Berufsabschluss durch Weiterbildung - Zur Wirksamkeit beruflicher Nachqualifizierung - Bertelsmann Stiftung
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Berufsabschluss durch Weiterbildung Zur Wirksamkeit beruflicher Nachqualifizierung
Berufsabschluss durch Weiterbildung Inhalt 1 Zusammenfassung 6 2 Einleitung 8 3 Abschlussorientierte Weiterbildung 11 4 Empirische Analyse 13 4.1 Datengrundlage 13 4.2 Effekte des nachträglichen Erwerbs eines Berufsabschlusses 14 4.2.1 Effekte eines „nachgeholten” ersten Berufsabschlusses über 25 16 4.2.2 Effekte eines zweiten Berufsabschlusses 18 4.3 Effekte der Förderung der beruflichen Weiterbildung (FbW) 19 4.4 Zusammenfassung: Empirische Ergebnisse auf Basis der NEPS-ADIAB-DATEN 21 4.5 Effekte der abschlussorientieren Weiterbildung 22 4.5.1 Weiterbildungsteilnahmen 22 4.5.2 Verbleib nach der Weiterbildung 25 4.5.2.1 Vergleich nach Subgruppen 28 4.5.2.2 Vergleich nach Maßnahmen 28 5 Fazit 31 Über die Autor:innen 34 Literatur35 Impressum38 4
Inhalt und Abbildungen Abbildungen ABBILDUNG 1 Beschäftigungsquote von Menschen ohne Berufsabschluss deutlich geringer 15 ABBILDUNG 2 Durchschnittliches Brutto-Monatseinkommen bei Menschen ohne Berufsabschluss bedeutend niedriger 16 ABBILDUNG 3 Nachgeholter Berufsabschluss erhöht Beschäftigungswahrscheinlichkeit langfristig positiv 17 ABBILDUNG 4 Nachgeholter Berufsabschluss erhöht monatliches Brutto-Einkommen langfristig positiv 17 ABBILDUNG 5 Zweiter Berufsabschluss geht wegen hoher Ausgangsbasis nicht mit positivem Beschäftigungseffekt einher 18 ABBILDUNG 6 Zweiter Berufsabschluss erhöht monatliches Brutto-Einkommen deutlich 19 ABBILDUNG 7 Teilnahme an FbW-Maßnahmen mit langfristig positivem Beschäftigungseffekt 20 ABBILDUNG 8 Brutto-Monatseinkommen nach Teilnahme an FbW-Maßnahme langfristig deutlich höher 21 ABBILDUNG 9 FbW-Teilnahmen im SGB III mit positiver Tendenz, im SGB II stagnierend bis rückläufig 22 ABBILDUNG 10 Nicht abschlussorientierte Weiterbildungen dominieren die FbW-Teilnahmen 23 ABBILDUNG 11 Teilqualifizierungen in den letzten Jahren immer häufiger nachgefragt 23 ABBILDUNG 12 Maßnahmearten werden in den Bundesländern sehr unterschiedlich eingesetzt 24 ABBILDUNG 13 Übergang in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im SGB II nach einer FbW-Teilnahme sehr langsam 25 ABBILDUNG 14 Übergang in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im SGB III nach einer FbW-Teilnahme bereits auf hohem Niveau 26 ABBILDUNG 15 SGB II: Teilqualifizierungen mit nahezu deckungsgleichen Eingliederungsquoten in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wie Umschulungen 27 ABBILDUNG 16 SGB III: Teilqualifizierungen und Umschulungen bei den Eingliederungsquoten in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gleichauf 27 ABBILDUNG 17 Deutliche Unterschiede bei den Eingliederungsquoten nach 12 Monaten bei verschiedenen Subgruppen 29 5
Berufsabschluss durch Weiterbildung 1 Zusammenfassung Geringqualifizierte haben in Deutschland schlechte berufliche Perspektiven. Ohne einen anerkannten Berufsabschluss arbeiten sie nicht nur zu geringeren Löhnen, sondern sind auch häufiger arbeitslos als Menschen mit einem Abschluss. Mit Blick auf die Entwicklung am Arbeitsmarkt wird ihre Situation auch nicht besser. Globalisierung und technologischer Wandel sorgen dafür, dass sich die Erwerbschancen geringqualifizierter Menschen zunehmend verringern. Ein möglicher Weg aus der Misere ist die berufliche Nachqualifizierung. Sie soll helfen, dass Geringqualifizierte auch nachträglich, also in späten Jahren, noch einen Berufsabschluss erwerben und dadurch ihre Arbeitsmarktsituation verbessern können. Doch wie erfolgreich bzw. wirksam sind Maßnahmen der beruflichen Nachqualifizierung? Die vorliegende Studie geht genau dieser Frage Im zweiten Teil analysieren wir, wie sich speziell nach und untersucht den Einfluss beruflicher die Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung auf Einkommen und Beschäf- Weiterbildung (FbW) der Bundesagentur für Ar- tigung. Die ihr zugrunde liegende empirische beit auswirken. Auch hier liefern die NEPS-IAB- Analyse gliedert sich in drei Teile: Im ersten Teil Daten die notwendige Datengrundlage. Unsere analysieren wir auf Basis der Daten des Natio- Analyse zeigt: Die Effekte auf Einkommen und nalen Bildungspanels (NEPS) und des Instituts Beschäftigung sind langfristig positiv. Das ent- für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), spricht auch den Ergebnissen anderer Studien. wie sich das Nachholen eines ersten oder zweiten Berufsabschlusses auf Beschäftigung und Ein- Im dritten Teil vergleichen wir schließlich die kommen auswirkt. Die Ergebnisse dazu sind Effekte der vier abschlussorientierten FbW-Maß- eindeutig: Wer im Alter von über 25 Jahren sei- nahmen – der betrieblichen Einzelumschulung, nen ersten Berufsabschluss erwirbt, der erhöht der Umschulung bei einem Bildungsträger, des Vor- sowohl seine Beschäftigungswahrscheinlichkeit bereitungslehrgangs für die Externenprüfung sowie als auch sein Einkommen. Der Erwerb eines der Teilqualifikationen (auf die wir auch einen zweiten Abschlusses steigert das Einkommen besonderen Fokus legen). Für den Vergleich noch weiter. greifen wir auf Daten einer Sonderauswertung 6
1 Zusammenfassung der BA-Förderstatistik zurück. Sie gibt die abso- Einen Berufsabschluss nachzuholen, zahlt sich luten Zahlen aller Teilnahmen wieder sowie den somit aus. Zunächst aber muss investiert wer- Verbleib der Teilnehmenden nach Ende der Maß- den, denn mehrjährige Berufsausbildungen oder nahme (jeweils für den Zeitraum 2010-2020). Umschulungen bedeuten immer auch Einkom- menseinbußen für die Zeit bis zum Abschluss. Die Auswertung zeigt, dass die Umschulung bei Vor diesem Hintergrund können die sehr viel einem Träger die mit Abstand meistbesuchte ab- kürzeren und kostengünstigen (aber ähnlich schlussorientierte Maßnahme ist. 2020 entfielen erfolgreichen) Teilqualifikationen ein attraktives, auf sie mehr als die Hälfte aller abschluss- alternatives Angebot darstellen, sowohl für orientierten Weiterbildungsteilnahmen. Am den Einzelnen als auch die öffentliche Hand. deutlichsten gestiegen sind in den letzten Jahren Unsere Ergebnisse deuten allerdings darauf hin, allerdings die Teilnahmezahlen der Teilqualifi- dass die Teilqualifikationen für verschiedene kationen. Bei der Frage, wo die Teilnehmenden Personengruppen sehr unterschiedlich wirken. nach ihrer Maßnahme verbleiben, fokussieren Um die genauen Ursachen dafür feststellen zu wir uns auf die Eingliederung in eine sozialversi- können, braucht es eine umfassendere Datenlage cherungspflichtige Beschäftigung. Für die meis- und weitergehende Analyse. Gleiches gilt für die ten der untersuchten Personengruppen zeigt Frage nach dem langfristigen Erfolg der ver- sich, dass sie durch Teilqualifikationen ähnlich schiedenen Weiterbildungsmaßnahmen. schnell in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung finden wie durch längerfristige Weiterbildungen, (z. B. Umschulungen). 7
Berufsabschluss durch Weiterbildung 2 Einleitung Globalisierung und technologischer Wandel Interaktion eine entscheidende Rolle spielen haben den deutschen Arbeitsmarkt in den letzten (Eichhorst und Buhlmann, 2015; Bertelsmann Jahrzehnten massiv beeinflusst. Der stete tech- Stiftung, 2015; Frey und Osborne, 2017). Ausmaß nologische Fortschritt sorgt dafür, dass Compu- und Geschwindigkeit dieser Entwicklung sind ter und Maschinen die Arbeit von Menschen in allerdings schwer abzuschätzen und unter Ex- vielen Bereichen übernehmen. Zudem werden perten umstritten. Eichhorst et al. (2019) merken Tätigkeiten, die nicht so leicht automatisiert beispielsweise an, dass allein die Tatsache, dass werden können, in Länder mit geringeren Lohn- ein Computer eine bestimmte Tätigkeit ausüben stückkosten ausgelagert („Offshoring”). Diese kann, nicht gleich impliziert, dass er den Men- Trends trugen maßgeblich dazu bei, dass die schen darin auch ersetzen wird. Letzteres hängt Anzahl der Beschäftigten in der Produktion in vielmehr davon ab, ob Computer und Maschinen Deutschland massiv zurückgegangen ist – seit in der Lage sind, die Tätigkeit kosteneffizienter den 80er Jahren um etwa 30 Prozent (Eichhorst als der Mensch auszuüben. et al., 2019). Technologischer Fortschritt und Globalisierung haben aber auch neue Jobs ge- Grundsätzlich aber sind für viele Menschen die schaffen, besonders im Dienstleistungssektor. Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt unsicherer Das Beschäftigungswachstum bei den Dienst- geworden. Tätigkeiten, die vormals ein dauer- leistungsjobs hat den Rückgang der Industrie- haft sicheres Einkommen versprachen, könnten arbeitsplätze sogar mehr als kompensiert. So künftig besonders stark vom technologischen sind seit den 80er Jahren zwar knapp 30 Prozent Wandel oder Offshoring bedroht sein. Eine Mög- aller Industriearbeitsplätze verlorengegangen, lichkeit, sich gegen solche Arbeitsmarktrisiken gleichzeitig haben sich aber die Arbeitsplätze abzusichern, ist Bildung. Das belegen auch die im Dienstleistungssektor verdoppelt (Eichhorst Statistiken: So lag die Arbeitslosenquote von et al., 2019). Hochschulabsolventen 2019 bei 2,0 Prozent und die von Menschen mit abgeschlossener Berufs- Und die Entwicklung geht weiter: Durch maschi- ausbildung bei 3,3 Prozent (Bundesagentur für nelles Lernen, künstliche Intelligenz und mobile Arbeit, 2021). Ganz anders sieht es bei Menschen Robotik werden Maschinen auch künftig immer ohne Berufsabschluss aus. Diese Gruppe umfasst mehr Tätigkeiten übernehmen, die bisher von ca. 15 Prozent der 30- bis 60-Jährigen (Statisti- Menschen verrichtet werden. Besonders leicht sches Bundesamt, 2020). Ihre Arbeitslosenquote automatisierbar sind manuelle und kognitive lag 2019 bei 17 Prozent (Bundesagentur für Routinetätigkeiten, also repetitive Tätigkeiten, Arbeit, 2021). Die enormen Unterschiede bei den die kodifizierbar und damit leicht von Computern Arbeitsmarktchancen nach Bildungsabschluss auszuführen sind. Auf der anderen Seite steigt zeigen sich auch bei den Lebenseinkommen und die Nachfrage nach Nicht-Routinetätigkeiten. besonders eindrucksvoll für Männer: Bönke et Das sind Tätigkeiten, in denen der Mensch al. (2020) errechneten für Männer ohne Berufs- einen Vorteil gegenüber Computern besitzt, abschluss einen Lebensverdienst von knapp weil hier z. B. Kreativität, Intuition oder soziale unter einer Million Euro, während Männer mit 8
2 Einleitung Berufsausbildung 1,5 Millionen und Männer mit in dieser Gruppe aber ist die Weiterbildungs- Hochschulabschluss 2 Millionen Euro verdienen beteiligung gering. So haben 2015 z. B. nur 5,6 (siehe auch Schmillen und Stüber, 2014; Union Prozent der Menschen ohne Berufsabschluss an Investment, 2017). einer Weiterbildung teilgenommen, während die Beteiligungsquote der Durchschnittsbevölkerung Angesichts dieser nachteiligen Arbeitsmarkt- bei 12,2 Prozent lag (Bertelsmann Stiftung, perspektiven richtet sich die berufliche Nach- 2018). Hinzu kommt, dass auch die öffentlichen qualifizierung in Deutschland an Menschen Ausgaben für die Weiterbildung zwischen 1995 ohne einen „verwertbaren” Berufsabschluss und 2015 stagnierten (und als Anteil am Brutto- (Bundesinstitut für Berufsbildung, 2018). Sie soll inlandsprodukt sogar deutlich gesunken sind), deren Qualifikationsdefizite verringern, wobei während die Ausgaben für die anderen Bildungs- das Hauptziel darin liegt, Geringqualifizierte bereiche deutlich erhöht wurden – beispielsweise über Maßnahmen der abschlussorientierten Wei- die Ausgaben für Schulbildung um 41 Prozent terbildung zum Berufsabschluss zu führen (z. B. und die für Hochschulbildung sogar um 78 Pro- durch eine Umschulung). Gleichzeitig beinhaltet zent (Bertelsmann Stiftung, 2019). die abschlussorientierte berufliche Weiterbildung die Möglichkeit, modulare Teilqualifikationen Für die Teilnehmenden selbst ergibt sich die zu erwerben, die zusammengefasst zu einem Attraktivität einer beruflichen Nachquali- Berufsabschluss führen (können). fizierung direkt aus der Frage, inwieweit sich ihre Beschäftigungschancen und Einkommens- Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels aussichten dadurch verbessern. So zeigen Dietz in Deutschland nützt die berufliche Nachquali- und Osiander (2016) beispielsweise, dass die fizierung auch den Betrieben. Laut dem DIHK- Bereitschaft, an einer beruflichen Weiterbildung Report „Fachkräfte 2021“ konnte beispielsweise teilzunehmen, maßgeblich dadurch beeinflusst die Hälfte der befragten Unternehmen offene wird, welche Verbesserung der eigenen Be- Stellen aufgrund fehlender Fachkräfte länger- schäftigungschancen man sich davon erwartet. fristig nicht besetzen (DIHK, 2021). Hier kann die Der Weiterbildungsbericht des Bundesminis- berufliche Nachqualifizierung den Wechsel einer teriums für Bildung und Forschung (Bilger et Person in andere Branchen erleichtern. Auch in al., 2016) ergänzt diesen Befund und zeigt, dass diesem Kontext ist der Erwerb modularer Teil- ein beträchtlicher Teil der Weiterbildungs qualifikationen bedeutsam. In einer Studie der teilnehmenden die Verbesserung beruflicher Bertelsmann Stiftung gaben mehr als 80 Prozent Chancen (29 Prozent) und die Sicherung des der befragten Arbeitgeber an, dass sie Menschen Arbeitsplatzes (22 Prozent) als Grund für die ohne Berufsabschluss einstellen würden, wenn Weiterbildungsteilnahme angibt. sie Kompetenzen in mindestens einem rele- vanten Tätigkeitsfeld mitbringen (Bertelsmann Die vorliegende Studie beschäftigt sich daher Stiftung, 2020). mit der Frage, in welchem Maße eine berufliche Nachqualifizierung die Beschäftigung und das Weiterbildung ist eine (Bildungs-)Investition Einkommen der Teilnehmenden verbessern aus individueller wie auch volkswirtschaftlicher kann. Die zugrunde liegende empirische Analyse Sicht. Sie erhöht potenziell die Erwerbschancen besteht aus drei Teilen: Im ersten Teil ana- sowie das Einkommen des einzelnen Menschen lysieren wir die Effekte später Berufsabschlüsse und kann das Risiko, arbeitslos zu werden, auf Beschäftigung und Einkommen über die Zeit. verringern. Aus Sicht der öffentlichen Hand Wir unterschieden dabei zwischen dem Erwerb verspricht eine Weiterbildung zusätzlich höhere eines ersten Berufsabschlusses im Alter von Steuereinnahmen und geringere Transferleis- über 25 Jahren und dem Erwerb eines zweiten tungen, die mit den Kosten der Weiterbildung Berufsabschlusses. Hierzu nutzen wir die ver- abzuwägen sind. knüpften Daten des Nationalen Bildungspanels (National Educational Panel Study, NEPS) und Experten gehen davon aus, dass Weiterbildung Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Be- vor allem den Geringqualifizierten nützt. Gerade rufsforschung (IAB). Im zweiten Teil der Studie 9
Berufsabschluss durch Weiterbildung untersuchen wir, welchen Einfluss die Teilnahme Der Beitrag der vorliegenden Studie besteht an Maßnahmen der Förderung der beruflichen darin, die verschiedenen Formen der beruflichen Weiterbildung (FbW) auf Einkommen und Nachqualifizierung empirisch zu untersuchen. Beschäftigung haben. Auch dafür nutzen wir die Trotz ihrer offenkundigen Bedeutung gibt es nur Kombination aus den Daten des NEPS und des wenige empirische Analysen, die die Wirkung IAB (vgl. Kapitel 4.1). von verschiedenen, öffentlich geförderten Inst- rumenten der Weiterbildung auf Beschäftigung Im dritten Teil der Studie differenzieren wir zwi- und Einkommen erforschen. Diese Studien schen den verschiedenen Maßnahmen der Förde- (z.B. Bernhard, 2016; Kruppe und Lang, 2015) rung der beruflichen Weiterbildung und richten beschränken sich zudem auf die Teilnahme an einen detaillierten Blick auf die so genannten geförderter beruflicher Weiterbildung allgemein, „abschlussorientierten“ Maßnahmen. Wir ver- ohne zwischen den sehr unterschiedlichen gleichen diese Maßnahmen hinsichtlich ihrer Formen der abschlussorientierten Weiterbildung Häufigkeiten sowie ihrer Eingliederungsquoten differenzieren zu können. Bernhard (2016) vor allem in eine sozialversicherungspflichtige unterscheidet beispielsweise Weiterbildungen, Beschäftigung. Von besonderem Interesse ist die länger als ein Jahr dauern, von kürzeren dabei der Vergleich zwischen Maßnahmen, die Weiterbildungen mit dem Argument, dass erstere zu einem Berufsabschluss führen (z. B. Umschu- mit großer Wahrscheinlichkeit Umschulungen lungen) und Maßnahmen, in denen zunächst sind und letztere nicht. Kruppe und Lang (2015) Teilqualifikationen erworben und zertifiziert analysieren hingegen generell die Effekte von werden. Hierfür nutzen wir Sonderauswertungen Umschulungen auf die Beschäftigungswahr- der Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit scheinlichkeit. (vgl. Kapitel 4.1). 10
3 Abschlussorientierte Weiterbildung 3 Abschlussorientierte Weiterbildung Im Mai 2020 wurde das „Gesetz zur Förderung Eine Bildungsepisode startet mit dem Zugang der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel zu der Maßnahme und endet mit dem Austritt und zur Weiterentwicklung der Ausbildungs- aus der Maßnahme. Je nach Art und Umfang der förderung“ („Arbeit-von-morgen-Gesetz“) Maßnahme schließt die Bildungsepisode eine verabschiedet (BMAS, 2021). Dieses Gesetz parallele Erwerbsarbeit aus. garantiert Menschen ohne verwertbaren Berufs- abschluss einen Rechtsanspruch auf Förderung Umschulungen bei einem Bildungsträger (Punkt einer abschlussorientierten Weiterbildung. Dabei 1) oder in einem Betrieb (Punkt 2) machen wird zwischen vier unterschiedlichen Arten der den mit Abstand größten Teil der beruflichen „abschlussorientierten Weiterbildung”1 unter- Nachqualifizierung aus (siehe Kapitel 4.4.1). Wie schieden, die jeweils überwiegend aus Mitteln konventionelle Berufsausbildungen führen sie zu der Bundesagentur für Arbeit oder der Jobcenter einem anerkannten Berufsabschluss. Während (DGB, 2017) finanziert werden: die betriebliche Einzelumschulung in Betrieb und Berufsschule stattfindet, erfolgt die über- 1. Umschulung bei einem Träger in betriebliche Umschulung komplett bei einem anerkannten Ausbildungsberufen Bildungsträger. Die Dauer einer Umschulung, (Umschulung) also die Bildungsepisode, liegt generell bei zwei Dritteln der Erstausbildungszeit. In den meisten 2. Betriebliche Einzelumschulung in Fällen entspricht das zwei Jahren. Es wird dabei Berufen nach BBiG/HwO vorausgesetzt, dass die Umschulenden mehr (Betriebliche Einzelumschulung) als 4 Jahre in einer Helfer- oder Angelernten- tätigkeit beschäftigt waren und ein eventuell 3. Vorbereitungslehrgang auf Externen-/ vorhandener Berufsabschluss nicht mehr ver- Schulfremdenprüfungen wertbar ist.2 (Externenprüfung) Wie die Umschulungen so führt auch die Exter- 4. Weiterbildung mit zertifizierter nenprüfung (Punkt 3) zu einem anerkannten Teilqualifikation (TQ) Berufsabschluss. Um für die Prüfung zugelassen zu werden, muss eine Person mindestens das Zugang und Dauer der vier Maßnahmen unter- Eineinhalbfache der beruflichen Ausbildungszeit scheiden sich erheblich. Die Dauer bezeichnen im entsprechenden Beruf tätig gewesen sein wir in diesem Kontext als Bildungsepisode. (z. B. 4,5 Jahre bei einer 3-jährigen Berufsaus- 1 Daneben gibt es noch weitere Maßnahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung, die nicht „abschlussorientiert” sind wie die Vermittlung von Grundkompetenzen oder die Teilnahme an Übungsfirmen, -werkstätten bzw. -einrichtungen. 2 Ihrem Namen nach setzt eine „Umschulung” bereits einen Berufsabschluss voraus, woraus sich auch die „2/3-Regel” ableitet (Ausbildungszeit beträgt zwei statt der üblichen drei Jahre). Es ist jedoch gängige Praxis, dass auch Menschen ohne Berufsabschluss an einer Umschulung teilnehmen. Nach unseren Berechnungen aus den Sonderauswertungen der Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit (siehe Teil zur empirischen Analyse) hat bei Beginn der Umschulung sogar nur ungefähr die Hälfte der Teilnehmenden bereits einen Berufsabschluss. 11
Berufsabschluss durch Weiterbildung bildung). Interessenten an der Externenprüfung Berufe sind in Modulen abgebildet, die einzeln haben die Möglichkeit, sich zuvor in einem von zertifiziert werden. Der Abschluss aller Module der Bundesagentur für Arbeit geförderten Lehr- führt schließlich nach Bestehen der Externen- gang auf die Prüfung vorzubereiten. Er dauert prüfung zu einem anerkannten Berufsabschluss. in der Regel 6 Monate.3 Schreiber und Gutschow (2013) schätzen, dass etwa zwei Drittel aller Die Teilqualifikationen stehen im Fokus der Prüfungsteilnehmenden einen solchen Lehrgang vorliegenden Studie. Befürworter sehen ihre absolvieren. Stärke in der Flexibilität für die Teilnehmenden. Diese könnten ihre Erwerbschancen schritt- Die vierte Weiterbildungsmöglichkeit ist der weise verbessern, ohne sich für eine längere Erwerb modularer Teilqualifikationen (Punkt Ausbildungszeit verpflichten zu müssen. 4). Teilqualifikationen sind „Bildungsangebote, Dadurch würden sie auch keine Einbußen bei die in systematischen, aufeinanderfolgenden ihrem Einkommen erleiden. Der Berufsabschluss Schritten auf einen Berufsabschluss vorbereiten” kann dann sukzessive in individuell gewählten (Bundesagentur für Arbeit, 2022). Die einzelne Etappen erfolgen. Kritiker am Modell der Teil- Teilqualifikation dauert zwischen zwei und sechs qualifikationen befürchten hingegen, dass ein Monaten und muss mindestens zu einem Viertel großer Anteil der Teilnehmenden am Ende ihres Umfangs aus betrieblichen Praxisinhalten keinen Berufsabschluss erreicht und weiter in bestehen (Fischer et al., 2020). Die einzelnen Helfertätigkeiten arbeitet (DGB, 2020). 3 Den Teilnehmenden an der Externenprüfung steht es aber auch offen, sich autodidaktisch auf die Prüfung vorzubereiten. 12
4 Empirische Analyse 4 Empirische Analyse Die verschiedenen Instrumente der beruflichen 17.140 Personen der Geburtskohorten 1944-1986 Weiterbildung geben den institutionellen Rah- umfasst. Für 12.621 Personen dieser Stichprobe men für unsere empirische Analyse vor. Eine gibt es dabei eine Verknüpfung mit den admi- besondere Herausforderung war dabei die Frage nistrativen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- nach der geeigneten Datengrundlage. Um den und Berufsforschung (IAB). Die administrativen unterschiedlichen Möglichkeiten der einzelnen Daten wiederrum sind eine Stichprobe aus den Datenquellen Rechnung zu tragen, gliedert sich integrierten Erwerbsbiografien (IEB) des IAB. die empirische Analyse in drei Teile. Im ersten Dabei handelt es sich um die zusammengefass- Teil untersuchen wir, wie sich ein erster oder ten Einträge aus der Beschäftigten-Historik, der auch zweiter Berufsabschluss ab einem Alter von Leistungsempfänger-Historik, der Leistungs- 25 Jahren auf die Erwerbsbiografie auswirkt. Im Historik Grundsicherung, der Arbeitssuchenden- zweiten Teil analysieren wir, inwiefern sich die Historik sowie der Maßnahmenteilnahme-His- Teilnahme an einer Maßnahme zur Förderung toriken. der beruflichen Weiterbildung auf Einkommen und Beschäftigung auswirkt. Im dritten Teil Die Nutzung des verknüpften Datensatzes differenzieren wir schließlich zwischen verschie- (NEPS-SC6-ADIAB)5 hat den Vorteil, Erwerbs- denen Maßnahmen der abschlussorientierten einkommen erfassen zu können, welche im NEPS Weiterbildung und analysieren deren Effekte auf selbst erst ab 2009 abgefragt (und damit auch eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt. nicht administrativ erfasst) werden. Die IAB- Daten hingegen stehen für den Gesamtzeitraum 1975-2017 zur Verfügung und erlauben eine 4.1 Datengrundlage genaue Erstellung der Erwerbsbiografien über die Zeit. Die Längsschnittperspektive der NEPS- Die Teile 1 und 2 unserer Analyse benötigen ADIAB-Daten hat zudem den Vorteil, dass sich detaillierte Informationen über die Erwerbs- alle Personen über einen langen Zeitraum unter- biografie eines Individuums, wie sie der NEPS- suchen lassen. Dadurch können wir analysieren, Datensatz für Deutschland zur Verfügung stellt. wie sich späte Berufsabschlüsse und die Teilnah- Das NEPS (NEPS-Netzwerk, 2021; Bachbauer me an der Förderung der beruflichen Weiterbil- und Wolf, 2020)4 ist eine Längsschnittbefragung dung kurz- und auch langfristig auswirken. Die zu Bildungs- und Erwerbsverläufen, Bildungs- NEPS-ADIAB-Daten haben jedoch den Nachteil, entscheidungen sowie weiteren biographischen dass sie nur relativ wenige Teilnehmende in der und soziodemographischen Merkmalen. Für beruflichen Weiterbildung erfassen. Das macht unsere Studie nutzen wir die so genannte „Er- es unmöglich, zwischen einzelnen Maßnahmen wachsenenkohorte” (Starting Cohort 6, SC6), die der beruflichen Weiterbildung zu differenzieren. 4 Diese Arbeit nutzt Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS; vgl. Blossfeld & Roßbach, 2019). Das NEPS wird vom Leibniz-Institut für Bildungsver- läufe (LIfBi, Bamberg) in Kooperation mit einem deutschlandweiten Netzwerk durchgeführt. 5 Der Datenzugang erfolgte über einen Gastaufenthalt am Forschungsdatenzentrum der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (FDZ) und anschließend mittels kontrollierter Datenfernverarbeitung beim FDZ. 13
Berufsabschluss durch Weiterbildung In Teil 3 können wir zwar nicht auf individuelle Schätzung nicht durch ein Problem der Stich- Daten zurückgreifen, haben aber die Möglich- probenselektion verzerrt wird. Dann betrachten keit, die Gesamtheit der unterschiedlichen wir die Beschäftigungsquote, die den Anteil Maßnahmen auszuwerten – besonders die der der sozialversicherungspflichtig beschäftigten abschlussorientierten Weiterbildung. Grundlage Personen angibt. Dabei beschränken wir uns auf sind die Sonderauswertungen der Förderstatistik Personen im Hauptberufsalter von 18-65 Jahren der Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur und auf den verfügbaren Beobachtungszeitraum für Arbeit, 2021). Sie erfassen alle Teilnahmen von 1975 bis 2017.6 an beruflicher Weiterbildung von 2010 bis 2020. Dazu gehören die absoluten Zahlen der Ein- und Wir beginnen mit einer deskriptiven Unter- Austritte sowie Informationen zum individuellen suchung der durchschnittlichen Beschäftigungs- Verbleib bis zu 2 Jahre nach Austritt aus den quoten und der Monatseinkommen über den Maßnahmen der Förderung der beruflichen Lebensverlauf7 verschiedener Personengruppen. Weiterbildung (FbW). Die Statistik differenziert Dabei unterscheiden wir folgende Gruppen: dabei zwischen Bundesländern sowie ver- schiedenen Personenmerkmalen wie Bildung, 1. Geringqualifizierte: Menschen ohne Geschlecht, Alter oder vorherige Arbeitslosigkeit. Berufsabschluss 2. Menschen mit einem Berufsabschluss, 4.2 Effekte des nachträglichen erworben bis zum Alter von 25 Jahren Erwerbs eines 3. Menschen mit einem Berufsabschluss, Berufsabschlusses erworben im Alter von über 25 Jahren Wir beginnen unsere empirische Analyse mit der 4. Menschen mit zwei Berufsabschlüssen Frage, wie sich ein nachgeholter Berufsabschluss auf Einkommen und Beschäftigung auswirkt. Abbildung 1 und 2 stellen die durchschnittlichen Dabei unterscheiden wir zwischen dem Erwerb Beschäftigungsquoten und Monatseinkommen des ersten Berufsabschlusses über 25 und dem dieser vier Gruppen über ihr Erwerbsleben dar. Erwerb eines zweiten Berufsabschlusses. Bei den Dabei ist zu beachten, dass jede Person über nachgeholten Berufsabschlüssen handelt es sich ihren gesamten Erwerbsverlauf nur einer Gruppe nicht notwendigerweise um vollständige Berufs- zugeordnet ist. Menschen mit zwei Berufsab- ausbildungen. Wie bereits erläutert, führen schlüssen gehören dieser Gruppe z. B. schon auch abschlussbezogene Weiterbildungen wie mit Anfang 20 an, also bevor sie ihre beiden Umschulungen oder Teilqualifikationen zu einem Abschlüsse erworben haben. Berufsabschluss. Tatsächlich dauert knapp die Hälfte der im Nationalen Bildungspanel erfassten Die Analyse der Beschäftigungsquoten zeigt, Bildungsepisoden, die mit einem Berufsabschluss dass Menschen mit einem Berufsabschluss über 25 enden, nicht länger als zwei Jahre. vor dem 25. Lebensjahr über den größten Teil ihres Erwerbslebens eine stabile und hohe Be- Um Einkommens- und Beschäftigungseffekte er- schäftigungsquote aufweisen: über 90 Prozent kennen zu können, untersuchen wir zunächst die (vgl. Abbildung 1). Menschen, die bis zum Alter realen monatlichen Bruttoerwerbseinkommen. von 25 noch keinen Beruf erlernt haben, zeigen Grundlage dafür ist der Verbraucherpreisindex eine deutlich niedrigere Beschäftigungsquote: aus dem Jahr 2015. Ist eine Person in einem Mo- 80-90 Prozent. Ab Mitte 40 divergiert dann die nat nicht beschäftigt, setzen wir ihr Einkommen Entwicklung der mittleren Beschäftigungsquoten gleich null. Damit wird sichergestellt, dass die von Geringqualifizierten und Menschen, die ih- 6 Bei der folgenden deskriptiven Analyse gilt es zu bedenken, dass die dargestellten Mittelwerte (für jedes Altersjahr) implizit nach der Verteilung der Beobachtungs- und Geburtsjahre gewichtet sind. 7 Wir beschränken uns hier auf den Lebensverlauf im Haupterwerbsalter, also zwischen 20 und 60 Jahren, um Verzerrungen (z. B. durch Rentenein- tritte) zu vermeiden. 14
4 Empirische Analyse ren Berufsabschluss mit über 25 gemacht haben. – auf dem aktuellsten Stand sind und deshalb gut Während die Beschäftigungsquote der Gruppe nachgefragt werden. Darüber hinaus beweisen mit nachgeholtem Berufsabschluss grundsätzlich Menschen, die ihren Abschluss im Alter von stabil bleibt, fällt die Beschäftigungsquote der 30-40 Jahren nachholen, eine hohe Mobilität und Geringqualifizierten mit dem Alter stark ab.8 Flexibilität – Eigenschaften, die ihnen auf dem Arbeitsmarkt selbst gegenüber Jüngeren einen Auch bei den Einkommen (Abbildung 2) zeigen Vorteil verschaffen könnten, die ihre Ausbildung sich Unterschiede. Zunächst einmal haben Men- bis zum Alter von 25 Jahren absolviert haben. schen mit Berufsabschluss ein im Schnitt deutlich höheres Monatseinkommen als Menschen ohne Der deskriptive Vergleich von durchschnitt- Berufsabschluss. Ein zweiter Berufsabschluss lichen Einkommen und Beschäftigungsquoten geht dann noch mal mit einem zusätzlichen Ein- legt nahe, dass sich späte Berufsabschlüsse (im kommenssprung einher. Im Durchschnitt halten Vergleich zu keinem Berufsabschluss) positiv die Nachholer ihren Berufsabschluss mit 33 in auf Erwerbsbiografien auswirken. Das bedeutet der Hand. In diesem Alter holen dann auch ihre jedoch nicht automatisch, dass die späten Be- durchschnittlichen Monatseinkommen gegenüber rufsabschlüsse ursächlich für die Unterschiede denen auf, die ihren Abschluss bereits vor 25 er- zwischen den beiden Gruppen sind. Der positive worben haben. Danach übertreffen sie diese Ein- Effekt könnte auch daraus resultieren, dass vor kommen sogar. Das könnte unter anderem daran allem motivierte und/oder begabte Menschen liegen, dass die Ausbildungsinhalte – und damit ihren Berufsabschluss nachholen. auch die Kompetenzen der „Spätqualifizierten“ ABBILDUNG 1 Beschäftigungsquote von Menschen ohne Berufsabschluss deutlich geringer Personen: 8.306 100 95 Beschäftigungsquote in Prozent 90 85 80 75 20 25 30 35 40 45 50 55 60 ohne Berufsabschluss Alter Berufsabschluss unter 25 Berufsabschluss über 25 zwei Berufsabschlüsse Quelle: NEPS-SC6-ADIAB (2020) 8 Zwei Gründe dürften maßgeblich dazu beitragen, warum die Beschäftigungsquoten der beiden Gruppen erst ab Mitte 40 divergieren: Einerseits die geringen Fallzahlen und die damit verbundenen Schwankungen der Mittelwerte im Altersverlauf. Und andererseits die Tatsache, dass in der Gruppe derjenigen, die mit über 25 einen Berufsabschluss erhalten haben, auch ein Teil diesen Abschluss erst zwischen 30 und 40 macht. 15
Berufsabschluss durch Weiterbildung ABBILDUNG 2 Durchschnittliches Brutto-Monatseinkommen bei Menschen ohne Berufsabschluss bedeutend niedriger Personen: 8.306 3.500 3.000 Brutto-Monatseinkommen in Euro 2.500 2.000 1.500 1.000 500 20 25 30 35 40 45 50 55 60 ohne Berufsabschluss Alter Berufsabschluss unter 25 Berufsabschluss über 25 zwei Berufsabschlüsse Quelle: NEPS-SC6-ADIAB (2020) Um das zu erkennen, schätzen wir den Effekt raum wieder auf die Jahre 1975-2017 beschränkt, der Berufsabschlüsse auf Beschäftigung und beziehen wir hier die Altersgruppen 18-65 mit Einkommen zusätzlich mit Hilfe sogenannter ein. Ist eine Person nicht beschäftigt, setzen wir Fixe-Effekte-Regressionen mit Eventstudien- das Einkommen gleich null. Design. Die Regressionen benutzen fixe Effekte pro Person, die das durchschnittliche zeitkons- 4.2.1 Effekte eines „nachgeholten” ersten tante Verhalten der Person aufgreifen. Dadurch Berufsabschlusses über 25 werden die übrigen Regressionskoeffizienten um den zeitkonstanten Einfluss bereinigt. Die ge- Zunächst analysieren wir die Effekte eines schätzten Fixe-Effekte-Koeffizienten entsprechen „nachgeholten” ersten Berufsabschlusses über intuitiv also einem Vorher-Nachher-Vergleich 25 auf Einkommen und Beschäftigung. Die für jedes Individuum. Stichprobe umfasst alle geringqualifizierten Personen und solche, die mit über 25 Jahren So berechnet sich beispielsweise der Einkom- einen Berufsabschluss erworben haben. Die menseffekt des ersten Berufsabschlusses aus der Event-Koeffizienten werden für den Zeitraum individuellen Differenz zwischen dem Einkom- 2 Jahre vor bis 5 Jahre nach dem Berufsabschluss men vor und dem Einkommen nach dem Berufs- geschätzt. Die letzten beiden Punkte der Event- abschluss. Mithilfe des Eventstudien-Designs Grafik geben den langfristigen Durchschnitt der wird der differentielle Effekt für verschiedene Personen mit einem späten Berufsabschluss 5-10 Zeitperioden vor und nach dem Berufsabschluss Jahre und mehr als 10 Jahre nach dem Abschluss (dem „Event”) geschätzt. Gleichzeitig kontrol- dar. Die Koeffizienten sind als Differenz zum lieren die Regressionsschätzungen für weitere langfristigen Durchschnitt aller Geringquali Faktoren, die Einkommen und Beschäftigung fizierten zu interpretieren. beeinflussen (wie z. B. das Beobachtungsjahr, das Bildungsniveau, die Anzahl der Kinder oder der Abbildung 3 und 4 stellen die geschätzte Wir- Ehestatus). Während sich der Beobachtungszeit- kung des ersten Berufsabschlusses nach 25 auf 16
4 Empirische Analyse die Beschäftigungswahrscheinlichkeit und das stellen die Monate vor Eintritt in die Bildungs- Monatseinkommen dar. Die Bildungsepisode episode dar. Analog stehen die „Monate nach selbst ist dabei nicht mit abgebildet, das heißt, der Bildungsepisode“ für die Monate nach dem die „Monate vor der Bildungsepisode über 25” Austritt aus der Bildungsepisode. ABBILDUNG 3 Nachgeholter Berufsabschluss erhöht Beschäftigungswahrscheinlichkeit langfristig positiv N = 343.083, Personen: 3.102 30 Beschäftigungseffekt in Prozentpunkten 20 + 10 Jahre 5–10 Jahre 10 0 -10 -20 -30 -24 -12 0 12 24 36 48 60 Monate vor und nach Bildungsepisode mit Berufsabschluss über 25 Quelle: NEPS-SC6-ADIAB (2020) ABBILDUNG 4 Nachgeholter Berufsabschluss erhöht monatliches Brutto-Einkommen langfristig positiv N = 343.083, Personen: 3.102 1.500 Veränderung des Brutto-Monatseinkommen in Euro 1.000 + 10 Jahre 5–10 Jahre 500 0 -500 -1.000 -1.500 -24 -12 0 12 24 36 48 60 Monate vor und nach Bildungsepisode mit Berufsabschluss über 25 Quelle: NEPS-SC6-ADIAB (2020) 17
Berufsabschluss durch Weiterbildung Vom Zeitpunkt „zwei Jahre vor dem Eintritt“ zu sein, um etwa 10 Prozentpunkte im Vergleich in die Bildungsepisode bis zum tatsächlichen zum durchschnittlichen Geringqualifizierten. Eintritt sehen wir einen negativen Effekt auf die Zudem zeigen die Schätzungen, dass der erste Beschäftigungswahrscheinlichkeit und das Ein- Berufsabschluss das Einkommen um ca. 500 kommen. Beide Größen sinken im Vergleich zu Euro im Vergleich zum durchschnittlichen der Zeit zwei Jahre vor der Bildungsepisode. Das Geringqualifizierten erhöht. Es gilt jedoch zu liegt hauptsächlich daran, dass einige Menschen beachten, dass ein Teil dieses Einkommens- arbeitslos oder nicht erwerbstätig sind, bevor sie effekts auf den positiven Beschäftigungseffekt einen Berufsabschluss anstreben. Durch die Er- zurückzuführen ist: Zuvor Nicht-Beschäftigte werbs- bzw. Arbeitslosigkeit haben sie in diesen hatten schließlich ein Einkommen von null Euro. Monaten kein Einkommen. Es wird sich hier um Durch die Aufnahme einer neuen Beschäftigung Menschen handeln, die arbeitslos geworden sind fließen sie mit einem positiven Einkommen in oder sich beruflich umorientieren möchten und die Schätzungen ein. deshalb einen Berufsabschluss nachholen. 4.2.2 Effekte eines zweiten Berufsabschlusses Der erfolgreiche Berufsabschluss zeigt dann sowohl für die Beschäftigung als auch für das Abbildungen 5 und 6 zeigen den Effekt eines Einkommen einen langfristig positiven Effekt. zweiten Berufsabschlusses über 25 mit der glei- Mit zunehmendem Abstand zum Abschluss wird chen ökonometrischen Analyse. Die Stichprobe dieser Effekt noch stärker. So beträgt der Be- beinhaltet alle Personen, die vor 25 ihren ersten schäftigungseffekt 5 Jahre nach Berufsabschluss Berufsabschluss erworben haben. Die Schätzung ca. 10 Prozentpunkte. Der erste „nachgeholte” untersucht den differentiellen Event-Effekt bei Berufsabschluss erhöht also die Wahrschein- Personen, die zusätzlich einen zweiten Berufsab- lichkeit, 5 Jahre nach Berufsabschluss in einer schluss erworben haben. sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ABBILDUNG 5 Zweiter Berufsabschluss geht wegen hoher Ausgangsbasis nicht mit positivem Beschäftigungseffekt einher N = 1.881.905, Personen: 9.532 20 Beschäftigungseffekt in Prozentpunkten 10 + 10 Jahre 5–10 Jahre 0 -10 -20 -24 -12 0 12 24 36 48 60 Monate vor und nach Bildungsepisode mit zweitem Berufsabschluss Quelle: NEPS-SC6-ADIAB (2020) 18
4 Empirische Analyse ABBILDUNG 6 Zweiter Berufsabschluss erhöht monatliches Brutto-Einkommen deutlich N = 1.881.905, Personen: 9.532 1.500 Veränderung des Brutto-Monatseinkommen in Euro + 10 Jahre 1.000 5–10 Jahre 500 0 -500 -1.000 -1.500 -24 -12 0 12 24 36 48 60 Monate vor und nach Bildungsepisode mit zweitem Berufsabschluss Quelle: NEPS-SC6-ADIAB (2020) Ein zweiter später Berufsabschluss zeigt den ersten und zweiten Berufsabschluss gefun- mittel- und langfristig keinen Beschäftigungs- denen Lohneffekte sich mit der internationalen effekt. Das überrascht nicht, denn das Event Literatur. Auch hier werden für das Nachholen studien-Design vergleicht die Beschäftigungs- von Berufsabschlüssen im Erwachsenenalter quote nach dem zweiten Berufsabschluss mit positive Effekte auf das Einkommen beschrieben dem langfristigen Durchschnitt von Menschen (Bratsberg et al., 2020). mit nur einem Abschluss. Wie aber schon festgestellt wurde, liegt die Beschäftigungs- quote von Menschen mit einem Berufsabschluss 4.3 Effekte der Förderung der im Haupterwerbsalter bereits deutlich über 90 beruflichen Weiterbildung Prozent (siehe Abbildung 1). Es ist also nicht (FbW) verwunderlich, dass ein weiterer, zweiter Be- rufsabschluss diese Beschäftigungsquote nicht weiter steigert. Zuletzt analysieren wir, welche Effekte es hat, an Maßnahmen der Förderung der beruflichen Wei- Im Vergleich zum späten Erstabschluss, bei dem terbildung (FbW) teilzunehmen. Das geschieht wir sowohl einen Beschäftigungseffekt als auch mit Hilfe der NEPS-SC6-ADIAB-Daten und der einen Einkommenseffekt feststellen konnten, hat gleichen ökonometrischen Methodik wie oben der Zweitabschluss also einen reinen Einkom- beschrieben. menseffekt: Er erhöht das Monatseinkommen langfristig um mehr als 500 Euro. 10 Jahre nach Die in den Daten erfassten Maßnahmen der Abschluss erreicht der Effekt sogar knapp 1.000 Förderung der beruflichen Weiterbildung (FbW) Euro. Die Effekte sind statistisch hochsigni- umfassen alle Weiterbildungsmaßnahmen, die fikant. Diese Größe ist umso bemerkenswerter, von der Bundesagentur für Arbeit gefördert da es sich um einen reinen Einkommenseffekt werden. Darunter fallen zum einen die ab- handelt und nicht auf einen Beschäftigungseffekt schlussorientierten Maßnahmen, die auf einen zurückzuführen ist. Insgesamt decken die für anerkannten Berufsabschluss abzielen – wie 19
Berufsabschluss durch Weiterbildung die bereits dargestellten Umschulungen, Vor- nach der Maßnahme bleibt die Beschäftigungs- bereitungslehrgänge zur Externenprüfung und quote zunächst unterdurchschnittlich. Ungefähr Teilqualifikationen. Zusätzlich gibt es noch nicht zwei Jahre nach der Weiterbildung wird die abschlussorientierte FbW-Maßnahmen wie die ursprüngliche Beschäftigungsquote erst wieder Vermittlung von Grundkompetenzen oder die erreicht: Das Vorzeichen des Beschäftigungs- Teilnahme an einer Übungswerkstatt. effekts kippt nach diesem Zeitraum ins Positive und steigt dann weiter an: Drei Jahre nach der Für die Analyse betrachten wir alle Personen, die FbW-Maßnahme haben die Teilnehmenden eine in den Jahren 2009-2017 an solchen Weiterbil- (im Vergleich zum langjährigen Vorniveau) um dungsmaßnahmen teilgenommen haben. Abbil- 3,1 Prozentpunkte höhere Beschäftigungsquote. dung 7 und 8 stellen die entsprechenden Ergeb- nisse dar. Die Stichprobe umfasst nur Personen, Die Einkommen (Abbildung 8) folgen dabei die an einer FbW teilgenommen haben. Somit einem ähnlichen Muster wie die Beschäftigung: sind die Eventkoeffizienten stets als Differenz Im Jahr vor der FbW brechen die Einkommen zum langjährigen Durchschnitt mehr als 2 Jahre stark ein. Das lässt sich durch die bei vielen vor der Weiterbildung zu interpretieren.9 Teilnehmenden eintretende Arbeitslosigkeit erklären. Nach der FbW erholen sich die Ein- Abbildung 7 zeigt, dass die Beschäftigungswahr- kommen. Etwa ein Jahr nach Abschluss der Maß- scheinlichkeit im Jahr vor der Maßnahme stetig nahme entsprechen sie im Schnitt wieder dem sinkt. Das ist der Logik der FbW-Maßnahmen langfristigen Niveau zwei Jahre vor dem Besuch geschuldet: Sie werden häufig von Arbeitslosen der Maßnahme. Im weiteren Verlauf steigen die besucht. Beschäftigungslosigkeit ist gewisserma- Einkommen deutlich an. Langfristig liegen sie ca. ßen eine Vorbedingung für die Teilnahme. Auch 700,- € höher als vor der Weiterbildung. ABBILDUNG 7 Teilnahme an FbW-Maßnahmen mit langfristig positivem Beschäftigungseffekt N = 78.019, Personen: 343 20 Beschäftigungseffekt in Prozentpunkten 10 5–10 Jahre 0 -10 -20 -30 -40 -24 -12 0 12 24 36 48 60 Monate vor und nach Weiterbildung (FbW) Quelle: NEPS-SC6-ADIAB (2020) 9 Da wir hier nur den Zeitraum 2009-2017 betrachten, beschränkt sich der langfristige Effekt auf den durchschnittlichen Effekt mehr als 5 Jahre nach der Weiterbildung. 20
4 Empirische Analyse ABBILDUNG 8 Brutto-Monatseinkommen nach Teilnahme an FbW-Maßnahme langfristig deutlich höher N = 78.019, Personen: 343 1.500 Veränderung des Brutto-Monatseinkommens in Euro 1.000 5–10 Jahre 500 0 -500 -1.000 -1.500 -24 -12 0 12 24 36 48 60 Monat vor und nach Weiterbildung (FbW) Quelle: NEPS-SC6-ADIAB (2020) 4.4 Zusammenfassung: Empirische begründen: Während der Maßnahme suchen Ergebnisse auf Basis der die Teilnehmenden weniger intensiv nach einer Beschäftigung. Im Vergleich zu ihren NEPS-ADIAB-DATEN statistischen Zwillingen haben sie daher auch eine geringere Wahrscheinlichkeit, eine Beschäf- Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass tigung zu finden. Langfristig stehen die Teil- späte Berufsabschlüsse und die Teilnahme an nehmenden bzgl. Einkommen und Beschäftigung beruflichen Weiterbildungen einen positiven allerdings besser da als die Kontrollgruppe. Das Effekt auf Beschäftigung und Einkommen haben. heißt, berufliche Weiterbildung hat langfristig Es gilt jedoch zu beachten, dass berufliche einen positiven Effekt (Bernhard, 2016; Kruppe Weiterbildungen häufig bei Arbeitslosigkeit ge- und Lang, 2015). fördert werden. Die geschätzten Effekte dieser Maßnahme können daher von der selektiven Es gilt allerdings zu bedenken, dass unsere Ana- Wahrscheinlichkeit arbeitslos zu sein sowie den lyse der FbW-Maßnahmen durch zwei Restrik- kurz- und langfristigen Effekten von Arbeits- tionen eingeschränkt ist: Erstens ist die Fallzahl losigkeit verzerrt sein. relativ klein und zweitens werden unter dem Begriff „Förderung betrieblicher Weiterbildung” Unsere Ergebnisse decken sich jedoch mit den verschiedene Formen geförderter Maßnahmen bisherigen Erkenntnissen der empirischen zusammengefasst – abschlussorientierte und Forschung: Die Teilnahme an einer Weiter- nicht abschlussorientierte. Es ist anzunehmen, bildung führt kurzfristig zu einer niedrigeren dass die abschlussorientierten Maßnahmen Beschäftigungswahrscheinlichkeit und einem deutlich effektiver sind als diejenigen, die nicht niedrigeren Einkommen als bei vergleich- auf einen Berufsabschluss abzielen. Um das zu baren Personen („statistischen Zwillingen“), überprüfen, widmen wir uns im nächsten Kapitel die keine Maßnahme besucht haben. Das lässt einer differenzierten Analyse der unterschied- sich mit dem sogenannten „Investitionseffekt” lichen Maßnahmen. 21
Berufsabschluss durch Weiterbildung 4.5 Effekte der abschlussorientieren nenmerkmalen wie Bildung, Geschlecht, Alter Weiterbildung oder vorherige Arbeitslosigkeit. Die folgende Analyse beruht auf der Sonderaus- 4.5.1 Weiterbildungsteilnahmen wertung der Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Die Statistik erfasst Förderungen und Abbildung 9 stellt die Teilnahmezahlen an Maß- Teilnahmen an den Maßnahmen der aktiven nahmen der FbW (linkes Panel) und die Teilnah- Arbeitsmarktförderung nach dem SGB III sowie men relativ zu den Leistungsbeziehern (rechtes Leistungen zur Eingliederung des Bundes nach Panel) über die Jahre 2010-2020 nach SGB II dem SGB II. und SGB III dar.10 Es wird deutlich, dass sich die Teilnahmezahlen über das SGB III zwischen Im Ergebnis liefert die Sonderauswertung für 2010 und 2012 zunächst fast halbiert haben (von die Jahre 2010 bis 2020 die absoluten Zahlen der 273.000 auf 139.000). Der Hauptgrund lag darin, Weiterbildungsteilnahmen sowie Informationen dass die Bundesagentur für Arbeit im Zuge der zum Verbleib der Teilnehmenden bis zu 2 Jahre Finanzkrise und dem damit verbundenen Druck nach Austritt aus einer FbW-Maßnahme. Die auf ihren Haushalt die Eingliederungstitel kürz- Auswertung differenziert dabei zwischen einzel- te, wodurch die Teilnahmezahlen an beruflicher nen Bundesländern und verschiedenen Perso- Weiterbildung stark sanken. ABBILDUNG 9 FbW-Teilnahmen im SGB III mit positiver Tendenz, im SGB II stagnierend bis rückläufig Anzahl der Teilnahmen Teilnahmen FbW Teilnahmen pro Leistungsbezieher 300.000 0,25 0,2 200.000 0,15 0,1 100.000 0,05 0 0 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Jahr Jahr SGB II SGB III Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2021) 10 Die Abbildungen stellen die Teilnahmezahlen an FbW-Maßnahmen insgesamt dar, unabhängig davon, ob diese abschlussorientiert sind oder nicht. Die Teilnahmezahlen an abschlussorientierten FbW-Maßnahmen weisen sehr ähnliche Tendenzen auf. 22
4 Empirische Analyse ABBILDUNG 10 Nicht abschlussorientierte Weiterbildungen dominieren die FbW-Teilnahmen Anzahl der Weiterbildungsteilnahmen, 2010 bis 2020 berufsbezogene übergreifende Weiterbildung 2.638.628 Umschulung 438.131 Teilqualifizierung 94.705 Betr. Einzelumschulung 89.141 Vobereitung zur Externenprüfung 64.889 Vermittlung von Grundkompetenzen 27.257 Übungswerkstatt 21.148 berufliche Aufstiegsweiterbildung 16.016 Übungsfirma 15.905 0 100.000 200.000 300.000 400.000 500.000 2,5 Mio. 2,6 Mio. 2,7 Mio. Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2021) Ab 2012 ist die Tendenz wieder steigend, um im Jahr 2010 auf „nur noch” 2,1 Teilnahmen im 2020 (vermutlich bedingt durch die Coronakrise) Jahr 2019 gesunken. erneut abzufallen. Weder der starke Rückgang an Weiterbildungsteilnahmen zwischen 2010 Abbildung 10 listet die Anzahl der FbW-Teil- und 2012 noch die positive Tendenz von 2012 bis nahmen im Zeitraum 2010-2020 nach Maß- 2019 sind indes durch die Menge an Leistungs- nahme-Unterart auf.11 Mit ca. 2,6 Mio. fällt der beziehern zu erklären: Die Teilnahmen pro mit Abstand größte Teil der Weiterbildungsteil- Leistungsbezieher (linkes Panel) zeigen sehr nahmen in die Kategorie der berufsbezogenen ähnliche Tendenzen. übergreifenden Weiterbildungen. Dahinter folgen die oben schon diskutierten vier abschluss- Die Teilnahmezahlen über das SGB II verzeich- orientierten Weiterbildungen. Die größte davon nen dagegen seit 2010 einen abnehmenden Trend ist mit ca. 440.000 Teilnahmen die Umschulung und sind zwischen 2010 und 2020 um mehr als bei einem Bildungsträger. Die ebenfalls bereits die Hälfte gefallen (von ca. 226.000 auf 88.000, erläuterten Teilqualifikationen, betrieblichen linkes Panel). Zumindest teilweise ist das ein Einzelumschulungen sowie die Vorbereitung auf Ergebnis des Rückgangs an Leistungsbeziehern die Externenprüfung haben mit Teilnahmezahlen im SGB II: Pro 100 Leistungsbezieher sind die zwischen 65.000 und 95.000 dagegen eine deut- Teilnahmezahlen nämlich von 3,3 Teilnahmen lich geringere Beteiligung. 11 Hinweis: Es sind nur Maßnahme-Unterarten mit mehr als 15.000 Teilnahmen dargestellt. 23
Berufsabschluss durch Weiterbildung ABBILDUNG 11 Teilqualifizierungen in den letzten Jahren immer häufiger nachgefragt 50.000 40.000 Anzahl der Teilnahmen 30.000 20.000 10.000 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Jahr Betriebliche Einzelumschulung Umschulung Vorbereitung Externenprüfung Teilqualifizierung Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2021) Im Folgenden legen wir den Fokus auf die vier Abbildung 12 zeigt schließlich die Teilnahme- abschlussorientieren Weiterbildungen (vgl. zahlen nach Bundesländern separat für die vier Kapitel 3). Abbildung 11 stellt die zeitliche Ent- abschlussorientierten Weiterbildungen und wicklung der Teilnahmen an diesen Maßnahmen kumuliert von 2010 bis 2020. zwischen 2010 und 2020 dar. Mit jährlichen Teilnahmezahlen zwischen 30.000 und 50.000 Generell wurden in den südlichen Bundesländern ist die „Umschulung bei einem Träger“ die Baden-Württemberg und Bayern mit jeweils meistbesuchte Maßnahme-Unterart. Die drei knapp 3.000 Teilnahmen pro 100.000 Arbeits- anderen Maßnahme-Typen haben ähnliche lose die meisten Maßnahmen absolviert. Die Teilnahmestärken, wobei die Teilqualifikationen wenigsten Maßnahmen-Teilnahmen verbuchten als einzige Maßnahme einen starken Anstieg Thüringen und Brandenburg mit rund 1.600 bzw. verzeichnen (zwischen 2014 und 2019): Hier hat 1.400 Eintritten pro 100.000 Arbeitslose. sich die Zahl der Teilnahmen von ca. 5.000 auf 15.000 verdreifacht. 24
4 Empirische Analyse ABBILDUNG 12 Maßnahmearten werden in den Bundesländern sehr unterschiedlich eingesetzt Teilnahmen pro 100.000 Arbeitslose von 2010 bis 2020 Baden-Württemberg 320 1.674 501 369 Bayern 456 1.493 423 374 Berlin 22 1.791 152 78 Brandenburg 170 1.097 48 54 Bremen 95 1.998 109100 Hamburg 11 1.824 366 144 Hessen 285 1.352 214 112 Mecklenburg-Vorpommern 286 1.287 214 154 Niedersachsen 558 1.190 114 279 Nordrhein-Westfalen 277 1.503 166 531 Rheinland-Pfalz 380 1.043 277 533 Saarland 482 1.054 28 308 Sachsen 257 1.514 135 126 Sachsen-Anhalt 190 1.610 50 69 Schleswig-Holstein 236 1.058 242 335 Thüringen 195 1.199 50 185 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 Betriebliche Einzelumschulung Umschulung Vorbereitung Externenprüfung Teilqualifizierung Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2021) Auch bei den Maßnahme-Unterarten finden Bei den Teilqualifikationen finden sich noch sich große Unterschiede zwischen den Ländern: deutlichere Länderunterschiede: Hier verbuchten Bei den Umschulungen sind die Stadtstaaten Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Bremen, Hamburg und Berlin ganz vorne: Sie mit jeweils über 500 Teilnahmen pro 100.000 verzeichneten zwischen 1.800 und 2.000 Teil- Arbeitslose die meisten Teilnahmen. Dem gegen- nahmen pro 100.000 Arbeitslose. Die Schluss- über stehen die Länder Brandenburg, Sachsen- lichter bei den Umschulungen sind das Saarland Anhalt und Berlin, von denen jedes deutlich und Rheinland-Pfalz mit knapp über 1.000 unter 100 Teilnahmen pro 100.000 Arbeitslose Teilnahmen pro 100.000 Arbeitslose. verzeichnet. 25
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