Bewusstseinsstörung in der Notaufnahme: metabolisch-toxische Krisen - W. Müllges Neurologische Klinik und Poliklinik

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Bewusstseinsstörung in der Notaufnahme: metabolisch-toxische Krisen - W. Müllges Neurologische Klinik und Poliklinik
Neurologische Klinik und Poliklinik
Direktor: Prof. Dr. J. Volkmann

Bewusstseinsstörung in der Notaufnahme:
   metabolisch-toxische Krisen

W. Müllges

                                       NEUROLOGIE
                                        KLINISCHE
                                      NEUROBIOLOGIE
Bewusstseinsstörung in der Notaufnahme: metabolisch-toxische Krisen - W. Müllges Neurologische Klinik und Poliklinik
Metabolisch-toxische Noxe = Enzephalopathie
• unspezifische Reaktionsform des (Groß-) Hirns
  durch systemisch wirksame Noxe                    „krank“

1. Wesensänderung
     1. psychomotorisches Tempo
     2. Konzentration/Aufmerksamkeit
     3. Orientiertheit
                                                    „komisch“
     4. Halluzinose / Delir
2. Bewusstseinstrübung
3. kortikale Reizsymptome (Myoklonien, Anfälle..)   „zu müde“
4. subkortikale oder zerebelläre Störungen            zuckt
   (Rigor, Ataxie…),                                 „steif“
    aber in der Regel kein „hartes“ Herdsymptom     „wacklig“
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Koma-ähnlich
• Stupor = bewegungsarmes ausdruckloses
  Verharren mit Mutismus, ggf. plus Katalepsie

• Akinetischer Mutismus =
  extreme ausdruckslose Antriebsstörung
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Augenbewegungen im metab-tox. Koma
 • Somnolenz
 • Sopor
 • Koma

• Puppenkopfphänomen = VOR = OCR praktisch immer auslösbar
   – unterdrückt beim Wachen
   – auslösbar bei fehlender visueller Kontrolle

• „roving eyes“ = Blickbewegungszentren intakt
Bewusstseinsstörung in der Notaufnahme: metabolisch-toxische Krisen - W. Müllges Neurologische Klinik und Poliklinik
Bewusstseinsstörung ohne Herdsymptome
• schließt primäre zerebrale Ursache nicht sicher aus
   – symmetrische Hirnläsion / Mittellinienschädigung
   – Vorschaden (z.B. SAE) kann sich im metabolisch-toxischen
      Koma demaskieren

•   hoher Stellenwert des Craniellen CT
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Koma ohne Herdsymptom & CCT oB
   metabolisch
   toxisch
   hypoxisch
   entzündlich
   epileptisch

• Vorgehen nach Wahrscheinlichkeiten

1. Vorerkrankungen und Dynamik der Störung
2. allgemeiner klinischer Befund

3. Laborwerte
4. technische Zusatzuntersuchungen
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Anamnese bei Komatösen
• perakut = kardial, zerebrovaskulär, epileptisch (Trauma)
• akut = alles mögliche
   – Problem: „zuletzt gesund gesehen“
• schleichend progredient = TU, Entzündung, Stoffwechsel

• Vorerkrankungen
   – möglicher Fingerzeig
   – aber auch potentiell ablenkend

• immer von vorne anfangen
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Hinschauen!
Bewusstseinsstörung in der Notaufnahme: metabolisch-toxische Krisen - W. Müllges Neurologische Klinik und Poliklinik
Meningismus: verschwindet mit Komatiefe
• Subarachnoidalblutung
   – perakuter Kopfschmerz, meist wie noch nie
   – kann rasch abklingen (DD Synkope)
   – z.T. Bewusstseintrübung führend
   – Nackensteife (nicht obligat!)

• Eitrige Meningitis
   – Kopfschmerz + Fieber+ Bewusstseinsstörung
   – Nackensteife im Koma und bei Alten nicht obligat!

  hoher Stellenwert der LP
   – nicht wegen Häufigkeit der Dx,
   – sondern wegen Abhängigkeit der Prognose
     von Therapie-Beginn
Bewusstseinsstörung in der Notaufnahme: metabolisch-toxische Krisen - W. Müllges Neurologische Klinik und Poliklinik
Hypertensive Enzephalopathie
• weniger Kopfschmerz als
• schwere akute Encephalopathie und zentrale Visusstörungen,
  (epileptische Anfälle)

 Setting 1: hypertensive Krise
• Setting 2: Eklampsie, Nierenkrankheit, Immunsuppression,…

• Diagnose ex juvantibus (oder MRT)
• aggressive Blutdrucksenkung (minimal 120)
   – bei Eklampsie plus Mg++
Endokrine Blickdiagnosen
Hypoglykämie
- öfters fokale Symptome
- charakteristische adrenerge Begleitsymptome

Myxödem-Koma
- struppig, teigig, glanzlos, müde, kühl
- Antriebsminderung mit Bradykardie

Thyreotoxikose
- zu schnell, autonom zu heiß
- evtl. als verzögerte KM-Reaktion
- Anfälle, psymot. +, Psychose

Addison-Krise
- Adynamie
- eher Hyperkaliämie als Hyponatriämie

  behandeln vor Labor-Bestätigung
Hinschauen: Myoklonien
• mit oder ohne Bewusstseinstrübung

• metabolisch (urämisch…)
• Elektrolytstörung (Calcium…)   90%
• medikamentös-toxisch

• (post-)hypoxisch
• encephalitisch
• septisch
Toxische Enzephalopathien
• Sedativa & Alkohol: quantitativ Bew.
•    Antidot: 1-2 A Anexate
• Opiate
•    Antidot: 1-2 A Narcanti
• diverses: meist qualitativ Bew.
•     oft mit Myoklonien
•     zB. H2-Blocker, Gyrase-
•     hemmer, Tacrolimus….

                        Dosis-Wirkung abhängig vom individuellen Gehirn
Zentrales Anticholinerges Syndrom
• Verwirtheitspsychose (mit Halluzinationen),
  dann Bewusstseinstrübung plus
• Hyperthermie, Mydriasis, trocken-rot (Harnverhalt)
• oft epileptische Anfälle

    – MDMA, Xstasy, Psilocibin, ….
    – Antidepressiva, Neuroleptika, Antiparkinson….
    – Antihistaminika, Antiemetika, Muskelrelaxantien…

Antidot: 1-2 A Anticholium
Malignes neuroleptisches Syndrom
• Wesensänderung / psychot. Sy. (Stupor)
• Tonus
• Temperatur +
• autonome Störungen (wechs. stark)
   • Schwitzen, Tachypnoe, Tachykardie, RR
• CK, Azidose
• Epileptischer Anfall

• Blockade von Dopamin-R / Dopa-Entzug

• Neuroleptika, bis zu 80% der Fälle in normaler Dosis
   - auch Risperidon / Quetiapin
   - nicht nur kürzlich neu, auch bei wechs. Polypragmasie
Serotonin-Syndrom
•   Kloni
•   Rigor
•   autonome Hyperaktivität (nicht „heiß“)
•   rastlos, verwirrt …bis Psychose
•   Koma, Atemdepression

• mindestens 2* von
   - MAO-Hemmer / Linezolid
   - SSRI
   - SNRI
   - Risperdal, Seroquel, Zyprexa
   - Kombi mit Opioiden
   - Psychostimulanzien
   - et al.
• Dosisänderung
Metabolische Enzephalopathien
•    Blutzucker           die Routine deckt das meiste auf….
•    Elektrolyte
•    Wasserhaushalt     Osmolarität
•    Blutgasanalyse
•    Nierenwerte
•    Leberwerte         Ammoniak

    es gibt keine cut-off-Werte
      – Multimorbidität
      – Lebensalter/ Hirnzustand

    Laborwerte stärken die Wahrscheinlichkeit,
    aber Beweis erst: Therapieerfolg
Zucker
• Hypoglykämie
   – funktionell deletär wegen Störung der Atmungskette
     = Nekrosen im Grau
   – öfters fokale Symptome
   – charakteristische adrenerge Begleitsymptome
• Therapie: sofort und blind Zucker

• Hyperglykämie: im Koma Letalität 25%
   – Anamnese Polydipsie, Leitsymptom Exsikkose -> Osmo!
   – mit oder ohne Ketoazidose (Aceton, Kussmaul-Atmung)
• Therapie: „verdünnen“ und ggf. Bicarbonat

• Problem: Insuline verwischen die Zuckerspur
• NSE -> DD Hypoxie
Hypoxische Enzephalopathie
• nicht nur nach CPR
• unspezifische Encephalopathie
  vom nächtlichen Delir bis zum
  tiefen Koma

• abzusichern ggf. durch
   – Bildgebung
   – NSE
                                  75 Jahre
Dysonkotische Enzephalopathien

• Hirnschwellung oder –schrumpfung = f (Wasserverschiebung, Na+)

1. Leitsymptom Hyponatriämie
    – mit De-, Eu- und Hyperhydratation
    – v.a. durch CBZ/OXC oder Diuretika oder Polydipsie / Natur-Diät

2. Leitsymptom De- und Hyperhydratation
    – auch mit normalem Natrium -> Osmo!

• Komplikation:
  Extrapontine / Zentrale Pontine Myelinolyse
   – ER + , Okulomotorik, Rigor
Akute hepatische Enzephalopathie A
= entzündlich / toxischer Leberausfall
• I desorientiert, Antriebsminderung, Tremor
• II – III Lethargie    Sopor, Ataxie, Asterixis
• IV Koma mit bds. PBZ und charakt. tiefer HV      BIPLEDS

• Ammoniak-assoziiert (Entgiftung )
  ( direkt tox.; glutaminerge Exzitation )

• Therapie
                                                             + Benzos
   – verzweigtkettige AS, Lactulose + Neomycin
   – OrnithinAspartat (HepaMerz)
   – Flumazenil
   – Transplantation
Akute hepatische Enzephalopathie B
• akut dekompensierte portale Hypertension (Synth. )
• bei GI-Blutung / zusätzlicher Leberschädigung

•   Leberzeichen
•   Demenz (mit Paranoia),
•   oft Asterixis und Ataxie
•   (PNP, Funikuläre SpE.)

• falsche Neurotransmitter
• Dx: Manganablagerung in den Stammggl.
Wernicke-Enzephalopathie

• Vitamin-B1-Mangel
   – Malnutrition (Dünndarm, Schnaps & Wein, parent. Ernährung)

• Okulomotorik, Ataxie, amnest. Syndrom (Korsakow)
    Bewusstseinstrübung
• im Koma keine Chance zur Diagnose

• bei unklarem Koma und
  EA Malnutrition: Hochdosis-B1
Urämische Enzephalopathie

• korreliert nur schwach mit Harnstoff
• Ionenpumpenstörungen durch hohes Calcium (sekundärer HPT);
  bei Dialyse auch andere E´lyte

   sehr oft Myoklonien (epilept. Anfälle)
   relativ häufig auch HerdS.
   (Demaskierung bei SAE?)

• Cave: „Dysäquilibrium“ = osmotischer Zwischenfall bei rabiater
  Dialyse (ICP )
Septische Encephalopathie

• beginnend mit adynamem Delir
• öfters auch Myoklonien
• auch vor offensichtlicher Sepsis

• bestenfalls unspezifische Befunde
   – Liquoreiweiß (+), Zellzahl (+)
   – EEG: Allgemeinveränderung
   – CCT / MRT leichte Hirnschwellung
• MR-Spektroskopie (?)
Nonkonvulsiver Status epilepticus
• transiente Bewusstseinsstörung > 30 min
  oder mehrmals ohne zwischenzeitliche Wachheit
  plus EEG-Veränderungen
• beides durch AE behebbar

   –   metabol-tox.Störung: regelhaft?
   –   nach CSE: 37- 86%
   –   posthypoxisch: 85%
   –   im unselektierten Koma: 8%

• EEG bei unklarem Koma, nach CSE,
  (rasch) wechselnder Bewusstseinsstörung, unerklärlichem Wechsel
  okulärer Symptome im Koma
Metabolisch-toxische Enzephalopathien
-   die meisten kann man innerhalb 30 min diagnostizieren
-   gut hinsehen und systematisch bleiben
-   zum Labor gehören Osmo und NSE

-   CT bleibt selten entbehrlich,
    muss meist aber nicht sofort sein

-   LP nicht vergessen
-   nur selten & nur sekundär erforderlich:
    EEG und MRT
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