NORDKOREA Geschichte, Kultur, Sehenswürdigkeiten
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4., aktualisierte und erweiterte Auflage 2019 Trescher Verlag Berlin Reinhardtstr. 9 10117 Berlin www.trescher-verlag.de ISBN 978-3-89794-756-6 Herausgegeben von Detlev von Oppeln und Bernd Schwenkros Reihenentwurf und Gesamtgestaltung: Bernd Chill Lektorat: Corinna Grulich Stadtpläne und Karten: Johann Maria Just, Martin Kapp, Bernd Chill Das Werk einschließlich seiner Teile ist urhe- berrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für den Aushang, Ver- vielfältigungen, Übersetzungen, Nachahmun- gen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. HINWEIS ZUR BENUTZUNG: Die Seitenzahlen im Inhaltsverzeichnis, Verwei- se im Text und das Register sind mit den dazu gehörigen Texten und Karten dieses Reisefüh rers verlinkt. Die Internetadressen öffnen sich in Ihrem Browser; die Emailadressen öffnen sich in Ihrem Emailprogramm. Bitte beachten Sie, dass bei entsprechender Nutzung im Aus- land Roaminggebühren anfallen. Alle Angaben in diesem Reiseführer wurden sorgfältig recherchiert und überprüft. Dennoch können Entwicklungen vor Ort dazu führen, dass einzelne Informationen nicht mehr aktuell sind. Gerne nehmen wir dazu Ihre Hinweise und Anregungen entgegen. Bitte schreiben Sie an post@trescher-verlag.de. Titelbild: Monument der Wiedervereinigung in Pjöngjang (→ S. 170)
LAND UND LEUTE PJÖNGJANG UND UMGEBUNG DER SÜDWESTEN UND DAS MYOHYANG-GEBIRGE DER OSTEN UND DIE SONDERWIRTSCHAFTSZONEN REISETIPPS VON A BIS Z ANHANG
4 Kom Inhalt Die schwierige Ankunft in der Moderne 9 Mobilfunk in Nordkorea 10 Tourismus 12 Wirtschaftliche Entwicklungen 16 Warum nach Nordkorea reisen? 21 Nordkoreaner im Ausland 23 Sonderwirtschaftszonen und Tourismus 24 Einreisemöglichkeiten 26 Begegnung mit einem ungewöhnli- chen Land 28 Reisebegleiter 30 Erste Eindrücke 31 Allein in Pjöngjang unterwegs 33 Eine einzigartige Erfahrung 34 LAND UND LEUTE 37 Flora und Fauna 38 Geschichte 39 Die Anfänge 41 Die Choson-Dynastie 43 Unter japanischer Herrschaft 45 Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg 49 Der Koreakrieg 51 Wiederaufbau und Personenkult 55 Nordkorea heute 63 Erbfolge nach Kim Il Sungs Ableben 64 Kim Jong Il 66 Provokationen und Embargo 67 Mangel an vielem 68 Inszenierung und Realität 71 Zaghafte Öffnung 73 Beziehungen zu den USA 74 Kim Jong Un 79 Politisches System 80 Absolute Macht 83 Die Verfassung 84 Der Geheimdienst 86 Nordkoreas Staatswesen in Kürze 90
Inhalt Kom 5 Wirtschaft 93 Ökonomische Isolierung 95 Falschgeld und anderes 97 Umbau der Ökonomie 103 Vielfalt an Bodenschätzen 104 Wirtschaft auf Subsistenzniveau 106 Privatwirtschaft im Kleinen 107 Freihandelszonen 109 Investoren 111 Außenhandel und Investitionen 114 Legale und illegale Wege 120 Die Bevölkerung 121 Religion 123 Auslandskoreaner 123 Medien 124 Sprache 129 Kunst und Kultur 131 Musik 131 Tanz 132 Literatur 133 Architektur 133 Film 134 PJÖNGJANG 136 Die Hauptstadt 138 Übersicht 139 U-Bahn 141 Sehenswürdigkeiten 142 Ausflugsziele von Pjöngjang 158 Mangyongdae 158 Berge Ryongak und Taesong 159 Weitere Ziele 159 Die Residenzen der nordkoreanischen Führung 159 DER SÜDWESTEN UND DAS MYOHYANG-GEBIRGE 163 Nampo 164 Der Staudamm 165 Die Umgebung von Nampo 166
6 Kom Inhalt Haeju 168 Hyongje-Inseln 169 Sokdamgugok 169 Kaesong 170 Sehenswürdigkeiten 172 Die Umgebung von Kaesong 173 Die Demilitarisierte Zone 175 Fahrt in die DMZ 175 Myohyang-Berge 179 Freundschaftsausstellung 180 Wanderungen um Myohyang 182 Auf dem Rückweg nach Pjöngjang 183 DER OSTEN UND DIE SONDERWIRTSCHAFTS- ZONEN 185 Die Ostküste 186 Wonsan 186 Hamhung 190 Kumgang-Berge 192 Der Nordosten 197 Tanchon und Komdok 199 Chilbo-Gebirge 200 Kyongsong 200 Chongjin 201 Paekdusan 202 Sonderwirtschaftszonen 206 Kaesong Industrial Zone 206 Rason-Freihandelszone 208 Sonderwirtschaftszone Sinuiju 211 Wonsan-Mt. Kumgang Inter- national Tourist Zone 212 Unjong-High-Tech- Entwicklungszone 213 Nampo-Exportzone 213 Andere Projekte 213
Inhalt Kom 7 REISETIPPS VON A BIS Z 214 ANHANG Literaturempfehlungen 238 Überblick über die Medienland- schaft Nordkoreas und nord- koreabezogene Informations- quellen 242 Internet 243 Adressen 244 Nordkorea 244 Deutschsprachiger Raum 246 Asien 247 Ozeanien, USA, Europa, Lateinamerika 247 Korean Friendship Association 247 Botschaften und Konsulate Nordkoreas im Ausland 247 Ausländische Botschaften in Nordkorea 251 Über den Autor 253 Register 254 Kartenregister 262
Die schwierige Ankunft in der Moderne 9 Die schwierige Ankunft in der Moderne Es war ein Ereignis, das hatte es in Pjöngjang noch nie gegeben und war in früheren Zeiten auch nie vorstellbar gewesen: Das riesige, pyramidenförmige Ryugyong- Hotel im Zentrum der Hauptstadt, das jahrzehntelang eine Bauruine war und von offiziellen Postkarten der Stadtsilhouette wegretuschiert wurde, erstrahlte am 30. Juli 2018 in einer enormen LED-Lichtershow komplett mit blinkenden Anima- tionen von Lotusblüten, ornamentalen Landschaften und rotierenden Lichtern, gekrönt von der Nationalflagge des Landes. So ein Happening ist man gewohnt von Dubai oder Singapur, aber nicht von einer isolierten Stadt in Terra incognita wie Pjöngjang. Beendet wurde das Spektakel, über dessen Anlass sich Beobachter nicht ganz klar waren, mit einem farbenfrohen Feuerwerk. Und nicht nur das, es wurde quasi live auf einer Facebook-Seite mit dem Namen North Korea Girls übertragen, die augenscheinlich unter der Patronage von Nordkoreas First Lady Ri Sol Ju, Ehe- frau des Obersten Führers Kim Jong Un, steht und auf der noch zahlreiche andere Videos und Fotos von fröhlichen, tanzenden und Selfie-schiessenden Nordkorea- nern zu sehen sind. Die Spitze und eine Vorderseite des Ryugyong-Hotel sind seitdem in etwas pompöser Anmutung nächstens mit einer LED-Installation illuminiert, die die nordkoreanischen Flagge und Videoanimationen zeigen. Das Hotel, an dem seit zehn Jahren Renovierungsarbeiten vorgenommen werden, war allerdings Ende 2018 immer noch geschlossen. Ist Nordkorea letztlich in der Gegenwart angekommen? Man kann darüber rätseln, wieviel von solchen Facebook-Postings Propaganda ist und ob diese überhaupt lan- desintern zugänglich sind. Aber es ist unbestritten, dass sich seit der letzten Auflage dieses Reiseführers von 2014 einiges im Lande getan hat. Man muss es nur zu inter- pretieren versuchen. Was allerdings schwierig ist, weil die nordkoreanischen Auto- ritäten Spektakel wie das obige in den meisten Fällen nicht für ausländische Jour- nalisten zugänglich machen und man davon ausgehen muss, dass gepostete Videos für ein internationales Publikum durch eine Reihe von Zensurstellen wandern, be- vor sie publik gemacht werden. Es dominiert also noch der Schein über die Wirk- lichkeit, auch wenn Veränderung faktisch passiert in diesem rätselhaften Land. Änderungen zeigten sich auch anlässlich der Feiern zum 70. Jahrestag der Staatsgründung am 9. September 2018 in Pjöngjang. Nicht so pompös wie sonst, und vor allem ohne die sonst auf derartigen Militärparaden demonstrierten Lang- streckenraketen wurden die Festlichkeiten abgehalten, was politische Beobachter als Signal Richtung USA und Südkorea interpretierten, dass der Kalte Krieg auf der Halbinsel nun – schön langsam – seinem Ende zugehen könnte. Ri Sol Ju war es auch, über die die westliche Klatschpresse zu schreiben be- gann, als sie im Rahmen einer ›Charmeoffensive‹ ihren Mann zum bislang fünf- ten interkoreanischen Treffen und dem dritten mit dem südkoreanischen Präsiden- ten Moon Jae In und dessen Gattin Kim Jung Sook zwischen dem 18. und dem 20. September 2018 begleitete. Vom Daily Star über USA Today bis zu Bild wur- de über gemeinsames Nudelsuppen-Essen, Ausflüge zum Paekdu-Berg, herzliche Umarmungen und sogar Händchenhalten der beiden Frauen berichtet anstatt über Atomsprengköpfe, Nukleartests und Sanktionen.
10 Die schwierige Ankunft in der Moderne Mit diesen freundschaftlichen interkoreanischen Treffen und möglicherweise auch dem vorhergehenden mit US-Präsident Donald Trump, das zumindest eine gewisse Eisbrecher-Funktion hatte, standen die beiden Koreas so nah wie noch nie zuvor vor möglichen ersten konkreten Verhandlungen über eine Wiederver- einigung. Ob und wann es wirklich dazu kommt, steht freilich in den Sternen, weil es natürlich viel mehr dazu braucht als zwei Staatsoberhäupter und First Ladies, die Schönwetterpolitik machen. Aber das Tauwetter ist angebrochen, und die Zeiten der gegenseitigen rhetorischen und militärischen Provokationen scheinen vorläufig vorbei. Alles hat mit dem Generationenwechsel in 2011 an der Führungsspitze des Landes zu tun. Als Kim Jong Un, der dritte Landesführer in der Familientradi- tion der Kims, von seinem verstorbenen Vater Kim Jong Il den Stab und nach- einander die wichtigsten Führungsrollen in Armee, Politbüro und Arbeiterpartei übernahm, war zunächst unklar, wohin die Reise geht. Der junge Kim, geboren – je nach Quelle – 1982,1983 oder 1984, vermittelte vorerst einen unerfahrenen Eindruck, aber Überlieferungen, dass er seine Schulausbildung in der Schweiz genoss und so bourgeoisen Zeitvertreiben wie Basketballspielen, Computer- spielen oder Skifahren zugetan sei, ließ eine Verjüngung und Modernisierung des unter der Herrschaft seines steifen und dogmatischen Vaters erstarrten Lan- des erhoffen. Mobilfunk in Nordkorea Und tatsächlich tat sich etwas. Kim Jong Un scheint die wirtschaftliche Entwick- lung des Landes nun vor die nukleare Aufrüstung zu stellen. So trieb er etwa die Entwicklung des Mobilfunks im Lande voran, aufbauend auf der Zusammen- arbeit des staatlichen Post- und Telefonmonopol KPTC mit dem ägyptischen Firmenkonglomerat Orascom Group, dessen Telekom-Division im Jahre 2008 als erster und einziger ausländischer Anbieter eine nordkoreanische Mobilfunk- lizenz erhielt und das Netzwerk Koryolink aufbaute. Kundenzahlen von Koryo- link wuchsen rasch von 5300 im Jahr 2008 auf mehr als drei Millionen 2018, während Kim Jong Un dafür sorgte, dass sich Orascom im Gegenzug dazu ver- pflichtete, durch eine ihrer Schwestergesellschaft das Ryugyong-Hotel zu sanie- ren. Besucher berichteten, dass die Benutzung von Mobiltelefonen der Marken Samsung, HTC, LG und auch Apple sowie populärer chinesischer Marken in Pjöngjang mittlerweile keine Seltenheit mehr ist. Es sind auch angebliche Eigen- produktionen Nordkoreas darunter, etwa eine mit dem Markennamen Arirang, die aber von Experten als Klon eines Modelles des chinesischen Smartphone- Herstellers Uniscope enttarnt wurde. Die letzte Variante, Arirang 171, die im März 2018 vorstellt wurde, nutzt Googles Android-Nougat-Betriebssystem und einen Chip des taiwanesischen Herstellers MediaTek. Im Juli 2017 wurde ein Smartphone namens Jindallae 3 präsentiert, hergestellt von der Mangyongdae Information Technology Corporation, und im Juni 2018 schließlich das Phurun Hanul H-1 (Blauer Himmel H-1) von der Phurun Hanul Corporation. Das erste Arirang-Modell von 2014 sowie das Phurun Hanul H-1 nutzen pikanterweise amerikanische Qualcomm-Chips.
Mobilfunk in Nordkorea 11 Auch in Nordkorea kein exotisches Bild mehr: Telefonieren im Straßenverkehr Mittlerweile sind weitere Telekom-Gesellschaften in den Markt eingestiegen, nämlich die staatseigenen Firmen Kang Song Net und der Breitband-Internet- betreiber Byol (Star), die offiziell ›Wettbewerber‹ zu Koryolink darstellen sollen, aber auch ganz einfach auf staatliche Anweisung Kunden von Koryolink trans- ferieren. 2015 gab Orascom erstmals zu, ›die Kontrolle über die Mobilfunkope- rationen in Nordkorea verloren‹ zu haben, in die immerhin 400 Millionen US- Dollar investiert wurden. Koryolink hat sein Netzwerk bereits mit Kang Song Net verschmolzen. Orascom will aber einen Fuß im Land behalten und weiter so gut wie möglich operativ bleiben, obwohl ihm die wieder verschärften inter- nationalen Sanktionen es nicht leicht machen. Besucher, die bis 2013 ihre Mobiltelefone an der Grenze abgeben mussten und bei der Ausreise wieder zurückbekamen, können heute bei der Ankunft am Flughafen in Pjöngjang Prepaid-SIM-Karten erwerben, mit denen sie über ein eigenes ›Ausländernetz‹ internationale, aber keine lokalen Gespräche führen kön- nen – außer mit Botschaften, internationalen Hotels und einigen wenigen offi- ziellen Stellen, und auch uneingeschränkt im Internet surfen dürfen. Die Kar- ten sind allerdings nicht billig, und ihre Erhältlichkeit schwankt. Im April 2018 kostete mobiles Surfen auf dem Smartphone bei Koryolink zusätzlich zu einer einmaligen ›Verbindungsgebühr‹ von umgerechnet 75 Euro dann noch 10 Euro pro Monat, allerdings nur für 50 MB, jedes weitere MB schlug mit 0,15 Euro zu Buche. Ein USB-Modem mit SIM-Karte und mobilem Internet für Laptops kostete zu diesem Zeitpunkt monatlich umgerechnet 150 Euro für zwei GB, 250 Euro für fünf GB und 400 Euro für zehn GB (›Business-Tarif‹), darüber hinaus gehendes Surfvolumen wurde mit fünf, vier beziehungsweise zwei Eurocent pro MB abgerechnet. Mobiles Internet war zu diesem Zeitpunkt im Netzbereich von Kang Song Net nicht verfügbar, und ›High-Speed‹ nur im Koryonet-Netz-
12 Die schwierige Ankunft in der Moderne werk im Großraum Pjöngjang und entlang der Hauptverkehrsstraßen durch das Land. Die Freischaltung einer SIM-Karte dauerte bis zu 48 Stunden. Sie kann in Koryolink-Filialen, im International Communications Center und auch über in Pjöngjang vereinzelt zu findende Automaten der neuen Debit-Karten Narae und Kumgil der Daesong-Bank aufgeladen werden. Wenn ein Besucher Nord- korea wieder verlässt, wird die SIM-Karte automatisch ungültig. Tourismus Andere Änderungen betrafen den Tourismus: Immer mehr internationale Reise- büros nehmen Nordkorea-Reisen ins Programm, allerdings müssen sie nach wie vor von der staatlichen Reiseagentur Korea International Travel Company (KITC, → S. 226) offiziell anerkannt sein und alle Reiseprogramme müssen genehmigt werden. Die KITC bietet neben dem üblichen Gruppenreise-Programm nun auch wieder individuelle Einzelreisen nach Wunsch der Teilnehmer an, wobei die ge- plante Reiseroute detailliert beschrieben und ebenfalls letztendlich zugelassen werden muss. Informieren kann man sich auch auf der offiziellen Website des Landes, www.naenara.com.kp, die nun einen wesentlich professionelleren Auf- tritt hat als früher. Sie informiert über Politik und Gesellschaft im Land, listet eine Reihe von Sehenswürdigkeiten auf, hält Informationen für Tourismusveranstalter bereit und verfügt nun auch über ein eigenes Business-Portal, wo sich potentielle Investoren über Geschäftsmöglichkeiten oder Messebesuche informieren können. Während in früheren Zeiten Einheitstouren nach Nordkorea – mit Besuchen von Statuen, Denkmälern, Kim Il Sungs Geburtshaus und revolutionären Monu- menten sowie der jährlichen Arirang-Massenspiele – die Regel waren, hat sich hier eine Modernisierung eingestellt. Mittlerweile können Touristen auch zum Neues Ziel für Touristen: das Masikryong Skiresort
Tourismus 13 Noch sind die meisten Strände Nordkoreas eher einsam Beispiel einen Badeurlaub in der östlichen Küstenstadt Wonsan verbringen, wo eine neue, monumentale Tourismuszone im Aufbau ist, in die laut einer nord- koreanischen Investorenbroschüre angeblich bis zu acht Milliarden US-Dollar bis 2025 investiert werden sollen, was die Zone zum derzeit bei weitem größten Tourismusprojekt im Lande machen würde. Über die Herkunft der Milliarden ist nichts bekannt, vermutet werden aber chinesische Quellen. Die Tourismuszone in Wonsan soll mit der südlich gelegenen, derzeit stillge- legten Kumgangsan-Zone verbunden werden, ein idyllisches Gebirge, das in der Vergangenheit für hauptsächlich südkoreanische Touristen zugänglich gemacht wurde, allerdings nach einem Zwischenfall 2008, bei dem ein nordkoreanischer Soldat aus unklaren Gründen eine südkoreanische Touristin erschoss, geschlos- sen wurde. Es gibt nun Pläne, Kumgangsan für Bergsteiger und Wanderer wie- derzueröffnen und – neben internationalen Gästen – auch wieder südkoreanische Besucher anzulocken. Die Zone soll von dem nunmehr auch für zivile Flüge of- fenen Militärflugplatz Wonsan Kalma International Airport erschlossen werden, der bis jetzt zwar nur von Pjöngjang angeflogen wird, mit der Zeit aber auch Ver- bindungen zu Städten in China und Russland aufnehmen soll. Weitere Kampagnen gibt es mittlerweile für Teilnahme an Marathons in Nordkorea, für Surfurlaube in Wonsan oder, etwas weiter nördlich, im Majon- Baderesort nahe Nordkoreas zweitgrößter Stadt Hamhung, wo der Veranstalter Uri Tours aus New Jersey ›Nordkoreas erste Surfschule‹ betreibt. Wer lieber Wintersport betreiben möchte, kann nun auch im Anfang 2014 eröffneten Masik- ryong-Skiresort (auch: Masik Pass Ski Resort) einen Aufenthalt buchen, das ebenfalls in der Nähe von Wonsan liegt. Besucher berichten von guten Schnee- bedingungen von November bis März, von angenehmen Temperaturen, gepfleg- ten Abfahrten, einer schönen Landschaftsszenerie und einem ›spektakulären‹ Resorthotel mit Annehmlichkeiten wie Swimmingpool, Sauna, Massage- und
14 Die schwierige Ankunft in der Moderne Schönheitssalon, Friseur, Billard-Räumen, Restaurants, Skiverleih, Ausrüstungs- Shop, einem Eislaufring und sogar WLAN-Verbindung mit Internetzugang – als soweit einziges Hotel in Nordkorea. Einem Besucher fiel die Abwesenheit von Propagandabildern der nordkoreanischen Führungspersönlichkeiten auf, auf die man in den meisten Hotels trifft, wohl ein Zeichen für die vermehrt internationa- le Ausrichtung dieses Resorts. Die Anlage wurde mit einem gebrauchten Skilift der österreichischen Firma Doppelmayr ausgestattet, die vom Tiroler Ort Ischgl auf wundersame Weise trotz Sanktionen für Luxusgüter über China nach Nord- korea gebracht wurde. Chinas Standpunkt war schlicht und einfach, dass Skire- sorts nicht zur Luxuskategorie zählen. Organisiert werden Skitouren ins Masik- ryong Skiresort von der eigens dafür in 2015 gegründeten Pjöngjang Koryo In- ternational Travel Company (→ S. 226) und den meisten Nordkorea-Reisever- anstaltern im Ausland. Das Resort akzeptiert auch die neuen Debit-Karten nord- koreanischer Banken, die für Ausländer verfügbar sind. Andere neuartige Touristenattraktionen sind etwa Helikopterflüge über die Hauptstadt, Kochkurse, Golfspielen am einzigen Golfplatz des Landes, dem Pjöngjang Golf Club etwas außerhalb der Stadt am Taesong-See, ›Weihnachten in Nordkorea‹, Brauereibesuche, Taekwondo- und andere Sportreisen, Kultur- reisen, Ökoreisen, Zugtouren in den Nordosten oder die Teilnahme an den Neu- jahrsfeierlichkeiten in der Hauptstadt. Es werden auch vermehrt ›Budget-Touren‹ für jüngere Leute angeboten, etwa Kurztouren von Sinuiju nach Pjöngjang und retour, und auch Campingtouren für Kindergruppen. Tourismus spielt in der Tat eine immer wichtigere Rolle für Nordkorea, um dringend notwendige Devisen abseits von dunklen Geschäften und Umgehung von Sanktionen zu erschliessen. Das offiziell verlautbarte Ziel der nordkoreani- schen Regierung ist, bis zum Jahr 2020 rund zwei Millionen ausländische Tou- risten zu begrüßen, eine Zahl, die die meisten Beobachter aber für völlig unre- alistisch halten. Derzeit sagen Schätzungen, dass nur zwischen 4000 und 6000 westliche Besucher im Jahr nach Nordkorea reisen, währenddessen allerdings die Zahl von chinesischen Besuchern – wie anderswo in Ostasien – im Stei- gen ist und zuletzt auf mehr als 100 000 pro Jahr geschätzt wurde, wobei viele davon allerdings hauptsächlich die im Nordosten gelegene Sonderwirtschafts- zone Rason mit ihren Casinos besuchen oder im ›kleinen Grenzverkehr‹ zwi- schen der chinesischen Grenzstadt Dandong und ihrem nordkoreanischen Ge- genüber Sinuiju aktiv sind. Allerdings berichten Tourismusagenturen auch von einer steigenden Zahl von chinesischen Besuchern, die sich darüber hinaus auch für geführte Touren im Land oder für einen Besuch der Hauptstadt Pjöngjang interessieren. Die Entwicklung des Tourismus in Nordkorea stößt nämlich immer noch auf stattliche Hindernisse. Um die touristische Infrastruktur auf einen Stand zu bringen, der eine reibungslose Abwicklung von so vielen Besuchern erlauben würde, müssten die internationalen Sanktionen gelockert werden. Dazu müsste Kim Jong Un sein Nuklearprogramm definitiv und nachweislich begraben. Zum anderen ist potentiellen Besuchern aus den beiden wichtigen touristischen Her- kunftsländern USA und Südkorea der Besuch Nordkoreas derzeit (2018) nicht möglich, nachdem ein Besucherbann von US-Präsident Donald Trump ausge-
Tourismus 15 sprochen wurde und Südkoreanern – von wenigen seltenen Ausnahmen, zum Beispiel für Verwandtenbesuche – schlicht nach wie vor kein Visum ausgestellt wird. Letztendlich gibt es auch Abschreckungsmomente, wie zum Beispiel der tragische Fall des US-Touristen Otto Warmbier zeigte, der 2015 als Teilnehmer einer Touristengruppe festgenommen wurde, weil er ein Propagandaplakat aus einem Hotel gestohlen haben soll, eine Tat, die er in einem Schauprozess an- schließend zugab. Warmbier wurde für dieses Bagatelldelikt zu nicht weniger als 15 Jahren Arbeitslager verurteilt. In der Haft verschlechterte sich aber aus ungeklärten Umständen sein Gesundheitszustand, und er wurde im Juni 2017, im Wachkoma liegend, aus ›humanitären Gründen‹ freigelassen und nach Hau- se in die USA transportiert, wo er bald darauf verstarb. Eine schwarze Seite von Nordkoreas Oberstem Führer Kim Jong Un zeigte auch die mutmaßlich von ihm selbst orchestrierte Eliminierung seines Halbbru- ders Kim Jong Nam, der eigentlich als Nachfolger von Kim Jong Il vorgesehen war, aber unterlag, und von dem sich Kim Jong Un nach seiner Machtübernahme zunehmend entfremdete. Kim Jong Nam wurde im Februar 2015 am Flughafen in Kuala Lumpur von zwei jungen Frauen, die angeblich dachten, sie würden bei einem Fernsehspot der Art von ›Verstehen Sie Spaß‹ mitmachen, mit einem tödlichen Nervengas besprüht, eine Aktion, die von Kim Jong Uns Agenten, wie Medien kommentierten ›in ausgeklügelter Kalter Kriegs-Manier‹, eingefädelt und ausgeführt worden sein soll. Andere Berichte aus südkoreanischen Geheimdienstquellen wissen von Exe- kutionen einer Reihe von nordkoreanischen Offiziellen, die der Verschwörung bezichtigt wurden, namentlich 2014 des stellvertretenden Sicherheitsministers O Sang Hon, dem mit einem Flammenwerfer der Garaus gemacht worden sein soll. Internationale Aufmerksamkeit erregten naheliegenderweise auch Nordko- reas Nuklearraketentests, die 2017 einen vorläufigen Höhepunkt mit theoretisch möglichen direkten Attacken auf die USA erreichten. Ziemlich klar als interna- tionales Faustpfand Kim Jong Uns zu interpretieren, führten die Tests zu bisher ungeahnten bilateralen diplomatischen Entspannungsversuchen. Auf der Schönwetterseite sind hier die Treffen Kim Jong Uns mit Südkoreas Staatspräsident Moon Jae In im Juni 2018 im Grenzort Panmunjon zu nennen, bei der beide mediengerecht die Grenzmarkierung zum jeweils anderen Land überschritten. Dieses Treffen und das eingangs erwähnte darauf folgende im September 2018 führte zu einer zumindest vorübergehenden Entspannung zwi- schen den beiden immer noch im Kriegszustand befindlichen Staaten, und zu Vorschlägen, nach weit mehr als einem halben Jahrhundert endlich einen Waf- fenstillstand zu vereinbaren und Wiedervereinigungsgespräche aufzunehmen. Geschehen ist jedoch nichts dergleichen. Ein anderer Höhepunkt war das denkbar merkwürdige Treffen von US-Prä- sident Donald Trump mit Kim Jong Un, ebenfalls im Juni 2018, in Singapur. Beide Staatsführer, die sich vorher via Internet und Medien ordentlich angifte- ten, schienen sich dann plötzlich bestens zu verstehen, und Trump sah bereits die Lösung aller Korea-Probleme gekommen und wollte sie sogleich auf sein Konto verbuchen. Das Treffen hatte zunächst einige positive Ergebnisse wie die Bereitschaft Nordkoreas, einen Denuklearisierungsprozess einzuleiten, begin-
16 Die schwierige Ankunft in der Moderne nend mit der Schließung eines ersten Raketentestgeländes, sowie antiamerika- nische Propaganda im Land zu entfernen, während die Amerikaner zusagten, ihre Militärübungen in Südkorea einzustellen – allerdings nicht, ihre dort stati- onierten Soldaten abzuziehen. Von Nachhaltigkeit des historischen ersten Trump-Kim-Treffens kann aber nicht gesprochen werden. Ein paar Monate später waren die Beziehungen bereits wieder erkaltet, als Nordkorea den Amerikanern vorwarf, ein doppeltes Spiel zu spielen und sogar eine Invasion zu planen. Kim sprach rückwirkend von ›großen Missverständnissen‹ während des Treffens mit Donald Trump, und die Lage nach dem Meeting war letztlich angespannter als zuvor, kommentierten Analysten. Trump sprach dann Ende 2018 aber auch wieder von einem möglichen weiteren Treffen mit Kom Jong Un. Für Touristen heißt all dies, dass ein Besuch Nordkoreas mit Bedacht geplant und Rücksicht auf die politischen Spannungen genommen werden sollte. Mit ei- nem gut etablierten Reiseveranstalter und unter Beachtung der Etikette für Be- sucher in Nordkorea sollte aber eigentlich nichts schief gehen, wenngleich ein geringes Restrisiko bestehen bleibt. Wirtschaftliche Entwicklungen Was die wirtschaftliche Transformation Nordkoreas betrifft, so ist die zaghafte Öffnung in Richtung marginalisierter Marktwirtschaft und Hinwendung zu poten- tiellen ausländischen Investoren durch die Raketenkrisen 2017 und 2018 wieder zunichte gemacht worden, als westliche Länder ihre Sanktionen erneut verschärf- ten. Dennoch ist unübersehbar, dass Kim Jong Un nach einer Belebung der Wirt- schaft trachtet, sozusagen einer gelenkten Marktwirtschaft im Einparteienstaat. Neubauten in Pjöngjang
Wirtschaftliche Entwicklungen 17 Er wolle Nordkorea zu einem ›wirtschaftlichen Riesen‹ machen, sagte Kim Jong Un in einer seiner Reden, den Lebensstandard der Menschen anheben und den Konflikt mit Südkorea endlich beilegen. Wenngleich viele Kommentatoren dies aufs Neue als Propagandagebärde empfanden, scheint sich doch etwas zu tun: Insiderinformationen zufolge arbeitet das Land an einer neuen Investitionsge- setzgebung für ausländische Investoren. Dabei orientiert man sich an erfolgrei- chen Modellen von südostasiatischen Staaten, etwa Vietnam oder Myanmar, und lässt sich dabei von ausländischen Wirtschaftsexperten beraten. Ein Zeichen für die neuen Zeiten ist das Aufkommen von Märkten, Jangma- dang genannt, in Pjöngjang und anderen größeren Städten, auf denen Lebens- mittel, Textilien und eine Reihe von generell nützlichen Utensilien von privaten Verkäufern für den Hausgebrauch angeboten werden, zum Beispiel am Tongil- Markt im Süden Pjöngjangs und am Zentralmarkt am Ufer des Taedonggang- Flusses. Touristen können diese Märkte besuchen und sich ein Bild machen. Der Zentralmarkt ist vom Yanggakdo-Hotel leicht zu erreichen (gleich vis-à-vis am anderen Flussufer.) Man bekommt einen Markt zu sehen, der genausogut in einem Außenbezirk von Bangkok oder Jakarta sein könnte, mit einem Angebot von Lebensmitteln wie Hühnerfleisch, Früchten, Saucen und Getränken sowie chinesischer Textilware, Essensständen, Plastikeimern und Küchenutensilien und auch einigen Elektronikartikeln inklusive Haushaltsgeräten wie Kühlschränken und Waschmaschinen aus China sowie Mobiltelefonen. Chinesische Händler haben dort in Läden investiert und bieten auch chine- sische Ware an, allerdings überwiegend teurer als in China. Die Preise, ausge- schrieben in nordkoreanischen Won, sind hoch in Relation zu den durchschnitt- lichen Gehältern in Nordkorea und auch im Vergleich zu informellen Märkten ausserhalb der Hauptstadt. Dies hat zur Folge, dass die Märkte in Pjöngjang hauptsächlich von den urbanen Eliten – sprich höherrangigen Militärs und Re- gierungsmitarbeitern – und von Mitarbeitern ausländischer Botschaften und an- deren in Nordkorea lebenden Ausländern, aber weniger vom ›normalen Volk‹ frequentiert werden. Weil der Markt so eine gute Auswahl an Produkten hat, wird er bereitwillig Besuchern aus dem Ausland vorgeführt, die allerdings keine Fotos machen dürfen. Um das Preisverhältnis zu veranschaulichen: Eine Büchse Gemüse war 2018 am Tongil-Markt, dem größten in Pjöngjang mit etwa 1500 Marktständen, um etwa 1000 Won zu haben, das entspricht nach dem offiziellen Wechselkurs zu der Zeit (1 US-Dollar=900 Won) etwa 1,10 US-Dollar. Am Schwarzmarkt vari- ierte der Preis für einen US-Dollar zu diesem Zeitpunkt aber zwischen 3000 und 5000 Won, was das Gemüse dann gemessen an der lokalen Währung fast bis zum Sechsfachen verteuert. Nimmt man dann das durchschnittliche Monats- einkommen eines Arbeiters oder Bauern von zwischen 3000 und 10 000 Won, ist klar, das hier alle Relationen der monetären Steuerungskraft des Geldes aus dem Ruder geraten sind. Man bemerkt allerdings auch, dass der chinesische Yuan auf den Märkten als Alternativwährung im Vormarsch ist und für eine Art Preis- stabilität sorgt. Am Tongil-Markt gibt es auch offizielle Wechselstuben der Dae- song-Bank, der staatlichen Außenhandelsbank Nordkoreas, die weit oben auf der amerikanischen Sanktionsliste steht.
18 Die schwierige Ankunft in der Moderne Straßenstand in Pjöngjang Mittlerweile haben in Pjöngjang und anderen größeren Städten mehr Ge- schäfte und Läden aufgemacht, in der Hauptstadt vor allem rund um das Koryo- Hotel, den Hauptbahnhof, den Kumsusan-Palast und entlang der ›Prachtstraßen‹ Changgwang und Chollima, und es gibt auch kleine Straßenmärkte sowie Ge- tränke, Snack- und Eisverkäufer. Auch der Verkehr ist intensiver geworden, auch wenn es sich meistens um Regierungskarossen, Diplomatenautos oder Dienstwa- gen von NGOs oder ausländischen Geschäftsleuten handelt, die mitunter schon in SUVs der Marken Lexus oder Audi aufkreuzen. Am 15. August 2015 hatte die Regierung eine neue Zeitzone für Nordkorea bestimmt. Die Uhren wurden eine halbe Stunde zurückgestellt und die ›Pjöng- jang-Zeit‹ ausgerufen. Drei Jahre später, am 4. Mai 2018, war es damit aber schon wieder vorbei, und die Zeit wurde wieder der südkoreanischen Zeitzone angeglichen (MESZ +8 Stunden, MEZ +7 Stunden). Währung Das nordkoreanische Geld, der Won, ist nicht mit ausländischen Währungen konvertierbar und wird ausschließlich im Inland genutzt, außerdem in den nord- koreanischen Grenzgebieten zu China, wo man ihn zu einem sehr attraktiven Schwarzmarktkurs zum Yuan kaufen kann. Der offizielle Wert des KPW folgt nicht dem Markt, sondern Wechselkurse werden staatlicherseits teilweise recht willkürlich festgesetzt. Zum Beispiel war der jahrzehntelange Wechselkurs in der Zeit der Währungsbindung zum US-Dollar bis 2002 1 US-Dollar=2,16 KPW, wobei dieser Won-Kurs nicht auf volkswirtschaftlichen Faktoren, sondern dem Vernehmen nach auf Kim Yong Ils Geburtstag am 16. Februar (2/16) basierte. Für den Handel und für ausländische Besucher gab es früher noch mehrere Ar-
Wirtschaftliche Entwicklungen 19 ten von Devisenzertifikaten, zum Beispiel einen eigenen Won für Besucher aus den sozialistischen Bruderländern (roter Won) und eine Variante für Besucher aus westlichen Ländern (blauer Won). Diese Zertifikate wurden 2002 offiziell eingestellt, und seitdem akzeptiert man harte Währungen von Ausländern direkt. Besucher haben neuerdings auch die Möglichkeit, lokale Debitkarten der Daesong-Bank (Narae und Kumgil Card) zum Einkaufen und zum Bezahlen in Hotels, am Flughafen und zum Aufladen der Handy-SIM-Karte zu benutzen, die mit ausländischer Währung, bevorzugt Euro, US-Dollar und Yuan, aufgela- den werden können und die dann zum offiziellen Kurs in ›digitale Won‹ konver- tiert wird. Damit erleichtert man den lokalen Händlern vor allem die manchmal komplizierte Wechselgeldherausgabe in Westgeld, die manchmal in drei oder vier Währungen erfolgt. Zuletzt haben auch andere Banken Debitkarten her- ausgegeben, darunter die Sonbong-Karte der Golden Triangle Bank, mit der in der Sonderwirtschaftszone Rason bezahlt werden kann, sowie die Koryo-Karte der Koryo-Bank und die Jonsong- und Sangyon-Karten der Zentralbank, wobei nicht alle dieser Karten für Ausländer verfügbar sind. Die Nordkoreaner nutzen sie aber verstärkt für Transaktionen unter sich aus weitgehendem Misstrauen ge- genüber den heimischen Banken. Das mit dem Wechselkurs ist allerdings so eine Sache. Im Juli 2002 kam es in Nordkorea zu einer Art ›Währungsreform‹. Der bisherige offizielle und künst- liche Wechselkurs des US-Dollar zum Won von 1:2,16 wurde ohne viel Kom- mentar auf 1:150 (und zum Euro auf 130) festgesetzt, der Won also fast um das 70-fache abgewertet. Dies als Ausdruck einer sehr sachten Öffnung in Richtung einer ›freieren‹ Wirtschaft: Kam der Staat bis jetzt zum überwiegenden Teil für alle Grundbedürfnisse wie Wohnung, Ernährung und Kleidung auf, wurden nun kleine Märkte zugelassen, und die Einwohner konnten – oder vielmehr muss- ten – sich manche Waren selbst kaufen. Prompt haben sich die Preise nach oben verzerrt und die Differenz zwischen staatlichem Wechselkurs und Schwarz- marktkurs hat sich rasch vergrößert. Am 30. November 2009 implementierte die nordkoreanische Regierung eine weitere Währungsreform, bei der 1000 ›al- te nordkoreanische Won‹ in 10 ›neue nordkoreanische Won‹ gewechselt werden mussten. Allerdings war es den Bürgern zunächst nur gestattet, einen Maximal- betrag von 100 000 bis 300 000 Won pro Person umzuwechseln, nach inoffi- ziellem Wechselkurs zu dieser Zeit etwa 50 bis 150 Euro. Andere Ersparnisse in alten Won liefen Gefahr, wertlos zu werden. Nach raren Protesten setzte die Regierung das Limit für Erspartes, das umgewechselt werden konnte, zunächst auf 500 000 Won und später auf eine Million fest. Das alles führte zu Konfusion, einem Vertrauensverlust in die Währung und folglich in weitere Abwertung. Der Schwarzmarktkurs stieg auf 3000 Won Mitte 2010 und auf 4000 Won je Dol- lar bis November 2012. Als Folge davon versuchten die Nordkoreaner, sich aus Furcht vor einer weiteren Abwertung der eigenen Währung Fremdwährungen zu sichern, und eine Hyperinflation nahm ihren Lauf, die den Wert des US-Dollar zum Won am ›freien Markt‹ in 2013 auf knapp unter 10 000 trieb. Park Nam Ki, der frühere Leiter des Finanzkomitees der Arbeiterpartei, wurde für die ge- scheiterte Währungsreform zusammen mit dem damaligen Finanzminister Mun Ik Bong kurzerhand exekutiert.
20 Die schwierige Ankunft in der Moderne Seit 2013 ist aber der Schwarzmarktpreis des Won auf hohem Niveau er- staunlich stabil geblieben und pendelt seitdem zwischen 8000 und 9000 Won zum US-Dollar, um die 11 000 zum Euro und etwa 1200 zum Yuan (Stand Ende 2018). Die Reispreise am Schwarzmarkt hielten sich seitdem ebenfalls bei um die 5000 Won pro Kilo. Zentrum dieser Schattenmärkte sind die halbprivaten Märkte, allen voran der Tongil-Markt in Pjöngjang. 2018 war der offizielle Wechselkurs des Won zum US-Dollar, angeschrie- ben in den Hotels, um die 130, sowie 150 zum Euro und 20 zum Yuan. Die- ser Kurs wird aber außer bei Touristen kaum irgendwo angewendet. Berichte nordkoreanischer Überläufer besagen, dass der Anteil der Menschen, die den Yuan und nicht mehr den Won benutzen, seit 2013 von etwa 23 Prozent auf 52 Prozent gestiegen ist. Für größere Anschaffung wie zum Beispiel Autos wird von denen, die dazu Zugang haben, der US-Dollar verwendet, und Ersparnisse werden auch fast nur mehr in Fremdwährung gehortet. Die südkoreanische Zentralbank hat den nordkoreanischen Won zuletzt als ›tote Währung‹ be- zeichnet. Touristen können sich mit Originalgeld in Nordkorea kaum etwas kaufen. Bislang handelte es sich ohnehin um eine Art Kunstgeld, da die meisten Be- züge der nordkoreanischen Arbeiter, Beamten und Militärs in Bezugsschei- nen ausgegeben wurden, die eine weitere Schattenwährung darstellten. Mit der Krise in der Industrie und Landwirtschaft und seiner schwächelnden Kaufkraft hat der Won eigentlich seine Bedeutung eingebüßt. Von den durchschnittlichen Gehältern, die nach der Abwertung des Won erhöht wurden und in der Regel ungefähr 500 Won (einfacher Arbeiter), 2000 Won (zum Beispiel Reiseleiter oder Arbeiter), 4000 Won (Facharbeiter), 7000 Won (Uniprofessor), 8000 Won (pensionierter General) und 10 000 bis 20 000 Won (höherer Parteiangestellter) ausmachen, gingen minimale – symbolische – Beträge für Miete und Heizung und für billige, staatlich gestützte Grundnahrungsmittel und Kleidung drauf, der Rest wurde auf ein staatliches Bankkonto getragen, daheim gelagert oder – wo immer möglich – in ausländische Währung (chinesische Yuan, japanische Yen, US-Dollar, mittlerweile Euro) umgetauscht. Nunmehr aber sieht die Situ- ation anders aus. Durch den neuen Wechselkurs und die höheren Preise auf den halbprivaten Märkten sollen den Nordkoreanern ›Anreize‹ für Mehrleistungen in der Arbeit gegeben werden. Die Regierung beharrt darauf, dass dies nicht als Hinwendung zum Kapitalismus interpretiert werden dürfe, sondern vielmehr als ›Vervollkommnung‹ des Kommunismus. Noch fehlen die Erfahrungen, wie sich dieses Währungsexperiment auf die Wirtschaft auswirkt, allerdings kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die politisch Verantwortlichen in Nordkorea teilweise einer ziemlichen Naivität unterliegen. Eine Preiserhöhung, der ein immer stärker schwindendes Warenangebot gegenübersteht, das zudem durch mehr Importe ausgeglichen wird, muss zwangsläufig zu Inflation und einem steigenden Handelsbilanzdefizit führen. Ändert sich diese Politik nicht, ist die nächste Wechselkurskorrektur nur eine Frage der Zeit, und die Sehnsucht der Nordkoreaner nach ausländischer Währung wird immer größer. Eine ähnli- che Entwicklung konnte man in Kuba beobachten – mit dem Resultat der kom- pletten Freigabe des US-Dollar.
Warum nach Nordkorea reisen? 21 Warum nach Nordkorea reisen? Reisen in Nordkorea ist mit gewöhnlichen Aufenthalten in fremden Ländern nicht zu vergleichen. Die Bewegungsfreiheit des Touristen ist nach wie vor erheblich eingeschränkt. Schließlich handelt es sich bei der ›Demokratischen Volksrepu- blik Korea‹ um eines der am meisten abgeschotteten Länder der Welt, das Besu- cher seit 1989 aus zwingender Notwendigkeit wegen dringenden Devisenbedarfs ins Land lässt. Dementsprechend rigide gestaltet sich der Aufenthalt selbst: Sich als Fremder frei – das heißt, ohne Begleitung eines staatlichen Touristenführers, sprich, Aufpassers – in Nordkorea zu bewegen, ist zumindest ausserhalb Pjöng- jangs unmöglich. Ein gut organisierter Apparat an solchen gut geschulten ›Rei- seführern‹ ist der ständige Begleiter des Ausländers. Individuelle Ausflüge ohne Begleitung sind bis auf geringfügige Ausnahmen nicht möglich. Und wer sich nicht an diese Regeln hält, bekommt in aller Regel Schwierigkeiten bis hin zu ei- ner zwangsweisen Ausweisung oder zumindest einem Verhör mit strenger Rüge. Dennoch sollen diese Repressalien kein Grund sein, nicht nach Nordkorea zu kommen. Zum einen handelt es sich um ein landschaftlich wunderschönes Land, zum anderen ist es auch für den politisch Desinteressierten eine spannende Er- fahrung, die Kuriositäten eines in Auflösung befindlichen, autoritär geführten Staatssozialismus stalinistischer Prägung in der Gegenwart zu erleben. Dafür lohnt es sich, Bürokratie und Reiseeinschränkungen in Kauf zu nehmen sowie sich gewisse Verhaltensregeln zu eigen zu machen, die verhindern sollen, dass man unangenehme Bekanntschaft mit der Staatsgewalt macht. Lobby des Hotels Yanggakdo International in Pjöngjang
22 Die schwierige Ankunft in der Moderne Reisebusse der KITC Eine Reise nach Nordkorea ist heute an und für sich kein Problem, sofern man nicht Bürger Südkoreas oder der USA ist. US-Bürgern waren Reisen ins Land 2018 auf Weisung von Präsident Donald Trump untersagt worden, Süd- koreaner brauchen nach wie vor die Genehmigung beider Regierungen, wenn sie nach Nordkorea reisen wollen. Grundsätzlich muss eine Reise von der staat- lichen Reiseagentur KITC (→ S. 226) oder ihren diversen Suborganisationen genehmigt werden – und über keine anderen. Dies übernimmt mittlerweile die steigende Zahl von auf Nordkorea spezialisierten Reisebüros, oder man kann es auch selbst erledigen, wenn man die Geduld dazu hat. Mit der Einladung der KITC erhält man dann ein Visum von einer nordkoreanischen Botschaft in sei- nem Residenzland. Alle Nationen der Welt benötigen ein Visum für Nordkorea, ausgenommen Chinesen auf Tagestour in die nördliche Grenzstadt Sinuiju, für die eine ID-Karte ausreicht, Diplomaten aus 20 befreundeten Ländern und russische und chinesische Besucher der Sonderwirtschaftszone Rason (Stand: Ende 2018). In 2009 erlaubte Nordkorea Staatsbürgern aus Malaysia als erstem Land welt- weit die visafreie Einreise, gefolgt von Singapur. Das bedeutete aber nicht, das Besucher aus beiden Ländern ungehindert im Land herumreisen durften, son- dern sie mussten sich wie alle anderen einer Reisegruppe anschließen oder ei- ne genehmigte Einzeltour mit Reiseführung beantragen. Die Visafreiheit wurde 2016 beziehungsweise 2017 beendet. Besucher in Nordkorea sind zumeist Gruppen individuell interessierter Reisen- der, aber zugenommen haben auch Wirtschaftsdelegationen durch die langsame Öffnung der Sonderwirtschaftszonen für ausländische Unternehmen. Andere Besuche betreffen Sport- und Kulturdelegationen, Studienaufenthalte, Wissen- schaftsmeetings und ein paar Verwandtentreffen. Auch Einzelreisende wagen sich zunehmend in das abgeschottete Land, gelegentlich werden auch Journa- listen oder Fotoreporter eingelassen, die allerdings einer besonders aufmerksa- men Kontrolle ausgesetzt sind. Solch eine seltene Gelegenheit in jüngster Ver-
Nordkoreaner im Ausland 23 gangenheit war zum Beispiel die Präsentation einer Prachtstraße in Pjöngjang im April 2017 für ausländische Medienleute als Propagandacoup oder die Inspekti- on einer geschlossenen Nukleartestanlage in der jüngsten Tauwetterphase. Hilfs- organisationen haben sich nach den großen Aktionen während der Flut- und Hunger- katastrophen in den 1990er Jahren teilweise wieder aus Nordkorea zurückgezo- gen, bekamen aber durch den Dürresommer 2018 wieder neue Aufgaben. Nordkoreaner im Ausland In umgekehrter Richtung findet wenig Grenzverkehr statt. Nordkoreanern ist es von ihrer Regierung grundsätzlich nicht freigestellt, ins Ausland zu reisen, nicht einmal in andere Provinzen im eigenen Land. Ausnahmen gelten für Dip- lomaten, Auslandsstudenten, Geschäftsleute und andere privilegierte Personen. Wurden Beamte und Techniker früher zur Ausbildung nach Moskau geschickt, sind heute Peking und Hanoi die Ziele. Nach Macao zieht es nordkoreanische Oligarchen auf Air-Koryo-Charterflügen gelegentlich zur ›alternativen Veran- lagung‹ dunkler Gelder. Die vorübergehende Visafreiheit for Malaysia und Singapur war wechselsei- tig. Seit 2009 konnten Nordkoreaner ohne Visum und weitere Kontrollen nach Malaysia und Singapur reisen, was weidlich für die Errichtung von Tarnfirmen für den Güterhandel zur Umgehung der Sanktionen genutzt wurde. Singapur beendete die Regelung 2016 einseitig nach der Aufdeckung solcher Tarnfirmen und anderer Umtriebe des nordkoreanischen Geheimdienstes im Stadtstaat, und Malaysia stoppte es nach dem Attentat auf Kim Jong Nam in Kuala Lumpur im Februar 2017, das die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern schwer belastete. Visumfrei dürfen Nordkoreaner nur mehr nach Weißrussland, Kirgistan, Ecuador, Haiti, Gambia, Guyana und ein paar kleinen Karibik- und Pazifikstaaten reisen, während ein paar Länder, darunter Iran, Georgien, Arme- nien, Jordanien, Bangladesh, Sri Lanka, Kambodscha, Laos, Nicaragua, Nepal, Ost-Timor und einige afrikanische Staaten sowie die chinesische Sonderverwal- tungszone Macao weiterhin Visa bei der Ankunft ausstellen (Stand: Ende 2018). Interessanterweise verlangen China und Nordkorea wechselseitig von Reisenden ein von Botschaften oder Konsulaten ausgestelltes Besuchervisum. Für Nordkoreaner, die aus dem Land flüchten wollen, haben sich die Bedin- gungen verschlechtert. Kostete früher die Bestechung eines nordkoreanischen Grenzsoldaten an der Grenze zu China gemäss NGO-Berichten etwa 50 000 Won oder 16 US-Dollar nach Schwarzmarktkurs – ein mehrfacher Monatslohn eines nordkoreanischen Fabrikarbeiters –, so verlangen die Grenzer zunehmend mehr Geld und Dinge wie Elektronikartikel oder Mobiltelefone für sich selbst und ih- re Vorgesetzten, damit sie bei einer Fluchtaktion über den Tumen- oder Yalu- Fluss weggucken. Auch hat China seine eigenen Grenzkontrollen verschärft und schickt ertappte Flüchtlinge erbarmungslos wieder nach Nordkorea zurück, wo sie dann in den zahlreichen Arbeitslagern an der Grenze darben müssen. Die Zahl der Flüchtlinge liegt laut südkoreanischen Regierungsangaben bei mehr als 1000 pro Jahr, das sind zumindest solche, die letztendlich in Südkorea eintreffen. Die Dunkelziffer jener, die sich in China versteckt halten oder erfolglos die populären
24 Die schwierige Ankunft in der Moderne Routen durch China zu den südkoreanischen Botschaften in Bangkok oder Ulan Bator versuchen, wird auf bis zu 200 000 Personen geschätzt. Viele leben als U-Boot in China, bis sie aufgedeckt werden, oder werden Opfer von Menschen- schmuggel oder anderer Formen von Ausbeutung. Seit Gründung der Volksre- publik sollen insgesamt vier Millionen Menschen das Land verlassen haben. Sonderwirtschaftszonen und Tourismus Gleichzeitig hat Nordkorea in den letzten Jahren am Ausbau seiner Sonderwirt- schaftszonen gearbeitet. Auf diese Weise soll in kontrollierten Regionen von Devisen profitiert werden. Über die Effekte dieser Maßnahmen sind sich Be- obachter allerdings uneins, weil sich gezeigt hat, dass Investitionssicherheit für ausländische Unternehmen nicht gegeben ist. Beispiel dafür sind die Schließung der Tourismuszone in Kumgangsan 2008 und die Schließung und Wiedereröff- nung der Industriezone in Kaesong 2013 und deren endgültige Schließung 2016. Aktivitäten in letzterer wurden beendet als Folge eines diplomatischen Streits mit Südkorea wegen wiederholter Raketentests des Nordens. Kim Jong Un wies am Ende alle ausländischen Manager aus, rief seine 10 000 nordkoreanischen Arbeiter zurück und konfiszierte Fabrikanlagen und Warenlager. Die Schließung traf die südkoreanischen Firmen relativ hart: Sie büßten insgesamt 300 Millio- nen US-Dollar an jährlichem Umsatz und ihre Investitionen ein. Das Sondertourismusgebiet im Kumgang-Gebirge wurde ursprünglich von der südkoreanischen Hyundai-Konzerntochter Hyundai Asan erschlossen und erzeugte als eine Art touristische Enklave auf nordkoreanischem Boden eine prickelnde Disneyland-Stimmung für Kurzbesucher. Dem ›echten‹ Nordkorea begegnete man dort freilich nicht – fast die gesamte touristische Infrastruktur im Kumgang-Gebirge war neu errichtet und vom Rest Nordkoreas durch Zäu- ne und grimmige Wachen getrennt. Dennoch war es vor allem für Südkoreaner die einzige Möglichkeit, nordkoreanischen Boden zu betreten. Hyundai hat den Nordkoreanern jährlich zwölf Millionen US-Dollar an Nutzungsgebühren für das Kumgang-Resort überweisen und wurde dabei auch von der südkoreani- schen Regierung mit Steuergeldern unterstützt. Dass dies mitunter brenzlig sein konnte, zeigte sich anhand des tragischen Schicksals des früheren Hyundai-Asan- Chefs Chung Mong Hun, Sohn des 2001 verstorbenen Konzerngründers Ju-Yung Chung. Mong Hun wurde illegaler Zahlungen in Höhe von rund 100 Millionen US-Dollar verdächtigt, die er aus der Konzernkasse an Nordkorea geleitet haben soll, um sich dort das Wohlwollen der Führung für diverse Projekte, darunter auch Kumgangsan, zu erkaufen. Die Zahlungen wurden in der Hyundai-Bilanz verschleiert. Als die südkoreanischen Finanzinspektoren deswegen Ermittlun- gen aufnahmen und die Vorwürfe publik wurden, stürzte sich Chung Mong Hun 2003 vom zwölften Stock der Hyundai-Firmenzentrale in Seoul in den Tod. In seinem Abschiedsbrief bat er darum, dass seine Asche über dem Kumgang- Resort im Norden verstreut werden solle. Wie erwähnt, ist die Kumgangsan-Tourismuszone nach einem Schusszwi- schenfall seit 2008 geschlossen, ihr Erbe wird höchstwahrscheinlich die neue Wonsan-Mt. Kumgang International Tourist Zone antreten, an der derzeit gebaut
Sonderwirtschaftszonen und Tourismus 25 Land und Leute Im Kumgang-Gebirge
26 Die schwierige Ankunft in der Moderne wird. Andere wichtige Sonderwirtschaftszonen sind die Rason Economic and Trade Zone (vormals Rajin-Sonbong Economic Special Zone) and der Nordost- grenze zu Russland, die Sinuiju-Freihandelszone im Nordwesten an der chine- sischen Grenze und die neu geschaffene Unjong High-Tech Development Zone außerhalb von Pjöngjang. Eine weitere Tourismuszone in der Nähe des Paekdu- Vulkanes, der in der nordkoreanischen Folklore als ›heiliger Berg der Revolution‹ verehrt wird, ist in Planung, und auch noch eine zusätzliche Freihandelszone in Kyongwon hoch im Nordosten an der chinesischen Grenze. Näheres dazu im Kapitel ›Sonderwirtschaftszonen‹, → S. 206. Einreisemöglichkeiten In der letzten Zeit haben sich auch immer mehr Einzelreisende nach Nord- korea gewagt, die von relativ unkomplizierten bürokratischen Prozeduren bei den Reisevorbereitungen mit der KITC (→ S. 226) berichteten. Beliebter geworden ist vor allem der Ein- oder Ausreiseweg per Bahn über den Grenzort Sinuiju mit dem Zug von Moskau, Ulan Bator, Peking oder Shenyang. Von dort führt die Zugstrecke rund 600 Kilometer direkt nach Pjöngjang weiter. Gerade die Beob- achtungen, die man in Sinuiju und dem gegenüberliegenden chinesischen Gren- zort Dandong machen kann, werfen ein interessantes Licht auf die Teilung, die es auch zwischen einem (ex-?)kommunistischen Land wie China und einem extremsozialistischen wie Nordkorea gibt. Sinuiju wurde im Mai 2013 teilweise für ausländische Touristen, die von China kommen, geöffnet. Chinesen war es schon über Jahre erlaubt, von Dandong nach Sinuiju überzusetzen, was für einen florierenden Grenz-Schwarzmarkt Abflug von Peking
Einreisemöglichkeiten 27 sorgt. Ausländer, nicht aber Inhaber von US-amerikanischen, südkoreanischen oder japanischen Pässen, können nun Tagestrips mit Übernachtungsoption bei Agenturen in Dandong buchen. Allerdings dauert die Bearbeitung des Reise- und Visaantrags rund zehn Arbeitstage. Mittlerweile wird neben Reisegruppen auch Einzelpersonen die Einreise gestattet. Computer, Mobiltelefone, Tablets, Smartphones, USB-Speicherkarten, Kameras mit GPS-Funktion, jedwede süd- koreanischen Produkte und südkoreanische Währung sind nicht erlaubt, auch nicht Ferngläser, ›feindlich gesinnte‹ oder religiöse Publikationen. Als Orien- tierungshilfe: Der Tagestrip von Dandong kostete 2018 bei Koryo Tours in der Gruppe rund 250 Euro pro Person (in bar) und 185 Euro für die Übernachtungs- Verlängerung, für Einzelreisende oder Paare kamen jeweils rund 50 bis 75 Euro pro Person dazu. Bei Young Pioneer Tours kostete die Tagesgruppentour 165 Euro und die Zwei-Tagestour 275 Euro, bezahlbar in Yuan. Von Einzelreisenden wurde umgerechnet etwa 400 Euro für zwei Tage verlangt (→ S. 219). Abgesehen von Sinuiju und dem Flughafen in Pjöngjang sind die Zugangs- wege nach Nordkorea nicht besonders vielfältig. Von Südkorea kommt man als Tourist nicht hinein. Die Schiffsverbindung von Niigata (Japan) nach Won- san (Nordkorea) ist nicht für Westtouristen gedacht, man kann es aber über die KITC versuchen. Die Anreise aus Russland (Wladiwostok) durch die Sonder- wirtschaftszone Rason ist eher unüblich und sicherlich mit Schwierigkeiten be- haftet, zumal die Weiterreise durch die hochsensible Nordostregion des Landes führt, in die Touristen normalerweise keinen Blick werfen dürfen. Das hat da- mit zu tun, dass etwas weiter südlich in der Provinz Kilchu (Nordhamgyong) ein riesiges militärisches Areal liegt, in dem sich unter anderem Abschussram- pen der berüchtigten Taepo-dong-Raketen finden. Auch liegt dort in der Nähe, in Hwadae-ri, das Atomtestgelände, auf dem wiederholt umstrittene Atombom- bentests durchgeführt wurden, 2010 sogar angeblich im Auftrag des Iran. Zwar gibt es Zugtouren von Pjöngjang in den hohen Norden, die umgehen diese Ge- biete aber weitläufig. Es bleibt der Einfachheit halber die übliche Anreise mit der Air-Koryo-Tu- polew mit der Flugnummer JS152, zur Zeit jeden Dienstag und Samstag um 13.05 Uhr und jeden Montag und Freitag um 12 Uhr ab Peking, neuerdings auch donnerstags mit der Flugnummer JS252 um 14 Uhr. Im regulären Programm sind auch die Routen Pjöngjang–Shenyang, Pjöngjang–Schanghai und Pjöng- jang–Wladiwostok. Flüge nach Macao, Bangkok, Kuala Lumpur und Singapur werden von Air Koryo nicht mehr bedient, aber Charterflüge nach Guangzhou, Zhengzhou, Dalian, Harbin, Dandong und Yanji. Weitere Charterverbindungen nach Chengdu und X’ian sind geplant. Frühere reguläre Flüge nach Islamabad (Pakistan) wurden eingestellt, ebenso der 2011 gestartete, wöchentliche Lang- streckenflug nach Kuwait City. Verbindungen nach Berlin, Zürich, Moskau und mehreren anderen russischen Städten, mit ehemaligen osteuropäischen Bruder- staaten und nach Japan wurden ebenfalls eingestellt, zumeist wegen Wirtschafts- sanktionen oder wegen abgekühlter Beziehungen. Ab und zu fliegt ein Charter nach Seoul, wenn das politische Klima stimmt. Im Oktober 2012 wurde ein Internet-Buchungssystem von Air Koryo auf der Homepage www.airkoryo.com .kp eingeführt. Man kann als Ausländer einen Flug online buchen (Peking–Pjöng-
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