Marktstudie Vereinigte Arabische Emirate - für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung - iMOVE
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Marktstudie Vereinigte Arabische Emirate für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung TRAINING – MADE IN GERMANY Eine Initiative vom
Marktstudie Vereinigte Arabische Emirate für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung TRAINING – MADE IN GERMANY
Impressum Herausgeber: iMOVE beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) Robert-Schuman-Platz 3 53175 Bonn Projektleitung: Dr. Thorsten Mrosek Inhalt: Deutsch-Emiratische Industrie- und Handelskammer (AHK) Abu Dhabi/Dubai http://vae.ahk.de/de/ahk-vae/ Projektleitung: Dipl.-Ing. Bernhard Schröder Autoren: Bernhard Schröder, Karolina D. Kuta, Racha Haidar Layout & Satz: MIC GmbH, Köln, www.mic-net.de Druck: print24 Haftungsausschluss: Alle Angaben wurden sorgfältig recherchiert und zusammengestellt. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts sowie für zwischenzeitliche Änderungen übernehmen die Autoren und Herausgeber keine Gewähr. Alle Rechte vorbehalten, auch die der fotomechanischen Wiedergabe und der Speicherung in elektronischen Medien. Diese Publikation wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt grundsätzlich bei iMOVE, für spezifische Inhalte bei der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer (AHK) Abu Dhabi/Dubai. Bildquellennachweis: AHK Abu Dhabi/Dubai: S. 9, 11, 17, 39 Getty Images: S. 7, 12, 13, 20, 26, 27, 31, 36 IAT: S. 23 iMOVE: S. 32 © Dezember 2010
Inhaltsverzeichnis Inhalt Zusammenfassung 7 1 Sozioökonomische, politische und gesellschaftlich-kulturelle Rahmenbedingungen 9 1.1 Politik, Gesellschaft, Kultur 9 1.2 Finanzen und Wirtschaft 11 1.3 Beziehungen zu Deutschland 12 2 Bildungssystem 13 2.1 Schulsystem 15 2.2 Hochschulbildung 16 2.3 Berufsbildung 19 2.4 Weiterbildung 21 2.5 Bildungspolitische Rahmenbedingungen, bildungsrelevante Behörden 21 2.6 Gesellschaftlich-kulturelle Stellung von Bildung 24 2.7 Spezifische Bildungsthemen 25 2.8 Beziehungen zu Deutschland im Bereich der Bildung 25 3 Aus- und Weiterbildungsmarkt und Exportmöglichkeiten 27 3.1 Status quo, Bedarf 27 3.2 Qualität und Preisniveau 29 3.3 Struktur des Bildungsmarkts, inländische Bildungsträger, Bildungsangebote 30 3.4 Internationale Anbieter 33 3.5 Deutsche Anbieter – Chancen, Potenziale, Hindernisse, Handlungsempfehlungen 33 3.6 Politische und rechtliche Rahmenbedingungen 37 3.7 Finanzielle und fachliche Rahmenbedingungen 38 3.8 Zertifizierung von Abschlüssen 39 4 Informationsangebote, Kontakte und Marketingmöglichkeiten 40 4.1 Relevante Institutionen 40 4.2 Messen und Fachveranstaltungen 44 4.3 Recherchemöglichkeiten und Fachmedien 44 Quellen- und Literaturverzeichnis 47 5
Zusammenfassung Die Vereinigten Arabischen Emirate haben innerhalb dungspolitik in den VAE – neben der Wirtschaftspoli- von gerade einmal 50 Jahren einen Transformations- tik – höchste Priorität. Der größte Posten im föderalen prozess von einer ausgesprochen armen Beduinenre- Budget 2010 ist für den Bildungssektor vorgesehen. gion ohne staatlichen Rahmen zu einem der reichsten, modernsten und technologisch anspruchsvollsten Durch gezielte Maßnahmen sollen einerseits einhei- Länder der Welt durchlaufen. Die noch immer hohe mische Schüler, Studierende und Erwerbslose auf be- Dynamik dieses Prozesses resultiert sowohl aus vorstehende berufliche Herausforderungen vorbereitet enormen Erdöleinnahmen als auch aus der starken werden, andererseits gibt es einen erheblichen Qualifi- Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte. Inzwischen zierungsbedarf für im Berufsleben stehende Emirati. hat sich eine Gesellschaft entwickelt, in der die emira- tischen Staatsbürger mit einem Bevölkerungsanteil von Das Bildungssystem in den VAE orientiert sich stark deutlich unter 20 % eine in Bezug auf Status, Einkom- am angelsächsischen Modell. Bei den kommerziellen men und soziale Sicherheit elitäre Minderheit bilden. Bildungsanbietern dominiert die (auch in der Fach- Derzeit sind 96 % der berufstätigen Staatsangehörigen sprache so bezeichnete) „Bildungsindustrie“ aus den der VAE mit generösen Einkommen und moderaten USA, Großbritannien und Australien den Markt. Diese Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst beschäftigt. baut mit konzertiertem Vorgehen und politischer Unterstützung ihrer Regierungen kontinuierlich ihren Im Rahmen der mit hoher politischer Priorität verse- Marktanteil aus. Eine Vielzahl staatlicher und privater henen „Emiratisierungskampagne“ soll der Anteil der Schulen, Universitäten, Colleges, Akademien, Institute in der Wirtschaft tätigen Emirati deutlich gesteigert und anderer Bildungseinrichtungen deckt bislang die werden. Das erfordert, dass diese nach internationalen Nachfrage nach Bildungsangeboten ab. Allerdings Standards ausgebildet sind. Somit genießt die Bil- kommt die Qualität der Ausbildung, ob in staatlichen 7
Zusammenfassung oder privaten Bildungseinrichtungen, nur in Ausnah- Bildungswesens sollte eine Entscheidung über einen mefällen an die in Deutschland übliche heran. Markteintritt schnell erfolgen. Allerdings müssen für eine erfolgreiche Platzierung von Bildungsangeboten Im Bereich der beruflichen Ausbildung gehen seit kur- recht anspruchsvolle Voraussetzungen erfüllt sein. zem einige staatliche Einrichtungen neue Wege. Der Verzahnung von praktischer Ausbildung und theore- Notwendig ist eine hohe Reputation, ein innovatives tischem Unterricht wird inzwischen eine zunehmende Angebot, solider finanzieller Background, Erfahrung Bedeutung beigemessen. Unternehmen der privaten mit internationalen Projekten und unternehmerisches und staatlichen Wirtschaft engagieren sich mehr und Stehvermögen. Der Betrieb einer Bildungseinrich- mehr im beruflichen Bildungswesen. tung setzt ggf. eine vorherige Lizenzierung durch die Commission of Academic Accreditation sowie eine Sowohl die Berufsausbildung als auch die Weiterbil- Akkreditierung der Lehrprogramme voraus. Da inter- dung stehen im besonderen Fokus der Vereinigten national anerkannten Bildungsabschlüssen eine immer Arabischen Emirate. Insbesondere hier eröffnen sich wichtigere Rolle zukommt, sollte dies entsprechend für deutsche Bildungsdienstleister Marktchancen. berücksichtigt werden. Eine Repräsentanz vor Ort und die Berücksichtigung der traditionellen arabischen Benötigt werden Maßnahmen für Jungakademiker, um Mentalität der Emirati ist erforderlich. diese auf ihre Berufspraxis vorzubereiten, und für im Berufsleben stehende Emirati, um sie für höherwertige Für eine bessere Vermarktung deutscher Bildungsange- Aufgaben zu qualifizieren. Daneben gibt es eine relativ bote wären die Entwicklung einer Marktstrategie und hohe Anzahl von Studienabsolventen in nicht auf dem Etablierung einer Marke „Deutsche Bildung“ unter Markt benötigten Fachrichtungen, die umgeschult Einbeziehung aller Akteure, also Bildungsdienstleister werden müssen. Spezialisierte Fortbildungsmaßnah- und verantwortliche Behörden/Institutionen, sowie die men für seit längerem im Beruf stehende Emirati mit diplomatische und politische Flankierung der Imple- dem Ziel, diese mit neuen Technologien und betrieb- mentierung erforderlich. Eine schnelle Umsetzung ist lichen Abläufen vertraut zu machen, ist ebenfalls ein geboten. Das Bildungssystem der VAE, und das gilt in erfolgversprechendes Marktsegment. Daneben besteht besonderem Maße für die berufliche Bildung, befin- ein deutlicher Bedarf für den Betrieb von praxisbezo- det sich in starkem Wandel. Noch ist nicht entschie- genen Ausbildungseinrichtungen für Schulabgänger den, welche Art der Berufsbildung sich letztlich fest sowie Schul- und Studienabbrecher. Auch fehlen etablieren wird. Verschiedene Ansätze werden derzeit Aus- und Fortbildungsangebote für Berufsschullehrer. erprobt. Jedoch ist zu befürchten, dass ohne zeitnahe Deutsches Know-how genießt vor allem in techni- und nachdrückliche Schritte dieser Exportmarkt für schen Disziplinen hohes Ansehen, deshalb sind gerade deutsche Berufsausbildung verloren gehen wird. Eine derartige Angebote am erfolgversprechendsten. Deut- Delegationsreise von Bildungsdienstleistern unter sche Bildungsanbieter haben in den o. a. Bereichen hochrangiger politischer Leitung kann ein entschei- grundsätzlich gute Marktchancen. Wegen der hohen dender Schritt zur Etablierung deutscher Bildung sein. Dynamik in der Entwicklung und im Umbau des VAE- 8
1 Sozioökonomische, politische und gesellschaftlich-kulturelle Rahmenbedingungen 1.1 Politik, Gesellschaft, Kultur zeitig Herrscher des Emirats Abu Dhabi. Vizepräsident und Premierminister ist der Herrscher von Dubai, Scheich Mohammed bin Raschid Al Maktoum. Die Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind ein Regierungsform ist eine präsidiale Monarchie mit föderaler Bundesstaat. Die einzelnen Emirate – nach traditionellen Beratungselementen. Anstelle eines ihrer Größe Abu Dhabi, Dubai, Sharjah, Fujayrah, Ra’s demokratisch gewählten Parlaments gibt es nur ein Al Khaymah, Umm al Qaywayn, Ajman – besitzen den Präsidenten beratendes Gremium, den Nationalen jedoch große ökonomische, religiöse und kulturelle Bundesrat. Er besteht aus 40 Mitgliedern. Die Hälfte Selbstständigkeit innerhalb des Gesamtstaates. Dies gilt davon wird in indirekter Wahl gewählt, die andere auch und besonders für den Bereich der beruflichen Hälfte wird von den Scheichs ernannt. Staatsreligion in Bildung und Weiterbildung. den VAE ist der Islam (97 % Sunniten und Schiiten) in einer gemäßigt liberalen Auslegung. Es bestehen kaum Das oberste Verfassungsgremium ist der Herrscherrat. Einschränkungen oder Akzeptanzbarrieren gegenüber An der Spitze des Staates steht der von den Regenten anderen Religionen. auf eine Amtszeit von fünf Jahren gewählte Präsident, derzeit Scheich Khalifa bin Zayed Al Nahayan, gleich- Übersichtskarte VAE 9
1 Sozioökonomische, politische und gesellschaftlich-kulturelle Rahmenbedingungen Außenpolitisch spielen die VAE innerhalb der Region cherung und nur eine Basis-Krankenversicherung. Bei eine wichtige moderierende Rolle. Gemeinsam mit den Verlust des Arbeitsplatzes droht die Ausweisung. anderen Golfstaaten existieren Vorbehalte gegen einen politisch und militärisch dominierenden Iran. Die Emiratische Staatsangehörige genießen vollen staatli- internationale Zusammenarbeit mit westlichen Län- chen Schutz in allen sozialen Belangen. Neben einer dern ist sehr gut. Die VAE sind zudem als langjähriges kostenfreien Krankenversicherung, einer großzügigen Mitglied in den Vereinten Nationen und zahlreichen Arbeitslosenversicherung und Altersversorgung gibt es anderen internationalen Organisationen vertreten (vgl. jetzt auch die Möglichkeit, nach 30 Erwerbsjahren aus Auswärtiges Amt, Länderinformation 2010). dem Arbeitsleben auszuscheiden. Alle Bildungsange- bote sind für Emirati kostenlos. Schüler und Studenten Prägend für die Gesellschaft der VAE ist der extrem erhalten ein staatliches Salär. hohe Ausländeranteil, enorm hohe Einkommensunter- schiede und das durchschnittlich geringe Lebensalter Nach offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenquote der Bevölkerung. Nur höchstens 18 % der Einwohner bei rund 4 %, wobei die versteckte Arbeitslosigkeit mit sind emiratische Staatsbürger, wobei nicht sicher ist, geschätzten 12 % – 15 % erheblich höher liegt. Dies ist wie viele Menschen eigentlich in den VAE leben. Nach dem Umstand zuzuschreiben, dass 76 % der weiblichen neuesten Angaben sollen es 7,5 Mio. sein (vgl. arabian- und 39 % der männlichen erwerbsfähigen Emirati business.com 2010). Bei Redaktionsschluss der Studie grundsätzlich keine Veranlassung sehen zu arbeiten lagen die Ergebnisse des Ende 2009 durchgeführten (vgl. Gulf News, UAE need its people to work 2010). Makrozensus noch nicht vor. Der öffentliche Dienst, in dem fast alle berufstätigen Die Bevölkerung der VAE wächst enorm. Je nach Emirati beschäftigt sind, ermöglicht inzwischen kaum Quelle beträgt die Bevölkerungswachstumsrate noch Neueinstellungen. Deshalb ist die Regierung der 2,3 % oder, realistischer, 10 % bei Berücksichtigung VAE im Rahmen der mit hoher politischer Priorität der Zuwanderung. 56 % der Bevölkerung sind unter versehenen „Emiratisierungskampagne“ bestrebt, 29 Jahre alt. Der Urbanisierungsgrad ist hoch und wird junge Emirati für eine Berufstätigkeit in der Wirtschaft weiter steigen. Die Migration aus ländlichen Regionen zu motivieren. Eine nachhaltige Bildungsoffensive, wird zunehmen und das Stadt-Land-Gefälle verstär- die vor gut zwei Jahren gestartet wurde, soll dabei ken. Prognostiziert wird die Entstehung eines großen eine hohe Qualifizierung der Berufsanfänger gewähr- Ballungsraums an der Küste entlang von Abu Dhabi leisten. Deutlich mehr Frauen als Männer besuchen über Dubai, Sharjah bis nach Ra’s Al Khaymah mit 20 Universitäten und ein noch größerer Anteil von ihnen Mio. Bewohnern innerhalb der nächsten 20 Jahre. absolviert erfolgreich eine akademische Ausbildung. Emiratische Frauen sind im Wirtschaftsleben rechtlich Neben einer kleinen Gruppe von hoch qualifizierten den Männern gleichgestellt. Ihre Berufstätigkeit wird und gut dotierten überwiegend westlichen Ausländern seitens des Staates gefördert. bestimmen große Gruppen indischer und pakistani- scher Staatsbürger sowie kleinere Gruppen aus Asien Das Interesse an Kultur, sowohl an der westlich gepräg- (China, Philippinen, Thailand, Korea, Iran, Afghanis- ten Hochkultur als auch am eigenen kulturellen Erbe, tan, Bangladesch) und arabischen Ländern Straßenbild ist ausgeprägt. Es bestehen zahlreiche kulturelle Kon- und Arbeitsmarkt (vgl. ArabianBusiness 2010). Sie takte zwischen den VAE und Europa/USA. Konzerte sind weit überwiegend als Billigarbeiter in Service- weltberühmter Orchester, hochkarätige museale Events bereichen und auf dem Bau tätig, arbeiten jedoch bei – Louvre und Guggenheim haben eine Dependance entsprechender Qualifikation auch im Management eröffnet – ermöglichen einen dichten Terminkalender emiratischer Unternehmen. Die soziale Absicherung für kulturell Interessierte. der Arbeiter ist mangelhaft. Es gibt keine Rentenversi- 10
1 Sozioökonomische, politische und gesellschaftlich-kulturelle Rahmenbedingungen Bundeskanzlerin Merkel 2010 zu Gast in den VAE dies ein statistischer Durchschnittswert ist und nur 1.2 Finanzen und Wirtschaft emiratische Staatsangehörige und westliche Experten über hohe Einkommen verfügen. Die große Masse der Die Währung der VAE, der Arab Emirates Dirham Billiglohnarbeiter verdient um die 3.000 USD jährlich. (AED), ist an den US-Dollar (USD) gebunden und frei konvertierbar. Ein USD entspricht dem Wert von 3,673 Generell ist die gesamtwirtschaftliche Situation der AED. Die Finanzlage der VAE ist sehr solide. Während VAE – auch die Verwerfungen auf den internationalen Abu Dhabi durch enorme Einnahmen aus der Ölför- Finanzmärkten haben nur eine Delle hinterlassen – derung und Dubai mit seinen Häfen sowie seinem durch beständig hohe ökonomische Wachstumsraten Handel und als Finanzzentrum mit einem positiven gekennzeichnet. Mannigfaltige Investitionsanreize Staatshaushalt disponieren kann, sind andere Emirate fördern lukrative Geschäftsmöglichkeiten in den unter- mit geringer oder ohne Ölförderung auf einen institu- schiedlichsten Wirtschaftssektoren für Unternehmen tionalisierten Finanzausgleich angewiesen. Daraus und aus aller Welt. Neben steuerbefreiten Unternehmens- aus der Tatsache der stark divergierenden Flächengrö- gewinnen garantieren die VAE den freien Rücktransfer ßen und Bevölkerungszahlen folgt, dass die einzelnen von Erträgen aus Direktinvestitionen. Dabei werden Emirate von sehr unterschiedlichem ökonomischem Investitionen überwiegend in den nachfolgend er- und politischem Gewicht innerhalb der VAE sind. wähnten vier Schlüsselbranchen getätigt: Die VAE verfügten innerhalb der Arabischen Liga Neben der Förderung und Verarbeitung fossiler Ener- im Jahr 2009 nach Saudi Arabien mit 247 Mrd. USD gieträger (Erdöl und Erdgas) spielt das Baugewerbe über das zweithöchste Bruttoinlandsprodukt. Das eine bestimmende Rolle. Die derzeit geplanten und durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei teilweise bereits in Realisierung befindlichen Infra- rund 41.000 USD. Dies ist umso bemerkenswerter, da strukturprojekte in Höhe von umgerechnet 150 Mrd. € 11
1 Sozioökonomische, politische und gesellschaftlich-kulturelle Rahmenbedingungen Schüler der Millennium School in Dubai verdeutlichen das vorhandene Potenzial. Daneben ist regelmäßig durch hochrangige, wechselseitige Konsul- Dubai das größte Finanz- und Handelszentrum des tationen und Besuche gepflegt. Seit 2004 besteht eine Nahen und Mittleren Ostens. Der Tourismus spielt strategische Partnerschaft, die seither stetig ausgebaut zwar eine zunehmende Rolle, ist im Vergleich mit den wurde. Bundeskanzlerin Angela Merkel war zuletzt im genannten Branchen jedoch noch zu vernachlässigen. April 2010 zu Gast in den VAE. Deutsche Touristen und Unternehmer erhalten ihr Besuchervisum unbüro- Obwohl die nachgewiesenen Erdölvorräte nach Schät- kratisch und kostenlos bei der Einreise. zungen noch 25 Jahre lang eine Förderung auf derzei- tigem Niveau erlauben, versucht die Regierung, mit Di- Das Handelsvolumen mit Deutschland betrug im versifizierungsmaßnahmen in Tourismus, Handel und Durchschnitt der letzten drei Jahre ca. 6 Mrd. €, davon Logistik den derzeitigen Wohlstand für die Zukunft zu waren ca. 5,5 Mrd. € Exporte von Deutschland in die sichern (vgl. Germany Trade & Invest, Wirtschaftsdaten VAE. Damit steht Deutschland nach Indien, China kompakt 2010; Auswärtiges Amt, Länderinformationen und den USA an vierter Stelle der Lieferländer. Aus VAE Wirtschaft 2010). Deutschland importiert werden vor allem Maschi- nen, Kraftfahrzeuge, Elektrotechnik, Elektronik und chemische Erzeugnisse (vgl. Germany Trade & Invest, Wirtschaftstrend 2010). Die VAE sind für die deutsche Wirtschaft ein interes- 1.3 Beziehungen zu santer Standort. Bei der Deutsch-Emiratischen Indust- Deutschland rie- und Handelskammer (AHK) sind knapp 350 deut- sche Unternehmen als Mitglieder registriert. Sie sind meist in Form einer Niederlassung, Zweigstelle oder Die Beziehungen zu Deutschland sind auf allen Ebenen Repräsentanz in den VAE vertreten. Nach Schätzung und in jedem Bereich ausgezeichnet. Wie in den meis- der AHK liegt die Anzahl aller deutschen Unterneh- ten arabischen Staaten wird Deutschland mit positiven men in den VAE bei rund 800. Etwa drei Viertel von Eigenschaften assoziiert. Deutsche Technik hat einen ihnen sind vor allem in Dubai, aber auch den nörd- exzellenten Ruf. Dies gilt auch für das Feld der Bil- lichen Emiraten vertreten, etwa 25 % in Abu Dhabi. dung, insbesondere der Berufsbildung. Die politischen Wegen der sehr unterschiedlichen Rechtsregelungen Beziehungen zwischen Deutschland und den VAE sind und Geschäftsusancen ist eine gründliche, umfassende freundschaftlich und werden im bilateralen Interesse Beratung vor dem Markteintritt unabdingbar. 12
2 Bildungssystem Bildung genießt seit gut zwei Jahren, mit Beginn der Seit 2009 wird deren infrastrukturelle Qualität wie „Emiratisierungskampagne“ in den VAE, hohe politi- auch die Durchführung der Beschulung beaufsichtigt. sche Priorität. Sie bildet einen wichtigen Meilenstein hinsichtlich der Entwicklung zu einer hochtechnologi- Der übliche Bildungsweg in den VAE ist der verpflich- schen, wissensbasierten Gesellschaft (vgl. Government tende Besuch des Kindergartens, der Primary School, Communications Office, Government Strategy 2011- der Preparatory School und der Secondary School. Da- 2013 2010). Die hierfür erforderlichen Mittel wurden ran anschließend folgt entweder ein weiterführendes durch die Regierung der VAE bereitgestellt. So beläuft Studium oder ein Post-Secondary-Trainingsprogramm sich das Budget für den Ausbau des Bildungssektors an privaten und öffentlichen Trainingseinrichtungen allein im Jahr 2010 auf 2,7 Mrd. USD. oder neuerdings der Besuch einer staatlichen Aka- demie für eine praxisbezogene Ausbildung. Letzte- VAE-weit gültige Regelungen und Standards für den re bieten ebenfalls Studienprogramme an. Nur ein Bildungsbereich sollen sowohl die Qualität als auch die geringer Anteil aller männlichen Emirati erreicht Einhaltung fundamentaler Lehrcurricula gewährleis- einen Abschluss an einer Universität. Das emiratische ten. Dies gilt für allgemeinbildende Schulen, univer- Bildungssystem ist jedoch bemerkenswert offen und sitäre Bildungseinrichtungen und seit 2009 auch für durchlässig für Nachqualifizierungsmaßnahmen, auch Teilbereiche der beruflichen Ausbildung. Für die all- für Schulabbrecher oder zunächst Lernunwillige. Diese gemeinbildenden Schulen gibt es noch keine verbind- werden intensiv betreut und gefördert. lichen Curricula, da diese abhängig von ihrer Träger- schaft mit verschiedenen Bildungskonzepten arbeiten. Schülerinnen einer Public School in Dubai an ihrem ersten Schultag 13
2 Bildungssystem Bildungssystem in den Vereinigten Arabischen Emiraten Qualifikation Schule Erwachsenenbildung Berufsausbildung Akademische Ausbildung Doctorate Master Higher Universi Colleges täten Bachelor Staatl. Akade- Higher Diploma mien Berufsbil Diploma dungsein richtungen Foundation Year Certificate Post Secondary Erwachsenen- Education bildung sowie 10. – 12. Schuljahr Secondary Education Staatliche und Private Trainings- 7. – 9. Schuljahr Preparatory einrichtungen Education 1. – 6. Schuljahr Primary Education 0 Kindergarten Hochschule Bachelor VAE: akad. Grad Quelle: AHK Abu Dhabi/Dubai, 2010 obligatorisch In den VAE gibt es eine große Anzahl privater und Hier können auch Schüler anderer arabischer Natio- mitunter recht teurer Bildungseinrichtungen. Sie sind nen unterrichtet werden. Auch an einigen staatlichen überwiegend auf die Erziehung von nichtemiratischen Universitäten können Ausländer studieren. Wenn Schülern und Studierenden fokussiert. staatliche Bildungseinrichtungen ausnahmsweise für Ausländer zugelassen sind, werden hohe Gebühren Staatliche Bildungseinrichtungen sind für Emirati kos- erhoben. Die materielle und personelle Ausstattung tenlos, bleiben jedoch grundsätzlich auch emiratischen der staatlichen Schulen ist ausgezeichnet. So liegt das Staatsangehörigen vorbehalten. Ausnahmen gibt es Lehrer-Schüler-Verhältnis im Kindergarten und der lediglich im Bereich der allgemeinbildenden Schulen. Elementary School bei 1:20, im Intermediate und Secon- 14
2 Bildungssystem dary-Bereich bei 1:15. Auch in ländlichen Regionen ist Sharjah gibt es auch jeweils eine deutsche Schule mit der Schulbesuch problemlos möglich. Erwähnenswert insgesamt fast 430 Schülern. ist, dass es im Bereich der tertiären Bildung praktisch keine emiratischen Lehrkräfte gibt (vgl. Dubai Statistic Die Schulpflicht dauert bis zum 14. Lebensjahr, jedoch Center 2009). soll in Kürze eine Altersgrenze von 18 Jahren obligato- risch werden. Der mehrstufige Aufbau soll eine solide Grundlage für eine umfassende Allgemeinbildung schaffen. Allerdings erreichen nicht alle Schüler dieses Bildungsniveau, so dass teils nach Ende der staatlichen Schulpflicht und teils nach der Secondary Education 2.1 Schulsystem zahlreiche Schulabgänger keine weiterführenden Bildungsmöglichkeiten wahrnehmen. Vor Beginn eines In den VAE gab es 2009 rund 643.000 Schüler, von Studiums besuchen derzeit 94 % aller Studienwilligen denen 42 % an öffentlichen Schulen und 58 % an pri- im Rahmen eines Foundation Year so genannte Com- vaten Schulen unterrichtet wurden. Den Großteil der pulsatory Courses, um die Studierfähigkeit vor allem Schüler an öffentlichen Schulen, insgesamt 269.000, in den Fächern Naturwissenschaften, Mathematik und bildeten mit 218.000 Personen emiratische Staatsan- Englisch herzustellen (vgl. Dubai Ministry of Educa- gehörige sowie 51.000 Schüler aus anderen arabischen tion, Education Strategy 2010-2020 2010). Etwa 95 % Ländern. Von den 374.000 Schülern an privaten Schu- aller weiblichen und rund 80 % der männlichen Schul- len stammten 180.000 vom indischen Subkontinent abgänger des Secondary-Levels beginnen ein Studium (Indien, Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka), 34.000 an einer weiterführenden Bildungseinrichtung (vgl. aus westlichen und 76.000 aus anderen Ländern. Auch arabiancampus 2010). 84.000 Emirati lernten an privaten Schulen. Von den 1.190 Schulen sind 61 % öffentliche Schulen und 39 % Privatschulen. In den Emiraten Abu Dhabi, Dubai und Öffentliche und private Schulen in den einzelnen Emiraten 303 privat öffentlich 178 149 124 90 79 81 61 41 25 22 19 25 4 Abu Dhabi Dubai Sharjah Ras al-Khaimah Ajman Fujairah Umm al-Quwain Quelle: AHK Abu Dhabi/Dubai, 2010 15
2 Bildungssystem Tatsache ist, dass sich das Schulsystem in den VAE mit- 2.2 Hochschulbildung ten in einem durchgreifenden Reformprozess befindet. Mitte September 2010 wurden Lehrer und Angehörige der Bildungsadministration über die Neuerungen In den VAE gibt es eine große Anzahl an staatlichen unterrichtet, die das New School Model mit sich bringt. und privaten Universitäten und hochschulartigen Wesentliche Aspekte sind die künftig konsequente Ausbildungsstätten. Diese bieten manchmal in Part- Zweisprachigkeit des Unterrichts bereits ab dem Kin- nerschaft mit staatlichen Unternehmen verschiedene dergarten (englisch/arabisch) sowie ein Paradigmen- industrienahe technische, jedoch vor allem kaufmän- wechsel in der Lehreraus- und -fortbildung. Außerdem nische Studienprogramme an. Die renommiertesten will man sich vom Routine-Lernen verabschieden Universitäten sind die United Arab Emirates University und vermehrt kritisches Denken, forschendes Lernen, mit einem sehr breiten Fächerangebot, die Higher Problemlösefähigkeit und Führungsstärke fördern (vgl. Colleges of Technology, ein amerikanisch geprägter Jonda, Das Stichwort heißt Bi-Literal 2010). Hochschultypus mit der Betonung auf einer praxis- orientierten Ausbildung in technischen Fächern, die Zayed- sowie die Khalifa University. Seit Ende der 1980er Jahre entstanden neben den staatlichen Übersicht über die Aufteilung von Schülern nach Ethnien und Schultyp (2009) Öffentliche Schulen 42% Privatschulen 58% 218.000 180.000 Emirati indischer Subkontinent 84.000 Emirati 51.000 Araber anderer Nationalität 76.000 269.000 andere (v. a. Philippinen und Pakistan) 34.000 westl. Länder Quelle: AHK Abu Dhabi/Dubai, 2010 374.000 16
2 Bildungssystem Khalifa University in Abu Dhabi Hochschulen einheimische private Universitäten sowie In den meisten Fällen kann nicht ohne weiteres Zweigstellen ausländischer Hochschulen. Die meisten festgestellt werden, über welche akademische Repu- Anbieter kommen aus den USA und Großbritannien, tation die Bildungseinrichtungen verfügen. Gewisse die das angelsächsische Hochschulsystem an den Golf Hinweise lassen sich über die Akkreditierungs- und exportierten. Drittgrößter Bildungsanbieter ist Austra- Lizenzierungsinstanzen ermitteln. Bislang wurden lien. Deutsche Hochschulen haben die Kooperations- 69 Bildungseinrichtungen von der Commission for und Geschäftschancen mit VAE-Universitäten bisher Academic Accreditation (CAA) lizenziert. Darin erfasst noch wenig genutzt. sind jedoch auch Undergraduate-Studiengänge, welche nach deutschem Verständnis eher Fortbildungssemi- Aufgrund der Angebotsvielfalt ist es nur schwer nare und Qualifizierungsmaßnahmen sind und damit möglich, einen umfassenden Überblick über das eigentlich dem Bereich der beruflichen Aus- oder Wei- akademische Bildungsangebot zu gewinnen. Neben terbildung zuzuordnen wären. Für höhere Bildungsein- den Universitäten gibt es staatliche und private Bil- richtungen ist eine Lizenzierung der Anstalt und eine dungseinrichtungen, die zwar akademische Abschlüsse Akkreditierung des Bildungsangebots durch die CAA anbieten, aber überwiegend der Weiterbildung dienen. obligatorisch. Jedoch beinhalten diese Bestimmungen Viele Universitäten haben Campi in mehreren Emira- nur Mindestanforderungen und lassen keine Aussage ten mit – auch qualitativ – unterschiedlichen Studien- über die tatsächliche Qualität der Lehre zu (vgl. CAA, angeboten. Daneben operieren viele den Universitäten Active Programs 2010). zugehörige Institute als spezialisierte, selbstständige Anstalten. 17
2 Bildungssystem In den VAE erwerbbare, in Deutschland jedoch nicht bekannte akademische Grade Bereich Associate Diploma in Higher National Higher Education Diploma Studiendauer 2 Jahre 2 Jahre 2 Jahre Beschreibung, Inhalt Studienprogramm an US-Com- äquivalent mit Bachelorab- fundierte Studieninhalte mit munity Colleges ausgerichtet, schluss sowohl wissenschaftlichem mit optionalen Terminal- oder als auch praktischem Bezug, Transfer Degrees, welche jedoch eröffnen andere Fächer die Möglichkeit, sich für das A) abgeschlossene Berufsaus- letzte Jahr eines Degree-Pro- bildung gramms zu bewerben B) Quereinstieg in ein BA-Studium ermöglichen Abschluss Associate in... DipHE HND Akademisches niedrig mittel-hoch abhängig von Wahl zwischen Niveau Terminal- und Transfer Degrees Anerkennung in der EU nicht anerkannt in Westeueropa nicht etabliert, nur in VAE und GCC-Staaten ansonsten hoch Anmerkung für Nicht-Emirati nur in Form keine keine einer Weiterbildung sinnvoll Bereich Master of Business Postgraduate Certificate Diploma Administration Certificate Studiendauer 1-2 Jahre 1-2 Jahre Max. 1,5 Jahre 1-2 Jahre Beschreibung, Inhalt Generalistisches Ergänzung zu den im Weiterbildung stark variabel, abhän- Managementstudium BA erworbenen Kennt- gig von Fachrichtung mit praxisorientierter nissen und Institut Ausrichtung Abschluss MBA GD/PDG Zertifikat in Form eines Zertifikat in Form eines Leistungsnachweises Leistungsnachweises bzw. Teilnahmebe- bzw. Teilnahmebe- scheinigung scheinigung Akademisches mittel niedrig-mittel niedrig niedrig, in D vergleich- Niveau bar mit Facharbeiter- brief Anerkennung international nur VAE und GCC abhängig von der in angelsächsischen Staaten Zertifizierung und Ex-Koloniestaaten Akkreditierung der anerkannt, ermöglicht ausbildenden Institute z. T. Einstieg in Master- studiensemester Anmerkung gewährt Promotions- Anspruch liegt zwisch- keine keine zugang en BA- und MA-Titel, stark berufsorientiert Quelle: AHK Abu Dhabi/Dubai, 2010 18
2 Bildungssystem Es wird in den VAE eine große Anzahl von Studien- 2.3 Berufsbildung gängen angeboten, die mit einem Master- oder einem Bachelorabschluss enden. Daneben gibt es noch wei- tere Abschlüsse (Diploma, Higher Diploma, Graduate Die Regierung der VAE hat erkannt, dass eine qualifi- Certificate und Associate) unterhalb dieser Ebene. zierte Ausbildung der Jugend für die Zukunft der VAE Die Studiengänge sind viel stärker als in Deutschland von großer Bedeutung ist. Deshalb ist Berufsbildung üblich auf das Fachgebiet fokussiert. Die meisten der einer der Schwerpunkte der Bildungsoffensive und ein oben genannten akademischen Berufsabschlüsse sind, Schlüsselelement der „Emiratisierungskampagne“. Der- wenn überhaupt, nur bedingt international anerkannt. zeit werden verschiedene Ansätze erprobt, um einen Die Mehrheit der erwerbbaren Bildungsabschlüsse für die VAE optimalen Weg der beruflichen Ausbil- stimmt dem Namen nach mit denen nach den westli- dung zu identifizieren. chen Wissenschaftsstandards vergebenen überein, ist inhaltlich jedoch nicht äquivalent. Ebenso verhält es Die von Staat und Gesellschaft bisher antizipierte „üb- sich mit Certificates, welche eher eine Kursteilnahme liche“ Berufsbildung eines Emirati ist nach Abschluss bescheinigen als die erworbene Qualifikation des Stu- der Secondary Education ein Studium mit entspre- denten bestätigen. Bislang ist nur ein Master-Abschluss chendem Abschluss. Grundsätzlich wird nicht unter- der staatlichen Bildungseliten – United Arab Emirates schieden, um welchen Abschluss es sich dabei handelt. University, Zayed University und dem Higher College of Danach erfolgt ein Training on the Job-Programm im Technology – sowie in bestimmten Fachbereichen der einstellenden Unternehmen und/oder die Teilnahme Khalifa University mit einem Abschluss einer deut- an arbeitsplatzbezogenen Aus- und Fortbildungs- schen Universität oder Hochschule vergleichbar. Die maßnahmen. Allerdings ist dieser Berufsbildungsweg Übersichten beinhalten die in den VAE erwerbbaren, zumindest bei den jungen männlichen Emirati bislang in Deutschland jedoch nicht bekannten akademischen doch eher die Ausnahme. Es war möglich, und häufig Grade. war das in der Vergangenheit bei jungen Emirati auch der Fall, zunächst ohne abgeschlossene Ausbildung im Es existiert nur wenig verlässliches Datenmaterial dar- öffentlichen Dienst zu arbeiten und sich währenddes- über, wie viele Studenten in den VAE an privaten und sen oder im Anschluss an die Arbeitsphase ggf. zu qua- staatlichen Einrichtungen, die unter den Oberbegriff lifizieren. Derartige Maßnahmen werden sowohl von der Higher Education fallen, immatrikuliert sind, und Universitäten als auch von anderen Bildungsinstituti- wie viele davon ein Studium erfolgreich abschließen. onen angeboten und können durch einen erstmaligen Die Angaben schwanken stark. Im Frühjahrssemester Erwerb eines akademischen Rangs belohnt werden. 2010 waren insgesamt fast 60.000 Studierende immatri- Auch eine Weiterbildung mit dem Ziel eines höheren kuliert (vgl. CAA, Enrollment 2010). Nach Auskünften akademischen Titels wird gefördert. Künftig soll dieser emiratischer Gesprächspartner verlässt eine hohe An- Weg jedoch nur noch in Ausnahmefällen offen stehen. zahl von Studierenden die höheren Bildungseinrich- tungen ohne Abschluss. Zahlenangaben waren nicht Eine duale Berufsausbildung nach deutschem Muster ist zu ermitteln. Die Größenordnung eines erfolgreichen in den VAE nicht etabliert. Der deutsche „Facharbeiter“ Abschlusses in Höhe von maximal 20 % des Jahrgangs genießt zwar hohes Ansehen und einige bedeutende ist eine grobe Schätzung. Unternehmen unterstützen auch den Gedanken einer dualen Ausbildung. Andererseits jedoch hemmen mentale und kulturelle Barrieren eine institutionalisier- te Einführung. Die Gründe dafür liegen vor allem in der gesellschaftlichen Bedeutung eines akademischen Titels, und sei es ein Diploma oder Associate. Daneben widerspricht es dem Selbstverständnis eines Emirati, als blue collar worker zu gelten. Man assoziiert damit eine Gleichsetzung mit den aus asiatischen Ländern und dem indischen Subkontinent zugewanderten Arbeitern. 19
2 Bildungssystem Studierende aus den VAE arbeiten an ihrem Roboter für die Welt-Roboter-Olympiade 2010 in Manila. Seit einiger Zeit werden jedoch verschiedene interes- ten die ausschließlich männlichen Studenten mittels sante Ansätze erprobt, junge Menschen außerhalb uni- theoretischem und praktischem Unterricht in eigenen versitärer Einrichtungen praxisnah und unter Berück- Lehrwerkstätten in Modulen Wissen und Fertigkeiten sichtigung der emiratischen Mentalität auszubilden. vermittelt. Sie werden gezielt auf eine genau definierte In bestimmten Fällen berechtigt ein so erworbener Berufsausübung hin ausgebildet und haben die Ge- Abschluss zu einer Studienaufnahme an einer höheren währ, bei erfolgreicher Ausbildung einen Arbeitsplatz Bildungsanstalt. Beispielhaft zu nennen sind die Abu bei einem der auch als Förderer agierenden Partner- Dhabi Vocational Education and Training Institutes unternehmen zu erhalten. Die Ausbildung ist straff (ADVETI). In einer Kombination aus theoretischem und umfasst auch erzieherische Elemente wie Pünkt- Unterricht, Ausbildung in Lehrwerkstätten und Be- lichkeit, Pflichterfüllung und Disziplin. Die Studenten triebspraktika wird hier jungen Frauen und Männern wohnen während der Ausbildung in der Einrichtung. eine praktische 3-jährige Ausbildung angeboten, die Bei guten Leistungen ist die anschließende Aufnahme mit dem Erwerb eines Diplomas endet. eines Studiums an einer akademischen Einrichtung möglich. Ein anderer Ansatz wird im Vocational Education Development Centre (VEDC) verfolgt. Hier ermittelt Daneben betreiben viele staatliche und einige private man bei Schulabbrechern und jungen, noch orientie- Unternehmen sowie Behörden eigene Bildungsinstitu- rungslosen Emirati zunächst in Grundkursen deren te, deren Lehrgänge sowohl durch eigenes Personal als spezielle Interessen und Fähigkeiten. Danach erhal- auch durch externe Bildungsdienstleister durchgeführt werden. 20
2 Bildungssystem Seit 2009 gibt es Mindeststandards für Bildungsdienst- fließend ist. Dem angelsächsischen Bildungssystem leister, die den Erwerb eines Berufsabschlusses anbie- gemäß können aufbauend zu den bereits erworbe- ten (vgl. CAA, Standards for Licensure and Accreditati- nen Kenntnissen in modularen Bildungsabschnitten on of Technical and Vocational Education and Training erstmalige oder höherwertige akademische Grade 2010). Ob diese Regularien sich allerdings positiv aus- erreicht werden. Viele private und staatliche Universi- wirken, wird von einigen Interviewpartnern bezweifelt. täten bieten deshalb neben akademischer Bildung auch Sie kritisieren, dass die Flexibilität der Ausbildung und Weiterbildungsmaßnahmen in eigenen Instituten an. die Implementierung der optimalerweise seitens der Auch einige Unternehmen verfügen über angeschlosse- Wirtschaft zu definierenden Ausbildungsinhalte unter ne Akademien, welche eigenes Personal schulen sowie den starren Vorgaben leiden. teilweise ihre Dienstleistungen anderen Unternehmen zur Verfügung stellen. Daneben gibt es zahlreiche private Einrichtungen wie Colleges, Academies, Institutes mit nicht akkreditierten Angeboten. Da hier keine akademischen oder berufli- 2.4 Weiterbildung chen Abschlüsse erworben werden können, unterlie- gen diese Institutionen keiner staatlichen Qualitätskon- Der Bereich der Weiterbildung ist ein weiterer Schwer- trolle. punkt der Bildungsaktivitäten in den VAE. Wie bereits dargelegt, erwirbt derzeit ein beträchtlicher Teil der Schüler und Studierenden keinen Abschluss, der sie befähigt, direkt ins Arbeitsleben einzutreten. Program- me für die Nachqualifikation sowie zweiter und dritter Bildungsweg sind vorhanden. Bezüglich des Umfangs 2.5 Bildungspolitische und der Art der Angebote ist deutlich zwischen den Rahmenbedingungen, einzelnen Emiraten zu unterscheiden. Während die beiden größten und bevölkerungsreichsten Emirate bildungsrelevante Abu Dhabi und Dubai und ansatzweise auch das kleine Behörden Emirat Ra’s al Khaymah und seit neuestem Sharjah ver- schiedene Bildungsaktivitäten und die Ansiedlung von Der große bildungspolitische Rahmen wird durch Bildungseinrichtungen fördern, genießt die berufliche die Education Strategy 2010-2020 vorgegeben. Deren Fortbildung in anderen Emiraten wenig Priorität. Inhalte sind für bildungsrelevante Ministerien sowie nachgeordnete Behörden verbindlich. Innerhalb der Bedarfsträger von Weiterbildungsmaßnahmen sind vorgesehenen Fünfjahresplanung sollen die sehr allge- vor allem Behörden, Armee und Polizei sowie große mein formulierten Ziele realisiert werden (vgl. Dubai staatliche Unternehmen. Im Rahmen der „Emiratisie- Ministry of Education, The Ministry of Education rungskampagne“ werden z. B. von The National Hu- Strategy 2010-2020 2010). man Resource Development and Employment Authority (TANMIA) arbeitslose Emirati zur Teilnahme an Bil- In der UAE Government Strategy 2011 – 2013 ist dungsmaßnahmen gedrängt (vgl. The National Human Bildung einer der sieben Kernpunkte, wobei auch hier Resource Development and Employment Authority, eher unpräzise Absichtserklärungen als verbindliche Emiratization 2010). Das Erlernen eines Berufs, eine Meilensteine zu finden sind (vgl. Government Com- Umschulung oder Qualifizierung werden gefördert munications Office, Strategy 2011-2013 2010). Über und seit kurzem auch mit einem gewissen Nachdruck konkrete Vorhaben oder Planungen konnte während gefordert. der geführten Interviews nur wenig in Erfahrung gebracht werden. Einig waren sich jedoch alle Ge- In den VAE gilt allgemein, dass der Übergang von der sprächspartner, dass eine Steigerung der Qualität, die beruflichen Ausbildung zur beruflichen Fortbildung zunehmende Einführung international anerkannter 21
2 Bildungssystem Abschlüsse und eine Intensivierung der beruflichen Die Education Councils (nur in den Emiraten Abu Aus- und Weiterbildung Schwerpunkte der Agenda Dhabi, Fujayrah und Sharjah) übernehmen Aufsichts- bilden. funktionen hinsichtlich des Erreichens der Zielvorga- ben der UAE Government Strategy. Die Behörden sind Wegen der Unübersichtlichkeit und dem permanenten finanziell und administrativ relativ unabhängig, ihre Umbau der emiratischen Verwaltung und der Unab- Zusammenarbeit mit anderen Bildungsbehörden ist hängigkeit der einzelnen Emirate ist es nicht immer komplex und teilweise nicht formalisiert. Der ADEC einfach, die Zuständigkeiten der beteiligten Akteure ist operativ tätig. Die Räte von Fujayrah und Shar- festzustellen. In einigen Emiraten, jedoch nicht in jah haben dagegen eher repräsentative Funktionen, allen, gibt es für Aufsichts- und Überwachungsfunkt- beraten ihre jeweiligen Kabinette und begleiten die ionen, Programmentwicklungen sowie Programm- Implementierung von Beschlüssen vor Ort. In Dubai umsetzungen eigene Behörden. Diese sind direkt hat die Knowledge and Human Development Authority, oder indirekt den Ministerien oder Education Councils (KHDA) die Aufgaben eines Education Council. unterstellt, sofern es solche in dem betreffenden Emirat gibt. Manchmal agieren diese Behörden aber auch Die Commission of Academic Accreditation (CAA) ist eigenständig. Zu beachten ist, dass gleich oder ähnlich die Zulassungsbehörde für höhere Bildungsdienstleis- lautende Behörden emiratsabhängig verschiedene ter, Berufsbildungseinrichtungen sowie E-Learning- Verantwortungszuweisungen und Befugnisse haben Institutionen. Sie ist für alle Emirate mit Ausnahme der können. Manche Zuständigkeiten sind nicht forma- Freihandelszonen (FZ) des Emirats Dubai zuständig. lisiert, auch werden Verantwortungsbereiche immer Außerhalb der FZ benötigen alle Bildungseinrichtun- wieder neu bestimmt oder es werden neue Behörden gen, die qualifizierte Abschlüsse anbieten wollen, eine gegründet. Lizenzierung und Akkreditierung der Lehrprogramme seitens der CAA. Inzwischen haben 69 Bildungsein- Der Education Coordination and Integration Council richtungen eine entsprechende Zulassung bekommen. des VAE-Regierungskabinetts strebt die Verein- Die CAA repräsentiert darüber hinaus die VAE in heitlichung der lokalen Bildungsaufsichtsbehörden internationalen Gremien bezüglich Akkreditierungs- an. Dadurch soll eine flächendeckende einheitliche fragen. Umsetzung der Bildungspolitik sichergestellt werden. Zudem werden verstärkt Partnerschaften mit privaten Die Education(al) Zones (EZ) der einzelnen Emirate Unternehmen angestrebt. Weitere Aufgaben sind die wie zum Beispiel die Abu Dhabi Educational Zone regelmäßige Überprüfung von Bildungsprogrammen (ADEZ) indizieren zwar eine Gebietsbezeichnung, und die Einrichtung eines zentralen Informationssys- sind jedoch Behörden mit einer definierten regionalen tems, um auf fundierter Datengrundlage zukünftige Zuständigkeit. Sie agieren entweder eigenständig oder bildungspolitische Ziele definieren zu können (vgl. sind eine Stabstelle einer anderen, höheren Bildungs- UAE Cabinet 2010). behörde. Neben der Regulierung des Schulsystems befassen sie sich auch mit der Beaufsichtigung von Das (Federal) Ministry of Higher Education and Research Kindergärten. (MOHER) besitzt die Zuständigkeit für Hochschulbil- dung und Forschung. Es setzt den allgemeingültigen Rahmen für die VAE, wobei Teile seiner Zuständigkeit Regionale Sonderbetrachtung Abu Dhabi – de facto, jedoch nicht de jure – an den Abu Dhabi Education Council (ADEC) abgetreten sind. Der ADEC besitzt die operative Bildungshoheit für das Emirat Abu Dhabi. Er entwickelt die Bildungspo- Das (Federal) Ministry of Education (MOE) ist ver- litik und implementiert dessen Bildungsprogramme. antwortlich für die Rahmensetzung im Bereich der Er übernimmt – zusammen mit der KHDA, Du- allgemeinbildenden Schulen sowie der beruflichen bai – darüber hinaus auch gewisse gesamtstaatliche Bildung und Fortbildung, soweit diese keine akademi- Beratungs- und Programmentwicklungsfunktionen sche Ausbildung ist. und beaufsichtigt die im Emirat Abu Dhabi liegenden 22
2 Bildungssystem Institute of Applied Technology in Dubai EZ. Der ADEC setzt ministerielle Rahmenbedingun- Das noch recht junge Institute of Applied Technology gen – auch teilweise des MOHER – in den Bereichen (IAT) ist eine Institution des Emirats Abu Dhabi mit Primary-, Secondary- als auch Vocational und Higher Bildungsstätten in Abu Dhabi, Al Ain und in den Education in konkrete Beschlüsse um und berät die Emiraten Dubai, Fujayrah und Ra’s al Khaymah. Das Bildungsministerien. Er ist die treibende Kraft hinter IAT steht für eine qualitativ ambitionierte naturwis- der „Emiratisierungskampagne” in Abu Dhabi. Sein senschaftlich-technische Bildung. Die Schüler erhalten Aufgabenbereich und seine Bedeutung sind grob mit nach der Beendigung ihres ersten schulischen Bil- der KHDA vergleichbar. dungsabschnitts vom 7. bis 12. Schuljahr eine Techni- cal Secondary Education an Stelle des üblichen Wegs Das sich in der Gründungsphase befindende Abu (Preparatory und anschließende Secondary Education). Dhabi Centre for Technical and Vocational Education Bemerkenswert für emiratische Verhältnisse ist, dass and Training Centre (ACTVETC) dient der Überwa- die Schüler eine Aufnahmeprüfung zu bestehen haben chung verschiedener Institute und Ausbildungszentren, und strenge disziplinarische und arbeitsethische die berufliche Aus- und Fortbildung anbieten. Neben Regeln gelten. Die Ableistung von Praktika ist nicht Personalbedarfsplanungs- und Qualifizierungsmaß- verpflichtend, jedoch üblich. Sie können auch im Aus- nahmen will man künftig Lehrpersonal autorisieren, land absolviert werden. Der Bildungsabschluss ist recht Bildungseinrichtungen beraten, Forschungs- und anspruchsvoll. Die IAT-Institute sind Eliteinrichtun- Entwicklungsaktivitäten in Zusammenarbeit mit dem gen mit besten Verbindungen zur Wirtschaft und der ADEC unterstützen und Partnerschaften mit dem Nukleus für die mathematisch-naturwissenschaftliche öffentlichen und privaten Sektor ausbauen. Das ACT- Bildung in den VAE. Dem IAT unterstehen auch die VETC soll künftig vom ADEC sämtliche Berufsbil- Berufsausbildungseinrichtungen VEDC, FATIMA Col- dungsaktivitäten in Abu Dhabi übernehmen und diese lege, Logistics Academy und Aviation Academy. entwickeln, leiten und überwachen. 23
2 Bildungssystem Regionale Sonderbetrachtung Dubai Behörden anderer Emirate Dubai bietet mit seinen Freihandelszonen Academic Ähnliche Strukturen und Aufgabenbereiche herrschen City und Knowledge Village (KV) gute Bedingungen ebenfalls in den EZ und Education Councils in Sharjah, für die Ansiedlung von Bildungseinrichtungen jeder Ra’s al Khaymah, Ajman und Al Fujayrah vor und un- Art. Die Lizenzierung internationaler Bildungsanbieter, terscheiden sich lediglich in ihrer Gebietszuständigkeit. welche sich innerhalb der FZ ansiedeln und akademi- Daneben gibt es noch eine Anzahl regionaler Behörden sche oder berufsbildende Abschlüsse sowie E-Learning und Ämter wie z. B. Ra’s al Khaymah Free Trade Zone anbieten, erfolgt durch das University Quality Assu- Authority Human Resources Department. rance International Board (UQAIB). Die Behörde stellt die Konformität sowohl internationaler als auch emi- In Sharjah ist es keine Behörde, sondern die Sharjah ratischer Bildungsstandards innerhalb der FZ sicher. Chamber of Commerce and Industry, die einen ihrer Somit ist das UQAIB und nicht die CCA für Lizenzie- Schwerpunkte auf die berufliche Bildung gelegt hat. rung und Akkreditierung von Bildungseinrichtungen Eine Tabelle wichtiger Behörden und Institutionen innerhalb der FZ KV und der Academic City in Dubai befindet sich in Kap. 4.1. zuständig. Bildungsanbieter mit anderen Programmen benötigen keine Lizenzierung, jedoch eine Zulassung durch die KHDA. Die KHDA ist Motor des Bildungsbereichs in Dubai und ist wie der ADEC eine treibende Kraft der „Emira- 2.6 Gesellschaftlich-kulturelle tisierungskampagne“. Sie untersucht u. a. Ursache-Wir- Stellung von Bildung kungszusammenhänge von emiratischen Schulabbre- chern und erarbeitet problemorientierte Maßnahmen zur Unterstützung dieser Gruppe. Angeschlossen an Bildung ist ein hohes Gut, auch in den VAE. Aller- die KHDA ist das School Inspection Bureau mit Stan- dings ist, verallgemeinert, bei den Emirati nicht das dards und Regularien, welche die Regierung Dubais Streben nach Bildung an sich oder zum Broterwerb die beschlossen hat, und deren Einhaltung durch Schulins- wesentliche Triebfeder, sondern die Tatsache, dass ein pektionen regelmäßig überprüft wird. Zudem hat die akademischer Abschluss gesellschaftliche Anerken- KHDA Standards für alle Universitäten und Trainings- nung verschafft. einrichtungen in Dubai definiert. Diese sind von der Regulation and Compliance Commission der KHDA Das fehlende Bewusstsein der Schüler und Studie- erarbeitet worden und werden von ihr auch überprüft. renden, dass nicht mehr wie in der Vergangenheit lediglich ein akademischer Titel, sondern vor allem Der Name Dubai Education Zone ist seit 2007 von eine gute Ausbildung Zukunftsperspektiven eröffnet, einer Behörde auf einen privaten Bildungsdienstleister ist ein ernstes Problem (vgl. The National 2010). Trotz übergegangen. Die Aufgaben der ehemaligen Behörde unmissverständlicher Hinweise der Regierung haben nimmt nun das KV wahr. emiratische Jugendliche bislang noch nicht realisiert, dass die hohen Gehälter und kurzen Arbeitszeiten des Dubai KV und Academic City sind FZ in Dubai und öffentlichen Dienstes künftig nicht mehr den Maßstab dienen der Ansiedlung von Bildungsanbietern in für eine Berufstätigkeit bilden werden. Nur etwa 5 % bereits von Investoren errichteten Gebäuden. Sie sind der emiratischen Studierenden können sich vorstellen, räumliche und funktionale Einheiten, die auch auf außerhalb des öffentlichen Dienstes zu arbeiten. Da niedriger Ebene Behördenfunktionen ausüben. emiratische Jugendliche aus ihrem Selbstverständnis heraus die Gehälter und Arbeitsbedingungen der privaten Wirtschaft nicht akzeptieren, sind sie grund- sätzlich wenig gewillt, eine wirtschaftsnahe Ausbildung anzustreben. So sind 25.000 Jugendliche ohne Er- 24
2 Bildungssystem werbstätigkeit (vgl. MEED, Education for Employment Berufsbildung. Trotzdem ist noch ein weiter Weg zu 2010). gehen. Die Veränderungen unter dem Programmna- men New School Model werden in Abu Dhabi ab dem Bislang werden von Emirati nur solche Tätigkeiten Schuljahr 2010 – 2011 zunächst in den Kindergärten in der freien Wirtschaft wahrgenommen, die eine implementiert, die Reform des gesamten Schulsystems außerordentlich hohe Vergütung garantieren (Finanz- soll in sechs Jahren abgeschlossen sein. Dubai will sich und Energiebereich). Speziell die mathematisch-natur- dem Modell anschließen, andere Emirate haben sich wissenschaftlichen Fächer sind, obwohl diese Berufe noch nicht festgelegt. dringend benötigt werden und hervorragende Auf- stiegschancen bieten, bei der Studienwahl weit unter- Virtuelle Universitäten, E-Learning als Fernstudien- repräsentiert. Nur 1 % der Studierenden belegen solche gänge haben auch in den VAE ihren Platz gefunden, Fächer (vgl. Gulf News, Disconnect between courses and spielen jedoch in der Praxis noch keine große Rolle. market needs 2010). Sie gelten gemäß der Einschätzung Für E-Learning-Programme ist eine Akkreditierung einer großen Zahl der Interviewpartner als zu schwie- durch die CAA vorgeschrieben. rig (vgl. Jonda, Kein Interesse an Mathe 2010). Der emiratischen Regierung und Gesellschaft ist viel an der Teilhabe körperlich oder geistig beeinträchtigter Menschen am gesellschaftlichen Leben gelegen, so dass es bereits seit langem behindertengerechte Schulen gibt. Neu ist, dass auch Berufsausübungsmöglichkei- 2.7 Spezifische ten für diesen Personenkreis geschaffen werden, z. B. Bildungsthemen durch das Rashid Paediatric Therapy Center oder das Al Noor Training Centre. Das durchschnittliche Bildungsniveau der Gesamt- bevölkerung in den VAE ist deutlich niedriger als in Deutschland. Dies gilt auch, von einigen Ausnahmen abgesehen, für das Niveau der akademischen Abschlüs- se und insbesondere für die Berufsausbildung. Diese 2.8 Beziehungen zu Feststellungen sind so von fast allen deutschen und vie- Deutschland im Bereich len emiratischen Interviewpartnern getroffen worden. Fundierte Qualitätsvergleiche in Form von einfachen der Bildung Zuordnungen sind wegen der starken Verschiedenheit der Bildungssysteme und Curricula sowie kaum vor- Die Bildungszusammenarbeit zwischen den VAE handener statistischer Daten nicht möglich. und Deutschland ist ausbaufähig. Das ist jedoch trotz ausdrücklichem Interesse der VAE nicht ohne viel Die Regierung der VAE hat erkannt, dass die etab- Engagement von deutscher Seite zu erreichen. Aus lierten, jedoch veralteten Regularien im gesamten emiratischer Sicht wird erwartet, dass Deutschland die Bildungsbereich die erforderliche Weiterentwicklung Initiative ergreift. der tradierten Gesellschaft in eine moderne Wissens- gesellschaft verhindern. Und sie hat entsprechend Zwischen Deutschland und den VAE existieren reagiert. Zurzeit erfolgt die Umsetzung der von der bislang keine institutionalisierten bildungspolitischen Regierung verabschiedeten allumfassenden Bildung- Beziehungen. Seit dem Bildungsministertreffen der soffensive Education Strategy 2010-2020 mit großem BMENA-Gruppe – das letzte fand im November 2007 staatlichen Engagement. Neu gegründete Behörden in Bonn statt – mehren sich jedoch Einzelinitiativen bieten erstmals Studienberatung und Karriereplanung zur Förderung des deutsch-emiratischen Bildungs- an. Andere geben Hilfestellungen für Schulabbre- austauschs (vgl. Bundesministerium für Bildung und cher und eröffnen Möglichkeiten für eine praxisnahe Forschung 2007). 25
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