutpaare aber mit geeigneten Massnahmen vermindert. Trotzdem kommt es 1000 entschärft werden kann. immer wieder zu Konkurrenz- situationen der Mittelmeermöwe 800 Nach einem starken Bestands- mit Lachmöwe und Flusssee- anstieg im Mittelmeerraum brü- schwalbe. Diese beiden kleineren, 600 tete 1968 die Mittelmeermöwe regelmässig in der Schweiz brüten- erstmals bei uns. Bis heute hat den Laridenarten brüten ebenfalls 400 sie die meisten Seen und einige im Übergangsbereich zwischen Flussabschnitte der Niederungen Wasser und Land. Da ihre natür- 200 der Schweiz besiedelt. Der Be- lichen Brutplätze durch Gewässer- stand ist bis 2015 auf über 1400 verbauungen grösstenteils zerstört 0 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 2008 2012 2016 2020 Brutpaare deutlich angewachsen. wurden, sind sie heute auf künst- Heute brüten etwa 80 % des Be- liche Bruthilfen wie Plattformen stands am Neuenburgersee auf und Flosse angewiesen. Die Bestandsentwicklung der Mittelmeermöwe in der Schweiz, seit der ersten Brut 4 grossen Inseln im Fanel BE/NE konkurrenzstärkere Mittelmeer- 1968. Markiert ist auch der Anteil der Dachbruten am Gesamtbestand (Grafik: Schweizerische Vogelwarte). und bei Cheseaux-Noréaz VD. möwe übernimmt diese Brutplätze Eine weitere grosse Kolonie be- teilweise und nimmt Bruthilfen in findet sich im Reussdelta UR mit Beschlag, die sonst Dutzende von etwa 100 Paaren. An den weite- Nestern der kleineren Arten be- Flussseeschwalbe ab Ende April von Prädatoren in Kolonienähe ren Brutplätzen brüten einzelne herbergen könnten. Zudem kann zum Brüten freigegeben werden, (in den letzten Jahren wurden bis mehrere, maximal aber 10– sie bei Gelegenheit auch Eier und in dem man die Flosse erst dann z.B. auch Schwarzmilan, Mäuse- 30 Paare. Nach der quasi voll- Jungvögel und ab und zu auch Alt- auswassert oder Plattformen bis bussard, Uhu und Rabenkrähe ständigen Besiedlung der ver- vögel von anderen Wasservogel- dahin zugedeckt lässt. Sobald nachgewiesen) ein Ausweichen fügbaren grossen Kiesinseln in und Laridenarten erbeuten. sich eine Kolonie von Lachmöwen auf andere Brutplätze möglich ist. der Schweiz nimmt seit 2010 die Um die Konkurrenz der Mittel- oder Flussseeschwalben gebildet Die bisherigen Massnahmen Zahl der Dachbruten deutlich zu. meermöwe mit Lachmöwe und hat, können die brütenden Paare zum Schutz der beiden kleine- Die grössten Kolonien befinden Flussseeschwalbe zu entschärfen, den Brutplatz gegen die grössere ren Arten scheinen erfolgreich sich auf Flachdächern bei Mägen- ist es wichtig, das bestehende Art meist gemeinsam verteidigen. zu sein: Der Bestand der Lach- wil AG und bei Allaman VD mit Angebot von Bruthilfen weiter- In den letzten Jahren haben sich möwe hat sich mittlerweile auf je rund 80 Paaren. 2019 brütete hin zu pflegen und auszubauen. auch Metallgitter bewährt, die tiefem Niveau mehr oder weni- etwa ein Sechstel des Bestands Durch Renaturierung von Ge- den kleineren Arten den Zugang ger stabilisiert, während der Be- auf diesen «künstlichen Felsen», wässern und Wiedervernässung ermöglichen und der Mittelmeer- stand der Flussseeschwalbe seit die analog zu den Inseln Schutz von Feuchtgebieten können lang- möwe die Landung verunmög- Jahren deutlich ansteigt, und neu vor Bodenfeinden bieten. fristig wieder natürliche Brut- lichen. Das genügend grosse An- angebotene Brutplätze besiedelt Seit einigen Jahren aber ist der plätze geschaffen werden. Kurz- gebot an Brutplätzen für Lach- wurden. Bestand der Mittelmeermöwe sta- fristig hilft es, wenn bestehende möwe und Flussseeschwalbe bil bis leicht rückläufig. Die Gründe Bruthilfen erst bei der Ankunft ist auch wichtig, damit bei An- Claudia Müller dafür sind unklar, eine Rolle spie- der Lachmöwe ab März oder der siedlungen und Spezialisierung Die Mittelmeermöwe brütet bevorzugt auf Inseln, immer mehr Bruten finden aber Brutplattform Strandweg bei Rapperswil SG mit Spezialaufbau, der den Lachmöwen auch auf Flachdächern statt (Foto: Pascal Rapin). Zugang bietet und die Mittelmeermöwe aussperrt (Foto: Klaus Robin). 9
AVINEWS APRIL 2021: IM FOKUS Blinde Passagiere auf dem Vogelzug Viren, Bakterien und Parasiten sind allem zwei Fragestellungen von Bestandteil des Lebens. Infektio- Interesse: Wie wirken sich Blut- nen mit ihnen können sehr unter- parasiten beispielsweise auf den schiedliche Auswirkungen haben. Sauerstoffverbrauch von Zug- Welche Effekte Blutparasiten auf vögeln in Ruhe und in Bewegung Zugvögel haben, wird in einem aus? Und inwiefern beeinflussen internationalen Forschungsprojekt die Parasiten den Zugablauf und untersucht. die Zugwege? Der jährliche Zug aus den Brut- Blutparasiten sind in vielen Vogel- gebieten in die afrikanischen arten anzutreffen. Diese Parasi- Winterquartiere und zurück ist be- ten leben in den Blutzellen ihrer reits für nicht-infizierte Vögel eine Wirte und benötigen für ihren grosse physiologische Heraus- Lebenszyklus sowohl einen Vogel forderung. Ob die «blinden Pas- als Hauptwirt als auch ein Insekt sagiere» in den Vogelblutzellen als Zwischenwirt. Nach dem Stich diese Herausforderung noch ver- eines infizierten, blutsaugenden grössern, wurde an Drosselrohr- Insekts und der Übertragung der sängern durch Messung ihrer Blutparasiten werden von blutsaugenden Insekten auf den Wirtsvogel übertragen Parasiten bleibt der Vogel chro- Stoffwechselraten untersucht. (oben). Die Parasiten vermehren sich zuerst in den Zellen des Vogels (hellgrau) und nach einer erneuten Mahlzeit eines blutsaugenden Insekts (unten) in dessen nisch infiziert, meist ohne Symp- Überraschenderweise unter- Gewebe (dunkelgrau) – danach kann der Lebenszyklus von vorne beginnen tome zu zeigen. schieden sich Drosselrohrsänger, (Grafik: Tamara Emmenegger). Blutparasiten sind weltweit welche Blutparasiten in sich tru- verbreitet. Wenn man aller- gen, kurz vor und während des dings auf die Verbreitung einzel- Herbstzuges in ihrem Sauer- schiedlichen Zugstrategien von Unsere bisherigen Ergebnisse ner Parasiten-Linien schaut, fin- stoffverbrauch kaum von nicht- Interesse, was in einer anderen haben gezeigt, dass Blutparasiten det man sowohl solche, die bei- infizierten Vögeln. Allerdings Studie an Sperlingen untersucht verschieden starke Effekte auf spielsweise nur in Afrika oder konnte in einer parallelen Stu- wurde. So waren ziehende Sper- Zugvögel haben können. Woher nur in Europa übertragen wer- die mit Hilfe von Geodaten- und linge im Vergleich zu nicht zie- diese Unterschiede kommen, den, als auch solche, die nahezu Aktivitätsloggern nachgewiesen henden weniger häufig infiziert, werden wir in zukünftigen Pro- global übertragen werden. In frü- werden, dass infizierte Drossel- wiesen im Gegenzug aber eine jekten untersuchen. Da blut- heren Untersuchungen zur Wir- rohrsänger die Brutgebiete im vielfältigere Parasitenfauna auf, saugende Insekten als Zwischen- kung von Blutparasiten auf Vögel Herbst später verlassen und we- da sie auf ihrem Zug vermut- wirte eine wesentliche Rolle in der waren die Ergebnisse nicht ein- niger weit fliegen als ihre nicht- lich mit einer grösseren Vielfalt Übertragung und räumlichen Ver- deutig – man hat sowohl sehr infizierten Artgenossen. Jedoch an Erregern in Kontakt kamen. breitung von Blutparasiten spie- milde als auch gravierende Ef- schienen infizierte Drosselrohr- Neben der Zugstrategie scheint len, werden wir sowohl deren fekte festgestellt. Ungeklärt war sänger ihren späten Aufbruch auch die Populationsgeschichte Wechselwirkungen mit Vögeln vor allem die Wirkung von Blut- teilweise kompensieren zu kön- einer Vogelpopulation ein wich- näher untersuchen, als auch die parasiten auf Zugvögel. Des- nen, indem sie längere Etappen tiger Einflussfaktor zu sein: So klimatischen Faktoren, die die wegen erforscht die Schweize- flogen und weniger Zeit in den beherbergen in Deutschland Verbreitung und zeitliche Dyna- rische Vogelwarte seit 2013 ge- Rastgebieten verbrachten. neu etablierte Bienenfresser- mik dieser Insektenarten mass- meinsam mit Projektpartnern Parallel zur Frage nach dem populationen weniger artspezi- geblich beeinflussen. aus ganz Europa die Wechsel- Einfluss der Blutparasiten auf den fische Parasiten als solche, die wirkungen zwischen Zugvögeln Vogelzug ist auch die Zusammen- noch in ihrem ursprünglichen Tamara Emmenegger & und ihren Blutparasiten. In die- setzung der Blutparasiten ver- Verbreitungsgebiet im Mittel- Silke Bauer sem Zusammenhang sind vor schiedener Vogelarten mit unter- meerraum brüten. Drosselrohrsänger mit Geodaten-/Aktivitätslogger (links) und Mikroskopie-Bild von roten Blutkörperchen eines Drosselrohrsängers, der mit Blutparasiten (violett eingefärbt) infiziert ist (rechts) (Fotos: Tamara Emmenegger, Raffaella Schmid). 10
AV I N E W S A P R I L 2 0 2 1 : S T I F T U N G S R AT Wechsel im Stiftungsrat der Vogelwarte Mitte März hat Kurt Bollmann das den Anforderungen, die mit dem getreten ist Marguerite Trocmé. ner Müller als Vertreter von Bird- Präsidium des Stiftungsrates der Wachstum der Vogelwarte und Als Nachfolge für sie und Richard Life Schweiz angetreten. Schweizerischen Vogelwarte Sem- der zunehmenden Regulierungs- Maurer wurden Anna Baumann, Der Stiftungsrat ist das Auf- pach übernommen und folgt damit dichte verbunden sind, meistern die Direktorin des Tierparks Gol- sichtsgremium der Vogelwarte. auf Richard Maurer. zu können. Stiftungsrat und Be- dau, und der Luzerner Stadtrat In ihm sind sechs Organisatio- legschaft sind ihm für sein enor- Adrian Borgula in den Stiftungs- nen vertreten. Als Gründerin der Kurt Bollmann wurde von der Ala mes Engagement und seine rat gewählt. Ebenfalls zurück- Vogelwarte nominiert die Ala 4 (Schweizerische Gesellschaft für massgeblichen Beiträge zum Ge- getreten ist Reinhard Schnidrig Personen und stellt das Präsidium. Vogelkunde und Vogelschutz) als deihen der Vogelwarte zu gröss- als Vertreter des Bundesamts für Die anderen Organisationen ent- neuer Stiftungsratspräsident der tem Dank verpflichtet. Umwelt. Sein Sitz ist derzeit noch senden je eine Person. Die weite- Vogelwarte gewählt. Der 59-jäh- Als weitere Vertreterin der vakant. Bereits im Herbst hat Raf- ren Sitze sind nicht an Organisa- rige Biologe aus Effretikon ZH Ala aus dem Stiftungsrat zurück- fael Ayé die Nachfolge von Wer- tionen gebunden. ist Forschungsgruppenleiter für Naturschutzbiologie an der WSL und unterrichtet an der ETH Zü- rich. Dem Stiftungsrat der Vogel- warte gehört er seit 2017 an. Er tritt die Nachfolge von Ri- chard Maurer an, der zwölf Jahre lang das oberste Führungsorgan der Vogelwarte präsidierte. Unter Maurers Ägide wurde das Besuchszentrum gebaut, in der Leitung ein Generationen- wechsel vollzogen und der neue Schweizer Brutvogelatlas herausgegeben. Konsequent in- tegrierte er zusätzliche nicht- Kurt Bollmann (links) ist zum neuen Präsidenten des Stiftungsrats gewählt worden. Er übernimmt von seinem Vorgänger ornithologische Kompetenzen eine prosperierende Vogelwarte. Richard Maurer (rechts) hat die Geschicke der Vogelwarte 12 Jahre geprägt (Fotos: Schweizerische Vogelwarte). im Stiftungsrat, um die steigen- AVINEWS APRIL 2021: PERSONELLES Veränderungen im Vogelwarte-Team Nicht immer sind Kolleginnen Aussenstelle in Sion, beispiels- von verschiedenen Vogelarten Diesen Frühling müssen wir und Kollegen, die wir in die- weise im Projekt «Ökologische sammeln. Joanna Wong wird uns aber auch von zwei Kollegen ser Rubrik vorstellen, neu an der Trittsteine in den Walliser Wein- uns bei den anstehenden Aus- und einer Kollegin verabschieden. Vogelwarte. bergen». wertungen unterstützen. Luca Pagano, welcher unser Team Raffaella Schmid kam im Wir konnten in den ver- Mit der Anstellung von Hubert in der Aussenstelle im Tessin ver- Herbst 2017 an die Vogel- gangenen Monaten aber auch Schürmann, einem ausgebildeten stärkte, hat sich entschieden in warte und arbeitet seither in mehrere neue Stellen besetzen. Landwirt, der selber noch einen Zukunft für ein Ökobüro zu arbei- verschiedenen Projekten zur So wird Irmgard Zwahlen an- Betrieb führt, können wir unser ten. Tom Mason, Mitarbeiter Vogelgesundheit. Unter ande- stehende Arbeiten in den Pro- Know-How im Bereich Landwirt- in der Vogelzugforschungs- rem untersucht sie mittels klas- jekten «Demographisches schaft stärken. Sein landwirt- abteilung kehrt Ende April nach sischer Mikroskopie und geneti- Populationsmonitoring» und schaftlicher Hintergrund, kom- England zurück. Er erhielt eine scher Analyse Blutproben, um zu «Populationsdynamik von Wiede- biniert mit seinem Wissen als Festanstellung an der Universität bestimmen, welche und wie viele hopf und Wendehals» über- Wirtschaftsingenieur, ist in der Bristol. Tamara Emmenegger, Krankheitserreger in Zugvögeln nehmen. Zudem verstärkt Ali- Beratung von Bauern ein gros- ebenfalls Mitarbeiterin der Ab- vorkommen. cia Mabillard unser Team bei der ser Gewinn. teilung Vogelzug, zieht weiter Seit Frühling 2020 arbeitet Entwicklung und Einführung der Nicolas Sironi, arbeitete bisher an die Universität Lund. Franz Steffen im gemeinsam online-Applikation PopMon im als Feldassistent im Schleiereulen- Die Vogelwarte dankt beiden mit dem Naturpark Pfyn- Populationsmonitoring. projekt. Nun tritt er die Nach- Kollegen und der Kollegin ganz Finges durchgeführten Projekt In der Vogelzugabteilung lies- folge von Chiara Scandolara in herzlich für ihr Engagement und «Förderung des wildtierfreund- sen sich dank dem Einsatz von der Aussenstelle Tessin an und heisst die Neuen herzlich will- lichen Rebbaus im Wallis». Wei- Geodatenloggern umfangreiche übernimmt dort die Projekte der kommen. ter unterstützt er die Kollegen der Daten zu individuellen Zugrouten Artenförderung. 11
AVINEWS APRIL 2021: HERAUSGEPICKT Ein Schweizer Rotmilan fliegt nach Sardinien In einem grossen Projekt unter- der Abreise erreichte das Weib- sucht die Vogelwarte die Fak- chen die französische Mittelmeer- toren, die sich auf Überleben, küste, wo es einen Tag rastete. Fortpflanzung, Zu- und Ab- Am Morgen des 12. Oktober flog wanderung des Rotmilans aus- es weiter nach Südwesten, wurde wirken. Dieses Projekt bietet aber vermutlich von starken Win- seit Jahren immer wieder über- den abgetrieben und aufs Meer raschende Einblicke in das Leben hinaus verweht. Dank Wetterradaren können die Zugbewegungen von Fledermäusen über grosse dieser faszinierenden Greifvögel. Nach einer Nacht über offe- Entfernungen und über lange Zeit analysiert werden (Foto: Pixnio.com). Dank GPS-Sendern ist es möglich, ner See befand sich der Vogel die Bewegungen der Rotmilane rund 95 Kilometer vor der alge- detailliert zu verfolgen. So lassen rischen Küste. Die geringe Flug- Fledermäuse auf dem Radar sich Rückschlüsse auf das Zugver- geschwindigkeit deutete dar- halten sowie auf Aufenthaltsorte, auf hin, dass er völlig erschöpft Dank Daten von Wetterradaren in den Süden und überwintern die zum Fressen oder Ruhen ge- war. Mit Westwinden liess sich werden die grossräumigen Be- in Mexiko. nutzt werden, ziehen. Dabei sind der Rotmilan nach Osten treiben wegungen von ziehenden Tie- Inwiefern der Klimawandel die Rotmilane auch für Über- und erreichte nach über 30 Stun- ren in den letzten Jahren immer das Zugverhalten der Kolonie der raschungen gut, wie folgende den und 950 Kilometern auf dem besser sichtbar. Ermöglicht wird Bracken Cave beeinflusst, konnte Geschichte zeigt: Am Morgen des Meer schliesslich die Südspitze dies unter anderem durch das ein Team um Birgen Haest von der 8. Oktober 2020 machte sich ein Sardiniens. Von 470 besender- internationale Monitoringprojekt Vogelwarte Sempach nun unter- junges Weibchen auf den Weg ten Rotmilanen ist dies erst der GloBAM, an dem sich auch die suchen. Dabei dienten Wetter- nach Süden. Die meisten jungen zweite, der über das offene Meer Vogelwarte Sempach beteiligt radar-Aufzeichnungen von über Rotmilane verlassen im Herbst flog. Als Thermikflieger sind Rot- und als Koordinatorin mitwirkt. mehr als 20 Jahren als Grund- die Schweiz und überwintern milane auf Aufwinde angewiesen GloBAM hat zum Ziel, glo- lage. Interessanterweise hatte auf der deutlich wärmeren Iberi- und ziehen deshalb normaler- bale Zugbewegungen nicht nur die Temperatur keinen Einfluss schen Halbinsel. Drei Tage nach weise über Land. aufzuzeigen, sondern auch vor- auf das Zugverhalten. Auf dem herzusagen und deren Gesetz- Frühlingszug spielten jedoch die mässigkeiten besser zu verstehen. Windbedingungen an Rast- und Ein Beispiel ist die Brasilianische Winterplätzen eine grosse Rolle, Bulldogg-Fledermaus (Tadarida während im Herbst vor allem brasiliensis), die unter anderem der Niederschlag entscheidend in den USA vorkommt. Sie bil- war. Mit den sich ändernden Be- det riesige Kolonien; die grösste dingungen können die Fleder- in der texanischen Bracken Cave mäuse den Frühlingszug nun 16 umfasst schätzungsweise 20 Mil- Tage früher beginnen als noch vor lionen Tiere. Im Herbst ziehen sie 25 Jahren. IMPRESSUM Redaktion: Livio Rey Dank GPS-Sendern kann das Verhalten von besenderten Rotmilanen genau Übersetzung: Johann von Hirschheydt beobachtet werden (Foto: Valentijn van Bergen). Mitarbeit: Matthias Kestenholz, Petra Horch, Stefan Werner, Michael Schaad, Jean-Nicolas Pradervand, Chloé Pang, Claudia Müller, Tamara Emmenegger, Silke Bauer, Martina Schybli, Barbara Trösch, Felix Tobler Auflage: 4100 Ex. AGENDA Ausgaben: April, August und Dezember ISSN: 1664-9451 (elektronische Ausgabe: 1664-946X) Papier: Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier 1.–31.5.2021 Vogelwarte Fotowettbewerb: https://photo.vogelwarte.ch Schweizerische Vogelwarte Tel. 041 462 97 00 Station ornithologique suisse Fax 041 462 97 10 Stazione ornitologica svizzera info@vogelwarte.ch Postkonto 60-2316-1 Staziun ornitologica svizra CH-6204 Sempach www.vogelwarte.ch IBAN CH47 0900 0000 6000 2316 1 12
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