Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung - Rahmenkonzept - Rafaelschule

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Volksschulamt
Amt für Jugend und Berufsberatung

Berufswahl- und Lebensvorbereitung von
Jugendlichen in der Sonderschulung

Rahmenkonzept
2   Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung

    Inhalt

    1      Einleitung                                          5    6       erufswahl- und Lebensvorbereitung
                                                                            B
                                                                            mit Akzent auf Aktivierung und
    2      Zielgruppen                                         5           Beschäftigung in Tagesstätten                   30
                                                                     6.1 	Akzentspezifisches zur Frage der Zielgruppen
    3      Sonderschulung auf der Sekundarstufe I              6           und Anbieter                                    30

    3.1 	Daten zur Sonderschulung auf der Sekundarstufe I          6.2 	Integrative und sozialpädagogische Lernformen    30
                                                                6
    3.2 	Sekundarstufe im Rahmen                                    6.3 	Standards Unterstützungs­akzent 2                31
           der Schulpflicht: Anbieter                           7   6.4 	Akzentspezifische Aspekte der Zusammenarbeit     31
    3.3 	Sekundarstufe im Rahmen der Sonderschulung
                                                                     7      Umsetzung                                       32
           15plus: Ausschluss, Anbieter, Angebotsrahmen         7
    3.4 	Anschlusslösungen zur Sonderschulung auf der               7.1    Einführungskommunikation                        32
           Sekundarstufe I                                     9    7.2    Informationsveranstaltungen                     32
    3.5 	Inhalte der Sonderschulung auf der Sekundarstufe I   9    7.3    Informationsbroschüre                           32
    3.6 	Anspruch auf passende Anschlusslösungen und
           deren Finanzierung                                  9    8      Anhang                                          34
                                                                     8.1    Leistungen in Anschlusseinrichtungen            34
    4       erufswahl- und Lebensvorbereitung
           B
                                                                     8.2    Exemplarische Literaturangaben und Materialien
           in der Sonderschulung                               11
                                                                            zum Lernfeld-Konzept                            34
    4.1 	Ausrichtung auf Lebensbereiche der ICF-CY            11   8.3    Europäischer Qualifikationsrahmen (EQR)         36
    4.2 	Akzente der Berufswahl- und Lebensvorbereitung     13     8.4    Glossar                                         38
    4.3 	Lernfelder der Berufswahl- und
           Lebensvorbereitung13
    4.4 	Perspektive Berufsausbildung:
           Kompetenzbereiche und Berufswahlmodell            14
    4.5 	Lernerfahrungen in nachschulischen Angeboten       15
    4.6 	Erweiterte methodischdidaktische Formen              17
    4.7 	Instrumente der Berufswahl- und
           Lebensvorbereitung17
    4.8 	Zusammenarbeit rund um die Berufswahl-
           und Lebensvorbereitung                            18
    4.9 	Finanzierung der Berufswahl- u­ nd
           Lebensvorbereitung                                24
    4.10 	Berufswahl- und Lebensvor­bereitung: Plattform    25
                                                                     Impressum
    5       erufswahl- und Lebensvorbereitung
           B
           mit Akzent auf Berufsausbildung und Arbeit                Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen
           im 1. oder geschützten Arbeitsmarkt               26     in der Sonderschulung, Rahmenkonzept
    5.1 	Akzentspezifisches zur Frage der Zielgruppen
           und Anbieter                                      26     Herausgeberin
                                                                     Bildungsdirektion Kanton Zürich
    5.2 	Integrative und sozialpä­da­gogische Lernformen    26
                                                                     Volksschulamt
    5.3 	Standards Unterstützungs­akzent 1                    27
    5.4 	Akzentspezifische Aspekte der Zusammenarbeit         27   Gestaltung und Produktion
    5.5 	Organisation und Finanzierung von ISS                      raschle & partner, www.raschlepartner.ch
           in Berufswahlschulen                              28     Bezugsadresse:
                                                                     Volksschulamt, Walchestr. 21, 8090 Zürich
                                                                     Telefon 043 259 22 91, sonderpaedagogisches@vsa.zh.ch

                                                                     2. angepasste Auflage Juli 2016
                                                                     © Bildungsdirektion Kanton Zürich
3

Das vorliegende Rahmenkonzept wurde in einem            Die Resonanzgruppe bestand aus:
breit abgestützten Projekt entwickelt.                  Jean-Claude Beer, Leiter Strategie und Entwicklung,
                                                        SVA Zürich; Marlise Fahrni, Präsidentin Sekundar-
Beteiligt waren in den Projektgruppen:                  schulgemeinde Regensdorf/Buchs/Dällikon; Jürg
Pascal Bartlomé, SVA Zürich; Mirko Baur, VSA;           Forster, Leitung Schulpsychologischer Dienst der
Hansruedi Bischofberger, Heilpädagogische Schule        Stadt Zürich; Kurt Haefeli, Bereichsleiter Forschung
der Stadt Zürich; Claudia Bleuler, Stiftung Vivendra,   und Entwicklung, Departement Weiterbildung, For-
Dielsdorf; Lukas Bucher, VSKZ; Pia Fontana, VSA;        schung und Dienstleistungen, HfH; Judith Hollen-
Melanie Fuchs, Städt. Schule für cerebral gelähmte      weger, Prorektorat Weiterbildung und Forschung
Kinder, Maurerschule, Winterthur; Dani Fuhrimann,       PH Zürich; Beatrice Kronenberg, Direktorin Stiftung
WSW Werkstattschule, Wetzikon; Marc Gander,             Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik
AJB; Peter Gerber, VSLZH; Roland Haueter, Stif-         (SZH); Brigitte Mühlemann, Leitung Abt. Pädagogi-
tung Schloss Regensberg, Regensberg; Markus             sches, VSA; Rosmarie Quadranti, Präsidentin Schu-
Jasinski, Stiftung Bühl, Wädenswil; Peter Kaegi,        le Volketswil; Edith Rutschmann, Verantwortliche
VSA; Ursula Kessler Schoch, SVA Zürich; Christoph       Berufsbildung, Migros Genossenschaftsbund; Emil
Kopps, Oberstufenschule Lengg, Zürich; Ursula           Wettstein, Berufsbildungsprojekte GmbH, Zürich;
Kunz, Heilpädagogische Schule, Zürich; Jolanda,         Katharina Wild, Produktverantwortliche Bildungsan-
Lötscher, INSOS Zürich; Rebekka Manso, Schul-           gebote, AWA
pflege Aeugst am Albis; André Monhart, AJB; Gab-
riele Rauser, Stiftung Züriwerk; Elisabeth Schweiger,
Heilpädagogische Schule, Uster; Brigitte Steimen,
Stiftung Bühl, Wädenswil; Robert Steinegger, VSA;
Peter Spori, KGS Regensdorf; Friedwart Storto,
SL Regelschulen; Annelies Weiss, Neugestaltung
3. Sek; Madeleine Wolf, VSA;
4   Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung
5

1 Einleitung                                           2 Zielgruppen

Schülerinnen und Schüler erleben mit dem Eintritt in   Angesprochen sind alle Sekundarschülerinnen
die Sekundarstufe I eine zunehmende Ausrichtung        und -schüler der integrativen und separativen Son-
der Schule auf die Erwachsenen- und Arbeitswelt        derschulung in der Verantwortung von Gemeinden
sowie die damit verbundenen gesellschaftlichen         oder Sonderschuleinrichtungen, die
Erwartungen an ein selbständiges Leben. Es ste-        >> individuell angepasst Unterricht, Therapie,

hen somit wichtige Entscheide für die Zukunft an,         Erziehung und Betreuung brauchen, um ihre
welche mit Entwicklungsprozessen verbunden sind.          Sonderschulung in der Gemeinschaft mit
Die Schülerinnen und Schüler sollen dabei unter-          anderen Jugendlichen abschliessen und nach
stützt und befähigt werden, die Suche nach ihrer          der Sonderschulung eine adäquate Teilhabe an
Neuorientierung, nach einer weiter entwickelten           beruflichem und sozialem Leben erreichen zu
persönlichen Identität, einer neuen gesellschaft-         können, und
lichen Rolle und Teilhabe und damit auch nach          >> insbesondere darauf angewiesen sind, im Rah-

einem passenden Ausbildungs- und Arbeitsplatz             men einer zielgruppengerecht ausgestalteten
im Leben nach der Schule erfolgreich zu bewältigen.       Berufswahl- und Lebensvorbereitung unterstützt
                                                          zu werden im Übergang in das Leben nach der
Für Schülerinnen und Schüler der Sonderschulung           Schulzeit. Ihre nachschulischen Perspektiven
stellen sich diese Herausforderungen entsprechend         sind dabei sehr unterschiedlich.
ihrem besonderen Bildungsbedarf einerseits, den
gesellschaftlichen Erwartungen und Angeboten
andererseits in erhöhtem Masse. Sie sind auf spe-
zifische Unterstützung angewiesen.

Vorliegendes Rahmenkonzept leistet einen Beitrag
dazu, dass der Übergang von der Schule in das
Leben danach auch für Jugendliche in der Sonder-
schulung gelingt: Zusammen mit den Eltern und
allen am Geschehen Beteiligten sowie mit der nöti-
gen Zuversicht, Sorgfalt und fachlichen Kompetenz.
Es fokussiert entsprechend die Berufswahl- und
Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Son-
derschulung.
6   Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung

    3 Sonderschulung auf der Sekundarstufe I

    Die Sonderschulung auf der Sekundarstufe I richtet                   20. Altersjahrs offen 1. Ein Anspruch auf die Son-
    sich grundsätzlich nach den Rahmenbedingungen,                       derschulung 15plus besteht dann, wenn die Wei-
    wie sie der Broschüre «Sonderschulung im Kanton                      terführung der Sonderschulung über die Dauer der
    Zürich» zu entnehmen sind. Sie orientiert sich zudem                 Schulpflicht hinaus für eine geeignete Anschlusslö-
    am Lehrplan der Regelschule auf der Sekundar-                        sung erforderlich ist.
    stufe I.
                                                                         Das ist kein Ausnahmefall: Viele Sonderschülerinnen
    Die Sekundarstufe I besteht aus der Sonderschulung                   und -schüler sind für passende Anschlusslösungen
    im Rahmen der Schulpflicht und der verlängerten                      angewiesen auf eine verlängerte Sonderschulung.
    Sonderschulung, der sogenannten Sonderschulung
                                                                         Sonderschulung auf der Sekundarstufe I
    15plus.
                                                                         Sekundarstufe          Sekundarstufe im
                                                                         im Rahmen der          Rahmen der Sonder-
    Die Sonderschulung auf der Sekundarstufe I beginnt                   Schulpflicht           schulung 15plus
    in der Regel nach acht Schuljahren (inkl. Kindergar-                 Für alle Sonderschülerin-   Für Sonderschülerinnen
    ten) und dauert im Rahmen der Schulpflicht drei                      nen und -schüler            und -schüler mit
    Jahre: In der Separation genau gleich wie in der                                                 entsprechendem Bedarf
    Integration.                                                         Beginn in der Regel nach    Beginn in der Regel
                                                                         8 Jahren Volksschule        nach 11 Jahren Volks-
                                                                         (inkl. Kindergarten)        schule (inkl. Kindergarten)
    Ist danach für Schülerinnen und Schüler aus der
                                                                         Abschluss in der Regel      Abschluss spätestens
    integrierten und separierten Sonderschulung der                      nach 11 Jahren Volks-       mit Vollendung des
    Eintritt in ein öffentliches oder privates Brückenan-                schule                      20. Altersjahres
    gebot, in eine Mittelschule, in eine Form der Berufs-                In der Verantwortung     In der Verantwortung von
    ausbildung oder in eine Arbeitsstelle noch nicht                     von Sonderschuleinrich-  Sonderschuleinrichtungen
    möglich oder nicht angemessen und somit ihre                         tungen oder Regelschulen (siehe    Kapitel 3.3)
    Sonderschulung noch nicht abgeschlossen, bietet                      (siehe     Kapitel 3.2)
    die Sonderschulung 15plus eine verlängerte Son-
    derschulung mit vertieften Möglichkeiten der Berufs-
    wahl- und Lebensvorbereitung an.                                     3.1Daten zur Sonderschulung auf der
                                                                         Sekundarstufe I
    Die Sonderschulung 15plus erfolgt schulisch
    integrativ wie separativ ausschliesslich in der                      2011 hat die Bildungsstatistik 1778 Schülerinnen
    Verantwortung von kantonal anerkannten Sonder-                       und Schüler im Alter von 12 bis 20 Jahren erfasst,
    schuleinrichtungen und steht (gemäss § 36 Abs. 2                     die integrativ oder separativ in der Verantwortung
    Volksschulgesetz) längstens bis zur Vollendung des                   einer anerkannten Zürcher Sonderschuleinrichtung
                                                                         geschult wurden 2. Rund 1000 dieser Schülerinnen
                                                                         und Schüler waren im Alter zwischen 12 und 14
    1                                                                   Jahren, rund 700 waren 15- bis 17-jährig und rund
     Auch die «Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im
     Bereich der Sonderpädagogik» vom 25. Oktober 2007 (Sonderpä-        50 Jugendliche waren 18 bis 20 Jahre alt.
     dagogik-Konkordat) sieht im Art. 3 ein Recht vor auf angemessene
     sonderpädagogische Massnahmen bis zum vollendeten 20. Lebens-
     jahr. Der Kanton Zürich ist am 30. Juni 2014 dem Sonderpädagogik-
                                                                         Eine genauere Analyse zeigt, dass Schülerinnen
     Konkordat beigetreten.                                              und Schüler im Alter zwischen 15 und 20 Jahren
    2 
     Die BISTA-Kategorien «Sprachheilkindergarten» und «vorüberge-
                                                                         prozentual bei den Schulheimen insbesondere
     hende Hospitalisierung» sind dabei nicht enthalten.                 im Bereich der bildungsstatistischen Kategorien
7

«Schulbildungsfähige Geistigbehinderung», «Prak- 3.2 Sekundarstufe im Rahmen
tischbildungsfähige Geistigbehinderung» und der Schulpflicht: Anbieter
«Mehrfachbehinderung» von Bedeutung sind, bei
den Tagessonderschulen insbesondere im Bereich Anbieter der Sonderschulung im Rahmen der Schul-
der Kategorien «Hörbehinderung», «Sehbehinde- pflicht sind:
rung» und «Mehrfach Sinnesschädigung». Das >> Regelschulen (Integrierte Sonderschulung in der
bestätigt und verstärkt sich für den prozentualen        Verantwortung der Regelschule ISR)
Anteil Schülerinnen und Schüler ab 18 Jahren. Er     > > Kantonal anerkannte Sonderschuleinrichtungen
fällt allerdings bei den Tagessonderschulen auch im      der Typen A, B und C 3 mit entsprechend geneh-
Bereich Körperbehinderung relativ hoch aus.              migter Leistung im Rahmenkonzept, resp. in der
                                                         Leistungsvereinbarung mit dem Volksschulamt
2010 hat die Bildungsstatistik 1250 Jugendliche          (Integrierte Sonderschulung in der Verantwor-
erfasst, die von einer anerkannten Zürcher Son-          tung der Sonderschule ISS, Tagessonderschu-
derschuleinrichtung der Sekundarstufe I zugeord-         lung, Heimsonderschulung).
net wurden. In der Erfassung 2011 haben 422 von
ihnen die Schulwelt im Kanton Zürich verlassen:
Für 115 von ihnen wird der Beginn einer Berufsbil- 3.3 Sekundarstufe im Rahmen der
dung angegeben, 16 haben in öffentliche und vier Sonderschulung 15plus: Ausschluss,
in private Brückenangebote gewechselt und 287 Anbieter, Angebotsrahmen
Jugendliche verschwinden per 2011 aus den Daten
ohne weitere Klärung.                                Explizit ausgeschlossen von der Sonderschulung
                                                     15plus sind:
Ähnlich präsentiert sich das Bild in der Erfassung >> Jugendliche mit einer sonderschulischen Lauf-
2012. Es kann daher angenommen werden, dass              bahn, deren Sonderschulung abgeschlossen ist
jährlich rund 400 Jugendliche der anerkannten            und die entsprechend die Aufnahmebedingun-
Zürcher Sonderschuleinrichtungen die kantonale           gen der öffentlichen Brückenangebote oder der
Schulwelt verlassen. Allerdings ist für rund drei        Mittelschule erfüllen oder eine passende Ausbil-
Viertel von ihnen die Nachfolgelösung nicht bekannt.     dung oder Tätigkeit in der Arbeitswelt aufneh-
Auch eine ausserkantonale Fortsetzung der Son-           men können.
derschulung ist teilweise denkbar. Ungeklärt sind    > > Jugendliche, die bis zur Erfüllung der Schul-
ausserdem Austrittsalter und Behinderungskatego-         pflicht keinen Bedarf nach sonderschulischen
rie der rund 400 Jugendlichen.                           Massnahmen hatten.

Nicht möglich sind im Moment Klärungen zu Anzahl,
Austrittsalter, Behinderungskategorie und Kategorie
der Nachfolgelösung derjenigen Sekundarschüle-
rinnen und -schüler, die in der Verantwortung der
Gemeinden sonderschulisch integrativ gefördert
werden.                                               3 
                                                       Die Richtlinien zum Pensenpool für Tagessonderschulen vom
                                                       17. August 2015 unterscheiden folgende Schultypen für folgende
Das Volksschulamt strebt in Zusammenarbeit mit         Zielgruppen:
                                                       - Typus A: Lern- und Verhaltensbehinderung, Sprachbehinderung
der Bildungsstatistik entsprechende Optimierungen      - Typus B: Körperbehinderung, Sinnesbehinderung, Autismus
an in der Datenerfassung resp. -auswertung.            - Typus C: Geistige Behinderung
8   Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung

    Anbieter der Sonderschulung 15plus sind aus- Für alle Angebote der Sonderschulung 15plus gel-
    schliesslich kantonal anerkannte Sonderschuleinrich- ten folgende Rahmenbedingungen:
    tungen mit entsprechend genehmigter Leistung im
    Rahmenkonzept resp. in der Leistungsvereinbarung      Mindestlektionen und         32 Lektionen/
    mit dem Volksschulamt. Sonderschulung 15plus ist Maximalarbeitsstunden für         Schulwoche
    damit möglich in Form von Integrierter Sonderschu- Schülerinnen und Schüler in     42 Stunden/
                                                          Einrichtungen vom Typ A:     Schulwoche
    lung in der Verantwortung der Sonderschule (ISS),
    als separative Tagessonderschulung oder als sepa- Mindestlektionenzahl und         28 Lektionen/
                                                          Maximalarbeitsstunden für    Schulwoche
    rative Heimsonderschulung. Sonderschulung 15plus
                                                          Schülerinnen und Schüler
    in Form von Integrierter Sonderschulung in der Ver- Einrichtungen vom Typ B und C: 42 Stunden/
                                                                                       Schulwoche
    antwortung der Regelschule (ISR) ist nicht möglich.
                                                           Mindestangebot Tagesstruktur   36 Stunden/
                                                           Tagessonderschulen A, B, C:    Schulwoche
    Die Sonderschulung 15plus ist kein Ersatz für Ange-
                                                                                          (inkl. Unterricht und
    botsentwicklungen auf der Sekundarstufe II zur                                        durch die Schule
    Integration von Jugendlichen mit besonderem Bil-                                      organisiertem
    dungsbedarf im Rahmen der gegebenen Aufträge                                          Schulweg-Transport)
    der Sekundarstufe II. Sie ist auch kein Ersatz für     Mindestangebot Tagesstruktur   45 Stunden/
    eine berufliche Grundbildung oder für eine Ausbil-     Sonderschulheime A, B, C:      Schulwoche
    dung auf dem Niveau einer PrA INSOS oder einer                                        (inkl. Unterricht und
    IV-Anlehre. Stattdessen bereitet die Sonderschu-                                      durch die Schule
                                                                                          organisiertem
    lung 15plus Jugendliche mit entsprechenden Mög-
                                                                                          Schulweg-Transport)
    lichkeiten auf diese Angebote bzw. Perspektiven vor.
9

3.4Anschlusslösungen zur Sonder-                      3.5 Inhalte der Sonderschulung auf
schulung auf der Sekundarstufe I                      der Sekundarstufe I

Die passenden Anschlusslösungen von Sonderschü-       Zentrale Aufgabe der Sonderschulung – und damit
lerinnen und Sonderschülern sind sehr unterschied-    auch der Sonderschulung auf der Sekundarstufe I –
lich. Eine Möglichkeit ist auch eine weiterführende   ist es, für jeden Schüler/jede Schülerin ein individuell
Schulung an einer Mittelschule. Die entsprechende     passendes Lern- und Förderangebot zu definieren,
Vorbereitung gehört dann zu den Pflichten der für     umzusetzen, zu überprüfen und nach Bedarf zu
die Sonderschulung verantwortlichen Schule.           optimieren.

Im Hinblick auf Arbeit und Beschäftigung denkbar      Das interdisziplinäre Verfahren dazu ist das mindes-
sind insbesondere:                                    tens jährlich stattfindende Schulische Standortge-
>> Berufliche Grundbildungen mit:                     spräch (SSG). Dabei wird in der Sekundarstufe im
    - Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ)        Hinblick auf eine mögliche Anschlusslösung nach
       mit oder ohne Berufsmaturität                  der Schulzeit ein mögliches Zukunftsszenario ent-
    - Eidgenössischem Berufsattest (EBA) mit         worfen, das leitend ist für
       oder ohne Stützmassnahmen, mit oder ohne       >> die Fokussierung von individuell bedeutsamen

       Verlängerung der Bildungsdauer, im ersten         Schwerpunkten der Förderung, entsprechenden
       oder im geschützten Arbeitsmarkt                  Grobzielen (auf dem Niveau von Förderungs­
>> Berufliche Grundbildungen mit EBA und                 situationen) und für die Festlegung des entspre-
    verstärkter Unterstützung wie im Programm            chenden Settings im Allgemeinen sowie für
    ­EBAplus, im ersten oder im geschützten           >> die Fokussierung der Unterstützung am Über-

   ­Arbeitsmarkt                                         gang in das nachschulische Leben im Besonde-
>> Praktische Ausbildungen nach INSOS (PrA)              ren.
     oder IV-Anlehren im ersten oder im geschützten
     Arbeitsmarkt
>> Arbeitsstellen im ersten oder im geschützten       3.6 Anspruch auf passende
     Arbeitsmarkt                                     Anschlusslösungen und deren
>> Aktivierung und Beschäftigung in einer             Finanzierung
     Tagesstätte
>> Öffentliche oder private Brückenangebote     Das Übereinkommen der UNO über die Rechte von
                                                Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember
Zu all diesen Perspektiven können verschiedene 2006 anerkennt im Art. 27 das gleiche Recht von
Formen des mehr oder weniger unterstützten Woh- Menschen mit Behinderungen auf Arbeit. Dies
nens kommen.                                    beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den
                                                Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in
                                                einem offenen, integrativen und für Menschen mit
                                                Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und
                                                Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird.
                                                Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Ver-
                                                wirklichung des Rechts auf Arbeit – unter anderem
                                                mit wirksamem Zugang zu allgemeinen fachlichen
                                                und beruflichen Beratungsprogrammen, Stellen-
10   Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung

     vermittlung sowie Berufsausbildung und Weiter-           erleichtern, am gesellschaftlichen Leben teilzuneh-
     bildung und mit angemessenen Vorkehrungen                men und insbesondere selbstständig soziale Kon-
     am Arbeitsplatz. Laut Art. 24 anerkennen die Ver-        takte zu pflegen, sich aus- und fortzubilden und
     tragsstaaten das Recht von Menschen mit Behin-           eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Eine Benachteili-
     derungen auf Bildung und gewährleisten dazu ein          gung in der Inanspruchnahme von Aus- und Weiter-
     integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und         bildung liegt dabei nach BehiG insbesondere dann
     lebenslanges Lernen – unter anderem mit ange-            vor, wenn die Verwendung behindertenspezifischer
     messenen Vorkehrungen für die Bedürfnisse des            Hilfsmittel oder der Beizug notwendiger persön-
     Einzelnen, der notwendigen Unterstützung und             licher Assistenz erschwert werden und wenn die
     gleichberechtigtem Zugang zu allgemeiner Hoch-           Dauer und Ausgestaltung des Bildungsangebots
     schulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbil-          sowie Prüfungen den spezifischen Bedürfnissen
     dung und lebenslangem Lernen. Mit dem Art. 19            von Menschen mit Behinderung nicht angepasst
     anerkennen die Vertragsstaaten das gleiche Recht         sind (Art. 2 BehiG).
     aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen
     Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der             Tatsächlich bestehen Barrieren. Beispielsweise
     Gemeinschaft zu leben und treffen wirksame und           kann die Finanzierung von passenden beruflichen
     geeignete Massnahmen zum vollen Genuss die-              Anschlusslösungen problematisch werden, wenn
     ses Rechts und zur Erleichterung der vollen Einbe-       kein Anspruch auf IV-Leistungen besteht oder die
     ziehung in die Gemeinschaft und die Teilhabe an          IV-Leistungen zur Finanzierung nicht (mehr) aus-
     der Gemeinschaft – unter anderem mit Zugang zu           reichen. Letzteres ist Thema bei bestimmten Aus-
     gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause            bildungsheimen im Kanton Zürich und wird daher
     und in Einrichtungen, einschliesslich der notwendi-      auch im Zusammenhang mit der laufenden Totalre-
     gen persönlichen Assistenz.                              vision des Gesetzes über die Jugendheime und die
                                                              Pflegekinderfürsorge bearbeitet. Offen hingegen ist
     Die Schweiz hat am 15. April 2014 die UNO Behin-         die Suche nach alternativen Finanzierungslösungen
     dertenrechtskonvention ratifiziert. Bereits das Bun­­-   für Angebote wie EBAplus und für die PrA INSOS,
     desgesetz über die Beseitigung von Benachteili-          wenn kein Anspruch auf IV-Leistungen besteht. Das
     gungen von Menschen mit Behinderungen vom 13.            Volksschulamt strebt diesbezüglich Klärungen an
     Dezember 2002 (BehiG) setzt im Übrigen Rahmen-           in Zusammenarbeit mit dem Amt für Jugend und
     bedingungen, die es Menschen mit Behinderungen           Berufsberatung und dem Kantonalen Sozialamt.
11

4 Berufswahl- und Lebensvorbereitung
in der Sonderschulung

Die Berufswahl- und Lebensvorbereitung ist ein           vidueller Situation und nachschulischer Perspektive
zentrales Anliegen der Sonderschulung auf der            auch erst mit Eintritt oder im Verlauf der Sonderschu-
Sekundarstufe I. Sie hat zum Ziel, für und mit allen     lung 15plus beginnen. Ein solch verzögerter Beginn
Schülerinnen und Schülern individuell passend die        der Berufswahlvorbereitung ist insbesondere in der
Kompetenzen für das Leben nach der Schulzeit zu          separativen Sonderschulung durch Sonderschulein-
stärken. Je nach passender Anschlusslösung (siehe        richtungen der Typen B und C häufig angemessen.
    Kapitel 3.4) geht es entsprechend unterschiedlich
um den Aufbau einer Orientierung und der notwen-
digen Kompetenzen, damit:                                4.1 Ausrichtung auf Lebensbereiche
>> Der Übergang erfolgreich bewältigt werden kann;       der ICF-CY
>> Der Start in ein möglichst selbständiges und sinn-

   erfülltes Leben nach der Schulzeit gelingt und        Die Berufswahl- und Lebensvorbereitung ist auch in
>> Die gesellschaftliche Teilhabe als Erwachsene/        der Sonderschulung eingebettet in eine umfassende
   Erwachsener gewährleistet ist.                        Förderung und richtet diese umgekehrt und zuneh-
                                                         mend aus auf das Leben nach der Schulzeit. Damit
Berufswahlvorbereitung im üblichen Sinne ist ein prägt die Berufswahl- und Lebensvorbereitung zuse-
möglicher Teil der Berufswahl- und Lebensvorberei- hends die ganze Förderung in der Sekundarstufe I.
tung in der Sonderschulung und adressiert sich an
jene Schülerinnen und Schüler, für die eine Form der Sie richtet sich dabei aus auf die Lebensbereiche, in
Berufsausbildung mit der individuell notwendigen denen die Jugendlichen nach Schulaustritt partizi-
Unterstützung und Assistenz durch Um- und Mitwelt pieren können sollen. Die Internationale Klassifikation
eine passende Perspektive ist.                           der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit
                                                         bei Kindern und Jugendlichen (ICF-CY) der WHO
Die Berufswahl- und Lebensvorbereitung in der Son- enthält mit den Domänen für die Komponente der
derschulung fokussiert die letzten zwei bis vier Jahre Aktivitäten und Partizipation eine Liste, die alle ent-
vor Schulaustritt. Sie beginnt in der Regel mit dem sprechenden Lebensbereiche umfasst:
Eintritt in die Sekundarstufe I, kann aber je nach indi-

Lebensbereiche                Der Lebensbereich umfasst gemäss ICF-CY
Lernen und                    Bewusste sinnliche Wahrnehmungen (ICF-CY Codebereich: d110-d129)
Wissensanwendung              Elementares Lernen (ICF-CY Codebereich: d130-d159)
                              Wissensanwendung (ICF-CY Codebereich: d160-d179)
Allgemeine Aufgaben und       Eine Einzelaufgabe übernehmen (ICF-CY Codebereich: d210)
Anforderungen                 Mehrfachaufgaben übernehmen (ICF-CY Codebereich: d220)
                              Die tägliche Routine durchführen (ICF-CY Codebereich: d230)
                              Mit Stress und anderen psychischen Anforderungen umgehen
                              (ICF-CY Codebereich: d240)
                              Sein Verhalten steuern (ICF-CY Codebereich: d250)
                              Allgemeine Aufgaben und Anforderungen, anders bezeichnet
                              (ICF-CY Codebereich: d298)
                              Allgemeine Aufgaben und Anforderungen, nicht näher bezeichnet
                              (ICF-CY Codebereich: d299)
12   Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung

     Lebensbereiche             Der Lebensbereich umfasst gemäss ICF-CY
     Kommunikation              Kommunizieren als Empfänger (ICF-CY Codebereich: d310-d329)
                                Kommunizieren als Sender (ICF-CY Codebereich: d330-d349)
                                Konversation und Gebrauch von Kommunikationsgeräten und -techniken
                                (ICF-CY Codebereich: d350-d369)
     Mobilität                  Die Körperposition ändern und aufrecht erhalten (ICF-CY Codebereich: d410-d429)
                                Gegenstände tragen, bewegen und handhaben (ICF-CY Codebereich: d430-d449)
                                Gehen und sich fortbewegen (ICF-CY Codebereich: d450-d469)
                                Sich mit Transportmitteln fortbewegen (ICF-CY Codebereich: d470-d489)
     Selbstversorgung           Sich waschen (ICF-CY Codebereich: d510)
                                Seine Körperteile pflegen (ICF-CY Codebereich: d520)
                                Die Toilette benutzen (ICF-CY Codebereich: d530)
                                Sich kleiden (ICF-CY Codebereich: d540)
                                Essen (ICF-CY Codebereich: d550)
                                Trinken (ICF-CY Codebereich: d560)
                                Auf seine Gesundheit achten (ICF-CY Codebereich: d570)
                                Auf eigene Sicherheit achten (ICF-CY Codebereich: d571)
                                Selbstversorgung, anders bezeichnet (ICF-CY Codebereich: d598)
                                Selbstversorung, nicht näher bezeichnet (ICF-CY Codebereich: d599)
     Häusliches Leben           Beschaffung von Lebensnotwendigkeiten (ICF-CY Codebereich: d610-d629)
                                Haushaltsaufgaben (ICF-CY Codebereich: d630-d649)
                                Haushaltsgegenstände pflegen und anderen helfen (ICF-CY Codebereich: d650-d669)
     Interpersonelle Inter­     Allgemeine interpersonelle Interaktionen (ICF-CY Codebereich: d710-d729)
     aktionen und Beziehun-     Besondere interpersonelle Beziehungen (ICF-CY Codebereich: d730-d779)
     gen
     Bedeutende Lebens­         Erziehung/Bildung (ICF-CY Codebereich: d810-d839)
     bereiche                   Arbeit und Beschäftigung (ICF-CY Codebereich: d840-d859)
                                Wirtschaftliches Leben (ICF-CY Codebereich: d860-d879)
     Gemeinschafts-, soziales   Gemeinschaftsleben (ICF-CY Codebereich: d910)
     und staatsbürgerliches     Erholung und Freizeit (ICF-CY Codebereich: d920)
     Leben                      Religion und Spiritualität (ICF-CY Codebereich: d930)
                                Menschenrechte (ICF-CY Codebereich: d940)
                                Politisches Leben und Staatsbürgerschaft (ICF-CY Codebereich: d950)
                                Leben in der Gemeinschaft, soziales und staatsbürgerliches Leben, anders bezeichnet
                                (ICF-CY Codebereich: d998)
                                Leben in der Gemeinschaft, soziales und staatsbürgerliches Leben, nicht näher
                                bezeichnet (ICF-CY Codebereich: d999)
13

Die Lebensbereiche sind schulspezifisch abgebildet >> wenn sich eine erste Akzentsetzung auf Ausbil-
im Schulischen Standortgespräch (SSG). Das Volks-     dung und Arbeit im 1. oder geschützten Arbeits-
schulamt prüft dessen Weiterentwicklung für die       markt in der Überprüfung im SSG klar als nicht
Sekundarstufe I im Rahmen der aktuell laufenden       adäquat herausstellt.
SSG-Evaluation. SSG auf der Sekundarstufe I haben
offenbar einen erweiterten Fokus und denken über Die Unterscheidung von zwei Unterstützungsakzen-
die Partizipation an Bildungs- und Entwicklungspro- ten ist mit verschiedenen strukturellen Lösungen
zessen und am Leben in der Volksschule hinaus.      umsetzbar, eine äussere Differenzierung in zwei
                                                    Angeboten ist keineswegs zwingend. Die Akzent-
                                                    setzungen können also auch in derselben Klasse
4.2 Akzente der Berufswahl- und                     erfolgen.
Lebensvorbereitung

Die konkrete Ausgestaltung der Berufswahl- und         4.3Lernfelder der Berufswahl- und
Lebensvorbereitung in der Sonderschulung ist so        Lebensvorbereitung
vielfältig wie ihre Schülerinnen und Schüler, deren
Gesamtsituation und die je fokussierten Lebensziele.   Die Berufswahl- und Lebensvorbereitung der Sonder-
Dabei hat der Lebensbereich «Arbeit und Beschäf-       schulung arbeitet mit Lernfeldern: Mit kompetenzba-
tigung» in unserer Kultur und im Hinblick auf          sierten, didaktisch aufgearbeiteten Handlungsfeldern,
An­schluss­lösungen nach der Sonderschulung eine       die darauf verweisen, was Lernende nach der Bear-
besondere Bedeutung. Die Berufswahl- und Lebens-       beitung des Lernfelds im Handlungsfeld tatsächlich
vorbereitung in der Sonderschulung unterscheidet       können sollen.
daher zwei Unterstützungsakzente:
>> Die Berufswahl- und Lebensvorbereitung mit       Adäquate Lernfelder müssen akzent-, schul- und
   Akzent auf Ausbildung und Arbeit im 1. oder      letztlich schülerspezifisch gestaltet werden auf der
   geschützten Arbeitsmarkt (siehe Kapitel 5);      Basis des Bildungsauftrags der Sonderschulung
>> Die Berufswahl- und Lebensvorbereitung mit       und den Lebensbereichen der ICF-CY. Die Lernfelder
   Akzent auf Aktivierung und Beschäftigung in      sind entsprechend nicht eingeschränkt auf berufs-
   Tagesstätten (siehe Kapitel 6).                  spezifische Handlungsfelder oder auf Handlungsfel-
                                                    der im Lebensbereich «Arbeit und Beschäftigung»,
Die beiden Unterstützungsakzente fokussieren ins- auch wenn dieser eine besondere Bedeutung hat in
gesamt (und nicht in jeder Komponente) unterschied- der Berufswahl- und Lebensvorbereitung. Sie kön-
liche Sets von konkreten Lebenssituationen, die die nen für die Sonderschulung nicht allgemein vorge-
Jugendlichen nach Schulaustritt erfolgreich bewäl- geben werden.
tigen können sollen: Insbesondere im Hinblick auf
Arbeit und Beschäftigung.                           Die Lernfelder richten sich aus auf resp. werden
                                                    konstruiert aus konkreten Lebenssituationen und
Die Berufswahl- und Lebensvorbereitung erfolgt die involvierten beruflichen und lebensweltbezoge-
dann mit Akzent auf Aktivierung und Beschäftigung nen Aufgabenstellungen und Handlungsabläufen in
in Tagesstätten,                                    bestimmten Lebensbereichen. Gefordert und geför-
>> wenn sich alle Beteiligten im SSG diesbezüglich  dert werden durch diese Konkretisierung immer Ver-
   einig sind oder                                  bünde von einzelnen Fähigkeiten aus verschiedenen
14   Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung

     Lebensbereichen. Angezielt werden so situierte
     «Competencies», über die sich zugleich und ganz-         Beispiel Lebensbereich
     heitlich Fach-, Selbst- und Sozialkompetenz entfalten    «Häusliches Leben»
     kann.                                                    Daraus abgeleitetes Lernfeld: Für den Lebensun-
                                                              terhalt notwendige Einkäufe selbständig planen
     Die Konstruktion resp. Fokussierung der Lernfelder,      und ausführen.
     ihre Bearbeitung in dafür gestalteten Lernsituationen
     und deren Verknüpfung zu Lehrgängen ist durch die        Betrifft Fähigkeiten aus verschiedenen Lebensbe-
     Ausrichtung auf konkrete Lebenssituationen unter-        reichen der ICF-CY:
     schiedlich geprägt in den beiden Unterstützungsak-       >> d860 Elementare wirtschaftliche Transaktio-

     zenten.                                                     nen (aus «Wirtschaftliches Leben»)
                                                              >> d620 Waren und Dienstleistungen des täg-

     Auch akzentspezifisch ist aber keine allgemeine             lichen Lebens beschaffen (aus «Häusliches
     Definition der Lernfelder möglich durch Zielformulie-       Leben»)
     rungen (resp. Beschreibungen der involvierten Teil-      >> d450 Gehen (aus «Mobilität»)

     kompetenzen), Inhalte und Zeitrichtwerte. Letztlich      >> d730 Mit Fremden umgehen (aus «Interperso-

     muss für jede Schülerin, für jeden Schüler geprüft          nelle Interaktionen und Beziehungen)
     werden, welche konkreten Lebenssituationen mit           >> d172 Rechnen (aus «Lernen und Wissensan-

     dem Schulaustritt im Vordergrund stehen, welche             wendung»)
     Kompetenzen seitens der/des Jugendlichen dafür           Daraus abgeleitete Lernsituation: Alltägliche Ein-
     aufgebaut werden können und welche Unterstüt-            käufe in einem wohnortsnahen Geschäft tätigen.
     zung, Dienstleistung oder Assistenz erforderlich sind
     seitens der Umwelt zur Sicherung der Partizipation.      Dafür notwendige Teilkompetenzen: Banknoten
                                                              sowie Münzen und ihren Wert kennen, eine Ein-
     Es braucht also für die Berufswahl- und Lebensvor-       kaufliste machen, den Weg zum Geschäft selb-
     bereitung individuelle Bildungspläne für den Über-       ständig zurück legen können, sich im Geschäft
     gang in und das Leben nach der Volksschulzeit. Die       orientieren oder jemanden um Hilfe bitten können,
     Lernfelder werden damit letztlich individuell definiert  etc.
     und entsprechend konkretisiert in passenden (Fol-
     gen von) binnendifferenziert und/oder individualisiert Exemplarische Literaturangaben und Materialien
     aufbereiteten Lernsituationen.                          zum Lernfeld-Konzept finden sich im Anhang (siehe
                                                               Kapitel 8.1).
     Hier ein Beispiel eines noch nicht individualisiert
     definierten und konkretisierten Lernfelds, wie es in
     der Berufswahl- und Lebensvorbereitung mit Akzent 4.4 Perspektive Berufsausbildung:
     auf Ausbildung und Arbeit im 1. oder geschützten Kompetenzbereiche und Berufswahl-
     Arbeitsmarkt relevant sein kann:                        modell

                                                             Bei Schülerinnen und Schülern, für die eine Form
                                                             der Berufsausbildung in Frage kommt, kann sich das
                                                             Festlegen der Lernfelder und deren Konkretisierung
                                                             in Lernsituationen auch orientieren an:
15

>>   Den Kompetenzbereichen für die Ausbildungs-           >>   Dem angepassten Berufswahlmodell von
     und Berufswahl gemäss Lehrplan 21: «Per­                   Egloff und Jungo gemäss Schlussbericht zur
     sönlichkeitsprofil», «Bildungswege, Berufs- und            Berufsfindung und Berufswahlvorbereitung von
     Arbeitswelt», «Entscheiden und Umgang mit                  Jugendlichen mit Behinderungen oder Beein-
     Schwierigkeiten», «Planen und Umsetzen»,                   trächtigungen der Interkantonalen Hochschule
     «Dokumentieren und Sich-Präsentieren».                     für Heilpädagogik (HfH) 4:

          Sich selber kennenlernen                                                  Die Berufswahl
          (Egloff&Jungo Schritt 1)                                                  - kennenlernen
                                                                                    (Egloff&Jungo Schritt 2)
                                                                                    - erkunden
                                                                                    (Egloff&Jungo Schritt 4)

                                     Sich mit der Berufswelt vergleichen
                                     (Egloff&Jungo Schritt 3)
                                     und entscheiden
                                     (Egloff&Jungo Schritt 4)

              Privates                                                                               Professionelles
              Umfeld                                                                                    Netzwerk

                                     Realisieren
                                     (Egloff&Jungo Schritt 5)

Die Berufswahlvorbereitung im engeren Sinn berück-         4.5Lernerfahrungen in nach­
sichtigt entsprechend:                                     schulischen Angeboten
>> Dass die Schülerinnen und Schüler zwar ähnliche

   Phasen durchlaufen im Berufswahlprozess wie             Konstruktion und Sequenzierung von Lernsituatio­nen
   Regelschülerinnen und Regelschüler;                     bedeutet auch Planung, Durchführung und Evaluation
>> Dass ihnen der berufswahlspezifische Zugang             von Lehrhandlungen, welche die Problembearbeitung
   zu den eigenen Interessen und Fähigkeiten aber          der Lernenden unterstützen. Handlungsorientierte
   am ehesten gelingt, indem sie sich praktisch in         Formen stehen im Vordergrund. Dabei ist authenti-
   verschiedenen Arbeits- und Berufsfeldern erleben        sches praktisches Lernen in passenden nachschu-
   und erproben können;                                    lischen Angeboten zentral in der Berufswahl- und
>> Dass dadurch der Prozess zirkulär verläuft und          Lebensvorbereitung der Sonderschulung. Wichtig
   sich die Inhalte und Aktivitäten der ersten vier        sind die entsprechende Zusammenarbeit mit inter-
   Phasen durchmischen und                                 nen und externen Betrieben im 1. und im geschütz-
>> dass dabei eine intensive Zusammenarbeit aller

   Beteiligten und eine aktive Netzwerkarbeit in der       4
                                                                Vgl.: Hoffmann, Claudia; Schellenberg, Claudia (2012): Berufsfindung
   Arbeitswelt sehr viel Gewicht haben muss.                     und Berufswahlvorbereitung bei Jugendlichen mit Behinderungen
                                                                 oder Beeinträchtigungen. Schlussbericht, Oktober 2012, S. 75f.
16   Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung

     ten Arbeitsmarkt sowie mit Angeboten für Aktivierung                                     Wesentlich für die Berufswahl- und Lebensvorberei-
     und Beschäftigung in Tagesstätten und verschie-                                          tung in der Sonderschulung sind, in Anlehnung an
     dene Wohnformen. Eine adäquate Realisierung setzt                                        die «Fünf Schritte zur Berufsbildung» von Egloff und
     entsprechende Netzwerke der Schulen, Interesse                                           Jungo (2009), die nachfolgenden Lernerfahrungen in
     und Möglichkeiten ihrer Partnerorganisationen sowie                                      den einzelnen Phasen:
     beidseits die entsprechenden Kompetenzen voraus.

     Phase 1                          Phase 2                            Phase 3                           Phase 4                            Phase 5
                                      Ich lerne die Berufswelt            Ich vergleiche mich              Ich erkunde Berufe und             Ich verwirkliche meine
      Ich lerne mich selber kennen
                                      kennen                              mit der Berufswelt               entscheide mich                    Entscheidung

                                      Informationsbesuche

                                      Praxistage in Berufs- und Lebensfeldern

                                                                          Regelmässige Arbeitseinsätze

                                                                                                                                              Schnupperlehren

     Im Einzelnen:
     Lernerfahrung Ziel                                             Phase Dauer                  Mögliche Formen
     Informations­             Die Jugendlichen bekommen            2           Maximal          nach Absprache mit den Institutionen:
                               einen Berufseinblick am Ort und                  1 Tag pro        › Informationsveranstaltungen
     besuche                   wissen über die Berufe und deren                 Betrieb          › Betriebsbesichtigungen
                               Anforderungen Bescheid.                                           › Führungen durch die Werkstätten
                                                                                                 › Parcours
                                                                                                 › Orientierungsbesuche oder Gelegenheit, einfache Tätigkeiten auszuführen
                                                                                                 › Individuelle Führungen
                                                                                                 › Erstgespräch zum Kennenlernen

     Praxistage                Die Jugendlichen lernen den          2 bis 4      Maximal         Die Jugendlichen verbringen unbegleitet Praxistage in Betrieben mit Ausbil-
                               Betrieb mit der Arbeit/der                        3 Tage pro      dungs- oder Arbeitsplätzen oder Beschäftigung. Sie erleben einen strukturier-
                               Beschäftigung und das Berufs-                     Woche           ten Arbeitstag mit Mitwirkungsmöglichkeiten und bekommen ein Feedback.
                               feld/ das Beschäftigungsfeld                                      Bei Bedarf werden die Jugendlichen zu Beginn oder so lange wie nötig von
                               kennen.                                                           einer Person aus der Sonderschule begleitet.

     Regelmässige              Die Jugendlichen können durch        3 bis 5      Maximal 2 bis   Die Jugendlichen leisten regelmässige Arbeitseinsätze unbegleitet oder
                               das Verrichten von Arbeiten über                  3 Tage pro      begleitet in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes oder in Betrieben der
     Arbeits-                  längere Zeit fachliche und über-                  Woche           Institutionen für Menschen mit Behinderung.
                               fachliche Kompetenzen aufbauen
     einsätze                  und trainieren.

     Schnupper-                Die Jugendlichen finden eine         5            Mindestens 2    Eine Schnupperlehre von 1 bis 3 Wochen mit Auswertungsgespräch, eventuell
                               passende Lehrstelle, Arbeitsstelle                mal 1 Woche     mit berufsspezifischer Abklärung als Teil des Aufnahmeverfahrens. Schnup-
     lehren,                   oder einen Beschäftigungsplatz                    bis 3 Wochen    pern mit Auswertungsgespräch begleitet oder unbegleitet in Angeboten des
                               und nach Bedarf einen Wohnplatz.                                  Wohnens, der Beschäftigung, der Arbeit.
     Schnuppern

     Die Jugendlichen nehmen verschiedene Kontakte                                          mindestens folgende Punkte geklärt: Beginn und
     und Lernangebote im nachschulischen Bereich                                            Ende der Teilintegration, Begleitung durch die Schule,
     wahr, abhängig von der jeweiligen Phase der Berufs-                                    Betreuung und Begleitung am Einsatzort, Anreise/
     findung. Lernerfahrungen erfolgen gezielt und in Zu-                                   Rückreise, Zeitpunkt und Form der Zielüberprüfung,
     sammenarbeit von Schule und nachschulischem                                            Bezugspersonen und leitenden Personen und ihre
     Angebot. Regelmässige Arbeitseinsätze pro Schul-                                       Kontaktdaten, Informationsfluss, Relevantes zur
     woche können insbesondere in der Sonderschulung                                        Sicherheit (wie Medikation, Notfallnummern, Versi-
     15plus erforderlich sein für eine adäquate Berufs-                                     cherungen), Finanzielles. Die Erfahrungen werden
     wahl- und Lebensvorbereitung. Solche Teilintegra­                                      konsequent ausgewertet.
     tionen werden stets schriftlich vereinbart zwischen                                     Die Gesamtzeit des Prozesses nimmt je nach Ju­gend-
     der Jugendlichen oder dem Jugendlichem, den                                            lichen zwischen 1 bis 4 Jahre in Anspruch. Diese
     Eltern, der Schule und dem beteiligten Einsatzort.                                     Teilintegrationen dürfen insgesamt einen maximalen
     Dabei werden gemeinsam Ziele für die Teilintegra-                                      Anteil von 3 Tagen pro Woche oder 117 Tage pro
     tion formuliert. Weiter werden in der Vereinbarung                                     Schuljahr nicht überschreiten.
17

4.6 Erweiterte methodisch-                             und Lebensvorbereitung ist die Förderplanung, die
didaktische Formen                                     hier als Zukunftsplanung auf individuelle Bildungs-
                                                       pläne für den Übergang in und das Leben nach der
Neben dem Lernen in nachschulischen Angeboten          Volksschulzeit zielt. Die Förderplanung basiert auf
sind sozialpädagogische Lernformen im Unterricht       einer genauen Analyse der Entwicklungs-, Lern- und
typisch für die Berufswahl- und Lebensvorbereitung     Leistungsvoraussetzungen mit geeigneten Erfas-
in der Sonderschulung. Sie ermöglichen den Erwerb      sungs- und Abklärungsmethoden und -mitteln sowie
von Kompetenzen insbesondere in den Lebensbe-          auf dem Austausch im SSG unter adäquatem Einbe-
reichen «Häusliches Leben», «Gemeinschafts-, sozi-     zug des oder der Jugendlichen, der Eltern, der betei-
ales und staatsbürgerliches Leben», «Mobilität» und    ligten internen und externen Fachpersonen sowie der
«Selbstversorgung». Beispiele dafür sind:              Behörde. Der Einbezug der Berufsberatung resp. der
>> Schulungsangebote rund um das Wohnen                IV-Beratung ist wichtig. Für die Förderdiagnostik und
>> Übungsprogramme im Umgang mit Einrichtungen        -planung können auch Skalen, Kompetenzlisten und
   der Gesellschaft (Verkehr, Einkaufen etc.)         -inventare aus dem Lernfeld-Konzept genutzt wer-
                                                       den (siehe exemplarisch unter Kapitel 8.1). Im SSG
Insgesamt bedingt eine adäquate Berufswahl- und        wichtig ist unter anderem die Reflexion der erforder-
Lebensvorbereitung erweiterte methodisch-didakti-      lichen Unterstützung, Dienstleistung oder Assistenz
sche Formen. Weitere Beispiele dafür sind:             in den fokussierten Lebensbereichen.

Arbeitsmarktnahe Projekte und Arbeitsformen           Bleiben im SSG Unklarheiten bestehen oder besteht
wie:                                                  Dissens über den Bedarf des oder der Jugendlichen,
>> Pausenkiosk betrieben durch Schülerinnen und       erfolgt eine schulpsychologische Abklärung. Dabei
   Schüler                                            kann das SAV zur Anwendung kommen. Mit der
>> Schülerfirmen                                      Einführung des SAV beim zuständigen Schulpsy-
>> Beteiligung an Schul-, Wochen- und saisonalen      chologischen Dienst wird es zwingend eingesetzt
   Märkten wie ein Weihnachtsmarkt                    bei Unklarheit oder Dissens über den Eintritt in die
Spezifische, individuelle Trainingseinheiten im       Sonderschulung 15plus 5. Weiter entwickelt könnte
Hinblick auf die berufliche Integration wie:          das Standardisierte Abklärungsverfahren (SAV) bei-
>> Arbeitstraining                                    tragen zur Klärung des individuellen Bedarfs in der
>> (Fein-)motorisches Training                        beruflichen Grundbildung, in weiteren Ausbildungen
Einzel- und Gruppenprojekte, fokussiert auf           wie der PrA INSOS oder auch in einer Arbeitsstelle
Lernfelder der Berufswahl- und Lebensvorbe-           oder einer Tagesstätte.
reitung
Lager und Projektwochen, fokussiert auf Lern-         5
                                                           Die Prüfung eines Eintritts in die Sonderschulung 15plus entspricht
felder der Berufswahl- und Lebens­vorbereitung              einer Überprüfung der Sonderschulung auf der Grundlage von §28
                                                            der Verordnung über die sonderpädagogischen Massnahmen vom
                                                            11. Juli 2007 (VSM). Gemäss Verfügung der Bildungsdirektion zur
                                                            Einführung vom SAV vom 12. April 2013 wird das SAV in Form des
4.7Instrumente der Berufswahl- und                          elektronischen Tools SAV-ZH in der schulpsychologischen Abklärung
Lebensvorbereitung                                          und Empfehlung bei Fragen der Sonderschulung und komplexen
                                                            Fragestellungen in Bezug auf sonderpädagogische Massnahmen der
                                                            Regelschule angewendet. Selbstverständlich ist eine schulpsycholo-
Förderplanung, Schulisches Standortgespräch                 gische Abklärung nicht notwendig, wenn Unklarheiten oder Dissens
                                                            der Beteiligten mit einem durch die Schulpsychologie moderierten
(SSG), Standardisiertes Abklärungsverfahren                 Gespräch ausgeräumt werden können. Gemeint sind also anhal-
(SAV): Zentrales Element auch für die Berufswahl-           tende Unklarheiten und anhaltender Dissens.
18   Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung

     Stellwerk, weitere webbasierte Testsysteme:             äussert er sich auch über Ziele, Verlauf und erwor-
     Wenn immer individuell möglich und sinnvoll wird        bene Kompetenzen in den individuell festgelegten
     auch in der Sonderschulung mit (Teilen von) Stellwerk   Lernfeldern der Berufswahl- und Lebensvorberei-
     8 und/oder 9, dem webbasierten, förderorientierten,     tung. Das Ausweisen der erworbenen Kompeten-
     adaptiven Testsystem gearbeitet. Informationen dazu     zen ist wichtig für die abnehmenden Betriebe und
     finden sich im Kapitel 7 der Planungshilfe zur Neu-     Settings. Insbesondere mit dem Schulaustritt ist dies
     gestaltung 3. Sek. Neben Stellwerk 8 und/oder 9         eine Aufgabe der zuständigen Schule. Dabei werden
     können bei individueller Passung auch weitere web-      behinderungsbedingt notwendige Anpassungen und
     basierte Testsysteme wie Lernpass zum Einsatz kom-      Vorkehrungen zum Partizipieren in den Lebensbe-
     men. Weitere Informationen zu den Testsystemen          reichen, wie zum Beispiel alternative und unterstüt-
     unter: www.stellwerk-check.ch, www.lernpass.ch.         zende Formen der Kommunikation oder persönliche
                                                             Assistenzleistungen, ausreichend dokumentiert. Die
     Lehr- und Arbeitsmittel: Jugendliche in der Son-        Sonderschulung kann sich für das Ausweisen der
     derschulung finden den Zugang zu den eigenen            erworbenen Kompetenzen orientieren am Europä-
     Interessen und Fähigkeiten in der Berufswahl- und       ischen Qualifikationsrahmen (EQR). Der 2008 von
     Lebensvorbereitung am ehesten, indem sie sich           den europäischen Institutionen verabschiedete EQR
     praktisch in verschiedenen nachschulischen Ange-        stellt einen einheitlichen Rahmen zur Verfügung, um
     boten erleben und erproben können. Lehr- und            das zu beschreiben, was Lernende wissen, verste-
     Arbeitsmittel können diesen Prozess unterstützen,       hen und in der Lage sind zu tun. Mehr dazu findet
     stehen aber nicht für die ganze Bandbreite an nach-     sich im Anhang unter Kapitel 8.2.
     schulischen Perspektiven und individuellen Möglich-
     keiten zur Verfügung. Insbesondere fehlt Material für
     Jugendliche, die keine Ausbildung machen können         4.8 Zusammenarbeit rund um die Be-
     oder für die eine Praktische Ausbildung nach INSOS      rufswahl- und Lebensvorbereitung
     (PrA) oder eine IV-Anlehre passen. Wie üblich in der
     Sonderschulung müssen die gängigen Lehr- und           Die Berufswahl- und Lebensvorbereitung prägt die
     Arbeitsmittel den individuellen Bedürfnissen ange-     Zusammenarbeit in der und für die Sonderschulung
     passt und durch Eigenkreationen ergänzt werden.        auf der Sekundarstufe I. Neben den Schülerinnen
     Berufswahlspezifisch geben dabei das Berufswahl-       und Schülern, den Eltern, allen internen und externen
     tagebuch (Egloff/Jungo), der Wegweiser Berufswahl      sonderpädagogischen und therapeutischen Fach-
     (Schmid/Barmettler) oder auch die Comicserie Six-      personen, dem zuständigen Schulpsychologischen
     pack eine Orientierung.                                Dienst und der zuweisenden Gemeinde spielen auch
                                                            die Berufsberatung, das Berufsinformationszentrum
     Portfolio und Projekt in Arbeitserfahrungen: (biz), die Berufsberatung der Invalidenversicherung
     Arbeitserfahrungen werden, falls individuell möglich (IV-Berufsberatung) und die verschiedenen Anbie-
     und sinnvoll, vertieft und dokumentiert mit einem ter nachschulischer Möglichkeiten eine wichtige
     individuellen Portfolio. Eine Projektarbeit kann dazu- Rolle. Allenfalls beteiligt sind auch berufliche Inte-
     gehören. Das Arbeiten mit Portfolio und Projekt grationscoaches, spezialisierte Beratungsanbieter
     orientiert sich an den Kapiteln 8 und 11 der Pla- wie die Pro Infirmis oder die zuständige Kindes- und
     nungshilfe zur Neugestaltung 3. Sek.                   Erwachsenenschutzbehörde (KESB).

     Lern- und Austrittsbericht: Wird zusätzlich oder Aufgrund der Bedeutung dieser Netzwerkarbeit wird
     anstelle eines Zeugnisses ein Lernbericht erstellt, im SSG für jede Schülerin, jeden Schüler eine dafür
19

verantwortliche fallführende Fachperson der Schule        das entsprechende Faltblatt und der Ratgeber von
oder Sonderschuleinrichtung festgelegt. Im Rahmen         Procap: www.procap.ch.
einer Integrierten Sonderschulung in der Verant-
wortung der Regelschule (ISR) kann Beratung und            Zur Errichtung einer Form der Beistandschaft ab
Unterstützung (B+U) durch eine spezialisierte Son-         Volljährigkeit des oder der betroffenen Jugendli-
derschuleinrichtung oder Fachstelle wichtig sein, die      chen erfolgt möglichst ein halbes Jahr vor dem 18.
spezifische Erfahrungen hat in der Berufswahl- und         Geburtstag ein entsprechender schriftlicher Antrag
Lebensvorbereitung.                                        an die zuständige Kindes- und Erwachsenen-
                                                           schutzbehörde (KESB). Das bedingt eine Ausein-
In der konkreten Ausgestaltung wird die Zusammen- andersetzung mit den verschiedenen Formen und
arbeit geprägt durch die individuelle Situation des Konsequenzen der Beistandschaft nach dem 17.
oder der Jugendlichen und durch die spezifischen Geburtstag.
Lösungen der zuständigen Schule – aber auch durch
den jeweiligen Unterstützungsakzent.                       In Sachen Beistandschaft und IV-Anmeldung sind in
                                                           erster Linie die betroffenen Eltern und Jugendlichen
4.8.1 IV-Anmeldung, Beistandschaft                         gefordert. Im Fall einer ISR ist die zuständige Berufs-
Bei Vorliegen einer Invalidität bietet die Invalidenversi- beraterin oder der zuständige Berufsberater für den
cherung (IV) Berufs- und Eingliederungsberatung an Einbezug der IV-Berufsberatung besorgt. Er oder sie
und finanziert die behinderungsbedingten Mehrkos- macht die Eltern auf das Anmeldeverfahren der IV
ten einer erstmaligen beruflichen Ausbildung gemäss aufmerksam. Diese Rolle und auch die erforderliche
Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (Art. Information hinsichtlich einer Beistandschaft über-
16 IVG). Allfälliger Anspruch auf Taggelder besteht nimmt im Fall einer separativen Sonderschulung oder
dabei frühestens ab dem 18. Altersjahr.                    einer ISS die Sonderschuleinrichtung. Zur Unterstüt-
                                                           zung und Begleitung der Eltern können spezialisierte
Frühestens in jenem Monat, der auf die Vollendung Beratungsangebote Dritter wie etwa von Pro Infirmis
des 18. Altersjahres folgt, besteht möglicherweise wichtig sein.
Anspruch auf eine IV-Rente.
                                                           4.8.2 Zusammenarbeit Berufsberatung–
Für die Inanspruchnahme von Leistungen der IV ist, Sekundarstufe
wenn möglich anfangs des vorletzten Schuljahrs und Das vor einigen Jahren entwickelte und vom Bil-
spätestens vor Ablauf desselben, eine Anmeldung dungsrat in Kraft gesetzte «Rahmenkonzept Zusam-
bei der IV-Stelle erforderlich. Dies geschieht mit dem menarbeit Berufsberatung – Sekundarstufe» regelt
hierfür erforderlichen Formular und wenn möglich mit dem Berufswahlfahrplan detailliert die einzel-
unterstützt durch einen aussagekräftigen medizini- nen Schritte im Berufswahlprozess in der 2. und 3.
schen Bericht. Nähere Informationen hierzu finden Klasse der Sekundarstufe. Der Berufswahlfahrplan
sich im Merkblatt «IV Anmeldung vor Austritt aus dient auch in der Sonderschulung als Orientierungs-
der Sekundarstufe I» unter www.ajb.zh.ch und bei hilfe (siehe www.berufswahlfahrplan.zh.ch).
der Sozialversicherungsanstalt Zürich (SVA Zürich):
   www.svazurich.ch.                                       Dabei orientiert sich die Sonderschulung an der fol-
                                                           genden, angepassten und ergänzten Beschreibung.
Einen guten Überblick über die vorgestellten und Der jeweils konkret realisierte Fahrplan ist abhängig
weitere Leistungen der Sozialversicherungen bieten vom individuellen Beginn, den individuellen Zielen
20          Berufswahl- und Lebensvorbereitung von Jugendlichen in der Sonderschulung

                                                   <                                    2. Sekundarstufe                                                  >

                Aug.           Sept.            Okt.           Nov.           Dez.          Jan.             Febr.        März            April           Mai          Juni   Juli

                                                                                                     11      Schulisches                    8   Zwischenstand Berufswahl I
2   Planungssitzung
                                                                                                             Standortgespräch
                        3   Klassenorientierung im biz

                        4   Elternorientierung im biz

                                                        5   Berufs- und Betriebsbesichtigungen und Schnupperbesuche

                                                        6   Info-Veranstaltungen

                                                                                                                                7      Individuelle Schnupperlehren

                                                                                   9    Schulhaussprechstunden

                                                                                   10   Einzelberatung im biz

        1    Infothek

                                                                                                           11              12

                                                                Berufs-
                                                                                                          Stellwerk-       Mittel-
                                                                messe
                                                                                                          Test,            schul-
                                                                                                          Schulisches      prüfungen
                                                                                                          Standort-
                                                                                                          gespräch

            und Inhalten und der individuell erforderlichen Dauer                            2 Planungssitzung
            der Berufswahl- und Lebensvorbereitung.                                          Auf Anfang der 2. Sek legen die zuständige Berufs-
                                                                                             beraterin oder der zuständige Berufsberater und die
            Berufswahlfahrplan 2. Sekundarstufe                                              Lehrperson der zu betreuenden Klasse ihre Form
            1 Infothek                                                                       der Zusammenarbeit fest. Für Sonderschülerinnen
            Jedes Berufsinformationszentrum (biz) führt eine                                 und Sonderschüler spricht sich die Klassenlehrper-
            dem kantonalen Standard entsprechende Infothek                                   son 6 vorgängig im SSG ab. Je nach Schülerin resp.
            mit adressatengerecht aufbereiteten Dokumentatio­                                Schüler ist entweder die Berufsberatung oder die
            nen und Medien zur Berufs- und Ausbildungswahl.                                  IV-Berufsberatung für die Berufsabklärungen der
            Es gibt im Moment noch keine berufswahlspezi-                                    Jugendlichen zuständig. Die Zuständigkeit wird im
            fischen Informationsmaterialien für Personen mit                                 SSG vorbesprochen und im Rahmen der Planungs-
            Leistungseinschränkungen und Behinderungen. Ent-                                 sitzung festgelegt. Geklärt werden im SSG auch,
            sprechende Unterlagen und Verzeichnisse (allenfalls                              wer die Fallverantwortung gemäss        Kapitel 4.8
            eine spezielle Broschüre für die Zielgruppe Sonder-                              übernimmt und ob der Berufswahlfahrplan bei einer
            schülerin/Sonderschüler) werden in Absprache mit                                 Sonderschülerin, einem Sonderschüler allenfalls erst
            dem Branchenverband INSOS zusammengestellt                                       zu einem späteren Zeitpunkt weiter verfolgt wird.
            und in Zukunft ins Präsentationskonzept der Info-
            theken aufgenommen.
                                                                                             6
                                                                                                 Sowohl in der Regelschule wie auch in Sonderschuleinrichtungen.
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