BahnPraxis B - Unfallversicherung Bund und Bahn
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Zeitschrift zur Förderung der Betriebssicherheit und der Arbeitssicherheit bei der DB AG 2 | März/April 2022 BahnPraxis B Aktuell ATO over ETCS bei der Hamburger S-Bahn Schnellläuferprogramm im Projekt Kleve–Kempen Spezial Regelmäßige Fortbildung 2022 für B etriebspersonale bei der DB Regio AG Neue UVB-Fachinformation „Mobile Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen“
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Unser Titelbild die Eisenbahn steht in einem mächtigen Wandel. Entwicklungen wie die Digitalisierung der Betriebsführung und Steuerung durch digitale Stellwerke sowie neue Bedienstandorte verändern die Arbeitswelt. Über das Vorzeigeprojekt „ATO over ETCS“ und das integrierte Leit- und Bediensystem berichten wir in dieser Ausgabe. Weitere technische Entwicklungen erfolgen parallel und verändern das System Bahn. Beispiele dafür sind die neuen Traktionsarten mit Hybrid- oder Wasserstofffahrzeugen. Dazu gehören auch die Anforderungen an die operativen Mitarbeiter Digitale S-Bahn Hamburg: Pilotprojekt der DB Regio AG, die mit dem jährlichen Fortbildungsunterricht hochautomatisiertes Fahren auf Basis von auf dem aktuellen Sachstand gehalten werden. ATO over ETCS. Foto: Siemens AG Das System Bahn muss und will einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels leisten. Dabei ist sicherzustellen, dass dies weiterhin unter dem Vorrang Inhaltsverzeichnis der Sicherheit erfolgt. 3 ATO over ETCS bei der Sicherheit bedeutet auch, dass die Instandhaltung – soweit Hamburger S-Bahn möglich – in dazu ausgestatteten Werkstätten erfolgt. Gerade der 9 iaf 2022 – Experten der Branche Arbeitsschutz in Werkstätten wurde in den vergangenen Jahren treffen sich zum Austausch immer weiter fortentwickelt. Aber auch wenn Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten, zum Beispiel wegen eines 10 Schnellläuferprogramm im Projekt Kleve–Kempen unterwegs aufgetretenen Schadens, durchgeführt werden müssen, gibt es Vorgaben, wie die Sicherheit gewährleistet 14 Regelmäßige Fortbildung 2022 werden kann. Informationen hierzu gibt es ab Seite 19. für Betriebspersonale bei der DB Regio AG Wir wünschen Ihnen einen guten Start in den Frühling, und 18 Aktionsbündnis für mehr bleiben Sie gesund! Sicherheit im Gleisbau Ihr BahnPraxis B-Redaktionsteam 19 Neue UVB-Fachinformation „Mobile Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen“ Impressum BahnPraxis B, Zeitschrift zur Förderung der Betriebssicherheit und der Arbeitssicherheit bei der Deutschen Bahn AG Herausgeber Ausgaben kostenlos. Für externe Bezieher: J ahresabonnement EUR 15,60 Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) – Gesetzliche zuzüglich Versandkosten. Unfallversicherung – Körperschaft des öffentlichen Rechts, in Zusammenarbeit mit DB Netz AG. Verlag Bahn Fachverlag GmbH, Lottumstraße 1 B, D-10119 Berlin Redaktion Telefon (030) 200 95 22-0 Dirk Menne (Chefredakteur), Steffen Eigner, Uwe Haas, Anita Hausmann, Telefax (030) 200 95 22-29 Gerhard Heres, Markus Krittian, Steffen Mehner, Jens Thielmann, Niels E-Mail: mail@bahn-fachverlag.de Tiessen (Redakteure). Geschäftsführer: Dipl.-Kfm. Sebastian Hüthig und Thorsten Breustedt Anschrift Druck Redaktion „BahnPraxis“, DB Netz AG, I.NBB 4, Laub GmbH & Co KG, Brühlweg 28, D-74834 Elztal-Dallau Adam-Riese-Straße 11–13, 60327 Frankfurt am Main, E-Mail: mail@bahn-fachverlag.de Sprache Für die Inhalte der BahnPraxis werden geschlechtsneutrale Formulie- Erscheinungsweise und Bezugspreis rungen bevorzugt oder alle Geschlechter gleichberechtigt erwähnt. Wo Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich. Der Bezugspreis ist für Mitglieder dies aus Gründen der Lesbarkeit unterbleibt, sind ausdrücklich stets alle der UVB im Mitgliedsbeitrag enthalten. Die Beschäftigten erhalten die Geschlechter angesprochen. 2 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Aktuell Seit Oktober 2021 im Hamburger S-Bahn-Netz unterwegs: S-Bahn mit ATO over ETCS Hochautomatischer S-Bahnbetrieb für morgen Foto: Frank Holtmann ATO over ETCS bei der Hamburger S-Bahn Frank Holtmann und Christoph Bremer, beide S-Bahn Hamburg GmbH Seit Oktober 2021 ist es nun soweit – ein Teilstück des Hamburger Gleichstromnetzes ist infrastruktur- und fahrzeugseitig ausgebaut und bereit, hochautomatische Zugfahrten durchzuführen. Ein Meilenstein für die deutsche Schiene. BahnPraxis B 2 | 2022 3
BahnPraxis Aktuell Quelle: Frank Holtmann Lupenausschnitt des ESTW „Bfs“ in Hamburg-Bergedorf – das Ausfahrsignal 864 ist für die Fahrt des 251106 in ETCS L2 dunkelgeschaltet Der Streckenast zwischen Hamburg-Berliner Tor und Hochautomatisiert bedeutet in diesem Zusammenhang, Aumühle auf der S-Bahnlinie S21 ist die erste Eisen- dass die Fahrzeuge zwar selbsttätig die Fahrt durchfüh- bahnstrecke in Deutschland, auf der der Regelbetrieb ren, die Zugfahrt jedoch nie ohne Triebfahrzeugführer im optimiert und hochautomatisiert ablaufen kann. Trieb- Führerraum stattfindet. ATO over ETCS, also die automa- fahrzeugführer und Fahrdienstleiter als direkt an der tische Zugfahrt durch Informationen aus dem Zugsiche- Zugfahrt Beteiligte haben neue Handlungsabläufe rungssystem ETCS, ermöglicht dies. Aber der Reihe nach. gelernt, sie tragen aber auch zukünftig weiter die Ver- antwortung. Und neue Aufgaben kommen hinzu – so ETCS – moderne Zugsicherung als bekommen zum Beispiel die Zugdisponenten in der Basis für modernen Bahnbetrieb Betriebszentrale durch ihr Handeln direkten Einfluss auf Mit dem Zugsicherungssystem ETCS L2, was in den kom- die Fahrweise eines Zuges. menden Jahren als Streckenstandard mehr und mehr im deutschen Schienennetz zu finden sein wird, erhält ein Doch wie funktioniert das genau? Was ändert sich an Zug zukünftig mehr Informationen über seinen Fahrweg Stellwerken und Fahrzeugen? Und welche Änderungen als heute beispielsweise über die Linienzugbeeinflus- ergeben sich für Fahrdienstleiter und Triebfahrzeugfüh- sung (LZB). Der Zug kommuniziert kontinuierlich über das rer? Mit diesem Artikel möchten wir einen Einblick in GSM-R-Datennetz mit dem Stellwerk und tauscht Informa- einen möglichen Bahnbetrieb von morgen geben. tionen aus. Einher geht eine andere Verarbeitungsphilo- sophie: Wurde bei der LZB die Rechenleistung über die erlaubte Höchstgeschwindigkeit eines Zuges bis zu einem ETCS und ATO – zwei Abkürzungen, definierten Fahrwegsende noch streckenseitig in Rechnern die man sich merken sollte nahe des Stellwerks erledigt, so berechnet bei ETCS jeder Zug seine eigenen Fahrtparameter „auf der Strecke“. Wie Damit Züge hochautomatisch auf den Gleisen unter- ist das möglich? Der technische Fortschritt und die immer wegs sein können, bedarf es modernerer Systeme, als kleiner und leistungsfähiger werdenden Rechnertech sie heute üblicherweise in der deutschen Stellwerks- niken ermöglichen dies mittlerweile. Somit liegen bei ETCS und Fahrzeuglandschaft vorhanden sind. Zwei Kern- nicht nur Höchstgeschwindigkeit und Fahrwegsende, son- komponenten sind hier ETCS L2 (European Train Control dern auch weitere Parameter im Fahrzeug vor und kön- System – Level 2) und ATO (Automatic Train Operation). nen für eine komplexe Fahrtberechnung genutzt werden. 4 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Aktuell Foto: Frank Holtmann Ansicht des modularen Führerraumdisplays eines mit ETCS und ATO fahrenden Trieb- zugs BR 474 Dem Fahrcomputer im Zug (ETCS OBU – engl. On Board Unit ATO – das Informations- und – dt. Bordgerät) liegen über die Schnittstelle des RBC (engl. Steuerungssystem für die hochautomatische Radio Block Center – dt. ETCS-Streckenzentrale) alle Infor- Zugfahrt mationen aus dem elektronischen Stellwerk (ESTW) vor. Neben den ETCS-Strecken- und Fahrzeugeinrichtun- gen kommen als neue Komponenten die ATO-Strecken- Für den Bediener des Stellwerks kommen Regelungen zu zentrale (ATO-TS) und das ATO-Bordgerät (ATO-OB) zum ETCS sowohl technisch als auch betrieblich hinzu. Diese Einsatz. Das ATO-Bordgerät nimmt, analog dem ETCS- basieren allerdings auf den bekannten Regelungen des Bordgerät, die Berechnung der Fahrdaten auf dem Fahr- heutigen Bahnbetriebs und sind größtenteils deutsch- zeug wahr. Sie berechnet unter anderem, mit welcher landweit einheitlich. Regionale Zusätze spiegeln die ört- Geschwindigkeit ein Zug fahren sollte, um den nächsten lichen Besonderheiten wider. Hierzu gehört in Hamburg Fahrplanhalt pünktlich zu erreichen, auf welcher Seite beispielsweise, dass alle Hauptsignale am Fahrweg für eine Bahnsteigkante vorhanden ist, wann Türen zu öff- Züge in ETCS dunkelgeschaltet werden – unabhängig ob nen sind oder wo der Triebfahrzeugführer die Fahrt wie- die ortsfeste Signalisierung der Führerraumsignalisie- der übernehmen muss. Die Daten hierfür liefert das rung entspricht oder nicht. Um trotzdem die Vorzüge des Informations- und Meldesystem (IMS), das Betriebsfüh- Fahrens auf fernmündlichen Auftrag wie im konventio- rungssystem der S-Bahn Hamburg. nellen S-Bahn-Betrieb zu ermöglichen, wurde für die Sig- nale Ne 14 im Hamburger S-Bahn-Netz auch in ETCS L2 Der Triebfahrzeugführer muss die ATO-Fahrt einmalig im zugelassen, die vor Ort befindliche M-Tafel (Signal Zs 12) Führerraum aktivieren. Dies geschieht durch Betätigen zu nutzen. So ist die Entlassung aus dem vollüberwach- des ATO-Leuchtmelders. Ähnlich der LZB signalisiert die- ten Fahren (ETCS-Modus „Full Supervision“) hin zum ser Leuchtmelder durch Leuchten die Funktionsbereit- Fahren unter voller Verantwortung des Triebfahrzeugfüh- schaft des Systems und die Übernahme des Fahrverhal- rers (ETCS-Modus „Staff Responsible“) auf fernmünd tens. Hat die ATO die Fahrzeugsteuerung übernommen, liche Anweisung des Fahrdienstleiters möglich. Dies ent- kann der Triebfahrzeugführer sich vollkommen auf seine spricht für den Betrieb auf Gleisen der „Fernbahn“ dem Fahrt konzentrieren. Er übernimmt jetzt überwachende Fahren auf Befehl, welcher bei den Stadtschnellbahnen Tätigkeiten, die Verantwortung verbleibt aber stets bei Berlin und Hamburg bei Signal Zs 12 fernmündlich gege- ihm als Triebfahrzeugführer. Er überwacht kontinuierlich ben werden darf. das System und greift im Bedarfs- oder Gefahrfall ein. BahnPraxis B 2 | 2022 5
BahnPraxis Aktuell Foto: Frank Holtmann Dunkelgeschaltetes Einfahr signal 892 in ETCS L2 für den in Kürze vorbeifahrenden Zug Jeder manuelle Bedieneingriff, zum Beispiel das Bedie- Das permissive Fahren an selbsttätigen nen des Fahrbremshebels, deaktiviert sofort die ATO. Blocksignalen Der Triebfahrzeugführer bremst und beschleunigt nun wieder manuell. Dies kann beispielsweise bei schlech- Wer schon einmal in den Netzen der Gleichstrom S-Bah- ten Haftwerten zwischen Rad und Schiene oder einem nen Berlin oder Hamburg unterwegs war, der wird sich an Nothaltauftrag der Fall sein. Damit in den ATO-Fahr die Vielzahl von Signalen mit weiß-gelb-weiß-gelb-weißen betrieb zurückgekehrt werden kann, muss nur erneut oder schwarz-weiß-schwarz-weiß-schwarzen Mastschil- der ATO-Leuchtmelder bedient werden und der Zug fährt dern erinnern. Diese regeln die Vorbeifahrt an Signalen, die hochautomatisch weiter. Die Rückmeldung der Kolle- z.B. wegen einer Signalstörung nicht in Fahrtstellung oder gen der S-Bahn Hamburg zu diesem mehr überwachen- nur in Signalstellung Sv 0 kommen. In den Gleichstrom den Fahren ist durchweg positiv und wird gerade für den S-Bahn-Netzen ist es zulässig, dass die Triebfahrzeugführer urbanen S-Bahn-Verkehr als entlastend empfunden. an diesen Signalen unter Beachtung besonderer Regelun- gen ohne weitere Zustimmung des Fahrdienstleiters vorbei- Ein besonderes Merkmal beim hochautomatischen Fah- fahren dürfen. Diese Eigenschaft durfte bei ATO over ETCS ren ist, dass das Fahrzeug auch die Abfertigung des Zuges natürlich nicht entfallen, da sie gerade bei Störungen die an einer Verkehrsstation technisch übernimmt, wobei die hohe Zugdichte in den S-Bahn-Netzen ermöglicht. Aufsicht am Zug faktisch weiterhin beim Triebfahrzeug- führer verbleibt. Nach zielgenauem Halten am Bahnsteig Wie schafft ETCS dies in Hamburg? Durch eine techni- an der jeweiligen H-Tafel (Kurz- oder Vollzug) gibt das sche Besonderheit konnte dieses Fahrverhalten auch Fahrzeug selbsttätig die Türen auf der richtigen Fahrzeug- in ETCS übernommen werden. Nähert sich eine ETCS- seite frei. Nach einer Mindesthaltezeit und frühestens mit geführte S-Bahn einem Signal mit weiß-schwarz-weiß- Erreichen der Abfahrzeit schließt das Fahrzeug die Türen schwarz-weißem Mastschild, fragt die ETCS-OBU beim und verriegelt sie. Wenn alle Türen geschlossen und ver- RBC die Freigabe des nachfolgenden Blockabschnitts riegelt, keine Personen und Gegenstände eingeklemmt an. Ist dieser belegt, kann das RBC keine reguläre Fahr- sind, gibt der Triebfahrzeugführer dem Fahrzeug durch die erlaubnis ausgeben. Da stellwerksseitig aber nur die Bedienung der Sicherheitsfahrschaltung (Sifa) den Auf- Besetztanzeige die Fahrstellung des (virtuellen) Haupt- trag, die Fahrt wieder zu starten. Der Zug setzt sich selbst- signals verhindert, erteilt das RBC dem Zug eine Erlaub- tätig in Bewegung. nis zur Fahrt auf Sicht und kommandiert „On Sight”. 6 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Aktuell Foto: Frank Holtmann Bedieneinrichtung des „Fern- Tf“ für die vollautomatische Rangierfahrt Der Triebfahrzeugführer übernimmt nun für den Folge- zurück an den Bahnsteig. Im Bedarfs- oder Gefahrfall abschnitt die Führung des Zuges – das Fahren auf Sicht konnte der „Fern-Tf“ eingreifen und die Rangierfahrt zum kann die Technik wegen der Vielzahl an zu beachtenden Halten bringen. Im Bereich der Hamburger S-Bahn waren Regeln und der Fahrwegbeobachtung nicht übernehmen. dies die ersten Fahrten, die ohne Triebfahrzeugführer Einer von vielen Gründen, warum der Triebfahrzeugfüh- bzw. ohne Funkfernsteuerung stattgefunden haben. rer bei der S-Bahn Hamburg auch in Zukunft während der Fahrt ständig im Führerraum anwesend sein wird. Die vollautomatische Rangierfahrt wurde als tempo- räre Testanwendung für den Zeitraum des ITS-Kongres- ses betrieben. Damit sollte einerseits der Nachweis der Vollautomatische Rangierfahrt – praktischen Umsetzung eines vollautomatischen Betrie- Technik für die Zukunft? bes in einem offenen Eisenbahnnetz erbracht werden, andererseits ein Umfeld ermöglichen, in dem Erfah- Beim ITS World Congress, einer jährlichen Konferenz zur rungen für die Weiterentwicklung dieser Betriebsform Förderung intelligenter Transportsysteme, im Oktober gewonnen werden konnten. Ob das Verfahren bei der 2021 wurde im Bahnhof Hamburg-Bergedorf die vollau- Hamburger S-Bahn oder in anderen Bereichen der Bahn tomatische Rangierfahrt vorgestellt. Nach Beenden der eine Zukunft hat, wird sich zeigen. Der Fokus der S-Bahn hochautomatischen Fahrt wurde der Zugverband vom Hamburg wird aber vordergründig auf die hochautoma Triebfahrzeugführer im Führerraum an den neu instal- tische Fahrt gelegt, also ATO over ETCS. lierten „Fern-Tf“ im Stellwerk „Bfs“ übergeben. Dieser „Fern-Tf“ war notwendig, um den Fahrweg und den Gefah- renraum zu beobachten. Die vollautomatische Fahrzeug- Zusammenspiel von Fahrzeug, führung war jedoch ohne sein Eingreifen möglich, und Fahrweg und Fahrplan in Echtzeit nach einer technischen Fernaufrüstung des führenden Fahrzeugs war die Rangierfahrt fahrbereit. Nach Vorlie- Woher bekommt die ATO-Streckenzentrale ihre Infor- gen der betrieblichen Vorrausetzungen (Fahrweg frei von mationen, um diese an die Züge zu verteilen? Hierfür Fahrzeugen, Sh 1 am Startsignal und an weiteren Signalen wurde eine Schnittstelle zwischen dem Betriebsfüh- am Fahrweg) fuhr die Rangierfahrt vollautomatisch ohne rungssystem der S-Bahn und der ATO-TS geschaf- Triebfahrzeugführer an Bord ins Kehrgleis und wieder fen. Somit bekommt das ATO-System permanent die BahnPraxis B 2 | 2022 7
BahnPraxis Aktuell Quelle: Frank Holtmann Zusammenspiel von ETCS und ATO Echtzeit-Fahrplandaten aus der Betriebszentrale, kann für eine zukunftsfähige Schiene. Eins ist sicher: Diese sie mit den Echtzeit-Fahrwegdaten aus dem RBC in Ver- „Hamburger Blaupause“ wird einen Beitrag für Technik bindung setzen und so genauere Prognosen ableiten. und betriebliche Abläufe über den Bereich des deut- Für den Zugdisponenten in der Betriebszentrale hat dies schen Streckennetzes hinaus liefern. Sie zeigt in aller direkte Auswirkungen auf sein Handeln. War er ohne Deutlichkeit auf, dass gerade durch die Nutzung von ATO ATO over ETCS „nur“ Dirigent der Schiene und gab seine zur Steigerung der Leitungsfähigkeit ein hoher Grad an Anweisungen meist fernmündlich an die Fahrdienstlei- gemeinsamem Verständnis über den eigenen Einsatz- ter und Triebfahrzeugführer weiter, so haben seine Ein- bereich hinaus von Vorteil sein wird. ATO und ETCS brin- gaben nun direkte Auswirkungen auf den Fahrbetrieb: gen diesbezüglich nicht nur technische Veränderungen Entfällt ein Fahrplanhalt im Leitsystem, so fährt der Zug mit sich, sondern auch betriebliche Neuerungen, welche (bei vorliegender Fahrerlaubnis des Fahrdienstleiters) neben den Herausforderungen auch große Gestaltungs- an der Verkehrsstation durch. Passt der Disponent z.B. möglichkeiten bieten. wegen einer Zugkreuzung eine Zeit-Wege-Linie zeitlich an, so wirkt sich dies direkt auf die Geschwindigkeit des fahrenden Zuges aus. Eine Erleichterung für alle Beteilig- ten– gerade in unübersichtlichen Situationen. Ausblick Was können wir aus den Beispielen in Hamburg lernen? Hochautomatischer Zugbetrieb bringt das System Eisen- bahn weiter voran. In Hamburg konnte erstmals gezeigt werden, wie im Zusammenspiel leistungsfähiger Komponenten das Sys- tem Bahn die Herausforderungen an die steigende Nach- frage bewältigen kann – einer von vielen Bausteinen 8 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Aktuell Foto: UVB iaf 2022 Experten der Branche treffen sich zum Austausch Dipl.-Ing. (FH) Dirk Bill, Unfallversicherung Bund und Bahn, Geschäftsbereich Arbeits- schutz und Prävention, Referat Prävention – Bereich Bahn, Frankfurt am Main. Die 28. Internationale Ausstellung Fahrwegtechnik (iaf) findet vom 31. Mai bis 2. Juni 2022 in Münster statt. Die iaf bietet auf rund 15.000 Quadratmetern Hallenfläche, etwa 6.000 Quadratmetern Freifläche und mehr als 3.000 Metern Gleis einen repräsentativen Branchenüberblick über neue Maschinen, Geräte und Bautechnologien. Die iaf hat – auch international – einen hohen Stellen- wert, so dass sich dort Experten, Unternehmer und Fach- besucher aus dem In- und Ausland zum Austausch treffen. Auch aus diesem Grund wird sich die Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) – nun zum vierten Mal in Folge – an der iaf beteiligen. Im Rahmen eines Gemeinschaftsstan- des, zusammen mit der Berufsgenossenschaft der Bauwirt- schaft (BG BAU), der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) und der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM), werden Ihnen die Exper- Foto: UVB ten der UVB als kompetente Ansprechpartner zum Thema „Sicherheit am Gleis“ zur Verfügung stehen. Mit unserem Stand möchten wir Ihnen eine Plattform zum Weitere Informationen zur iaf, z.B. zu Öffnungszeiten, zur Austausch und zur Information bieten. Wir laden Sie herz- Anreise, zu den Ausstellern und Produkten, erhalten Sie lich ein, uns auf der iaf in der Halle Süd am Stand S-411 zu über die Internetseite: besuchen. • https://www.iaf-messe.com BahnPraxis B 2 | 2022 9
BahnPraxis Aktuell Digitalisierung in Höchstgeschwindigkeit Schnellläuferprogramm im Projekt Kleve–Kempen Quelle DB Netz AG Ausbildung der Fdl an der Simulationsanlage mit iLBS-Bedienober- Tobias Harscheidt und Olaf Großeweischede, Fachliche Qualifizierung fläche Betrieb, DB Netz AG, Frankfurt am Main Bundesweit werden ältere mechanische und Relaisstellwerke von moder- nen elektronischen Stellwerken (ESTW) und digitalen Stellwerken (DSTW) ersetzt. Neben den bestehenden ESTW- und DSTW-Projekten ist im Rah- men der Corona-Pandemie auf Initiative des Bundes, der Bahnindustrie und der Deutschen Bahn AG das Schnellläuferprogramm errichtet worden. Durch zusätzliche finanzielle Mittel soll in kürzester Zeit die Modernisie- rung der Stellwerkstechnik vorangetrieben werden. Hierzu wurden ins- gesamt sieben Projekte identifiziert, mit dem Projekt Kleve–Kempen am Niederrhein ist das erste Projekt am 4. Dezember 2021 planmäßig nach nur etwa einem Jahr Planungs- und Bauzeit in Betrieb gegangen. 10 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Aktuell Quelle: DB Netz AG/ Copyright „Satellitenbild: Google, Copyright 2021 TerraMetrics Die Fahrdienstleiter erhalten das erstmals im November 2020 in Göttingen eingeführte inte- grierte Leit- und Bediensystem (iLBS) und den neuen Bedienplatz des Herstellers Scheidt & Bachmann GmbH. Durch das Schnellläuferprogramm wird die Strecke in zwei Bauabschnitten modernisiert und digitalisiert. Der erste Bauabschnitt verläuft von Kleve bis Geldern und ist am 4. Dezember 2021 erfolg- reich in Betrieb genommen worden. Der zweite Bauabschnitt verläuft von Geldern bis Kempen und die Inbetriebnahme soll im 4. Quartal 2022 erfolgen (Abbildung 1). Abbildung 1: Streckenkarte Die Fahrdienstleiter steuern die Strecke zukünf- SLP-Projekt Kleve– tig aus den sechs Stellwerken mit örtlichen insgesamt 28 Fahrdienstleiter notwendig. Die Kempen Bedienplätzen in Kleve, Bedburg-Hau, Goch, Schulung für dieses Projekt ist eine besondere Kevelaer, Nieukerk und Kempen. Wenn alle Herausforderung gewesen, da alle Fahrdienst- Bahnübergänge umgerüstet sind, wird die Bedie- leiter bisher nur mechanische bzw. Relaisstell- nung an einem Standort zentralisiert erfolgen. werke bedient hatten. Weiterhin mussten spe- zielle, projektspezifische Schulungsunterlagen Heute blicken die Projektbeteiligten zufrie- erstellt werden. Erstmals wurde eine zentral den zurück: Zwischen Kleve und Geldern ist erstellte Anpassungsfortbildung unter Berück- nun mit dem iLBS modernste Leit- und Siche- sichtigung des neuen Bediensystems durchge- rungstechnik (LST) verbaut. Das demonstriert führt. insbesondere der nachfolgende Vorher-Nach- her-Vergleich des Stellwerks in Kevelaer (Abbil- Dafür wurden zunächst ESTW-Trainer und dungen 2 und 3 auf der nächsten Seite). Bezirksleiter Betrieb aus der Region West in zwei Gruppen zu jeweils drei Teilnehmern für das neue Bediensystem direkt bei Hersteller Schulungen als Schlüssel für eine erfolg- Scheidt & Bachmann System Technik GmbH reiche Inbetriebnahme in Melsdorf geschult. Außerdem wurden zwei Schulungsanlagen, bestehend aus einer Inte Vor der Inbetriebnahme des ersten Bauab- gration der Simulation „PRESIM“ und dem schnittes waren umfangreiche Schulungen für neuen integrierten Bedienplatz, fertiggestellt. BahnPraxis B 2 | 2022 11
BahnPraxis Aktuell Foto: Scheidt & Bachmann Signalling System GmbH, Aaron Hespers Foto: Scheidt & Bachmann Signalling System GmbH, Aaron Hespers Abbildung 2: Vorher-Nachher-Vergleich des Stellwerks Kevelaer Diese Anlagen wurden an zwei Standorten auf- Mit iLBS verbessern wir den Arbeitsplatz gebaut und ermöglichten es, dass die Fahr- des Fahrdienstleiters dienstleiter direkt an der zukünftig eingesetz- ten Technik auf Ihren Einsatz vorbereitet werden Mit dem neuen iLBS entwickelt die DB Netz konnten. AG ein modernes, anwenderfreundliches und flexibles Bediensystem. Einheitliche, intuitive Jeder Fahrdienstleiter durchlief während dieser Bedienung und moderne Features, wie z.B. frei Anpassungsfortbildung eine vierwöchige Schu- verschiebbare und in der Größe anpassbare lung, welche sowohl in theoretischen Ausbil- Fenster, machen die Arbeit der Fahrdienstleiter Abbildung 3: dungsunterricht als auch in Praxistraining an komfortabel, zeitgemäß, attraktiv und erleich- Bedienplatz Kleve, der Simulationsanlage unterteilt war. tern die Schulung enorm. Die neue Technik hier stand zuvor bedeutet einen Paradigmenwechsel und bringt ein Sp Dr S60- Alle Teilnehmer sind von den Vorteilen der viele Vorteile (Abbildung 4). Stelltisch mit einer neuen Bedienoberfläche überzeugt und sehen Anpassung an darin einen großen Fortschritt. Die Schulung einen Blockkasten war ein wichtiger Schritt für eine erfolgreiche Ausblick für den Felderblock Inbetriebnahme (siehe Titelbild auf Seite 10). in Richtung Bed- In den nächsten Jahren folgen weitere Projekte burg-Hau. des SLP und tragen zur Modernisierung der Stellwerkstechnik bei (Abbildung 5). Nach dem jetzigen Planungsstand soll die letzte Inbetriebnahme im Jahr 2024 erfolgen. Zusätzlich zum Schnellläuferprogramm wird die Erneuerung der Stellwerkstechnik auch in wei- teren Projekten im Rahmen des sogenannten „Flächen-Rollouts“ zum Tragen kommen. Der „Startschuss“ dafür wurde 2020 mit dem soge- nannten „Starterpaket“ gegeben. Zum sogenannten Starterpaket für den Einstieg Foto: DB Netz AG/Toby Kosinsky in die Digitale Schiene Deutschland bis zum Jahr 2030 gehören beispielhaft folgende Pro- jekte: • die Schnellfahrstrecke Köln–Rhein/Main • der TEN-Korridor Skandinavien–Mittelmeer (Abschnitte Maschen–Magdeburg–Halle, 12 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Aktuell Fotos: DB Netz AG Fotos: DB Netz AG Heute: ESTW-Bedienplatz Zukünftig: Integrierter Bedienplatz (iBP) • In der Regel acht 19-Zoll-Monitore, jeder • Vier 24-Zoll-Monitore und ein 49-Zoll-Monitor Bereich benötigt eigene Hardware: • Die neuen Anzeigeflächen, insbesondere – Fünf Monitore für LST die große 49-Zoll-Anzeige für die LST, ermög- – Zwei für Leittechnik/Meldeanlagen lichen eine komfortable Übersicht ohne – Ein Monitor für Telekommunikation Monitorränder • Es bestehen feste Zuordnungen für die • Nur noch eine Tastatur und Maus für alle Monitor-Bereiche Anwendungen • Eingeschränkte Individualisierbarkeit • Individuelle Aufschaltmöglichkeiten und bezüglich Aufschaltung und Fenstergröße variable Fenstergrößen • Geringe Anzeigefläche erfordert Umbrüche • Bessere Arbeitsbedingungen in einer freund- und Übergänge auf Monitore lichen, hellen Tageslicht-Umgebung durch • Dadurch keine optimale Abbildung der einen aufgehellten Bildschirmhintergrund Topologie Abbildung 4, Vergleich heutiger und zukünftiger Bedienplatz Abbildung 5: Übersicht der SLP Nürnberg–Augsburg–München sowie München–Rosenheim–Kiefersfelden/Freilas- Cluster 1-Projekte sing) mit den jeweiligen Netzbezirken 1 Kleve-Kempen Region West | Scheidt & Bachmann GmbH • die Digitalisierung des Knotens Stuttgart 2 Finnentrop Region West | Siemens AG Wörth-Germersheim-Speyer Cluster 1-Projekte 3 Durch den Flächen-Rollout von ETCS, der DSTW Region Südwest | Thales Deutschland GmbH 1 Kleve-Kempen Ansbach-Triesdorf Region West | Scheidt & Bachmann GmbH und des iLBS wird die LST bis 2035 grundlegend 4 Region Süd, InoSig GmbH erneuert und stellt damit das Fundament für die 2 Finnentrop Region West | Siemens AG Modernisierung und Digitalisierung der Infra- Cluster 2-Projekte Wörth-Germersheim-Speyer 3 Zwieseler Spinne Region Südwest | Thales Deutschland GmbH 5 struktur der DB Netz AG dar. Region Süd | Pintsch GmbH Ansbach-Triesdorf 4 Region Süd, InoSig GmbH 6 Gera-Weischlitz Region Südost | Hitachi Rail STS Deutschland GmbH 7 Lichtenfels-Coburg-Sonneberg Cluster 2-Projekte Region Süd | Alstom Transport Deutschland GmbH Zwieseler Spinne 5 Region Süd | Pintsch GmbH 6 Gera-Weischlitz Region Südost | Hitachi Rail STS Deutschland GmbH 7 Lichtenfels-Coburg-Sonneberg Region Süd | Alstom Transport Deutschland GmbH Quelle DB Netz AG/DSD BahnPraxis B 2 | 2022 13
BahnPraxis Spezial Foto: DB AG/Volker Emersleben Regelmäßige Fortbildung Regelmäßige Fortbildung 2022 für Betriebspersonale bei der DB Regio AG Thomas Schmidt, Seniorreferent Qualifizierung Triebfahrzeugführer, DB Regio AG, Frankfurt am Main Die jährliche regelmäßige Fortbildung der Betriebspersonale bei der DB Regio AG dient dazu, bereits bekannte fachliche Inhalte aufzufrischen und Neuerungen zu schulen. Zu den Betriebspersonalen zählen Triebfahrzeugführer (Tf), Kundenbetreuer mit betrieblichen Aufgaben (also Zugführer/Zugschaffner – Zf/Zs), Rangierbegleiter (Rb) sowie Zugvorberei- ter (Zugv), örtliche Aufsichten (öA) und Weichenwärter (Ww) der DB Regio AG. Die zentral vorgegebenen Inhalte können noch um regionale Inhalte ergänzt werden, um in der regel- mäßigen Fortbildung auch den regionalen Bezug sicherzustellen. 14 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Spezial In diesem Artikel wollen wir Ihnen einen kurzen Überblick über die wichtigsten DB Regio-weit relevanten Themen geben. Themen für Tf – 5 Unterrichtseinheiten (UE) Bahnbetrieb – Regelbuch und mitgeltende Regelwerke (2 UE) In diesem Themenblock werden verschiedene Anpassun- gen in den Regelwerken angesprochen. Im betrieblichen Regelwerk der DB Regio AG gab es zum 12. Dezember 2021 einige kleine Änderungen, welche hier erwähnt werden. Dazu zählt u.a., dass der Auszug über die mitgeltenden Foto: DB AG/Volker Emersleben Regelwerke für mehrere Tätigkeitsgruppen erweitert wurde und somit nicht mehr nur für den Tf allein gilt. Aber auch Regeln zum Straßenverkehr finden sich plötzlich im Regel- buch DBREGIO-003 wieder: Hier geht es konkret um die Nutzung von Poolfahrzeugen und die Kontrolle des dafür notwendigen KFZ-Führerscheins. Betriebliche Themen bilden wie immer den Schwerpunkt der Weiterhin wurden Regeln zur Zusatzbescheinigung dahin- „Regelmäßigen Fortbildung“ bei der DB Regio AG gehend konkretisiert, dass ein Tf zum Führen eines Zuges eine Zusatzbescheinigung desjenigen Eisenbahnver- sie sonst in einem eventuellen Notfall vom führenden Tfz kehrsunternehmens (EVU) besitzen muss, welches die aus nicht gesenkt werden können. Dass in bestimmten Trasse bestellt und die Sicherheitsverantwortung für die Fällen, wenn der Kuppelzustand nicht angezeigt werden Zugfahrt hat. Das gleiche gilt beim Erwerb der Strecken- kann, eine Kuppelprobe durchzuführen ist, schließt die kenntnis – außer der Tf soll zu diesem Zweck nur mitfah- Erwähnung der geänderten betrieblichen und technischen ren. Des Weiteren gibt es kleine Ergänzungen beim Führen Regeln im Regelbuch DBREGIO-003 ab. von Bremszettel und Wagenliste. Nachfolgend genannte bisherige Regeln und Informatio- Mit einem neuen Abschnitt 9 des Moduls DBREGIO.2341 nen der DGUV wurden zurückgezogen und durch die neue werden Regelungen für die Verständigung des Fahrdienst- DGUV Information 214-089 „Verhaltensregeln für Mitarbei- leiters bzw. der Betriebszentrale im Falle einer unerwarte- ter im Eisenbahnbetrieb“ ersetzt: ten Haltezeitüberschreitung gegeben. • DGUV Regeln 114-002/114-003 „Betrieb von Funk Präzisiert wurde die Regel, wenn beim Eingang eines Fahr- fernsteuerungen bei Eisenbahnen“ gastsprechwunsches an einer Fahrgastsprechstelle der • DGUV Information 214-052 „Rangieren sowie Sprechwunsch nicht eindeutig verstanden wurde oder zugehörige Tätigkeiten“ das Anliegen des Fahrgastes nicht zu verstehen war. Es • DGUV Information 214-053 „Führen von wird dabei insbesondere klargestellt, dass bei Anzeichen Triebfahrzeugen“ eines Notfalles (wie z.B. aufgeregtes, unverständliches • DGUV Information 214-054 „Begleiten von Zügen“ Sprechen) der Kundenbetreuer im Nahverkehr (KiN) zu • DGUV Information 214-055 „Sonstige Tätigkeiten im informieren oder – falls der Zug nicht begleitet wird – die Eisenbahnbetrieb“ Sprechstelle im Zug beim Halt am nächstgelegenen Bahn- steig aufzusuchen ist. Die in der DGUV Information 214-089 aktualisierten Regelungen sind inhaltsgleich in der Aktualisierung Beim Rangieren elektrischer Triebfahrzeuge (Tfz) sind die 05 des Betriebsregelwerks (BRW, blaue Seiten) durch Stromabnehmer der nicht arbeitenden Tfz zu senken, da den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) BahnPraxis B 2 | 2022 15
BahnPraxis Spezial aufgenommen worden. Module des BRW, die ausschließ- Die Tf erhalten in der regelmäßigen Fortbildung einen lich Aussagen zum Arbeitsschutz treffen, wurden jedoch zusammenfassenden Überblick, der ihnen die wesent bei der DB Regio AG nicht in Kraft gesetzt und werden in lichen Neuerungen vorstellt und die jeweils spezifischen der DGUV Information 214-089 bekannt gegeben. Tätigkeiten der Vorbereitungs,- Prüf- und Abschlussarbei- ten erklärt. Wichtige Themen sind u.a. die Anpassung an gültige RID- Regeln (Regelung zur internationalen Beförderung gefähr- Sicherheitskultur (2 UE) licher Güter im Schienenverkehr). In BRW.8581 wurden die Ein fester Bestandteil in der regelmäßigen Fortbildung ist Verhaltensregeln beim Freiwerden gefährlicher Güter auf- mittlerweile das Thema „Sicherheitskultur“. Die Inhalte genommen. orientieren sich im Wesentlichen an den in 2021 vermittel- ten Themen, insbesondere werden die Hintergründe zum Die Regeln zur „Postensicherung an Bahnübergängen Fairness-Guide vertieft. und Bahnüberwegen“ aus der „DGUV Information 214- 089“ (Abschnitt 5.5) wurden im Anhang 408.2341A01 und der Richtlinie 408.4816 gleichlautend aufgenom- Optionale Themen für Tf men. Präzisiert wurden die Notwendigkeit des Tragens einer Warnweste sowie die Regeln zum Betreten der Für Regionen, in denen ETCS-Strecken befahren wer- Straße. den, erhalten die Tf zusätzlich 30 Minuten Fortbildung zu diesem Zugbeeinflussungssystem. Beim optio Unter welchen Bedingungen das Fahren mit geöffneten nalen Praxistraining auf Tfz (30 min) sollen folgende Führerraumtüren gestattet ist (umlaufendes Geländer als Themen behandelt und die notwendigen Maßnahmen zur Absturzsicherung), wurde ebenfalls mit aufgenommen. Störungsbehebung geübt werden: Weiterhin werden einige wichtige Themen wie das Sichern • Ansprechen der Stromabnehmersenkeinrichtung von Eisenbahnfahrzeugen wiederholt und in Aufgaben- (E-Tfz) bzw. Maßnahmen bei herabhängender Fahr stellungen geübt. leitung (V-Tfz) • Ausfall der Displays im Führerpult (MTD, MFD) Besonders zu beachten ist, dass die Regeln zum Kuppeln zwischen zwei Eisenbahnfahrzeugen durch die DB Regio Beim optionalen Praxistraining für Tf, welche Diesel-Tfz AG im BRW strenger gefasst sind als in der DGUV Informa- mit RESY-Einrichtung fahren, werden in 30 Minuten die tion: Vor dem Betreten des Berner Raumes müssen alle Neuerungen des Energiesparsystems RESY 2.0 bespro- Eisenbahnfahrzeuge im Gleis stillstehen! Abschließend chen sowie dessen Bedienung geübt. werden die Regeln für die Standortwahl zur Fahrweg beobachtung beim Rangieren erwähnt. Diese zentralen Vorgaben für die Tf der DB Regio AG kön- nen noch durch örtliche Themen im Unterricht ergänzt Energiesparende Fahrweise (15 Minuten) werden. Außerdem soll weiterhin Praxistraining auf den In diesem kleinen Themenblock werden den Tf die aktuel- eingesetzten Tfz und die Bearbeitung webbasierter Trai- len Energie Einspar-Ergebnisse und -auswertungen sowie nings die regelmäßige Fortbildung der Tf abrunden. die Neuentwicklungen beim Regio-Energiespar-System RESY vorgestellt. Regio-Energiespar- Rückfallebene FASSI-MOVE (15 Minuten) System RESY In diesem ebenfalls kleinen Themenblock werden Stö- rungen am Dokumentenmanagementsystem FASSI-MOVE und die Rückfallebene im Störungsfall angesprochen. Neuerungen OVA (15 Minuten) Foto: DB Regio AG Das Projekt „Optimierung der Vorbereitungs- und Abschluss- arbeiten“ (OVA) hat zum Ziel, die Teilarbeitenverzeichnisse der Eisenbahnfahrzeuge zu optimieren und zu ändern. 16 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Spezial Themen für Zf/Zs (2 UE) Themen für Zugv, Ww und öA (1 UE) Zf/Zs sind KiN mit betrieblichen Zusatzqualifikationen. Bei diesen Mitarbeitern werden auch die ihren Einsatz Daher benötigt diese Mitarbeitergruppe außer dem gro- bereich betreffenden Regelwerksänderungen sowie der ßen Themenspektrum der regelmäßigen Fortbildung der Fairness-Guide angesprochen. Selbstverständlich wird KiN in den „kundendienstlichen Themen“ noch weitere auch hier die Fortbildung durch regionale fachspezifische Fortbildungsthemen aus Betrieb und Technik. Themen ergänzt. Zum einen werden hier die Kenntnisse über die für diese Zielgruppe relevanten Änderungen im Regelbuch DBRE- Fazit GIO-002 und in mitgeltenden Regelwerken thematisiert sowie zum anderen das Abfertigen von Zügen gemäß Somit werden auch für das Jahr 2022 wieder viele interes- Handbuch 41425 besprochen. Beim Thema Sicherheits- sante Themen für unsere Mitarbeiter vermittelt. Die Hand- kultur steht der Fairness-Guide im Fokus. lungssicherheit in diesen Themen ist nicht nur für unser Unternehmen DB Regio AG ein Gewinn, sondern auch für Themen für Tf mit Triebfahrzeugführerschein jeden Einzelnen persönlich! Klasse A (Lokrangierführer) und Rb (2 UE) Auch hier werden die o.g. Regelwerksänderungen (mit • Arbeiten Sie stets sicher und bleiben Sie gesund! Schwerpunkt auf die Tf-Regeln) auf den Bedarf der Ziel- gruppe zugeschnitten vermittelt. Die „Sicherheitskultur“ enthält außer dem Fairness-Guide noch die Auswertung verschiedener Ereignisse beim Rangieren. Vorschriften des Arbeitsschutzes sind ebenfalls fester Bestandteil der „Regelmäßigen Fortbildung“ Foto: DB AG/Ralf Braum BahnPraxis B 2 | 2022 17
BahnPraxis Spezial Safety-Check-Karten mit 9 lebenswichtigen Regeln für den Gleisbau Aktionsbündnis für mehr Sicherheit im Gleisbau Dipl.-Ing. (FH) Dirk Bill, Unfallversicherung Bund und Bahn, Geschäftsbereich Arbeitsschutz und Prävention, Referat Prävention – Bereich Bahn, Abbildung 1 Frankfurt am Main. In der letzten Ausgabe der BahnPraxis B 1/2022 haben wir Sie in dem Artikel „Charta für Sicherheit und Safety-Check-Karten mit 9 lebenswichtigen Regeln“ (Seite 23 ff.) über das Aktionsbündnis für mehr Sicherheit im Gleisbau informiert und die aktuellen Aktivitäten vorgestellt. Neben der Unterzeichnung der „Charta für Sicherheit bei Arbeiten und Sicherungsmaß- nahmen im Gleisbereich“ durch die BG BAU, die UVB, die DB Netz AG sowie durch ein brei- tes Bündnis aus Bau- und Bahnindustrie wurden als neues Präventionsmittel die „9 lebenswich- tigen Regeln für den Gleisbau“ gemeinsam for- muliert und erarbeitet. Jede Regel wird graphisch Abbildung 2 mit einem Positiv- und einem Negativbeispiel veranschaulicht (z.B. Regel 1 – Abbildung 2). 1 Die 9 lebenswichtigen Regeln richten sich an alle Beschäftigten, die Arbeiten im und am Gleis ausführen. Die Regeln sollen das Sicherheitsbe- wusstsein der Akteure schärfen und Unfallrisiken minimieren oder gar vermeiden. Jede der 9 lebenswichtigen Regeln mit den zugehörigen Graphiken ist auf einer separaten Karte dargestellt. Zusätzlich wird auf einer Karte die „persönliche Sicherheitskarte der DB Netz AG“ abgebildet. Die so entstandenen zehn ein- 1. Wir kennen die Gefahren aus dem Bahnbetrieb. zelnen Karten sind an einem Karabinerhaken befestigt (Abbildung 1) und können als kom- plettes Kartenset ab sofort unter der Bestell- nummer 9305 oder unter dem Namen „SAFETY Weitere Informationen CHECK für den Gleisbau“ bei der UVB über das Mediencenter im Internet bestellt werden: Weitere Informationen zur Charta, zu den begleitenden Filmen und zu den Safety-Check-Karten mit den 9 lebens- • https://bit.ly/3KBW82M wichtigen Regeln im Gleisbau erhalten Sie unter: •w ww.uv-bund-bahn.de/arbeitsschutz-und- praevention/fachthemen/bahn/projekte/ 18 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Spezial Quelle: UVB Neue UVB-Fachinformation „Mobile Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen“ Dipl.-Ing. Gerhard Heres, Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) Geschäftsbereich Arbeitsschutz und Prävention, Referat Prävention – Bereich Bahn, Frankfurt am Main Immer häufiger wird die Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen außerhalb von Werk- stätten und Werkstattgleisen – direkt in den Gleisanlagen – ausgeführt. Um jedoch sicher arbeiten zu können, müssen zuvor geeignete Örtlichkeiten ausgewählt sowie die notwen- digen Sicherheitsmaßnahmen festgelegt und durchgeführt werden. Beschäftigte sind über die getroffenen Maßnahmen zu unterweisen. Die neue UVB-Fachinformation wendet sich insbesondere an die verant- In diesem Artikel werden die erforderlichen wortlichen Vorgesetzten/Führungskräfte, deren Unternehmen Anforderungen des Arbeitsschutzes für die mo- „mobile Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen“ ausführen bile Instandhaltung an Eisenbahnfahrzeugen beschrieben. Wann und in welchen Fällen solche oder ausführen lassen. Es werden Bedingungen genannt und Arbeiten an Eisenbahnfahrzeugen im Gleisbe- erforderliche Sicherheitsmaßnahmen beschrieben, mit denen reich notwendig werden, ist nicht Bestandteil des Artikels. Vor dem Hintergrund der beschriebenen die grundlegenden Anforderungen für die Sicherheit und Ge- Gefahren aus dem Bahnbetrieb sollten die Arbei- ten der mobilen Instandhaltung im Gleisbereich sundheit der Beschäftigten beim Ausführen solcher Tätigkeiten auf das Nötigste begrenzt werden. erfüllt werden können. BahnPraxis B 2 | 2022 19
BahnPraxis Spezial Zum Verkürzen von Standzeiten geplante und planmäßige Instand- regelmäßig durchzuführende Prüf und Ausfällen der Eisenbahnfahr- haltung gemäß DIN EN 13306:2018- tätigkeiten im Bahnbereich, z.B. zeuge sowie zum Erhöhen der Verfüg- 02 „Instandhaltung – Begriffe der Prüfungen von Wagen im Eisen- barkeit wird die Instandhaltung an Instandhaltung“. Die Tätigkeiten wer- bahnbetrieb, Bremsproben oder Vor- Eisenbahnfahrzeugen immer häufi- den direkt am oder im Eisenbahnfahr- bereitungs- und Abschlussarbeiten. ger außerhalb von Werkstätten und zeug ausgeführt, um dieses zu erhal- Werkstattgleisen ausgeführt. In der ten oder so aufzuarbeiten, dass die Ebenfalls nicht zur mobilen Instand- Praxis hat sich für diese Tätigkeiten geforderten Funktionen erfüllt werden haltung von Eisenbahnfahrzeugen der Begriff „mobile Instandhaltung“ können. Hierzu gehören z.B. folgende gehören alle Maßnahmen des Not- durchgesetzt. Tätigkeiten: fallmanagements, beispielsweise • Herstellen der Transportfähigkeit das Herstellen der Lauffähigkeit zum • Bedarfsreparaturen an Eisenbahn- Räumen der Ereignisstelle oder das Welche Tätigkeiten gehören fahrzeugen in Endbahnhöfen und Aufgleisen von Eisenbahnfahrzeugen. dazu? Abstellgruppen • Austausch von Verschleißteilen Die UVB-Fachinformation „Mobile oder defekten Baugruppen Welche Beschäftigten sind Instandhaltung von Eisenbahnfahr- • Diagnose/Schadensaufnahme/ beteiligt? zeugen“, die gemeinsam mit der Befundung Verwaltungsberufsgenossenschaft Durchgeführt werden die Tätigkei- (VBG) sowie Fachexperten erarbei- Nicht zur mobilen Instandhaltung ten von „mobilen Trupps“ aus den tet wurde und inhaltsgleich mit der von Eisenbahnfahrzeugen im Sinne Werkstätten der Instandhaltung VBG-Fachinformation ist, umfasst die der UVB-Fachinformation gehören sowie von Dritten, z.B. von Fahrzeug- haltenden, beauftragten Firmen für die Instandhaltung oder von Fahr- Abbildung 1: Arbeitsplatztiefe bei Tätigkeiten in stehender, nicht aufrechter Körperhaltung zeugherstellern. Beschäftigte dieser Unternehmen sind in der Regel keine Betriebseisenbahner und deshalb nicht oder nur unzureichend mit den betrieblichen Abläufen im Eisenbahn- betrieb sowie dem dafür geltenden Regelwerk vertraut. Die zum Einsatzort werdenden Gleise sind für die Beschäftigten Arbeitsstät- ten im Sinne der Arbeitsstättenver- ordnung. Analog zu anderen Arbeits- stätten sind die Beschäftigten vor Quelle: UVB Beginn der Arbeiten zu den detail- lierten Örtlichkeiten sowie zu den betriebsspezifischen Besonderheiten einzuweisen bzw. zu unterweisen. Abbildung 2: Arbeitsplatztiefe bei Tätigkeiten im Knien, in der Kniebeuge Anforderungen an die Arbeitsorganisation Vergleichbar mit den Tätigkeiten in anderen Bereichen ist auch bei der mobilen Instandhaltung von Eisen- bahnfahrzeugen seitens des Unter- nehmers bzw. dessen Beauftrag- ten eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Dabei sind insbeson- dere die Veränderungen gegen- Quelle: UVB über den üblichen Werkstattbedin- gungen zu betrachten, zu bewerten 20 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Spezial Abbildung 3: Mindestmaß für den Gleismittenab- Quelle: UVB stand bei v ≤ 40 km/h im daneben liegenden Gleis – Arbeitsplatztiefe ≥ 1,20 m und Maßnahmen zur Sicherheit und Besichtigungen an den künftigen Ein- durchgeführt werden. Hinsichtlich der Gesundheit der Beschäftigten festzu- satzorten, um örtliche und betrieb- Gefährdungen ist zu unterscheiden legen. Besondere Gefährdungen kön- liche Besonderheiten frühzeitig zwischen: nen sich z.B. ergeben aus: zu erkennen und angemessen zu • Arbeiten innerhalb eines still • Gefährdungen aus der Arbeitsum- berücksichtigen. stehenden Eisenbahnfahrzeuges gebung (insbesondere Eisenbahn- • Arbeiten außen am stillstehenden betrieb) Weitere Anforderungen an die Eisenbahnfahrzeug • Arbeitsmittel und geänderte Arbeitsorganisation sind u.a. das • Arbeiten innerhalb der Eisenbahn- Arbeitstechniken Sicherstellen der notwendigen Ersten fahrzeuge während Zug- oder Ran- • Erhöhte Anforderungen an Mobili- Hilfe, das Berücksichtigen bekannter gierfahrten sowie Werkstatt- und tät und Flexibilität gesundheitlicher Einschränkungen, Probefahrten • Witterungsbedingungen das Qualifizieren und Unterweisen der Beschäftigten, das Zurverfü- Geeignete Örtlichkeiten für planbare Durch das Einhalten der Arbeitszeit- gungstellen geeigneter Persönlicher und planmäßige mobile Instand- regelungen, das Berücksichtigen der Schutzausrüstungen (PSA) sowie das haltung sind so auszuwählen, dass Fahr-/Wegezeiten aufgrund wech- Vermitteln detaillierter Vorgaben zur keine oder nur sehr geringe Gefähr- selnder Einsatzorte, das Anpassen Beauftragung von Arbeiten. dungen durch Umgebungsbedin- des Aus- und Fortbildungsmanage- gungen auftreten können, insbe- ments zur Befähigung der Beschäftig- sondere durch Fahrten in daneben ten sowie des betriebsinternen Regel- Gefährdungen aus dem liegenden Gleisen. Da die Nut- werksmanagements, das Herstellen Eisenbahnbetrieb zung der Gleise jedoch nicht deren der Kommunikation mit betrieblichen ursprünglicher Zweckbestimmung Stellen sowie dem Koordinieren Aufgrund der hohen Gefährdungen entspricht (in der Regel für Rangier- von Arbeiten mit anderen Beteilig- durch den Eisenbahnbetrieb dürfen und Zugfahrten), muss immer der ten ergibt sich ein erhöhter perso- planbare und planmäßige Tätigkei- Eisenbahninfrastrukturbetreiber neller und planerischer Aufwand. ten in Gleisanlagen nur durchgeführt beteiligt werden. Er muss der Nut- Ein bewährtes Mittel zum sicheren werden, wenn vor Beginn und wäh- zung der Gleise zum Zweck der Durchführen solcher Tätigkeiten sind rend dem Ausführen der Tätigkeiten mobilen Instandhaltung von Eisen- im Planungsstadium durchgeführte geeignete Sicherheitsmaßnahmen bahnfahrzeugen zustimmen. Auch BahnPraxis B 2 | 2022 21
BahnPraxis Spezial die Sicherheitsmaßnahmen gegen- bestimmungsgemäßer Ausführung Der Grundsatz der Rangfolge der über den Gefährdungen aus dem nicht vorgesehen, jedoch nach ver- Sicherheitsmaßnahmen nach dem Eisenbahnbetrieb müssen mit dem nünftigem Ermessen vorhersehbar Arbeitsschutzgesetz (technische Eisenbahninfrastrukturbetreiber sind. Beispielsweise treten Beschäf- vor organisatorischen und vor per- abgestimmt und ggf. von diesem tigte beim Ausführen der Tätigkeiten sonenbezogenen Maßnahmen) ist sichergestellt werden, da nur er den öfters einen Schritt zurück, um sich auch hier anzuwenden. Zunächst Betriebsablauf kennt (Wann wird wel- einen Überblick zu verschaffen. Dabei ist zu prüfen, ob der vorhandene ches Gleis befahren? Wie hoch ist die konzentrieren sie sich auf ihre Arbeit, Gleismittenabstand als ausreichend zulässige Geschwindigkeit in einem sind dadurch abgelenkt und verges- und sicher betrachtet werden kann daneben liegenden Gleis?). Weitere sen die Gefährdungen durch Fahrten (a ≥ 9 m bei v ≤ 200 km/h). Bei Gleis- Angaben, die meist nur der Eisen- im daneben liegenden Gleis. mittenabständen a < 9 m und Fahrten bahninfrastrukturbetreiber kennen mit Geschwindigkeiten über 70 km/h kann, sind z.B.: In der UVB-Fachinformation werden in Gleisen neben dem Instandhal- • Mögliche Verkehrswege vom abge- für das Ausführen der Tätigkeiten zur tungsgleis ist die mobile Instandhal- stellten Fahrzeug zum Einsatzort mobilen Instandhaltung von Eisen- tung außen an Eisenbahnfahrzeugen • Gleismittenabstände bahnfahrzeugen zwei Arbeitsplatztie- ohne zusätzliche technische Sicher- • Gefährdungen durch Fahrten in fen auf Basis der ergonomischen Min- heitsmaßnahme nicht zulässig. daneben liegenden Gleisen desttiefe vorgegeben (Abbildungen 1 • Möglichkeit der Gleissperrung zur und 2). Dabei werden übliche Körper- Für das Herstellen des „sicheren Sicherung von Personen (Uv-Sper- haltungen beim Ausführen der Tätig- Bereiches“ (Arbeitsplatzes) sind die rung) keiten berücksichtigt. Ist eine größere Sicherheitsmaßnahmen entspre- • Möglichkeit der Ausschaltung von Bewegungsfläche erforderlich, z.B. chend nachstehender Rangfolge Fahrleitungsanlagen beim Verwenden sperriger Arbeitsmit- umzusetzen: • Vorhandene Beleuchtung tel oder Materialien, muss das Maß • Bauliche Abgrenzung zum daneben • Mögliche Nutzung von Sozialein- vergrößert werden. Für die Bemes- liegenden Gleis, z.B. durch ein fest richtungen sung ist immer die Tätigkeit mit dem installiertes Geländer (siehe Titel- größten Platzbedarf anzunehmen. Im bild auf Seite 19) Ergebnis kann dies dazu führen, dass • Gleissperrung zur Sicherung von Fahrten in daneben liegenden bestimmte Tätigkeiten örtlich nicht Personen (Uv-Sperrung) des dane- Gleisen ausführbar sind. ben liegenden Gleises Vorab ist festzustellen, dass die Tätig- keiten der mobilen Instandhaltung Abbildung 4: Mindestmaß für den Gleismittenabstand bei v ≤ 70 km/h im daneben von Eisenbahnfahrzeugen nicht von liegenden Gleis – Arbeitsplatztiefe ≥ 1,20 m dem Geltungsbereich der DGUV Vor- schrift 78 „Arbeiten im Bereich von Gleisen“ erfasst werden. Unabhän- gig davon können Beschäftigte, die mobile Instandhaltung an Eisenbahn- fahrzeugen durchführen, durch Zug- und Rangierfahrten in daneben lie- genden Gleisen schwer oder tödlich verletzt werden. Das Risiko steigt mit der Geschwindigkeit der Fahrten in diesen Gleisen. Um die Gefährdungen für die Beschäftigten zu minimieren oder zu beseitigen, muss immer der „sichere Bereich“ ermittelt werden. Neben dem bestimmungsgemä- ßen Ausführen der Arbeiten ist auch das vorhersehbare Verhalten der Beschäftigten zu berücksichtigen. Darunter versteht man Handlun- Quelle: UVB gen von Beschäftigten beim Aus- führen von Tätigkeiten, die nach 22 BahnPraxis B 2 | 2022
BahnPraxis Spezial • Ausreichend groß bemessener Gleismittenabstand zwischen dem Instandhaltungsgleis und dem daneben liegenden Gleis. Dieser ist u.a. abhängig von der zulässi- gen Geschwindigkeit im daneben liegenden Gleis und muss das vor- hersehbare Verhalten (unbedachte Bewegungen) berücksichtigen. (Abbildungen 3 bis 5: drei Beispiele für bundeseigene Eisenbahninfra- struktur – detaillierte Erläuterun- gen zu den Maßangaben enthält Anhang 1 der UVB-Fachinformation) Abschließend enthält die UVB-Fach- information weitere Hinweise zu Arbeiten in bewegten Eisenbahnfahr- zeugen, zur Notwendigkeit von geeig- Quelle: UVB neten Verkehrswegen zu und von den Einsatzorten sowie zu speziellen Anforderungen an die Arbeitsplätze, Abbildung 5: Mindestmaß für den Gleismittenabstand bei v ≤ 70 km/h im daneben z.B. erforderliche Beleuchtung, elek- liegenden Gleis – Arbeitsplatztiefe ≥ 1,70 m trische Gefährdungen, hochgelegene Arbeitsplätze sowie Pausen- und Sanitärräume. zu ermöglichen, sind geeignete Ört- Unternehmers, der seine Beschäf- lichkeiten gemeinsam mit dem Eisen- tigten beauftragt, die Tätigkeiten der Fazit bahninfrastrukturbetreiber auszu- mobilen Instandhaltung von Eisen- wählen sowie vor Beginn und beim bahnfahrzeugen in den Gleisanlagen Mobile Instandhaltung erfolgt immer Ausführen der Tätigkeiten detaillierte auszuführen. Nur wenn die Beschäf- häufiger außerhalb von Werkstätten Sicherungsmaßnahmen festzulegen, tigten die Gefährdungen sowie die und Werkstattgleisen – direkt in den durchzuführen und den Beschäftig- festgelegten Sicherheitsmaßnahmen Gleisanlagen. Um die Gefährdun- ten bekanntzugeben. kennen und vor Ort auch anwenden, gen durch Rangier- und Zugfahrten in ist sicheres Arbeiten möglich. Das daneben liegenden Gleisen zu mini- Das Planen, Festlegen und Kontrol- Nichtbefolgen der Sicherheitsmaß- mieren bzw. zu beseitigen und den lieren dieser Sicherheitsmaßnahmen nahmen kann gravierende Folgen Beschäftigten ein sicheres Arbeiten liegt im Verantwortungsbereich des haben. UVB Unfallversicherung Bund und Bahn Die UVB-Fachinformation „Mobile Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen“ www.uv-bund-bahn.de/fileadmin/ user_upload/9309.pdf von Mobile Instandhaltung Eisenbahnfahrzeugen BahnPraxis B 2 | 2022 23
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