Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?

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Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
Berliner

                                 MITGLIEDERZEITSCHRIFT
                                 ÄRZTEKAMMER BERLIN
                                 AUSGABE 06 / 2022
Ärzt:innen

Wachsendes Wissen
Welche Rolle spielt(e) die
Wissenschaft für Berliner
Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
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Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
BERLINER ÄRZT:INNEN
  EDITORIAL                                                                                     AUSGABE 06 / 2022 

                                   Liebe Kolleg:innen,
                                   der zunehmende Bedarf an wissenschaftlicher Begründung in der Medizin ist nicht
                                   neu: Seit die evidenzbasierte Medizin etabliert wurde und es Leitlinien gibt, sind
Dr. med. Heike Kunert              wir Ärzt:innen angehalten, uns ständig auf den aktuellen Stand zu bringen und
ist Fachärztin für Physikalische   unser Tun und Lassen zu begründen. Neu ist aber, dass unsere Patient:innen dies
und Rehabilitative Medizin und     zunehmend von uns einfordern und die gesetzten Themenfelder und ihre Reflexion
Vorstandsmitglied der Ärzte-
                                   oft massiv medial beeinflusst sind.
kammer Berlin.
Foto: André Wagenzik
                                   In der (hausärztlichen) Niederlassung sind die Patient:innengespräche seit dem
                                   Frühjahr 2020 geprägt von vielen Fragen zu den Themen Corona, Infektiosität,
                                   Schutzmöglichkeiten, Impfung ja oder nein, wirtschaftliche Folgen, Existenzängste,
                                   Streit in Familien und Freundeskreisen, Tränen, Hoffnungslosigkeit, Depression,
                                   aber auch von Wünschen für die Gegenwart und Zukunft.

                                   Dabei informieren sich die Patient:innen sehr ausführlich über die verschiedens-
                                   ten Kanäle, oft ohne wissenschaftlichen Hintergrund, wie TV-Sendungen, Internet-
                                   foren oder Chatgruppen und das, ohne kompetent interpretieren zu können. Im
                                   Arztgespräch erwarten sie dann Aufklärung und Einordnung. Zugespitzt könnte
                                   man auch formulieren: Während die Patient:innen für sich das Recht in Anspruch
                                   nehmen, sich überall, gelegentlich unreflektiert und oft mit geringem Anspruch
                                   an wissenschaftliche Kompetenz zu informieren, wird von uns Ärzt:innen erwartet,
                                   diese Informationen unabhängig und fundiert in handlungsleitendes Wissen zu
                                   „verwandeln“, um die Patient:innen bei ihren Entscheidungen zu unterstützen.

                                   Das erfordert nicht nur ständig aktualisiertes Wissen in medizinischen Fragen, in
                                   Rechtsvorschriften, zu aktuell gültigen Coronavorschriften, sondern auch mehr
                                   Aufmerksamkeit, Empathie und Toleranz sowie kommunikative Kompetenz.
                                   Ärzt:innen geraten hier immer häufiger in den Begründungszwang für ihr Tun und
                                   Lassen und müssen sich teilweise sehr intensiv mit den Themen beschäftigen, um
                                   manche „populärwissenschaftlich“ angelesene Meinung oder das Laienwissen mit
                                   ihren Patient:innen zu korrigieren, einzuordnen und Gefahren abzuwenden.

                                   Um diesem Anspruch der Patient:inn en begegnen zu können, sind wir Ärzt:innen
                                   aufgefordert, uns in unserer Freizeit zu diesen Fragestellungen fortzubilden. Dabei
                                   können wir glücklicherweise die sehr umfangreichen Fort- und Weiterbildungs-
                                   angebote, Newsletter und Fachartikel der Ärztekammer Berlin und der Kassen-
                                   ärztlichen Vereinigung Berlin sowie von zahlreichen privaten Bildungsinstitutionen
                                   und von der Privatwirtschaft nutzen. Doch dabei wird klar, dass unsere Zeit und
                                   Aufnahmekapazität an ihre Grenzen stößt und wir uns zwangsweise auch in diesem
                                   Bereich wieder spezialisieren müssen. Neben dem ohnehin engen Fokus auf das
                                   Thema Corona haben wir aber einen ganzheitlichen Wissensanspruch! Es wird
                                   immer schwieriger, eigene Fortbildungsinteressen zu verfolgen, weil uns von der
                                   medialen Umwelt die Themen „vorgegeben“ werden und wir bei der Wissensan-
                                   eignung oft nur „reagieren“ können.

                                   Ihre

                                                                                                                         3
Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
Inhalt
    EDITORIAL                                            POLITIK & PRAXIS

Begrüßung von Heike Kunert                          3   Im ärztlichen Ruhestand weltweit aktiv     29
                                                        Senior Experten Service sucht Nachwuchs
                                                        aus dem Gesundheitswesen
    KURZ NOTIERT                                        Von Bettina Hartmann, Yüksel König
                                                        und Klaus Gellert
Aktuelles / Nachrichten                             6
                                                        Ärztliche Verantwortung für eine Welt in   30
                                                        Frieden: 40 Jahre IPPNW
    AUS DER KAMMER                                      Von Ute Watermann und Barbara Hövener

Ärztliche Fortbildungen                            20   CIRS ambulant                              32
Veranstaltungskalender                                  Hydromorphon-Ampullen verwechselt
der Ärztekammer Berlin
                                                        Personalien                    33
Weiterbildung                                      23   Zum Gedenken an Gert Baumann
Veranstaltungen der Weiterbildung                       Zum Gedenken an Sepp Graessner

Bestandene Facharztprüfungen                       24
März und April 2022                                      KULTUR & GESCHICHTE

Medizinische Fachangestellte                       26   Freitagabend.                              35
Informationen zur Ausbildung                            Tischgespräche von Eva Mirasol
und Weiterqualifizierung

Sehr, sehr zufriedenstellend                       28   Impressum                                  36
Bericht von der Vertreterversammlung der
Berliner Ärzteversorgung am 7. April 2022
Von Ole Eggert

 Titelbild
 Ein Flur im Gesundheitsamt Pankow: Bei Ausbruchs-
 geschehen entscheiden die lokalen Behörden auf Basis
 wissenschaftlicher Erkenntnisse über geeignete Maß-
 nahmen und setzen diese um.
 Foto: Maurice Weiss, OSTKREUZ / Ärztekammer Berlin

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Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
BERLINER ÄRZT:INNEN
                                       AUSGABE 06 / 2022 

IM FOKUS

Wachsendes Wissen                                  10
SARS-CoV-2 war ein Neuling. Selbst Virolog:innen
kannten zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020
bestenfalls die nahen Verwandten des Coronavirus
mehr oder weniger gut. Ärzt:innen verschiedenster
Fachgebiete wurden aber sofort mit Fragen zu dem
neuen Virus bestürmt. Von tagesaktuellen Berichten
zu lebenden Leitlinien: Welche Rolle spielt(e) die
Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-
Zeit?

Von Adelheid Müller-Lissner

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Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
KURZ NOTIERT

Optimierung gewünscht                                             Praxen gesucht
Zusammenarbeit zwischen Allgemein-                                Bedarfe frühzeitig erkennen und
und Zahnmedizin                                                   Antragstellung erleichtern
„Und mit wem kommunizieren Sie da? Direkt mit dem Arzt            Im Forschungsprojekt „PReHa45“ der Charité sollen im Rah-
oder mit der Sprechstundenhilfe?“ – „Gar nicht.“ – Dieses         men eines sogenannten Ü45-Checks Präventions- und Reha-
Zitat aus einer Gruppendiskussion, aber auch aktuelle             bilitationsbedarfe in der hausärztlichen Versorgung anhand
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass zwischen             eines überschaubaren Screening-Instruments frühzeitiger
Allgemein- und Zahnmedizin wenig Zusammenarbeit statt-            erkannt werden.
findet, obwohl vielfältige Zusammenhänge und Wechsel-
wirkungen zwischen Parodontalerkrankungen und syste-              Berliner Hausarztpraxen werden gebeten, das Projekt zu un-
mischen Erkrankungen bekannt sind.                                terstützen und an der Studie teilzunehmen. Dafür müssen
                                                                  45- bis 59-jährige Patient:innen einen 2-seitigen Fragebogen
Forschende der Selbstständigen Abteilung für Allgemein-           ausfüllen. Besteht ein Bedarf, soll den Hausarztpraxen die
medizin und der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodon-         Antragstellung für Präventions- und Reha-Leistungen der
tologie der Universität Leipzig möchten – neben der aktu-         Deutschen Rentenversicherung erleichtert werden, indem
ellen Ausgestaltung der Zusammenarbeit – mehr über Ver-           der ärztliche Befundbericht stark vereinfacht wird.
besserungsmöglichkeiten der Zusammenarbeit herausfinden.
                                                                  Das Forschungsprojekt wird von der Abteilung Rehabilitations-
Sie als Expert:innen werden gebeten, eine entsprechende           forschung an der Charité durchgeführt und von der Deutschen
Studie durch die Beantwortung eines anonymen Online-              Rentenversicherung Berlin-Brandenburg gefördert. Teilneh-
Fragebogens zu unterstützen.                                      mende Praxen erhalten eine angemessene Aufwandsent-
                                                                                   schädigung. Nähere Informationen er-
Über folgenden Link: → https://umfrage.uni-leipzig.de/                             halten Interessierte unter
index.php/574494 können Sie an der Online-Befragung                                 E preha45@charite.de oder per

teilnehmen. Das Ausfüllen des Fragebogens wird nur rund                             T 030 450 51 71 07 sowie unter

15 Minuten dauern. ∕                                                               → http://bit.ly/preha. ∕

Symposium
Damit aus Forschung Gesundheit wird
Wie wird aus grundlagenwissenschaftlichem Erkenntnisgewinn        auf Kooperation ausgelegte Handlungsweise aller Beteiligten
medizinischer Fortschritt? Neue Forschungsergebnisse im           unerlässlich. Kurz: Klinik und Forschung müssen enger zusam-
Sinne der Patient:innen schnell und zielgerichtet in innovative   menrücken, am besten standortübergreifend. So kann der
Therapien zu überführen, ist die zentrale Herausforderung         Wissenstransfer in alle Richtungen erfolgen – schließlich ist
der Translationalen Medizin für Seltene Erkrankungen. Schließ-    Translation keine Einbahnstraße, erst recht nicht bei Seltenen
lich kann gelungene Translation für die Betroffenen Hoffnung      Erkrankungen. Doch wie gestaltet man die dazu notwendige
auf eine gesündere Zukunft bedeuten.                              integrierte Versorgungs- und Forschungsstruktur und die
                                                                  dafür notwendigen Allianzen?
Daher geht es beim 6. Rare Disease Symposium darum, wie
Translation trotz verdichteter Arbeitsprozesse, ökonomischer      Das 6. Rare Disease Symposium wird von der Eva Luise und
Orientierung sowie erst im Aufbau befindlicher IT-Standards       Horst Köhler Stiftung ausgerichtet und findet vom 13. bis
und -Strukturen besser gelingen kann? Welche Rahmenbe-            14. Juni 2022 im STORZ Besucher- und Informationszentrum,
dingungen müssen gegeben sein, damit die wenigen zur Ver-         Scharnhorststraße 3 in 10115 Berlin statt. Die Teilnahme ist
fügung stehenden Ressourcen nicht für die Translation ver-        kostenfrei.
loren gehen?
                                                                  Informationen zum Programm und zur Anmeldung:
Damit aus Forschung Gesundheit wird, sind eine gemeinsame         → www.elhks.de/translationale-medizin-fuer-seltene-
Zielstellung, übergreifend genutzte Infrastrukturen und eine      erkrankungen-vom-schlagwort-zur-wirklichkeit/ ∕

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Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                           AUSGABE 06 / 2022 

Ausbildungsmesse                                               Endspurt
Die Ärztekammer Berlin vor Ort                                 Startklar für die eAU zum
                                                               1. Juli ? Haben Sie schon
Am 15. und 16. Juni 2022 präsentieren auf der Ausbildungs-
messe "vocatium Berlin 2022" in der Arena in Treptow rund
                                                               Ihren elektronischen Arztausweis?
140 Ausbildungsbetriebe, Fach- und Hochschulen sowie Ins-      Ab dem 1. Juli 2022 müssen niedergelassene Vertragsärzt:in-
titutionen ihre Ausbildungs- und Studienangebote.              nen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen elektronisch an
                                                               die Krankenkassen übermitteln (sogenannte eAU). Neben
Mit dem Ziel der Fachkräftesicherung im Beruf Medizinische:r   dem Anschluss an die Telematikinfrastruktur benötigen Sie
Fachangestellte:r (MFA) wird auch die Ärztekammer Berlin       hierfür einen elektronischen Arztausweis (eA) sowie einen
mit einem Stand vor Ort sein. Dort können sich Schüler:innen   KIM-Dienst.
über die Ausbildung zur oder zum Medizinischen Fachange-
stellten informieren und zudem mit einer erfahrenen Medi-      Mit dem eA wird die eAU rechtsgültig unterschrieben, ihre
zinischen Fachangestellten ins Gespräch kommen.                Übermittlung an die zuständige Krankenkasse erfolgt dann
                                                               über KIM. Sofern Sie als Vertragsärzt:in noch keinen eA oder
Die vocatium Berlin findet zweimal jährlich statt. Die Ter-    KIM-Dienst haben, empfehlen wir Ihnen dringend, beides
mine für das Jahr 2022 stehen bereits fest und können, ne-     nunmehr zu beantragen.
ben weiteren Informationen rund um die Messe, unter
→ www.vocatium.de eingesehen werden. ∕                         Weitere Informationen finden Sie auf → www.aekb.de. ∕

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Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
KURZ NOTIERT

Leitungswechsel und neue Strukturen

                           Aus Berliner Krankenhäusern wurden uns
                           folgende Änderungen gemeldet:
                           Informationen über Veränderungen bei Leitungspositionen und Abteilungsstruk­turen in Ihrem Haus
                           senden Sie bitte an: E redaktion@aekb.de

 Vivantes Klinikum Kaulsdorf                 Jüdisches Krankenhaus Berlin                Vivantes Klinikum Kaulsdorf

 Dr. med. Katrin Knoll ist seit dem          Dr. med. Robin Kleinwächter hat am          PD Dr. med. habil. Christian Göpel
 1. März 2022 neue Chefärztin der Kli-       1. April 2022 als neuer Chefarzt die Lei-   leitet seit dem 1. April 2022 die Klinik
 nik für Innere Medizin – Geriatrie am       tung der Klinik für Anästhesiologie und     für Gynäkologie und Geburtsmedizin
 Vivantes Klinikum Kaulsdorf. Sie war        operative Intensivmedizin am Jüdi-          am Vivantes Klinikum Kaulsdorf. Zu-
 bereits seit 2018 als Chefärztin der Ge-    schen Krankenhaus Berlin übernom-           vor und seit 2015 war er Chefarzt des
 riatrie im Vivantes Humboldt-Klinikum       men. Kleinwächter ist Facharzt für An-      Kontinenz- und Beckenbodenzen­trums
 tätig. Zuvor und seit 2014 arbeitete        ästhesiologie mit den Zusatzbezeich-        am Vivantes Humboldt-Klinikum. Nach
 Knoll als leitende Oberärztin im Klini-     nungen „Notfallmedizin“, „Spezielle         seinem Studium in Halle an der Saale
 kum Ernst von Bergmann in Potsdam.          anästhesiologische Intensivmedizin“         begann er seine medizinische Laufbahn
 Zu Ihren Schwerpunkten gehört neben         sowie „Ärztliches Qualitätsmanage-          an der Klinik und Poliklinik für Geburts-
 der Geriatrie, zu der sie sich im Evange-   ment“. Nach seiner Weiterbildung zum        hilfe, Martin-Luther-Universität Halle-
 lischen Geriatriezentrum (EGZB) weiter-     Facharzt an der Charité – Universitäts-     Wittenberg. Seit 2002 arbeitete Göpel
 bildete, die Nephrologie, die internis-     medizin Berlin, war er dort ab 2013 als     als Oberarzt und Leiter des Bereichs
 tische Intensivmedizin und Notfall- so-     Oberarzt in verschiedenen Bereichen         Urogynäkologie und Beckenboden-
 wie die Gerinnungsmedizin. Sie hat an       tätig. Zuletzt verantwortete er als an-     chirurgie. Er baute eine wissenschaft-
 der FU Berlin sowie der Westfälischen       ästhesiologischer Oberarzt den Be-          liche Arbeitsgruppe mit dem Schwer-
 Wilhelms-Universität Münster studiert       reich Traumatologie/Orthopädie und          punkt der Bindegewebsforschung bei
 und 2004 an der Charité – Universitäts-     die Schockraumversorgung am Cam-            Beckenbodeninsuffizienz auf, publi-
 medizin Berlin promoviert. ∕                pus Virchow-Klinikum. ∕                     zierte und habilitierte dazu. ∕

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Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
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Berliner Ärzt:innen - Wachsendes Wissen Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
IM FOKUS

            Wachsendes
            Wissen
Von tagesaktuellen Berichten zu lebenden Leit­
linien: Welche Rolle spielt(e) die Wissenschaft für
Berliner Ärzt:innen in der Corona-Zeit?
Text: Dr. Adelheid Müller-Lissner

                                        Nach Ausbruch der Corona-
                                        virus-Pandemie war schnell klar,
                                        dass Impfungen der vielverspre-
                                        chendste Weg aus dieser sind. So
                                        schnell wie noch nie zuvor wur-
                                        den passende Impfstoffe ent-
                                        wickelt. Wissenschaftler:innen
                                        aus der ganzen Welt haben ge-
                                        meinsam mit modernsten Tech-
                                        nologien und staatlicher sowie
                                        überstaatlicher Förderung daran
                                        gearbeitet. In der EU wurde be-
                                        reits im Dezember 2020 in einem
                                        beschleunigten Verfahren der
                                        erste Impfstoff gegen die von
                                        SARS-CoV-2 ausgelöste Krank-
                                        heit COVID-19 zugelassen. Bis
                                        Mitte Mai 2022 wurden in
                                        Deutschland laut Bundesregie-
                                        rung mehr als 170 Millionen Impf-
                                        dosen in Praxen und Impfzentren
                                        verabreicht.
                                        Foto: Sebastian Wells / OSTKREUZ

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BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                                   AUSGABE 06 / 2022 

SARS-CoV-2 war ein Neuling. Selbst Virolog:innen kannten zu       auf dem aktuellen Stand zu sein, um entsprechend raten
Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 bestenfalls die nahen        und beraten zu können.“1
Verwandten des Coronavirus mehr oder weniger gut. Ärzt:in-
nen verschiedenster Fachgebiete, die in dieser anstrengen-        Die Pandemie hat eindrücklich gezeigt, wie bedeutsam und
den Zeit Tag für Tag ihre Arbeit machten, wurden aber sofort      auch herausfordernd diese ärztliche Aufgabe ist. Viele Men-
mit Fragen zu dem neuen Virus bestürmt. Nach und nach             schen, die sich unversehens zu Expert:innen für ein neu auf-
sahen sie sich auch mit Patient:innen konfrontiert, die ent-      getretenes Virus entwickelten, erwarben ihr beachtliches
weder viel echtes Wissen über das Virus gesammelt hatten          Wissen zwar in rasantem Tempo, aber ohne Vorphysikum,
oder aber irrigen Meinungen über die COVID-19-Pandemie            Physikum und Staatsexamen in Humanmedizin. Und damit,
aufsaßen. Die Herausforderung bestand und besteht für alle        ohne jemals eine Vorlesung in Infektiologie oder Virologie
Mediziner:innen darin, sich selbst fortzubilden, auf die Fragen   besucht zu haben – anders als die Ärzt:innen, die sie in einer
ihrer Patient:innen Antworten zu finden und Informationen         Haus- oder Facharztpraxis beziehungsweise in einem Kran-
jeder Art laienverständlich einzuordnen.                          kenhaus behandelten. Aber um die Fakten zum Coronavirus
                                                                  auf einer soliden Basis für ihre Patient:innen einordnen und
Bieten Infektionen mit Erkältungscoronaviren einen Schutz         gewichten zu können, mussten auch sie sich das entsprechen-
gegen COVID-19? Was bringt es, wenn ich meine sozialen Kon-       de Wissen erst einmal selbst aneignen.
takte auf eine „Bubble“ mit ein bis zwei anderen Haushalten
beschränke? Warum wäre es wünschenswert, per Nasen-               Wo sich zunächst neues Wissen gewinnen ließ
spray gegen SARS-CoV-2 impfen zu können? Was um Himmels           Wie und wo haben sich Ärzt:innen ab Anfang März 2020 in-
willen ist der „Pandemische Imperativ“ und wie oft sollte man     formiert? Der in Schöneberg niedergelassene Kinderarzt
sich boostern lassen?                                             Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und
                                                                  Jugendärzte (BVKJ), hat zusammen mit ein paar Kolleg:in-
Fragen über Fragen. „Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt,     nen noch vor Beginn des ersten Lockdowns an einer Fortbil-
bleibt dumm“: Den Slogan der guten alten „Sendung mit der         dungsveranstaltung an der Charité – Universitätsmedizin
Maus“ hätten sich auch die Informationssendungen, Tages-          Berlin teilgenommen. Ein Ereignis, das dem Pädiater unver-
zeitungsartikel und Podcasts zu eigen machen können, die          gesslich bleibt: „Der Hörsaal war bis auf den letzten Platz
sich seit März 2020 unermüdlich dem neuartigen Virus SARS-        besetzt. Wir haben dem Virologen Christian Drosten an den
CoV-2 widmeten. Viele wollten der Bedrohung von Anfang            Lippen gehangen, und er hat in der einen Vorlesung fast alles
an durch Wissen begegnen. Nicht umsonst machte im Herbst          Grundlegende geäußert.“ Mediziner:innen zahlreicher Fach-
2020 der Spruch, dass inzwischen 80 Millionen Virolog:innen       richtungen bekamen auf diese Weise schnell und aus erster
in Deutschland leben, die Runde.                                  Hand einen Überblick über SARS (Schweres Akutes Respira-
                                                                  torisches Syndrom) und MERS (Middle East Respiratory Syn-
„Die Stellung von uns Ärzt:innen hat sich mit der Entwicklung     drome), über Erkältungscoronaviren und über aktuelle Zah-
des Internets in den vergangenen zwanzig Jahren massiv ver-       len und Entwicklungen aus China. „Wenn man gut zugehört
ändert, zumindest was die Information über Krankheitsbilder       hat, war das tatsächlich der Schlüssel für die gesamte Pan-
und Behandlungsmöglichkeiten angeht“, sagt der Neuro-             demie. Wir sind heute noch froh, dass wir an dieser Fortbil-
chirurg Julian Veelken, der bei der Ärztekammer Berlin für        dung teilgenommen haben“, berichtet Maske.
die FrAktion Gesundheit aktiv ist. Denn grundsätzlich sei so
gut wie jede Information über Versorgungsfragen im Netz           Keiner wusste zu diesem Zeitpunkt, wie lange man mit die-
verfügbar – allerdings oft unredigiert und ungeordnet. „Die       sem neuen Virus zu tun haben würde, wie es sich verändern
Ärztin hat deshalb heute immer weniger die Rolle der reinen       würde, ob und wie schnell man Behandlungsoptionen und
Informationsvermittlerin, sondern die der ordnenden Hand,         Impfungen bekommen würde. „Das Virus hat uns vielfach
die gewichtet und einordnet – und vor Scharlatanerie warnt.“      überrascht“, resümiert Maske zwei Jahre später. „Als Päd-
                                                                  iater haben wir ja viel mit Infektiologie zu tun, wir hatten
Dass durch die Neuen Medien die Verfügbarkeit von Infor-          Erfahrungen mit anderen Coronaviren, aber dieses verhält
mationen zu Gesundheits- und Medizinthemen rasant zu-             sich doch anders.“
nehmen, galt selbstverständlich schon in den Jahren vor
der Corona-Pandemie. In seiner Stellungnahme „Wissen-             Maske informierte sich nach eigener Aussage während der
schaftlichkeit als konstitutionelles Element des Arztberufes“     Pandemie fortlaufend „durch einen Mix aus allem“: über die
hat der Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) bereits 2019
aus dieser Tatsache eine klare Forderung abgeleitet: „Für         1    www.bundesaerztekammer.de → Richtlinien → Empfehlungen /
                                                                      →
Ärzte folgt daraus eine erhöhte Verantwortung und auch                Stellungnahmen → Wissenschaftlichkeit als konstitutionelles Element
Verpflichtung, selbst zügig, zeitsparend und barrierefrei             des Arztberufes

                                                                                                                                     11
IM FOKUS

                                                                                                Zunächst ging es vor allem
                                                                                                darum, Infektionsketten zu
                                                                                                unterbrechen, Ausbrüche ein­
                                                                                                zudämmen und Personen mit
                                                                                                erhöhtem Risiko für einen schwe-
                                                                                                ren Verlauf zu schützen. Dazu
                                                                                                wurden nicht nur im Gesund-
                                                                                                heitsamt Pankow zahlreiche
                                                                                                Freiwillige zur Kontaktpersonen-
                                                                                                ermittlung ausgebildet.
                                                                                                Foto: Maurice Weiss, OSTKREUZ /
                                                                                                Ärztekammer Berlin

Seiten des Robert Koch-Instituts (RKI), den Podcast „Das        sowie -Psychotherapeut:innen überlastet. „Und weitere
Coronavirus Update“ von NDR Info mit Prof. Dr. med. Chris-      Sorgen werden noch kommen, das geht nicht einfach weg“,
tian Drosten und seiner Frankfurter Kollegin Prof. Dr. med.     sagt Maske. Als positiven Effekt der Pandemie betrachtet er
Sandra Ciesek, mit einem Blick auf die Strategien anderer       es aber, dass das Wohlergehen von Kindern inzwischen in
Länder, die Lektüre von Preprints und Studien und nicht zu-     der Gesellschaft etwas mehr Aufmerksamkeit finde. „Die
letzt über die Leitlinie seiner Fachgesellschaft.               Schule wurde als Sozialraum erkannt.“

Weil schnell klar wurde, dass Kinder kaum von schweren          „Es ist nicht schwarz-weiß“
Verläufen betroffen sind, fühlten sich Maske und seine Kol-     Der Charité-Virologe Christian Drosten hatte in seinem
leg:innen in einer komfortablen Situation: „Wir konnten die     Podcast bereits kurz vor Weihnachten 2020 betont: „Ich will
Eltern beruhigen.“ Recht schnell stellte sich dann aber für     alles andere als ein Prediger für Schulschließungen sein.“ Er
aufmerksame Kinderärzt:innen, für Eltern, Erzieher:innen        warb auch hier für ein Denken in Wahrscheinlichkeiten und
und Lehrer:innen heraus, dass die Pandemie für die Heran-       er wehrte sich (nicht nur) bei dieser Gelegenheit vehement
wachsenden gesundheitliche Folgen haben würde, die nicht        gegen das gängige Schwarz-Weiß-Denken. Zu Beginn des
in das Fachgebiet Infektiologie fallen: Übergewicht durch       Jahres 2021 schlug Drosten dann das Wort „Treiber“ als „Un-
Bewegungsmangel, Essstörungen, problematischer Medien-          wort des Jahres“ vor. „Kinder sind keine Treiber der Pande-
konsum und weitere psychische Probleme. Es gab also durch-      mie, umgekehrt aber auch nicht bedeutungslos.“ Man müsse
aus gewichtige Argumente dafür, die Schulen und Kitas nach      abwägen, betonte der Virologe immer wieder, müsse beides
den Erfahrungen des ersten Lockdowns möglichst offenzu-         in die Waagschalen werfen, die Risiken des Infektionsgesche-
halten. „Wir haben sehr frühzeitig gewarnt, dass wir immer      hens und die gesunde Entwicklung der Kinder: „Das Risiko
mehr psychiatrische Probleme sehen“, erinnert sich Maske.       ist da, ihm gegenüber steht ein hoher Wert.“
„Lange Zeit hat man sich allerdings nicht mit uns beraten,
aus unserer Sicht gab es da einige politische Katastrophen.“    Dann wurde zunehmend auch sozialwissenschaftliche und
Zwar sei das Schließen der Schulen zu Beginn der Pandemie       psychologische Expertise einbezogen, die eigentlich seit Ru-
nötig gewesen. „Aber es wäre wichtig gewesen, die Sicht         dolf Virchows Diktum von der Medizin als „sozialer Wissen-
der Kinder- und Jugendärzte einzubeziehen und einen wis-        schaft“ als Grundbestandteil medizinischer Wissenschaft-
senschaftlichen Blick auf das Thema zu werfen. Dass das nicht   lichkeit gelten sollte. In einem Positionspapier zur Lage
früh genug geschehen ist, muss die Politik wiedergutmachen.“    der Heranwachsenden in der Pandemie fasste eine inter-
Noch immer sind die Kinder- und Jugend-Psychiater:innen         disziplinäre Arbeitsgruppe der Nationalen Akademie der

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BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                               AUSGABE 06 / 2022 

                                                                                                  Stimmt der vorgegebene Min-
                                                                                                  destabstand? Ende März 2020
                                                                                                  genießen die Menschen trotz
                                                                                                  Kontaktsperre die frische Luft.
                                                                                                  Viele nehmen die ungewohnte
                                                                                                  Situation mit Humor.
                                                                                                  Foto: Sebastian Wells / OSTKREUZ

Wissenschaften Leopoldina im Sommer 2021 Erkenntnisse           Aufklärung über die Impfungen ist für sie die Risikoabschät-
und Forderungen zusammen.2                                      zung und Einordnung der jeweils geltenden Maßnahmen eine
                                                                wichtige Aufgabe der Hausärzt:innen. „Den großen Über-
So galt es immer wieder abzuwägen zwischen gesundheit-          blick zu haben, ist für Laien schwer.“
lichen Risiken und gesellschaftlichen Werten – und das in dem
Bewusstsein, einstweilen nur über unsicheres Wissen zu ver-     Zunächst, im Frühjahr 2020, sei es darum gegangen, den Pa-
fügen: Leopoldina-Mitglied Drosten musste seine Aufforde-       tient:innen die Panik zu nehmen, ihnen epidemiologische
rung zu differenziertem Denken dann am 5. Januar 2021 auch      Fakten zu erklären. „Da hat man gemerkt, wie sehr die Pa-
auf das Thema „Impfen“ ausdehnen. Ob die Impfungen, die         tienten einem vertrauen.“ Wenn sie sich denn überhaupt zu
nun neu auf dem Markt waren, gegen eine Infektion und gegen     ihr trauten. „Viele der älteren und multimorbiden Patienten
eine Weitergabe des Virus sicher schützen, wurde er gefragt.    hatten Angst, in die Praxis zu kommen. Eine Patientin stand,
Ob sie eine sterile Immunität wie bei Masern, Mumps und         als sie endlich kam, gekrümmt am Tresen, wir haben sie mit
Gelbfieber verleihen? Drosten wagte es, eine Vermutung zu       einer perforierten Sigmadivertikulitis direkt ins Krankenhaus
äußern. „Ich glaube, dass man als Geimpfter trotz Infektion     eingewiesen.“ Nach drei bis vier Wochen sei dann auch in
die Umgebung nicht ansteckt.“ Aber erneut mahnte er zur         der Praxis der Alltag nahezu wieder eingekehrt.
Vorsicht: „Es ist nicht schwarz-weiß.“ Inzwischen, eineinhalb
Jahre später, wissen wir schon mehr. Um Grautöne geht es        Woher haben sie und ihre Kolleginnen damals Informationen
noch immer.                                                     über das neue Virus, über Tests und Behandlungsmöglich-
                                                                keiten bezogen? Franziska Drephal versucht, sich zurückzu-
Die Grautöne, die Nuancierung, das Denken in Wahrschein-        erinnern. Auf jeden Fall musste sie sich als Niedergelassene
lichkeiten, aber auch die Veränderlichkeit des Wissensstan-     in Eigeninitiative um valide Informationen bemühen. „Am
des: Davon zu sprechen und das laienverständlich zu erklä-      Anfang waren wir ja alle unsicher, wir haben jeden Tag auf
ren, war und ist während der Pandemie auch die Aufgabe          dem Weg zur Arbeit Drostens Podcast gehört, wir haben die
der behandelnden Ärzt:innen. An erster Stelle sind hier die     Seiten des RKI gründlich studiert, die Verordnungen des
Hausärztinnen und Hausärzte gefragt. Die Allgemeinme­
dizinerin Dr. med. Franziska Drephal führte ihre Praxis in
Treptow zu Beginn der Pandemie als Einzelpraxis mit zwei        2    www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/
                                                                    →
angestellten Kolleginnen, inzwischen ist es eine Gemein-            kinder-und-jugendliche-in-der-coronavirus-pandemie-psycho­
schaftspraxis, in die ihr Mann eingestiegen ist. Neben der          soziale-und-edukative-herausforderungen-und-chancen-2021/

                                                                                                                              13
IM FOKUS

                                                                                                   Das Aufklärungsmerkblatt
                                                                                                   sowie der Anamnese- und Ein-
                                                                                                   willigungsbogen wurden vom
                                                                                                   Deutschen Grünen Kreuz e. V.
                                                                                                   in Kooperation mit dem Robert
                                                                                                   Koch-Institut, Berlin, erstellt.
                                                                                                   Die Dokumente liegen auch in
                                                                                                   leichter Sprache und zahlreichen
                                                                                                   Übersetzungen vor. Sie werden
                                                                                                   laufend aktualisiert.
                                                                                                   Foto: Annette Hauschild, OST-
                                                                                                   KREUZ / Ärztekammer Berlin

Landes Berlin nachgelesen.“ Auch die Informationen der Kas-      Streitgespräche inszenierte Diskussionsrunden zur besten
senärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Kassenärzt-        Sendezeit trugen da zusätzlich zur Verunsicherung bei.
lichen Vereinigung (KV) Berlin seien sehr hilfreich gewesen.
„Ich fühlte mich von ihnen so gut informiert wie lange nicht.“   Angriffe auf forschende Mediziner:innen
Nach den hektischen ersten Tagen im März 2020, als vor allem     „All dieser Dreck, der in Talkshows geschmissen wird“: Den
Eltern um eine Krankschreibung baten, weil sie nicht wuss-       Stoßseufzer des Virologen Christian Drosten im NDR-Podcast
ten, wie sie die Kinderbetreuung angesichts der Schulschlie-     vom 16. März 2021 konnten Allgemeinmediziner:innen wie
ßungen sonst hinbekommen sollten, sei auch immer wie-            Drephal sicher gut nachempfinden. Immer wieder wünschte
der genug Ruhe gewesen, um Informationen zu sammeln.             sich der Spezialist für Coronaviren „Ruhe bei der Beurteilung“,
                                                                 „längere Beobachtungszeiträume“, etwa für einen Vergleich
Erfreulicher Trubel trat dann ein, als die Impfungen kamen.      der Virusvarianten, er kritisierte Entscheidungen, die „mit
In ihrem Kiez leben viele ältere Patient:innen, insgesamt ein    der heißen Nadel“ gestrickt wurden und hoffte auf Entschei-
„impfwilliges Publikum“, wie Drephal betont. Sie musste nicht    der:innen mit einem „kühlen Kopf“. „Ich wünsche mir so sehr,
viel Überzeugungsarbeit leisten. Doch sie brauchte ganz prak-    dass über all diese Dinge nicht nur gestritten wird“.
tische Informationen. Noch an Heiligabend 2020 habe sie sich
die Angaben zur BionTech-Impfung aus Großbritannien aus          Stattdessen sahen sich Wissenschaftler:innen, die sich in den
dem Internet heruntergeladen, um dann gleich am 27. Dezem-       Medien zum Thema „Corona“ äußerten, schlimmen Angrif-
ber mit dem mobilen Impfteam in einem Altenheim zu imp-          fen bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt. Unter dem Titel
fen, erinnert sich die engagierte Hausärztin. „Es war eine       „Scientists under Attack“ veröffentlichte die Zeitschrift
Aufbruchstimmung: Wir waren wie erlöst, als die Impfung          „Nature“ im Oktober 2021 die Ergebnisse einer Befragung
innerhalb so kurzer Zeit kam, ein Glücksfall.“                   von 321 Expert:innen, die mit den Medien über die Pandemie
                                                                 gesprochen hatten, darunter auch Wissenschaftler:innen aus
Als problematisch empfand es die Allgemeinmedizinerin bis-       Deutschland3. 47 Teilnehmende berichteten über Morddro-
weilen, dass viele Patient:innen sich durch Medienberichte       hungen. Anlass dafür waren besonders oft ihre Äußerungen
sehr gut informiert fühlten – „scheinbar besser als wir“. Dass
diese Informationen einer Einordnung bedurften und dafür
wiederum ein medizinischer Background notwendig sei, sei
ihnen bisweilen nur schwer klarzumachen gewesen. Als             3   → https://www.nature.com/articles/d41586-021-02741-x

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BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                 AUSGABE 06 / 2022 

Seit dem Start der Impfkampagne ist die
Aufklärung der Patient:innen ein wichtiger
Teil der Impfleistung in den Berliner Praxen.
Die Ärzt:innen sind verpflichtet, die zu imp-
fende Person vorab über Vorteile und auch
mögliche Risiken zu informieren.

Zunächst mussten sie sich jedoch selbst
informieren. Hinweise zu den zugelassenen
Impfstoffen, zur Bestellung und Lieferung der
Vakzine, zum Impfmanagement, zur Aufklä-
rung und Beratung der Patient:innen sowie
zur Erstellung von Impfzertifikaten oder auch,
wie und an wen Praxen Nebenwirkungen mel-
den müssen, stellt beispielsweise die Kassen-
ärztliche Vereinigung Berlin seit Beginn der
Kampagne zur Verfügung.

Fotos:
Heinrich Holtgreve (oben und Mitte),
Annette Hauschild (unten),
OSTKREUZ / Ärztekammer Berlin

                                                                       15
IM FOKUS

Dr. Adelheid Müller-Lissner im Gespräch mit dem Präsidenten der Ärztekammer Berlin,
PD Dr. med. Peter Bobbert

„Als Kammer sind wir auch Garant der Wissenschaft“

AML
     Herr Dr. Bobbert, welche Auf-          von Entscheidungsträger:innen ange-          Auch der Klimawandel ist ein Gesund-
     gabe hatte und hat die Ärzte-          fragt.                                       heitsthema mit starkem Wissenschafts-
kammer Berlin während der Pande-                                                         bezug. Ein Thema, das Ihnen persönlich
mie bei der Vermittlung von Wissen?         Zugleich sehe ich unsere Aufgabe darin,      sehr am Herzen liegt. Droht es, durch
                                            unsere ärztliche Expertise für alle Bür-     andere aktuelle Themen verdrängt zu
 PB
       Wissen und Wissensvermittlung        ger:innen bereitzustellen. Wir sind ja       werden?
       sind der Kern unserer medizini-      auch die Stimme der Ärzt:innenschaft
schen Profession. Wir haben in den ver-     an die Gesellschaft. Das ist eine ganz       Diese Sorge tragen wir. Wir müssen aber
gangenen ein bis zwei Jahren allerdings     wesentliche Rolle. Wir müssen eine           als Gesellschaft und auch in der Berufs-
eine gesellschaftliche Situation erlebt,    Sprache finden, um unser ärztliches          politik ganz schnell lernen, angesichts
in der eine solche Wissensvermittlung       Wissen für alle Bürger:innen verständ-       einer neuen Krise die anderen nicht zu
schwerer zu organisieren war. Gerade        lich weiterzutragen.                         vergessen und uns in unserem Handeln
in einer solchen Situation müssen wir                                                    und Denken nicht einzuengen. Wir müs-
als Kammer einen Rahmen bieten, um          Unter „Querdenker:innen“ und Impf-           sen lernen, Krisen parallel zu bearbei-
den wissenschaftlichen Diskurs, die Ver-    gegner:innen melden sich auch immer          ten. Hier müssen wir sehr breit denken
mittlung und die Auseinandersetzung         wieder Mediziner:innen zu Wort. Wie          und wahrnehmen, dass die Probleme
zu ermöglichen.                             geht die Ärztekammer Berlin mit sol-         oftmals miteinander zusammenhängen.
                                            chen Mitgliedern um?
Bei der Wissensvermittlung an die Berli-                                                 Die COVID-19-Pandemie wird uns ja noch
ner Ärzt:innen flankieren wir die Ange-     Als Standesvertretung haben wir eine         eine Weile begleiten, zugleich haben wir
bote der Berufsverbände und wissen-         Aufsichtsfunktion, wir müssen darauf         hier in Berlin die große Aufgabe zu stem-
schaftlichen Fachgesellschaften und         schauen, dass die Berufsordnung ein-         men, eine große Zahl von Kriegsgeflüch-
zertifizieren Fortbildungsveranstaltun-     gehalten wird und jedes Mitglied seinen      teten aus der Ukraine medizinisch zu
gen, wir verlinken aber auch tagesaktu-     ärztlichen Pflichten nachkommt. Es sind      versorgen. Und gleichzeitig stehen wir
elle Diskussionsveranstaltungen, zum        glücklicherweise nur Einzelfälle, in de-     vor großen Herausforderungen durch
Beispiel aus der Charité, und machen        nen Ärzt:innen wissenschaftlichen Stan-      den menschengemachten Klimawandel,
sie so unseren Mitgliedern bekannt. Wir     dards nicht Genüge getan haben oder          denen wir begegnen müssen. Unsere
müssen zudem als Kammer dafür sor-          ihnen sogar aktiv entgegengetreten           Aufgabe besteht also darin, auch die
gen, dass sich wissenschaftlich tätige      sind. Die große Mehrheit der Ärzt:innen      Probleme im Blick zu behalten, die ge-
Mitglieder nicht eingeschüchtert, be-       hat bei der Bekämpfung der Corona-           rade medial weniger prominent sind.
drängt oder angegriffen fühlen. Wir stel-   Pandemie Außerordentliches geleistet.
len uns damit sowohl hinter als auch vor                                                 Wie sehen Sie beim Thema Klima-
unsere Mitglieder.                          Den Einzelfällen sind wir sehr streng        wandel die Aufgaben der Kammer?
                                            nachgegangen und haben entspre-
Wie sehen Sie die Aufgabe gegenüber         chend unserer Möglichkeiten berufs-          Wir haben den Klimawandel in den
der Politik und der Gesellschaft?           rechtliche Maßnahmen eingeleitet.            vergangenen zwei, drei Jahren als ärzt-
                                            Sollten Vergehen eine solche Schwere         liches und berufspolitisches Thema
Als Kammer sind wir auch die Stimme         haben, dass durch sie Patient:innen ge-      etabliert. Jetzt bedarf es der Mitarbeit
der Wissenschaft und müssen sie in die      fährdet werden, etwa durch das unbe-         der Kammer, um den politischen Dis-
Politik hineintragen. Es geht darum,        gründete Abraten von Corona-Schutz-          kurs mitzugestalten und um in Berlin
das Wissen zu bündeln und in die po-        impfungen, leiten wir die Fälle an das       politische Entscheidungen herbeizu-
litischen Instanzen hineinzugeben, in       Landesamt für Gesundheit und Soziales        führen, mit dem doppelten Ziel, eine
denen Entscheidungen fallen. Wir ver-       (LAGeSo) mit der Bitte weiter, die Ap-       Gesundheitsstadt Berlin 2030 zu schaf-
suchen, unsere ärztliche Expertise in       probation zu überprüfen. Hier gibt es        fen, die klimaneutral und gleichzeitig
Entscheidungen einfließen zu lassen.        klare Standards und Regeln. Es handelt       auch resilient ist. Wir müssen aufzeigen,
Dafür suchen wir stets die Kommuni-         sich, wie gesagt, nur um Einzelfälle, doch   was Hitzewellen gerade für vulnera­
kation, werden umgekehrt aber auch          die können großen Schaden anrichten.         ble Gruppen bedeuten, wir werden

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BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                                    AUSGABE 06 / 2022 

an Hitzeschutzplänen für die Stadt           stehen in der Verantwortung, wissen-
Berlin mitarbeiten und das Thema             schaftliche Erkenntnisse weiterzuge-
immer wieder in den Medien vertre-           ben. Anfeindungen von Wissenschaft-
ten. Auch in der Aus-, Weiter- und           ler:innen, die in dieser Stadt ärztlich
Fortbildung muss es eine wichtige            tätig sind, können wir nicht dulden.
Rolle spielen.

Die Ärztekammer Berlin versteht sich
ganz allgemein als Garant der Wis-                                                          PD Dr. med. Peter Bobbert
senschaft und als ihr Sprachrohr. Wir                                                       Foto: André Wagenzik

zum Impfen oder zur Herkunft des Virus, aber auch darü-             und Christian Drosten bestand die größte Überraschung der
ber, dass keine Evidenz zur Wirksamkeit des Arzneimittels           vergangenen beiden Jahre nach eigenen Angaben beispiels-
Ivermectin gegen COVID-19 bestehe. Die Linguistin Prof. Dr.         weise darin, wie schnell SARS-CoV-2 sich verändert – ent-
Konstanze Marx von der Universität Greifswald, die zum              gegen der bisherigen Lehrbuchmeinung über Coronaviren.
Thema „Wissenschaft und Öffentlichkeit“ forscht, forderte
nach der Veröffentlichung des „Nature“-Artikels beim Science        Auch die Fragen der Patient:innen zu den Impfungen ver-
Media Center ein „Klima der Wissenschaftsfreundlichkeit“,           langten den Ärzt:innen in der Praxis ab, sich kontinuierlich
das Forscher:innen ermutige, die Öffentlichkeit weiterhin           weiter schlauzumachen. Deutlich wurde das, als im März 2021
an ihren Erkenntnissen teilhaben zu lassen.                         seltene Fälle von zunächst rätselhaften Sinusvenenthrombo-
                                                                    sen nach der Gabe des Impfstoffs Vaxzevria (AstraZeneca)
Werden forschende Mediziner:innen angegriffen, können               bekannt wurden, darunter sogar Todesfälle. Zur besten Sen-
auch deren Kammern dazu beitragen, sie zu schützen. „Wir            dezeit wurden die Fernsehzuschauer:innen noch am Tag des
müssen als Ärztekammer dafür sorgen, dass sich wissen-              Bekanntwerdens mit dem Mechanismus der Heparin-indu-
schaftlich tätige Mitglieder nicht eingeschüchtert, bedrängt        zierten Thrombozytopenie (HIT) mit Antikörperbildung gegen
oder angegriffen fühlen“, bekräftigt der Präsident der Ärzte­       Plättchenfaktor 4 (PF4) konfrontiert. Dabei wurden Abläufe
kammer Berlin PD Dr. med. Peter Bobbert im Interview (siehe         geschildert, die den wenigsten Ärzt:innen spontan im De-
oben).                                                              tail vertraut gewesen sein dürften, nach denen sie aber sofort
                                                                    gefragt wurden. Sie mussten nun nicht nur diese neue sel-
Zur Flexibilität gezwungen                                          tene Impfkomplikation auf dem Schirm haben, sie mussten
Nur so kann das Wissen wachsen – und das hat es in den ver-         zudem ihren Patient:innen erklären, warum der Impfstoff
gangenen beiden Jahren erkennbar getan. Inzwischen finden           von AstraZeneca, anders als zuvor empfohlen, nur noch an
sich auf der Website der Arbeitsgemeinschaft der Wissen-            Menschen über 60 Jahre verimpft werden sollte. Zahlreiche
schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF)          andere Fragen zu den Impfungen konnten evidenzbasiert
eine Fülle von Leitlinien und Handlungsempfehlungen zahl-           nicht zeitnah beantwortet werden. „Unser jetziges Wissen
reicher Fachgesellschaften. „Die wissenschaftlichen Erkennt-        über die Wirkung der Impfung stammt aus einem kurzen
nisse zum SARS-CoV-2-Virus nehmen rasant zu“, heißt es in           Zeitraum“, stellte Drosten im April 2021 nüchtern fest.
der überarbeiteten Fassung der Leitlinie der Deutschen Ge-
sellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) vom Februar dieses          Dass sich immer neue Fragen auftaten, dass sogar einige
Jahres. Da das Infektionsgeschehen so dynamisch ist, sei            Mediziner:innen den neuartigen Vakzinen zunächst skeptisch
von den hausärztlichen Praxen „ein hohes Maß an Aktivität
und Flexibilität“ zu fordern. Im ausführlichen Kapitel zur phar-
makologischen Therapie wird deutlich, dass es das Virus
                                                                    4    www.degam.de → Leitlinien → Portal für Ärzte → DEGAM-Leitlinie →
                                                                        →
selbst ist, das zur Flexibilität zwingt: Bei neuen Virusvarianten       SARS-CoV-2/ Covid-19-Informationen & Praxishilfen für niederge-
müsse „geprüft werden, ob eine Wirksamkeit anzunehmen                   lassene Hausärztinnen und Hausärzte (Version 22, abgerufen am
ist“, ist dort zu lesen4. Für die Virolog:innen Sandra Ciesek           16. Mai 2022)

                                                                                                                                      17
IM FOKUS

                                                                                                    Am 18. November 2020 protes-
                                                                                                    tieren Demonstranten gegen die
                                                                                                    Corona-Maßnahmen der Regie-
                                                                                                    rung, vor allem gegen das neue
                                                                                                    Infektionsschutzgesetz. Zahlrei-
                                                                                                    che Plakate zeigen bekannte Wis-
                                                                                                    senschaftler:innen, Politiker:in-
                                                                                                    nen und Journalist:innen in
                                                                                                    Sträflingskleidung und die Auf-
                                                                                                    schrift “Schuldig”. Gegen betei-
                                                                                                    ligte Ärzt:innen kündigte Bundes-
                                                                                                    ärztekammerpräsident Dr. med.
                                                                                                    Klaus Reinhardt berufsrechtliche
                                                                                                    Schritte an.
                                                                                                    Foto: Sebastian Wells / OSTKREUZ

gegenüber standen, ist unter diesen Umständen nachvoll-           Impfkommission (STIKO) geradezu drängten, die Impfung
ziehbar. Wenn hingegen kleine Gruppierungen wie die „World        mit der für diese Altersgruppe inzwischen zugelassenen Vak-
Doctors Alliance“ über soziale Medien sehr selbstbewusst          zine von BionTech/Pfizer doch endlich auch für Heranwach-
Falschinformationen verbreiten oder Corona-Schutzimpfun-          sende zu empfehlen. „Die Empfehlungen sprechen aber aus
gen, wie beispielsweise auf der Schweizer Website mit dem         gutem Grund nicht Politiker aus, sondern Mediziner“, stellt
anspruchsvollen Namen „Aletheia“, als „strafrechtlich rele-       Pädiater Jakob Maske klar. „Wir Kinderärzte haben der
vanter Feldversuch“ bezeichnet werden und impfende                STIKO den Rücken gestärkt. Und wir hatten viel Arbeit
Ärzt:innen Drohschreiben erhalten, dann ist diese Skepsis         damit, den Eltern die Verunsicherung zu nehmen.“ Es
eindeutig überschritten5. (Zu den PLURV-Prinzipien der Des-       schwingt Empörung mit, wenn er sich daran erinnert, wie
information siehe Kasten.)                                        die fachliche Instanz, die traditionell für die Impfempfeh-
                                                                  lungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene maßgeb-
Die STIKO als Stütze                                              lich ist, hier vonseiten der Politik als zu träge kritisiert
Dass die überwiegende Mehrheit der Ärzt:innen dem Impfen          wurde. „Das ist ja nach wie vor die fachliche, wissen-
positiv gegenübersteht, zeigt zum Beispiel die krankenhaus-       schaftlich-ärztliche Institution, die zur richtigen Zeit die
basierte Online-Befragung (KROCO) des RKI: Im Herbst 2021         richtigen Entscheidungen getroffen hat.“
waren nur zwei Prozent der befragten rund 2.500 Klinikärzt:in-
nen ungeimpft, eine große Gruppe war bereits geboostert6.         Er und seine Kolleg:innen werden sich selbst weiter auf dem
Eine Studie, die direkt vor der Corona-Pandemie in franzö-        Laufenden halten: etwa über Daten zur Wirksamkeit auf Omi­
sischen Krankenhäusern durchgeführt und im Sommer 2021            kron oder auf andere Varianten angepasste Impfstoffe, über
in der Zeitschrift „Vaccine“ veröffentlicht wurde, zeigt zudem:   Daten zu ersten Lebendvakzinen, über Daten zur Dauer der
Mediziner:innen, die sich intensiv zu Immunisierungen fort-       Immunität oder über wissenschaftliche Erkenntnisse zu Long
gebildet hatten, gehören zu den größten Befürworter:innen         COVID.
des Impfens7.

Sollte man, oder sollte man lieber (noch) nicht? Große Ver-
                                                                  5    https://aletheia-scimed.ch/
                                                                      →
unsicherung gab es beispielsweise im Sommer 2021 bei              6   → www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/
den Eltern von Kindern im Alter zwischen 12 und 18 Jahren.             Projekte_RKI/Kroco-Report100122.pdf?__blob=publicationFile
Vor allem als Politiker:innen die Expert:innen der Ständigen      7    → www.journals.elsevier.com/vaccine

18
BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                                      AUSGABE 06 / 2022 

Sich schlaumachen, das neue Wissen für sich selbst und für
die Patient:innen einordnen: Das ist eine ärztliche Aufgabe,
die bleiben wird, auch nach der COVID-19-Pandemie. „Me-
dizin ist eine Handlungswissenschaft, die sich in der Praxis
auf eine kollektiv geteilte wissenschaftliche Basis stützt, deren
Grundlagen im Medizinstudium gelegt werden und die im Lauf
der späteren Berufstätigkeit aufgrund empirischer Erfah-
rung und neuen Wissens überprüft, erweitert und vermittelt
werden müssen“, fasst der Vorstand der Bundesärztekammer
in der anfangs erwähnten Stellungnahme zur Wissenschaft-
lichkeit der Medizin treffend fest. Da ist es gut, dass es auch     Dr. Adelheid Müller-Lissner
Spaß machen kann, stets aufs Neue zu fragen: „Wieso, wes-           Freie Wissenschaftsjournalistin
halb, warum?“ ∕                                                     Foto: privat

 Kennen Sie das PLURV-Prinzip?

 Einen problematischen Umgang mit wissenschaftlichen                nicht in Betracht zieht, kommt etwa zu falschen Schlüssen
 Fakten und Erkenntnissen gibt es nicht erst, seit das Virus        hinsichtlich der Gefährlichkeit des Virus. Beliebt sind auch
 SARS-CoV-2 die Welt heimsucht. Auch Klimaforscher:innen            Ad-hominem-Argumente: XY ist (angeblich) von der Phar-
 müssen seit Jahren dagegen ankämpfen. Sie waren die                maindustrie „gekauft“, folglich können seine Argumente
 Ersten, die das Prinzip mit dem deutschen Akronym PLURV8           nicht stimmen. Schwammige und unklare Begriffe sorgen
 diskutierten. In der COVID-19-Pandemie erlebten die fünf           zusätzlich für Verwirrung. Als Beispiel nannte Drosten im
 Techniken des Leugnens und Verdrehens eine Blütezeit.              Podcast den Begriff „Dauerwelle“, der in den Friseursalon
 Die Anfangsbuchstaben stehen für: Pseudoexpert:innen,              gehöre und in der Infektionsepidemiologie unbekannt sei.
 Logikfehler, Unerfüllbare Erwartungen, Rosinenpickerei             Auch Totschlagargumente fallen in diese Kategorie: Etwa
 und Verschwörungsmythen.                                           die Forderung, man müsse ja nur die Altersheime schützen,
                                                                    damit Hochrisikopatient:innen sicher seien – obwohl dort
 Pseudoexpert:innen haben oftmals einen Doktor- oder                tatsächlich nur die Minderheit der Hochbetagten lebt.
 Professorentitel, forschen indes aber nicht auf dem be-
 treffenden Gebiet. Auch abseitigste Meinungen dieser ver-          Unerfüllbare Erwartungen an die Wissenschaftler:innen
 meintlichen Fachleute werden jedoch im Sinne einer fal-            zeigen sich etwa in der Forderung nach höheren Beweis-
 schen Ausgewogenheit bisweilen in den Medien aufgebläht.           standards oder präziseren Zahlen, nach hundertprozentig
 So leugnete der emeritierte Mikrobiologieprofessor der             sicheren Tests oder völlig nebenwirkungsfreien Impfungen.
 Universität Mainz, Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi, wieder-
 holt die Gefahren, die mit der Corona-Pandemie verbun-             Rosinenpickerei betreibt, wer mit Kasuistik oder Anekdo-
 den sind. Die staatlichen Maßnahmen zu deren Eindäm-               tischem „argumentiert“ oder selektiv zitiert.
 mung bezeichnete er als „grotesk, überbordend und direkt
 gefährlich“. Nach seiner Meinung treten bei 99 Prozent der         Verschwörungsmythen arbeiten mit der Technik des
 Infizierten lediglich leichte oder gar keine Symptome auf.         Generalverdachts. Zufälligkeiten werden zu Gesetzmäßig-
 Nur bei weniger als einem Prozent komme es zum Ausbruch            keiten uminterpretiert.
 einer Krankheit. Auch der Arzt und ehemalige SPD-Bundes-
 tagsabgeordnete Dr. med. Wolfgang Wodarg konnte vor
 allem zu Beginn der Pandemie öffentlichkeitswirksam von
 Panikmache sprechen. Als Lungenarzt, Internist und ehe-            8	Infografik:
 maliger Leiter eines Gesundheitsamts wirkte er auf viele              → www.klimafakten.de/meldung/p-l-u-r-v-dies-sind-die-
 Menschen überzeugend.                                                 haeufigsten-desinformations-tricks-von-wissenschafts-
                                                                       leugnern

 Logikfehler entstehen auf verschiedenen Ebenen und sind                Hintergründe:
 oft schwer durchschaubar. Wer das Präventionsparadox                   → skepticalscience.com/PLURV-Taxonomie-und-Definitionen.shtml

                                                                                                                                  19
AUS DER KAMMER                  ÄRZTLICHE FORTBILDUNGEN

Veranstaltungen
Die Ankündigungen auf den folgenden Seiten geben einen                haben, können im Fortbildungskalender unter: → veran-
Überblick über die ärztlichen Fortbildungsveranstaltun-               staltung.aekb.de/kalender anhand von Terminen, Fach-
gen, die in der nächsten Zeit von der Ärztekammer Berlin              gebieten oder auch mit freien Suchbegriffen recherchiert
(ÄKB) durchgeführt werden oder in Kooperation mit ihr                 werden. Damit bietet der Kalender in Abhängigkeit von
stattfinden. Einen vollständigen Überblick zu unseren Kur-            der gewählten Such­stra­tegie sowohl einen umfassenden
sen und Veranstaltungen erhalten Sie auf unserer Website              Überblick über sämtliche Fortbildungsveranstaltungen
unter: → www.aekb.de/fortbildungsveranstaltungen.                     in Berlin als auch eine an den individuellen Interessen-
Alle weiteren Fortbildungsveranstaltungen, die von der                schwerpunkten orientierte Veranstaltungsauswahl weit
ÄKB zertifiziert wurden und Fortbildungspunkte erhalten               im Voraus.

Termine                            Thema/Referierende                 Ort                         Kontakt/Teilnahmeentgelt              Punkte
01.03.2022–28.02.2023              Online-Fortbildung:                Lernplattform der           Anke Fischer und                      2
                                   STEMI Einfach erkennen             Ärztekammer Berlin          Cameron Hadan (Organisation)
                                   in Kooperation mit dem             Friedrichstraße 16           T 030 408 06 - 12 18 / - 12 09

                                   Berlin-Brandenburger               10969 Berlin                 E stemi@aekb.de

                                   Herzinfarktregister e. V.                                      Teilnahmeentgelt:
                                                                                                  30 €
                                                                                                  Anmeldung:
                                                                                                  → anmeldung-fb.aekb.de
                                                                                                  (Teilnehmende aus Berlin, Ober-
                                                                                                  havel und Havelland wenden sich
                                                                                                  vor der Buchung bitte an ihre ärzt-
                                                                                                  lichen Stützpunktleiter:innen.)

Präsenz-Termine:                   Qualifikation Tabakentwöhnung      Ärztekammer Berlin          Manja Nehrkorn, MPH (Inhalte)         beantragt
20.–22.10.2022                     nach dem Curriculum Ärztlich       Fort- und Weiter-            T 030 408 06 - 12 11

jeweils 9–17 Uhr und               begleitetet Tabakentwöhnung        bildungszentrum              E m.nehrkorn@aekb.de

03.12.2022 von 9–16 Uhr            inkl. Tabakentwöhnung mit struk-   Friedrichstraße 16          Dörte Bünning (Organisation)
E-Learning:                        turiertem Gruppenprogramm          10969 Berlin                 T 030 408 06 - 12 06

22.10.–20.11.2022 (4,5 Stunden)    der Bundesärztekammer (03/2019)                                 E d.buenning@aekb.de

                                                                                                  Teilnahmeentgelt:
                                                                                                  140 €
                                                                                                  Anmeldung:
                                                                                                  → anmeldung-fb.aekb.de
10.12.2022                         Impfungen in der Praxis            Hybridveranstaltung         Dr. med. Antje Auler (Inhalte)        beantragt
                                                                      Kaiserin-Friedrich-          T 030 408 06 - 14 04

                                                                      Haus                         E a.auler@aekb.de

                                                                      Robert-Koch-Platz 7         Anica Simon (Organisation)
                                                                      10115 Berlin und             T 030 408 06 - 12 08

                                                                      live Online-Seminar          E a.simon@aekb.de

                                                                                                  Teilnahmeentgelt:
                                                                                                  140 €
                                                                                                  Anmeldung:
                                                                                                  → anmeldung-fb.aekb.de
Veranstaltungszyklus               Weiterbildungskurs                 Module III–VI:              Anke Fischer und                      beantragt
2022/2023                          Arbeitsmedizin/Betriebsmedizin     Ärztekammer Berlin          Cameron Hadan (Organisation)
                                                                      Friedrichstraße 16           T 030 408 06 - 12 15

                                                                      10969 Berlin                 E fb-aag@aekb.de
Modul I–IV: ausgebucht
Modul V: 09.–18.01.2023                                               Die Ärztekammer Berlin      Teilnahmeentgelt:
Modul VI: 18.–27.01.2023                                              behält sich vor, die Ver-   30 €
                                                                      anstaltungen je nach        Anmeldung:
                                                                      Pandemiesituation in        → anmeldung-fb.aekb.de
                                                                      ein Online-Format um-
                                                                      zuwandeln.

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BERLINER ÄRZT:INNEN
                                                                                                      AUSGABE 06 / 2022 

Grundkurs im Strahlenschutz und                                        Transfusionsverantwortlicher /
Spezialkurs im Strahlenschutz bei                                      Transfusionsbeauftragter / Leiter Blutdepot
der Röntgendiagnostik                                                  nach den Vorgaben der Bundesärztekammer in Kooperation
zum Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz nach Strahlen-              mit dem DRK-Blutspendedienst Nord-Ost und dem Institut für
schutzverordnung                                                       Transfusionsmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin

                                                                       Einrichtungen der Krankenversorgung, die Blutprodukte anwen-
Die Lehrinhalte entsprechen der Richtlinie „Fachkunde und
Kenntnisse im Strahlenschutz bei dem Betrieb von Röntgenein-           den, haben gemäß § 15 des Transfusionsgesetzes ein System der
richtungen in der Medizin oder Zahnmedizin“. Die Kurse wurden          Qualitätssicherung für die Anwendung von Blutprodukten nach
gemäß § 51 der Strahlenschutzverordnung vom Landesamt für              dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik einzu-
Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit             richten. In der Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestand-
Berlin anerkannt.                                                      teilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Richtlinie Hämo-
                                                                       therapie) werden dazu verschiedene Qualifikationen und Aufgaben
                                                                       der Blutprodukte anwendenden Personen definiert, darunter trans-
Grundkurs im Strahlenschutz
                                                                       fusionsverantwortliche und transfusionsbeauftragte Ärzt:innen.
Bitte beachten: Vor Beginn des Grundkurses müssen Sie be-
reits den 8-stündigen Kenntniskurs absolviert haben. Die Teil-
nahme am Grundkurs ist Voraussetzung für die Teilnahme an              Diese Fortbildungsmaßnahme richtet sich gemäß der Richtlinie
den Spezialkursen.                                                     Hämotherapie an Fachärzt:innen und setzt die Lernziele in Form
                                                                       eines Blended-Learning-Konzeptes mit einem vorbereitenden
Termin: 						 27.–29.06.2022                                          E-Learning-Anteil von drei Unterrichtseinheiten à 45 Minuten und
Teilnahmeentgelt: 			 280 €                                            zwei Präsenztagen mit insgesamt dreizehn Unterrichtseinheiten um.

                                                                       Für das E-Learning sowie für die Lernerfolgskontrolle werden eine
Spezialkurs im Strahlenschutz bei der Untersuchung mit
                                                                       Internetverbindung und die aktuelle Version eines gängigen Web-
Röntgenstrahlen (außer CT, DVT und interventionelle Radiologie)
                                                                       browsers (z. B. Mozilla Firefox, Internet Explorer, Chrome, Safari)
Termin: 						 30.06.–01.07.2022                                       mit einem Plug-in für PDF-Dateien und aktiviertem JavaScript
Teilnahmeentgelt: 			 260 €                                            benötigt. Die Datenschutzerklärung ist einsehbar unter:
Veranstaltungsort: 		 Ärztekammer Berlin                               → https://elearning.aekb.de
										 Frie           drichstraße
                                    16, 10969 Be
                                               rlin
Informationen: 			 T 030 408 06 - 12 16                                E-Learning: 				 06.09.–05.10.2022 (ca. 3 Stunden)
										 E fb-strahlenschutz@aekb.de                                 Präsenz-Termine:		 Do., 06.10.2022 von 13:00–18:10 Uhr
Anmeldung: 					→ anmeldung-fb.aekb.de                                 									 Fr., 07.10.2022 von 09:00–15:30 Uhr
                                                                       Abschlusstest:			 08.10.–06.11.2022 (Lernerfolgskontrolle)
Aktualisierungskurs zum Erhalt der Fachkunde im
Strahlenschutz bei der Röntgendiagnostik                               Veranstaltungsort: Tegeler Seeterrassen
                                                                        									 Wilke           straße  1
Termin: 						 Sa., 29.10.2022                                         			 						 13507 Be            rlin
Teilnahmeentgelt: 			 165 €                                            Teilnahmeentgelt: 		 250 €
Veranstaltungsort: 		 Ärztekammer Berlin                               Fortbildungspunkte: 16 Punkte
										 Frie           drichstraße
                                    16, 10969 Be
                                               rlin                    Informationen: 		 Katharina Wentrup, Ärztin (Inhalte)
Fortbildungspunkte:		 16 Punkte                                        									 T 030 408 06 - 14 05
Informationen: 			 T 030 408 06 - 12 16                                									Regina Drendel (Organisation)
										 E fb-strahlenschutz@aekb.de                                 									 T 030 408 06 - 14 01
Anmeldung: 					→ anmeldung-fb.aekb.de                                 Anmeldung: 				→ anmeldung-fb.aekb.de

Aus Fehlern lernen – CIRS für Einsteigerinnen und Einsteiger
Critical Incident Reporting Systeme (CIRS) dienen der Patientensicherheit, da Krankenhäuser mit ihrer Hilfe aus Beinahe-Schäden, die
bei der Versorgung von Patient:innen auftreten, systematisch lernen. Um ein internes CIRS kompetent zu betreuen, benötigen die verant-
wortlichen Mitarbeitenden Kenntnisse und Fertigkeiten, die in diesem eintägigen Seminar vermittelt werden.

Präsenz-Termin:			 Fr., 23.09.2022                                   Veranstaltungsort: 	Ärztekammer Berlin,
Teilnahmeentgelt: 		100 € (für Mitarbeitende in einem                                    Friedrichstraße 16, 10969 Berlin
                     Mitgliedskrankenhaus des Netzwerks              Informationen: 			   T 030 408 06 - 12 03 E a.hellert@aekb.de

                     CIRS-Berlin ermäßigt: 70 €)                     Anmeldung:				→ anmeldung-fb.aekb.de
Fortbildungspunkte:	10 Punkte für ärztliche Fortbildung
                     7 Punkte für beruflich Pflegende

                                                                                                                                       21
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