Aus dem Vergessen gerückt - epub @ SUB HH
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März 2020 Ausgabe 58 Aus dem Vergessen gerückt Seit 2017 gibt es im Lohsepark einen Gedenkort für mehr als 8000 in der Zeit des Nationalsozialismus Deportierte. Künftig kommt eine Ausstellung hinzu, in der ihre Geschichte erzählt wird ↑ Mitglieder der Hamburger Rom und Cinti Union in der Ausstellung „In den Tod geschickt“ (Foto: Miguel Ferraz) Es ist ein Ort mitten in der HafenCity, mitten im wichtiger Ort“, sagt der Vorsitzende der Hamburger des denk.mals Hannoverscher Bahnhof gefeiert. Bis Leben: Spaziergänger schlendern durch den Loh- Rom und Cinti Union, Rudolf Julius Kawczynski. Der 2023 entsteht hier ein Dokumentationszentrum, das separk, ein Geschäftsmann läuft eilig in Richtung Weg führt von dem ehemaligen Bahnsteig in einer den Deportierten nach dem Namen nun auch ihre U-Bahnstation HafenCity Universität, Kinder to- langsam ansteigenden steinernen Fuge in den Park Geschichten zurückgeben wird. „Wir rücken in der ben auf dem nahe gelegenen Spielplatz. Genau hier hinein, gleichsam eine lange Narbe, die in die Textur Ausstellung die Menschen, die von hier abtranspor- mussten vor gut 75 Jahren jedoch viele endgültig der Nachbarschaft geschlagen wurde. Zugleich ver- tiert wurden, in den Mittelpunkt. Ihre Geschichten Abschied von ihrem alten Leben nehmen: Am Han- knüpft der Entwurf von VOGT Landschaftsarchi- sind es, die berühren und die hier erlebbar werden“, noverschen Bahnhof, der sich damals auf dem Ge- tekten (Zürich) den Gedenkort durch Querungen und so Dr. Oliver von Wrochem, der als Leiter der KZ-Ge- biet befand, wurden 1940 bis 1945 mehr als 8000 Sichtachsen mit dem Leben rundherum. Ob im Vor- denkstätte Neuengamme auch für die Entwicklung Juden, Sinti und Roma in Züge gepfercht, um die beigehen oder im bewussten Kommen und Innehal- des neuen Museums in der HafenCity zuständig ist Reise zu Gettos und Konzentrationslagern anzutre- ten – hier erhalten Menschen von heute Zugang zu (siehe S. 3). Dr. Linde Apel und Dr. Frank Bajohr von ten, darunter auch Babys, Kleinkinder und Bettlä- diesem menschenverachtenden rassistischen Kapi- der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg gerige. Die wenigsten von ihnen überlebten. tel der Hamburgischen und deutschen Geschichte. sowie weitere Historikerinnen und Historiker erfor- Seit 2017 erinnert das denk.mal Hannoverscher schen seit 2004 die Hintergründe der Deportatio- Bahnhof entlang der historischen Bahnsteigreste Spatenstich Dokumentationszentrum nen vom Hannoverschen Bahnhof. an die Deportierten. Auf 20 Gedenktafeln sind ihre Namen zu lesen. „Mittlerweile ist es für uns eine Art Am Ende der zentralen Sichtachse der Fuge, nahe Friedhof unserer Angehörigen geworden, die mit des früheren Bahnhofsvorplatzes am Nordwestrand diesen Namenstafeln symbolisch hierher zurück- des Lohseparks, wurde jetzt am 17. Februar der ers- gekehrt sind. Für uns Nachfahren ist das ein ganz te Spatenstich für den abschließenden Bestandteil Fortsetzung auf Seite 2 → Kunstknotenpunkt Nicht von der Stange Auf Entdeckungstour zu Einzelhandel Galerien und Ateliers mit persönlicher Handschrift Seite 5– 7 Seite 8– 9 Mai 2019 | News 55 | HafenCity
2 | denk.mal Hannoverscher Bahnhof Editorial | 3 „Die Geschichten wirken bis Editorial heute nach“ Der Historiker Dr. Oliver von Wrochem (51) ist Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und befasst sich seit Jahren mit der Geschichte des Hannoverschen Bahnhofs „Wie wollt ihr euch erinnern?“ Diese Frage, die Jugendliche 2011 in einem Workshop zum Gedenken für die Opfer der national- sozialistischen Deportationen in Hamburg stellten, ist heute aktueller denn je. Das Dokumentationszentrum, das das denk.mal Hannoverscher Bahnhof im Quartier Am Lohsepark komplettiert, wird ab 2023 um- fassenden Raum und vielfältige Ansätze für Antworten geben. Hier entsteht ein gut ↑ ↑ sichtbarer, zentraler Ort des Gedenkens und Das Gebäudeensemble, in dem das Dokumentationszentrum im Erdgeschoss eingebunden wird (Entwurf: Wandel Lorch) spielt mit Sichtbeton und verschieden ausgestalteten Klinkerfassaden. Dr. Oliver von Wrochem (Foto: Miguel Ferraz) der Auseinandersetzung mit den NS-Verfol- Die einzelnen Gebäudeteile – das Dokumentationszentrum mit dem Eingang an der zentralen Eckposition, Büros darüber und daneben und das Hotel zur Rechten – sind in der Fassade deutlich ablesbar gungen in der Mitte Hamburgs. Die Hafen Was wird die Besucher im künftigen Dokumenta- Nachbarn, Täter und Profiteure. Wir stellen dar, City Hamburg GmbH (HCH) und ihre Tochter Ein Teil der 2009 konzipierten Ausstellung „In den City Hamburg GmbH (HCH) begann ein langfristiger tekturbüros Wandel Lorch (Saarbrücken/Frankfurt) tionszentrum erwarten? dass die Erfahrungen der Beteiligten bis heute in Billebogen Entwicklungsgesellschaft (BBEG) Tod geschickt“, die bereits im Kunsthaus Hamburg Dialog und Planungsprozess mit den Verbänden der gebaut, das bereits für das Ökumenische Forum in Unsere Ausstellung wird den Fokus auf den gesam- Gesellschaften und in Familien nachwirken. Dafür nehmen aus dem Entwicklungsprozess wert- der Öffentlichkeit präsentiert wurde, ist seit Herbst Hinterbliebenen und Überlebenden zur physischen der HafenCity und die Neue Synagoge in München ten norddeutschen Raum legen und auch die Ereig- haben wir mit den Kindern und Enkeln sowohl von volle Erfahrungen für die weiteren Erinne- 2013 in einem Info-Pavillon im Lohsepark zu sehen. und inhaltlichen Ausgestaltung des denk.mals Han- verantwortlich zeichnete. Die Müller-Spreer-Gruppe BSW/ABH23/00153/2019 nisse in den Zielländern der Deportationen darstel- Verfolgten als auch von Tätern intensiv gespro- rungsorte im Billebogen und auf dem Gras- Der Vermittlungsansatz des Dokumentationszent- noverscher Bahnhof. Von dieser Erfahrung werden Genehmigungsplanung WANDELerwarb als Bauherrin von LORCH GMBH einem Visu. Ansicht PrivateigentümerPlancode Lohsepark len: Von wo kamen die Menschen? Wohin fuhren chen. Die Geschichten werden den Besuchern brook mit. Für die künftige Entwicklung der Neubau Hotel und Bürogebäude Am Lohsepark KAISERSTRASSE 39 TEL. 069-9074807-0 rums trägt der Tatsache Rechnung, dass es immer die HCH und ihre Tochtergesellschaften Hamburg Hafencity langfristig zusätzlich 60329 FRANKFURT das Nebengrundstück FAX. 069-9074807-1 MM und beauftrag- 23.07.2019 1515_4_VIS_1 sie, nachdem sie den Hannoverschen Bahnhof zeigen: Das, was damals geschah, ist auch jetzt Teil ehemaligen Schule am Bullenhuser Damm, weniger lebende Zeitzeugen gibt und diese in abseh- profitieren, denn auch im Billebogen und im Gras- te Wandel Lorch für den gesamten Gebäudekom- verlassen hatten? Viele Deportierte wurden sofort, unserer Kultur. Ausgrenzung ist auch heute ein gro- die mit Ausnahme der Gedenkstätte für die barer Zeit ganz fehlen werden. Stattdessen müssen brook stellt sich die Frage, wie Erinnerungskultur in plex an der Ecke Am Lohsepark/Steinschanze mit andere einige Wochen oder Monate nach Ankunft ßes Problem! Wir wollen die Menschen aufrütteln Kinder vom Bullenhuser Damm und einer Kita sorgfältig aufbereitete Biografien die Ansprache an die Stadtentwicklung integriert wird. Dort befin- der Planung. Neben dem Dokumentationszentrum, ermordet. Oft folgte aber auch ein langer Weg und sie wegbringen von einer Haltung, die besagt: weitgehend leer steht, starten wir 2020 nach die nachfolgenden Generationen leisten. durch zahlreiche Lager. Unser Ausstellungsteam „Was geht mich das an?“ einer technischen und denkmalpflegerischen hat in den vergangenen Jahren intensiv geforscht Bestandsaufnahme einen Ideenfindungs- Ein langer Weg und möchte hier den gesamten Verfolgungsweg Wie macht man die Geschichten besonders für prozess. Die BBEG entwickelt im Dialog mit anhand von Einzelpersonen darstellen. Wir ha- junge Leute lebendig? verschiedenen Akteuren ein langfristig trag- „Das Dokumentationszentrum hat eine große Be- ben Archive und Nachlässe gesichtet, Interviews Das Dokumentationszentrum soll ein Ort des fähiges Instandsetzungs- und Nutzungs- deutung für die Erinnerungskultur in Deutsch- mit Deportierten sowie deren Kindern und Enkeln Lernens werden. Wir haben daher neben der Aus- konzept, das die sensible Geschichte res- land und wird zugleich einen zentralen Baustein geführt. Es ging uns darum, uns den Menschen so stellung eine sogenannte Lernwerkstatt und ein pektiert. Das Lagerhaus G als Erinnerungsort in dem neu entstehenden Erinnerungskonzept gut wie möglich zu nähern und ihnen eine Stimme Zukunftslabor integriert, in denen Interessierte an das Schicksal von NS-Zwangsarbeiter/ unserer Stadt bilden. Wir sind dankbar, dass wir zu geben. Vor diesem Hintergrund zeigen wir in der die Themen vertiefen und eigene Fragen entwi- -innen sowie weitere Lagerhäuser wurden den Gedenk ort und das Dokumentationszent- Ausstellung das Schicksal von mehr als 8000 Ju- ckeln können. Für die Ausstellung haben wir bereits in den Wettbewerblichen Dialog der HCH rum zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern den, Sinti und Roma, die von hier deportiert wurden. Projekte gestartet, die Jugendliche aus Hamburg zur städtebaulichen und freiraumplaneri- der Verfolgtenverbände entwickeln konnten und Auch das Schicksal von rund 1000 überwiegend sowie Ländern, in die die Deportierten verschleppt schen Funktionsplanung für den Grasbrook diese bis heute die Einrichtung begleiten“, sag- politischen Gegnern, die im „Bewährungsbatail- wurden, zusammenbringen. Dabei ist auch eine einbezogen. Die Wettbewerbsergebnisse te Hamburgs Senator für Kultur und Medien, Dr. lon 999“ in gefährliche Kriegseinsätze geschickt Inklusionsgruppe, die die Verfolgung aus ihrer des Grasbrookverfahrens stellen wir An- Carsten Brosda, anlässlich des Spatenstichs. Die wurden, stellen wir dar. Weiterhin werden die Rolle Sicht kommentiert. In der Ausstellung werden wir fang April vor. Die Konzeptarbeit für das Freie und Hansestadt blickte an diesem Tag ihrer- der Verantwortlichen und Profiteure sowie die mit allen Sinnen arbeiten. Höraufnahmen, Gra- Lagerhaus G steht unterdessen noch vor seits auf einen langen Weg zurück. Erst Ende der Einordnung der Deportationen vom Hannoverschen phic Novels und Videos ergänzen das Konzept. Ein dem Beginn. Kunst und Kultur machen die 1990er Jahre begann eine intensive Auseinan- Bahnhof in den Gesamtkontext der politischen und interaktiver Medientisch und Grafiken werden die HafenCity unterdessen insgesamt zu ei- dersetzung mit einem Ort und seiner Geschichte. ↑ rassistischen Verfolgung im Nationalsozialismus Deportationswege Einzelner nachzeichnen. Hin- nem Ort vielfältiger Diskurse. Fragen nach Einweihung des Gedenkorts im Mai 2017 (Foto: Miguel Ferraz) Selbstbildern und Fremdbildern, nach indi- Die Verbänden der ehemals Verfolgten forderten eine wichtige Rolle spielen. zu kommen künstlerische Annäherungen an das dies mit Nachdruck. 2008 wurde die Entwicklung den sich weitere historische Orte wie die Schule am das die HCH mit einem 200-jährigen Dauernut- historische Geschehen. Eine wichtige Ergänzung vidueller Freiheit und kollektiven Bezügen, einer Gedenkstätte offiziell beschlossen. Unter Bullenhuser Damm als Tatort eines SS-Verbre- zungsrecht hier verankert hat, werden darüber und Welche Bedeutung hat die Erinnerung für unsere ist auch unsere im Februar erweiterte Website zum nach Vergangenheit und Zukunft werden Federführung der Kulturbehörde und der Hafen- chens an 20 jüdischen Kindern und mindestens 28 daneben rund 6000 Quadratmeter Büronutzung, heutige Zeit? Hannoverschen Bahnhof. hier aufgeworfen. Eine wachsende Zahl von Erwachsenen sowie das Lagerhaus G als Lager für ein Hotel mit 125 Zimmern sowie Gastronomie re- Wir stellen in der Ausstellung bewusst die Frage: Ausstellungs- und Produktionsorten liefert Spatenstich für das Dokumentationszentrum im Februar 2020: Zwangsarbeiter im zukünftigen Stadtteil Grasbrook alisiert. Das Dokumentationszentrum hebt sich mit Wie ist die Gesellschaft mit Verfolgung und De- hierzu Beiträge und belebt die K reativszene Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsfüh- (siehe S. 4). einem weißen Klinkerband, in welches der Schrift- portationen umgegangen? Denn es gab natürlich hannoverscher-bahnhof.hamburg.de Hamburgs. Sie profitiert ebenso wie der rung der HafenCity Hamburg GmbH; Bauherr Harm Müller- Spreer, Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien; zug „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ eingeprägt Einzelhandel von den für publikumsbezoge- Prof. Dr. Detlef Garbe, Vorstand Stiftung Hamburger Gedenk- Ein besonderes Gebäude ist, von den übrigen Gebäudeteilen ab. „Wir rech- ne Nutzungen gezielt ausgebauten Erdge- stätten und Lernorte (Foto: Thomas Hampel) nen damit, dass das Dokumentationszentrum sehr schossflächen in der HafenCity, aber auch ↓ Für das Dokumentationszentrum ging die HCH den viel Zulauf haben wird, da es sowohl für Touristen von strategischen Förderstrukturen wie ungewöhnlichen Weg, in Abstimmung mit den Be- als auch für Schulklassen sehr gut erreichbar liegt. dem Verein „Kunst und Kultur in der Hafen- hörden für das Gebäude vorab einen Architektur- Deutschlandweit steigt das Interesse an Gedenk- City“. Unterdessen verdichtet sich auch bei wettbewerb durchzuführen und das Grundstück stätten für die Opfer des NS-Regimes und es ist den gewerblichen Nutzungen der Trend zum zusammen mit dem Entwurf auszuschreiben. „So ein wichtiges Statement, dies an einem so zentral Besonderen und Unverwechselbaren. Einzel- konnten die bauliche Qualität und alle Anforde- gelegenen Ort zu fördern“, sagt Dr. Oliver von Wro- händler in der HafenCity profilieren sich mit rungen, die wir für die Freie und Hansestadt sowie chem. So wird das Dokumentationszentrum selbst nachhaltigen, individuellen und sehr persön- für die Interessenverbände an das Dokumenta in drei Jahren das Leben rundherum stärken und die lichen Konzepten. In Zukunft werden diese tionszentrum stellen, gesichert werden“, berichtet Erinnerung an die Deportierten vom Hannoverschen auch durch die Publikumsfrequenz im südli- der zuständige Projektmanager Jürgen Desler. Eine Bahnhof fest im Mittelpunkt der Stadt verankern. chen Überseequartier gestärkt. Über all das besondere Vereinbarung stellt sicher, dass das Erd- und viele weitere Themen berichten wir auf geschoss mit rund 1000 Quadratmetern Bruttoge- Info-Pavillon denk.mal Hannoverscher Bahnhof den kommenden Seiten. schossfläche dauerhaft in der Verfügung der Freien April bis Oktober, Mi–So, täglich von 12–18 Uhr Viel Spaß bei der Lektüre wünscht und Hansestadt Hamburg bleibt, selbst wenn ein- Nördlicher Lohsepark, Eintritt frei mal ein neues Gebäude errichtet werden müsste. ↑ Doch nicht nur das Dokumentationszentrum wird November bis März, Besuch nach vorheriger Mit der unscheinbaren Plakette rechts an der Wand des Hamburger Hauptbahnhofs erinnerte die deutsch-jüdische Gesellschaft nun nach dem ausgewählten Entwurf des Archi- Anmeldung möglich: 040 4281315 00 Hamburg 1993 erstmals an zentraler Stelle an die Deportationen (Foto: Miguel Ferraz) HafenCity | News 58 | März 2020 März 2020 | News 58 | HafenCity
4 | Meldungen Reportage | 5 Erinnerung an getöte Kinder und Zwangsarbeiter ↑ Vernissage der Ausstellung „Behind the Color“ bei Azaro Art Spaces und Z Contemporary (Foto: Bina Engel) ↑ Im Rosengarten der Schule am Bullenhuser Damm wird an die ermordeten Kinder erinnert (Foto: Miguel Ferraz) Am 20. April gedenken Menschen aus aller Welt der Opfer der NS-Morde, die sich vor 75 Jahren setzung, denkmalgerechte und würdige Nutzung des Schulgebäudes startet die BBEG 2020 einen Bestandsaufnahme gestartet. Das Lagerhaus G wird erhalten und in die Konzeption des neuen Hinter der Farbe Ob Galerien oder Ateliers: In der HafenCity ist eine lebendige Kulturszene entstanden an der Schule am Bullenhuser Damm in Rothen- Ideenfindungsprozess im Dialog mit zahlreichen Stadtteils integriert. burgsort ereigneten. In der Nacht vom 20. auf den Akteuren (Stadtteil, Politik, Kultur und viele mehr). 21. April 1945 tötete die SS im Keller der Schule 20 Im künftigen Stadtteil Grasbrook, der von der Der Raum ist lichtdurchflutet mit großen Fenster- torpark/Am Dalmannkai mehrere Galerien in den jüdische Kinder, an denen zuvor medizinische Ex- HCH auf der Südseite der Elbe in den kommenden 20. 04. 2020, 18 Uhr Gedenkfeier für die „Kin- fronten, seine rauen Wände und Böden verströmen Alltag zwischen Einkaufen, Schule und Baustellen- perimente verübt worden waren, sowie mindes- Jahren entwickelt wird, befindet sich ein weiterer der vom Bullenhuser Damm“ in der Turnhalle der Authentizität und Geradlinigkeit. Intensiv leuchten verkehr ein. Nisvican Roloff-Ok eröffnete hier 2013 tens 28 erwachsene Gefangene. Heute beherbergt Ort, der die Leidensgeschichte von NS-Opfern be- Schule (Zugang vom Hof), Bullenhuser Damm 92, die abstrakt-expressiven Bilder und Objekte, die „Nissis Kunstkantine“. „Ich integriere Kultur, Gast- das denkmalgeschützte Gebäude eine Gedenk- zeugt. 1944 wurden im Lagerhaus G am Saaleha- 20539 Hamburg, Eintritt frei Romullo Azaro und Andreea Zecheru für die Grup- ronomie und Events, damit die Kunst nahbar wird“, stätte der „Vereinigung Kinder vom Bullenhuser fen nacheinander ca. 1500 jüdische Zwangsarbei- penausstellung „Behind the Color“ installieren. „Wir sagt die Galeristin, die seit 30 Jahren in der Bran- Damm“ und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme terinnen sowie rund 2000 Zwangsarbeiter aus dem Günther Schwarberg: Der SS-Arzt und die Kinder betreiben zwei Galerien, die abstrakte Kunst und che arbeitet. Alle vier Wochen wechselt sie die Aus- sowie eine Kindertagesstätte, sonst ist es unge- Konzentrationslager Neuengamme untergebracht. vom Bullenhuser Damm Pop-Art miteinander mischen“, erklärt Andreea Ze- stellung. Den Mittagstisch nehmen ihre Gäste mit nutzt. Das 1908 bis 1910 vom Architekten Albert Bei einem Bombenangriff im Oktober 1944 wurden Steidl Verlag 2016, ISBN 978-3-86930-837-1 cheru. „Azaro Art Spaces“ und „Z Contemporary“ Blick auf die jeweils aktuellen Werke ein. Zweimal im Erbe entworfene, denkmalgeschützte Gebäude ge- viele von ihnen getötet. Im Gebäude sind Spuren der sind seit September 2019 angetreten, um das An- Monat kombiniert „Nissi“ ein Drei-Gänge-Menü mit hört seit 2018 der Billebogen Entwicklungsgesell- NS-Häftlinge erhalten geblieben. Derzeit erinnern kinder-vom-bullenhuser-damm.de gebot an Kultur in der HafenCity durch Talente aus Konzerten, Lesungen oder Theateraufführungen. schaft mbH (BBEG), einer Tochter der HafenCity Gedenktafeln und ein Wandgemälde an diese Zeit. kz-gedenkstaette-neuengamme.de aller Welt zu bereichern. Jede Bewerbung werde Die Kulinarik nutzt sie gezielt, um Berührungsängs- Hamburg GmbH (HCH). Für die künftige Instand- Jetzt wird eine sorgfältige historische und bauliche geprüft, fügt Azaro hinzu. Der gebürtige Brasilianer te abzubauen. „In Zukunft möchte ich beispielswei- hat, wie Zecheru, selbst einen künstlerischen Hinter- se zur Ausstellung gern die Lieblingsgerichte der grund und kennt die Sorgen und Nöte der Kreativen Künstler präsentieren“, verrät sie. aus eigener Erfahrung. „Wir schaffen hier bewusst In ihrer 60. Ausstellung sollen in der Kunstkantine Intensiv begrünte Fassaden und Dächer: einen Raum, den Besucher ohne Hemmschwelle be- ↑ die großformatigen Pop-Art-Gemälde von Laris- Nachhaltiger Kreislauf Jan Helbig und Matthias Kulcke arbeiten im Atelier „Denktraum“ das Bauvorhaben Moringa treten können“, betont er. An dem Standort nahe am sa Kerner, der Tochter der Sängerin Nena, zu sehen (Foto: Bina Engel) (Visualisierung: kadawittfeldarchitektur) Spiegel-Gebäude und den Deichtorhallen kommen sein. „Die Kunstrichtungen, die ich hier zeige, sind ↓ täglich viele Menschen vorbei. Die fünf Meter hohen beit an ihren Gemälden zuschaut – das Atelier war sehr unterschiedlich“, betont Nissi jedoch. „Die Viel- Erdgeschossräume und die großen Schaufenster früher eine Gewerbefläche. In der Speicherstadt falt von Kunst zu zeigen, das ist das Anliegen.“ nga Das Bauvorhaben „Moringa“ setzt auf recyclefähige Materialien und machen die Galerie einladend und gut sichtbar. muss man dagegen sorgfältig die Aufgänge studie- konsequente Begrünung. Auch soziale Nachhaltigkeit wird integriert ren, um zu Orten wie der Produzentengalerie „Denk- Luftiger Prozess traum“ zu gelangen: In einem „Kreativspeicher“ am Moringa, das ist eigentlich ein Baum aus der auch im Alltag wird die nachhaltige Qualität er- Sandtorkai arbeiten der Porträtmaler und Perfor- Himalaya-Region, dessen viele gesunde Eigen- lebbar. Nach der Funktionsplanung für das Quar- Ob private Galerien, öffentliche Institutionen, mance-Künstler Jan Helbig sowie der Architekt, schaften bis hin zu der Fähigkeit, verschmutztes tier Elbbrücken von Hosoya Schaefer und einem Werkstätten oder Ateliers: Wer sich ein wenig Zeit Bühnenbildner und Musiker Matthias Kulcke. „Für Trinkwasser zu reinigen, ihn zu einem Symbol für Architekturentwurf von kadawittfeldarchitektur nimmt, kann in der HafenCity inzwischen Dutzen- uns ist der künstlerische Dialog sehr wichtig“, sagt Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit gemacht (Aachen) gruppieren sich drei Gebäudeteile um de höchst unterschiedlicher Kunstorte entdecken. Helbig. „Wir beeinflussen uns gegenseitig und ver- haben. Nach diesem Vorbild will ein neuer Bau- einen grünen Innenhof. Die gleichfalls intensive Manche von ihnen gastieren auf Zeit, andere lassen stehen Kunst als offenen, luftigen Prozess.“ herr in der HafenCity Deutschlands anspruchs- Begrünung der Fassaden und Dächer soll min- sich dauerhaft nieder. Einige verfügen über großzü- Auf rund 500 Quadratmetern Fläche, die sie ge- vollstes Gebäudeensemble in Anlehnung an destens den gleichen Umfang wie die bebaute gige Flächen, andere nur über wenige Quadratmeter. meinsam mit den anderen Mitgliedern des Vereins das Cradle-2-Cradle-Prinzip realisieren. Das Grundstücksfläche erhalten. So reduzieren sich Sie alle aber eint der Pioniergeist, die neuen Innen- M28Hoch2 im 2. Obergeschoss des Speichers nut- Prinzip basiert auf geschlossenen Kreisläufen, nicht nur Schadstoffe, sondern das Gebäude stadtquartiere mit Angeboten jenseits des üblichen zen, organisieren Helbig und Kulcke zudem Ausstel- die keine Abfälle erzeugen und wertvolle Roh- produziert sogar Sauerstoff und baut gegen Konsums zu bereichern. Am Kaiserkai, wo in riesigen lungen und betreiben als Doppeldozenten eine Mal- stoffe erhalten. Anfang des Jahres erhielt die Hitzeinseleffekte vor. Im Inneren des dreizehn- Lettern der Name der neuen Galerie „Kiss Bang Art“ und Zeichenschule für Kinder und Erwachsene. Auf Landmarken AG dafür die Anhandgabe für ein stöckigen Wohnturms soll nachbarschaftlicher im Straßenraum prangt, wollen Denise und Stefan einer kleinen Bühne im Atelier finden Diskussionen rund 4700 Quadratmeter großes Grundstück im Gemeinsinn großgeschrieben werden. Von den Bez Stipendien an junge Künstler vergeben. In den oder die improvisierte, performative „sofortmusik“ Quartier E lbbrücken. Der Großteil der Konstruk- Wohnungen für Familien, Paare, junge Leute und Elbarkaden eröffnet in den kommenden Monaten statt. „Hier führen wir den künstlerischen Dialog mit tionen ist nach dem Moringa-Konzept trennbar, Senioren sind ein Drittel gefördert. Alleinlebende der wegen eines Wasserschadens 2017 geschlos- Stimmen und Instrumenten aller Art fort“, sagen sie. rückbaubar und recyclebar. Bei den Materialien finden hier gemeinschaftliche Wohnformen und sene designxport wieder: Das Forum der Hamburger wird streng darauf geachtet, problematische andere Angebote. Ergänzend bietet „Moringa“ Designwirtschaft, das sich in prominenter Lage in Kunstknotenpunkte oder giftige Stoffe zu vermeiden. So können vie- einen Co-Working-Space, eine Kita, Veranstal- den Elbarkaden am Magdeburger Hafen befindet, le Bestandteile später wieder in den Kreislauf der tungs- und Ausstellungsflächen sowie Fitness, wird künftig von der Hamburg Kreativ Gesellschaft Kulturelle Angebote finden sich überall in der Hafen- Natur eingefügt oder sinnvoll wiederverwertet Gastronomie und Einzelhandel in den Erdge- bespielt und vernetzt. City und verteilen sich bisher von der Elbphilharmo- ↑ schossen. Die Galeristin Nisvican Roloff-Ok betreibt seit 2013 „Nissis werden. Auf diese Weise wird der CO2-Fußab- Auch Kunstproduktion ist zunehmend in der nie im Westen bis zum Kreativ- und Sportquartier Kunstkantine“ (Foto: Bina Engel) 20 druck auch in der Rückbauphase reduziert. Aber HafenCity und ihrer Nachbarschaft zu finden. Am Oberhafen im Nordosten. Dabei gibt es immer wie- Kaiserkai stolpert man regelrecht darüber, wenn der Knotenpunkte. Am Rande des Überseequartiers man Lilia Nour durch das Schaufenster bei der Ar- etwa blenden sich rund um die Kreuzung Am Sand- Fortsetzung auf Seite 6 → HafenCity | News 58 | März 2020 März 2020 | News 58 | HafenCity
6 | Kunst und Kultur Interview | 7 „Mich reizt das Riesenpotenzial“ Ellen Blumenstein über ihre Arbeit als Kuratorin für die HafenCity Galerien und Ateliers Eine Auswahl: Azaro Art Space Brooktorkai 20, azaro-artspaces.com BDA-Galerie Shanghaiallee 6, bda-hamburg.de Deichtorhallen Deichtorstr. 1–2, deichtorhallen.de Denktraum, Kreativspeicher M28 Am Sandtorkai 27/28, denktraum.de Designxport Hongkongstr. 8, designxport.de FY I AM Famous Galerie der Künstler Großer Grasbrook 9, f-you-galerie.de Galerie Hafenliebe Am Dalmannkai 4, galerie-hafenliebe.de ↑ ↑ Imagine the City Verknüpfung von Musik und Kunst: Carolin Balas Pavisic in ihrer Galerie „raum“ (Foto: Bina Engel) Seit 2017 arbeitet Ellen Blumenstein (43) als freie Kuratorin für die HafenCity (Foto: Bina Engel) Shanghaiallee 21, kunstundkulturhafencity.de Jedes Jahr gibt es eine Inklusionsausstellung mit Schnittstelle von Kultur und Stadtentwicklung (vgl. Wie sieht Ihre Aufgabe als Kuratorin für die Hafen- Was ist für die Zusammenarbeit mit den Künstlern Kiss Bang Art Studios Werken von Künstlerinnen und Künstlern mit Behin- S. 7 u. 10). Eine Stadt werde erst durch ihre unvor- City aus? in der HafenCity wichtig? Am Kaiserkai 30, kissbangart.com derungen. Der Erlös kommt dem „Atelier Freistil“ zu- hergesehenen Nutzungen lebendig, meint Blumen- Wir machen Kultur für den Stadtteil, ursprünglich Neben der künstlerischen Qualität braucht es vor gute, das der Angehörigenverein „Leben mit Behin- stein. Unterdessen wird die Kunst seit Langem sys- von der HafenCity Hamburg GmbH initiiert und in- allem Lust, sich auf den Ort einzulassen. Ohne die Kreativareal Oberhafen derung“ in Kooperation mit der Elbe-Werkstätten tematisch in die Entwicklung der neuen Quartiere zwischen von dem Verein „Kunst und Kultur in der Auseinandersetzung mit den lokalen Gegebenhei- hafencity.com GmbH betreibt. „Ich fühle mich in meiner Galerie eingebunden. 2005 begann die HafenCity Hamburg HafenCity“ getragen. ten geht es nicht. sehr wohl“, so Nissis Fazit. Die HafenCity sei wie ein GmbH zunächst eine Förderkooperation mit der Lilia Nour Dorf: „Die Leute kennen sich und halten zusammen.“ Hamburgischen Kulturstiftung und der Körber-Stif- Also Kunst im öffentlichen Raum? Sie haben vor Kurzem neue Räume in der Shang- Am Kaiserkai 29, lilia-nour.de Eine kleine Kunstmeile bildet auch die Shanghai- tung, die bis 2012 zahlreichen künstlerischen Pro- Das klingt zwar sehr ähnlich, trifft es aber nicht. Wir haiallee bezogen. Kann man dort einfach so vor- allee in der zentralen HafenCity. In der Hauptachse jekten den Weg bereitete. Inzwischen ist der Verein begreifen uns als strategisches Instrument, um da- beischauen? Nissis Kunstkantine und den Seitenstraßen nahe dem Lohsepark haben „Kunst und Kultur in der HafenCity“ mit der ge- bei zu helfen, dass die HafenCity kulturell lebendig Kommen Sie am liebsten zu unserer Reihe „Tisch- Am Dalmannkai 6, nissis-kunstkantine.de sich zahlreiche Schau- und Produktionsräume an- zielten Förderung und Unterstützung von Kunst im wird. Dafür überlegen wir uns Projekte, laden Künst- gespräche“! Dort machen wir transparent und zu- gesiedelt. Zum Beispiel die gelernte Fotografin, De- Stadtteil betraut (vgl. S. 10). Die für öffentliche Nut- ler und mögliche Partner ein, um emotionale Bezüge gänglich, wie wir arbeiten und mit wem wir etwas raum signerin und Kuratorin Carolin Balas Pavisic, die seit zungen konzipierten Erdgeschosse und die gezielte zu schaffen, die hier teilweise noch fehlen. gemeinsam entwickeln. Wir sitzen am Tisch, berich- Shanghaiallee 18, raum-hamburg.com 2017 im Off-Space „raum“ Künste aller Art mitei- Förderung von kulturellen Projekten in den Grund- ten über den Stand eines Projekts und diskutieren nander verknüpft. „Die HafenCity ist absolut auf- stücksausschreibungen tragen ebenfalls intensiv Was sind das für Projekte? die hierfür relevanten Fragen. Zuletzt haben wir mit StadtLandKunst Forum für Kulturwelten strebend“, meint sie. Entsprechend möchte Balas zur heutigen Blüte der Kunst bei. Auch in Zukunft Als Nächstes entwirft der Hamburger Künstler Rechtsanwälten, Kuratoren, Spiele-Entwicklern und Am Sandtorpark 12, stadtlandkunst-hamburg.de Pavisic Künstler aus verschiedenen Bereichen för- kommen in der HafenCity auf diese Weise zahlrei- Gerrit Frohne-Brinkmann das Panorama einer fik- Künstlern über das geplante Projekt „Playful Com- dern – ohne Einschränkungen. Für die Ausstellung che neue Kunstorte mit klassischen Ausstellungs- tiven urzeitlichen Unterwasserlandschaft. Die Uto- mons“ gesprochen, das in der HafenCity Nutzungs- The Art Hub (Galerie-Sharing-Space im „Melo“ etwa trug der Pianist Tom Gatza einen Chip und Produktionsflächen ebenso wie mit innovativen pie einer Lebensgemeinschaft ohne den Menschen möglichkeiten des öffentlichen Raums, unter ande- Quartier Oberhafen in Gründung) an der Hand, den der Künstler Fabian Dehi entwi- digitalen Konzepten hinzu. – dafür mit Pflanzen, Schwämmen, Würmern, Kopf- rem unterstützt von neuen digitalen Tools, schaffen Stockmeyerstraße 41, Halle 412 ckelt hatte. Gatzas Bewegungen beim Klavierspiel füßlern und Schnecken als Protagonisten – wird mit soll. wurden aufgezeichnet und in digitale Zeichnungen Airbrush-Technik auf Kulissenwände aufgebracht, Z Contemporary übersetzt. Auch die Tänzerin Miriam Afani trug De- die sich passenderweise in einer Tiefgarage befin- Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Brooktorkai 20, z-contemporary.com his Sensorik. „Diese Versuchsanordnung aus Musik, den. Im August setzen sich Hamburger und interna- In den kommenden drei Jahren wollen wir eine zu- Bewegung und deren Übersetzung in Bildlichkeit er- ↑ tionale Künstlern mit dem Schlagwort von Hamburg kunftsfähige Struktur und Finanzierung schaffen Stand: Februar 2020 Die BDA-Galerie verfügt über ein Auditorium für 80 Gäste Galeristen und Künstler zugleich: Romullo Azaro und gab eine wunderschöne 3D-Projektion aus Punkten, (Foto: Bina Engel) als „Tor zur Welt“ auseinander. Zwischen Baumwall und so viele Projekte realisieren, dass wir über Ham- Andreea Zecheru (Foto: Bina Engel) die man live beim Konzert in der Entstehung miter- ↓ und Elbbrücken wird ein Parcours mit sechs Projek- burg hinaus sichtbar werden. leben konnte“, sagt Balas Pavisic. ten entstehen, die um Selbstbilder und Fremdbilder kreisen und neue Deutungen der Tor-Metapher bei- „Imagine the City“ steuern. Mit einem anderen Projekt wollen wir die Domachse bespielen, die sich vom Jungfernstieg Wenig Meter weiter macht der Bund Deutscher Ar- bis zur Elbe in Nord-Süd-Richtung zieht. chitekten und Architektinnen, BDA Hamburg, mit Ausstellungen und Veranstaltungen auf sich auf- Was reizt Sie an Ihrer Arbeit? merksam. „Wir begreifen den Raum als ein großes Hier kann ich Pionierarbeit mit einem Riesenpoten- Fenster zur Stadt“, sagt der Vorsitzende Daniel Kinz. zial machen. Und mich hat schon immer das Ver- Wird die BDA-Galerie für Diskussionsveranstaltun- hältnis von Kultur, Stadtentwicklung und Zivilge- gen genutzt, finden bis zu 80 Besucher auf einer sellschaft interessiert. Wir brauchen neue Formen, großen Sitztreppe, die bis zu einer Empore führt, Kultur in der Gesellschaft zu verankern, gerade wenn Platz. Hier kommt ein offenes kommunikatives das Ökonomische immer mehr dominiert. Es geht um Raumkonzept zur Geltung, das ringsum die Erdge- Angebote für Menschen, die nicht ins Museum ge- schosse an der Shanghaiallee und in der Nachbar- hen, um Brücken zwischen Hoch- und Populärkultur. schaft prägt. Für den BDA Hamburg war es wichtig, einen solchen „sichtbaren Ort in der Stadt zu ha- Wie finanziert sich Ihre Arbeit? ben“, berichtet Kinz. Eingeladen sind alle: „Die Tür ist Der Verein erhält ein Grundbudget von 675.000 Euro zu den üblichen Tageszeiten immer offen.“ über drei Jahre von der HafenCity Hamburg GmbH. Als jüngsten Neuzugang verzeichnete die Shang- Bislang haben wir außerdem schon über 500.000 haiallee die Büro- und Veranstaltungsräume der Euro akquiriert. Ich verbringe deshalb leider auch HafenCity-Kuratorin Ellen Blumenstein. Seit No- viel Zeit mit Netzwerken und Finanzmittelakquise. vember 2019 entwickeln sie und ihr Team von ↑ Lilia Nour kann man bei ihrer Arbeit am Kaiserkai zuschauen (Foto: Miguel Ferraz) dort aus das Programm „Imagine the City“ an der HafenCity | News 58 | März 2020 März 2020 | News 58 | HafenCity
8 | Einzelhandel Reportage | 9 Überzeugend anders Handwerk ist das Punzieren – so heißt das kunst- volle Prägen des Leders mit Schriftzügen und Mo- tiven. Nellers Kunden wissen, dass sie keine Ware von der Stange kaufen, und sind bereit, dafür einen höheren Preis zu zahlen – auch für das hochwertige und ohne chemische Stoffe gegerbte Leder. Neller schätzt die HafenCity als Standort, sagt aber auch: Ob handgemachte Naturkosmetik, kunstvoll verzierte Lederwaren oder maritime Bücher: In der HafenCity setzt der Einzelhandel auf „Ohne Facebook wäre ich nicht da, wo ich heute bin.“ besondere Konzepte – nachhaltig, individuell und aus persönlicher Überzeugung Seine Kunden kommen aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich. Bücher zum Eintauchen Eine treue Schar von Stammkunden weit über Ham- burg hinaus hat auch die nur wenige Meter entfern- te Buchhandlung „Hafenfuchs“. Ob Meerestiere, Se- geln, Marinehistorie oder maritime Literatur – das Sortiment hat einen klaren Schwerpunkt. Maike Fuchs kann dafür auf ihre „lebenslange Berufser- fahrung“ verweisen. Ihre Eltern gründeten kurz vor ihrer Geburt vor 44 Jahren die Buchhandlung mit der speziellen Ausrichtung. Anfang 2018 bezog Fuchs neue Räumlichkeiten in der Shanghaiallee, wo liebevoll arrangierte Büchertische und Regale zum Eintauchen einladen. Bei Fans und Sammlern ebenfalls hoch im Kurs: historische Fotografien von Hamburg, ausgesuchte handgefertigte Flaschen- schiffe und Schiffsmodelle. „Trotz aller Spezialisie- rung verstehen wir uns auch als Stadtteilbuchhand- lung, in der sich jedes Buch bestellen lässt“, betont Fuchs jedoch. Manufakturwerk Ebenfalls in der Shanghaiallee setzt Axel Kmo- nitzek mit Fischer & Cie auf individuelle Uhren für Unternehmen und Endkunden, die er als Einzelstü- cke oder Kleinserie anfertigt. Ein Familienwappen, eine besondere Jahreszahl und andere Embleme können hier auf Wunsch eingearbeitet und zum stetigen Begleiter im Alltag werden. Kmonitzeks Begeisterung für hochwertige handgefertigte Pro- dukte beschränkt sich aber nicht auf diese beson- deren Schmuckstücke. Gemeinsam mit Professor Ebbo Tücking, Gründer der Maßschneiderei Cove, zeichnet der 38-jährige Unternehmer auch für das Manufakturwerk verantwortlich, das im Quartier Baakenhafen entsteht. „Wir schaffen eine deutsch- ↑ ↑ landweit einzigartige Präsentationsmöglichkeit für Geschäfte, Gastronomien und andere öffentliche Nutzungen beleben die Straßenzüge (Foto: Miguel Ferraz) Auf den Büchertischen bei „Hafenfuchs“ findet sich alles, was das maritime Herz begehrt (Foto: Miguel Ferraz) die Anbieter von handgefertigten Produkten. Auf insgesamt 2400 Quadratmetern sollen hier künftig Sie duften verführerisch nach Lavendel, Zitronen- auch Tausende Besucher und Beschäftigte anzieht. Manufakturen in innerstädtischer Lage Fertigungs- gras oder Minze, bestehen ausschließlich aus na- In der Grundstücksvergabe wird zudem die Einrich- schritte ihrer Produkte präsentieren und verkaufen türlichen Inhaltsstoffen und kommen ohne Plastik- tung von ansprechenden und vielfältig nutzbaren können – zum Teil dauerhaft, zum Teil temporär“, so verpackung aus. Die Rede ist von handgemachten Ladenlokalen begünstigt: Für „publikumsbezogene Kmonitzek. Geplant sind Ausstellungen und Veran- Seifen, die die Kundinnen und Kunden im Kosmetik- Nutzungen“ sind in den Erdgeschossen der Hafen- staltungen mit wechselnden Schwerpunkten – von studio Hauthafen im nördlichen Überseequartier er- City in der Regel fünf Meter hohe Räume vorge- maßgeschneiderten Anzügen und rahmengenähten wartet. Hier verfolgt die promovierte Biochemikerin sehen. Teilweise helfen auch nach oben begrenzte Schuhen über besondere Spirituosen bis hin zu aus- und Kosmetologin Dr. Anna Thevarajah seit Januar Mieten, hier neuartige Konzepte auszuprobieren. gefallenen technischen Gadgets. Generell beob- 2020 ein ganzheitliches Konzept aus medizinischer Nicht alle davon halten sich auf Dauer und immer achtet er, dass zwar immer mehr online eingekauft Behandlung, Naturprodukten und nachhaltigem wieder herrscht Fluktuation. Dennoch gibt es ge- werde, dass gerade für hochwertige Produkte aber Handel. Die Rezepte für ihre Pflegeprodukte aus wisse Rezepte für den Erfolg. „Die Händler setzen eigene Gesetze gelten. „Diese möchten die Konsu- Shea-Butter, Kokos- oder Traubenkernöl entwickelt vermehrt auf eine Kombination aus stationärem menten vor Ort erleben. Im stationären Handel geht die 36-Jährige selbst. „Die Cremes sind nicht weiß, und Onlinehandel“, beobachtet Dr. Anke Ruckes, die der Trend zu besonderen Markenerlebnissen“, ist er beinhalten nicht die üblichen Duftstoffe und haben bei der der HafenCity Hamburg GmbH für Gewer- überzeugt. Die Gewerbetreibenden in der HafenCity auch nicht die gewohnte Konsistenz“, erklärt sie. Für beentwicklung in den Erdgeschosszonen zuständig sind in dieser Hinsicht bereits gut aufgestellt. viele Kunden sei das überraschend, meist jedoch ist. Erfolgreich seien oftmals auch „Unternehmer- überzeuge sie die Qualität. Wichtig ist Thevarajah persönlichkeiten, die mit Leib und Seele für ihr Pro- hauthafen.de neben dem konsequenten Verzicht auf Chemie, dass dukt stehen“ und durch Mund-zu-Mund-Propagan- die pflanzlichen Zutaten nicht aus riesigen Mono- da und in den sozialen Netzwerken weiterempfohlen sirledermichel.com kulturen, sondern von kleinen und unabhängigen werden, so Dr. Ruckes. Produzenten kommen. Aloe Vera zum Beispiel will hafenfuchs.de sie künftig direkt aus dem Heimatort ihrer Eltern in Sir Leder Michel Sri Lanka beziehen. Für ihre Kunden bietet sie auch fischerundcie.com Workshops zur Kosmetikherstellung an. All dies trifft auch auf Michael Neller zu, der als Le- derkünstler vor zwei Jahren mit seinem Atelier in Keine Massenware die Kobestraße zog. Unter dem Namen „Sir Leder Michel“ fertigt er hochwertige Lederhosen, Jacken, Der Hauthafen ist ein Beispiel für die Einzelhan- Taschen, Gürtel, Armbänder, Zylinder und Porte- 05. 04. Verkaufsoffener Sonntag dels- und Dienstleistungskonzepte, die sich zu- monnaies gerne auch nach den individuellen Wün- Von 13 bis 18 Uhr sind die Geschäfte am Sonntag nehmend in der HafenCity ansiedeln. Sie setzen schen seiner Kunden. In dicht bestückten Auslagen in der HafenCity und der gesamten erweiterten nicht auf Massenware, sondern auf hochwertige und am eigenen Leib präsentiert der 46-Jährige Innenstadt geöffnet. Das Motto lautet „Jazz.City.“ Produkte und ein ausgewähltes Sortiment in den seine Kreationen. Hier Totenköpfe und mächtige verschiedensten Bereichen vom Outdoor-Bedarf Gürtelschnallen, dort Etuis mit Blumenmustern und bis hin zur Inneneinrichtung. Angelockt werden die Taschen mit kunstvoll umflochtenen Rändern: Der experimentierfreudigen Gewerbetreibenden durch Showroom gleicht einer Wunderkammer, in der Sir den Ruf der HafenCity als junger, innovativer und Leder Michel komplett aufgeht – seine Privaträu- ↑ ↑ hochwertiger Stadtteil, der mit seiner intensiven me befinden sich auf der Galerie direkt oberhalb Ganzheitliche Pflegeprodukte gibt es beim „Hauthafen“ von In einer Seitenstraße nahe des Lohseparks arbeitet Michael Neller Nutzungsmischung neben den Bewohnern täglich der Laden- und Werkstatträume. Sein besonderes Anna Thevarajah auf dem Überseeboulevard (Foto: Miguel Ferraz) in seiner Ledermanufaktur „Sir Leder Michel“ (Foto: Miguel Ferraz) HafenCity | News 58 | März 2020 März 2020 | News 58 | HafenCity
10 | Porträt Meldungen | 11 „Ein tolles Beispiel für Gemeinwesen“ Besonderes Bauvorhaben im Baakenhafen feiert Richtfest Das Richtfest der Allgemeinen Deutschen Schiffs- zimmerer-Genossenschaft, der Baugenossenschaft Hamburger Wohnen sowie der gemeinnützigen Or- ganisation Hamburg Leuchtfeuer brachte im De- zember 2019 eine freudige Überraschung. Ham- burgs Finanzsenator Dr. Andreas Dressel eröffnete in seinem Grußwort, dass das Vorhaben „Festland“ von Hamburg Leuchtfeuer über den Quartiersfonds von Finanzbehörde und Bezirken mit 250.000 Euro gefördert werde. Bei „Festland“ werden chronisch kranke Menschen ein Zuhause finden. Insgesamt entstehen auf dem Baufeld 149 Mietwohnungen, davon ein Drittel gefördert. Hamburger Wohnen realisiert zudem 14 Wohnungen für die Baugemein- schaft Kammerkombinat, die sich mit kulturellen Angeboten in das Quartier einbringen will. „Viele haben mitgeholfen, dieses Vorhaben mög- lich zu machen, und sie alle können stolz sein auf das Erreichte. Das ist ein tolles Beispiel für das Gemein- wesen in unserer Stadt“, betonte Senator Dressel. Die beiden Genossenschaften als weitere Bauher- ren, aber auch die HafenCity Hamburg GmbH als Gestalterin der Grundstücksvergaben und -preise ↑ haben maßgeblich geholfen, das Projekt „Festland“ ↑ Eva Hubert und Prof. Dr. Uwe M. Schneede vom Vorstand des Vereins „Kunst und Kultur in der HafenCity“ (Foto: Bina Engel) Richtfest im Baakenhafen: Thonas Speeth, Schiffszimmerer-Genossenschaft; Sönke Selk, Genossenschaft Hamburger Wohnen; Ulf möglich zu machen. Die Fertigstellung des Gebäu- Bodenhagen, Hamburg Leuchtfeuer; Dr. Andreas Dressel, Finanzsenator Freie und Hansestadt Hamburg; Hardy Heymann, Hamburger Im Vorbeigehen des ist für Sommer 2020 geplant. Wohnen; Matthias Saß, Schiffszimmerer-Genossenschaft (Foto: Thomas Hampel) Seit Januar 2020 fördert ein neuer Verein „Kunst und Kultur in der HafenCity“ an überraschenden Orten und mit einem vielfältigen Kinderreiche HafenCity Familienanteil weit über dem Durchschnitt – Angebote für ältere Kinder gefragt Bezug zur Nachbarschaft Noch lächelt das Gesicht. Offenbar bringen die tatkräftig unterstützte, folgt diesen Prinzipien. Im er ganz leuchtender Gastgeber in die Bienenkirche“, Menschen in der HafenCity gerade gute Laune mit. August 2019 installierte der chinesisch-kanadische beobachtete „Monopol“. „Kultur wirkt identitäts- Doch der sieben Meter hohe Smiley aus Neonröhren, Künstler Terence Koh mit der „Bee Chapel Hafen- stiftend und gesellschaftsbindend“, erläutert Prof. der als temporäres Kunstwerk auf der Kibbelsteg- City“ einen utopischen Garten auf einer Grünfläche Schneede. An einem neuen Ort wie der HafenCity brücke am Nordrand der HafenCity installiert ist, am Rande des Magdeburger Hafens. In der Kuppel sei dieses Angebot besonders wichtig und müsse kann auch traurig, zornig oder überrascht gucken, eines kleinen honiggelben Raums lebte ein Bienen- gezielt geschaffen werden, ergänzt Eva Hubert: „An je nach kollektiver Gefühlslage der Passanten. Sei- volk, hinzu kamen ein Kräuter- und Blumengarten diesem Prozess wollen wir aktiv und fördernd mit- ne Gesichtsausdrücke werden von Sicherheitska- sowie ein umgebautes Bootshäuschen. „Eine Art wirken.“ meras im Stadtteil erfasst und – anonymisiert und Kraftort, der im Alltag für viele Menschen schwer Dafür dient das Budget von 675.000 Euro, wel- ohne Datenspeicherung – durch einen Algorith- zu finden ist“, urteilte das Kunstmagazin „Mono- ches die HafenCity Hamburg GmbH für die Trä- mus in die wechselnden Emotionen übersetzt. 2019 pol“. Koh selbst wohnte neben seiner begehbaren gerschaft des Kulturprogramms über drei Jahre wurde die Installation „Public Face“ der Künstler Installation und inszenierte seinen Aufenthalt als bereitstellt, als solide Basis. Mit diesem Grundbud- Julius von B ismarck, Benjamin Maus und Richard Performance und Selbsterfahrung. Das Kunstpro- get und weiteren Drittmitteln werden bis Ende 2022 Wilhelmer zum weithin sichtbaren Zeichen des jekt lockte gezielt Besucher an – Fachpublikum, Fa- mindestens sechs Projekte von Ellen Blumenstein Kulturprogramms, mit dem die HafenCity-Kuratorin milien, Touristen, Imker –, aber viele entdeckten die und ihrem Team realisiert. Blumenstein gilt als eine Ellen Blumenstein neue Akzente setzt (vgl. Interview Bienenkapelle eher zufällig. „Schon ein paar Tage international erfahrene und bestens vernetzte Ku- S. 7). Nach einer zweieinhalbjährigen Pilotphase ist nach der Eröffnung hat Terence Koh Stammbesu- ratorin, die zuvor für die documenta X in Kassel, das seit Januar 2020 nun der Verein „Kunst und Kul- cher. Ein paar seiner Gäste begrüßt er mit Umar- MoMA PS1 in New York und das Berliner KW Insti- tur in der HafenCity e. V.“ verantwortlicher Träger mung, andere neugierige Vorbeispazierer dirigiert tute for Contemporary Art arbeitete. Der Verein von Blumensteins Programm „Imagine the City“. Er steht ihr seinerseits mit langjährigen Erfahrungen übernahm die Beauftragung der Kuratorin von der und guten Kontakten in der Kulturwelt zur Seite: Eva HafenCity Hamburg GmbH und darüber hinaus in Hubert leitete fast zwei Jahrzehnte die Hamburger frastrukturelle Aufgaben. Der Smiley auf der Brücke Filmförderung, Prof. Dr. Uwe M. Schneede war 15 markierte nur den Anfang für ein neues aktives Ein- Jahre Direktor der Hamburger Kunsthalle. bringen von Kunst im Stadtraum der HafenCity. „Wir wollen Kunst, die für die Öffentlichkeit sicht- Urzeit in der Tiefgarage bar und begehbar ist“, sagt die Vorstandsvorsitzen- de des Vereins Eva Hubert. Um neue Galerien, Mu- Arbeiten, die sich auf den urbanen Kontext der ↑ Die Freiräume der HafenCity haben sich zu beliebten Familientreffpunkten entwickelt, wie hier bei dem zehnjährigen Jubiläumsfest für den Nachbarschaftsverein Netzwerk HafenCity seen oder Theater gehe es nicht, denn von diesen HafenCity beziehen und das Leben in der Stadt (Foto: Thomas Hampel) gibt es schon eine große Vielfalt (vgl. S. 5–7). Auch subtil reflektieren – mit dieser Handschrift prägen austauschbare oder beziehungslos wirkende Kunst Ellen Blumenstein und der Verein auch die künftigen Der Anteil von Familien in der HafenCity kletterte samt wurden rund 3000 Wohnungen fertiggestellt. wie die Anlage der HafenCity als „Stadt der kurzen im Öffentlichen Raum – sogenannte „Drop Sculptu- Projekte. So wird ab dem 17. April ein Abschnitt der nach der letzten Zählung des Statistikamts Nord, Öffentlich geförderte Wohnungen (seit 2011) sowie Wege“ tragen zu der Beliebtheit auch bei berufstä- res“ – möchte Hubert vermeiden. „Unser Ziel ist viel- Stellplätze unter dem Hotel „Pierdrei“ und der „Astor das Ende 2019 die Zahlen für 2018 veröffentlichte, Baugenossenschaften und -gemeinschaften, die gigen Eltern bei. mehr, ortsspezifische Interventionen im Stadtbild zu Film Lounge“ im nördlichen Überseequartier über- erneut von 23,8 dieses Mal auf 24, 2 Prozent. Gleich- oftmals familienorientiert bauen, haben daran einen Eine Herausforderung bleibt es, auch Familien mit schaffen, die die Augen öffnen und Menschen zum raschend inszeniert. Wer dort nichts ahnend sein zeitig sanken der Anteil der Wohnungen, in denen wachsenden Anteil. Die HafenCity ist zudem zentral älteren Kindern dauerhaft an den Stadtteil zu bin- Nachdenken anregen“, ergänzt Vorstandsmitglied Auto parkt, entdeckt die gewohnte Stadtumgebung nur eine Person gemeldet war, von 40,5 auf 37,6 Pro- gelegen und hervorragend an den ÖPNV angebun- den. Einen wichtigen Beitrag leistet hier der weiter- Prof. Dr. Uwe M. Schneede. „Auf diese Weise werden in völlig neuen Farben und mit ungewohnten Bildern zent und der Anteil der Generation 65+ von 9,2 auf den. Auch die soziale Infrastruktur wurde besonders führende Schulcampus am Lohsepark, der gemein- innerhalb der vorhandenen städtebaulichen Struk- aufgeladen – ganz im Sinne des Vereins „Kunst und 3,5 Prozent trotz der Barrierefreiheit des Stadtteils. für junge Familien zeitgerecht ausgebaut: Seit mehr sam mit der zweiten Grundschule ab dem Schuljahr tur kulturelle und künstlerische Orte geschaffen, die Kultur in der HafenCity“. Die HafenCity zählt damit zu den kinderreichsten als zehn Jahren gibt es mit der Katharinenschu- 2021/22 zunächst in einem temporären Bau für zwei man ohne eine Hemmschwelle erleben kann.“ Kunst und jüngsten Stadtvierteln in der Freien und Hanse- le eine Grundschule, eine weitere folgt im Quartier Züge eröffnet werden soll. Mittelfristig wird der im Vorbeigehen gewissermaßen. stadt. Zum Vergleich: Der Hamburger Durchschnitt Baakenhafen mit Baubeginn im April 2020. Bislang Campus mit einer Kombination aus Gymnasium und kunstundkulturinderhafencity.de lag 2018 bei 17,8 Prozent Haushalten mit Kindern, verfügt die HafenCity zudem über sechs Kitas in- Stadtteilschule achtzügig für ca. 1500 Schüler aus- Ein Kraftort 54, 5 Prozent Single-Haushalten und 7,9 Prozent 65+. klusive einer temporären, die mehrheitlich für Kinder gebaut. Als Treffpunkt für Jugendliche bieten sich Woran liegt es, dass sich der Anteil von Haushal- aus der Flüchtlingsunterkunft geschaffen wurde. künftig die drei Gemeinschaftshäuser am Gras- ← Auch das zweite große Projekt der Reihe „Imagine Terence Koh in seiner „Bienenkapelle“ im August 2019 ten mit Kindern in der HafenCity in den vergange- Mindestens fünf weitere Kitas sind in Planung. Auch brook-, Lohse- und Baakenpark an, von denen die the City“, bei dem der Verein die Kuratorin bereits (Foto: Thomas Hampel) nen zehn Jahren mehr als verdoppelt hat? Insge- attraktive Spielplätze, Parks und Promenaden so- ersten beiden ebenfalls 2020 in Bau gehen sollen. HafenCity | News 58 | März 2020 März 2020 | News 58 | HafenCity
Orte und Veranstaltungen | 12 Überseequartier interaktiv Ein neuer Showroom macht das künftige kommerzielle Herz der HafenCity erlebbar Mit dem gleichzeitigen Bau von 14 Gebäuden wächst Germany bei Unibail-Rodamco-Westfield. Mit dem das südliche Überseequartier in der zentralen Hafen- südlichen Überseequartier verbinden Einzelhändler City langsam aus der Erde. Ende Januar eröffne- in den klassischen Hamburger Citylagen, aber auch te der Bauherr Unibail-Rodamco-Westfield einen Anwohner manche Sorgen – sei es mit Blick auf die neuen Showroom zu dem Vorhaben, das ab Herbst wachsende Konkurrenz im Einzelhandel oder auf die 2022 Einzelhandel und Gastronomie, Entertain- möglichen Verkehrsbelastungen. „Das Quartier wird ment, Büro, drei Hotels, ein Kreuzfahrtterminal und mit seiner intensiven urbanen Nutzungsmischung 650 Wohnungen verbinden wird. Im siebten Stock die Hamburger Innenstadt einschließlich der Hafen- des Sumatrakontors, in unmittelbarer Nähe der bei- City insgesamt stärken“, ist Hünerbein hingegen den imposanten Baugruben nahe der Elbe, erwar- überzeugt. Durch die direkte U-Bahn-Anbindung tet die Gäste ein großes interaktives Modell, das mit der Station Überseequartier der U4 ist in je- im Detail sämtliche Gebäude zeigt. Per Knopfdruck dem Fall eine hervorragende Verknüpfung mit dem lassen sich die Ebenen auseinanderschieben und ÖPNV gesichert. Neben PKW-Stellplätzen entste- die Vielfalt von Nutzungen, Wegebeziehungen und hen auch 3400 Fahrradparkplätze. architektonischen Details studieren. Zudem kann man mit einer Datenbrille das „Westfield Hamburg Showroom „Westfield Hamburg Überseequartier“ Überseequartier“, wie es offiziell heißt, auf drei un- Sumatrakontor, Am Sandtorpark 11, 7. Etage terschiedlichen Virtual-Reality-Touren erkunden. Mo bis Fr 9–17 Uhr, außer an Feiertagen, zudem „Wir möchten eine dauerhafte Plattform bieten, nach Vereinbarung per E-Mail: um mit Besuchern, Nachbarn und potenziellen Ge- nachbarschaft@ueberseequartier.de schäftspartnern ins Gespräch zu kommen. Ziel ist, Eintritt frei ↑ Dirk Hünerbein von Unibail-Rodamco-Westfield mit dem das Vorhaben greifbarer und transparenter zu ma- Modell des südlichen Überseequartiers (Foto: Thomas Hampel) chen “, sagt Dirk Hünerbein, Director of Development www.ueberseequartier.de Wo war das? 122 Tage Grasbrook Wer die HafenCity in ihrer Entwicklung verfolgt hat oder heute alte Bilder betrachtet, Genau 122 Tage liegen zwischen dem Abend, als die Öffentlich- stellt sich rasch diese Frage. Wo genau verlief der Zollzaun, der das Gebiet damals ab- keit erste Einblicke in die städtebaulichen und landschaftsplane- trennte? Was befand sich anstelle der heutigen Gebäude? Im Rahmen der Langen Nacht rischen Entwürfe für den künftigen Stadtteil Grasbrook bekam, der Museen bietet das HafenCity InfoCenter Touren auf den Spuren der ersten Rundgän- und der abschließenden Präsentation. Am 02. April stellen die ge vor 20 Jahren. Ratespaß à la „Dalli Klick“, Vorträge zu neuen Entwicklungsgebieten wie sechs im Wettbewerb verbliebenen Büros ihre finalen Pläne vor. dem Grasbrook und eine neu konzipierte Ausstellung runden das Angebot ab. Die Juryentscheidung folgt einen Tag später. 25. 04., 18–2 Uhr Lange Nacht der Museen Tickets und Programminformationen: 02. 04., 17–21 Uhr www.langenachtdermuseen-hamburg.de Hamburg Cruisecenter HafenCity, Chicagokai Öffentliche Schlusspräsentation der Entwürfe im HafenCity InfoCenter Kesselhaus, Am Sandtorkai 30, 20457 Hamburg Wettbewerblichen Dialog Grasbrook. Eintritt frei Öffnungszeiten: Di bis So 10–18 Uhr Informationen und Anmeldungen für Führungen: www.hafencity.com. Termine Schwimmbad auf dem Dach, Blick über Wien: die Wohnanlage Alterlaa (Foto: Zara Pfeifer) ↓ 06. 03. – 02. 05. Theaterschiff Seit 45 Jahren dient ein 1912 erbauter Dampfer in Hamburg als Theaterschiff. Für zwei Monate macht die schwimmende Bühne im Traditionsschiffhafen in der westlichen HafenCity fest. www.theaterschiff.de 20. 04. Schiffstaufe Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) tauft im Traditions- schiffhafen ihren neuesten Seenotretter. Die HAMBURG ist das vierte Schiff dieses Namens in der Geschichte der Flotte. Rund 20.000 Hamburger unterstützen die DGzRS mit regelmäßigen Spenden. Das neue Schiff kommt an der westlichsten Rettungsstation Deutschlands in Borkum zum Einsatz. www.seenotretter.de 08. – 10. 05. Hafengeburtstag Jedes Jahr im Mai feiern mehr als eine Million Menschen in Hamburg das weltweit größte Hafenfest. Zu den zahlreichen Schauplätzen entlang der Elbe gehört auch die HafenCity. Am 09. und 10. Mai machen erstmals zwei Kreuzfahrtschiffe an dem neuen HafenCity Terminal am Baakenhöft fest. www.hamburg-tourismus.de Bis 29. 05. Großstadtutopie Die BDA-Galerie in der Shanghaiallee präsentiert die Wiener Wohnanlage Alterlaa aus den 1970er Jahren in einer Fotoausstellung von Zara Pfeifer: „Du. Meine Konkrete Utopie. Erbe Großwohnsiedlungen“. bda-hamburg.de Kontakt & Impressum Für ein kostenloses Abonnement Verlag: HafenCity Hamburg GmbH, Design: rock&stars digital GmbH, Diese Publikation wurde oder für Fragen und Kommentare Osakaallee 11, 20457 Hamburg, Hamburg auf umweltfreundlichem schicken Sie uns ein Fax an die hafencity.com Korrektorat: Gustav Mechlenburg FSC-zertifiziertem Papier +49 (0)40 374726 - 26 V. i. S. d. P.: Henrike Thomsen Druckerei: Langebartels & Jürgens, gedruckt. oder schreiben Sie eine E-Mail an Redaktion: Henrike Thomsen, Anika Lütjen Hamburg newsletter@hafencity.com Texte und Mitarbeit: Andrea Bittelmeyer, Gunnar Herbst, Anika Lütjen, 58. Ausgabe, Hamburg, März 2020 Henrike Thomsen © 2020 All rights reserved
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