European Policy Outlook RFID - Endversion Europa
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Europa European Policy Outlook RFID Endversion Deutsche Übersetzung des Englischen Originals www.bmwi.de In Kooperation mit
Redaktion Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Öffentlichkeitsarbeit Layout André E. Zeich VDI/VDE-IT Corporate Design Atelier Hauer + Dörfler, Berlin Druck Europäische Kommission, Brüssel Herausgeber Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Öffentlichkeitsarbeit Scharnhorststr. 34-37 10115 Berlin www.bmwi.de Stand Juli 2007
Europa European Policy Outlook RFID Endversion Deutsche Übersetzung des Englischen Originals www.bmwi.de
2 European Policy Outlook RFID Das vorliegende Arbeitspapier „European Policy Out- fungs- und Forschungsanstalt look RFID“ wurde unter der deutschen EU-Ratspräsi- Houben, Marc | VDEB – Verband der EDV-Software- und dentschaft 2007 vom Bundesministerium für Wirtschaft Beratungsunternehmen und Technologie in Zusammenarbeit mit dem Bundes- Dr. Huber, Andrea | Informationsforum RFID e. V. ministerium für Bildung und Forschung erstellt. In seiner Japs, Simon | Informationsforum RFID e. V. Entwurfsfassung diente es als Referenzdokument für die Jimenez, Marisa | GS1/EPCglobal Europäische Konferenz „RFID: Towards the Internet of Kelter, Harald | BSI – Bundesamt für Sicherheit in der Things“ („RFID: Auf dem Weg zum Internet der Dinge“), Informationstechnik die am 25. und 26. Juni 2007 in Berlin stattfand. Die vor- Dr. Kuhlmann, Kai | BITKOM – Bundesverband Informati- liegende Endfassung wurde um neue Aspekte ergänzt, onswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. die während dieser Konferenz zur Sprache gekommen Kreuzer, Peter | VDA – Verband der Automobilindustrie waren. Folgende Personen und Institutionen haben ihr Landvogt, Johannes | Referatsleiter Technologischer Fachwissen eingebracht: Datenschutz beim Bundesbeauftragten für den Daten- schutz und die Informationsfreiheit Bundesministerium für Wirtschaft und Prof. Monse, Kurt | Forschungsinstitut für Telekommu- Technologie: nikation Dr. Goerdeler, Andreas (federführendes Referat) Pique, Stephane | GS1/EPCglobal Dr. Glasmacher, Klaus (federführendes Referat) Dr. Pötter, Harald | Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit Bleeck, Peter und Mikrointegration Dr. Hochreiter, Rolf Prof. Reichl, Herbert | Fraunhofer-Institut für Zuverläs- Knebel, Thomas sigkeit und Mikrointegration Walter, Wilfried Sander, Ralf | AIM-D – Verband für Automatische Identi- Warmbold, Heike fikation, Datenerfassung und Mobile Datenkommuni- Dr. Weismann, Bernd kation Dr.-Ing. Schanz, Volker | Informationstechnische Gesell- Bundesministerium für Bildung und Forschung schaft im VDE (ITG) Dr. Diehl, Carsten Dr. Spiekermann, Sarah | Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Schmidt, Stefan | Fraunhofer-Institut für Material- Bundesministerium des Innern fluss und Logistik Bröhl, Alexander Dr. Thorun, Christian | vzbv – Verbraucherzentrale Bundesverband Europäische Kommission – Generaldirektion Ziekow, Holger | Humboldt-Universität zu Berlin Informationsgesellschaft und Medien: Dr. Frederix, Florent VDI/VDE Innovation + Technik GmbH, redaktionelle Dr. Friess, Peter Bearbeitung im Auftrag des Bundesministeriums für Santucci, Gérald Wirtschaft und Technologie: Botthof, Alfons Behörden, Hochschulen und Forschungseinrichtun- Dr. Bovenschulte, Marc gen, Organisationen und Verbände: Gabriel, Peter Fabian, Benjamin Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Gaßner, Katrin v. Braunmühl, Patrick | vzbv – Verbraucherzentrale Bundesverband Prof. Günther, Oliver | Humboldt-Universität zu Berlin Hansen, Wolf-Rüdiger | AIM-D – Verband für Automa- tische Identifikation, Datenerfassung und Mobile Datenkommunikation Prof. Heimer, Thomas | Frankfurt School of Finance & Management Prof. Hilty, Lorenz | EMPA – Eidgenössische Materialprü-
3 Inhalt 1 | Vorwort von Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2 | Grußwort der Europäischen Kommission von Viviane Reding, Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3 | Einführung/thematischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4 | Herausforderungen für marktgetriebene Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 5 | Fahrpläne für Technologien und Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 6 | Gesellschaftliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 7 | Querschnittsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 8 | Anmerkungen aus der Konferenz zum „European Policy Outlook RFID“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 9 | Politische Optionen und Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44
4 European Policy Outlook RFID 1 | Vorwort von Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Auf die modernen Informations- und Kommunikati- wichtigen Technologie auszuschöpfen und Europa onstechnologien entfallen 40 Prozent des gesamt- damit einen globalen Wettbewerbsvorteil zu ver- wirtschaftlichen Wachstums. Als Querschnittstech- schaffen. Die Konferenz bietet Politikern und Regie- nologien beeinflussen sie die Innovationskraft rungsvertretern, Experten und Entscheidungsträgern nahezu sämtlicher Branchen und bilden die Trieb- aus Wirtschaft und Forschung sowie Vertretern kraft für wirtschaftliche Dynamik und Beschäftigung. gesellschaftlicher Gruppen eine breite, in dieser Form Die Funkfrequenzkennzeichnung (Radio Frequency einmalige Plattform für einen Dialog auf europäi- Identification, RFID) von Produkten und Waren wird scher Ebene und darüber hinaus. in Zukunft eine herausragende Rolle spielen. Sie lei- stet einen Beitrag zu mehr Effizienz in Handel, Logi- Die Beiträge zum vorliegenden Positionspapier ent- stik und Fertigung. Darüber hinaus hebt sie die standen in enger Zusammenarbeit von Vertretern Lebensqualität, zum Beispiel in den Bereichen Kon- der Wirtschaft, der Verbände, der Regierungsorgane sumgüter, Gesundheitswesen und Umweltschutz. sowie der Europäischen Kommission. Unser Ziel bestand darin, die Standpunkte der verschiedenen Schon entsteht auf dieser Grundlage die Vision eines Interessengruppen auszugleichen und erste Empfeh- „Internets der Dinge“, in dem intelligente Objekte lungen für eine gemeinsame europäische Strategie und Systeme selbsttätig kommunizieren und hoch- zu formulieren, um der vorgesehenen Konferenz eine moderne Sensoren den Zustand von Maschinen erfas- solide Diskussionsgrundlage zu liefern. Dies ist uns sen und die Vitalparamenter von Patienten überwa- vollauf gelungen. Ich bin davon überzeugt, dass auf chen. dieser Grundlage geeignete Schritte zu einer verant- wortungsbewussten Nutzung des Potenzials dieser Allein in Deutschland wird der RFID-beeinflusste Schlüsseltechnologie möglich werden. Anteil an der Bruttowertschöpfung in der Fertigung, im Handel, im Verkehrswesen sowie im öffentlichen Ich danke allen Beteiligten für ihre konstruktive Mit- und privaten Dienstleistungssektor im Jahr 2010 vor- wirkung. aussichtlich auf etwa 62 Mrd. Euro gegenüber 3 Mrd. Euro im Jahr 2004 steigen. Die geplante Expertenkonferenz „RFID – Towards the Internet of Things“ im Rahmen der deutschen EU- Ratspräsidentschaft unterstreicht die Bedeutung von RFID und bezeichnet den politischen und wirtschaft- Michael Glos lichen Handlungsbedarf, um das Potenzial dieser Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
5 2 | Grußwort der Europäischen Kommission von Viviane Reding Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien In ihrer erneuerten Lissabon-Strategie fordert die online und offline Priorität ein, bemühte sich aber Europäische Union mehr Wettbewerbsfähigkeit für zugleich um eine ausgewogene Herangehensweise, Europa und ein stärkeres, nachhaltiges Wirtschafts- um das wirtschaftliche Potenzial dieser Technologie wachstum, das neue und bessere Arbeitsplätze nicht einzuschränken. Ich freue mich, dass rund 70 % schafft. Vor diesem Hintergrund sollten wir nicht nur der 2190 Teilnehmer an der öffentlichen Online-Kon- Ziele für die Höhe der Investitionen in die Forschung sultation der Kategorie „interessierte Bürger“ ange- und Entwicklung setzen, sondern diese Investitionen hörten. auch in neue Produkte und Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologie len- Die Konsultation war deshalb besonders lohnend, ken, die den wichtigsten Motor des Produktivitäts- weil eine Vielzahl interessanter Überlegungen und wachstums bilden. Der Einsatz intelligenter Funk- wichtiger Bedenken zur künftigen Verwendung der chips, in Fachkreisen Funkfrequenzkennzeichnung Funkkennzeichnung vorgebracht wurden. Ein aktiver (RFID) genannt, bildet einen Eckpfeiler neuer IKT, die Dialog aller Beteiligten schafft die Voraussetzungen Europas Stellung deutlich stärken und ihm zu einem für eine „Win-Win-Situation“, die dadurch gekenn- Wettbewerbsvorteil verhelfen können. Auf dem Weg zeichnet ist, dass der Nutzen dieser wertvollen Tech- zum „Internet der Dinge“ wird mit der Zahl der nologie gegenüber den Kosten deutlich überwiegt Geräte, die an das Internet angeschlossen sind, auch und alle Betroffenen die Vorteile ihres erweiterten die Zahl der Online-Transaktionen steigen. Einsatzes erkennen. Insbesondere die Unternehmen sind aufgefordert, bei der RFID-Einführung die Im Jahr 2020 wird es voraussichtlich eine Milliarde Bedenken der Bürger im Hinblick auf ihre Privat- Computer, fünf Milliarden Benutzer mobiler Kommu- sphäre ernst zu nehmen. nikationssysteme, zehn Milliarden Anwendungen, hundert Milliarden Sensoren und eine Trillion elek- Die Europäische Kommission wird daher in den kom- tronische Transponder geben, die zum größten Teil menden Monaten im Zusammenwirken mit den Mit- Internet-fähig sein werden. gliedstaaten eine gemeinsame Politik zur Funkfre- quenzkennzeichnung erarbeiten und die Anwen- Wir alle sind aufgerufen, zur Schaffung einer allge- dung des geltenden EU-Rechts auf die RFID-Technik genwärtigen Informationsgesellschaft im Dienste der verdeutlichen. Darüber hinaus werde ich insbeson- Bürger beizutragen. Um die Anliegen der Bürger bes- dere auf den Gebieten, die der internationalen ser kennenzulernen, führte ich 2006 eine breit ange- Abstimmung bedürfen, die Zusammenarbeit mit Län- legte öffentliche Konsultation über intelligente Funk- dern außerhalb der EU aktiv vorantreiben. Ende 2008 kennzeichnung durch. Die Europäische Kommission werde ich die eine neuerliche Lagebeurteilung vor- räumte daraufhin dem Schutz der Privatsphäre nehmen, um festzustellen, ob der RFID-Einsatz Ände-
6 European Policy Outlook RFID rungen des europäischen Rechtsrahmens notwendig schaftliche Unabhängigkeit auf. Es wird daher uner- macht. Ein verantwortungsbewusster Umgang der lässlich sein, dass die Bürger stets die Kontrolle über Wirtschaft mit der RFID-Technik, der die Interessen Erstellung, Verwendung und Aktualisierung ihrer der Bürger berücksichtigt, ist am ehesten geeignet, Daten behalten. mich auf diesem Gebiet zu einem „zurückhaltenden Ansatz“ zu bewegen. Wir bleiben unserer Verpflichtung zum Aufbau einer allgegenwärtigen Informationsgesellschaft treu und Die Angleichung der verschiedenen nationalen werden den europäischen und internationalen Dia- „Geschwindigkeiten“ bei der RFID-Einführung ist ein log über die Funkfrequenzkennzeichnung und wei- weiteres wichtiges Thema, bei dem die Mitgliedstaa- tere Schlüsseltechnologien, die das „Internet der ten die Vorteile gemeinsamer Ziele und geschlosse- Dinge“ prägen werden, entschlossen vorantreiben. nen Handelns unter Beweis stellen können. Insbeson- dere gilt es die vorwettbewerbliche Forschung zu Diese Konferenz trägt maßgeblich dazu bei, RFID und stärken, denn Versuche und Testläufe in hinreichen- das „Internet der Dinge“ in Europa bekannt zu der Zahl lassen uns erkennen, welche neuen Anwen- machen. Aufbauend auf der Analyse und den prakti- dungen erschwinglich und somit für alle Bürger schen Empfehlungen der jüngst erschienenen „Mit- zugänglich sein werden. Europa wird die gemein- teilung der Europäischen Kommission über Schritte schaftliche RFID-Forschung durch das Siebte Rah- zu einem ordnungspolitischen Rahmen für RFID in menprogramm fördern und dabei Pilotprojekte Europa“ steht diese Konferenz für entschlossenes unterstützen, mit denen innovative Anwendungen Handeln, um den Europäern die Zuversicht zu geben, dieser Technologie in ganz unterschiedlichen Berei- dass RFID-Anwendungen und die dazugehörigen chen, wie Immobilienverwaltung, Import/Export- Technologien im Hinblick auf Sicherheit und Daten- Logistik, Rückverfolgung und Steuerung von Flugge- schutz höchsten Ansprüchen genügen. Das Papier, päck, Entsorgung infektiösen Abfalls, Gesundheits- das der Konferenz als Diskussionsgrundlage vorliegt, wesen, Verkehrswesen usw. getestet werden können. enthält wohldurchdachte und wichtige politische Handlungsempfehlungen für die Gemeinschaft und Wir haben die Wahl. Entweder wir ducken uns wei- die Mitgliedstaaten. Abschließend möchte ich meine terhin unter den Zwängen einer immer kleiner wer- Unterstützung für die Initiative der deutschen Präsi- denden Welt, oder wir denken um und geben dem dentschaft zum Thema RFID zum Ausdruck bringen technologischen Wandel eine fortschrittsorientierte und allen Konferenzteilnehmern für ihre Mitarbeit Perspektive, die Europa stärkt und unsere Bürger danken. zuversichtlich in die Zukunft blicken lässt. Unter einer fortschrittsorientierten Perspektive verstehen wir echte Zukunftschancen für alle, nicht als Viviane Reding abstrakte Vorstellung, sondern als praktische Not- Kommissarin für Informationsgesellschaft und wendigkeit. Auf dem Weg zum „Internet der Dinge“ Medien brauchen wir die Fähigkeiten, das Wissen und die Produktivität aller Beteiligten, denn nur so werden alle Interessengruppen ihren gerechten Anteil an den Segnungen des Fortschritts erhalten. Die euro- päischen Wertmaßstäbe zu Sicherheit und Daten- schutz bleiben gewahrt, doch daneben gilt es auch die Entdeckung sicherer Lösungen zu fördern, die dem entstehenden „Internet der Dinge“ gerecht wer- den. Es wird auch ein „Internet für die Menschen“ sein; der Umgang mit der RFID-Kennzeichnung von Personen wirft wichtige Fragen im Hinblick auf Selbstbestimmung, persönliche Freiheiten und wirt-
7 3 | Einführung/thematischer Überblick Mit der Einführung und Verwendung moderner bare Nähe gerückt. Die Integration von Prozessormo- Informations- und Kommunikationstechnologien dulen in Ausweispapiere wird damit ebenso möglich (IKT) wird heute die Grundlage für dynamisches wie die Ausstattung von Frachtpaletten mit Trans- Wirtschaftswachstum und das Bestehen im globalen pondern, die automatisch Identifikationsnummern Wettbewerb von morgen gelegt. Diese Technologien an ein Lesegerät senden. Die Funkfrequenzkenn- haben umwälzende Veränderungen ausgelöst, unter- zeichnung (RFID) ermöglicht die eindeutige und stützt und beschleunigt. Ihre Auswirkungen pflanzen berührungslose Identifizierung und Zuordnung von sich in immer neue Bereiche von Wirtschaft, Verwal- Waren, Dokumenten, Containern, Tickets usw. Die tung, Wissenschaft, Gesundheitswesen, Beschäfti- Verwendung von RFID in Autoschlüsseln mit einge- gung, Bildung, Forschung und Privatleben fort. Sie bautem Funksender ist bereits gang und gäbe. Die betreffen das Leben der Gesellschaft und des Einzel- Transponder der Zukunft werden darüber hinaus nen. Digitale Informationen und Dienstleistungen intelligente Funktionalitäten (zum Beispiel Sensoren können mobil von jedem beliebigen Ort aus abgeru- oder Datenspeicherungs- und Verarbeitungsmög- fen werden. Die Entstehung einer intelligenten lichkeiten) bieten, die reale Objekte Teil des Internets Umwelt (mit Sensoren ausgestattete Technologien, werden lassen und umgekehrt. die Berechnungen durchführen und agieren) bedeu- tet, dass in Zukunft in allgegenwärtiger und unsicht- Das Umwälzungspotenzial der „IT-Revolution“, in barer Weise Daten genutzt, erstellt, verarbeitet, über- deren Folge sich die industrielle Fertigung von Grund tragen und gespeichert werden. Diese „Computeri- auf verändert hat, wird von niemandem in Zweifel sierung der Welt“ wird durch technologische und gezogen. Die Vorteile der Automatisierung und Digi- wirtschaftliche Entwicklungen beschleunigt. Die talisierung von Produktionsprozessen sind heute all- Fortschritte der Mikro- und Nanotechnologie sowie gemein bekannt und werden von Unternehmen, der Materialforschung, der Software-Entwicklung Gewerkschaften und Regierungsstellen weithin und der Kommunikationstechnologie haben die akzeptiert. Und nun, im Internet-Zeitalter, spielen die technische Vision vom „Internet der Dinge“ in greif- IKT auch im Dienstleistungssektor eine immer grö- Was ist das Internet der Dinge? Die Definitionen des Internets der Dinge in der einschlägigen Fachliteratur sind erstaunlich unpräzise. Die meisten Ansätze folgen der von Mark Weiser geprägten Vision des „Ubiquitous Computing“ („Rechnerallgegenwart“), wonach alles an jedem Ort zu jeder Zeit erfasst wird. Der Begriff der allgegenwärtigen Informationsverarbeitung (Ubiquitous Computing, Pervasive Computing) und der intelligenten Umwelt steht für eine neue Form der unsicht- baren Datenverarbeitung. Computer werden in „intelligente“ Alltagsgegenstände integriert, die selbsttätig kom- munizieren, interagieren und ihren Benutzern zahlreiche Dienste leisten können. Der Begriff Internet der Dinge umfasst diejenigen Netze und Dienstleistungen, welche die Kommunikation der Objekte untereinander ermögli- chen. Im Kontext des Ubiquitous Computing sind Objekte intelligente Einheiten, die selbständig agieren. Dieser verblüffende Paradigmenwechsel, der sowohl das Ubiquitous Computing als auch das Internet der Dinge entschei- dend prägt, verleiht Objekten eine eigene digitale Identität. Das Internet der Dinge ist die technische Vision, Objekte jeder Art in ein universales digitales Netz zu inte- grieren. Das Internet der Dinge ist eine Metapher für die Universalität von Kommunikationsprozessen, für die Integration von digitalen Daten und Inhalten jeder Art, für die eindeutige Kennzeichnung realer oder virtueller Objekte und für Archi- tekturen, die den „kommunikativen Kitt“ zwischen diesen Komponenten bilden. Die RFID-Technik ist ein Mittel zur eindeutigen Kennzeichnung von Objekten. Mit ihrer Hilfe verknüpft das Internet der Dinge Gegenstände der realen Welt mit Zusatzdaten und digitalen „Gehirnen“ und übermittelt umgekehrt Sensor- und Kontextinformationen von RFID-Transpondern an Software-Systeme. In seiner einfachsten Form kann das Internet der Dinge Objekte identifizie- ren, aber nichts aktiv mit ihnen „tun“; in seiner komplexesten Form lässt es Objekte miteinander kommunizieren; so dass das Internet der Dinge und das Ubiquitous Computing einander ergänzen.
8 European Policy Outlook RFID ßere Rolle. Die Industriesoziologie bezeichnet dieses Geschäftsmodelle mittelfristig neue Beschäftigungs- Phänomen als „Industrialisierung der Dienstleistun- möglichkeiten schaffen, die wahrscheinlich ein höhe- gen“ infolge neuer, hoch entwickelter Technologien, res Qualifikationsniveau voraussetzen und bessere Ver- die Maschinen zu formalen logischen Schlüssen befä- dienstmöglichkeiten bieten werden. Die folgenden higen (Rationalisierung). Im Zuge dieser Entwicklung Absätze bieten einen knappen Überblick über einige dürfte die industrielle Fertigung einer „hybriden Pro- besonders wichtige aktuelle Anwendungsbereiche von duktion“ (Verschmelzung der Produktion/des Pro- RFID: Konsumgüter und Handel, Automobilindustrie dukts mit der Dienstleistung) weichen und die und Fertigung sowie Logistik und Gesundheitswesen. Geschäftsmodelle einen Wandel vom Produktverkauf Die Schätzungen über die gesamtwirtschaftlichen zum Leistungsverkauf durchmachen. Effekte von RFID sind einer Studie entnommen, die vor kurzem im Auftrag des Bundesministeriums für Wirt- Die Funkfrequenzkennzeichnung nimmt dabei eine schaft und Technologie erstellt wurde. Schlüsselstellung ein, denn sie bildet das Scharnier zwischen der „Welt der Produktion“ (den materiellen Konsumgüter und Handel Waren) und der „Welt der Dienstleistungen“ (den Kennzeichnend für den Einzelhandel als führenden digitalisierten Informationen). Die Ausstattung mit RFID-Anwender ist die Zusammenarbeit mit sehr vie- RFID-Transpondern macht Gegenstände „intelligent“; len Partnern, den Konsumgüterherstellern. Der inten- sie lassen sich vernetzen und können mit ihrer sive Wettbewerb und Kostendruck lässt Kundenzufrie- Umwelt kommunizieren. Als Wegbereiterin des denheit und Warenbestandskontrolle zu entscheiden- „Internets der Dinge“ wird die RFID-Technik Prozesse den Wachstums- und Rentabilitätsfaktoren werden. in verschiedenen Industriezweigen optimieren. Das Die Gewinne können auf verschiedenen Wegen gestei- durch RFID erzeugte globale Netz, in dem jedes belie- gert werden, in erster Linie durch eine beschleunigte bige Objekt jedem beliebigen Kontext zugeordnet Bestandsauffüllung, weniger Preisnachlässe, weniger werden kann, wird voraussichtlich auch neue Warenverderb, weniger Diebstähle und kürzere War- Geschäftsmodelle ermöglichen. teschlangen am Point of Sale. Diese Effekte lassen sich vor allem in großen SB-Warenhäusern, großen Ver- In folgenden Anwendungsbereichen und Industrie- brauchermärkten und Discountern realisieren, wäh- zweigen wird RFID vorwiegend eingesetzt: rend klassische Supermärkte sowie kleine Fach- und 3 Fertigung und Produktion (z. B. Automobilindustrie); Einzelhandelsgeschäfte kaum davon profitieren wer- 3 Verkehr und Logistik; den. Schätzungen zufolge wird RFID innerhalb der 3 Handel und Konsumgüter; nächsten fünf Jahre eine Steigerung der Produktivität 3 öffentliche Verkehrsmittel; um das Zehnfache ermöglichen. Die oben angeführte 3 Gesundheitswesen; Studie geht davon aus, dass die Zahl der Arbeitsplätze 3 Bekämpfung von Produktfälschung; im Handel bzw. in der Konsumgüterbranche zurück- 3 elektronische Fahrkarten; gehen wird. Die zukünftige Leistungsfähigkeit der 3 elektronische Bezahlung; Branche setzt Personal voraus, das sich mit der RFID- 3 (nationale) Sicherheit; Technik auskennt und aktiv nach weiteren Möglichkei- 3 Recycling. ten zur Verbesserung der Geschäftsabläufe sucht. Die Arbeitgeber werden gefordert sein, ihren Mitarbeitern Dank ihres hohen Potenzials im Hinblick auf Prozessop- Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten, timierung und Prozesssicherheit, neue Dienstleistungs- damit sie vor dem Hintergrund des technologischen angebote und Rationalisierungen kann die RFID-Tech- Wandels ihre Arbeitsplätze behalten und ihre Beschäf- nik allen diesen Wirtschaftszweigen gute Dienste lei- tigungsfähigkeit verbessern können. Eine erfolgreiche sten. Die damit verbundene Rationalisierung muss Einführung von RFID im Handel wird bedeuten, kurz- nicht unbedingt zu bedeutenden Arbeitsplatzverlusten fristige Rentabilitätsziele, eine langfristige Innovati- führen, wird jedoch die Produktivität erhöhen und onsstrategie, verlässlichen und effektiven Dienst am damit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kunden sowie Akzeptanz und Unterstützung von Sei- Volkswirtschaften bewahren und steigern. Darüber ten der Arbeitnehmer in ein ausgewogenes Verhältnis hinaus werden neue Produktionsprozesse und zu bringen.
9 Logistik und Verkehr die Ausschussquote in der Fertigung zu verringern. Auch die Logistik wird in den kommenden Jahren stark Erwartungsgemäß soll RFID bis zum Jahr 2010 Effi- von RFID profitieren. Bis etwa 2010 dürfte sich der Ein- zienzsteigerungen um das Fünffache ermöglichen. Da satz von RFID auf Transportbehältern weitgehend die Personalkosten in der Automobilindustrie eine ver- durchgesetzt haben, um den wachsenden Anforderun- gleichsweise geringe Rolle spielen, ist nicht zu erwar- gen der globalisierten Wirtschaft zu genügen. Auf- ten, dass die Investitionskosten für RFID eins zu eins grund der konstant niedrigen Margen besteht die durch Personalabbau kompensiert werden. wesentliche Möglichkeit zur Gewinnsteigerung in einer Erhöhung der Effizienz in Form von Automatisie- Viele dieser Aussagen gelten nicht nur für die Auto- rung und Rationalisierung. Die Optimierungspoten- mobilbranche, sondern lassen sich auf industrielle ziale werden dabei sowohl in internen Abläufen gese- Fertigungsprozesse im Allgemeinen übertragen. Um hen (dies gilt insbesondere für die Kurier-, Express- und die bestehenden Anwendungen auf die gesamte Lie- Paketbranche) als auch in den zwangsläufigen Koope- ferkette und damit auf die verzweigte Partnerstruk- rationen mit Partnern (andere Logistikunternehmen, tur zu übertragen, muss RFID mit den Standards der Industrie und Handel). Darüber hinaus können auf- Branche harmonieren. Darüber hinaus besteht das grund von RFID zusätzliche Dienstleistungen wie die Problem, dass eine Investition in die neue Technolo- Warenverfolgung (Tracking und Tracing) angeboten gie für die mittelständisch geprägten Zulieferer ein werden. Erfolgsbedingungen sind die Integration von erhebliches Risiko birgt und damit so gut wie ausge- wirtschaftlichen und prozesssicheren Systemen auf schlossen sein dürfte, solange sich ihre bestehenden Unternehmensebene und insbesondere übergreifende Systeme nicht amortisiert haben. Normen, die netzweite Austausch- und Kooperations- prozesse gewährleisten. Unter diesen Voraussetzun- Gesundheitswesen gen gehen Branchenvertreter davon aus, dass sich In den Augen der pharmazeutischen Industrie stellt durch Einsatz von RFID signifikante Effizienzeffekte RFID ein geeignetes Mittel dar, Patienten vor gefälsch- erzielen lassen. Dabei ist bemerkenswert, dass die ten Arzneimitteln zu schützen. Aufgrund der wachsen- Beschäftigtenzahlen in der Logistikwirtschaft auf- den Anzahl billiger Imitate wächst die Gefahr der Ver- grund des allgemeinen Wachstums der Branche trotz wendung wirkungsloser oder gesundheitsschädlicher der Rationalisierungsbestrebungen steigen könnten. Medikamente. Durch die eindeutige Kennzeichnung mit RFID lässt sich gewährleisten, dass nur zugelassene Automobilindustrie und Fertigung pharmazeutische Produkte verabreicht werden. Die Die Automobilindustrie spielt bei der RFID-Einführung europäische pharmazeutische Industrie hält RFID auf eine Vorreiterrolle. Bisher kommt RFID vor allem in lange Sicht für eine vielversprechende ergänzende unternehmensinternen Prozessen zum Einsatz. Die Kennzeichnungslösung, falls die Technologie ausreift Automobilindustrie muss sich mehreren Herausforde- und rentabler wird. rungen zugleich stellen, die aus der Komplexität des Produkts, der weltweiten Dezentralisierung der Stand- Analog dazu bestehen im Gesundheitswesen viele Ein- orte, der abnehmenden Fertigungstiefe der Original- satzmöglichkeiten für RFID. Blutspenden und Blutpro- hersteller und der Übertragung von Produktionsschrit- dukte können mit Hilfe von RFID auf jeder Stufe der ten an Zulieferer, der Notwendigkeit zur kundenindivi- internen Verarbeitungsprozesse in einer Blutbank, duellen Massenfertigung und dem globalen Verdrän- einem Labor oder einem Krankenhaus problemlos gungswettbewerb resultieren. Auch hier soll RFID gekennzeichnet werden. Im Gegensatz zu den her- bestehende Prozesse optimieren und Effizienz sowie kömmlichen Barcodes hält RFID den physischen Bela- Produktivität steigern; Anwendungen ergeben sich stungen der Laborumgebung wie Feuchtigkeit und insbesondere für die Bereiche der Produktionslogistik mechanischem Druck stand, so dass die Kennzeich- (Fahrzeuge und Material), der Steuerung von Anlagen nungsdaten zu jeder Zeit bei den Proben verbleiben und Prozessen sowie der Auslastung und Verfügbar- und nicht verfälscht werden. In Zukunft könnten hoch- keit von Produktionsstraßen. In naher Zukunft wird entwickelte, mit Sensoren ausgestattete Transponder RFID bei Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten überwachen, ob Blutproben stets gekühlt (Einhaltung sowie in der Qualitätskontrolle eingesetzt werden, um der Kühlkette) und angemessen behandelt wurden.
10 European Policy Outlook RFID Die Verwendung von RFID-Armbändern in Kranken- bereits praktisch erwiesen sind, bleiben eine Reihe wich- häusern erhöht nachweislich die Sicherheit der Patien- tiger Fragen bislang unbeantwortet: ten. Darüber hinaus ermöglicht RFID Zutrittskontrollen 3 Welche technischen Hindernisse stehen einer brei- zu Medikamentenlagern, die Rückverfolgung von Gerä- ten Anwendung von RFID noch im Wege, und wel- tehistorien und einen Fälschungsschutz für hochspezia- che Voraussetzungen sind für das Internet der lisierte und kostspielige Instrumente. Ferner kann RFID Dinge notwendig? im Rahmen der häuslichen Betreuung chronisch Kran- 3 Wird der Einsatz von RFID die Geschäftsprozesse ker die Einhaltung der Medikation verbessern. Ein wei- künftig so stark bestimmen, dass selbst das verar- teres Einsatzfeld ist die Kennzeichnung und Rückverfol- beitende Gewerbe, kleine Geschäftsinhaber, Hand- gung von Implantaten und medizinischen Geräten. werker und andere zur Einführung dieser Techno- logie gezwungen werden? Abgesehen von den oben angeführten Branchen wird 3 Wird es unterschiedliche RFID-gestützte Lösungen RFID in weiteren Gebieten des öffentlichen und priva- für unterschiedliche Anwendungen und Branchen ten Lebens eingesetzt. Im öffentlichen Sektor dient geben, oder werden sämtliche RFID-Anwendun- RFID zur sicheren, überprüfbaren und eindeutigen gen einer weltweiten Norm unterliegen? Kennzeichnung von Ausweispapieren, Zutrittsberech- 3 Wie wirkt sich RFID auf die Entstehung neuer tigungen, Eintrittskarten, Fahrkarten und anderem Geschäftsmodelle aus, und hat es spürbare Folgen mehr. Als echte Querschnittstechnologie lässt sich für den Arbeitsmarkt? RFID in einer Vielzahl von Branchen universal einset- 3 Wie erheblich stellen sich die Auswirkungen von zen. Aufgrund dieses Querschnittscharakters ist es RFID auf die Privatsphäre der Verbraucher heute nahezu unmöglich, die wirtschaftlichen Folgen der und in Zukunft dar? RFID-Technik genau zu berechnen. Wie im Falle vieler 3 Wer sammelt welche Arten von Daten, und wer neuer Technologien stellt die RFID-Wirtschaft keine kombiniert und kontrolliert sie? etablierte Branche dar und wird von den bestehenden 3 Wie kann Europa auf dem Gebiet der RFID ein star- Statistiken nicht erfasst. Um die Verbreitung sowie die ker Global Player werden, und wie können die EU- direkten und indirekten Auswirkungen von RFID zu Mitgliedstaaten davon profitieren? erfassen, gilt es neue Indikatoren und Statistiken zu entwickeln und anzuwenden. In den folgenden drei Kapiteln werden diese Fragen erörtert und mögliche Antworten vorgestellt. Dabei sol- Untersuchungen jüngeren Datums haben ergeben, dass len die wichtigsten Innovationshemmnisse aufgezeigt RFID zumindest bis 2010 in den meisten Fällen eine „inter- werden, die von den betroffenen Akteuren in Politik, ne Technologie“ bleiben wird, die den Endkunden nicht Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft zu überwinden direkt betrifft. Der interne Charakter der frühen Anwen- sind. Das vorliegende Grundsatzpapier konzentriert sich dungen scheint unmittelbare Folgen für Verbraucher- auf die politischen Innovationsaspekte, welche die RFID- rechte vorerst auszuschließen, dennoch sind mögliche Einführung erleichtern und sie zu einem Erfolg für ganz Datenschutzprobleme nicht von der Hand zu weisen. Die Europa machen werden. Die breite Einführung dieser Ausstattung jedes Konsumguts mit einem eigenen RFID- Technologie wird nur gelingen, wenn sich alle relevan- Transponder eröffnet eine neue Dimension kundenorien- ten Interessengruppen in Europa auf der Grundlage tierter Dienstleistungen, zum Beispiel digitale Einkaufs- eines allgemeinen Konsens bewusst, verantwortungs- zettel, individualisierte Angebote und Preisnachlässe, voll, entschlossen und mutig dafür einsetzen. Mit der Bekämpfung von Produktfälschungen, erleichterte Lissabon-Strategie hat sich Europa vorgenommen, zum Instandhaltung, usw. Solche individuellen Dienstleistun- wettbewerbsfähigsten wissensgestützten Wirtschafts- gen sind unter dem Gesichtspunkt des Daten- und Ver- raum der Welt zu werden. Eine starke und innovative braucherschutzes genauer zu überprüfen; die Erstellung IKT-Branche, von der kräftige und nachhaltige Wirkun- spezieller Richtlinien sollte erwogen werden. Dies gilt in gen auf das gesamte sozioökonomische Spektrum des besonderem Maße für die Vision vom Internet der Dinge. Gemeinsamen Marktes ausgehen, ist für die Volkswirt- Obwohl der RFID-Technik in zahlreichen Studien eine viel- schaften von morgen von entscheidender Bedeutung. versprechende Zukunft verhießen wird und ihre techni- Die RFID-Technik und das Internet der Dinge bilden sche Reife sowie ihre wirtschaftlichen Auswirkungen wichtige Eckpfeiler dieser Strategie.
11 4 | Herausforderungen für marktgetriebene Innovationen Die RFID-Technik gilt als Motor und Quelle der Inno- Herausforderung: vation und findet international Beachtung. Europäi- Ein gemeinsamer europäischer Rahmen für RFID- sche Technologieanbieter, Nutzer und Forschungs- Innovationen zentren haben Europa im globalen RFID-Wettbewerb Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten eine führende Stellung verschafft. Von Chipherstel- haben die der RFID-Technik innewohnenden Chancen lern über Label-Produzenten bis hin zu Systeminte- erkannt. Dies unterstreichen diverse Projekte des Sech- gratoren – Akteure aus Europa nehmen in nahezu sten Forschungsrahmenprogramms (6. RP), die starke allen Bereichen der RFID-Wertschöpfungskette her- Gewichtung von Forschungs- und Entwicklungspro- ausragende Positionen ein, und in vielen Segmenten, jekten im Siebten Rahmenprogramm sowie bedeu- beispielweise dem Bau von Spezialmaschinen zur tende Initiativen auf nationaler Ebene, z. B die Pro- Labelfertigung, zählen sie zu den Marktführern. gramme „Nextgenerationmedia“ (www.nextgenerati- Innerhalb von Europa wiederum nimmt Deutschland onmedia.de) und „Mikrosysteme“ in Deutschland. gemeinsam mit Frankreich, dem Vereinigten König- Auch auf der Europäischen Technologieplattform zur reich, Spanien und Italien eine Spitzenstellung ein. Integration intelligenter Systeme (European Techno- logy Platform on Smart Systems Integration, EPOSS; Die Vereinigten Staaten von Amerika sowie Asien (ver- www.smart-systems-integration.org) ist RFID derzeit treten durch China, Taiwan, Südkorea und Japan) sind ein Thema. Sechzehn gemeinschaftliche europäische allerdings außerordentlich starke Konkurrenten, die Forschungs- und Entwicklungsprogramme werden umfangreiche Forschungs- und Entwicklungspro- derzeit in einem strategischen Cluster zusammenge- gramme sowie Infrastrukturprojekte vorbereiten oder führt (Cluster of European RFID Projects, CERP; bereits umsetzen. Diese Regionen betreiben groß www.rfid-in-action.eu/cerp). Kommissarin Reding angelegte Forschungsprogramme mit technologie- legte dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem übergreifenden Zielen (z. B. die „Ubiquitous City“ bzw. Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie „mobile Internetstadt“ in Südkorea) oder staatlich initi- dem Ausschuss der Regionen auf der CeBIT 2007 das ierte Infrastrukturprojekte (vgl. die Empfehlung der Papier „Funkfrequenzkennzeichnung (RFID) in Food and Drug Administration zur Bekämpfung Europa: Schritte zu einem ordnungspolitischen Rah- gefälschter Arzneimittel, das breit angelegte RFID- men“ vor. Mandat des Pentagon und die Schlussfolgerungen aus einer Konsultation der Interessenvertreter, welche die Die Schaffung stärkerer Anreize und günstigerer Rah- Food and Drug Administration im Jahr 2006 durch- menbedingungen für europäische Unternehmen, die führte). Von diesen Aktivitäten und Maßnahmen an RFID arbeiten, bleibt dessen ungeachtet als wich- gehen starke Anreize für die Entwicklung von RFID- tige Aufgabe der zuständigen Entscheidungsträger Systemen aus, und sie erzeugen bei einheimischen bestehen. Klare politische Vorgaben können zur Unternehmen eine Nachfrage nach RFID-Lösungen. Lösung zentraler Probleme beitragen; Beispiele hierfür sind die notwendige Rechtssicherheit für Nutzer und Investoren, die Harmonisierung der Frequenzen, die Die europäische Dimension Normung sowie die Vorführung guter Praktiken für Dieses Kapitel beschreibt die technischen und politi- Einführungsstrategien und Geschäftsmodelle. Nach schen Aufgaben, deren Lösung für die Innovation, wie vor gibt die Politik keinen einheitlichen techni- Einführung und weitere Verbreitung der RFID-Tech- schen und wirtschaftlichen Rahmen vor, innerhalb nik in Europa von besonderer Bedeutung ist. Dabei dessen die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung werden auch denkbare flankierende (begleitende) in praktikable, wirtschaftlich sinnvolle sowie gesell- Maßnahmen umrissen. schaftlich und ethisch einwandfreie Anwendungen umgesetzt werden können. Ein einheitlicher Ansatz Ausgehend von den Stärken, Schwächen, Chancen auf europäischer Ebene würde maßgeblich zur Bewäl- und Gefahren, die in der vorstehenden SWOT-Analyse tigung dieser Aufgaben beitragen, Innovationshemm- für Europa aufgelistet sind, werden in den kommen- nisse für die breite Anwendung von RFID abbauen und den Kapiteln die wichtigsten Herausforderungen damit die künftige internationale Wettbewerbsfähig- erörtert und Lösungsansätze vorgeschlagen. keit des europäischen Markts steigern. Die Mitglied-
12 European Policy Outlook RFID Stärken Schwächen 3 Die europäischen RFID-Anwender sind aufgeschlos- 3 Vielen KMU fehlt das für RFID-Investitionen nötige sen und stehen für modernste globale Technologien Eigenkapital. (z. B. Metro, Tesco). 3 Patentlage im Ultrahochfrequenzbereich 3 hervorragende Forschungsinfrastruktur und strate- 3 unterschiedliches Bewusstsein für technologisches gische Projekte Potenzial und gesellschaftliche Aspekte in verschie- 3 leistungsfähige, die gesamte Wertschöpfungskette denen Ländern der EU abdeckende Hersteller mit vielen KMU in ganz 3 unzureichende Harmonisierung innerhalb Europas Europa (unterschiedliche Einführungsgeschwindigkeiten bei RFID) 3 Fehlen von Standard-Protokollen 3 Interoperabilitätsprobleme zwischen Produkten verschiedener Anbieter 3 nach wie vor geringe Beschaffung der öffentlichen Hand und geringer Einsatz von RFID in staatlichen Stellen Chancen Gefahren 3 hohes Potenzial für Effizienzgewinne in wichtigen 3 Starker Wettbewerb von Technologieanbietern in Branchen (Konsumgüter, Handel, Automobilindu- den USA und Asien strie, Gesundheitswesen) 3 Billiganbieter außerhalb Europas (Dumping) 3 Entstehung neuer Arbeitsplätze 3 Stark fragmentierte Wettbewerbsumgebung 3 wichtiger Marktanteil auf dem wachsenden Markt 3 Hohes RFID-Einführungstempo in stark umkämpften für europäische Technologiehersteller (insb. RFID- Märkten wie Asien und die USA Transponder und Lesegeräte, Produktionsanlagen 3 Begrenzter zeitlicher Spielraum für die Marktein- und Maschinen) führung 3 großes Potenzial für verbesserte Verbraucherdienst- 3 Fehlende Interoperabilität, unterschiedliche Einfüh- leistungen und die Erschließung neuer Märkte rungsgeschwindigkeiten sowohl innerhalb der EU 3 Herstellerinitiativen für Sicherheit und Datenschutz als auch im Vergleich zu wichtigen Mitbewerbern können die Entstehung neuer Märkte fördern. wie den USA und Japan 3 Entwicklung von Datenschutztechnologien (Privacy 3 Fehlen durchgängiger Wertschöpfungsketten Enhancing Technologies, PET) 3 fehlender Konsens über gesellschaftspolitische Pro- 3 Die Bedeutung eines breit angelegten Dialogs mit blemstellungen und Bedenken den Interessengruppen ist erkannt, erste Erfahrun- gen liegen vor. Europäische SWOT-Analyse für RFID staaten schätzen die Errungenschaften des Konsultati- nigen der EU-Mitgliedstaaten geben. Zweitens gilt es onsprozesses, sie begrüßen sowie die erhöhte Sichtbar- die von den USA und Südostasien gewählten Politikan- keit von RFID und damit die Würdigung ihrer Rolle sätze zu untersuchen. Anhand der Ergebnisse einer sol- und Verantwortung seitens der Europäischen Kom- chen Vergleichsstudie sollten die Europäische Kom- mission. mission und die Mitgliedstaaten kühne Maßnahmen zur Harmonisierung und Konsolidierung ihrer RFID- Lösungsansätze: Eine Vergleichsstudie auf europäi- Politik und der damit verbundenen Forschungspro- scher Ebene könnte Aufschluss über das Verhältnis der gramme ergreifen. Des Weiteren sollten Technologien gesamteuropäischen RFID-Technologiepolitik zu derje- wie Polymerelektronik, Sicherheitstechnik und Sensor-
13 netze Priorität erhalten; als übergreifende Gesamtziele gie ein, um den Betrieb in den Werkshallen zu über- bieten sich große, technologieübergreifende Verbund- wachen und zu steuern. Hier ermöglicht RFID ein projekte mit klarem Praxisbezug (Vorreiterprojekte) an. höheres Maß an automatisierter Datenerfassung als die herkömmliche Barcode-Technik. Der wichtigste Insbesondere öffentlich geförderte RFID-Infrastruktur- Vorzug der RFID-Transponder gegenüber den her- projekte, an denen mehrere Mitgliedstaaten beteiligt kömmlichen Barcodes liegt in der sichtkontaktlosen sind, zum Beispiel der elektronische Reisepass Lesbarkeit der Daten, die Verfahren wie die Just-in- (www.pointprotect.de), eignen sich für breit angelegte Sequence-Produktion ermöglicht. Die Datenmenge, Testläufe und die Einführung neuer Technologien in die auf dem Transponder gespeichert und von den Vorreiterprojekten. Darüber hinaus sollten die EU-Mit- Hintergrundsystemen abgerufen werden kann, über- gliedstaaten mehrere Vorreiterprojekte unterhalten. steigt die Kapazität der herkömmlichen Barcodes bei Im Interesse eines beschleunigten Einsatzes der RFID- weitem. RFID ermöglicht eine genauere Überwa- Technik sollten nationale Regierungen und die Euro- chung der Produktionsprozesse und detailliertere päische Kommission auch selbst die Anwendung von Aufzeichnung der Produktgenealogie. Dennoch ist RFID-Technik erwägen (z. B. öffentliche Ausschreibun- nicht zu erwarten, dass RFID-Transponder Barcodes gen für Zutrittskontrollen, Dokumentenverfolgung über Nacht ablösen werden. Wahrscheinlicher ist, und andere sicherheitsbezogene Prozesssysteme). dass beide Technologien lange Zeit parallel in Gebrauch sein werden. Die RFID-Technik bietet gegenüber Barcodes allerdings einige eindeutige Anwendungsfelder – Vorteile, zum Beispiel die Datenerfassung in Echtzeit Triebkräfte des Marktes, Chancen ohne Berührung oder Sichtkontakt, die Pulkerfas- und Herausforderungen sung, Unempfindlichkeit gegenüber Verschmutzung und anderen Gefährdungen, größere Speicherkapazi- RFID-Anwendungen gibt es bereits auf so unter- täten sowie die Möglichkeit, gespeicherte Daten zu schiedlichen Gebieten wie Fertigungsprozesse, Maut- ändern. erhebung, Zutrittsausweise für Gebäude, öffentliche Verkehrsmittel und Sicherung von Bibliotheksbestän- Ein genauerer Einblick in den laufenden Fertigungs- den. Da die RFID-Technik außerdem immer bekann- betrieb eröffnet vielfältige Verbesserungsmöglichkei- ter wird und sich rasch zu umfassender Einsatzreife ten. Präzise Detailangaben über das Fertigungsge- entwickelt, prüft eine wachsende Anzahl Unterneh- schehen bieten die Grundlage für eine flexiblere Pla- men ihre Geschäftsabläufe auf Verbesserungsmög- nung und machen Möglichkeiten der Prozessopti- lichkeiten durch RFID. mierung sichtbar. Darüber hinaus können die erho- benen Daten dazu beitragen, Rückrufaktionen für Oberste Priorität genießt RFID bei einigen Unterneh- schadhafte Produkte einzuschränken sowie Produkt- men in den Bereichen Fertigung und Produktion (z. B. qualität und Prozesssicherheit zu erhöhen. Zusätzli- in der Automobilindustrie), Verkehr und Logistik, Han- che Prüfungen der Plausibilität, der Qualität und des del und Konsumgüter, Zutrittskontrolle und Sicher- korrekten Betriebs unterstützen diese Bemühungen. heit, Gesundheitswesen und staatliche Verwaltung. Durch die Speicherung der Daten direkt am betroffe- nen Objekt erhöht die RFID-Technik überdies Daten- Grund für das wachsende Interesse an RFID ist die konsistenz und verfügbarkeit. Je nach den Besonder- effiziente Erfassung, Weiterleitung, Speicherung und heiten der Produktionsstraßen kann RFID Verbesse- Analyse der Daten gekennzeichneter Objekte, die rungspotenziale schaffen, die mit herkömmlichen unter anderem über Bestände, Aufenthaltsorte, Auto-ID-Technologien nicht erreichbar sind. Geschäftsabläufe und Sicherheitskontrollen Auf- schluss geben. Dasselbe gilt für die Bereiche Verkehr und Logistik. Auch hier kann RFID die Transparenz der Abläufe Die Fertigung beispielsweise ist ein wichtiges Anwen- steigern und eine bessere Systemsteuerung und opti- dungsfeld, auf dem RFID ein hohes Verbesserungspo- mierung herbeiführen. Über diese Vorzüge hinaus tenzial verspricht. Erstanwender setzen die Technolo- erleichtert RFID auch Sicherheitsvorkehrungen.
14 European Policy Outlook RFID Gerade in Branchen wie der Flugsicherung oder der auf breiter Ebene eingeführt werden. Für andere gilt Containerverladung können Informationen zur es noch einige Probleme zu lösen, und die europäi- Sicherheit und Unversehrtheit direkt auf den Objek- schen Interessengruppen sind aufgerufen, die ver- ten angebracht werden. Da jegliche Manipulationen bleibenden Hindernisse gemeinsam zu überwinden. sofort entdeckt werden, dürfte RFID in diesem Die Problemstellungen unterscheiden je nach Bereich auch effizientere Inspektionen ermöglichen. Anwendungsfeld und Investitionsszenario; es geht Darüber hinaus senken RFID-Lösungen das Waren- um komplizierte Renditeberechnungen, Funktions- verlust- und Beschädigungsrisiko. Mit Hilfe von RFID mängel, das Fehlen weithin akzeptierter Standards lassen sich gekennzeichnete Objekte (z. B. Container und Standardlösungen sowie Datenschutzfragen. an einem Hafenliegeplatz) orten, und da auch ihr Sta- tus abgerufen werden kann, ist eine lückenlose Über- Daher befindet die Einführung von RFID noch im wachung gegeben. Des Weiteren bietet RFID Mög- Frühstadium und kann ihr volles Potenzial für Märkte lichkeiten eines verbesserten Asset Managements. und Bürger bei weitem noch nicht entfalten. Das Feh- Von den entsprechenden Anwendungen sind ausge- len von Standardlösungen stellt in einigen Anwen- prägte Effizienz- und Genauigkeitszuwächse zu dungsbereichen ein bedeutendes Einführungshin- erwarten (z. B. als Grundlage für Kostenbeteiligungs- dernis dar. Die bestehenden RFID-Anwendungen sind modelle). oft für einen bestimmten Zweck entwickelt worden und auf einen spezifischen Anwendungskonzept Auch zu einer größeren Flexibilität automatisierter zugeschnitten. In einigen Bereichen gibt es bis heute Transportprozesse wird RFID maßgeblich beitragen, keine Szenarien, die bewährte Praktiken und genaue da es den Weg eines Objekts entlang der Lieferkette technische Richtlinien vorstellen. Potenzielle Anwen- steuern und ihm Ressourcen zuweisen kann. Zusam- der müssen daher oftmals Einführungsanalysen vor- menfassend lässt sich sagen, dass sich mit RFID viel- nehmen und die technologische Umsetzung von fältige Gestaltungsmöglichkeiten für sichere, Grund auf neu entwickeln, da sie nicht auf Standard- geschützte und effiziente Logistikprozesse eröffnen. lösungen für ihre Branche zurückgreifen können. Für andere Anwendungsfelder gibt es Standards, die In der Handelsbranche bietet RFID sowohl Anbietern jedoch den Zielmärkten nicht bekannt sind, so dass als auch Verbrauchern von Konsumgütern Vorteile. bei den Betroffenen Informations- und Dialogbedarf Die oben angeführten Verbesserungen der Liefer- besteht. kette sind direkt auf den Handel übertragbar, setzen allerdings die Entwicklung preisgünstiger Technolo- Bei RFID-Anwendungen in Lieferkettenszenarios gilt gielösungen, aus Polymeren gefertigter Transponder es darüber hinaus die Lieferkette so zu gestalten, dass und druckbarer integrierter Schaltkreise voraus. Das das Potenzial von RFID durch wechselseitigen Daten- RFID-Etikett selbst kann problemlos in die Verpak- austausch voll ausgeschöpft werden kann. Viele kungsherstellung integriert werden, indem es ein- bestehende RFID-Anwendungen nutzen die erfassten fach auf den Karton gedruckt wird. Die Verbraucher- RFID-Daten, um lokale Logistik- oder Fertigungspro- freundlichkeit wird dadurch erhöht; beispielsweise zesse zu optimieren. Eine solche lokale Optimierung kann ein Kunde, der über ein mobiles Kommunikati- kommt jedoch nicht unbedingt der gesamten Wert- onsgerät verfügt, per RFID zu dem Regal geleitet wer- schöpfungskette zugute. Wenn die an der Wert- den, in dem das gewünschte Produkt liegt. Auch die schöpfungskette beteiligten Partner Produktionsda- Bearbeitung von Reklamationen und Rückgaben ten austauschen würden, dann könnten sie (z. B. wird vereinfacht, da alle erforderlichen Informatio- durch global optimierte Ablaufpläne) die gesamte nen auf dem Etikett des beanstandeten Produkt selbst Kette optimieren. gespeichert sind. Der Datenaustausch im Interesse global optimierter Herausforderungen und ungelöste Aufgaben hin- Wertschöpfungsketten birgt sowohl technologische sichtlich der Einführung und Verbreitung von RFID als auch organisatorische Herausforderungen. Das Für viele der oben aufgeführten Anwendungsfelder globale Optimum entspricht nicht unbedingt dem ist die RFID-Technik vollständig ausgereift und kann Pareto-Optimum, das jeder einzelne Beteiligte unter-
15 stützen würde. Zum Beispiel können Kosten und Nut- über Netzschnittstellen aus Datenbanken abgerufen, zen eines Datenaustauschs durchaus ungleich ver- oder sie befinden sich auf RFID-Transpondern, die mit teilt sein. Solchen Unausgewogenheiten könnte dem Objekt die Wertschöpfungskette durchlaufen. durch Kostenbeteiligungsmodelle und Ausgleichs- Beide Modelle weisen in Abhängigkeit von der jewei- zahlungen vorgebeugt werden. Die globale Optimie- ligen Anwendung Vor- und Nachteile auf. Wenn die rung und die volle Ausschöpfung des RFID-Potenzials Daten auf den Transpondern gespeichert sind, wer- erfordert detaillierte Modelle der Zusammenarbeit, den sie ohne Unterstützung durch ein Netz zuverläs- die auf die Anforderungen der jeweiligen Branche sig weitergegeben. Darüber hinaus sind die Informa- zugeschnitten sind. tionen stets direkt am gekennzeichneten Objekt ver- fügbar. Beim Datenaustausch über ein Netz dagegen Die praktische Verwirklichung dieser Zusammenar- können die Informationen unabhängig vom Ort des beit setzt voraus, dass IT-Dienstleister neue Software- Objekts abgerufen werden. Auf diese Weise werden lösungen auf den Markt bringen, deren Einsatzmög- Geschäftsereignisse nahezu in Echtzeit angezeigt, lichkeiten diejenigen des heute üblichen elektroni- was eine rasche Reaktion auf außergewöhnliche Vor- schen Datenaustausch bei weitem übersteigen. Diese fälle ermöglicht. Die Integration der Daten aus der Lösungen müssen die sichere und geschützte Verar- gesamten Wertschöpfungskette in einem einzigen beitung und Weitergabe von Daten in unterneh- vernetzten System dürfte darüber hinaus Möglichkei- mensübergreifenden Lieferketten ermöglichen und ten der Prozessoptimierung leichter erkennbar mit optionalen Schnittstellen zum EPCglobal-Netz machen. der Zukunft ausgestattet sein. Der Elektronische Pro- duktcode (EPC), eine Codierung für RFID, wird in vie- Lösungsansätze: Alle Interessengruppen in Europa, len Zusammenhängen als Standard für die Kenn- die sich unter wirtschaftlichen oder wissenschaftli- zeichnung von Objekten verwendet. Die Einführung chen Aspekten an der Debatte über RFID beteiligen, des EPC wird in erster Linie von dem Konsortium sind aufgefordert, die Normung weiter voranzutrei- EPCglobal vorangetrieben, das von GS1 und GS1 US, ben und zu gewährleisten, dass bei der Entwicklung ihrerseits Zusammenschlüsse von Industriegremien, von Normen alle Interessen gebührend berücksich- ins Leben gerufen wurde. tigt werden. Der Industrie muss bei der Gestaltung von Produktionsprozessen und Wertschöpfungsket- RFID-Lösungen mit Lesegeräten und Antennen tra- ten eine Vorreiterrolle übernehmen. Die Europäische gen nur dann zur Wertschöpfung bei, wenn die Über- Kommission und die Mitgliedstaaten sollten diesen tragung der ausgelesenen Daten entlang der Wert- Prozess genau beobachten und dafür sorgen, dass die schöpfungskette gewährleistet ist und wenn die Herausbildung von Standards auf dem Markt nicht angeschlossenen Unternehmen von deren Vertrau- durch vorzeitige Interventionen von Mitbewerbern lichkeit ausgehen können, also die Gewissheit haben, behindert wird. Die wichtigste Aufgabe aller Beteilig- dass die Mitbewerber, die an dasselbe Netz ange- ten – insbesondere der Gestalter privatwirtschaftli- schlossen sind, nicht auf vertrauliche Lieferkettenda- cher und/oder staatlicher Wertschöpfungsketten – ten zugreifen können. Das Fehlen solcher unterneh- besteht darin, sich über die Möglichkeiten der RFID- mensübergreifenden Softwarelösungen hemmt den Technik zu informieren, den Austausch bewährter Einsatz von RFID-Anwendungen gegenwärtig mehr, Praktiken (insbesondere für KMU) zu fördern und sich als technische Probleme. um branchenübergreifende Zusammenarbeit zu bemühen. Der unternehmensübergreifende Datenaustausch bringt nicht nur organisatorische Herausforderun- Als Anreizinstrument für groß angelegte europäische gen mit sich, sondern erfordert auch geeignete tech- RFID-Pilotprojekte bietet sich das Programm zur nologische Mittel. Bei der Datenübertragung per Unterstützung der IKT-Politik unter dem „Rahmen- RFID werden grundsätzlich zwei Paradigmen unter- programm für Wettbewerbsfähigkeit und Innova- schieden: „Informationen in einer Datenbank“ (Data tion“ an, das die Europäische Kommission 2007 auf- on Network) und „Informationen auf dem Transpon- gelegt hat, um die digitale Wirtschaft zu fördern, die der“ (Data on Tag). Die Daten werden also entweder sich infolge der Konvergenz von Netzdienstleistun-
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