Aus dem Leben von Albert Baumann - Oeschberg
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Aus dem Leben von Albert Baumann Die Gründung der Gartenbauschule Oeschberg ist eng mit der Persön- lichkeit ihres langjährigen Fachlehrers Albert Baumann (1891–1976) verbunden. Vielen ist Baumann als «chnorziger» Fachlehrer in Erin- nerung geblieben, doch nur wenige wissen, dass der stille und un- ermüdliche Gartenarchitekt in den 1920er-Jahren zu den führenden Persönlichkeiten der Schweizer Reformgartenbewegung zählte. Text: Steffen Osoegawa, Gartenhistoriker, Dipl. Ing. (TU) Landschaftsarchitekt, NDS Denkmalpflege und Bauforschung Bilder: Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur (ASLA) 1 | Interkantonale Gartenbauschule Wädenswil: November-Arbeit «Bäuerlicher Hausgarten», gez. Albert Baumann, Nov. 1913. 1 Albert Baumann wurde am 16. Juni in keiten, die das stetige Repetieren natur Arbon als viertes von fünf Kindern des alistischer Ornamente im Sinne des Art Bandwebers Konrad Baumann (1850- Déco zur Stilform der Schule erhoben. 1925) und seiner Frau Susanna (1851- Im Unterricht war die Natur das nie ver 100 Jahre Gartenbauschule 1927) geboren. Die Familie prosperierte siegende Vorbild für Farbe und Form, Oeschberg am wirtschaftlichen Hoch der Ost ihr Studium Grundlage allen Schaffens. Aus Anlass des 100-Jahre- schweizer Textilindustrie. So lag es nahe, Im Pflanzenstudium waren die Schüler Jubiläums der Gartenbauschule dass Sohn Albert den väterlichen Beruf angehalten, die Gesetzmässigkeiten des Oeschberg (GSO) bringt dergar fortführen sollte. Schon früh wusste der Pflanzenbaus abstrahierend in ihren tenbau eine Artikelserie über Vater auch um dessen zeichnerische Be Zeichnungen umzusetzen. Hier entwi das Leben und Werk von Albert gabung, weshalb er den 15-jährigen nach ckelte Baumann seinen Zeichenstil zu Baumann, der als Fachlehrer für dem Sekundarschulabschluss an die einer ersten Reife, die an der Schule Gartengestaltung und Gartenar Stickerei-Zeichnungsschule St. Gallen nicht nur graphisch überzeugte, son chitekt das Renommée der GSO sandte. dern auch formal und ästhetisch nach prägte. Im 1.Teil richtet sich der wirkte. Der stilgebundene Rhythmus, Fokus auf die Lehr- und Wander Alberts Ausbildung als Ornamentzeich wie Baumann es später selbst bezeich jahre, Teil 2 würdigt das garten ner dauerte zwei Jahre und endete im nete, prägte fortan sein gartenkünstle architektonische Werk, im dritten September 1909. Die Zeichnungsschule risches Schaffen. Ästhetisch lernte der Teil werden Lehre und Lehmittel stand zu jener Zeit unter dem geistigen junge Schüler die Reduktion einer Sache beleuchtet. Einfluss des Malers Emil Nolde (1867- auf ihren Kern und den Verzicht auf un 1956) und weiterer Künstlerpersönlich nötige Zier. 22 dergartenbau Ausgabe 21/2020
LANDSCHAFTSARCHITEKTUR Baumanns zweijährige analytische wie ler das saubere geometrische und kon Rothpletz mochte seinen Angestellten und dekorative Betrachtung der Pflanze struktive Zeichnen von einfacher und förderte ihn nach Kräften. Er ermöglichte weckte in ihm den Entschluss, eine Gärt fortschreitend schwieriger Art. Blum ihm die Annahme der seit längerem va nerlehre zu ergreifen. Doch war er nicht berger akquirierte für den Unterricht kanten Stelle eines Fachzeichners für an einer handwerklichen Lehre in einem Gartenanlagen, welche die Schüler auf Gärtner an der Gewerbeschule Zürich, Betrieb interessiert. Vielmehr strebte er massen und die erstellten Situationsplä womit er die entscheidenden Weichen für eine Ausbildung an, die dem Entwurf einen ne als Grundlage für eigene Entwürfe dessen weiteren Lebensweg stellte. Roth grossen Stellenwert beimass, wofür sich nahmen. Abschliessend erarbeiteten die pletz bot Baumann Hand, sich in verschie in der Schweiz einzig die Ecole Schüler Anpflanzungspläne, Erläute denen Kursen an der ETH im Modellbau d’Horticulture Châtelaine bei Genf anbot. rungsberichte und Kostenvoranschläge. und der Fotografie weiterzubilden. Auch Der Winterunterricht stand ganz im Zei wurde der junge Gartenarchitekt mit zu Eintritt in die Welt der Gärtner chen der Schweizerischen Landesaus nehmend anspruchsvolleren Entwürfen Bei seiner Ankunft im März 1909 traf stellung in Bern, wo Blumberger und zu reformorientierten Grünanlagen in den Baumann auf weitere Deutschschweizer seine Schüler an verschiedenen Wettbe Arbeiterquartieren der Stadt betraut, Mitschüler. Eine besondere Freundschaft werben teilnahmen, so am Entwurf des etwa der Josephswiese im Industriequar verband ihn rasch mit Walter Leder Berner Rosengartens. Baumanns Bei tier, dem Landenbergpark in Wipkingen (1892–1985), der sich im zweiten Jahr der trag für die Gestaltung eines Alpinums oder Spielplätzen an der Ottiker- oder 3 2 | Interkantonale Gartenbauschule Wädenswil: Dezember-Arbeit «Garten des Direktor Stüssi in Wädenwil: M.1:100, gez. Baumann, Dez. 1913. 2 3 | Stickerei-Zeichnungsschule St. Gallen: Ornamentstudie Schnee beere, gez. Albert Baumann, 1907. Ausbildung befand. Mit Leder verbrachte wurde mit dem ersten Rang und mit Baumann auch ausserhalb des Unter einer Gold- und Ehrenmedaille für Ge richts die meiste Zeit, so auf Ausflügen für staltung und Bepflanzung prämiert. gemeinsame Zeichenstudien. Als junger Gartenarchitekt im Garten- Feldstrasse. Die Neumünsteranlage in Nach erfolgreichem Lehrabschluss bauamt Zürich Riesbach sollte die zu Kriegszeiten einzige diente Baumann im Winter 1912/13 der Unmittelbar nach seinem Examen fand von Baumann realisierte grössere Park Baumschule Vilmorin in Verrières-les- Baumann Anstellung im Gartenbauamt anlage in Zürich bleiben. Buisson als Gärtnergeselle. Die anstren Zürich. Garteninspektor Gottlieb Friedrich gende, oft abendlange Arbeit missfiel ihm Rothpletz (1864-1932), welcher der Auf Im Laufe der Zeit verstand es Baumann jedoch enorm. Baumann bemühte sich sichtskommission der Gartenbauschule immer besser, die reformorientierten darum um raschmögliche Heimkehr in die vorstand, schien von den gestalterischen Vorgaben von Rothpletz in realisierbare Schweiz und Aufnahme an der interkanto Leistungen seines jungen Eleven über Projekte zu verwandeln. Dabei entwi nalen Gartenbauschule auf Schloss Wä zeugt. Der junge Gartenarchitekt wurde ckelte er sich rasch zu einem hervorra denswil, deren Zusage ihn anfangs Febru einer kleinen Gruppe von Zeichnern zu genden Entwerfer, dessen Projektdar ar 1913 erreichte. geteilt, deren Aufgabe es war, Ideen und stellungen, Perspektiven und Modelle Vorstellungen ihres Chefs plangrafisch den gestalterischen Auftritt der Stadt Baumann traf hier auf den Kölner Garten umzusetzen. Darüber hinaus war es ins gärtnerei prägten. Baumann schien sogar architekten Wilhelm Blumberger (*1873), besondere Baumann möglich, seinem als Adjunkt im Gespräch gewesen zu sein, Fachlehrer für das Zeichnen von Plänen Vorgesetzten eigene Vorschläge zu prä als er nach fünf Jahren Anstellung über und Entwürfen. Bei ihm lernten die Schü sentieren. raschend auf den 1. April 1919 kündigte. dergartenbau Ausgabe 21/2020 23
1915 im Steglitzer Büro des Gartenarchi tekten Ludwig Lesser (1869-1957) arbei tete. Lesser stand seinem wissbegierigen Gast interessiert gegenüber, und Lesser war es auch, der die beiden Freunde nach Hamburg in das Atelier von Lebe recht Migge (1881-1935) schickte. Die Einladung erfolgte per Telegramm: «Schmutziges Atelier – Leinenbettwäsche nach Hamburg bringen. ++Migge++» Nach dem Treffen blieben Migge und Baumann in Freundschaft verbunden, wie ein Be such des Schweizers in der Künstlerkolo nie Worpswede 1926 belegt. 4 Im Sommer 1920, nach der Heimkehr aus Frankreich, erfuhr Baumann von seiner Wahl zum Fachlehrer für Gartengestal tung. Seiner Berufung ging eine Empfeh lung der bernischen Aufsichtskommission voraus, derzufolge es für eine neu zu grün dende Gartenbauschule keinen besseren Lehrer als Albert Baumann gäbe. Direktor Walter Erb erinnerte sich 1957: «Als ich die Stelle des Direktors [...] antrat, musste ich mich sehr beeilen, zwei tüchtige Lehrer für die Hauptfächer im Gartenbau nach Oeschberg zu verpflichten.[…] Herr Emil Albrecht, damaliger Stadtgärtner und Mit 5 glied der Aufsichtskommission von Oeschberg, machte mich auf Herrn Albert Baumann, Gartentechniker am Garten 4 | Interkantonale Gartenbauschule bauamt der Stadt Zürich, aufmerksam. Ein Wädenswil: Klassenfoto im Hof persönlicher Besuch bei A. Baumann in Schloss Wädenswil, Albert Bau- mann obere Reihe, Bildmitte. Zürich genügte, um diese gartenbauliche 6 Kraft nach Oeschberg zu gewinnen.» 5 | «Schweizerische Landesausstel- lung Bern 1914: «I. Preis für Alpen- Als freischaffender Gartenarchitekt Direktor Erb besuchte Baumann somit pflanzen : Ehrenpreis & Goldmedail- Überraschend, denn Baumann stand ohne noch zu dessen Anstellungszeit in Zürich, le für Alpengarten.» vergleichbare berufliche Perspektive da, was den Schluss erlaubt, dass Baumann wie sie ihm unter Rothpletz gegeben war. bereits im Frühjahr 1919 zum Fachlehrer Gartenbauamt Zürich: Friedhof - In der von der Spanischen Grippe und Jah in Oeschberg bestimmt wurde. Diese The Neumünster - Anlage (vorher-nach- re der Not und Entbehrens geprägten se erklärt den ansonsten wenig verständ her), Projekt ausgeführt nach Ent- Nachkriegszeit trat der junge Gartenar lichen Kündigungstermin Baumanns wie wurf Albert Baumann (1917/18) .. chitekt weder eine neue Stelle an, noch der Tatsache, dass er trotz geringer Er war er um Anstellung bemüht. Er wählte sparnisse und ausgedehnter Reisen keine die Tätigkeit des freischaffenden Garten Not litt. Sicherte ihm der Staat Bern be architekten und betreute für das Büro von reits eine finanzielle Überbrückung zu, Archiv für Schweizer Land- Fritz Oertly in Ennenda GR dessen Zürcher damit sich Baumann auf seinen Unterricht schaftsarchitektur Kunden, denen Baumann noch bis Ende in Gartentechnik, -gestaltung und angren Mit dem Erwerb des umfang der 1920er-Jahre mit eigenen Hausgar zenden Fächern vorbereiten konnte? reichen Nachlasses von Albert tenentwürfen verbunden blieb. Seine Baumann wurde 1981 die Stiftung A rbeit für Oertly war mit tage- und wo Mit seiner Anstellung in Oeschberg betrat Archiv für Schweizer Gartenarchi chenweisen Unterbrüchen verbunden: In Baumann nicht nur in beruflicher Hinsicht, tektur und Landschaftsplanung den Wintermonaten 1919/20 unterrichtete sondern auch privat einen neuen Lebens gegründet. Daraus ist das heutige er an zwei Tagen der Woche an der Gewer abschnitt. Direktor Erb machte ihn mit Archiv für Schweizer Landschafts beschule, während er in den Sommermo seiner Schwägerin, Damenschneiderin architektur ASLA an der Hoch naten 1920 Studienreisen nach Deutsch Lydia Wehrli (1882–1943) aus Winterthur schule Rapperswil (heute OST land und Frankreich unternahm. bekannt. Nach ihrer Verlobung folgte Ly Ostschweizer Fachhochschule) dia ihrem Albert nach Oeschberg, wo die hervorgegangen. In Berlin traf er wieder mit seinem alten beiden im engeren Kreise am 27. Oktober Freund Walter Leder zusammen, der seit 1923 im Berner Münster heirateten. | 24 dergartenbau Ausgabe 21/2020
Der Gartenarchitekt Baumann Im zweiten Teil über das Leben von Albert Baumann (1891–1976) wird eine weniger bekannte Rolle des langjährigen Fachlehrers der Gar- tenbauschule Oeschberg beleuchtet. Der Gartenarchitekt profilierte sich in den 1920er-Jahren als eine der führenden Persönlichkeiten der Schweizer Reformgartenbewegung. Text: Steffen Osoegawa, Gartenhistoriker, Dipl. Ing. (TU) Landschaftsarchitekt, NDS Denkmalpflege und Bauforschung Bilder: Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur (ASLA) 1 | Plan für die Parkanlange der Gartenbauschule Oeschberg (1920/21) mit axialsymmetrischer Gestaltung in Hausnähe und land schaftlicher Formgebung des Arbo retums. Bild 3 zeigt den Seerosen teich vor dem Schulgebäude im Bau. 1 Wenige Tage vor seiner Abreise von ten, der laut Baumann mit gegenwärtig Zürich nach Oeschberg erreichte Al- gebräuchlichen Bau- und Pflanzenmate- bert Baumann die Aufforderung, einen rialien ausgeführt werden sollte. Vorschlag für den Schulgarten vorzule- gen. Dieser sei anfangs November der Aufgrund der knapp bemessenen Zeit 100 Jahre Gartenbauschule Aufsichtskommission zu übergeben, um musste sich Baumann von Beginn an über Oeschberg in einem feierlichen Akt beschlossen zu ein mögliches Vorbild im Klaren gewesen Aus Anlass des 100-Jahre- werden. Die Zeit drängte. Baumann traf sein. Seinem Entwurf dürfte am ehesten Jubiläums der Gartenbauschule am 19. Oktober 1920 in Oeschberg ein. In die Staudengärtnerei Karl Foerster in Oeschberg (GSO) bringt dergarten- den folgenden Tagen wurde eine genaue Potsdam-Bornim zugrunde liegen, die er bau eine Artikelserie über das Le- Situation des Terrains aufgenommen, ein im Sommer 1919 auf seiner Reise nach ben und Werk von Albert Baumann, Aufnahmeplan erstellt. Schon eine Woche Berlin besuchte. Wie in Bornim gestaltete der als Fachlehrer für Gartenge- später genehmigte die Aufsichtskommis- Baumann die Gesamtanlage in Hausnähe staltung und Gartenarchitekt das sion das Gartenprojekt. Baumann hatte streng axialsymmetrisch, das entfernt Renommee der GSO prägte. nach eigenen Worten den Entwurf für die gelegene Arboretum als Spaziergang und Im ersten Teil Gartenbauschule in weniger als sieben landschaftlich. Die einzelnen Gartenpar- (21/2020) richtete Tagen fertiggestellt. tien stattete Baumann ähnlich der Borni- sich der Fokus mer Anlagen aus, so etwa das Herzstück auf die Lehr- und Aus den Vorgaben der Aufsichtskommis- der Anlagen, der Teichgarten mit seinen Wanderjahre. sion erachtete der Gartenarchitekt eine in Beton erstellten Pergolen. Teil zwei würdigt architektonische Gartengestaltung als die das gartenar- am besten geeignete Lösung. Die traditio- Im Frühjahr 1921 begann die erste Jahres- chitektonische Werk, im dritten nelle Barockform des Schulgebäudes klasse mit der Ausführung der Garten- Teil werden Lehre und Lehrmittel sollte wegleitend werden für die Form anlagen. Zur Kostenersparnis war vorge- beleuchtet. gebung der Hauptlinien und Räume im sehen, dass den Hauptteil der Arbeiten die Garten. So entstand eine Art Barockgar- Oeschberger selbst leisten, doch nicht 22 dergartenbau Ausgabe 22/2020
Bild: A. Baumann /ASLA 2 3 4 2 | Wohngarten auf orthogonalem Grundriss: Garten Wälchli, Kirch berg (BE) (1937). 3 | Seerosenteich vor dem Schul gebäude im Bau (1921/22). 4 | Moderner Hausgarten, Ärztehaus Baer, Burgdorf (1929). 5 | Landhausgarten Gradmann, Zofingen (nicht genau datiert). 5 uneingeschränkt. Aufwendige Erdarbei- wurde durch das wachsende Interesse an oder Umgestaltungen von Friedhöfen, ten überliess die Schule einer grösseren der Gartenbauschule genährt. Allsonn- Schul-, Kirch- oder Ruheplätzen, deren Zahl Arbeitsloser unter der Leitung der täglich besuchten Reisegruppen und Ein- weitere Projektierung der Gartenbau- Lehrerschaft. Insgesamt zehn Jahre be- zelpersonen ihre Gärten. An manchen schule übertragen wurde. Baumann dürf- nötigten die Schüler der Jahresklassen Tagen fanden sich bis zu 600 Personen ein, te diese regelmässig seinen Schülern als und Winterkurse. Sie bewegten mehr als was die Schule an ihre Grenzen brachte. Monatsaufgabe weitergereicht haben. 7500 m3 Erde, erstellten rund 7100 m2 oder Den zur Ausführung bestimmten Entwurf 2,5 km Kieswege, errichteten mehrere Baumann war für den Kanton Bern uner- zeichnete Baumann ins Reine und über- Hundert Meter Trockenmauern, pflanzten setzlich geworden. Bereits 1921 beauf- gab ihn den Kommunen. rund 200 Alleebäume und Solitäre, Tau- tragte man ihn mit den Aussenanlagen sende von Heckenpflanzen, darunter rund weiterer neuer Schulen in Thun oder Lan- Für die stetig wachsende Zahl seiner Auf- 500 m Buchenhecken, Hunderte Gehölze genthal. Grosse Bedeutung nahmen auch traggeber entwarf der Gartenarchitekt für das Arboretum, säten 10 000 m2 Zier- die Anlagen der landwirtschaftlichen zunächst herrschaftliche Landhausgär- rasen aus und bepflanzten knapp 2000 m2 Strafanstalt Witzwil und ihrer Nebenge- ten. In deren Zentrum lag stets ein längs Beetflächen! bäude ein, die Baumann bis zu seiner axial auf das Wohnhaus ausgerichtetes Pensionierung eng betreute. 1933 baute Rasenkarree, an dessen Ende sich ein Baumanns prägendste Jahre der Kanton Baumanns beratende Tätigkeit Sitzplatz von halbrundem oder geschweif- Um die junge Gartenbauschule in der zu einer ständigen Einrichtung an der Gar- tem Abschluss fand. Gartenwege umlie- Schweiz bekannt zu machen, wünschte tenbauschule aus und ernannte ihn zum fen den Rasen, Hecken oder Blütensträu- Direktor Erb ausdrücklich jedes Engage- Experten für «gartentechnische und gar- cher begrenzten ihn. Die verbleibenden ment, das der Schule diente. Baumann tengestalterische Baufragen». In dieser Zwischenräume füllten Blumen- und betätigte sich als sachverständiger Exper- Funktion beriet er Kommunen und Kirch- Rosengärten, deren Grundrisse an bäuer te, Publizist und Vortragender. Seine Teil- gemeinden, die sich aufgrund der Wirt- liche Gärten erinnern. Sie ordneten sich nahme am Wettbewerb Waldfriedhof schaftskrise zu Arbeitsbeschaffungs- dem auferlegten orthogonalen Schema Rheinfelden (BL) brachte ihm 1924 den massnahmen veranlasst sahen. Aus den unter, während ihre Symmetrien ihrer- ersten Rang. Baumanns exzellenter Ruf Konsultationen resultierten viele Neu- seits Nebenachsen ausbildeten. Baum dergartenbau Ausgabe 22/2020 23
Plattenwege, Natursteinmauern und opulentes Staudenbunt waren für Bau- mann Gestaltungsmittel, die es in die zeitlos geltenden Grundprinzipien der Gartenmoderne einzubinden galt. Die Grosszahl seiner Wohngartenentwürfe blieb unbekümmert orthogonal und in Partien unterteilt. Und doch gab es zwei Momente in Baumanns Werk, die es ihm erlaubten, sich der freieren Form zu öff- nen. An der Solothurner Gartenbauaus- stellung 1933 begegnete er einem 6 Schaugarten, worin ein naturalistischer, von Naturplatten eingefasster Wasserlauf in ein Badebecken mündete. Baumann 6 | Motivgarten mit Quellstein, gefiel, was er sah («Alles zeigt Bewegung Bachlauf und Bassin, ohne Ortsan Kunstform, sondern Ausdruck seiner mit stark romantischer Färbung!»), denn gabe (1938). Weltanschauung, der Lebensreform, die er repetierte dieses Motiv bis weit in die es ihm ermöglichte, sich von vielen ihm 1940er-Jahre hinein. Er erkannte, dass die unlieben Konventionen zu befreien. Die Ausdrucksformen des Wohngartens Formlosigkeit des Naturalismus brach in nichts mehr als Sujets waren, für die er reihen, Obst- und später auch Nutzgärten seinen Augen mit der Moderne, der er den Begriff des Motivgartens prägte. vervollständigten den Entwurf. Die mit selbst so viel verdankte. pflanzlichen Mitteln in verschiedene Räu- In den späteren Jahren begegnete Bau- me aufgeteilten Landhausgärten waren «Die Prinzipien der Gartengestaltung – mann der «Neuen Landschaftlichkeit». zweckmässig organisiert und den Regeln Materialechtheit und gute Zweckgestal- Was ihr Gestaltungsansatz vom bisheri- des Reformgartens verpflichtet. tung – ändern sich nicht für den, der sie gen Wohngartenstil unterschied, war der richtig erfasst hat», richtete sich Bau- Einbezug der Landschaft. Es galt, die Mit der Weltwirtschaftskrise brach ihm mann noch 1945 an seine Schüler, und nahe Umgebung mit klaren Linien, doch die gehobene Kundschaft weg. An ihre weiter: «Neue Zeiten, neue Gebräuche, abstrahierend, nachzuzeichnen und durch Stelle traten mittelständische Einfamilien neue Architekturen, neue Gärten. In den Bodenmodellierungen oder geeignete hausbesitzer aus dem Emmental und klei- letzten 15 Jahren haben sich in der Aus- Pflanzungen in den Garten hineinflies neren Landstädten. Neu wünschte man gestaltung der Gärten tiefgehende Wand- sen zu lassen. Der neue Ansatz bot Bau- günstige Hausgärten auf schmal bemes- lungen vollzogen. [...] Die Linien, wie We- mann die Möglichkeit, eine gewisse Dis- senen Grundstücken, die weniger um- gekanten, Einfassungen, werden in feiner tanz zur klassischen Regelmässigkeit fangreich und anspruchsvoll waren. Art unterbrochen, naturalistische und zuzulassen. Er erlaubte ihm, seine Haus Baumann bearbeitete auch diese mit ornamentale Gartenflächen malerisch gärten besser an die gegebene Situation ungebrochenem Fleiss. Die Fülle der aufgelöst, der Raum mit Feingefühl den anzupassen, anstatt sie seinem Willen Aufträge führte Mitte der 1930er-Jahre topografischen Verhältnissen angepasst, nach zu überformen. dazu, seine Pläne vermehrt mit ausge- die Pflanze einzeln oder in Gruppen mehr wählten Ansichten zu illustrieren. Solche als früher individuell aufgefasst und ver- Baumann blieb zeitlebens von der Rich- Gartenpläne brachte er nicht mehr per- wendet. [...] [D]ie Gestaltungsgrundlagen tigkeit seiner reformorientierten Haltung sönlich vorbei, sondern versandte sie mit von gestern mussten nicht geändert wer- überzeugt – auch dann noch, als er dafür der Post. den, wohl aber die Ausdrucksform.» immer schärfer kritisiert wurde. In der Fachwelt – und schlimmer noch in der Baumann und der Schweizer Wohn Baumann wandte sich keineswegs strikt Gartenbauschule – mochte ihm kaum je- gartenstil gegen den neuen Wohngartenstil, so mand mehr folgen. Der Gartenarchitekt In den ersten Jahren seiner Lehrzeit wa- lange seine Gestaltung nur Ausdrucks- wurde als jemand angesehen, der provin- ren Baumanns Schüler kaum älter als er form blieb. Als eine Stilvariante ohne ziell und starrsinnig auf seiner Position selbst. Meist teilte er mit ihnen dieselbe weltanschaulichen Hintergrund war es verharrte. Tragisch muss für ihn der Lebenserfahrung. Doch als in den Dreissi- ihm durchaus möglich, die neue Zeit an- Bruch seiner Freundschaft mit Walter gerjahren eine neue Generation Gärtner zunehmen. Schliesslich finden sich ab Leder gewesen sein. Leder, der im natu- nach Oeschberg kam, konnte sich Bau- den frühen 1930er-Jahren ausschliess- ralistischen Wohngarten seinen Meister mann einer gewissen Distanz zu ihnen lich Wohngartenentwürfe in seinem stand, konnte seinen alten Freund Bert nicht erwehren. Grund dafür war ihre Nachlass. Doch weigerte er sich stand- wegen dessen altmodischen Garten neue Entwurfshaltung, die sich zuneh- haft, den Wohngarten als eine eigenstän- vorstellungen nicht mehr ausstehen. mend von den Idealen der Gartenreform dige Weiterentwicklung der Gartenkultur Zuallertiefst aber traf ihn 1943 der distanzierte. Die von den Jungen ange- anzunehmen. Für Baumann war es un plötzliche Tod seiner geliebten Lydia. strebte Auflösung der geometrischen verständlich, wie das Behagliche, das Menschlich isoliert und fachlich abge- Form und ordnenden Symmetrie stellte «Wohnliche» namensgebend werden koppelt schien Baumann Mitte der Vier- Baumanns eigene Ideale infrage. Der konnte. Wohnlichkeit kann keinen neuen zigerjahre am Ende seiner Karriere an- Architekturgarten war für ihn nicht alleine Gartenstil begründen! gekommen zu sein. | 24 dergartenbau Ausgabe 22/2020
Der Fachlehrer Baumann Der frühe Erfolg der Gartenbauschule Oeschberg erklärt sich in der damals kaum bekannten Vereinigung von praktischer und theoreti- scher Lehre. Oeschberg wollte für die schweizerische Gärtnerschaft Grosses und Bleibendes schaffen, nicht nur für den jeweiligen Jahr- gang, sondern für den Gärtnerstand insgesamt. Oeschbergs Schüler der 1920er-Jahre wussten, dass sie an einem einzigartigen eidgenös- sischen Projekt teilhatten, das ohne Albert Baumanns engagiertem Wirken blutleer geblieben wäre. Text: Steffen Osoegawa, Gartenhistoriker, dipl. Ing. (TU) Landschaftsarchitekt, NDS Denkmalpflege und Bauforschung 3 | Entwurf für den monatlichen Gestaltungswettbewerb: mit dem ers- ten Preis prämierte Arbeit des Wett- bewerbs «Hotelgarten Excelsior». 1 Baumanns Lebensweg als Fachlehrer eingehende Behandlung der Berufstheo- Baumann unterrichtete sommers zehn, begann 1917 an der Fortbildungsschule rie. Die Gartenpläne sind in einfacher winters 20 Stunden, dazu drei Nachmit- für Gärtner in Zürich, wo er auf Empfeh- Manier durchwegs (bei 23 Schülern) gut tage. Seine inhaltlich aufeinander auf- lung des Zürcher Garteninspektors Fried- gezeichnet - sachgemäss, vorbildlich bauenden Fächer vermittelten den rich Rothpletz die Nachfolge des Wädens- und anregend.» Schülern ein ausgeprägtes Gefühl für wiler Hauptlehrers Wilhelm Blumberger Formen und Proportionen in der Gestal- antrat. Im «Fachzeichnen für Gärtner» Baumanns gestalterischer Unterricht tung, um sie geschulten Auges und kri- übten sich seine Schüler im Abzeichnen am Oeschberg tischen Urteils zum Gartenarchitekten von Plänen, deren verschiedene Darstel- Derart gerüstet trat Baumann im Herbst zu befähigen. Baumanns Unterricht war lungsweisen sie anschliessend in ihren 1920 seine Berner Stelle als Fachlehrer ausgesprochen visuell, denn er wusste eigenen Entwürfen einbauten. Bereits im für die Fächer Gartentechnik, Gehölz- um die selbsterklärende Wirkung des Folgejahr wurde Baumann zum Haupt- kunde, Geometrie, Feldmessen, Nivellie- Bildes. Seiner Meinung nach vermoch- lehrer befördert. Neu unterrichtete er die ren und Planzeichnen an. Der allgemeine ten Worte seine Anliegen nicht genü- Gärtnergesellen an Winterkursen auch in Unterricht an der Gartenbauschule be- gend zu veranschaulichen. Eine gute Gartentechnik und Gartengestaltung, un- inhaltete sechs Tage, einzig der Sonntag Bildaufnahme hingegen bedarf oft kei- terteilt in praktisches Arbeiten im Herbst stand den Schülern zur freien Verfügung. ner weiteren Erklärung. Eine ästhetisch und Theoriekurse im Winter. Seine Unter- Der Schultag begann um 5.30 Uhr und überzeugende Lösung erschloss sich richtsweise fand bei den eidgenössi- dauerte bis 20.30 Uhr. Vormittags erfolgte dem Betrachter auch ohne grosse Vor- schen Prüfern höchste Anerkennung: der theoretische Unterricht, nachmittags bildung. Einzig das Erkennen musste «Die vorliegenden Zeichnungen bewei- die praktischen Übungen, die Randstun- erlernt sein, weshalb Baumann auch in sen richtiges Innehalten der Grenzen, in den dienten für eigene Ausarbeitungen. Oeschberg seine Schüler zunächst Gar- denen das Begriffsvermögen der Lehrlin- Die Samstagnachmittage waren Tagesex- tenmotive und -pläne nachzeichnen ge liegt, der fachtheoretische Unterricht kursionen vorbehalten. liess. 10 dergartenbau Ausgabe 3/2021
GARTEN- UND LANDSCHAFTSBAU Im baumannschen Entwurfsverständnis Regel folgende Gartenentwürfe mit Be- cher, als seine Schüler einen höchst un- basierte ein überzeugender Entwurf we- gleitschreiben ausgeführt: 1 Vorgarten, terschiedlichen Bildungsstand besassen. niger auf der Suche nach neuen Lösun- 1 Hausgarten, 1 Gartenwirtschaft, 1 öf- Alle Berufszweige des Gärtnerberufs gen als auf der gelungenen Anwendung fentliche Anlage mit Spielplatz, 1 Fried- waren vertreten, und nur die wenigsten bekannter Ideen. Baumann baute des- hof, 1 Landhausgarten (für den Botani- besassen einen gestalterischen Hinter- halb für seinen Unterricht eine Licht- ker bestimmt).» grund. Für die meisten hingegen war bildsammlung mit Fotografien aus dem der Unterricht die erste Gelegenheit zum In- und Ausland auf, die 1923 bereits Am Abgabetag hing Baumann die Blätter eigenen Entwurf. Baumann liess seine über 1200 Glasdias umfasste. Neben der der Schüler nebeneinander auf. In einer Schüler innert weniger Monate zu gereif- Fo-tografie bediente er sich eines zwei- Art Vorprüfung wurden die Arbeiten ten Entwerfern heranwachsen. ten Hilfsmittels, seiner Wandbilder oder durchgesehen, ob alle Wettbewerbsbe- «Tabellen», wie er sie nannte. Diese auf dingungen formell erfüllt waren. An- Die Schulexkursionen Karton erstellten Tafeln zeigten eine schliessend wurden die Arbeiten auf ihre Ein wesentlicher Bestandteil des Unter- Reihe von sechs bis 16 kleinen Tusche- künstlerische Gestaltung, die Zeichen richts waren die Schulreisen. Dazu zeichnungen jeweils zu einer bestimm- weise wie auf ihre Material- und Pflan- zählten Tagesfahrten nach Zürich, Bern, ten Thematik. Die Bildfolgen standen in zenverwendung mit einem Punktesys- Basel oder Solothurn, an denen Bau- chronologischem oder kulturellem Be- tem beurteilt. Die Kritik Baumanns mann seinen Schülern Beispiele zeitge- zug zueinander oder stellten verwandte erfolgte im Beisein aller Schüler, um die nössischer wie historischer Gartenkul- resp. gegensätzliche Gartenmotive ge- eigenen Arbeiten mit denen der Mitschü- tur vorstellte. Den Höhepunkt jeder genüber. Als Vorlage dienten ihm eigene ler zu vergleichen. Jahresklasse bildete die sommerliche Bild: aus Privatbesitz Bilder: Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur (ASLA) 3 2 2 | «Treppen im Motivgarten» – die im Schweizerischen Gartenbaublatt ver- öffentlichten Schautafeln von Albert Baumann fanden Eingang in sein Handzeichnungen, Postkarten oder Aus- Baumann begleitete die Wettbewerbe in Lehrbuch «Neues Planen und Gestal- schnitte aus Magazinen und Fachzeit- den ersten Jahren nicht nur intensiv mit, ten im Garten- und Landschaftsbau». schriften. Die ersten Bildfolgen entwarf sondern er nahm selbst mit eigenen Bei- Baumann Ende der Zwanzigerjahre – zu- trägen daran teil und hängte seine Idee 3 | Die Diplomurkunde aus den nächst nur wenige, später dann in gro- neben die Schülerarbeiten. Er wollte da- 1930er-Jahren widerspiegelt die sser Fülle mit bis zu 35 Tafeln pro Jahr. mit nicht nur seine gestalterische Lö- gestalterische Kompetenz. sung zur Diskussion stellen, sondern Hatten seine Schüler das baumannsche war damit den Schülern auch Vorbild, Sehen in ihrem «Formengedächtnis» denn wie sie arbeitete auch er bis tief in abgespeichert, galt es, die Bilder für die Nacht an den Monatsentwürfen. Sein Auslandsreise, welche die Schüler für den praktischen Unterricht abzurufen enormer Arbeitseifer übertrug sich auf ein bis zwei Wochen, häufig erstmals und in eine Gesamtidee zu überführen. seine Schüler. Er motivierte die Jahres- überhaupt, ins benachbarte Ausland Dazu erhielten seine Schüler monatlich klassen zu einem Höchstmass an Kreati- führte. Eine der ersten Reisen, an der eine Aufgabe, die sie in Konkurrenz vität und Gestaltungswillen. Das Feuer, auch Ernst Cramer (1898–1980) teil- zueinander lösen mussten. «Im Laufe das Baumann in den Herzen all seiner nahm, führte die Schüler nach Deutsch- des Unterrichtsjahres werden in der Schüler entfachte, war umso erstaunli- land zu den Volksparks der bedeutendsten dergartenbau Ausgabe 3/2021 11
GARTEN- UND LANDSCHAFTSBAU 4 | Auf Exkursion – Karikatur eines Schülers von Baumann. Gartenreformer jener Zeit. Zur Verdeut- lichung ihrer Leistungen besuchte die Klasse zuerst die Industriestädte des Ruhrgebiets mit ihren «düster wirkenden, rauchgeschwärzten, in roten Backstei- nen erstellten Mietskasernen und Not- wohnungen». Die soziale Not der Arbei- terschaft vor Augen, gelangte die Klasse nach Hamburg und anschliessend nach Berlin, wo sich ihr Gelegenheit bot, «gute Strassenbepflanzungen, Sportplätze und moderne Kinderspielplätze zu sehen». Meist aber reiste Baumann nach Paris, 6 4 Versailles oder an die Loire, wo neben dem Besuch seiner Lehrstätte Vilmorin und anderer Pflanzenproduzenten insbe- sondere Ausflüge zu barocken Parkanla- in den Herzen seiner Schüler zu ent beugen, fand der Reformgarten keine gen im Zentrum standen. fachen. Es war die bedeutende Zeit der Erwähnung mehr, doch mass er Gestal- Kultivateure, der Obst- und Gemüse- tungselementen wie dem «Rhythmus in Krisenjahre bauern, die im Zeichen der Eigenversor- der Gartenkunst» weiterhin viel Raum In den wirtschaftlich schwierigen Kri- gung sehr stark geworden waren. Die bei. Die Veröffentlichung der Tabellen sen- und Kriegsjahren vermochte es zunehmend selbstbewussten Gärtner endete mit der Herausgabe seines Baumann immer weniger, das «feu sacré» kamen nach Oeschberg, um sich mit den Lehrbuchs «Neues Planen und Gestal- neuesten Kultivierungsmethoden be- ten im Garten- und Landschaftsbau». kannt zu machen. Eine Ausbildung zum Das Buch bildete die Zusammenfassung Gartenarchitekten erachteten sie als seiner langjährigen Lehr- und Publika- Neuauflage des Klassikers unnötig. So kam es, dass die jungen tionstätigkeit ab. Neues Planen und Gärtner ungeachtet ihrer Vorbildung Gestalten – Für Haus und Bedürfnisse einem älteren Herrn Für das Publikationswesen der Nach- und Garten, Friedhof gegenübersassen, der sie tagelang Plä- kriegszeit stellte die ausführliche Illust- und Landschaft von ne zeichnen liess. Den Schülern war der ration des Buches eine Neuheit dar. Bau- Albert Baumannn, Gartenentwurf deutlich überbewertet. mann konnte so eine Vielzahl eigener 2014, Fr. 44.–. Be- Ihre Kritik traf Baumann am stärksten, Arbeiten, Fotografien und Schautafeln zugsquelle: Cleangreen Consul- da er wegen seiner Unterrichtsmetho- seines Schaffens präsentieren. Doch war ting GmbH, mail@cleangreen.ch. den die Rückständigkeit der Schule per- ihm nicht daran gelegen, seine Person in sonifizierte. den Vordergrund zu stellen. Darum führ- ten zahlreiche Arbeiten von ihm geach- Der steten Kritik überdrüssig, verliess teter Gartenarchitekten und ehemaliger 100 Jahre GSO Baumann die Schule nachmittags und Schüler thematisch in die jeweiligen Aus Anlass des 100-Jahre- übertrug die Aufsicht einem seiner Schü- Kapitel ein. Jubiläums der Gartenbauschule ler, den er von jeglicher körperlichen Oeschberg (GSO) im 2020 bringt Arbeit entband. Der Schüler leitete das Wohl zu Baumanns grosser Überra- dergartenbau eine Artikelserie über Feldmessen und überwachte die prakti- schung wurde sein Buch zu einem viel Albert Baumann, der als Fach- schen Übungen von einem begrünten beachteten helvetischen Standardwerk lehrer für Gartengestaltung und Schutthügel, dem «Grünhoger», aus, der für den Garten- und Landschaftsbau, Gartenarchitekt das Renommee darum den Namen «Feldherrenhügel» das ihm aus Fachkreisen viel Beifall der GSO prägte. Im ersten Teil oder «Baumannshöhe» trug. zuteilwerden liess. Baumann traf, wie (21/2020) richtete sich der Fokus es schien, den Zeitgeist der Nachkriegs- auf die Lehr- und Wanderjahre. Späte Anerkennung und Neuaufbruch moderne der Fünfzigerjahre. Die späte Teil zwei (22/2020) würdigte das Von seinen entwerferischen Idealen Anerkennung seines unermüdlichen gartenarchitektonische Werk. Der überzeugt, begann Baumann 1941 seine Schaffens stimmte ihn in vielerlei Hin- vorliegende dritte Teil beleuchtet Schautafeln im Schweizerischen Gar- sicht versöhnlich. Baumann fand zu Lehre und Lehrmittel. Im vierten tenbaublatt (Anmerkung Red. vormali- alter Lebensenergie zurück, was es ihm Teil werden Baumanns Verdienste ger Titel des Fachmagazins dergarten- erlaubte, sich vergangenen und neuen als Gartenhistoriker herausgestellt. bau) mit belehrenden Untertiteln zu Aufgaben zu öffnen – der schweizeri- publizieren. Um weiterer Kritik vorzu- schen Gartenkulturgeschichte. | 12 dergartenbau Ausgabe 3/2021
Der Gartenhistoriker Albert Baumann Gebildet von seinen Reisen in Frankreich und unter dem Einfluss der Gartenreformer zum modernen Gartenarchitekten gereift, erkannte Albert Baumann früh die Bedeutung der Emmentaler und Solothurner Barockgärten als Vorbild für den zeitgenössischen Reformgartenent- wurf. Seine Gartenforschungen und späteren Bemühungen um ihre Wiederherstellung schufen die Grundlage für die Gründung der schwei- zerischen Gartendenkmalpflege, als deren Vater er heute gelten darf. Text: Steffen Osoegawa, Gartenhistoriker, dipl. Ing. (TU) Landschaftsarchitekt, NDS Denkmalpflege und Bauforschung 1 | Frühe Unterrichts-Schautafel «Bauerngarten-Motive» (1926). 2 | Gartenaufmass Bauerngarten Niederösch (Jan. 1927) 1 2 Schon bald nach seiner Ankunft in nischen Barockgärten zu engagieren. viel beachtete Artikel couragierte ihn zu Oeschberg machte Albert Baumann Be- Im Oeschberger Fachlehrer traf er ei- seiner ersten gross angelegten For- kanntschaft mit Emil Wyss (1883–1968), nen Gleichgesinnten, dessen Forscher- schungsreihe, für die er rund 35 Ba- dem damaligen Inhaber der Gärtnerei drang die Aufarbeitung barocker Garten- rockgärten in der Deutschschweiz, Frei- Wyss und Herausgeber der heutigen kunst entscheidend vorantreiben konnte. burg, Genf und Neuenburg besuchte und Fachzeitschrift «dergartenbau». Wyss Ihre freundschaftliche Verbundenheit die er zwischen 1926 und 1930 in loser entstammte einer Solothurner Gärtner- führte Baumann in die solothurnische Folge im «Schweizerischen Gartenbau- dynastie, deren Stammvater Urs Viktor Aristokratie ein. Wyss ermöglichte ihm blatt» vorstellte. Baumann verzichtete auf Wyss in den barocken Gartenanlagen von den Zugang in die ansonsten verschlosse- einen ausführlichen Begleittext und ver- Schloss Waldegg den Gärtnerberuf er- nen Anlagen, wo es ihm gestattet war, die öffentlichte eine Bilderfolge uns heute lernte. Der in fünfter Generation geborene privaten Gärten aufzumessen und zeich- wohlbekannter Stiche des 18. Jahrhun- Emil lernte in Paris unter Edouard André nerisch zu dokumentieren. derts, die er um eigene Feldaufnahmen den Beruf des Gartenarchitekten, um an- und Fotografien ergänzte und in knappen schliessend als erster Schweizer Gärtner Baumann leistet Pionierarbeit Bildtexten kommentierte. die Versailler Schule zu besuchen. Eine Einen ersten Aufsatz zu den Solothurner Anstellung bei Henri & Jules Riousse in Barockgärten verfasste Baumann 1923 Baumann präsentierte sich der Leser- Paris lehrte ihn den Beruf des «Garten- für den Führer der kantonalen Garten- schaft als ein früher Gartenhistoriker, der restaurators». Seine vornehmliche Auf- bau-Ausstellung Solothurn. Er erweist die national bedeutendsten Barockgärten gabe war es, die Rekonstruktion des sich darin als exzellenter Kenner baro- einem Inventar gleich auflistete und sie Versailler Schlossparks mit vorzuberei- cker Gartenkunst, weil er darin die fran- dem Publikum über Jahre hinweg stetig in ten und zu begleiten. Für Wyss lag es zösischen Vorbilder der Gärten von Erinnerung rief – waren doch die meisten nahe, sich nach der Rückkehr in seine Schloss Waldegg, Schloss Steinbrugg der vorgestellten Gärten längstens der Heimatstadt für den Erhalt der solothur- und de Vergier zu benennen wusste. Der Vergessenheit anheimgefallen. 16 dergartenbau Ausgabe 7/2021
GARTEN- UND LANDSCHAFTSBAU 3 | Baumanns wohl berühmteste Schautafel, in: Hauser (1976), S. 177. 4 | Baumanns umgesetzter Entwurf der Rekonstruktion des Parterre- gartens des von Wattenwylhauses (1957). nachgebildeten Bauerngärten sollten sich die jungen Menschen ihrer Heimat und der Tugendhaftigkeit ihrer Landsmänner und -frauen besinnen. Der «Solothurner Kreis» Ab Mitte der Dreissigerjahre legte Bau- mann seine Forschungen für nahezu 3 zwei Jahrzehnte beiseite. Er widmete sich ausschliesslich dem Motivgarten und der jungen Disziplin der Land- Der Emmentaler Bauerngarten Garten seine häufigste Entsprechung in schaftsgestaltung, während der Bauern- Auf seinen sonntäglichen Streifzügen den Landhausgärten seiner bürgerli- garten – wie der herrschaftliche Barock- durch das Umland der Gartenbauschu- chen Klientel. Regelrechte Kopien Em- garten auch – nahezu vollständig aus le, begegnete Baumann ebenfalls den mentaler Bauerngärten entwickelte er für seinem Entwurfsrepertoire verschwand. prachtvollen Bauerngärten der einstigen seinen kantonalen Arbeitgeber, der ihn mit Auch publizistisch liess Baumann dazu Milchbarone des Emmentals. Baumanns der Ausarbeitung der Aussenanlagen nichts mehr verlauten. Dies sollte sich Vorbildung als Posamenter liess ihn in den etwa der Strafanstalt Witzwil, der Armen- 1952 ändern, als mit Emil Steiner (1922– parterreartig geschmückten Gärten jene anstalt Utzigen oder der zahlreichen Neu- 2018) ein ehemaliger Meisterschüler von Broderien wiedererkennen, denen er an gründungen kantonaler Seminar-, Gar- Baumann neuer Chefredaktor des der St. Galler Stickereischule begegnete: tenbau- oder Landwirtschaftsschulen Schweizerischen Gartenbaublattes wird. «Erinnert die interessante Buchs- und beauftragte. Von der Schönheit der Bau- Von Steiner ermuntert, er werde seine Blumenzeichnung dieses alten Bauern- erngärten erhoffte sich Baumann wohl Aufsätze auch weiterhin veröffentlichen, gartens nicht an ein feines Textilorna- auch einen erzieherischen Effekt. In der widmete sich Baumann von Neuem der ment?», fragt Baumann rhetorisch bei täglichen Arbeit und Betrachtung der regionalen Gartenkulturgeschichte. der zeichnerischen Wiedergabe eines Bauerngartens in Niederösch. Baumann muss die Bauerngärten weit inspirierender empfunden haben als ihre grossen aristokratischen Vorbilder. Die Grundrisse und Strukturen der auf klei- nem Raum realisierten ländlichen Gärten waren vielfältiger und liessen sich besser auf die Grundstücke seiner Auftraggeber übertragen. Ihre Axialität und strenge Symmetrie kamen seinem reformorien- tierten Entwurfsempfinden entgegen. Die für seinen Gartenentwurf gewonnenen Erkenntnisse fanden Niederschlag in seinen frühesten Unterrichtstafeln, in denen er die Prinzipien des Bauerngar- tens und dessen gestalterische Ausstat- tungen erklärte. Baumanns Schüler er- lernten im Unterricht die Motive des Bauerngartens und übten diese in ersten Hausgartenentwürfen ein. In seinem ei- genen Werk der Zwanziger- und frühen Dreissigerjahre findet der bäuerliche 4 dergartenbau Ausgabe 7/2021 17
5 | Posthume Ehrung erfährt Bau- mann 2010 im Landsitz Lohn in der Rekonstruktion seines 1960 nicht realisierten Entwurfs, bezeichnet als «Variante D». Steiners Offenheit gegenüber Baumanns 5 Forschung lag eine besondere Episode zugrunde, die sich zu Beginn seiner Zeit als Chefredaktor ereignete und ihn in die beitet. Baumanns knappe Antwort dar- Anmerkung des Autors «Denkmalgeschichte hineinrutschen» auf: «Das interessiert mich nicht, mich Der Lesbarkeit halber wurde auf liess. Anfang der 1950er-Jahre wandte interessiert nur die Sache!» Quellenverweise verzichtet. Das sich Wilhelm de Vergier an die Redaktion Wissen über die vorgestellten Le- der Fachzeitschrift, da ihm seine jahr- Baumanns Interesse für die Sache, we- bensabschnitte Baumanns beruht hundertealten Eiben abzusterben droh- niger für die Wissenschaftlichkeit seines auf Interviews mit Emil Steiner und ten. Der junge Chefredaktor erkannte, Erkenntnisgewinns, trat umso mehr zu- Josef Seleger, der Interpretation dass die Schäden auf das Verwenden von tage wie unser Gartenarchitekt in die seines schriftlichen, fotografischen Herbiziden zurückgingen, mit denen er Rolle des praktischen Denkmalpflegers und zeichnerischen Nachlasses die Gartenwege unkrautfrei hielt. Steiner hineinwuchs. Baumann, der sich schon und den Forschungsarbeiten des riet zum Verzicht auf die Pflanzengifte und seit Längerem mit dem Grundproblem Autors. Leben und Werk der bewe- verhinderte so die Rodung der Eiben. konfrontiert sah, dass viele der von ihm genden Biografie Baumanns sollen erforschten Gartenanlagen im 19. Jahr- zu gegebener Zeit als Fachbuch Die Begebenheit führte dazu, dass Wyss, hundert landschaftlich überformt wur- publiziert werden. Steiner und Baumann immer enger auch den, begann sich verstärkt mit der Frage mit dem damaligen solothurnischen ihrer Rekonstruktion zu beschäftigen. Aus Kunstdenkmälerkonservator Gottfried den ihm vorliegenden Veduten und Plänen Loertscher (1914–1997) zusammenar- brachte Baumann jeweils eine Version zu Kompartimenten, geschnittenen Buchs- beiteten und unter ihm zu regelrechten Papier, wie für ihn der Garten einst ausge- kegeln und opulenten Blumenrabatten Gartendenkmalpflegern avancierten. sehen haben musste. Seine Zeichnungen aus, was ihn barocker in Erscheinung Baumann überliess Loertscher 1957 sei- waren nicht immer eine getreue Abbil- treten liess, als er es vermutlich je war. ne Forschungen und Planunterlagen, die dung des Gewesenen, sie reflektierten Als der Garten nach intensiven garten- er für eine von ihm im gleichen Jahr ver- mitunter mehr seine Vorstellung vom ide- archäologischen Grabungen 1989/90 fasste Schriftenreihe zu den Solothurner altypischen Barockgarten. wiederhergestellt werden sollte, be- Gärten zusammengestellt hatte. Der stimmte die Denkmalpflege Baumanns Denkmalpfleger war dankbar, doch eben- Beispielhaft stehen hierfür die Gärten Plan für dessen Rekonstruktion. Im so erstaunt über die wenig wissenschaft- des Von-Wattenwyl-Hauses, des Land- Denkmaljahr 1975 beeinflussten Bau- liche Vorgehensweise Baumanns, denn sitzes Lohn oder des Stiftsgebäudes am manns Grundlagenarbeiten ebenfalls die dieser hatte ohne Quellenangaben gear- Berner Münster, die Baumann Ende der junge Bauerngartenforschung, nachdem Fünfzigerjahre von Bund und Kanton Albert Hauser (1914–2013) in seiner Bern zum Auftrag erhielt. Baumann war Schrift «Bauerngärten der Schweiz» eingeladen, Vorschläge zu entwickeln, manche seiner Unterrichtstafeln zur Er- 100 Jahre GSO wie die landschaftlichen Überformungen klärung ihrer Prinzipien zurate zog. Aus Anlass des 100-Jahre- in neubarocker Manier zurückzubauen Durch den steten Widerhall seiner gar- Jubiläums der Gartenbauschule seien. Beim Garten des Von-Wattenwyl- tenhistorischen Arbeit wie über seine Oeschberg (GSO) im Jahr 2020 Hauses entschied sich Baumann für eine frühen Gartenrekonstruktionen setzte bringt dergartenbau eine Artikel- Annäherung an den Vorzustand im zeitge- Baumann den Anfängen der schweizeri- serie über Albert Baumann, der als nössischen Wohngartenstil, im Landsitz schen Gartendenkmalpflege seinen Fachlehrer für Gartengestaltung Lohn legte er dem ehemaligen Parterre Stempel auf, an deren Wiege er mit dem und Gartenarchitektur das Renom- das Wegkreuz eines Bauerngartens un- «Solothurner Kreis» gestanden hatte. mee der GSO prägte. Im ersten Teil ter und im Stiftsgebäude blieb sein Ent- (21/2020) richtete sich der Fokus wurf gänzlich ohne Vorbild, da zur Bauzeit Baumann sollte 1963 seine entwerferi- auf die Lehr- und Wanderjahre. des Barocksitzes auf die Anlage eines sche, fünf Jahre später seine publizisti- Teil zwei (22/2020) würdigte das Gartens verzichtet wurde (was Baumann sche Tätigkeit beenden. Die kommenden gartenarchitektonische Werk. Der damals jedoch nicht bekannt war). zehn Jahre lebte er so, wie er es am meis- dritte Teil beleuchtete Lehre und ten schätzte, zurückgezogen in seinem Lehrmittel (03/2021). Die Serie Einen vierten Weg schlug Baumann in eigenen Heim. Im engsten Kreis wurde er endet mit dem vorliegenden vierten der zeichnerischen Rekonstruktion des in im Herbst 1976 auf seinem letzten Gang Teil über Baumann als Gartenhis- Barockgartens von Schloss Waldegg ein. begleitet und in Koppigen neben seiner toriker. Er stattete den Garten mit zusätzlichen geliebten Frau Lydia beigesetzt. | 18 dergartenbau Ausgabe 7/2021
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