Aus dem Leben von Albert Baumann - Oeschberg

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Aus dem Leben von Albert Baumann - Oeschberg
Aus dem Leben von Albert Baumann
                                        Die Gründung der Gartenbauschule Oeschberg ist eng mit der Persön-
                                        lichkeit ihres langjährigen Fachlehrers Albert Baumann (1891–1976)
                                        verbunden. Vielen ist Baumann als «chnorziger» Fachlehrer in Erin-
                                        nerung geblieben, doch nur wenige wissen, dass der stille und un-
                                        ermüdliche Gartenarchitekt in den 1920er-Jahren zu den führenden
                                        Persönlichkeiten der Schweizer Reformgartenbewegung zählte.
                                        Text: Steffen Osoegawa, Gartenhistoriker, Dipl. Ing. (TU) Landschaftsarchitekt,
                                        NDS Denkmalpflege und Bauforschung

                                                                                                                                 Bilder: Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur (ASLA)
1 | Interkantonale Gartenbauschule
Wädenswil: November-Arbeit
«Bäuer­licher Hausgarten», gez.
Albert Baumann, Nov. 1913.
                                                                                                                           1

                                          Albert Baumann wurde am 16. Juni in        keiten, die das stetige Repetieren natur­
                                          Arbon als viertes von fünf Kindern des     alistischer Ornamente im Sinne des Art
                                        Bandwebers Konrad Baumann (1850-             Déco zur Stilform der Schule erhoben.
                                        1925) und seiner Frau Susanna (1851-         Im Unterricht war die Natur das nie ver­
   100 Jahre Gartenbauschule            1927) geboren. Die Familie prosperierte      siegende Vorbild für Farbe und Form,
   Oeschberg                            am wirtschaftlichen Hoch der Ost­            ihr Studium Grundlage allen Schaffens.
   Aus Anlass des 100-Jahre-            schweizer Textilindustrie. So lag es nahe,   Im Pflanzenstudium waren die Schüler
   Jubiläums der Gartenbauschule        dass Sohn Albert den väterlichen Beruf       angehalten, die Gesetzmässigkeiten des
   Oeschberg (GSO) bringt dergar­       fortführen sollte. Schon früh wusste der     Pflanzenbaus abstrahierend in ihren
   tenbau eine Artikelserie über        Vater auch um dessen zeichnerische Be­       Zeichnungen umzusetzen. Hier entwi­
   das Leben und Werk von Albert        gabung, weshalb er den 15-jährigen nach      ckelte Baumann seinen Zeichenstil zu
   Baumann, der als Fachlehrer für      dem Sekundarschulabschluss an die            einer ersten Reife, die an der Schule
   Gartengestaltung und Gartenar­       Stickerei-Zeichnungsschule St. Gallen        nicht nur graphisch überzeugte, son­
   chitekt das Renommée der GSO         sandte.                                      dern auch formal und ästhetisch nach­
   prägte. Im 1.Teil richtet sich der                                                wirkte. Der stilgebundene Rhythmus,
   Fokus auf die Lehr- und Wander­      Alberts Ausbildung als Ornamentzeich­        wie Baumann es später selbst bezeich­
   jahre, Teil 2 würdigt das garten­    ner dauerte zwei Jahre und endete im         nete, prägte fortan sein gartenkünstle­
   architektonische Werk, im dritten    September 1909. Die Zeichnungsschule         risches Schaffen. Ästhetisch lernte der
   Teil werden Lehre und Lehmittel      stand zu jener Zeit unter dem geistigen      junge Schüler die Reduktion einer Sache
   beleuchtet.                          Einfluss des Malers Emil Nolde (1867-        auf ihren Kern und den Verzicht auf un­
                                        1956) und weiterer Künstlerpersönlich­       nötige Zier.

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Aus dem Leben von Albert Baumann - Oeschberg
LANDSCHAFTSARCHITEKTUR

Baumanns zweijährige analytische wie           ler das saubere geometrische und kon­        Rothpletz mochte seinen Angestellten und
dekorative Betrachtung der Pflanze             struktive Zeichnen von einfacher und         förderte ihn nach Kräften. Er ermöglichte
weckte in ihm den Entschluss, eine Gärt­       fortschreitend schwieriger Art. Blum­        ihm die Annahme der seit längerem va­
nerlehre zu ergreifen. Doch war er nicht       berger akquirierte für den Unterricht        kanten Stelle eines Fachzeichners für
an einer handwerklichen Lehre in einem         Gartenanlagen, welche die Schüler auf­       Gärtner an der Gewerbeschule Zürich,
Betrieb interessiert. Vielmehr strebte er      massen und die erstellten Situationsplä­     womit er die entscheidenden Weichen für
eine Ausbildung an, die dem Entwurf einen      ne als Grundlage für eigene Entwürfe         dessen weiteren Lebensweg stellte. Roth­
gros­sen Stellenwert beimass, wofür sich       nahmen. Abschliessend erarbeiteten die       pletz bot Baumann Hand, sich in verschie­
in der Schweiz einzig die Ecole                Schüler Anpflanzungspläne, Erläute­          denen Kursen an der ETH im Modellbau
d’Horticulture Châtelaine bei Genf anbot.      rungsberichte und Kostenvoranschläge.        und der Fotografie weiterzubilden. Auch
                                               Der Winterunterricht stand ganz im Zei­      wurde der junge Gartenarchitekt mit zu­
Eintritt in die Welt der Gärtner               chen der Schweizerischen Landesaus­          nehmend anspruchsvolleren Entwürfen
Bei seiner Ankunft im März 1909 traf           stellung in Bern, wo Blumberger und          zu reformorientierten Grünanlagen in den
Baumann auf weitere Deutschschweizer           seine Schüler an verschiedenen Wettbe­       Arbeiterquartieren der Stadt betraut,
Mitschüler. Eine besondere Freundschaft        werben teilnahmen, so am Entwurf des         etwa der Josephswiese im Industriequar­
verband ihn rasch mit Walter Leder             Berner Rosengartens. Baumanns Bei­           tier, dem Landenbergpark in Wipkingen
(1892–1985), der sich im zweiten Jahr der      trag für die Gestaltung eines Alpinums       oder Spielplätzen an der Ottiker- oder

                                                                                             3

                                                                                                 2 | Interkantonale Gartenbauschule
                                                                                                 Wädenswil: Dezember-Arbeit «Garten
                                                                                                 des Direktor Stüssi in Wädenwil:
                                                                                                 M.1:100, gez. Baumann, Dez. 1913.
                                                                                      2
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                                                                                                 Gallen: Ornamentstudie Schnee­
                                                                                                 beere, gez. Albert Baumann, 1907.
Ausbildung befand. Mit Leder verbrachte        wurde mit dem ersten Rang und mit
Baumann auch ausserhalb des Unter­             ­einer Gold- und Ehrenmedaille für Ge­
richts die meiste Zeit, so auf Ausflügen für    staltung und Bepflanzung prämiert.
gemeinsame Zeichenstudien.
                                               Als junger Gartenarchitekt im Garten-        Feldstrasse. Die Neumünsteranlage in
Nach erfolgreichem Lehrabschluss               bauamt Zürich                                Riesbach sollte die zu Kriegszeiten einzige
diente Baumann im Winter 1912/13 der           Unmittelbar nach seinem Examen fand          von Baumann realisierte grössere Park­
Baumschule Vilmorin in Verrières-les-          Baumann Anstellung im Gartenbauamt           anlage in Zürich bleiben.
Buisson als Gärtnergeselle. Die anstren­       Zürich. Garteninspektor Gottlieb Friedrich
gende, oft abendlange Arbeit missfiel ihm      Rothpletz (1864-1932), welcher der Auf­      Im Laufe der Zeit verstand es Baumann
jedoch enorm. Baumann bemühte sich             sichtskommission der Gartenbauschule         immer besser, die reformorientierten
darum um raschmögliche Heimkehr in die         vorstand, schien von den gestalterischen     Vorgaben von Rothpletz in realisierbare
Schweiz und Aufnahme an der interkanto­        Leistungen seines jungen Eleven über­        Projekte zu verwandeln. Dabei entwi­
nalen Gartenbauschule auf Schloss Wä­          zeugt. Der junge Gartenarchitekt wurde       ckelte er sich rasch zu einem hervorra­
denswil, deren Zusage ihn anfangs Febru­       einer kleinen Gruppe von Zeichnern zu­       genden Entwerfer, dessen Projektdar­
ar 1913 erreichte.                             geteilt, deren Aufgabe es war, Ideen und     stellungen, Perspektiven und Modelle
                                               Vorstellungen ihres Chefs plangrafisch       den gestalterischen Auftritt der Stadt­
Baumann traf hier auf den Kölner Garten­       umzusetzen. Darüber hinaus war es ins­       gärtnerei prägten. Baumann schien sogar
architekten Wilhelm Blumberger (*1873),        besondere Baumann möglich, seinem            als Adjunkt im Gespräch gewesen zu sein,
Fachlehrer für das Zeichnen von Plänen         Vorgesetzten eigene Vorschläge zu prä­       als er nach fünf Jahren Anstellung über­
und Entwürfen. Bei ihm lernten die Schü­       sentieren.                                   raschend auf den 1. April 1919 kündigte.

dergartenbau Ausgabe 21/2020                                                                                                     23
Aus dem Leben von Albert Baumann - Oeschberg
1915 im Steglitzer Büro des Gartenarchi­
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                                                                                       tete. Lesser stand seinem wissbegierigen
                                                                                       Gast interessiert gegenüber, und Lesser
                                                                                       war es auch, der die beiden Freunde
                                                                                       nach Hamburg in das Atelier von Lebe­
                                                                                       recht Migge (1881-1935) schickte. Die
                                                                                       Einladung erfolgte per Telegramm:
                                                                                       «Schmutziges Atelier – Leinenbettwäsche
                                                                                       nach Hamburg bringen. ++Migge++» Nach
                                                                                       dem Treffen blieben Migge und Baumann
                                                                                       in Freundschaft verbunden, wie ein Be­
                                                                                       such des Schweizers in der Künstlerkolo­
                                                                                       nie Worpswede 1926 belegt.
                                                                                 4
                                                                                       Im Sommer 1920, nach der Heimkehr aus
                                                                                       Frankreich, erfuhr Baumann von seiner
                                                                                       Wahl zum Fachlehrer für Gartengestal­
                                                                                       tung. Seiner Berufung ging eine Empfeh­
                                                                                       lung der bernischen Aufsichtskommission
                                                                                       voraus, derzufolge es für eine neu zu grün­
                                                                                       dende Gartenbauschule keinen besseren
                                                                                       Lehrer als Albert Baumann gäbe. Direktor
                                                                                       Walter Erb erinnerte sich 1957: «Als ich die
                                                                                       Stelle des Direktors [...] antrat, musste ich
                                                                                       mich sehr beeilen, zwei tüchtige Lehrer für
                                                                                       die Hauptfächer im Gartenbau nach
                                                                                       Oeschberg zu verpflichten.[…] Herr Emil
                                                                                       Albrecht, damaliger Stadtgärtner und Mit­
                                       5                                               glied der Aufsichtskommission von
                                                                                       Oeschberg, machte mich auf Herrn Albert
                                                                                       Baumann, Gartentechniker am Garten­
4 | Interkantonale Gartenbauschule
                                                                                       bauamt der Stadt Zürich, aufmerksam. Ein
Wädenswil: Klassenfoto im Hof
                                                                                       persönlicher Besuch bei A. Baumann in
Schloss Wädenswil, Albert Bau-
mann obere Reihe, Bildmitte.                                                           Zürich genügte, um diese gartenbauliche
                                                                                 6     Kraft nach Oeschberg zu gewinnen.»
5 | «Schweizerische Landesausstel-
lung Bern 1914: «I. Preis für Alpen-       Als freischaffender Gartenarchitekt         Direktor Erb besuchte Baumann somit
pflanzen : Ehrenpreis & Goldmedail-        Überraschend, denn Baumann stand ohne       noch zu dessen Anstellungszeit in Zürich,
le für Alpengarten.»                       vergleichbare berufliche Perspektive da,    was den Schluss erlaubt, dass Baumann
                                           wie sie ihm unter Rothpletz gegeben war.    bereits im Frühjahr 1919 zum Fachlehrer
Gartenbauamt Zürich: Friedhof -            In der von der Spanischen Grippe und Jah­   in Oeschberg bestimmt wurde. Diese The­
Neumünster - Anlage (vorher-nach-          re der Not und Entbehrens geprägten         se erklärt den ansonsten wenig verständ­
her), Projekt ausgeführt nach Ent-         Nachkriegszeit trat der junge Gartenar­     lichen Kündigungstermin Baumanns wie
wurf Albert Baumann (1917/18) ..
                                           chitekt weder eine neue Stelle an, noch     der Tatsache, dass er trotz geringer Er­
                                           war er um Anstellung bemüht. Er wählte      sparnisse und ausgedehnter Reisen keine
                                           die Tätigkeit des freischaffenden Garten­   Not litt. Sicherte ihm der Staat Bern be­
                                           architekten und betreute für das Büro von   reits eine finanzielle Überbrückung zu,
   Archiv für Schweizer Land-              Fritz Oertly in Ennenda GR dessen Zürcher   damit sich Baumann auf seinen Unterricht
   schaftsarchitektur                      Kunden, denen Baumann noch bis Ende         in Gartentechnik, -gestaltung und angren­
   Mit dem Erwerb des umfang­              der 1920er-Jahre mit eigenen Hausgar­       zenden Fächern vorbereiten konnte?
   reichen Nachlasses von Albert           tenentwürfen verbunden blieb. Seine
   Baumann wurde 1981 die Stiftung         ­A rbeit für Oertly war mit tage- und wo­   Mit seiner Anstellung in Oeschberg betrat
   Archiv für Schweizer Gartenarchi­        chenweisen Unterbrüchen verbunden: In      Baumann nicht nur in beruflicher Hinsicht,
   tektur und Landschaftsplanung            den Wintermonaten 1919/20 unterrichtete    sondern auch privat einen neuen Lebens­
   gegründet. Daraus ist das heutige        er an zwei Tagen der Woche an der Gewer­   abschnitt. Direktor Erb machte ihn mit
   Archiv für Schweizer Landschafts­        beschule, während er in den Sommermo­      seiner Schwägerin, Damenschneiderin
   architektur ASLA an der Hoch­            naten 1920 Studienreisen nach Deutsch­     Lydia Wehrli (1882–1943) aus Winterthur
   schule Rapperswil (heute OST             land und Frankreich unternahm.             bekannt. Nach ihrer Verlobung folgte Ly­
   Ostschweizer Fachhochschule)                                                        dia ihrem Albert nach Oeschberg, wo die
   hervorgegangen.                         In Berlin traf er wieder mit seinem alten   beiden im engeren Kreise am 27. Oktober
                                           Freund Walter Leder zusammen, der seit      1923 im Berner Münster heirateten.      |

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Aus dem Leben von Albert Baumann - Oeschberg
Der Gartenarchitekt Baumann
                                          Im zweiten Teil über das Leben von Albert Baumann (1891–1976) wird
                                          eine weniger bekannte Rolle des langjährigen Fachlehrers der Gar-
                                          tenbauschule Oeschberg beleuchtet. Der Gartenarchitekt profilierte
                                          sich in den 1920er-Jahren als eine der führenden Persönlichkeiten
                                          der Schweizer Reformgartenbewegung.
                                          Text: Steffen Osoegawa, Gartenhistoriker, Dipl. Ing. (TU) Landschaftsarchitekt,
                                          NDS Denkmalpflege und Bauforschung

                                                                                                                                    Bilder: Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur (ASLA)
1 | Plan für die Parkanlange der
Gartenbauschule Oeschberg
(1920/21) mit axialsymmetrischer
Gestaltung in Hausnähe und land­
schaftlicher Formgebung des Arbo­
retums. Bild 3 zeigt den Seerosen­
teich vor dem Schulgebäude im Bau.

                                           1

                                            Wenige Tage vor seiner Abreise von         ten, der laut Baumann mit gegenwärtig
                                            Zürich nach Oeschberg erreichte Al-        gebräuchlichen Bau- und Pflanzenmate-
                                          bert Baumann die Aufforderung, einen         rialien ausgeführt werden sollte.
                                          Vorschlag für den Schulgarten vorzule-
                                          gen. Dieser sei anfangs November der         Aufgrund der knapp bemessenen Zeit
   100 Jahre Gartenbauschule              Aufsichtskommission zu übergeben, um         musste sich Baumann von Beginn an über
   Oeschberg                              in einem feierlichen Akt beschlossen zu      ein mögliches Vorbild im Klaren gewesen
   Aus Anlass des 100-Jahre-              werden. Die Zeit drängte. Baumann traf       sein. Seinem Entwurf dürfte am ehesten
   Jubiläums der Gartenbauschule          am 19. Oktober 1920 in Oeschberg ein. In     die Staudengärtnerei Karl Foerster in
   Oeschberg (GSO) bringt dergarten-      den folgenden Tagen wurde eine genaue        Potsdam-Bornim zugrunde liegen, die er
   bau eine Artikelserie über das Le-     Situation des Terrains aufgenommen, ein      im Sommer 1919 auf seiner Reise nach
   ben und Werk von Albert Baumann,       Aufnahmeplan erstellt. Schon eine Woche      Berlin besuchte. Wie in Bornim gestaltete
   der als Fachlehrer für Gartenge-       später genehmigte die Aufsichtskommis-       Baumann die Gesamtanlage in Hausnähe
   staltung und Gartenarchitekt das       sion das Gartenprojekt. Baumann hatte        streng axialsymmetrisch, das entfernt
   Renommee der GSO prägte.               nach eigenen Worten den Entwurf für die      gelegene Arboretum als Spaziergang und
                     Im ersten Teil       Gartenbauschule in weniger als sieben        landschaftlich. Die einzelnen Gartenpar-
                     (21/2020) richtete   Tagen fertiggestellt.                        tien stattete Baumann ähnlich der Borni-
                     sich der Fokus                                                    mer Anlagen aus, so etwa das Herzstück
                     auf die Lehr- und    Aus den Vorgaben der Aufsichtskommis-        der Anlagen, der Teichgarten mit seinen
                     Wanderjahre.         sion erachtete der Gartenarchitekt eine      in Beton erstellten Pergolen.
                     Teil zwei würdigt    architektonische Gartengestaltung als die
                     das gartenar-        am besten geeignete Lösung. Die traditio-    Im Frühjahr 1921 begann die erste Jahres-
   chitektonische Werk, im dritten        nelle Barockform des Schulgebäudes           klasse mit der Ausführung der Garten-
   Teil werden Lehre und Lehrmittel       sollte wegleitend werden für die Form­       anlagen. Zur Kostenersparnis war vorge-
   beleuchtet.                            gebung der Hauptlinien und Räume im          sehen, dass den Hauptteil der Arbeiten die
                                          Garten. So entstand eine Art Barockgar-      Oeschberger selbst leisten, doch nicht

  22                                                                                               dergartenbau Ausgabe 22/2020
Aus dem Leben von Albert Baumann - Oeschberg
Bild: A. Baumann /ASLA

                                        2                                                                     3      4

                                                                                                                         2 | Wohngarten auf orthogonalem
                                                                                                                         Grundriss: Garten Wälchli, Kirch­
                                                                                                                         berg (BE) (1937).

                                                                                                                         3 | Seerosenteich vor dem Schul­
                                                                                                                         gebäude im Bau (1921/22).

                                                                                                                         4 | Moderner Hausgarten, Ärztehaus
                                                                                                                         Baer, Burgdorf (1929).

                                                                                                                         5 | Landhausgarten Gradmann,
                                                                                                                         Zofingen (nicht genau datiert).

                                                                                                              5

uneingeschränkt. Aufwendige Erdarbei-                                  wurde durch das wachsende Interesse an       oder Umgestaltungen von Friedhöfen,
ten überliess die Schule einer grösseren                               der Gartenbauschule genährt. Allsonn-        Schul-, Kirch- oder Ruheplätzen, deren
Zahl Arbeitsloser unter der Leitung der                                täglich besuchten Reisegruppen und Ein-      weitere Projektierung der Gartenbau-
Lehrerschaft. Insgesamt zehn Jahre be-                                 zelpersonen ihre Gärten. An manchen          schule übertragen wurde. Baumann dürf-
nötigten die Schüler der Jahresklassen                                 Tagen fanden sich bis zu 600 Personen ein,   te diese regelmässig seinen Schülern als
und Winterkurse. Sie bewegten mehr als                                 was die Schule an ihre Grenzen brachte.      Monatsaufgabe weitergereicht haben.
7500 m3 Erde, erstellten rund 7100 m2 oder                                                                          Den zur Ausführung bestimmten Entwurf
2,5 km Kieswege, errichteten mehrere                                   Baumann war für den Kanton Bern uner-        zeichnete Baumann ins Reine und über-
Hundert Meter Trockenmauern, pflanzten                                 setzlich geworden. Bereits 1921 beauf-       gab ihn den Kommunen.
rund 200 Alleebäume und Solitäre, Tau-                                 tragte man ihn mit den Aussenan­lagen
sende von Heckenpflanzen, darunter rund                                weiterer neuer Schulen in Thun oder Lan-     Für die stetig wachsende Zahl seiner Auf-
500  m Buchenhecken, Hunderte Gehölze                                  genthal. Grosse Bedeutung nahmen auch        traggeber entwarf der Gartenarchitekt
für das Arboretum, säten 10 000 m2 Zier-                               die Anlagen der landwirtschaftlichen         zunächst herrschaftliche Landhausgär-
rasen aus und bepflanzten knapp 2000 m2                                Strafanstalt Witzwil und ihrer Nebenge-      ten. In deren Zentrum lag stets ein längs­
Beetflächen!                                                           bäude ein, die Baumann bis zu seiner         axial auf das Wohnhaus ausgerichtetes
                                                                       Pensionierung eng betreute. 1933 baute       Rasenkarree, an dessen Ende sich ein
Baumanns prägendste Jahre                                              der Kanton Baumanns beratende Tätigkeit      Sitzplatz von halbrundem oder geschweif-
Um die junge Gartenbauschule in der                                    zu einer ständigen Einrichtung an der Gar-   tem Abschluss fand. Gartenwege umlie-
Schweiz bekannt zu machen, wünschte                                    tenbauschule aus und ernannte ihn zum        fen den Rasen, Hecken oder Blütensträu-
Direktor Erb ausdrücklich jedes Engage-                                Experten für «gartentechnische und gar-      cher begrenzten ihn. Die verbleibenden
ment, das der Schule diente. Baumann                                   tengestalterische Baufragen». In dieser      Zwischenräume füllten Blumen- und
betätigte sich als sachverständiger Exper-                             Funktion beriet er Kommunen und Kirch-       Rosen­gärten, deren Grundrisse an bäuer­
te, Publizist und Vortragender. Seine Teil-                            gemeinden, die sich aufgrund der Wirt-       liche Gärten erinnern. Sie ordneten sich
nahme am Wettbewerb Waldfriedhof                                       schaftskrise zu Arbeitsbeschaffungs-         dem auferlegten orthogonalen Schema
Rheinfelden (BL) brachte ihm 1924 den                                  massnahmen veranlasst sahen. Aus den         unter, während ihre Symmetrien ihrer-
ersten Rang. Baumanns exzellenter Ruf                                  Konsultationen resultierten viele Neu-       seits Nebenachsen ausbildeten. Baum­

dergartenbau Ausgabe 22/2020                                                                                                                                23
Aus dem Leben von Albert Baumann - Oeschberg
Plattenwege, Natursteinmauern und
                                                                                             opulentes Staudenbunt waren für Bau-
                                                                                             mann Gestaltungsmittel, die es in die
                                                                                             zeitlos geltenden Grundprinzipien der
                                                                                             Garten­moderne einzubinden galt. Die
                                                                                             Grosszahl seiner Wohngartenentwürfe
                                                                                             blieb unbekümmert orthogonal und in
                                                                                             Partien unterteilt. Und doch gab es zwei
                                                                                             Momente in Baumanns Werk, die es ihm
                                                                                             erlaubten, sich der freieren Form zu öff-
                                                                                             nen. An der Solothurner Gartenbauaus-
                                                                                             stellung 1933 begegnete er einem
                                                                                      6
                                                                                             Schaugarten, worin ein naturalistischer,
                                                                                             von Naturplatten eingefasster Wasserlauf
                                                                                             in ein Badebecken mündete. Baumann
6 | Motivgarten mit Quellstein,
                                                                                             gefiel, was er sah («Alles zeigt Bewegung
Bachlauf und Bassin, ohne Ortsan­
                                               Kunstform, sondern Ausdruck seiner            mit stark romantischer Färbung!»), denn
gabe (1938).
                                               Weltanschauung, der Lebensreform, die         er repetierte dieses Motiv bis weit in die
                                               es ihm ermöglichte, sich von vielen ihm       1940er-Jahre hinein. Er erkannte, dass die
                                               unlieben Konventionen zu befreien. Die        Ausdrucksformen des Wohngartens
                                               Formlosigkeit des Naturalismus brach in       nichts mehr als Sujets waren, für die er
reihen, Obst- und später auch Nutzgärten       seinen Augen mit der Moderne, der er          den Begriff des Motivgartens prägte.
vervollständigten den Entwurf. Die mit         selbst so viel verdankte.
pflanzlichen Mitteln in verschiedene Räu-                                                    In den späteren Jahren begegnete Bau-
me aufgeteilten Landhausgärten waren           «Die Prinzipien der Gartengestaltung –        mann der «Neuen Landschaftlichkeit».
zweckmässig organisiert und den Regeln         Materialechtheit und gute Zweckgestal-        Was ihr Gestaltungsansatz vom bisheri-
des Reformgartens verpflichtet.                tung – ändern sich nicht für den, der sie     gen Wohngartenstil unterschied, war der
                                               richtig erfasst hat», richtete sich Bau-      Einbezug der Landschaft. Es galt, die
Mit der Weltwirtschaftskrise brach ihm         mann noch 1945 an seine Schüler, und          nahe Umgebung mit klaren Linien, doch
die gehobene Kundschaft weg. An ihre           weiter: «Neue Zeiten, neue Gebräuche,         abstrahierend, nachzuzeichnen und durch
Stelle traten mittelständische Einfamilien­    neue Architekturen, neue Gärten. In den       Bodenmodellierungen oder geeignete
hausbesitzer aus dem Emmental und klei-        letzten 15 Jahren haben sich in der Aus-      Pflanzungen in den Garten hineinflies­
neren Landstädten. Neu wünschte man            gestaltung der Gärten tiefgehende Wand-       sen zu lassen. Der neue Ansatz bot Bau-
günstige Hausgärten auf schmal bemes-          lungen vollzogen. [...] Die Linien, wie We-   mann die Möglichkeit, eine gewisse Dis-
senen Grundstücken, die weniger um-            gekanten, Einfassungen, werden in feiner      tanz zur klassischen Regelmässigkeit
fangreich und anspruchsvoll waren.             Art unterbrochen, naturalistische und         zuzulassen. Er erlaubte ihm, seine Haus­
Baumann bearbeitete auch diese mit             ornamentale Gartenflächen malerisch           gärten besser an die gegebene Situation
ungebrochenem Fleiss. Die Fülle der            aufgelöst, der Raum mit Feingefühl den        anzupassen, anstatt sie seinem Willen
Aufträge führte Mitte der 1930er-Jahre         topografischen Verhältnissen angepasst,       nach zu überformen.
dazu, seine Pläne vermehrt mit ausge-          die Pflanze einzeln oder in Gruppen mehr
wählten Ansichten zu i­llustrieren. Solche     als früher individuell aufgefasst und ver-    Baumann blieb zeitlebens von der Rich-
Gartenpläne brachte er nicht mehr per-         wendet. [...] [D]ie Gestaltungsgrundlagen     tigkeit seiner reformorientierten Haltung
sönlich vorbei, sondern versandte sie mit      von gestern mussten nicht geändert wer-       überzeugt – auch dann noch, als er dafür
der Post.                                      den, wohl aber die Ausdrucksform.»            immer schärfer kritisiert wurde. In der
                                                                                             Fachwelt – und schlimmer noch in der
Baumann und der Schweizer Wohn­                Baumann wandte sich keineswegs strikt         Gartenbauschule – mochte ihm kaum je-
gartenstil                                     gegen den neuen Wohngartenstil, so­­­         mand mehr folgen. Der Gartenarchitekt
In den ersten Jahren seiner Lehrzeit wa-       lange seine Gestaltung nur Ausdrucks-         wurde als jemand angesehen, der provin-
ren Baumanns Schüler kaum älter als er         form blieb. Als eine Stilvariante ohne        ziell und starrsinnig auf seiner Position
selbst. Meist teilte er mit ihnen dieselbe     weltanschaulichen Hintergrund war es          verharrte. Tragisch muss für ihn der
Lebenserfahrung. Doch als in den Dreissi-      ihm durchaus möglich, die neue Zeit an-       Bruch seiner Freundschaft mit Walter
gerjahren eine neue Generation Gärtner         zunehmen. Schliesslich finden sich ab         Leder gewesen sein. Leder, der im natu-
nach Oeschberg kam, konnte sich Bau-           den frühen 1930er-Jahren ausschliess-         ralistischen Wohngarten seinen Meister
mann einer gewissen Distanz zu ihnen           lich Wohngartenentwürfe in seinem             stand, konnte seinen alten Freund Bert
nicht erwehren. Grund dafür war ihre           Nachlass. Doch weigerte er sich stand-        wegen dessen altmodischen Garten­
neue Entwurfshaltung, die sich zuneh-          haft, den Wohngarten als eine eigenstän-      vorstellungen nicht mehr ausstehen.
mend von den Idealen der Gartenreform          dige Weiterentwicklung der Gartenkultur       Zuallertiefst aber traf ihn 1943 der
distanzierte. Die von den Jungen ange-         anzunehmen. Für Baumann war es un­            plötz­liche Tod seiner geliebten Lydia.
strebte Auflösung der geometrischen            verständlich, wie das Behagliche, das         Menschlich isoliert und fachlich abge-
Form und ordnenden Symmetrie stellte           «Wohnliche» namensgebend werden               koppelt schien Baumann Mitte der Vier-
Baumanns eigene Ideale infrage. Der            konnte. Wohnlichkeit kann keinen neuen        zigerjahre am Ende seiner Karriere an-
­Architekturgarten war für ihn nicht alleine   Gartenstil begründen!                         gekommen zu sein.                      |

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Aus dem Leben von Albert Baumann - Oeschberg
Der Fachlehrer Baumann
                                             Der frühe Erfolg der Gartenbauschule Oeschberg erklärt sich in der
                                             damals kaum bekannten Vereinigung von praktischer und theoreti-
                                             scher Lehre. Oeschberg wollte für die schweizerische Gärtnerschaft
                                             Grosses und Bleibendes schaffen, nicht nur für den jeweiligen Jahr-
                                             gang, sondern für den Gärtnerstand insgesamt. Oeschbergs Schüler
                                             der 1920er-Jahre wussten, dass sie an einem einzigartigen eidgenös-
                                             sischen Projekt teilhatten, das ohne Albert Baumanns engagiertem
                                             Wirken blutleer geblieben wäre.
                                             Text: Steffen Osoegawa, Gartenhistoriker, dipl. Ing. (TU) Landschaftsarchitekt, NDS
                                             Denkmalpflege und Bauforschung

3 | Entwurf für den monatlichen
Gestaltungswettbewerb: mit dem ers-
ten Preis prämierte Arbeit des Wett-
bewerbs «Hotelgarten Excelsior».
                                                                                                                                   1

  Baumanns Lebensweg als Fachlehrer          eingehende Behandlung der Berufstheo-        Baumann unterrichtete sommers zehn,
  begann 1917 an der Fortbildungsschule      rie. Die Gartenpläne sind in einfacher       winters 20 Stunden, dazu drei Nachmit-
für Gärtner in Zürich, wo er auf Empfeh-     ­Manier durchwegs (bei 23 Schülern) gut      tage. Seine inhaltlich aufeinander auf-
lung des Zürcher Garteninspektors Fried-      gezeichnet - sachgemäss, vorbildlich        bauenden Fächer vermittelten den
rich Rothpletz die Nachfolge des Wädens-      und anregend.»                              Schülern ein ausgeprägtes Gefühl für
wiler Hauptlehrers Wilhelm Blumberger                                                     Formen und Proportionen in der Gestal-
antrat. Im «Fachzeichnen für Gärtner»        Baumanns gestalterischer Unterricht          tung, um sie geschulten Auges und kri-
übten sich seine Schüler im Abzeichnen       am Oeschberg                                 tischen Urteils zum Gartenarchitekten
von Plänen, deren verschiedene Darstel-      Derart gerüstet trat Baumann im Herbst       zu befähigen. Baumanns Unterricht war
lungsweisen sie anschlies­send in ihren      1920 seine Berner Stelle als Fachlehrer      ausgesprochen visuell, denn er wusste
eigenen Entwürfen einbauten. Bereits im      für die Fächer Gartentechnik, Gehölz-        um die selbsterklärende Wirkung des
Folgejahr wurde Baumann zum Haupt-           kunde, Geometrie, Feldmessen, Nivellie-      Bildes. Seiner Meinung nach vermoch-
lehrer befördert. Neu unterrichtete er die   ren und Planzeichnen an. Der allgemeine      ten Worte seine Anliegen nicht genü-
Gärtnergesellen an Winterkursen auch in      Unterricht an der Gartenbauschule be-        gend zu veranschaulichen. Eine gute
Gartentechnik und Gartengestaltung, un-      inhaltete sechs Tage, einzig der Sonntag     Bildaufnahme hingegen bedarf oft kei-
terteilt in praktisches Arbeiten im Herbst   stand den Schülern zur freien Verfügung.     ner weiteren Erklärung. Eine ästhetisch
und Theoriekurse im Winter. Seine Unter-     Der Schultag begann um 5.30 Uhr und          überzeugende Lösung erschloss sich
richtsweise fand bei den eidgenössi-         dauerte bis 20.30 Uhr. Vormittags erfolgte   dem Betrachter auch ohne grosse Vor-
schen Prüfern höchste Anerkennung:           der theoretische Unterricht, nachmittags     bildung. Einzig das Erkennen musste
«Die vorliegenden Zeichnungen bewei-         die praktischen Übungen, die Randstun-       erlernt sein, weshalb Baumann auch in
sen richtiges Innehalten der Grenzen, in     den dienten für eigene Ausarbeitungen.       Oeschberg seine Schüler zunächst Gar-
denen das Begriffsvermögen der Lehrlin-      Die Samstagnachmittage waren Tagesex-        tenmotive und -pläne nachzeichnen
ge liegt, der fachtheoretische Unterricht    kursionen vorbehalten.                       liess.

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Aus dem Leben von Albert Baumann - Oeschberg
GARTEN- UND LANDSCHAFTSBAU

Im baumannschen Entwurfsverständnis         Regel folgende Gartenentwürfe mit Be-                                                                     cher, als seine Schüler einen höchst un-
basierte ein überzeugender Entwurf we-      gleitschreiben ausgeführt: 1 Vorgarten,                                                                   terschiedlichen Bildungsstand besas­sen.
niger auf der Suche nach neuen Lösun-       1 Hausgarten, 1 Gartenwirtschaft, 1 öf-                                                                   Alle Berufszweige des Gärtnerberufs­
gen als auf der gelungenen Anwendung        fentliche Anlage mit Spielplatz, 1 Fried-                                                                 waren vertreten, und nur die wenigsten
bekannter Ideen. Baumann baute des-         hof, 1 Landhausgarten (für den Botani-                                                                    besassen einen gestalterischen Hinter-
halb für seinen Unterricht eine Licht-      ker bestimmt).»                                                                                           grund. Für die meisten hingegen war
bildsammlung mit Fotografien aus dem                                                                                                                  der Unterricht die erste Gelegenheit zum
In- und Ausland auf, die 1923 bereits       Am Abgabetag hing Baumann die Blätter                                                                     eigenen Entwurf. Baumann liess seine
über 1200 Glasdias umfasste. Neben der      der Schüler nebeneinander auf. In einer                                                                   Schüler innert weniger Monate zu gereif-
Fo-tografie bediente er sich eines zwei-    Art Vorprüfung wurden die Arbeiten                                                                        ten Entwerfern heranwachsen.
ten Hilfsmittels, seiner Wandbilder oder    durchgesehen, ob alle Wettbewerbsbe-
«Tabellen», wie er sie nannte. Diese auf    dingungen formell erfüllt waren. An-                                                                      Die Schulexkursionen
Karton erstellten Tafeln zeigten eine       schliessend wurden die Arbeiten auf ihre                                                                  Ein wesentlicher Bestandteil des Unter-
Reihe von sechs bis 16 kleinen Tusche-      künstlerische Gestaltung, die Zeichen­                                                                    richts waren die Schulreisen. Dazu
zeichnungen jeweils zu einer bestimm-       weise wie auf ihre Material- und Pflan-                                                                   zählten Tagesfahrten nach Zürich, Bern,
ten Thematik. Die Bildfolgen standen in     zenverwendung mit einem Punktesys-                                                                        Basel oder Solothurn, an denen Bau-
chronologischem oder kulturellem Be-        tem beurteilt. Die Kritik Baumanns                                                                        mann seinen Schülern Beispiele zeitge-
zug zueinander oder stellten verwandte      erfolgte im Beisein aller Schüler, um die                                                                 nössischer wie historischer Gartenkul-
resp. gegensätzliche Gartenmotive ge-       eigenen Arbeiten mit denen der Mitschü-                                                                   tur vorstellte. Den Höhepunkt jeder
genüber. Als Vorlage dienten ihm eigene     ler zu vergleichen.                                                                                       Jahresklasse bildete die sommerliche

                                                                                                                                                                                                 Bild: aus Privatbesitz
                                                                                         Bilder: Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur (ASLA)

                                                                                                                                                                                           3

 2                                                                                                                                                       2 | «Treppen im Motivgarten» – die im
                                                                                                                                                         Schweizerischen Gartenbaublatt ver-
                                                                                                                                                         öffentlichten Schautafeln von Albert
                                                                                                                                                         Baumann fanden Eingang in sein
Handzeichnungen, Postkarten oder Aus-       Baumann begleitete die Wettbewerbe in                                                                        Lehrbuch «Neues Planen und Gestal-
schnitte aus Magazinen und Fachzeit-        den ersten Jahren nicht nur intensiv mit,                                                                    ten im Garten- und Landschaftsbau».
schriften. Die ersten Bildfolgen entwarf    sondern er nahm selbst mit eigenen Bei-
Baumann Ende der Zwanzigerjahre – zu-       trägen daran teil und hängte seine Idee                                                                      3 | Die Diplomurkunde aus den
nächst nur wenige, später dann in gro-      neben die Schülerarbeiten. Er wollte da-                                                                     1930er-Jahren widerspiegelt die
sser Fülle mit bis zu 35 Tafeln pro Jahr.   mit nicht nur seine gestalterische Lö-                                                                       gestalterische Kompetenz.
                                            sung zur Diskussion stellen, sondern
Hatten seine Schüler das baumannsche        war damit den Schülern auch Vorbild,
Sehen in ihrem «Formengedächtnis»           denn wie sie arbeitete auch er bis tief in
abgespeichert, galt es, die Bilder für      die Nacht an den Monatsentwürfen. Sein                                                                    Auslandsreise, welche die Schüler für
den praktischen Unterricht abzurufen        enormer Arbeitseifer übertrug sich auf                                                                    ein bis zwei Wochen, häufig erstmals
und in eine Gesamtidee zu überführen.       seine Schüler. Er motivierte die Jahres-                                                                  überhaupt, ins benachbarte Ausland
Dazu erhielten seine Schüler monatlich      klassen zu einem Höchstmass an Kreati-                                                                    führte. Eine der ersten Reisen, an der
eine Aufgabe, die sie in Konkurrenz         vität und Gestaltungswillen. Das Feuer,                                                                   auch Ernst Cramer (1898–1980) teil-
­zueinander lösen mussten. «Im Laufe        das Baumann in den Herzen all seiner                                                                      nahm, führte die Schüler nach Deutsch-
 des Unterrichtsjahres werden in der        Schüler entfachte, war umso erstaunli-                                                                    land zu den Volksparks der bedeutendsten

dergartenbau Ausgabe 3/2021                                                                                                                                                              11
GARTEN- UND LANDSCHAFTSBAU

4 | Auf Exkursion – Karikatur eines
Schülers von Baumann.

Gartenreformer jener Zeit. Zur Verdeut-
lichung ihrer Leistungen besuchte die
Klasse zuerst die Industriestädte des
Ruhrgebiets mit ihren «düster wirkenden,
rauchgeschwärzten, in roten Backstei-
nen erstellten Mietskasernen und Not-
wohnungen». Die soziale Not der Arbei-
terschaft vor Augen, gelangte die Klasse
nach Hamburg und anschlies­send nach
Berlin, wo sich ihr Gelegenheit bot, «gute
Stras­senbepflanzungen, Sportplätze und
moderne Kinderspielplätze zu sehen».
Meist aber reiste Baumann nach Paris,
                                              6
                                              4
Versailles oder an die Loire, wo neben
dem Besuch seiner Lehrstätte Vilmorin
und anderer Pflanzenproduzenten insbe-
sondere Ausflüge zu barocken Parkanla-       in den Herzen seiner Schüler zu ent­       beugen, fand der Reformgarten keine
gen im Zentrum standen.                      fachen. Es war die bedeutende Zeit der     Erwähnung mehr, doch mass er Gestal-
                                             Kultivateure, der Obst- und Gemüse-        tungselementen wie dem «Rhythmus in
Krisenjahre                                  bauern, die im Zeichen der Eigenversor-    der Gartenkunst» weiterhin viel Raum
In den wirtschaftlich schwierigen Kri-       gung sehr stark geworden waren. Die        bei. Die Veröffentlichung der Tabellen
sen- und Kriegsjahren vermochte es           zunehmend selbstbewussten Gärtner          endete mit der Herausgabe seines
Baumann immer weniger, das «feu sacré»       kamen nach Oeschberg, um sich mit den      Lehrbuchs «Neues Planen und Gestal-
                                             neuesten Kultivierungsmethoden be-         ten im Garten- und Landschaftsbau».
                                             kannt zu machen. Eine Ausbildung zum       Das Buch bildete die Zusammenfassung
                                             Gartenarchitekten erachteten sie als       seiner langjährigen Lehr- und Publika-
   Neuauflage des Klassikers                 unnötig. So kam es, dass die jungen        tionstätigkeit ab.
                Neues Planen und             Gärtner ungeachtet ihrer Vorbildung
                Gestalten – Für Haus         und Bedürfnisse einem älteren Herrn        Für das Publikationswesen der Nach-
                und Garten, Friedhof         gegenübersassen, der sie tagelang Plä-     kriegszeit stellte die ausführliche Illust-
                und Landschaft von           ne zeichnen liess. Den Schülern war der    ration des Buches eine Neuheit dar. Bau-
                Albert Baumannn,             Gartenentwurf deutlich über­bewertet.      mann konnte so eine Vielzahl eigener
                2014, Fr. 44.–. Be-          Ihre Kritik traf Baumann am stärksten,     Arbeiten, Fotografien und Schautafeln
   zugsquelle: Cleangreen Consul-            da er wegen seiner Unterrichtsmetho-       seines Schaffens präsentieren. Doch war
   ting GmbH, mail@cleangreen.ch.            den die Rückständigkeit der Schule per-    ihm nicht daran gelegen, seine Person in
                                             sonifizierte.                              den Vordergrund zu stellen. Darum führ-
                                                                                        ten zahlreiche Arbeiten von ihm geach-
                                             Der steten Kritik überdrüssig, verliess    teter Gartenarchitekten und ehemaliger
  100 Jahre GSO                              Baumann die Schule nachmittags und         Schüler thematisch in die jeweiligen
  Aus Anlass des 100-Jahre-                  übertrug die Aufsicht einem seiner Schü-   Kapitel ein.
  Jubiläums der Gartenbauschule              ler, den er von jeglicher körperlichen
  Oeschberg (GSO) im 2020 bringt             Arbeit entband. Der Schüler leitete das    Wohl zu Baumanns grosser Überra-
  dergartenbau eine Artikelserie über        Feldmessen und überwachte die prakti-      schung wurde sein Buch zu einem viel
  Albert Baumann, der als Fach-              schen Übungen von einem begrünten          beachteten helvetischen Standardwerk
  lehrer für Gartengestaltung und            Schutthügel, dem «Grünhoger», aus, der     für den Garten- und Landschaftsbau,
  Gartenarchitekt das Renommee               darum den Namen «Feldherrenhügel»          das ihm aus Fachkreisen viel Beifall
  der GSO prägte. Im ersten Teil             oder «Baumannshöhe» trug.                  zuteilwerden liess. Baumann traf, wie
  (21/2020) richtete sich der Fokus                                                     es schien, den Zeitgeist der Nachkriegs-
  auf die Lehr- und Wanderjahre.             Späte Anerkennung und Neuaufbruch          moderne der Fünfzigerjahre. Die späte
  Teil zwei (22/2020) würdigte das           Von seinen entwerferischen Idealen         Anerkennung seines unermüdlichen
  gartenarchitek­tonische Werk. Der          überzeugt, begann Baumann 1941 seine       Schaffens stimmte ihn in vielerlei Hin-
  vorliegende dritte Teil beleuchtet         Schautafeln im Schweizerischen Gar-        sicht versöhnlich. Baumann fand zu
  Lehre und Lehrmittel. Im vierten           tenbaublatt (Anmerkung Red. vormali-       ­alter Lebens­energie zurück, was es ihm
  Teil werden Baumanns Verdienste            ger Titel des Fachmagazins dergarten-       erlaubte, sich vergangenen und neuen
  als Gartenhistoriker herausgestellt.       bau) mit belehrenden Untertiteln zu         Aufgaben zu öffnen – der schweizeri-
                                             publizieren. Um weiterer Kritik vorzu-      schen Gartenkulturgeschichte.         |

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Der Gartenhistoriker Albert Baumann
                                             Gebildet von seinen Reisen in Frankreich und unter dem Einfluss der
                                             Gartenreformer zum modernen Gartenarchitekten gereift, erkannte
                                             Albert Baumann früh die Bedeutung der Emmentaler und Solothurner
                                             Barockgärten als Vorbild für den zeitgenössischen Reformgartenent-
                                             wurf. Seine Gartenforschungen und späteren Bemühungen um ihre
                                             Wiederherstellung schufen die Grundlage für die Gründung der schwei-
                                             zerischen Gartendenkmalpflege, als deren Vater er heute gelten darf.
                                             Text: Steffen Osoegawa, Gartenhistoriker, dipl. Ing. (TU) Landschaftsarchitekt, NDS
                                             Denkmalpflege und Bauforschung

1 | Frühe Unterrichts-Schautafel
«Bauerngarten-Motive» (1926).

2 | Gartenaufmass Bauerngarten
­Niederösch (Jan. 1927)

                                                                                    1                                              2

  Schon bald nach seiner Ankunft in          nischen Barockgärten zu engagieren.          viel beachtete Artikel couragierte ihn zu
  Oeschberg machte Albert Baumann Be-        Im Oeschberger Fachlehrer traf er ei-        seiner ersten gross angelegten For-
kanntschaft mit Emil Wyss (1883–1968),       nen Gleichgesinnten, dessen Forscher-        schungsreihe, für die er rund 35 Ba-
dem damaligen Inhaber der Gärtnerei          drang die Aufarbeitung barocker Garten-      rockgärten in der Deutschschweiz, Frei-
Wyss und Herausgeber der heutigen            kunst entscheidend vorantreiben konnte.      burg, Genf und Neuenburg besuchte und
Fachzeitschrift «dergartenbau». Wyss         Ihre freundschaftliche Verbundenheit         die er zwischen 1926 und 1930 in loser
entstammte einer Solothurner Gärtner-        führte Baumann in die solothurnische         Folge im «Schweizerischen Gartenbau-
dynastie, deren Stammvater Urs Viktor        Aristokratie ein. Wyss ermöglichte ihm       blatt» vorstellte. Baumann verzichtete auf
Wyss in den barocken Gartenanlagen von       den Zugang in die ansonsten verschlosse-     einen ausführlichen Begleittext und ver-
Schloss Waldegg den Gärtnerberuf er-         nen Anlagen, wo es ihm gestattet war, die    öffentlichte eine Bilderfolge uns heute
lernte. Der in fünfter Generation geborene   privaten Gärten aufzumessen und zeich-       wohlbekannter Stiche des 18. Jahrhun-
Emil lernte in Paris unter Edouard André     nerisch zu dokumentieren.                    derts, die er um eigene Feldaufnahmen
den Beruf des Gartenarchitekten, um an-                                                   und Fotografien ergänzte und in knappen
schliessend als erster Schweizer Gärtner     Baumann leistet Pionierarbeit                Bildtexten kommentierte.
die Versailler Schule zu besuchen. Eine      Einen ersten Aufsatz zu den Solothurner
Anstellung bei Henri & Jules Riousse in      Barockgärten verfasste Baumann 1923          Baumann präsentierte sich der Leser-
Paris lehrte ihn den Beruf des «Garten-      für den Führer der kantonalen Garten-        schaft als ein früher Gartenhistoriker, der
restaurators». Seine vornehmliche Auf-       bau-Ausstellung Solothurn. Er erweist        die national bedeutendsten Barockgärten
gabe war es, die Rekonstruktion des          sich darin als exzellenter Kenner baro-      einem Inventar gleich auflistete und sie
Versailler Schlossparks mit vorzuberei-      cker Gartenkunst, weil er darin die fran-    dem Publikum über Jahre hinweg stetig in
ten und zu begleiten. Für Wyss lag es        zösischen Vorbilder der Gärten von           Erinnerung rief – waren doch die meisten
nahe, sich nach der Rückkehr in seine        Schloss Waldegg, Schloss Steinbrugg          der vorgestellten Gärten längstens der
Heimatstadt für den Erhalt der solothur-     und de Vergier zu benennen wusste. Der       Vergessenheit anheimgefallen.

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GARTEN- UND LANDSCHAFTSBAU

                                                                                             3 | Baumanns wohl berühmteste
                                                                                             Schautafel, in: Hauser (1976), S. 177.

                                                                                             4 | Baumanns umgesetzter Entwurf
                                                                                             der Rekonstruktion des Parterre-
                                                                                             gartens des von Wattenwylhauses
                                                                                             (1957).

                                                                                          nachgebildeten Bauerngärten sollten sich
                                                                                          die jungen Menschen ihrer Heimat und der
                                                                                          Tugendhaftigkeit ihrer Landsmänner und
                                                                                          -frauen besinnen.

                                                                                          Der «Solothurner Kreis»
                                                                                          Ab Mitte der Dreissigerjahre legte Bau-
                                                                                          mann seine Forschungen für nahezu
 3                                                                                        zwei Jahrzehnte beiseite. Er widmete
                                                                                          sich ausschliesslich dem Motivgarten
                                                                                          und der jungen Disziplin der Land-
Der Emmentaler Bauerngarten                  Garten seine häufigste Entsprechung in       schaftsgestaltung, während der Bauern-
Auf seinen sonntäglichen Streifzügen         den Landhausgärten seiner bürgerli-          garten – wie der herrschaftliche Barock-
durch das Umland der Gartenbauschu-          chen Klientel. Regelrechte Kopien Em-        garten auch – nahezu vollständig aus
le, begegnete Baumann ebenfalls den          mentaler Bauerngärten entwickelte er für     seinem Entwurfsrepertoire verschwand.
prachtvollen Bauerngärten der einstigen      seinen kantonalen Arbeitgeber, der ihn mit   Auch publizistisch liess Baumann dazu
Milchbarone des Emmentals. Baumanns          der Ausarbeitung der Aussenanlagen           nichts mehr verlauten. Dies sollte sich
Vorbildung als Posamenter liess ihn in den   etwa der Strafanstalt Witzwil, der Armen-    1952 ändern, als mit Emil Steiner (1922–
parterreartig geschmückten Gärten jene       anstalt Utzigen oder der zahlreichen Neu-    2018) ein ehemaliger Meisterschüler von
Broderien wiedererkennen, denen er an        gründungen kantonaler Seminar-, Gar-         Baumann neuer Chefredaktor des
der St. Galler Stickereischule begegnete:    tenbau- oder Landwirtschaftsschulen          Schweizerischen Gartenbaublattes wird.
«Erinnert die interessante Buchs- und        beauftragte. Von der Schönheit der Bau-      Von Steiner ermuntert, er werde seine
Blumenzeichnung dieses alten Bauern-         erngärten erhoffte sich Baumann wohl         Aufsätze auch weiterhin veröffentlichen,
gartens nicht an ein feines Textilorna-      auch einen erzieherischen Effekt. In der     widmete sich Baumann von Neuem der
ment?», fragt Baumann rhetorisch bei         täglichen Arbeit und Betrachtung der         regionalen Gartenkulturgeschichte.
der zeichnerischen Wiedergabe eines
Bauerngartens in Niederösch.

Baumann muss die Bauerngärten weit
inspirierender empfunden haben als ihre
grossen aristokratischen Vorbilder. Die
Grundrisse und Strukturen der auf klei-
nem Raum realisierten ländlichen Gärten
waren vielfältiger und liessen sich besser
auf die Grundstücke seiner Auftraggeber
übertragen. Ihre Axialität und strenge
Symmetrie kamen seinem reformorien-
tierten Entwurfsempfinden entgegen. Die
für seinen Gartenentwurf gewonnenen
Erkenntnisse fanden Niederschlag in
seinen frühesten Unterrichtstafeln, in
denen er die Prinzipien des Bauerngar-
tens und dessen gestalterische Ausstat-
tungen erklärte. Baumanns Schüler er-
lernten im Unterricht die Motive des
Bauerngartens und übten diese in ersten
Hausgartenentwürfen ein. In seinem ei-
genen Werk der Zwanziger- und frühen
Dreissigerjahre findet der bäuerliche         4

dergartenbau Ausgabe 7/2021                                                                                                    17
5 | Posthume Ehrung erfährt Bau-
mann 2010 im Landsitz Lohn in der
Rekonstruktion seines 1960 nicht
realisierten Entwurfs, bezeichnet
als «Variante D».

Steiners Offenheit gegenüber Baumanns          5
Forschung lag eine besondere Episode
zugrunde, die sich zu Beginn seiner Zeit
als Chefredaktor ereignete und ihn in die     beitet. Baumanns knappe Antwort dar-            Anmerkung des Autors
«Denkmalgeschichte hineinrutschen»            auf: «Das interessiert mich nicht, mich         Der Lesbarkeit halber wurde auf
liess. Anfang der 1950er-Jahre wandte         interessiert nur die Sache!»                    Quellenverweise verzichtet. Das
sich Wilhelm de Vergier an die Redaktion                                                      Wissen über die vorgestellten Le-
der Fachzeitschrift, da ihm seine jahr-       Baumanns Interesse für die Sache, we-           bensabschnitte Baumanns beruht
hundertealten Eiben abzusterben droh-         niger für die Wissenschaftlichkeit seines       auf Interviews mit Emil Steiner und
ten. Der junge Chefredaktor erkannte,         Erkenntnisgewinns, trat umso mehr zu-           Josef Seleger, der Interpretation
dass die Schäden auf das Verwenden von        tage wie unser Gartenarchitekt in die           seines schriftlichen, fotografischen
Herbiziden zurückgingen, mit denen er         Rolle des praktischen Denkmalpflegers           und zeichnerischen Nachlasses
die Gartenwege unkrautfrei hielt. Steiner     hineinwuchs. Baumann, der sich schon            und den Forschungsarbeiten des
riet zum Verzicht auf die Pflanzengifte und   seit Längerem mit dem Grundproblem              Autors. Leben und Werk der bewe-
verhinderte so die Rodung der Eiben.          konfrontiert sah, dass viele der von ihm        genden Biografie Baumanns sollen
                                              erforschten Gartenanlagen im 19. Jahr-          zu gegebener Zeit als Fachbuch
Die Begebenheit führte dazu, dass Wyss,       hundert landschaftlich überformt wur-           publiziert werden.
Steiner und Baumann immer enger auch          den, begann sich verstärkt mit der Frage
mit dem damaligen solothurnischen             ihrer Rekonstruktion zu beschäftigen. Aus
Kunstdenkmälerkonservator Gottfried           den ihm vorliegenden Veduten und Plänen
Loertscher (1914–1997) zusammenar-            brachte Baumann jeweils eine Version zu       Kompartimenten, geschnittenen Buchs-
beiteten und unter ihm zu regelrechten        Papier, wie für ihn der Garten einst ausge-   kegeln und opulenten Blumenrabatten
Gartendenkmalpflegern avancierten.            sehen haben musste. Seine Zeichnungen         aus, was ihn barocker in Erscheinung
Baumann überliess Loertscher 1957 sei-        waren nicht immer eine getreue Abbil-         treten liess, als er es vermutlich je war.
ne Forschungen und Planunterlagen, die        dung des Gewesenen, sie reflektierten         Als der Garten nach intensiven garten-
er für eine von ihm im gleichen Jahr ver-     mitunter mehr seine Vorstellung vom ide-      archäologischen Grabungen 1989/90
fasste Schriftenreihe zu den Solothurner      altypischen Barockgarten.                     wiederhergestellt werden sollte, be-
Gärten zusammengestellt hatte. Der                                                          stimmte die Denkmalpflege Baumanns
Denkmalpfleger war dankbar, doch eben-        Beispielhaft stehen hierfür die Gärten        Plan für dessen Rekonstruktion. Im
so erstaunt über die wenig wissenschaft-      des Von-Wattenwyl-Hauses, des Land-           Denkmaljahr 1975 beeinflussten Bau-
liche Vorgehensweise Baumanns, denn           sitzes Lohn oder des Stiftsgebäudes am        manns Grundlagenarbeiten ebenfalls die
dieser hatte ohne Quellenangaben gear-        Berner Münster, die Baumann Ende der          junge Bauerngartenforschung, nachdem
                                              Fünfzigerjahre von Bund und Kanton            Albert Hauser (1914–2013) in seiner
                                              Bern zum Auftrag erhielt. Baumann war         Schrift «Bauern­gärten der Schweiz»
                                              eingeladen, Vorschläge zu entwickeln,         manche seiner Unterrichts­tafeln zur Er-
  100 Jahre GSO                               wie die landschaftlichen Überformungen        klärung ihrer Prinzipien zurate zog.
  Aus Anlass des 100-Jahre-                   in neu­barocker Manier zurückzubauen          Durch den steten Widerhall seiner gar-
  Jubiläums der Gartenbauschule               seien. Beim Garten des Von-Wattenwyl-         tenhistorischen Arbeit wie über seine
  Oeschberg (GSO) im Jahr 2020                Hauses entschied sich Baumann für eine        frühen Gartenrekonstruktionen setzte
  bringt dergartenbau eine Artikel-           Annäherung an den Vorzustand im zeitge-       Baumann den Anfängen der schweizeri-
  serie über Albert Baumann, der als          nössischen Wohngartenstil, im Landsitz        schen Gartendenkmalpflege seinen
  Fachlehrer für Gartengestaltung             Lohn legte er dem ehemaligen Parterre         Stempel auf, an deren Wiege er mit dem
  und Gartenarchitektur das Renom-            das Wegkreuz eines Bauerngartens un-          «Solothurner Kreis» gestanden hatte.
  mee der GSO prägte. Im ersten Teil          ter und im Stiftsgebäude blieb sein Ent-
  (21/2020) richtete sich der Fokus           wurf gänzlich ohne Vorbild, da zur Bauzeit    Baumann sollte 1963 seine entwerferi-
  auf die Lehr- und Wanderjahre.              des Barocksitzes auf die Anlage eines         sche, fünf Jahre später seine publizisti-
  Teil zwei (22/2020) würdigte das            Gartens verzichtet wurde (was Baumann         sche Tätigkeit beenden. Die kommenden
  gartenarchitek­tonische Werk. Der           damals jedoch nicht bekannt war).             zehn Jahre lebte er so, wie er es am meis-
  dritte Teil beleuchtete Lehre und                                                         ten schätzte, zurückgezogen in seinem
  Lehrmittel (03/2021). Die Serie             Einen vierten Weg schlug Baumann in           eigenen Heim. Im engsten Kreis wurde er
  endet mit dem vorliegenden vierten          der zeichnerischen Rekonstruktion des         in im Herbst 1976 auf seinem letzten Gang
  Teil über Baumann als Gartenhis-            Barockgartens von Schloss Waldegg ein.        begleitet und in Koppigen neben seiner
  toriker.                                    Er stattete den Garten mit zusätzlichen       geliebten Frau Lydia beigesetzt.        |

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