BahnPraxis B - Unfallversicherung Bund und Bahn

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BahnPraxis B - Unfallversicherung Bund und Bahn
Zeitschrift zur Förderung der Betriebssicherheit und der Arbeitssicherheit bei der DB AG   2 | März/April 2022

BahnPraxis B

Aktuell         ATO over ETCS bei der Hamburger S-Bahn
                 Schnellläuferprogramm im Projekt Kleve–Kempen
Spezial          Regelmäßige Fortbildung 2022 für B
                                                  ­ etriebs­personale bei der DB Regio AG
	Neue UVB-Fachinformation „Mobile Instandhaltung von
  ­Eisenbahnfahrzeugen“
BahnPraxis B - Unfallversicherung Bund und Bahn
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,                                                                            Unser Titelbild
die Eisenbahn steht in einem mächtigen Wandel. Entwicklungen
wie die Digitalisierung der Betriebsführung und Steuerung durch
digitale Stellwerke sowie neue Bedienstandorte verändern die
Arbeitswelt. Über das Vorzeigeprojekt „ATO over ETCS“ und
das integrierte Leit- und Bediensystem berichten wir in dieser
Ausgabe.
Weitere technische Entwicklungen erfolgen parallel und
verändern das System Bahn. Beispiele dafür sind die neuen
Traktionsarten mit Hybrid- oder Wasserstofffahrzeugen. Dazu
gehören auch die Anforderungen an die operativen Mitarbeiter                                           Digitale S-Bahn Hamburg: Pilotprojekt
der DB Regio AG, die mit dem jährlichen Fortbildungsunterricht                                         hochautomatisiertes Fahren auf Basis von
auf dem aktuellen Sachstand gehalten werden.                                                           ATO over ETCS.
                                                                                                       Foto: Siemens AG

Das System Bahn muss und will einen wichtigen Beitrag zur
Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels leisten.
Dabei ist sicherzustellen, dass dies weiterhin unter dem Vorrang
                                                                                                       Inhaltsverzeichnis
der Sicherheit erfolgt.
                                                                                                         3 	ATO over ETCS bei der
Sicherheit bedeutet auch, dass die Instandhaltung – soweit                                                     Hamburger S-Bahn
möglich – in dazu ausgestatteten Werkstätten erfolgt. Gerade der                                         9 	iaf 2022 – Experten der Branche
Arbeitsschutz in Werkstätten wurde in den vergangenen Jahren                                                   treffen sich zum Austausch
immer weiter fortentwickelt. Aber auch wenn Instandhaltungs-
bzw. Instandsetzungsarbeiten, zum Beispiel wegen eines
                                                                                                       10 	Schnellläuferprogramm im
                                                                                                               Projekt Kleve–Kempen
unterwegs aufgetretenen Schadens, durchgeführt werden
müssen, gibt es Vorgaben, wie die Sicherheit gewährleistet                                             14 	Regelmäßige Fortbildung 2022
werden kann. Informationen hierzu gibt es ab Seite 19.                                                         für ­Betriebs­personale bei der
                                                                                                               DB Regio AG
Wir wünschen Ihnen einen guten Start in den Frühling, und                                              18 	Aktionsbündnis für mehr
bleiben Sie gesund!                                                                                            Sicherheit im Gleisbau

Ihr BahnPraxis B-Redaktionsteam                                                                        19 	Neue UVB-Fachinformation
                                                                                                               „Mobile Instandhaltung von
                                                                                                               ­Eisenbahnfahrzeugen“

Impressum
BahnPraxis B, Zeitschrift zur Förderung der Betriebssicherheit und der Arbeits­sicherheit bei der Deutschen Bahn AG
Herausgeber                                                                   Ausgaben kostenlos. Für externe Bezieher: J­ ahresabonnement EUR 15,60
Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) – Gesetzliche                          zuzüglich Versandkosten.
­Unfallversicherung – Körperschaft des öffentlichen Rechts,
 in Zusammenarbeit mit DB Netz AG.                                            Verlag
                                                                              Bahn Fachverlag GmbH, Lottumstraße 1 B, D-10119 Berlin
Redaktion                                                                     Telefon (030) 200 95 22-0
Dirk Menne (Chefredakteur), Steffen Eigner, Uwe Haas, Anita Hausmann,         Telefax (030) 200 95 22-29
­Gerhard Heres, Markus Krittian, Steffen Mehner, Jens Thielmann, Niels        E-Mail: mail@bahn-fachverlag.de
 Tiessen (Redakteure).                                                        Geschäftsführer: Dipl.-Kfm. Sebastian Hüthig und Thorsten Breustedt

Anschrift                                                                     Druck
Redaktion „BahnPraxis“, DB Netz AG, I.NBB 4,                                  Laub GmbH & Co KG, Brühlweg 28, D-74834 Elztal-Dallau
Adam-Riese-Straße 11–13, 60327 Frankfurt am Main,
E-Mail: mail@bahn-fachverlag.de                                               Sprache
                                                                              Für die Inhalte der BahnPraxis werden geschlechtsneutrale Formulie-
Erscheinungsweise und Bezugspreis                                             rungen bevorzugt oder alle Geschlechter gleichberechtigt erwähnt. Wo
Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich. Der Bezugspreis ist für Mitglieder   dies aus Gründen der Lesbarkeit unterbleibt, sind ausdrücklich stets alle
der UVB im ­Mitgliedsbeitrag enthalten. Die Beschäftigten erhalten die        Geschlechter angesprochen.

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BahnPraxis B - Unfallversicherung Bund und Bahn
BahnPraxis Aktuell

     Seit Oktober 2021 im Hamburger
     S-Bahn-Netz unterwegs: S-Bahn mit
     ATO over ETCS

Hochautomatischer S-Bahnbetrieb für morgen                                                      Foto: Frank Holtmann

ATO over ETCS bei der Hamburger S-Bahn

Frank Holtmann und Christoph Bremer, beide S-Bahn Hamburg GmbH

Seit Oktober 2021 ist es nun soweit – ein Teilstück des Hamburger Gleichstromnetzes ist
infrastruktur- und fahrzeugseitig ausgebaut und bereit, hochautomatische Zugfahrten
durchzuführen. Ein Meilenstein für die deutsche Schiene.

BahnPraxis B 2 | 2022                                                                                    3
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BahnPraxis Aktuell

                                                                                                                      Quelle: Frank Holtmann
Lupenausschnitt des ESTW
„Bfs“ in Hamburg-Bergedorf –
das Ausfahrsignal 864 ist für
die Fahrt des 251106 in ETCS
L2 dunkelgeschaltet

Der Streckenast zwischen Hamburg-Berliner Tor und          Hochautomatisiert bedeutet in diesem Zusammenhang,
Aumühle auf der S-Bahnlinie S21 ist die erste Eisen-       dass die Fahrzeuge zwar selbsttätig die Fahrt durchfüh-
bahnstrecke in Deutschland, auf der der Regelbetrieb       ren, die Zugfahrt jedoch nie ohne Triebfahrzeugführer im
optimiert und hochautomatisiert ablaufen kann. Trieb-      Führerraum stattfindet. ATO over ETCS, also die automa-
fahrzeugführer und Fahrdienstleiter als direkt an der      tische Zugfahrt durch Informationen aus dem Zugsiche-
Zugfahrt Beteiligte haben neue Handlungsabläufe            rungssystem ETCS, ermöglicht dies. Aber der Reihe nach.
gelernt, sie tragen aber auch zukünftig weiter die Ver-
antwortung. Und neue Aufgaben kommen hinzu – so            ETCS – moderne Zugsicherung als
bekommen zum Beispiel die Zugdisponenten in der            Basis für modernen Bahnbetrieb
Betriebszentrale durch ihr Handeln direkten Einfluss auf   Mit dem Zugsicherungssystem ETCS L2, was in den kom-
die Fahrweise eines Zuges.                                 menden Jahren als Streckenstandard mehr und mehr im
                                                           deutschen Schienennetz zu finden sein wird, erhält ein
Doch wie funktioniert das genau? Was ändert sich an        Zug zukünftig mehr Informationen über seinen Fahrweg
Stellwerken und Fahrzeugen? Und welche Änderungen          als heute beispielsweise über die Linienzugbeeinflus-
ergeben sich für Fahrdienstleiter und Triebfahrzeugfüh-    sung (LZB). Der Zug kommuniziert kontinuierlich über das
rer? Mit diesem Artikel möchten wir einen Einblick in      GSM-R-Datennetz mit dem Stellwerk und tauscht Informa-
einen möglichen Bahnbetrieb von morgen geben.              tionen aus. Einher geht eine andere Verarbeitungsphilo-
                                                           sophie: Wurde bei der LZB die Rechenleistung über die
                                                           erlaubte Höchstgeschwindigkeit eines Zuges bis zu einem
ETCS und ATO – zwei Abkürzungen,                           definierten Fahrwegsende noch streckenseitig in Rechnern
die man sich merken sollte                                 nahe des Stellwerks erledigt, so berechnet bei ETCS jeder
                                                           Zug seine eigenen Fahrtparameter „auf der Strecke“. Wie
Damit Züge hochautomatisch auf den Gleisen unter-          ist das möglich? Der technische Fortschritt und die immer
wegs sein können, bedarf es modernerer Systeme, als        kleiner und leistungsfähiger werdenden Rechnertech­
sie heute üblicherweise in der deutschen Stellwerks-       niken ermöglichen dies mittlerweile. Somit liegen bei ETCS
und Fahrzeuglandschaft vorhanden sind. Zwei Kern-          nicht nur Höchstgeschwindigkeit und Fahrwegsende, son-
komponenten sind hier ETCS L2 (European Train Control      dern auch weitere Parameter im Fahrzeug vor und kön-
System – Level 2) und ATO (Automatic Train Operation).     nen für eine komplexe Fahrtberechnung genutzt werden.

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BahnPraxis Aktuell
Foto: Frank Holtmann

                                                                                              Ansicht des modularen
                                                                                             Führerraumdisplays eines mit
                                                                                             ETCS und ATO fahrenden Trieb-
                                                                                             zugs BR 474

Dem Fahrcomputer im Zug (ETCS OBU – engl. On Board Unit         ATO – das Informations- und
– dt. Bordgerät) liegen über die Schnittstelle des RBC (engl.   Steuerungssystem für die hochautomatische
Radio Block Center – dt. ETCS-Streckenzentrale) alle Infor-     Zugfahrt
mationen aus dem elektronischen Stellwerk (ESTW) vor.           Neben den ETCS-Strecken- und Fahrzeugeinrichtun-
                                                                gen kommen als neue Komponenten die ATO-Strecken-
Für den Bediener des Stellwerks kommen Regelungen zu            zentrale (ATO-TS) und das ATO-Bordgerät (ATO-OB) zum
ETCS sowohl technisch als auch betrieblich hinzu. Diese         Einsatz. Das ATO-Bordgerät nimmt, analog dem ETCS-
basieren allerdings auf den bekannten Regelungen des            Bordgerät, die Berechnung der Fahrdaten auf dem Fahr-
heutigen Bahnbetriebs und sind größtenteils deutsch-            zeug wahr. Sie berechnet unter anderem, mit welcher
landweit einheitlich. Regionale Zusätze spiegeln die ört-       Geschwindigkeit ein Zug fahren sollte, um den nächsten
lichen Besonderheiten wider. Hierzu gehört in Hamburg           Fahrplanhalt pünktlich zu erreichen, auf welcher Seite
beispielsweise, dass alle Hauptsignale am Fahrweg für           eine Bahnsteigkante vorhanden ist, wann Türen zu öff-
Züge in ETCS dunkelgeschaltet werden – unabhängig ob            nen sind oder wo der Triebfahrzeugführer die Fahrt wie-
die ortsfeste Signalisierung der Führerraumsignalisie-          der übernehmen muss. Die Daten hierfür liefert das
rung entspricht oder nicht. Um trotzdem die Vorzüge des         Informations- und Meldesystem (IMS), das Betriebsfüh-
Fahrens auf fernmündlichen Auftrag wie im konventio-            rungssystem der S-Bahn Hamburg.
nellen S-Bahn-Betrieb zu ermöglichen, wurde für die Sig-
nale Ne 14 im Hamburger S-Bahn-Netz auch in ETCS L2             Der Triebfahrzeugführer muss die ATO-Fahrt einmalig im
zugelassen, die vor Ort befindliche M-Tafel (Signal Zs 12)      Führerraum aktivieren. Dies geschieht durch Betätigen
zu nutzen. So ist die Entlassung aus dem vollüberwach-          des ATO-Leuchtmelders. Ähnlich der LZB signalisiert die-
ten Fahren (ETCS-Modus „Full Supervision“) hin zum              ser Leuchtmelder durch Leuchten die Funktionsbereit-
Fahren unter voller Verantwortung des Triebfahrzeugfüh-         schaft des Systems und die Übernahme des Fahrverhal-
rers (ETCS-Modus „Staff Responsible“) auf fernmünd­             tens. Hat die ATO die Fahrzeugsteuerung übernommen,
liche Anweisung des Fahrdienstleiters möglich. Dies ent-        kann der Triebfahrzeugführer sich vollkommen auf seine
spricht für den Betrieb auf Gleisen der „Fernbahn“ dem          Fahrt konzentrieren. Er übernimmt jetzt überwachende
Fahren auf Befehl, welcher bei den Stadtschnellbahnen           Tätigkeiten, die Verantwortung verbleibt aber stets bei
Berlin und Hamburg bei Signal Zs 12 fernmündlich gege-          ihm als Triebfahrzeugführer. Er überwacht kontinuierlich
ben werden darf.                                                das System und greift im Bedarfs- oder Gefahrfall ein.

BahnPraxis B 2 | 2022                                                                                                    5
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                                                                                                                            Foto: Frank Holtmann
Dunkelgeschaltetes Einfahr­
signal 892 in ETCS L2 für den
in Kürze vorbeifahrenden Zug

Jeder manuelle Bedieneingriff, zum Beispiel das Bedie-           Das permissive Fahren an selbsttätigen
nen des Fahrbremshebels, deaktiviert sofort die ATO.            ­Blocksignalen
Der Triebfahrzeugführer bremst und beschleunigt nun
wieder manuell. Dies kann beispielsweise bei schlech-           Wer schon einmal in den Netzen der Gleichstrom S-Bah-
ten Haftwerten zwischen Rad und Schiene oder einem              nen Berlin oder Hamburg unterwegs war, der wird sich an
Nothaltauftrag der Fall sein. Damit in den ATO-Fahr­            die Vielzahl von Signalen mit weiß-gelb-weiß-gelb-weißen
betrieb zurückgekehrt werden kann, muss nur erneut              oder schwarz-weiß-schwarz-weiß-schwarzen Mastschil-
der ATO-Leuchtmelder bedient werden und der Zug fährt           dern erinnern. Diese regeln die Vorbeifahrt an Signalen, die
hochautomatisch weiter. Die Rückmeldung der Kolle-              z.B. wegen einer Signalstörung nicht in Fahrtstellung oder
gen der S-Bahn Hamburg zu diesem mehr überwachen-               nur in Signalstellung Sv 0 kommen. In den Gleichstrom
den Fahren ist durchweg positiv und wird gerade für den         S-Bahn-Netzen ist es zulässig, dass die Triebfahrzeugführer
urbanen S-Bahn-Verkehr als entlastend empfunden.                an diesen Signalen unter Beachtung besonderer Regelun-
                                                                gen ohne weitere Zustimmung des Fahrdienstleiters vorbei-
Ein besonderes Merkmal beim hochautomatischen Fah-              fahren dürfen. Diese Eigenschaft durfte bei ATO over ETCS
ren ist, dass das Fahrzeug auch die Abfertigung des Zuges       natürlich nicht entfallen, da sie gerade bei Störungen die
an einer Verkehrsstation technisch übernimmt, wobei die         hohe Zugdichte in den S-Bahn-Netzen ermöglicht.
Aufsicht am Zug faktisch weiterhin beim Triebfahrzeug-
führer verbleibt. Nach zielgenauem Halten am Bahnsteig          Wie schafft ETCS dies in Hamburg? Durch eine techni-
an der jeweiligen H-Tafel (Kurz- oder Vollzug) gibt das         sche Besonderheit konnte dieses Fahrverhalten auch
Fahrzeug selbsttätig die Türen auf der richtigen Fahrzeug-      in ETCS übernommen werden. Nähert sich eine ETCS-
seite frei. Nach einer Mindesthaltezeit und frühestens mit      geführte S-Bahn einem Signal mit weiß-schwarz-weiß-
Erreichen der Abfahrzeit schließt das Fahrzeug die Türen        schwarz-weißem Mastschild, fragt die ETCS-OBU beim
und verriegelt sie. Wenn alle Türen geschlossen und ver-        RBC die Freigabe des nachfolgenden Blockabschnitts
riegelt, keine Personen und Gegenstände eingeklemmt             an. Ist dieser belegt, kann das RBC keine reguläre Fahr-
sind, gibt der Triebfahrzeugführer dem Fahrzeug durch die       erlaubnis ausgeben. Da stellwerksseitig aber nur die
Bedienung der Sicherheitsfahrschaltung (Sifa) den Auf-          Besetztanzeige die Fahrstellung des (virtuellen) Haupt-
trag, die Fahrt wieder zu starten. Der Zug setzt sich selbst-   signals verhindert, erteilt das RBC dem Zug eine Erlaub-
tätig in Bewegung.                                              nis zur Fahrt auf Sicht und kommandiert „On Sight”.

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Foto: Frank Holtmann

                                                                                         Bedieneinrichtung des „Fern-
                                                                                         Tf“ für die vollautomatische
                                                                                         Rangierfahrt

Der Triebfahrzeugführer übernimmt nun für den Folge-       zurück an den Bahnsteig. Im Bedarfs- oder Gefahrfall
abschnitt die Führung des Zuges – das Fahren auf Sicht     konnte der „Fern-Tf“ eingreifen und die Rangierfahrt zum
kann die Technik wegen der Vielzahl an zu beachtenden      Halten bringen. Im Bereich der Hamburger S-Bahn waren
Regeln und der Fahrwegbeobachtung nicht übernehmen.        dies die ersten Fahrten, die ohne Triebfahrzeugführer
Einer von vielen Gründen, warum der Triebfahrzeugfüh-      bzw. ohne Funkfernsteuerung stattgefunden haben.
rer bei der S-Bahn Hamburg auch in Zukunft während der
Fahrt ständig im Führerraum anwesend sein wird.            Die vollautomatische Rangierfahrt wurde als tempo-
                                                           räre Testanwendung für den Zeitraum des ITS-Kongres-
                                                           ses betrieben. Damit sollte einerseits der Nachweis der
Vollautomatische Rangierfahrt –                            praktischen Umsetzung eines vollautomatischen Betrie-
Technik für die Zukunft?                                   bes in einem offenen Eisenbahnnetz erbracht werden,
                                                           andererseits ein Umfeld ermöglichen, in dem Erfah-
Beim ITS World Congress, einer jährlichen Konferenz zur    rungen für die Weiterentwicklung dieser Betriebsform
Förderung intelligenter Transportsysteme, im Oktober       gewonnen werden konnten. Ob das Verfahren bei der
2021 wurde im Bahnhof Hamburg-Bergedorf die vollau-        Hamburger S-Bahn oder in anderen Bereichen der Bahn
tomatische Rangierfahrt vorgestellt. Nach Beenden der      eine Zukunft hat, wird sich zeigen. Der Fokus der S-Bahn
hochautomatischen Fahrt wurde der Zugverband vom           Hamburg wird aber vordergründig auf die hochautoma­
Triebfahrzeugführer im Führerraum an den neu instal-       tische Fahrt gelegt, also ATO over ETCS.
lierten „Fern-Tf“ im Stellwerk „Bfs“ übergeben. Dieser
„Fern-Tf“ war notwendig, um den Fahrweg und den Gefah-
renraum zu beobachten. Die vollautomatische Fahrzeug-      Zusammenspiel von Fahrzeug,
führung war jedoch ohne sein Eingreifen möglich, und       Fahrweg und Fahrplan in Echtzeit
nach einer technischen Fernaufrüstung des führenden
Fahrzeugs war die Rangierfahrt fahrbereit. Nach Vorlie-    Woher bekommt die ATO-Streckenzentrale ihre Infor-
gen der betrieblichen Vorrausetzungen (Fahrweg frei von    mationen, um diese an die Züge zu verteilen? Hierfür
Fahrzeugen, Sh 1 am Startsignal und an weiteren Signalen   wurde eine Schnittstelle zwischen dem Betriebsfüh-
am Fahrweg) fuhr die Rangierfahrt vollautomatisch ohne     rungssystem der S-Bahn und der ATO-TS geschaf-
Triebfahrzeugführer an Bord ins Kehrgleis und wieder       fen. Somit bekommt das ATO-System permanent die

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BahnPraxis B - Unfallversicherung Bund und Bahn
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                                                                                                                       Quelle: Frank Holtmann
Zusammenspiel von ETCS und
ATO

Echtzeit-Fahrplandaten aus der Betriebszentrale, kann        für eine zukunftsfähige Schiene. Eins ist sicher: Diese
sie mit den Echtzeit-Fahrwegdaten aus dem RBC in Ver-        „Hamburger Blaupause“ wird einen Beitrag für Technik
bindung setzen und so genauere Prognosen ableiten.           und betriebliche Abläufe über den Bereich des deut-
Für den Zugdisponenten in der Betriebszentrale hat dies      schen Streckennetzes hinaus liefern. Sie zeigt in aller
direkte Auswirkungen auf sein Handeln. War er ohne           Deutlichkeit auf, dass gerade durch die Nutzung von ATO
ATO over ETCS „nur“ Dirigent der Schiene und gab seine       zur Steigerung der Leitungsfähigkeit ein hoher Grad an
Anweisungen meist fernmündlich an die Fahrdienstlei-         gemeinsamem Verständnis über den eigenen Einsatz-
ter und Triebfahrzeugführer weiter, so haben seine Ein-      bereich hinaus von Vorteil sein wird. ATO und ETCS brin-
gaben nun direkte Auswirkungen auf den Fahrbetrieb:          gen diesbezüglich nicht nur technische Veränderungen
Entfällt ein Fahrplanhalt im Leitsystem, so fährt der Zug    mit sich, sondern auch betriebliche Neuerungen, welche
(bei vorliegender Fahrerlaubnis des Fahrdienstleiters)       neben den Herausforderungen auch große Gestaltungs-
an der Verkehrsstation durch. Passt der Disponent z.B.       möglichkeiten bieten.
wegen einer Zugkreuzung eine Zeit-Wege-Linie zeitlich
an, so wirkt sich dies direkt auf die Geschwindigkeit des
fahrenden Zuges aus. Eine Erleichterung für alle Beteilig-
ten– gerade in unübersichtlichen Situationen.

Ausblick

Was können wir aus den Beispielen in Hamburg lernen?
Hochautomatischer Zugbetrieb bringt das System Eisen-
bahn weiter voran.

In Hamburg konnte erstmals gezeigt werden, wie im
Zusammenspiel leistungsfähiger Komponenten das Sys-
tem Bahn die Herausforderungen an die steigende Nach-
frage bewältigen kann – einer von vielen Bausteinen

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BahnPraxis B - Unfallversicherung Bund und Bahn
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iaf 2022

Experten der Branche treffen sich zum Austausch

Dipl.-Ing. (FH) Dirk Bill, Unfallversicherung Bund und Bahn, Geschäftsbereich Arbeits-
schutz und Prävention, Referat Prävention – Bereich Bahn, Frankfurt am Main.

Die 28. Internationale Ausstellung Fahrwegtechnik (iaf) findet vom 31. Mai bis
2. Juni 2022 in Münster statt. Die iaf bietet auf rund 15.000 Quadratmetern Hallenfläche,
etwa 6.000 Quadratmetern Freifläche und mehr als 3.000 Metern Gleis einen
­repräsentativen ­Branchenüberblick über neue Maschinen, Geräte und Bautechnologien.

Die iaf hat – auch international – einen hohen Stellen-
wert, so dass sich dort Experten, Unternehmer und Fach-
besucher aus dem In- und Ausland zum Austausch treffen.
Auch aus diesem Grund wird sich die Unfallversicherung
Bund und Bahn (UVB) – nun zum vierten Mal in Folge – an
der iaf beteiligen. Im Rahmen eines Gemeinschaftsstan-
des, zusammen mit der Berufsgenossenschaft der Bauwirt-
schaft (BG BAU), der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft
(VBG) und der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro
Medienerzeugnisse (BG ETEM), werden Ihnen die Exper-
                                                               Foto: UVB

ten der UVB als kompetente Ansprechpartner zum Thema
„Sicherheit am Gleis“ zur Verfügung stehen.

Mit unserem Stand möchten wir Ihnen eine Plattform zum         Weitere Informationen zur iaf, z.B. zu Öffnungszeiten, zur
Austausch und zur Information bieten. Wir laden Sie herz-      Anreise, zu den Ausstellern und Produkten, erhalten Sie
lich ein, uns auf der iaf in der Halle Süd am Stand S-411 zu   über die Internetseite:
besuchen.                                                      • https://www.iaf-messe.com

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BahnPraxis B - Unfallversicherung Bund und Bahn
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Digitalisierung in Höchstgeschwindigkeit

Schnellläuferprogramm im
Projekt Kleve–Kempen

                                                                                                     Quelle DB Netz AG
                                                                              Ausbildung der Fdl an
                                                                              der Simulationsanlage
                                                                              mit iLBS-Bedienober-
Tobias Harscheidt und Olaf Großeweischede, Fachliche Qualifizierung           fläche
­Betrieb, DB Netz AG, Frankfurt am Main

Bundesweit werden ältere mechanische und Relaisstellwerke von moder-
nen elektronischen Stellwerken (ESTW) und digitalen Stellwerken (DSTW)
ersetzt. Neben den bestehenden ESTW- und DSTW-Projekten ist im Rah-
men der Corona-Pandemie auf Initiative des Bundes, der Bahnindustrie
und der Deutschen Bahn AG das Schnellläuferprogramm errichtet worden.
Durch zusätzliche finanzielle Mittel soll in kürzester Zeit die Modernisie-
rung der Stellwerkstechnik vorangetrieben werden. Hierzu wurden ins-
gesamt sieben Projekte identifiziert, mit dem Projekt Kleve–Kempen am
Niederrhein ist das erste Projekt am 4. Dezember 2021 planmäßig nach nur
etwa einem Jahr Planungs- und Bauzeit in Betrieb gegangen.

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                                                   Quelle: DB Netz AG/ Copyright „Satellitenbild: Google, Copyright 2021 TerraMetrics

Die Fahrdienstleiter erhalten das erstmals im
November 2020 in Göttingen eingeführte inte-
grierte Leit- und Bediensystem (iLBS) und den
neuen Bedienplatz des Herstellers Scheidt &
Bachmann GmbH.

Durch das Schnellläuferprogramm wird die
­Strecke in zwei Bauabschnitten modernisiert
 und digitalisiert.

Der erste Bauabschnitt verläuft von Kleve bis
Geldern und ist am 4. Dezember 2021 erfolg-
reich in Betrieb genommen worden. Der zweite
Bauabschnitt verläuft von Geldern bis Kempen
und die Inbetriebnahme soll im 4. Quartal 2022
erfolgen (Abbildung 1).
                                                                                                                                        Abbildung 1:
                                                                                                                                        ­Streckenkarte
Die Fahrdienstleiter steuern die Strecke zukünf-
                                                                                                                                         SLP-Projekt Kleve–
tig aus den sechs Stellwerken mit örtlichen        insgesamt 28 Fahrdienstleiter notwendig. Die                                          Kempen
Bedienplätzen in Kleve, Bedburg-Hau, Goch,         Schulung für dieses Projekt ist eine besondere
Kevelaer, Nieukerk und Kempen. Wenn alle           Herausforderung gewesen, da alle Fahrdienst-
Bahnübergänge umgerüstet sind, wird die Bedie-     leiter bisher nur mechanische bzw. Relaisstell-
nung an einem Standort zentralisiert erfolgen.     werke bedient hatten. Weiterhin mussten spe-
                                                   zielle, projektspezifische Schulungsunterlagen
Heute blicken die Projektbeteiligten zufrie-       erstellt werden. Erstmals wurde eine zentral
den zurück: Zwischen Kleve und Geldern ist         erstellte Anpassungsfortbildung unter Berück-
nun mit dem iLBS modernste Leit- und Siche-        sichtigung des neuen Bediensystems durchge-
rungstechnik (LST) verbaut. Das demonstriert       führt.
insbesondere der nachfolgende Vorher-Nach-
her-Vergleich des Stellwerks in Kevelaer (Abbil-   Dafür wurden zunächst ESTW-Trainer und
dungen 2 und 3 auf der nächsten Seite).            Bezirksleiter Betrieb aus der Region West in
                                                   zwei Gruppen zu jeweils drei Teilnehmern für
                                                   das neue Bediensystem direkt bei Hersteller
Schulungen als Schlüssel für eine erfolg-          Scheidt & Bachmann System Technik GmbH
reiche Inbetriebnahme                              in Melsdorf geschult. Außerdem wurden zwei
                                                   Schulungsanlagen, bestehend aus einer Inte­
Vor der Inbetriebnahme des ersten Bauab-           gration der Simulation „PRESIM“ und dem
schnittes waren umfangreiche Schulungen für        neuen integrierten Bedienplatz, fertiggestellt.

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                                                            Foto: Scheidt & Bachmann Signalling System GmbH, Aaron Hespers

                                                                                                                                                                                                                Foto: Scheidt & Bachmann Signalling System GmbH, Aaron Hespers
Abbildung 2: Vorher-Nachher-Vergleich des Stellwerks Kevelaer

                        Diese Anlagen wurden an zwei Standorten auf-                                                                                          Mit iLBS verbessern wir den Arbeitsplatz
                        gebaut und ermöglichten es, dass die Fahr-                                                                                            des Fahrdienstleiters
                        dienstleiter direkt an der zukünftig eingesetz-
                        ten Technik auf Ihren Einsatz vorbereitet werden                                                                                      Mit dem neuen iLBS entwickelt die DB Netz
                        konnten.                                                                                                                              AG ein modernes, anwenderfreundliches und
                                                                                                                                                              ­flexibles Bediensystem. Einheitliche, intuitive
                        Jeder Fahrdienstleiter durchlief während dieser                                                                                        Bedienung und moderne Features, wie z.B. frei
                        Anpassungsfortbildung eine vierwöchige Schu-                                                                                           verschiebbare und in der Größe anpassbare
                        lung, welche sowohl in theoretischen Ausbil-                                                                                           Fenster, machen die Arbeit der Fahrdienstleiter
Abbildung 3:            dungsunterricht als auch in Praxistraining an                                                                                          komfortabel, zeitgemäß, attraktiv und erleich-
­Bedienplatz Kleve,     der Simulationsanlage unterteilt war.                                                                                                  tern die Schulung enorm. Die neue Technik
 hier stand zuvor                                                                                                                                              bedeutet einen Paradigmenwechsel und bringt
 ein Sp Dr S60-         Alle Teilnehmer sind von den Vorteilen der                                                                                             viele Vorteile (Abbildung 4).
 Stelltisch mit einer   neuen Bedienoberfläche überzeugt und sehen
 Anpassung an           darin einen großen Fortschritt. Die Schulung
 einen Blockkasten      war ein wichtiger Schritt für eine erfolgreiche                                                                                       Ausblick
 für den Felderblock    Inbetriebnahme (siehe Titelbild auf Seite 10).
 in Richtung Bed-                                                                                                                                             In den nächsten Jahren folgen weitere Projekte
 burg-Hau.                                                                                                                                                    des SLP und tragen zur Modernisierung der
                                                                                                                                                              Stellwerkstechnik bei (Abbildung 5).

                                                                                                                                                              Nach dem jetzigen Planungsstand soll die letzte
                                                                                                                                                              Inbetriebnahme im Jahr 2024 erfolgen.

                                                                                                                                                              Zusätzlich zum Schnellläuferprogramm wird die
                                                                                                                                                              Erneuerung der Stellwerkstechnik auch in wei-
                                                                                                                                                              teren Projekten im Rahmen des sogenannten
                                                                                                                                                              „Flächen-Rollouts“ zum Tragen kommen. Der
                                                                                                                                                              „Startschuss“ dafür wurde 2020 mit dem soge-
                                                                                                                                                              nannten „Starterpaket“ gegeben.

                                                                                                                                                              Zum sogenannten Starterpaket für den Einstieg
                                                                                                                             Foto: DB Netz AG/Toby Kosinsky

                                                                                                                                                              in die Digitale Schiene Deutschland bis zum
                                                                                                                                                              Jahr 2030 gehören beispielhaft folgende Pro-
                                                                                                                                                              jekte:
                                                                                                                                                              • die Schnellfahrstrecke Köln–Rhein/Main
                                                                                                                                                              • der TEN-Korridor Skandinavien–Mittelmeer
                                                                                                                                                                (Abschnitte Maschen–Magdeburg–Halle,

12                                                                                                                                                                                            BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Aktuell
    Fotos: DB Netz AG

                                                                                                                                                               Fotos: DB Netz AG
                        Heute: ESTW-Bedienplatz                                        Zukünftig: Integrierter Bedienplatz (iBP)

                        •   In der Regel acht 19-Zoll-Monitore, jeder                  •   Vier 24-Zoll-Monitore und ein 49-Zoll-Monitor
                            Bereich benötigt eigene Hardware:                          •   Die neuen Anzeigeflächen, insbesondere
                            – Fünf Monitore für LST                                        die große 49-Zoll-Anzeige für die LST, ermög-
                            – Zwei für Leittechnik/Meldeanlagen                            lichen eine komfortable Übersicht ohne
                            – Ein Monitor für Telekommunikation                            ­Monitorränder
                        •   Es bestehen feste Zuordnungen für die                      •   Nur noch eine Tastatur und Maus für alle
                            Monitor-Bereiche                                                Anwendungen
                        •   Eingeschränkte Individualisierbarkeit                      •   Individuelle Aufschaltmöglichkeiten und
                            bezüglich Aufschaltung und Fenstergröße                         ­variable Fenstergrößen
                        •   Geringe Anzeigefläche erfordert Umbrüche                   •   Bessere Arbeitsbedingungen in einer freund-
                            und Übergänge auf Monitore                                       lichen, hellen Tageslicht-Umgebung durch
                        •   Dadurch keine optimale Abbildung der                             einen aufgehellten Bildschirmhintergrund
                            Topologie

Abbildung 4, Vergleich heutiger und zukünftiger Bedienplatz

                                                                        Abbildung 5: Übersicht der SLP
    Nürnberg–Augsburg–München sowie
    ­München–Rosenheim–Kiefersfelden/Freilas-                                                              Cluster 1-Projekte
     sing) mit den jeweiligen Netzbezirken                                                                  1 Kleve-Kempen
                                                                                                                Region West | Scheidt & Bachmann GmbH
•   die Digitalisierung des Knotens Stuttgart                                                               2 Finnentrop
                                                                                                                Region West | Siemens AG
                                                                                                                Wörth-Germersheim-Speyer
                                                                                                                        Cluster 1-Projekte
                                                                                                            3
Durch den Flächen-Rollout von ETCS, der DSTW                                                                    Region Südwest | Thales Deutschland GmbH
                                                                                                                           1 Kleve-Kempen
                                                                                                              Ansbach-Triesdorf
                                                                                                                             Region West | Scheidt & Bachmann GmbH
und des iLBS wird die LST bis 2035 grundlegend                                                              4 Region Süd, InoSig GmbH
erneuert und stellt damit das Fundament für die                                                                            2 Finnentrop
                                                                                                                              Region West | Siemens AG
Modernisierung und Digitalisierung der Infra-                                                              Cluster 2-Projekte
                                                                                                                          Wörth-Germersheim-Speyer
                                                                                                                          3
                                                                                                                Zwieseler Spinne
                                                                                                                             Region Südwest | Thales Deutschland GmbH
                                                                                                            5
struktur der DB Netz AG dar.                                                                                    Region Süd | Pintsch GmbH
                                                                                                                          Ansbach-Triesdorf
                                                                                                                       4 Region Süd, InoSig GmbH
                                                                                                            6 Gera-Weischlitz
                                                                                                                Region Südost | Hitachi Rail STS Deutschland GmbH

                                                                                                            7 Lichtenfels-Coburg-Sonneberg
                                                                                                                        Cluster 2-Projekte
                                                                                                              Region Süd | Alstom Transport Deutschland GmbH
                                                                                                                             Zwieseler Spinne
                                                                                                                          5
                                                                                                                              Region Süd | Pintsch GmbH

                                                                                                                           6 Gera-Weischlitz
                                                                                                                              Region Südost | Hitachi Rail STS Deutschland GmbH

                                                                                                                            7 Lichtenfels-Coburg-Sonneberg
                                                                                                                              Region Süd | Alstom Transport Deutschland GmbH

                                                                                                                                            Quelle DB Netz AG/DSD

BahnPraxis B 2 | 2022                                                                                                                                                         13
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                                                                                                    Foto: DB AG/Volker Emersleben
Regelmäßige Fortbildung

Regelmäßige Fortbildung 2022 für
­Betriebs­personale bei der DB Regio AG

Thomas Schmidt, Seniorreferent Qualifizierung Triebfahrzeugführer, DB Regio AG,
­Frankfurt am Main

Die jährliche regelmäßige Fortbildung der Betriebspersonale bei der DB Regio AG dient
dazu, bereits bekannte fachliche Inhalte aufzufrischen und Neuerungen zu schulen. Zu
den Betriebspersonalen zählen Triebfahrzeugführer (Tf), Kundenbetreuer mit betrieblichen
Aufgaben (also Zugführer/Zugschaffner – Zf/Zs), Rangierbegleiter (Rb) sowie Zugvorberei-
ter (Zugv), örtliche Aufsichten (öA) und Weichenwärter (Ww) der DB Regio AG. Die zentral
vorgegebenen Inhalte können noch um regionale Inhalte ergänzt werden, um in der regel-
mäßigen Fortbildung auch den regionalen Bezug sicherzustellen.

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In diesem Artikel wollen wir Ihnen einen kurzen Überblick
über die wichtigsten DB Regio-weit relevanten Themen
geben.

Themen für Tf – 5 Unterrichtseinheiten (UE)

Bahnbetrieb – Regelbuch und mitgeltende
­Regelwerke (2 UE)
In diesem Themenblock werden verschiedene Anpassun-
gen in den Regelwerken angesprochen. Im betrieblichen
Regelwerk der DB Regio AG gab es zum 12. Dezember 2021
einige kleine Änderungen, welche hier erwähnt werden.
Dazu zählt u.a., dass der Auszug über die mitgeltenden
                                                              Foto: DB AG/Volker Emersleben

Regelwerke für mehrere Tätigkeitsgruppen erweitert wurde
und somit nicht mehr nur für den Tf allein gilt. Aber auch
Regeln zum Straßenverkehr finden sich plötzlich im Regel-
buch DBREGIO-003 wieder: Hier geht es konkret um die
Nutzung von Poolfahrzeugen und die Kontrolle des dafür
notwendigen KFZ-Führerscheins.
                                                              Betriebliche Themen bilden wie immer den Schwerpunkt der
Weiterhin wurden Regeln zur Zusatzbescheinigung dahin-        „Regelmäßigen Fortbildung“ bei der DB Regio AG
gehend konkretisiert, dass ein Tf zum Führen eines Zuges
eine Zusatzbescheinigung desjenigen Eisenbahnver-             sie sonst in einem eventuellen Notfall vom führenden Tfz
kehrsunternehmens (EVU) besitzen muss, welches die            aus nicht gesenkt werden können. Dass in bestimmten
Trasse bestellt und die Sicherheitsverantwortung für die      Fällen, wenn der Kuppelzustand nicht angezeigt werden
Zugfahrt hat. Das gleiche gilt beim Erwerb der Strecken-      kann, eine Kuppelprobe durchzuführen ist, schließt die
kenntnis – außer der Tf soll zu diesem Zweck nur mitfah-      Erwähnung der geänderten betrieblichen und technischen
ren. Des Weiteren gibt es kleine Ergänzungen beim Führen      Regeln im Regelbuch DBREGIO-003 ab.
von Bremszettel und Wagenliste.
                                                              Nachfolgend genannte bisherige Regeln und Informatio-
Mit einem neuen Abschnitt 9 des Moduls DBREGIO.2341           nen der DGUV wurden zurückgezogen und durch die neue
werden Regelungen für die Verständigung des Fahrdienst-       DGUV Information 214-089 „Verhaltensregeln für Mitarbei-
leiters bzw. der Betriebszentrale im Falle einer unerwarte-   ter im Eisenbahnbetrieb“ ersetzt:
ten Haltezeitüberschreitung gegeben.
                                                              •                         DGUV Regeln 114-002/114-003 „Betrieb von Funk­
Präzisiert wurde die Regel, wenn beim Eingang eines Fahr-                               fernsteuerungen bei Eisenbahnen“
gastsprechwunsches an einer Fahrgastsprechstelle der          •                         DGUV Information 214-052 „Rangieren sowie
Sprechwunsch nicht eindeutig verstanden wurde oder                                      zugehörige Tätigkeiten“
das Anliegen des Fahrgastes nicht zu verstehen war. Es        •                         DGUV Information 214-053 „Führen von
wird dabei insbesondere klargestellt, dass bei Anzeichen                                ­Triebfahrzeugen“
eines Notfalles (wie z.B. aufgeregtes, unverständliches       •                         DGUV Information 214-054 „Begleiten von Zügen“
Sprechen) der Kundenbetreuer im Nahverkehr (KiN) zu           •                         DGUV Information 214-055 „Sonstige Tätigkeiten im
informieren oder – falls der Zug nicht begleitet wird – die                              Eisenbahnbetrieb“
Sprechstelle im Zug beim Halt am nächstgelegenen Bahn-
steig aufzusuchen ist.                                        Die in der DGUV Information 214-089 aktualisierten
                                                              Regelungen sind inhaltsgleich in der Aktualisierung
Beim Rangieren elektrischer Triebfahrzeuge (Tfz) sind die     05 des Betriebsregelwerks (BRW, blaue Seiten) durch
Stromabnehmer der nicht arbeitenden Tfz zu senken, da         den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)

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aufgenommen worden. Module des BRW, die ausschließ-           Die Tf erhalten in der regelmäßigen Fortbildung einen
lich Aussagen zum Arbeitsschutz treffen, wurden jedoch        zusammenfassenden Überblick, der ihnen die wesent­
bei der DB Regio AG nicht in Kraft gesetzt und werden in      lichen Neuerungen vorstellt und die jeweils spezifischen
der DGUV Information 214-089 bekannt gegeben.                 Tätigkeiten der Vorbereitungs,- Prüf- und Abschlussarbei-
                                                              ten erklärt.
Wichtige Themen sind u.a. die Anpassung an gültige RID-
Regeln (Regelung zur internationalen Beförderung gefähr-      Sicherheitskultur (2 UE)
licher Güter im Schienenverkehr). In BRW.8581 wurden die      Ein fester Bestandteil in der regelmäßigen Fortbildung ist
Verhaltensregeln beim Freiwerden gefährlicher Güter auf-      mittlerweile das Thema „Sicherheitskultur“. Die Inhalte
genommen.                                                     orientieren sich im Wesentlichen an den in 2021 vermittel-
                                                              ten Themen, insbesondere werden die Hintergründe zum
Die Regeln zur „Postensicherung an Bahnübergängen             Fairness-Guide vertieft.
und Bahnüberwegen“ aus der „DGUV Information 214-
089“ (Abschnitt 5.5) wurden im Anhang 408.2341A01
und der Richtlinie 408.4816 gleichlautend aufgenom-           Optionale Themen für Tf
men. Präzisiert wurden die Notwendigkeit des Tragens
einer Warnweste sowie die Regeln zum Betreten der             Für Regionen, in denen ETCS-Strecken befahren wer-
Straße.                                                       den, erhalten die Tf zusätzlich 30 Minuten Fortbildung
                                                              zu diesem Zugbeeinflussungssystem. Beim optio­
Unter welchen Bedingungen das Fahren mit geöffneten           nalen Praxistraining auf Tfz (30 min) sollen folgende
Führerraumtüren gestattet ist (umlaufendes Geländer als       ­Themen behandelt und die notwendigen Maßnahmen zur
Absturzsicherung), wurde ebenfalls mit aufgenommen.            ­Störungsbehebung geübt werden:
Weiterhin werden einige wichtige Themen wie das Sichern         • Ansprechen der Stromabnehmersenkeinrichtung
von Eisenbahnfahrzeugen wiederholt und in Aufgaben-               (E-Tfz) bzw. Maßnahmen bei herabhängender Fahr­
stellungen geübt.                                                 leitung (V-Tfz)
                                                                • Ausfall der Displays im Führerpult (MTD, MFD)
Besonders zu beachten ist, dass die Regeln zum Kuppeln
zwischen zwei Eisenbahnfahrzeugen durch die DB Regio          Beim optionalen Praxistraining für Tf, welche Diesel-Tfz
AG im BRW strenger gefasst sind als in der DGUV Informa-      mit RESY-Einrichtung fahren, werden in 30 Minuten die
tion: Vor dem Betreten des Berner Raumes müssen alle          Neuerungen des Energiesparsystems RESY 2.0 bespro-
Eisenbahnfahrzeuge im Gleis stillstehen! Abschließend         chen sowie dessen Bedienung geübt.
werden die Regeln für die Standortwahl zur Fahrweg­
beobachtung beim Rangieren erwähnt.                           Diese zentralen Vorgaben für die Tf der DB Regio AG kön-
                                                              nen noch durch örtliche Themen im Unterricht ergänzt
Energiesparende Fahrweise (15 Minuten)                        werden. Außerdem soll weiterhin Praxistraining auf den
In diesem kleinen Themenblock werden den Tf die aktuel-       eingesetzten Tfz und die Bearbeitung webbasierter Trai-
len Energie Einspar-Ergebnisse und -auswertungen sowie        nings die regelmäßige Fortbildung der Tf abrunden.
die Neuentwicklungen beim Regio-Energiespar-System
RESY vorgestellt.
                                                                                                       Regio-Energiespar-
Rückfallebene FASSI-MOVE (15 Minuten)                                                                  System RESY
In diesem ebenfalls kleinen Themenblock werden Stö-
rungen am Dokumentenmanagementsystem FASSI-MOVE
und die Rückfallebene im Störungsfall angesprochen.

Neuerungen OVA (15 Minuten)
                                                              Foto: DB Regio AG

Das Projekt „Optimierung der Vorbereitungs- und Abschluss-
arbeiten“ (OVA) hat zum Ziel, die Teilarbeitenverzeichnisse
der Eisenbahnfahrzeuge zu optimieren und zu ändern.

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Themen für Zf/Zs (2 UE)                                           Themen für Zugv, Ww und öA (1 UE)
Zf/Zs sind KiN mit betrieblichen Zusatzqualifikationen.           Bei diesen Mitarbeitern werden auch die ihren Einsatz­
Daher benötigt diese Mitarbeitergruppe außer dem gro-             bereich betreffenden Regelwerksänderungen sowie der
ßen Themenspektrum der regelmäßigen Fortbildung der               Fairness-Guide angesprochen. Selbstverständlich wird
KiN in den „kundendienstlichen Themen“ noch weitere               auch hier die Fortbildung durch regionale fachspezifische
Fortbildungsthemen aus Betrieb und Technik.                       Themen ergänzt.

Zum einen werden hier die Kenntnisse über die für diese
Zielgruppe relevanten Änderungen im Regelbuch DBRE-               Fazit
GIO-002 und in mitgeltenden Regelwerken thematisiert
sowie zum anderen das Abfertigen von Zügen gemäß                  Somit werden auch für das Jahr 2022 wieder viele interes-
Handbuch 41425 besprochen. Beim Thema Sicherheits-                sante Themen für unsere Mitarbeiter vermittelt. Die Hand-
kultur steht der Fairness-Guide im Fokus.                         lungssicherheit in diesen Themen ist nicht nur für unser
                                                                  Unternehmen DB Regio AG ein Gewinn, sondern auch für
Themen für Tf mit Triebfahrzeugführerschein                       jeden Einzelnen persönlich!
Klasse A (Lokrangierführer) und Rb (2 UE)
Auch hier werden die o.g. Regelwerksänderungen (mit               • Arbeiten Sie stets sicher und bleiben Sie gesund!
Schwerpunkt auf die Tf-Regeln) auf den Bedarf der Ziel-
gruppe zugeschnitten vermittelt. Die „Sicherheitskultur“
enthält außer dem Fairness-Guide noch die Auswertung
verschiedener Ereignisse beim Rangieren.

Vorschriften des Arbeitsschutzes sind ebenfalls fester Bestandteil der „Regelmäßigen Fortbildung“
Foto: DB AG/Ralf Braum

BahnPraxis B 2 | 2022                                                                                                     17
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Safety-Check-Karten mit 9 lebenswichtigen Regeln für den Gleisbau

Aktionsbündnis für mehr Sicherheit im Gleisbau

Dipl.-Ing. (FH) Dirk Bill, Unfallversicherung
Bund und Bahn, Geschäftsbereich Arbeitsschutz und
­Prävention, Referat Prävention – Bereich Bahn,                                             Abbildung 1
 Frankfurt am Main.
In der letzten Ausgabe der BahnPraxis B 1/2022
haben wir Sie in dem Artikel „Charta für
­Sicherheit und Safety-Check-Karten mit
 9 lebens­wichtigen Regeln“ (Seite 23 ff.) über
 das Aktions­bündnis für mehr Sicherheit im
 Gleisbau informiert und die aktuellen Aktivitäten
 vorgestellt.

Neben der Unterzeichnung der „Charta für
Sicherheit bei Arbeiten und Sicherungsmaß-
nahmen im Gleisbereich“ durch die BG BAU,
die UVB, die DB Netz AG sowie durch ein brei-
tes Bündnis aus Bau- und Bahnindustrie wurden
als neues Präventionsmittel die „9 lebenswich-
tigen Regeln für den Gleisbau“ gemeinsam for-
muliert und erarbeitet. Jede Regel wird graphisch    Abbildung 2
mit einem Positiv- und einem Negativbeispiel
veranschaulicht (z.B. Regel 1 – Abbildung 2).
                                                                                    1
Die 9 lebenswichtigen Regeln richten sich an
alle Beschäftigten, die Arbeiten im und am Gleis
ausführen. Die Regeln sollen das Sicherheitsbe-
wusstsein der Akteure schärfen und Unfall­risiken
minimieren oder gar vermeiden.

Jede der 9 lebenswichtigen Regeln mit den
zugehörigen Graphiken ist auf einer separaten
Karte dargestellt. Zusätzlich wird auf einer Karte
die „persönliche Sicherheitskarte der DB Netz
AG“ abgebildet. Die so entstandenen zehn ein-        1.	Wir kennen die Gefahren aus dem Bahnbetrieb.
zelnen Karten sind an einem Karabinerhaken
befestigt (Abbildung 1) und können als kom-
plettes Kartenset ab sofort unter der Bestell-
nummer 9305 oder unter dem Namen „SAFETY                Weitere Informationen
CHECK für den Gleisbau“ bei der UVB über das
Mediencenter im Internet bestellt werden:               Weitere Informationen zur Charta, zu den begleitenden
                                                        ­Filmen und zu den Safety-Check-Karten mit den 9 lebens-
• https://bit.ly/3KBW82M                                 wichtigen Regeln im Gleisbau erhalten Sie
                                                         unter:
                                                        •w
                                                          ww.uv-bund-bahn.de/arbeitsschutz-und-­
                                                         praevention/fachthemen/bahn/projekte/

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BahnPraxis Spezial
Quelle: UVB

Neue UVB-Fachinformation

„Mobile Instandhaltung von
­Eisenbahnfahrzeugen“

Dipl.-Ing. Gerhard Heres, Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) Geschäftsbereich
­Arbeitsschutz und Prävention, Referat Prävention – Bereich Bahn, Frankfurt am Main

Immer häufiger wird die Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen außerhalb von Werk-
stätten und Werkstattgleisen – direkt in den Gleisanlagen – ausgeführt. Um jedoch sicher
arbeiten zu können, müssen zuvor geeignete Örtlichkeiten ausgewählt sowie die notwen-
digen Sicherheitsmaßnahmen festgelegt und durchgeführt werden. Beschäftigte sind
über die getroffenen Maßnahmen zu unterweisen. Die neue
UVB-Fachinformation wendet sich insbesondere an die verant-
                                                                   In diesem Artikel werden die erforderlichen
wortlichen Vorgesetzten/Führungskräfte, deren Unternehmen          Anforderungen des Arbeitsschutzes für die mo-
„mobile Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen“ ausführen          bile Instandhaltung an Eisenbahnfahrzeugen
                                                                   beschrieben. Wann und in welchen Fällen solche
oder ausführen lassen. Es werden Bedingungen genannt und           Arbeiten an Eisenbahnfahrzeugen im Gleisbe-
erforderliche Sicherheitsmaßnahmen beschrieben, mit denen          reich notwendig werden, ist nicht Bestandteil des
                                                                   Artikels. Vor dem Hintergrund der beschriebenen
die grundlegenden Anforderungen für die Sicherheit und Ge-         Gefahren aus dem Bahnbetrieb sollten die Arbei-
                                                                   ten der mobilen Instandhaltung im Gleisbereich
sundheit der Beschäftigten beim Ausführen solcher Tätigkeiten      auf das Nötigste begrenzt werden.
erfüllt werden können.
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BahnPraxis Spezial

Zum Verkürzen von Standzeiten                  geplante und planmäßige Instand-                        regelmäßig durchzuführende Prüf­
und Ausfällen der Eisenbahnfahr-               haltung gemäß DIN EN 13306:2018-                        tätigkeiten im Bahnbereich, z.B.
zeuge sowie zum Erhöhen der Verfüg-            02 „Instandhaltung – Begriffe der                       Prüfungen von Wagen im Eisen-
barkeit wird die Instandhaltung an             Instandhaltung“. Die Tätigkeiten wer-                   bahnbetrieb, Bremsproben oder Vor-
Eisenbahnfahrzeugen immer häufi-               den direkt am oder im Eisenbahnfahr-                    bereitungs- und Abschlussarbeiten.
ger außerhalb von Werkstätten und              zeug ausgeführt, um dieses zu erhal-
Werkstattgleisen ausgeführt. In der            ten oder so aufzuarbeiten, dass die                     Ebenfalls nicht zur mobilen Instand-
Praxis hat sich für diese Tätigkeiten          geforderten Funktionen erfüllt werden                   haltung von Eisenbahnfahrzeugen
der Begriff „mobile Instandhaltung“            können. Hierzu gehören z.B. folgende                    gehören alle Maßnahmen des Not-
durchgesetzt.                                  Tätigkeiten:                                            fallmanagements, beispielsweise
                                               • Herstellen der Transportfähigkeit                     das Herstellen der Lauffähigkeit zum
                                               • Bedarfsreparaturen an Eisenbahn-                      ­Räumen der Ereignisstelle oder das
Welche Tätigkeiten gehören                       fahrzeugen in Endbahnhöfen und                         Aufgleisen von Eisenbahnfahrzeugen.
dazu?                                            Abstellgruppen
                                               • Austausch von Verschleißteilen
Die UVB-Fachinformation „Mobile                  oder defekten Baugruppen                              Welche Beschäftigten sind
Instandhaltung von Eisenbahnfahr-              • Diagnose/Schadensaufnahme/                            beteiligt?
zeugen“, die gemeinsam mit der                   Befundung
Verwaltungsberufsgenossenschaft                                                                        Durchgeführt werden die Tätigkei-
(VBG) sowie Fachexperten erarbei-              Nicht zur mobilen Instandhaltung                        ten von „mobilen Trupps“ aus den
tet wurde und inhaltsgleich mit der            von Eisenbahnfahrzeugen im Sinne                        Werkstätten der Instandhaltung
VBG-Fachinformation ist, umfasst die           der UVB-Fachinformation gehören                         sowie von Dritten, z.B. von Fahrzeug-
                                                                                                       haltenden, beauftragten Firmen für
                                                                                                       die Instandhaltung oder von Fahr-
Abbildung 1: Arbeitsplatztiefe bei Tätigkeiten in stehender, nicht aufrechter Körperhaltung            zeugherstellern. Beschäftigte dieser
                                                                                                       Unternehmen sind in der Regel keine
                                                                                                       Betriebseisenbahner und deshalb
                                                                                                       nicht oder nur unzureichend mit den
                                                                                                       betrieblichen Abläufen im Eisenbahn-
                                                                                                       betrieb sowie dem dafür geltenden
                                                                                                       Regelwerk vertraut.

                                                                                                       Die zum Einsatzort werdenden Gleise
                                                                                                       sind für die Beschäftigten Arbeitsstät-
                                                                                                       ten im Sinne der Arbeitsstättenver-
                                                                                                       ordnung. Analog zu anderen Arbeits-
                                                                                                       stätten sind die Beschäftigten vor
                                                                                         Quelle: UVB

                                                                                                       Beginn der Arbeiten zu den detail-
                                                                                                       lierten Örtlichkeiten sowie zu den
                                                                                                       betriebsspezifischen Besonderheiten
                                                                                                       einzuweisen bzw. zu unterweisen.
Abbildung 2: Arbeitsplatztiefe bei Tätigkeiten im Knien, in der Kniebeuge

                                                                                                       Anforderungen an die
                                                                                                       ­Arbeitsorganisation

                                                                                                       Vergleichbar mit den Tätigkeiten in
                                                                                                       anderen Bereichen ist auch bei der
                                                                                                       mobilen Instandhaltung von Eisen-
                                                                                                       bahnfahrzeugen seitens des Unter-
                                                                                                       nehmers bzw. dessen Beauftrag-
                                                                                                       ten eine Gefährdungsbeurteilung
                                                                                                       zu erstellen. Dabei sind insbeson-
                                                                                                       dere die Veränderungen gegen-
                                                                                         Quelle: UVB

                                                                                                       über den üblichen Werkstattbedin-
                                                                                                       gungen zu betrachten, zu bewerten

20                                                                                                                          BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Spezial

                                                                                              Abbildung 3: Mindestmaß
                                                                                              für den Gleismittenab-
Quelle: UVB

                                                                                              stand bei v ≤ 40 km/h im
                                                                                              daneben liegenden Gleis –
                                                                                              ­Arbeitsplatztiefe ≥ 1,20 m

und Maßnahmen zur Sicherheit und        Besichtigungen an den künftigen Ein-    durchgeführt werden. Hinsichtlich der
Gesundheit der Beschäftigten festzu-    satzorten, um örtliche und betrieb-     Gefährdungen ist zu unterscheiden
legen. Besondere Gefährdungen kön-      liche Besonderheiten frühzeitig         zwischen:
nen sich z.B. ergeben aus:              zu erkennen und angemessen zu           • Arbeiten innerhalb eines still­
• Gefährdungen aus der Arbeitsum-       berücksichtigen.                          stehenden Eisenbahnfahrzeuges
  gebung (insbesondere Eisenbahn-                                               • Arbeiten außen am stillstehenden
  betrieb)                              Weitere Anforderungen an die              Eisenbahnfahrzeug
• Arbeitsmittel und geänderte           Arbeitsorganisation sind u.a. das       • Arbeiten innerhalb der Eisenbahn-
  Arbeitstechniken                      Sicherstellen der notwendigen Ersten      fahrzeuge während Zug- oder Ran-
• Erhöhte Anforderungen an Mobili-      Hilfe, das Berücksichtigen bekannter      gierfahrten sowie Werkstatt- und
  tät und Flexibilität                  gesundheitlicher Einschränkungen,         Probefahrten
• Witterungsbedingungen                 das Qualifizieren und Unterweisen
                                        der Beschäftigten, das Zurverfü-        Geeignete Örtlichkeiten für planbare
Durch das Einhalten der Arbeitszeit-    gungstellen geeigneter Persönlicher     und planmäßige mobile Instand-
regelungen, das Berücksichtigen der     Schutzausrüstungen (PSA) sowie das      haltung sind so auszuwählen, dass
Fahr-/Wegezeiten aufgrund wech-         Vermitteln detaillierter Vorgaben zur   keine oder nur sehr geringe Gefähr-
selnder Einsatzorte, das Anpassen       Beauftragung von Arbeiten.              dungen durch Umgebungsbedin-
des Aus- und Fortbildungsmanage-                                                gungen auftreten können, insbe-
ments zur Befähigung der Beschäftig-                                            sondere durch Fahrten in daneben
ten sowie des betriebsinternen Regel-   Gefährdungen aus dem                    liegenden Gleisen. Da die Nut-
werksmanagements, das Herstellen        ­Eisenbahnbetrieb                       zung der Gleise jedoch nicht deren
der Kommunikation mit betrieb­lichen                                            ursprünglicher Zweckbestimmung
Stellen sowie dem Koordinieren          Aufgrund der hohen Gefährdungen         entspricht (in der Regel für ­Rangier-
von Arbeiten mit anderen Beteilig-      durch den Eisenbahnbetrieb dürfen       und Zugfahrten), muss immer der
ten ergibt sich ein erhöhter perso-     planbare und planmäßige Tätigkei-       Eisenbahn­infrastrukturbetreiber
neller und planerischer Aufwand.        ten in Gleisanlagen nur durchgeführt    beteiligt werden. Er muss der Nut-
Ein bewährtes Mittel zum sicheren       werden, wenn vor Beginn und wäh-        zung der Gleise zum Zweck der
Durchführen solcher Tätigkeiten sind    rend dem Ausführen der Tätigkeiten      mobilen Instandhaltung von Eisen-
im Planungsstadium durchgeführte        geeignete Sicherheitsmaßnahmen          bahnfahrzeugen zustimmen. Auch

BahnPraxis B 2 | 2022                                                                                                 21
BahnPraxis Spezial

die Sicherheitsmaßnahmen gegen-            bestimmungsgemäßer Ausführung             Der Grundsatz der Rangfolge der
über den Gefährdungen aus dem              nicht vorgesehen, jedoch nach ver-        Sicherheitsmaßnahmen nach dem
Eisenbahnbetrieb müssen mit dem            nünftigem Ermessen vorhersehbar           Arbeitsschutzgesetz (technische
Eisenbahninfrastrukturbetreiber            sind. Beispielsweise treten Beschäf-      vor organisatorischen und vor per-
abgestimmt und ggf. von diesem             tigte beim Ausführen der Tätigkeiten      sonenbezogenen Maßnahmen) ist
sichergestellt werden, da nur er den       öfters einen Schritt zurück, um sich      auch hier anzuwenden. Zunächst
Betriebsablauf kennt (Wann wird wel-       einen Überblick zu verschaffen. Dabei     ist zu prüfen, ob der vorhandene
ches Gleis befahren? Wie hoch ist die      konzentrieren sie sich auf ihre Arbeit,   Gleismittenabstand als ausreichend
zulässige Geschwindigkeit in einem         sind dadurch abgelenkt und verges-        und sicher betrachtet werden kann
daneben liegenden Gleis?). Weitere         sen die Gefährdungen durch Fahrten        (a ≥ 9 m bei v ≤ 200 km/h). Bei Gleis-
Angaben, die meist nur der Eisen-          im daneben liegenden Gleis.               mittenabständen a < 9 m und Fahrten
bahninfrastrukturbetreiber kennen                                                    mit Geschwindigkeiten über 70 km/h
kann, sind z.B.:                           In der UVB-Fachinformation werden         in Gleisen neben dem Instandhal-
• Mögliche Verkehrswege vom abge-          für das Ausführen der Tätigkeiten zur     tungsgleis ist die mobile Instandhal-
  stellten Fahrzeug zum Einsatzort         mobilen Instandhaltung von Eisen-         tung außen an Eisenbahnfahrzeugen
• Gleismittenabstände                      bahnfahrzeugen zwei Arbeitsplatztie-      ohne zusätzliche technische Sicher-
• Gefährdungen durch Fahrten in            fen auf Basis der ergonomischen Min-      heitsmaßnahme nicht zulässig.
  daneben liegenden Gleisen                desttiefe vorgegeben (Abbildungen 1
• Möglichkeit der Gleissperrung zur        und 2). Dabei werden übliche Körper-      Für das Herstellen des „sicheren
  Sicherung von Personen (Uv-Sper-         haltungen beim Ausführen der Tätig-       Bereiches“ (Arbeitsplatzes) sind die
  rung)                                    keiten berücksichtigt. Ist eine größere   Sicherheitsmaßnahmen entspre-
• Möglichkeit der Ausschaltung von         Bewegungsfläche erforderlich, z.B.        chend nachstehender Rangfolge
  Fahrleitungsanlagen                      beim Verwenden sperriger Arbeitsmit-      umzusetzen:
• Vorhandene Beleuchtung                   tel oder Materialien, muss das Maß        • Bauliche Abgrenzung zum daneben
• Mögliche Nutzung von Sozialein-          vergrößert werden. Für die Bemes-           liegenden Gleis, z.B. durch ein fest
  richtungen                               sung ist immer die Tätigkeit mit dem        installiertes Geländer (siehe Titel-
                                           größten Platzbedarf anzunehmen. Im          bild auf Seite 19)
                                           Ergebnis kann dies dazu führen, dass      • Gleissperrung zur Sicherung von
Fahrten in daneben liegenden               bestimmte Tätigkeiten örtlich nicht         Personen (Uv-Sperrung) des dane-
Gleisen                                    ausführbar sind.                            ben liegenden Gleises

Vorab ist festzustellen, dass die Tätig-
keiten der mobilen Instandhaltung          Abbildung 4: Mindestmaß für den Gleismittenabstand bei v ≤ 70 km/h im daneben
von Eisenbahnfahrzeugen nicht von          ­liegenden Gleis – Arbeitsplatztiefe ≥ 1,20 m
dem Geltungsbereich der DGUV Vor-
schrift 78 „Arbeiten im Bereich von
Gleisen“ erfasst werden. Unabhän-
gig davon können Beschäftigte, die
mobile Instandhaltung an Eisenbahn-
fahrzeugen durchführen, durch Zug-
und Rangierfahrten in daneben lie-
genden Gleisen schwer oder tödlich
verletzt werden. Das Risiko steigt mit
der Geschwindigkeit der Fahrten in
diesen Gleisen. Um die Gefährdungen
für die Beschäftigten zu minimieren
oder zu beseitigen, muss immer der
„sichere Bereich“ ermittelt werden.

Neben dem bestimmungsgemä-
ßen Ausführen der Arbeiten ist auch
das vorhersehbare Verhalten der
Beschäftigten zu berücksichtigen.
Darunter versteht man Handlun-
                                                                                                                             Quelle: UVB

gen von Beschäftigten beim Aus-
führen von Tätigkeiten, die nach

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BahnPraxis Spezial

•   Ausreichend groß bemessener
    Gleismittenabstand zwischen dem
    Instandhaltungsgleis und dem
    daneben liegenden Gleis. Dieser
    ist u.a. abhängig von der zulässi-
    gen Geschwindigkeit im daneben
    liegenden Gleis und muss das vor-
    hersehbare Verhalten (unbedachte
    Bewegungen) berücksichtigen.
    (Abbildungen 3 bis 5: drei Beispiele
    für bundeseigene Eisenbahninfra-
    struktur – detaillierte Erläuterun-
    gen zu den Maßangaben enthält
    Anhang 1 der UVB-Fachinformation)

Abschließend enthält die UVB-Fach-
information weitere Hinweise zu
Arbeiten in bewegten Eisenbahnfahr-
zeugen, zur Notwendigkeit von geeig-
                                           Quelle: UVB

neten Verkehrswegen zu und von
den Einsatzorten sowie zu speziellen
Anforderungen an die Arbeitsplätze,
                                           Abbildung 5: Mindestmaß für den Gleismittenabstand bei v ≤ 70 km/h im daneben
z.B. erforderliche Beleuchtung, elek-
                                           liegenden Gleis – Arbeitsplatztiefe ≥ 1,70 m
trische Gefährdungen, hochgelegene
Arbeitsplätze sowie Pausen- und
Sanitärräume.
                                           zu ermöglichen, sind geeignete Ört-                            Unternehmers, der seine Beschäf-
                                           lichkeiten gemeinsam mit dem Eisen-                            tigten beauftragt, die Tätigkeiten der
Fazit                                      bahninfrastrukturbetreiber auszu-                              mobilen Instandhaltung von Eisen-
                                           wählen sowie vor Beginn und beim                               bahnfahrzeugen in den Gleisanlagen
Mobile Instandhaltung erfolgt immer        Ausführen der Tätigkeiten detaillierte                         auszuführen. Nur wenn die Beschäf-
häufiger außerhalb von Werkstätten         Sicherungsmaßnahmen festzulegen,                               tigten die Gefährdungen sowie die
und Werkstattgleisen – direkt in den       durchzuführen und den Beschäftig-                              festgelegten Sicherheitsmaßnahmen
Gleisanlagen. Um die Gefährdun-            ten bekanntzugeben.                                            kennen und vor Ort auch anwenden,
gen durch Rangier- und Zugfahrten in                                                                      ist sicheres Arbeiten möglich. Das
daneben liegenden Gleisen zu mini-         Das Planen, Festlegen und Kontrol-                             Nichtbefolgen der Sicherheitsmaß-
mieren bzw. zu beseitigen und den          lieren dieser Sicherheitsmaßnahmen                             nahmen kann gravierende Folgen
Beschäftigten ein sicheres Arbeiten        liegt im Verantwortungsbereich des                             haben.

                                                                                     UVB
                                                                                     Unfallversicherung
                                                                                     Bund und Bahn

     Die UVB-Fachinformation
     „Mobile Instandhaltung von
     ­Eisenbahnfahrzeugen“

     www.uv-bund-bahn.de/­fileadmin/
     user_upload/9309.pdf

                                                                               von
                                                         Mobile Instandhaltung
                                                         Eisenbahnfahrzeugen

BahnPraxis B 2 | 2022                                                                                                                         23
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