BGM: Körper und Geist - WorkMed Kompetenzzentrum ...

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BGM: Körper und Geist - WorkMed Kompetenzzentrum ...
HR Today Special                 2019

Betriebliches
Gesundheitsmanagement
  Die themenspezifische Beilage zum HR Today

              BGM: Körper und Geist
iStockphoto

  Best Case: Die ZKB setzt auf eine Dialogkultur.
  Lernende: Mit dem Projekt FWS Apprentice soll die Gesundheit Jugendlicher am Arbeitsplatz gefördert werden.
  Jubiläum: Hans Rudolf Castell über die Anfänge und die Zukunft des Labels Friendly Work Space.
BGM: Körper und Geist - WorkMed Kompetenzzentrum ...
Nationale Tagung für betriebliches Gesundheitsmanagement 2019
               BGM für Körper und Geist:
Physische und psychische Gesundheit gemeinsam fördern
              Mittwoch, 28. August 2019 | Seedamm Plaza, Pfäffikon SZ

    9.30 Uhr                                        10.00 Uhr                                         14.45 Uhr
    Mitarbeitende mit physischen oder               Wie steht es um die physische und                 Fördernde Interaktion zwischen
    psychischen Problemen: Gemeinsam-               psychische Gesundheit unserer Brief-              Arbeitnehmenden und Arbeitge-
    keiten und Unterschiede                         botinnen und Briefboten?                          benden – drei Beispiele aus einem
    Niklas Baer, Dr. phil., Leiter Fachstelle       Marco Bestetti, lic. phil. hum.,                  KMU
    Psychiatrische Rehabilitation,                  MSC Organization Development,                     Thomas Rohrer, Geschäftsleiter,
    Psychiatrie Baselland                           Leiter Zustellzone, Post CH AG                    Alterszentrum am Buechberg AG

                                 11.30 Uhr
                                 World Café, Workshops und Vertiefungsworkshops
                                 Im World Café profitieren Sie von einem moderierten Austausch mit
                                 anderen Teilnehmenden und in interaktiven Workshops werden ebenso
                                 Erfahrungen ausgetauscht, Fragen beantwortet, Diskussionen geführt
                                 und gemeinsam Lösungen entwickelt.

                                 15.15 Uhr
                                 Politik-Talk: Burnout als Berufskrankheit? Die Politik im Spannungsfeld
                                 zwischen Gesundheitsschutz und der Flexibilisierung der Arbeitswelt
                                 Im Talk wird diese Frage mit folgenden Personen debattiert:
                                 • Yvonne Feri, Nationalrätin und Mitglied der Kommission für soziale
                                    Sicherheit und Gesundheit (SP/AG), Wettingen
                                 • Thomas Weibel, Nationalrat und Mitglied der Kommission für soziale
                                    Sicherheit und Gesundheit (glp/ZH), Horgen
                                 • Marina Villa, Moderatorin

                                                   www.bgm-tagung.ch

                                                             Schweizerische Eidgenossenschaft
                                                             Confédération suisse
                                                             Confederazione Svizzera
                                                             Confederaziun svizra

                                                             Eidgenössische Koordinationskommission
                                                             für Arbeitssicherheit EKAS
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Inhalt/Editorial Betriebliches Gesundheitsmanagement

Inhalt
Einleitung

04 Gesundheitsmanagement Wie weit ist das eigene Unter-
    nehmen in Sachen betriebliches Gesundheitsmanagement
    fortgeschritten? Der Link zum Online-Check.

05 Gesundheit fördern Prof. Dr. Thomas Mattig widmet sich
    in seinem Gastbeitrag der Psychosomatik, die psychische
    Einflüsse auf körperliche Vorgänge berücksichtigt. Denn nicht
    allen körperlichen Beschwerden liegen körperliche Ursachen
    zugrunde.

06 Jubiläum FWS – Fakten Vor zehn Jahren ist das Label                 Liebe Leserinnen, liebe Leser
    Friendly Work Space ins Leben gerufen worden. Anfänglich
    kritisch beäugt, ist es heute als Qualitätsmerkmal etabliert und
    hat dazu beigetragen, dass betriebliches Gesundheitsmanage-         Mens sana in corpore sano – bereits den Römern war bekannt,
    ment in den Betrieben nicht mehr wegzudenken ist.                   dass Körper und Geist untrennbar miteinander verbunden sind.
                                                                        Und mittlerweile sind die Zusammenhänge zwischen körper-
08 Jubiläum FWS – Interview Hans Rudolf Castell war bei der            licher und geistiger Gesundheit auch in der Neuzeit angekom-
    Gründung des Labels Friendly Work Space eine der treibenden         men. Dennoch werden Körper und Geist bei der praktischen
    Kräfte. Im Gespräch erzählt er, was für ihn die grössten            Umsetzung von betrieblichem Gesundheitsmanagement noch
    Herausforderungen bei der Etablierung des Labels waren und          viel zu oft getrennt betrachtet.
    wohin die Reise geht.
                                                                        Höchste Zeit also, dies zu ändern und BGM ganzheitlich zu
                                                                        leben. Ein erster Schritt ist eine transparente Kommunikation.
Best Case
                                                                        Während über Krebs, Herzinfarkt oder die Hüftoperation offen
10 Zürcher Kantonalbank Seit 15 Jahren ist bei der Zürcher             gesprochen wird, herrscht bei psychischen Problemen oft das
    Kantonalbank Gesundheitsmanagement Bestandteil des                  grosse Schweigen. Betroffene haben Angst vor Stigmatisierung,
    Leistungsauftrags. Im Laufe der Jahre haben sich einzelne           Kollegen und Vorgesetzte sind verunsichert und haben keine
    Massnahmen zu einem bunten BGM-Teppich entwickelt.                  Ahnung, wie sie damit umgehen sollen.

12 FWS Job-Stress-Analysis Ausgebildete Pflegerinnen und               Die Balance zwischen Ressourcen und Stressoren wird in der
    Pfleger sind rar. Deshalb muss den bestehenden Fachkräften          neuen Arbeitswelt immer wichtiger. Der dauernde Wandel
    Sorge getragen werden. Das bewährte Analysetool Friendly            erfordert Widerstandskraft, genauso wie der Umgang mit der
    Work Space Job-Stress-Analysis sorgt für Unterstützung.
                                                                        zunehmenden Komplexität. In diesem Zusammenhang
                                                                        gewinnen Vernetzung und Austausch der unterschiedlichen
14 FWS Apprentice Mit dem Projekt FWS Apprentice soll die
    psychische Gesundheit von Jugendlichen in Unternehmen               BGM-Akteure immer mehr an Bedeutung.
    praxisnah gefördert werden.
                                                                        Aus diesem Grund widmet sich die diesjährige Nationale
16 Psychische Probleme Während über Krebs gesprochen                   Tagung für betriebliches Gesundheitsmanagement im
    wird, herrscht bei psychischen Problemen oft das grosse             Seedamm Plaza in Pfäffikon (SZ) dem Thema «BGM für Körper
    Schweigen. Wie damit umgehen, erklärt Dr. phil. Niklas Baer.        und Geist: Physische und psychische Gesundheit gemeinsam
                                                                        fördern». Dort und im vorliegenden Heft finden Sie als BGM-
                                                                        Verantwortliche Inspirationen, wie der ganzheitliche Ansatz
Experten                                                                künftig noch besser gelingen kann.

17 Unternehmenskultur Systematisches betriebliches Gesund-             Ich wünsche Ihnen neue Erkenntnisse, offene Ohren und einen
    heitsmanagement muss nicht komplex und teuer sein, weiss
                                                                        rundum gesunden Arbeitsalltag.
    BGM-Berater und Coach Rolf Stocker: Mit Herzblut und Wert-
    schätzung kann man bereits viel erreichen.
                                                                        Sandra Escher Clauss
18 Flexibilität Zeitlich und örtlich flexibel zu arbeiten, liegt im    Verantwortliche Special «Betriebliches Gesundheitsmanage-
    Trend. Damit diese Flexibilität sich aber positiv auf die Gesund-   ment» und Inhaberin von Xandracom GmbH
    heit auswirkt, braucht es eine dialogorientierte Führungs­
    kultur, klare Abmachungen und Selbstführung.

HR Today Special 2019                                                                                                                    3
BGM: Körper und Geist - WorkMed Kompetenzzentrum ...
Betriebliches Gesundheitsmanagement Einleitung

                                  Stressinterventionen                                             Gesundheitsmanagement:
                                      rechnen sich                                                 vom Start zum Ziel
                  2,6 Tage
                  weniger Absenzen
                                           8000 Fr.
                                           weniger Produktivitäts-
                                                                     25%
                                                                     weniger gestresste
                  bei Mitarbeitenden       verlust pro Jahr und      Mitarbeitende
                  mit höchster             Mitarbeitenden            nach Intervention
                  Stressbelastung                                    Quelle: SWiNG-Studie, 201 1

                                               Finanziell                                            Re-Assessment
                                                                                                     nach 3 Jahren

                Gesundheits-                                                      Rekrutierungs-
                     kosten                                                       kosten

                                                                                    Schlechte
                  Absenzen                                                          Leistung
                                                                                    bei Präsenz
                                                                                                            Bericht an
                                                                                                       Geschäftsleitung

                                               Produktivität                                                                   Anmeldung
                                                                                                                               Assessment

                 Individuelle Folgen von Stress                                                                          3

                 auf Mitarbeitende                                                                        Workshop
                                                                                                    vor Assessment

                                                                                                                          Start
                                                                                                                          Self-Assessment

                                                                                                                       Ableitung
                                                                                                                       Massnahmen/Weiterbildung

                               Herz-Kreislauf-           Eingeschränkte
                                 Probleme               Aufnahmefähigkeit
                                                                                                                                             Weiterbildung

                                                                                                              2
                                                                                                                     Mitarbeitenden-
                                                                                                                     befragung
                                  Rücken-                  Geringere
                                 schmerzen             Anpassungsfähigkeit
                                                                                                                   Analyse
                                                                                                                   Gesundheitszahlen

                                                                                                                                       Roadmap erstellen

                                                                                                                  Selbsttest mit FWS Check
                                Gereiztheit                     Geringe
                               und Konflikte                   Motivation

                                                                                                                                           Gesundh
                                                                                                                                       hes        eit
                                                                                                                                   blic              s
                                                                                                                                  e
                                                                                                                                                     m
                                                                                                                                tri

                                                                                                                                                      an
                                                                                                                             Be

                                                                                                                                                        age

                                                                                                                   Start
                                                                                                                                                           ment

                             Erhöhter                       Depressionen                                  1
                        Substanzmissbrauch

              Wie weit fortgeschritten ist Ihr Unternehmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement?
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BGM: Körper und Geist - WorkMed Kompetenzzentrum ...
Einleitung Betriebliches Gesundheitsmanagement

    Physische und psychische
    Gesundheit gemeinsam fördern
     Körper und Geist werden in der Psychosomatik als zwei untrennbar miteinander verbundene Aspekte des Menschen
     betrachtet. Diese Sichtweise findet vermehrt auch Anklang in der Medizin, erkennen doch Ärztinnen und Ärzte
     bei rund einem Drittel der behandelten Patientinnen und Patienten keine körperlichen Ursachen für körperliche
     Beschwerden. Die Psychosomatik berücksichtigt die psychischen Einflüsse auf körperliche Vorgänge.
     Text: Thomas Mattig

                          In der Gesundheitsförderung legte Aaron Antonovsky in        beitsplatz. In der Vergangenheit gelang es jedoch noch
                          den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts die Grund-      nicht, die Brücke zu anderen Institutionen zu schlagen.
                          lage für die gesamtheitliche Betrachtung von Körper und      Weshalb mögliche Synergien noch zu wenig genutzt
                          Geist. Gemäss seinem Kohärenzgefühl bleiben Men-             werden konnten.
                          schen gesund, wenn sie ihre Umwelt verstehen, sie be-
                          einflussen können und ihr Handeln als sinnvoll empfin-       Kräfte bündeln
                          den. Antonovsky bezog sich in seinen Aussagen auf die        Immerhin haben das Bundesamt für Gesundheit, die
                          körperliche Gesundheit, welche von psychischen Fak-          Suva sowie Gesundheitsförderung Schweiz in einem Pi-
                          toren abhängt. Die Zusammenhänge zwischen körper-            lotprojekt mit der Migros Waadt ihre Kräfte gebündelt:
Prof. Dr. Thomas          licher und geistiger Gesundheit sind somit in der Ge-        Erstmals haben sie gemeinsam innovative Projekte zur
Mattig ist seit 2007      sundheitsförderung seit Jahrzehnten bekannt. Heute           Stärkung des BGM entwickelt. Jede Partei brachte ihren
Direktor von Gesund-      werden die Wechselwirkungen zwischen Körper und
heitsförderung            Psyche in der Theorie sogar noch differenzierter verstan-
Schweiz. In dieser
Funktion engagiert er
                          den.
                                                                                              «Für viele Arbeitnehmenden bedeutet
sich für die Gesund-
heit der Schweizer Be-    Körper und Geist                                                 Arbeit mehr Last als Lust, was wiederum für
völkerung. Neben sei-     Dennoch werden bei der praktischen Umsetzung von                    die betroffenen Betriebe zu erhöhten
ner Tätigkeit bei Ge-
sundheitsförderung
                          gesundheitsfördernden Massnahmen Körper und Geist                   Produktivitätsverlusten führen kann.»
Schweiz unterrichtet
                          oft immer noch getrennt betrachtet. Das gilt gerade
                                                                                                       Prof. Dr. Thomas Mattig,
er als Titularprofessor   auch für die betriebliche Gesundheitsförderung. Dafür                Direktor, Gesundheitsförderung Schweiz
an der Medizinischen      verantwortlich sind nicht zuletzt strukturelle Gründe aus-
Fakultät der Universi-    serhalb des Unternehmens: Gesetze und Institutionen
tät Genf. Er ist Autor    konzentrierten sich jahrzehntelang auf die körperlichen
mehrerer Werke und
publizierte zuletzt das
                          Aspekte der Gesundheit. Dort lag auch der vorwiegende
Buch «Healthy Econo-      Handlungsbedarf.                                             Input ein, entsprechend den eigenen Stärken zu Themen
my – Neue Denk-               Inzwischen hat die Bedeutung der psychosozialen          wie Bewegung, Ernährung und Stress. Daraus resultierte
formen für eine ge-       Dimension jedoch deutlich zugenommen. Aus dem Job-           die Plattform well@work. Die darauf angebotenen In-
sunde Wirtschaft» im      Stress-Index der Schweizer Erwerbsbevölkerung 2018           strumente sensibilisieren Unternehmen und Mitarbeiten-
Verlag Neue Zürcher
Zeitung.
                          geht hervor, dass der Anteil emotional erschöpfter Per-      de für gesundheitsförderliches Verhalten.
                          sonen gegen 30 Prozent tendiert. Für viele Arbeitneh-            In den nächsten Jahren wird es darum gehen, die
                          mende bedeutet Arbeit mehr Last als Lust, was wiede-         Synergien zwischen den Institutionen systematisch zu
                          rum für die betroffenen Betriebe zu erhöhten Produkti-       nutzen. Die im Rahmen der nationalen Strategie zur Be-
                          vitätsverlusten führen kann. Entsprechend hat die            kämpfung von nichtübertragbaren Krankheiten neu ge-
                          psychische Gesundheit heute einen höheren Stellenwert        gründete Plattform BGM soll zu diesem Zweck einen
                          in den Betrieben.                                            wichtigen Beitrag leisten und den Unternehmen in Zu-
                              Auch Gesundheitsförderung Schweiz engagiert sich         kunft erleichtern, die physische und psychische Gesund-
                          seit Jahren stark für die psychische Gesundheit am Ar-       heit gemeinsam zu fördern.

HR Today Special 2019                                                                                                                       5
BGM: Körper und Geist - WorkMed Kompetenzzentrum ...
Betriebliches Gesundheitsmanagement Jubiläum FWS

          Eine Brücke zwischen
          Wissenschaft und Praxis
           Als das Label Friendly Work Space vor zehn Jahren ins Leben gerufen wurde, wurde es kritisch beäugt.
           Mittlerweile ist es als Qualitätsmerkmal etabliert und hat massgeblich dazu beigetragen, dass betriebliches
           Gesundheitsmanagement (BGM) aus der Unternehmenslandschaft nicht mehr wegzudenken ist.
           Text: Sandra Escher Clauss

Von 0 auf 82 in zehn Jahren – was wie eine     Thema angingen mit Massnahmen, die über           Europäischen Netzwerks für betriebliche Ge­
Schlagzeile auf einem Newsportal tönt, sind    die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen,        sundheitsförderung, die bereits 1997 ins Le­
zwei Kennzahlen zum zehnten Geburtstag         gab es jedoch kaum.»                              ben gerufen worden waren», erklärt
des Labels Friendly Work Space. Während                                                          ­Rippstein. Wichtig war den Pionieren auch,
2009 der erste Betrieb mit dem Label für       Label als Qualitätsmerkmal                         dass mit dem Label nicht einzelne Massnah­
systematisches betriebliches Gesundheits­      Neuland zu betreten hat immer auch Vor­            men, sondern die Systematik von BGM in
management ausgezeichnet wurde, sind es        teile. «Wir konnten unsere Idee von einer          einer Organisation bewertet wird. «Zentral
2019 bereits 82 Unternehmen aus den un­        Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis            ist, dass BGM als strategische Management­
terschiedlichsten Branchen. Mittlerweile ar­   nach unseren Vorstellungen formen und              aufgabe verstanden und systematisch und
beiten rund 250 000 Schweizerinnen und         weiterentwickeln.» Zum Pionierteam ge­             damit nachhaltig in die Organisationspro­
Schweizer, oder 11% der Schweizer Er­          hörten damals neben Gesundheitsförderung           zesse integriert und umgesetzt wird.»
werbstätigen, in einem ausgezeichneten Be­     Schweiz und der Migros (siehe Interview Sei­
trieb.                                         te 8) Vertreter des BAG, des Seco, von ABB,       Gesundheit als Wachstumsmotor
    «Bei der Lancierung des Labels betraten    der Post, Alstom, SBB, Swica, der Suva, des       Wurde das Label anfangs noch sehr kritisch
wir Neuland», blickt René Marcello Ripp­       Schweizerischen Versicherungsverbandes,           beäugt und hinterfragt, ist zehn Jahr später
stein, Leiter Betriebliches Gesundheitsma­     des Instituts für Arbeitsmedizin sowie des        klar: Friendly Work Space hat sich zu einer
nagement bei Gesundheitsförderung              Instituts für Arbeitsforschung und Organisa­      etablierten Marke entwickelt und BGM ist
Schweiz, auf die Anfänge zurück. Natürlich     tionsberatung.                                    von einer Randerscheinung zu einem zentra­
hätten sich die Firmen damals an das Ar­            Ihnen allen war von Anfang an klar, dass     len Thema in der Arbeitswelt geworden.
beitsgesetz gehalten und in den Unterneh­      das Label nicht nur ein Marketinginstru­          René Marcello Rippstein spricht sogar vom
men habe es Sicherheitsverantwortliche ge­     ment, sondern vor allem auch ein Qualitäts­       Wirtschaftsmotor BGM. «Gesundheit und
geben, oder sogar jemanden, der im Falle       merkmal sein und daher von externen Exper­        Motivation fördern den Unternehmenser­
von längeren Absenzen eine Art Case Ma­        tinnen und Experten überprüft werden              folg durch erhöhte Leistungsbereitschaft
nagement betrieben habe, so Rippstein.         muss.                                             und Innovation. Ich bin überzeugt, dass die
«Eine richtige Forschungs- und Praxisgrund­         Seit Anbeginn basiert das Label auf sechs    Gesundheit der Mitarbeitenden und der
lage zu BGM, Ausbildungen zu Gesund­           Qualitätskriterien, die in 25 Subkriterien auf­   wertschätzende Umgang miteinander einen
heitsförderung im betrieblichen Umfeld oder    geteilt sind. «Die Entwicklung dieser Krite­      grossen Einfluss auf künftiges Wachstum
Unternehmen, welche BGM als strategisches      rien orientierte sich an den Richtlinien des      haben werden.»

          2006                                                         2008                                               2009
           Ausarbeitung von                                         • Das Label Friendly Work                          • Lancierung des Labels
           BGM-Kriterien durch                                        Space wird erstmals den                            Friendly Work Space
           Arbeitsgruppe                                              Medien präsentiert
                                                                                                                       • Erste Auszeichnung
                                                                    • Erste Ausbildung                                   im Mai
                                                                      der Assessorinnen
                                                                      und Assessoren
BGM: Körper und Geist - WorkMed Kompetenzzentrum ...
Jubiläum FWS Betriebliches Gesundheitsmanagement

Eine Untersuchung von 2016 zeigt, dass                                                        anderen Firmen und Monitoring zur Wirk­
mittlerweile 71 Prozent der Schweizer Unter­                                                  samkeit des BGM.
nehmen BGM-Massnahmen umsetzen. «Zur
raschen Verbreitung hat bestimmt auch der                                                     Die Zukunft heisst Netzwerk
gesellschaftliche Wertewandel der vergan­                                                     Ein wichtiger Punkt für das BGM der Zukunft
genen Jahre beigetragen haben», ist Ripp­                                                     ist das Aufbrechen des Silodenkens. «Die
stein überzeugt. So werden vor allem für die                                                  Herausforderung für uns liegt darin, für eine
jüngeren Mitarbeitenden immaterielle Wer­                                                     noch bessere Vernetzung zwischen den ein­
te immer wichtiger. Zeitgemässe Unterneh­                                                     zelnen Akteuren zu sorgen und einen frucht­
men haben erkannt, dass sie ein gutes Be­                                                     baren Nährboden für BGM zu schaffen»,
triebsklima bieten müssen, um Mitarbeiten­                                                    konstatiert Rippstein. «Die Komplexität wird
de zu gewinnen und zu halten.                                                                 bestimmt nicht abnehmen, doch in einem
                                                     «Gesundheit und Motivation
                                                                                              gut verzahnten System werden wir diese
Systematik und Aussensicht                         fördern den Unternehmenserfolg             meistern.»
Mit den gesellschaftlichen Themen haben           durch erhöhte Leistungsbereitschaft             Aktuell hat der Wirtschaftsbeirat des La­
sich in den vergangenen Jahren auch die                    und Innovation.»                   bels Friendly Work Space dieses weiterentwi­
BGM-Themen verändert. Standen 2009 Er­                                                        ckelt (siehe Kasten Seite 9) und Ziel ist es,
                                                      René Marcello Rippstein,
gonomie, Case Management und Ernäh­                                                           weitere Betriebe für eine Auszeichnung zu
                                                 Leiter BGM, Gesundheitsförderung
rung im Fokus, ist es gemäss Rippstein heute                                                  gewinnen. Wo das Label in zehn Jahren ste­
die Widerstandskraft im Zusammenhang mit
                                                              Schweiz                         hen wird, kann der umtriebige Fachmann
dem dauernden Wandel, der Umgang mit                                                          zurzeit nicht sagen. Klar ist: «Sein Geist und
Stress sowie zunehmende Komplexität in je­                                                    seine Grundlagen werden bis dahin be­
der Hinsicht. «Insofern muss heute jedes                                                      stimmt noch vorhanden sein, denn BGM
Unternehmen die Gesundheit seiner Mitar­                                                      verbessert nicht nur die Art der Zusammen­
beitenden pflegen und fördern, um langfris­                                                   arbeit im Unternehmen, sondern die Lebens­
tig erfolgreich zu bleiben.» Dazu brauche es    Wert seit Messbeginn im Jahr 2014 erreicht.   qualität generell.»                         n
nicht zwingend ein Label, so Rippstein. «Al­    «Den Unternehmen ist vielfach bewusst,
lerdings hat dieses den Vorteil, dass es zu­    dass die Mitarbeitenden unter dem Druck
sätzlich zur Systematik eine Aussensicht ins    und den steigenden Anforderungen leiden,        Fakten zu BGM
Unternehmen bringt.»                            doch oft ist es schwierig, Ansatzpunkte für     250 000
     Das Thema Balance zwischen Ressour­        wirkungsvolle Interventionen oder präven­       Erwerbstätige sind in den 82 Betrie-
cen und Stressoren wird nicht nur wichtiger,    tive Massnahmen zu identifizieren.»             ben beschäftigt, die mit dem Label
weil es mit der neuen Arbeitswelt mehr Auf­         Das Angebot FWS Job-Stress-Analysis         ausgezeichnet sind.
merksamkeit erhält, sondern auch, weil ge­      ermöglicht es Unternehmen, aufgrund vali­
mäss einer Hochrechnung von Gesundheits­        dierter Skalen Stressfaktoren auf verschie­     40 000
förderung Schweiz das ökonomische Poten­        denen Ebenen der Organisation zu identifi­      Erwerbstätige wurden seit 2008 mit
zial, das sich für die Schweizer Betriebe       zieren und sowohl Belastungen, Ressourcen       FWS Job-Stress-Analysis zu ihrer
durch Reduktion der gesundheitsbedingten        und ökonomisches Einsparpotenzial zu erhe­      psychischen Gesundheit befragt.
Produktivitätsverluste ergibt, wenn alle Per­   ben. Davon ausgehend können Betriebe ge­
                                                                                                27,1%
sonen mindestens ein ausgeglichenes Ver­        eignete Massnahmen zur Reduktion und
                                                                                                der Erwerbstätigen in der Schweiz
hältnis zwischen Ressourcen und Bela­           Prävention von Stress am Arbeitsplatz pla­      sind erheblich gestresst.
stungen hätten, im Jahr 2018 auf 6,5 Mrd.       nen und umsetzen. Zudem eignet sich der
CHF geschätzt wird und somit den höchsten       dazugehörige Benchmark zum Vergleich mit

  2010                                              2011                                           2012
  Lancierung von                                • Veröffentlichung Studie                         Erstes Re-Assessment
  FWS Job-Stress-Analysis                         SWING zu Stressmanage-                          von Unternehmen nach
  (früher S-Tool), einer Online-                  ment, Wirkung und Nutzen                        3-jähriger Gültigkeit
  Befragung für einen                             von BGM                                         des Labels
  detaillierten Überblick über
                                                • Erstmals arbeiten über
  das Stressgeschehen im
                                                  100 000 Erwerbstätige
  Betrieb
                                                  in der Schweiz in
                                                  Label-Betrieben
BGM: Körper und Geist - WorkMed Kompetenzzentrum ...
Betriebliches Gesundheitsmanagement Jubiläum FWS

                                                                Was waren aus Ihrer Sicht in den vergan-
                                                                genen zehn Jahren die grössten Heraus-
                                                                forderungen bei der Etablierung des
                                                                Labels Friendly Work Space?
                                                                Hans Rudolf Castell: Wir sind damals auf
                                                                der grünen Wiese gestartet mit der Idee, ge­
                                                                wissermassen von der Praxis für die Praxis
                                                                Grundlagen und Richtlinien für ein systema­
                                                                tisches betriebliches Gesundheitsmanage­
                                                                ment zu erstellen. Das bedeutete nicht nur
                                                                harte Knochenarbeit, sondern wir mussten
                                                                uns immer wieder überlegen, wie wir das
                                                                inhaltlich und organisatorisch stemmen
                                                                konnten, denn es gab ja keine Vorbilder.
                                                                Nach den ersten Assessments im Mai 2009
                                                                folgten die Assessments im Halbjahrestakt.
                                                                Eine weitere Herausforderung stellten dann
                                                                die ersten Re-Assessments nach drei Jahren
                                                                dar; hierzu mussten wiederum die Prozesse
                                                                und die Grundlagen erstellt werden, zudem
                                                                mussten die Re-Assessments parallel zu den
                                                                Erst-Assessments durchgeführt werden, wo­
                                                                für die Organisation noch einmal angepasst
                                                                werden musste.

                                                                Friendly Work Space basiert auf Ihrer
                                                                Idee, ist also quasi Ihr Baby. Ist dessen
                                                                Entwicklung so verlaufen, wie Sie es
                                                                sich gewünscht haben?
                                                                Ja, grundsätzlich schon. Das Label ist mittler­
                                                                weile etabliert und schweizweit zu einem

«Das Label ist und bleibt                                       wichtigen Instrument für ein strukturiertes
                                                                BGM geworden. Inzwischen strahlt es sogar

ein Qualitätsmerkmal»
                                                                ins Ausland ab – damit hätte ich nicht unbe­
                                                                dingt gerechnet.

                                                                Das Label hat die Schweizer Unterneh-
Hans Rudolf Castell war vor zehn Jahren eine treibende Kraft    menslandschaft also beeinflusst?
hinter dem Label Friendly Work Space. Bis vor Kurzem sass der   Absolut! So hat es die Unternehmenslei­
ehemalige Leiter HR Management Migros Gruppe im Wirt-           tungen dafür sensibilisiert, dass es sich lohnt,
                                                                sich um den Erhalt oder gar um die Verbes­
schaftsbeirat des Labels und engagierte sich dafür, dass
                                                                serung der Gesundheit der Menschen in den
dieses auch in Zukunft attraktiv bleibt.                        Firmen zu kümmern. Es hat aufgezeigt, dass
Interview: Sandra Escher Clauss
                                                                BGM mehr ist als Gratisäpfel oder Sportan­

                        2014                                                                2016
                     • Erste Veröffentlichung des                                        • Gruppenlösung für
                       Job-Stress-Index                                                    Grossbetriebe und
                                                                                           Konzerne
                     • Erste grosse Überarbeitung
                       und Anpassung der Label-Kriterien                                 • Benchmark für
                                                                                           Label-Betrieb
                     • Lancierung des kostenlosen
                       Online-Tests FWS Check
BGM: Körper und Geist - WorkMed Kompetenzzentrum ...
Jubiläum FWS Betriebliches Gesundheitsmanagement

gebote über Mittag. Mittlerweile gibt es        zehn Jahren ins Leben gerufen haben, fand       Sie haben erwähnt, dass das Bewusst-
kaum mehr ein Unternehmen, welches das          das Berufsleben noch primär an einem fixen      sein für BGM bei den meisten Firmen
Thema BGM komplett ignoriert.                   Arbeitsplatz im Unternehmen statt.              mittlerweile vorhanden ist. Braucht es
                                                   Heute wird zunehmend an mehreren             überhaupt noch ein Label wie Friendly
Wohin steuert das betriebliche Gesund-          Orten und auch zu unterschiedlichen Zeiten      Work Space?
heitsmanagement in Zukunft?                     gearbeitet – diesen Entwicklungen muss ein      Das Label und seine Grundlagen sind und
Es muss unbedingt auch in der neuen Arbeits­    modernes BGM nun ebenfalls gerecht              bleiben sehr nützliche Instrumente, um in
welt verankert werden. Als wir das Label vor    werden.                                         einem Unternehmen strukturiert, erfolgreich
                                                                                                und nachhaltig BGM betreiben zu können.
                                                                                                Es bleibt nach wie vor ein Qualitätsmerkmal
  Friendly Work Space ist fit für die Zukunft                                                   und auch dessen Signalwirkung nach aussen
                                                                                                ist nicht zu unterschätzen. So bildet das La­
  Zusammen mit dem Wirtschaftsbeirat hat        4. Evaluation: Der neue Leitfaden «BGM         bel zum Beispiel für jüngere Arbeitneh­
  Gesundheitsförderung Schweiz in den               mit Wirkungsprüfung voranbringen»           mende ein wichtiges Kriterium bei der Wahl
  letzten Jahren das Label Friendly Work            unterstützt Unternehmen dabei, die          des Arbeitgebers. Wer strukturiert BGM be­
  Space weiterentwickelt. Das sind die sechs        Wirksamkeit mithilfe eines Kenn­            treiben möchte, kommt wohl nicht um das
  wichtigsten Neuerungen:                          zahlen-Cockpits zu prüfen und so wir­        Label Friendly Work Space herum.
                                                   kungsvolle Massnahmen auszuwäh­              Aber es ist klar, dass sich auch das Label
  1. 
     Vereinfachung: Der Prozess für Erst-          len.                                         Friendly Work Space nicht auf seinen Lor­
     Assessments wurde zeitlich verkürzt                                                        beeren ausruhen darf. Es muss weiterhin
     und der Prozess für Re-Assessments un­     5. Kommunikation/Employer Branding:            attraktiv gehalten werden, gleichzeitig müs­
     terscheidet neu zwischen Fixkriterien          Alle Label-Firmen haben exklusiven Zu­      sen künftig auftauchende neue Bedürfnisse
     und Wahlkriterien, wodurch der Auf­            gang zu einer Branding-Box mit Unter­       in dieses integriert werden. Dabei sind so­
     wand für die Unternehmen deutlich              lagen zur Kommunikation gegenüber           wohl die Bedürfnisse der bestehenden La­
     reduziert wird. Die Benutzerfreundlich­        Mitarbeitenden und Stellensuchenden.        bel-Firmen als auch diejenigen von Firmen,
     keit des Assessment-Tools wurde eben­          Zudem können Unternehmen, die               die sich neu für das Label interessieren, ein­
     falls erhöht.                                  schon mehrere Assessments erfolg­           zubeziehen. Aus diesem Grund wird das La­
                                                    reich bestanden haben, ihr langfris­        bel zusammen mit verschiedenen Pilotbe­
  2. 
     Vergleich: Betriebe können sich mit            tiges Engagement für ein systema­           trieben permanent weiterentwickelt.
     dem Benchmark der anderen Label-               tisches BGM mit einem Nachhaltig­
     Trägerinnen und -Träger vergleichen.           keitshinweis als Zusatz zum Logo            Was zeichnet ein nützliches und prakti-
     Diese Referenz hilft speziell bei Ma­          hervorheben.                                kables BGM heute und in Zukunft aus?
     nagementpräsentationen oder zum                                                            Es muss trotz aller Komplexität einfach zu
     Vergleich des eigenen kontinuierlichen     6. Leistung: Zusätzlich zu den Leistungs­      implementieren und vor allem nahe an der
     Verbesserungsprozesses.                        erweiterungen wird die Leistung des         Praxis sein. Die Massnahmen müssen mög­
                                                    Angebots für Label-Betriebe weiter er­      lichst sichtbare Effekte erzielen und das Ma­
  3. Aktualisierung: Die Wegleitung wurde          höht. Neu ist eine detaillierte Präsenta­   nagement des Unternehmens muss voll und
      mit aktuellen BGM-Themen vertieft             tion mit Kernaussagen zum Label-As­         ganz hinter einem strukturierten BGM ste­
      und die Bewertungsmatrix wurde klarer         sessment im Preis inbegriffen. Das          hen. Kurz: Betriebliches Gesundheitsma­
      und verständlicher formuliert. Zum Bei­       ­heisst, die Assessoren präsentieren die    nagement sollte auf allen Ebenen in einem
      spiel ist sie besser abgrenzbar zu den         Ergebnisse vor der Geschäftsleitung.       Unternehmen aktiv betrieben und gelebt
      gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitssi­      Mehr zum Label erfahren Sie auf                 werden, dann sind mit der Zeit auch die Wir­
      cherheit und zum Gesundheitsschutz.       friendlyworkspace.ch                            kungen sichtbar, sodass sich der getroffene
                                                                                                Aufwand auch lohnt.                       n

  2017                                              2018                                             2019
• Wirkungsmodell BGM                                Akkreditierungssystem                         • 10-jähriges Jubiläum
                                                    für externe Beratende
• Fokussiertes                                                                                    • 250 000 Erwerbstätige
  Re-Assessment                                                                                     arbeiten in
  mit 8 Fixkriterien und                                                                            Label-Betrieben
  17 Wahlkriterien
Betriebliches Gesundheitsmanagement Best Case
Fotos: zVg

Zürcher Kantonalbank
Die ZKB setzt auf Dialogkultur
Gesundheitsmanagement ist bei der Zürcher Kantonalbank seit 15 Jahren Bestandteil des Leistungsauftrags. Im Laufe der
Jahre haben sich einzelne Massnahmen zu einem bunten BGM-Teppich entwickelt. Dies dank Systematik und einer dialog-
orientierten Kultur.
Text: Sandra Escher Clauss

Lange Zeit galt die Arbeits- und Berufswelt                                        nagement, das seit rund 15 Jahren Bestand-
der Banken als statisch und sehr hierar-                                           teil des Leistungsauftrags der ZKB ist. Da-
chisch. Mittlerweile ist der Wandel aber auch                                      mals begann die Bank mit einzelnen Mass-
in der Branche angekommen – die Bedürf-                                            nahmen im Bereich Gesundheitsförderung.
nisse der Generationen Y und Z, der Fach-                                          «Wir haben im Laufe der Jahre sukzessive
kräftemangel sowie die Digitalisierung sor-                                        ein systematisches BGM aufgebaut», so
gen dafür, dass Strukturen aufgebrochen                                            Greutmann.
und Beratungs- und Führungsverständnisse                                                «Das Thema Gesundheit ist bei der ZKB
überarbeitet werden müssen.                                                        keine Worthülse, sondern gelebte Kultur»,
                                                                                   betont Zahra Darvishi, Leiterin Initiativen &
Positiver Blick auf BGM                                                            HR Strategie. «Das habe ich selber erlebt, als
Mitarbeitende arbeiten nicht mehr an einem      «Wir haben im Laufe der Jahre      ich diesen Januar von einem anderen Unter-
fixen Arbeitsplatz, sondern sind mobil unter-   sukzessive ein systematisches      nehmen zur ZKB gewechselt habe.» Ge-
wegs und arbeiten von zu Hause aus, beim              BGM aufgebaut.»              sundheit beginne bei der Glasflasche, die
Kunden oder irgendwo im Firmengebäude,                                             jeder Mitarbeitende beim Arbeitsantritt er-
Kunden können sich auch digital beraten          Ann-Kathrin Greutmann,            halte, gehe über die finanzielle Beteiligung
lassen und der Führungsgrundsatz lautet         Verantwortliche Diversity &        am medizinischen Check-up und die Unter-
nicht mehr Command and Control, sondern               Inclusion/BGM                stützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und
Coaching und Vertrauen. Auch das Füh-                                              Familie bis hin zum Umgang mit Stress oder
rungsgremium der Zürcher Kantonalbank                                              zum digitalen Arbeitsplatz und zur Flexibili-
erkannte dies vor einigen Jahren und schuf                                         sierung der Arbeit. Und ganz wichtig: «Ge-
per 2016 als sicht- und spürbarste Massnah-                                        sundheit, Umgang mit Stress und die vielen
me kurzerhand den Zielvereinbarungspro-                                            Veränderungen werden bei uns nicht als
zess ab. Ein Entscheid mit Signalwirkung –                                         Sorgenthema angeschaut, sondern als et-
nicht nur bankintern, sondern für die ge-                                          was Positives.»
samte Branche. «Für uns war es ein weiterer
Schritt zur Vertiefung unserer dialog­                                             Ein gewachsenes System
orientieren Kultur», blickt A   ­nn-Kathrin                                        Bereits vor vielen Jahren hat die ZKB auch ein
Greutmann, Verantwortliche Diversity & In-                                         niederschwelliges Beratungsangebot bei Be-
clusion/BGM, zurück. Auf dieser Kultur des                                         lastungssituationen aufgebaut, das bis heu-
Dialogs basiert auch das Gesundheitsma-                                            te Bestand hat. Dort finden Mitarbeitende

10                                                                                                      HR Today Special 2019
Best Case Betriebliches Gesundheitsmanagement

bei Erkrankung oder in Situationen, in denen    tete. Erkenntnisreich sei für sie zudem gewe-   Letztere thematisieren vor allem auch die
der Schuh drückt, Unterstützung und Beglei-     sen, herauszufinden, wie das Verhältnis von     Themen Diversität, Generationenmanage-
tung.                                           Kosten und Nutzen der BGM-Massnahmen            ment und psychische Gesundheit. «Wir stel-
    Und selbstverständlich wurden im Laufe      noch besser evaluiert und wie die Prozesse      len einen erhöhten Informationsbedarf in
der Jahre auch Kennzahlen eingeführt, die       effizienter und schlanker gestaltet werden      diesen Bereichen fest und möchten diesem
die Auswirkungen der verschiedenen BGM-         können. «Zudem war auch der Austausch           nachkommen», so Darvishi. «Wichtig aber
Massnahmen sichtbar machen sollten. Diese       mit anderen Organisationen bereichernd          sei, dass die ZKB als Arbeitgeberin gerade
gingen aber von Anfang an weiter und um-        und hilfreich.»                                 bei psychischen Erkrankungen und Burn-out
fassen nicht nur das Absenzen-Management                                                        Präventionsarbeit leiste. Wir bieten beispiels-
oder das Case Management, sondern               Digitalisierung fördert                         weise Schulungen im Bereich Eigenverant-
schliessen auch die Mitarbeitendenzufrie-       persönlichen Dialog                             wortung, Abgrenzung und vertrauensba-
denheit, das Commitment zur Bank oder die       Aktuell und in Zukunft ist das BGM stark        sierte Führung an und ermutigen die Mitar-
Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit ein.    geprägt vom Thema Arbeitsplatz der Zu-          beitenden dazu, bei vermuteten psychischen
    Seit 2014 besitzt die Zürcher Kantonal-     kunft. «Die Digitalisierung hat nicht nur ei-   Problemen Hilfe zu holen oder sich jeman-
bank zudem das Label Friendly Work Space        nen Einfluss darauf, wo und mit welchen         dem anzuvertrauen.»
von Gesundheitsförderung Schweiz. Um das        Hilfsmitteln wir arbeiten, sondern lässt auch       Auch wenn das BGM der ZKB auf einem
Label hat sich die Bank damals beworben,        die zwischenmenschliche Kommunikation           sehr hohen Stand ist, kann Stillstand nicht
mit dem Zweck die Ist-Situation zu analysie-    noch wichtiger werden», ist Zahra Darvishi      das Motto sein. Darvishi arbeitet mit ihrem
ren und zu erkennen, wo sie im Branchen-        überzeugt. «So stellen wir zum Beispiel fest,   Team daran, den bunten Blumenstrauss an
vergleich steht. «Aus dem Prozess resultierte   dass sich die meisten Mitarbeitenden wieder     BGM-Massnahmen an die rasanten Verän-
für uns eine Art BGM-Landkarte, auf der wir     vermehrt direkt und persönlich austauschen,     derungen in der Gesellschaft anzupassen
für alle sichtbar machen konnten, wie die       anstatt via E-Mail.» Gefördert wird dies un-    und die ZKB-Belegschaft dabei zu unterstüt-
einzelnen Massnahmen und Initiativen zu-        ter anderem durch eine moderne und zeit-        zen, dass sie mit dem Wandel Schritt halten
sammenhängen», erklärt Ann-Kathrin              gemässe Arbeitsplatz- und Raumgestaltung        und diesen als möglichst positiven Normal-
Greutmann, die den Prozess damals beglei-       sowie durch Sensibilisierungskampagnen.         zustand annehmen kann.                      n

«Vorgesetzte nehmen ihre Vorbildrolle wahr»
Wie definiert die ZKB ihr betriebliches                                                         Arbeitsplatz als gesund empfinden? Dazu
Gesundheitsmanagement?                                                                          benötigen wir in einer digitalen Zukunft ne-
Zahra Darvishi: Das Thema Gesundheit ist                                                        ben der Unternehmenskultur auch die ent-
in der Bank tief verankert. Gesundheit wird                                                     sprechende Führungskultur.
im Betrieb gelebt und die Vorgesetzten neh-
men ihre Vorbildrolle wahr. Dazu tragen                                                         Mit der Flexibilisierung der Arbeit und
auch die Kultur und der zwischenmensch-                                                         den veränderten Kundenbedürfnissen
liche Umgang bei. Bei der ZKB ist das be-                                                       verschwimmen die Grenzen zwischen
triebliche Gesundheitsmanagement nichts                                                         Arbeits- und Privatleben immer stärker.
Aufgesetztes, sondern eine aus Überzeu-                                                         Wie trägt die ZKB dieser Entwicklung
gung gelebte Vereinbarung zwischen Bank                                                         Rechnung?
und Mitarbeitenden.                                                                             Ich glaube, durch unsere Führungskultur, mit
                                                                                                unseren Investitionen in die Sensibilisierung
Welche Schwerpunkte setzen Sie im                                                               der Führungskräfte und den Webtrainings
BGM der Zukunft?                                                                                holen wir unsere Mitarbeitenden in allen Le-
Wir fokussieren uns auf jene Themen, die die                                                    bensphasen ab. Die Fragen sind, wie wir in
Mitarbeitenden unterstützen, auch in Zu-                                                        Zukunft Arbeit und Leistung definieren, wie
kunft gesund zu bleiben. Menschen machen                                                        wir uns in der digitalen Welt verhalten und
Unternehmenskultur und wir machen Men-                    «Menschen machen                      wie wir als Unternehmen darauf einen Ein-
schen stark! Wir möchten nicht das klas-              Unternehmenskultur und wir                fluss haben werden. Zum Beispiel legen wir
sische BGM verfolgen, sondern die Gesund-                                                       viel Wert darauf, dass die Mitarbeitenden in
                                                       machen Menschen stark.»
heitsressourcen der Mitarbeitenden fördern                                                      den Ferien abschalten. Sie dürfen nur in aus-
und weiterhin das Gesundheitsmanagement                   Zahra Darvishi, Leiterin              serordentlichen Fällen betrieblicher Notwen-
                                                         Initiativen & HR Strategie
genau definieren und analysieren: Was brau-                                                     digkeit und zeitlicher Dringlichkeit kontak-
chen wir, damit die Mitarbeitenden ihren                                                        tiert werden.                              n

HR Today Special 2019                                                                                                                       11
Betriebliches Gesundheitsmanagement Best Case

Friendly Work Space Job-Stress-Analysis
Neues Spezialmodul Langzeitpflege
  Ausgebildete Pflegerinnen und Pfleger fehlen vor allem in der Langzeitpflege an allen Ecken und Enden und die Situation
  wird sich in Zukunft weiter verschärfen. Aus diesem Grund müssen die Betriebe dem bestehenden Personal Sorge tragen und
  attraktiv für neue Mitarbeitende sein. Ein Spezialmodul des bewährten Analysetools Friendly Work Space (FWS) Job-Stress-
  Analysis sorgt für Unterstützung.
  Text: Sandra Escher Clauss

Die Personalsituation in der Pflege ist alar-                                                     analysieren können. Rund zwei Drittel der
mierend. Vor allem in der Langzeitpflege                                                          Themen des Spezialmoduls wurden aus dem
herrscht akuter Personalnotstand. Umso                                                            bereits bestehenden Instrument FWS Job-
wichtiger ist es, insbesondere inländisch aus-                                                    Stress-Analysis übernommen (z. B. Zeit-
gebildetes Fachpersonal in den Alters- und                                                        druck, arbeitsorganisatorische Probleme,
Pflegeheimen und Spitex-Betrieben zu be-                                                          soziale Stressoren, Wertschätzung, unter-
halten und diesem eine gute und gesund-                                                           stützendes Vorgesetztenverhalten etc.). Gut
heitsfördernde Arbeitsumgebung zu bieten.                                                         ein Drittel der Themen wurde neu ergänzt.
Dass dies aktuell nur partiell der Fall ist, zei-                                                 Dazu zählen: personelle Ressourcen, Dienst-
gen die Zahlen des Schweizerischen Ge-                                                            planung, Qualität der Pflege und Betreuung,
sundheitsobservatoriums (Obsan). Der Be-                                                          Rationierung der Pflege, emotionale Bin-
richt dokumentiert, dass fast die Hälfte der              «FWS Job-Stress-Analysis zielt          dung zum Beruf und Empfehlung des
ausgebildeten Pflegfachpersonen aus ihrem                                                         Arbeitgebers.
                                                    verstärkt auf Belastungsfaktoren ab und
Beruf aussteigen. Von diesen wechselt die
Hälfte den Beruf und ein Drittel beendet die         gibt dem Personal die Möglichkeit, sich      Pilotbetrieb Stiftung Alterswohn-
Erwerbstätigkeit sogar.                                  nebst dem Fragebogen auch in             sitz Urtenen-Schönbühl
    Gemäss einem Artikel in der Zeitschrift             Workshops unter Ausschluss der            Zwischen Herbst 2018 und Frühsommer
Pflegerecht berichten 92 Prozent der Alters-              Geschäftsleitung zu äussern.»           2019 wurde das Spezialmodul als Pilotpro-
und Pflegeheime über eine schwierige oder                                                         jekt in neun Betrieben der Langzeitpflege
                                                           Urs Hänni, Geschäftsführer
sehr schwierige Rekrutierungssituation; ein-           Büro für arbeits- und sozialpolitische     getestet. Einer davon war die Stiftung Alters-
zig die Spitex ist davon bisher weniger be-                           Studien                     wohnsitz Urtenen-Schönbühl. Als Geschäfts-
troffen. Und die Nachfrage nach ausgebil-                                                         führer Urs Hänni vom Büro für arbeits- und
detem Pflegepersonal wird weiter steigen.                                                         sozialpolitische Studien angefragt wurde, ob
Die Obsan-Prognosen gehen bis 2025 von                                                            er mit seinem Team beim Pilotprojekt mitma-
einem zusätzlichen Bedarf von insgesamt                                                           chen wolle, zögerte er nicht lange. «Das
40 000 Personen in Pflege und Betreuung                                                           ganze Team war Feuer und Flamme, da wir
aus. Davon werden Institutionen der Lang-           Nachwuchskräfte zu sein, lohnt es sich für    grundsätzlich immer an Optimierungs- und
zeitpflege voraussichtlich rund 28 000 Per-         die Betriebe, die Ausgestaltung der Ar-       Vergleichsmöglichkeiten interessiert sind.»
sonen beanspruchen.                                 beitsumgebung zu analysieren.                 Bis anhin, so Hänni, habe man intern zwar
                                                        Mit FWS Job-Stress-Analysis verfügt Ge-   standardisierte Personalumfragen durchge-
Schlüsselfaktor Arbeitsumgebung                     sundheitsförderung Schweiz seit einigen       führt, doch bei diesen habe jeweils der
Vor diesem Hintergrund lancierte der Bund           Jahren über ein wissenschaftlich fundiertes   Benchmark sowie die externe Begleitung bei
2010 einen Masterplan Bildung Pflegebe-             Befragungsinstrument und so lag es auf der    den Workshops zur Erarbeitung eines Mass-
rufe. Im Rahmen dessen wurden 2016 die              Hand, darauf basierend ein Spezialmodul       nahmenplans gefehlt. «Zudem zielt FWS
zentralen Handlungsfelder «Personalgewin-           Langzeitpflege zu entwickeln. Dieses stellt   Job-Stress-Analysis verstärkt auf Belastungs-
nung» und «Personalerhalt» definiert und            Betrieben der Langzeitpflege ein Instrument   faktoren ab und gibt dem Personal die Mög-
das Bundesamt für Gesundheit wurde damit            zur Verfügung, mit Hilfe dessen sie spezi-    lichkeit, sich nebst dem Fragebogen auch in
beauftragt, Massnahmen im Bereich Perso-            fische Ressourcen und Belastungen sowie       Workshops unter Ausschluss der Geschäfts-
nalerhalt auszuarbeiten. Klar ist: Um zu ver-       Faktoren der Gesundheit und Motivation in     leitung zu äussern.»
hindern, dass Fachleute im Bereich Langzeit-        einer Mitarbeitendenbefragung erheben              Anschliessend an die strukturierte Befra-
pflege aus dem Betrieb oder sogar dem Be-           und die Betriebsergebnisse auf der Basis      gung und die Mitarbeitendenworkshops
rufsumfeld aussteigen, und um attraktiv für         eines branchenspezifischen Benchmarks         fand für das Kader und die Geschäftsleitung

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Best Case Betriebliches Gesundheitsmanagement

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Vor allem in der Langzeitpflege herrscht akuter Personalnotstand. Umso wichtiger ist es, ausgebildetes Fachpersonal in den Alters- und Pflegeheimen
und Spitex-Betrieben zu behalten.

ein extern begleiteter Workshop statt, in          schen den Disziplinen stärken.» Urs Hänni          schlossen, was für die Mitarbeitenden und
dem schliesslich verschiedene Massnahmen           kann bereits jetzt sagen, dass sich das Mit-       die Leitung äusserst motivierend wirkt.»
beschlossen wurden, die sowohl für die Be-         machen beim Pilotprojekt sehr gelohnt hat              Auch die Befragungen der anderen Pilot-
legschaft als auch für den Betrieb weiterfüh-      und er empfiehlt Branchenkollegen, das Tool        betriebe durch das vom Bundesamt für Ge-
rend sind. «Da wir sehr gute Resultate erzielt     künftig auch zu nutzen. «Die interne Orga-         sundheit und von Gesundheitsförderung
haben, mussten wir keine grundlegenden             nisation ist relativ einfach. Wir haben ein        Schweiz beauftragte Büro BASS mit ausge-
Massnahmen planen; allerdings haben sich           Zeitfenster definiert, in dem die Mitarbeiten-     wählten Betriebsverantwortlichen und Mit-
gewisse Stossrichtungen herauskristalli-           den die Fragebogen online ausfüllen konn-          arbeitenden zeigen, dass das Instrument
siert.» Zu diesen zählen: die Kommunikation        ten, und die Daten für die Durchführung der        grundsätzlich als nützlich und auf die rich-
im gesamten Betrieb sowie das gegenseitige         Workshops geplant.»                                tigen Themen fokussiert wahrgenommen
Verständnis im Betrieb.                                Etwas aufwendiger war es, genügend             wird.
                                                   Mitarbeitende zum Ausfüllen zu animieren,
Unkompliziertes und                                um ein möglichst aussagekräftiges Bild zu          Bald schon für alle Betriebe
praktikables Tool                                  erhalten. «Da wir Leute haben, die keinen          verfügbar
Die aus den Workshops resultierenden klei-         Mailzugang haben oder eine Sprache spre-           Bis Herbst 2019 fliessen nun alle Rückmel-
neren Massnahmenpakete werden zurzeit              chen, in der der Fragebogen nicht verfügbar        dungen sowie die statistischen Analysen der
umgesetzt oder getestet. «Für die täglichen        war, erreichten wir nicht lückenlos die gefor-     Daten der Pilotbetriebe in die Überarbeitung
Rapporte werden wir ein sogenanntes                derten Gruppengrössen von zehn Teilneh-            und Weiterentwicklung des Spezialmoduls
Huddle-Board einführen, das sind disziplin­        menden; das führte dazu, dass es für ein           Langzeitpflege ein. Im Winter 2019/2020
übergreifende Stehsitzungen für das gegen-         kleines Team zur Gewährleistung der Ano-           sollen die technischen Anpassungen vorge-
seitige Update.» Zudem, so Hänni, seien sie        nymität keine Gruppen-Auswertung gab.»             nommen und der neu berechnete branchen-
daran, für die Mitarbeitenden mit niedrig-         Dank der kompetenten externen Begleitung           spezifische Benchmark integriert werden.
prozentigen Anstellungen Tools zur effizi-         seien sie besonders in den Workshops den-          Vorgesehen ist auch eine Ergänzung der
enteren und effektiveren Informationsbe-           noch zu aussagekräftigen Resultaten ge-            pflegespezifischen Skalen und Arbeitsinstru-
schaffung bei Arbeitsbeginn zu implemen-           kommen und der Vergleich mit dem Bench-            mente in den Sprachen Französisch und Ita-
tieren und die Möglichkeit für gezielte            mark sei sehr aufschlussreich gewesen.             lienisch. Ziel ist es, dass das Spezialmodul ab
Jobrotationen zu schaffen. «Letztere sollen        «Dank der bereits sehr hohen Standards in          Frühling 2020 in der ganzen Schweiz für alle
Verständnis für die anderen Bereiche we-           unserer Personalpolitik haben wir erwar-           interessierten Betriebe der Langzeitpflege
cken, aber auch die Kommunikation zwi-             tungsgemäss überdurchschnittlich abge-             zugänglich sein wird.                        n

HR Today Special 2019                                                                                                                             13
BetrieblichesWAS
              Gesundheitsmanagement Best Case GESUNDHEIT?
                 MEINEN WIR MIT PSYCHISCHER

        Lernende
        • können Ziele setzen und
          dranbleiben.
        • können Ziele ggf. anpassen.                          I   G K EIT
                                                          FÄ H
        • können psychische und                        GS
                                                  UN
          körperliche Prozesse

                                                                              SI
                                              L
                                            ND
                                                                                                     Lernende

                                                                               NN
          abstimmen.

                                           HA
                                                                                                     • verstehen die Arbeits-

                                                                                 HA
                                                     Potenzial ausschöpfen,

                                                                                  F TIG K EIT ERLE
                                                                                                       welt um sich herum.
                                                    Belastungen bewältigen,
                                                       produktiv arbeiten,
                                                                                                     • haben die Mittel, um mit
                                                                                                       den Anforderungen der
                                                    etwas zur Gemeinschaft
                                                                                                       Arbeitswelt umzugehen.
                                                        beitragen (WHO)
                                                                                                     • erleben die Arbeitswelt
        Lernende                                                                                       als sinnvoll.

                                                                                BE
        • sind zufrieden, bewerten

                                                                               N
                                              W
                                                 HL
          das eigene Berufsleben                O     BE
                                                           F IN
          positiv.                                                DEN
        • fühlen sich körperlich/
          psychisch gut und aktiv.

           Zielgruppengerechtes
             BGM für Lernende
              Mit dem Projekt Friendly Work Space (FWS) Apprentice arbeitet Gesundheitsförderung Schweiz
           an der Erstellung eines Angebots, das die psychische Gesundheit von Jugendlichen im Setting Betrieb
                                                     praxisnah fördert.
                                                 Text: Sandra Escher Clauss

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Best Case Betriebliches Gesundheitsmanagement

Um es vorwegzunehmen: in Sachen Sys­                                                                achtliche Anpassungsleistung. Es findet eine
tematik und Ziele unterscheidet sich betrieb-                                                       grosse körperliche Veränderung statt, die
liches Gesundheitsmanagement (BGM) für                                                              Jugendlichen entwickeln ihre eigene Identi-
Lernende nicht von BGM für andere Alters-                                                           tät, ihre eigenen Wertvorstellungen und su-
gruppen. Im Bereich der Massnahmen je-                                                              chen ihren Platz in der Erwachsenenwelt.
doch sehr wohl. «Jedes Alter hat seine eige-                                                        Berufsbildungsverantwortliche in den Unter-
nen Entwicklungsthemen, -aufgaben und                                                               nehmen begleiten die jungen Menschen in
-anforderungen, daher sind massgeschnei-                                                            dieser anspruchsvollen Phase und nehmen
derte und zielgruppengerechte Umset-                                                                darum eine wichtige Rolle ein», hält Roos
zungen zentral für den Erfolg», betont Peter                                                        fest. «Sie haben mit ihrem Handeln grossen
Roos, geschäftsführender Partner des Berner                                                         Einfluss auf die Lernenden sowie auf die Ge-
Büros für Arbeitspsychologie und Organisa-              «Jedes Alter hat seine eigenen              staltung der Rahmenbedingungen», führt
tionsberatung und als solcher an der Kon-            Entwicklungsthemen, -aufgaben und              Roos weiter aus. Darum ist es wichtig, dass
zeption des Angebotes FWS Apprentice von                 -anforderungen, daher sind                 die Berufsbildungsverantwortlichen dazu die
Gesundheitsförderung Schweiz mitbeteiligt.                                                          nötigen Spielräume und Kompetenzen ha-
                                                     massgeschneiderte und zielgruppen­
Das spezifisch auf Jugendliche zugeschnitte-                                                        ben. Weiter sollte die Berufsbildung gut ver-
ne BGM-Angebot hat zum Ziel, die psy-
                                                      gerechte Umsetzungen zentral für              ankert sein und einen angemessenen Stel-
chische Gesundheit von Jugendlichen an-                          den Erfolg.»                       lenwert im Unternehmen haben.
hand von drei Teilangeboten – App, Website            Peter Roos, geschäftsführender Partner            Damit sie gesundheitsförderlich handeln
und Kurse – im Setting Betrieb zu fördern           des Berner Büros für Arbeitspsychologie und     können, brauchen Berufsbildungsverant-
(siehe Box).                                                  Organisationsberatung                 wortliche auch gute Rahmenbedingungen.
     Dass hier ein Bedarf vorhanden ist, zei-                                                       Aus diesem Grund beinhaltet das Programm
gen die Zahlen zur psychischen Gesundheit                                                           auch spezifische Kurse für Berufsbildende,
von Jugendlichen:                                                                                   Verantwortliche für das Lernendenwesen
• 10 bis 20% der Jugendlichen haben eine                                                           sowie die Führungsebene inklusive der
   psychische Erkrankung.                                                                           BGM-Verantwortlichen.                     n
• Der Median für die Diagnose von psychi-          Anspruchsvolle Zeit für Lernende
   schen Erkrankungen liegt bei 14 Jahren.          Jugendliche stecken in der Adoleszenz in ei-
• Im Vergleich zu anderen Altersgruppen            ner spannenden, aber auch sehr anspruchs-       Weitere Informationen zu FWS Apprentice sowie
   sind 15- bis 24-jährige Erwerbstätige über-                                                      zu den Good-Practice-Beispielen finden Sie unter
                                                    vollen Lebensphase. Der Übergang von der        www.fws-apprentice.ch
   durchschnittlich häufig gestresst.               Schule in die Berufswelt erfordert eine be-     Quelle: www.fws-apprentice.ch

   App                                               dert eine positive Kultur unter gleichaltri-   derheiten des Jugendalters», «Führung von
   Analog zu anderen sozialen Netzwerken             gen Kolleginnen und Kollegen und stärkt        Lernenden», «Aufgaben und Stress» und
   können die Lernenden ihr Profil eingeben,         die Ressourcen der Lernenden (Peer-Kultur).    «Motivation und Leistung». Zudem werden
   sich orts- und zeitunabhängig innerhalb ei-       Auch der Zielgruppe der Berufsbildungsver-     konkrete Hilfsmittel wie Checklisten und
   ner Organisation mit ihren Kolleginnen und        antwortlichen wird eine Applikation ver-       Good-Practice-Beispiele zur Verfügung ge-
   Kollegen austauschen und virtuelle Grup-          gleichbar mit derer für die Lernenden ange-    stellt.
   pen bilden. Zudem können sie sich anhand          boten, damit sie sich untereinander austau-
                                                     schen und Informationen suchen und
   von hinterlegten Links zu unterschiedlichen                                                      Weiterbildung
   Themen informieren sowie Selbsttests (z. B.       beziehen können.
                                                                                                    Basierend auf den vier Hauptthemen der
   zu Stress, Persönlichkeit, Sucht usw.) ausfül-                                                   Website wurde eine Weiterbildung entwi-
   len und erhalten eine unmittelbare Rück-          Website                                        ckelt, die sich an Berufsbildungsverantwort-
   meldung mit Zusatzinformationen.                  Die Website für die Zielgruppe Berufsbil-      liche und Interessierte richtet. Die Teilneh-
   In der Sorgenecke erhalten sie Ratschläge         dungsverantwortliche, BGM-Fachpersonen         menden erhalten einen Wissensinput, kön-
   von Fachpersonen. Berufsbildungsverant-           und weitere Interessierte ist in Deutsch,      nen ihr Wissen anhand von Fallbeispielen
   wortliche und BGM-Fachpersonen können             Französisch und Italienisch aufrufbar. Sie     verknüpfen und sich über ihre Erfahrungen
   an die Jugendlichen in unterschiedlichen          wurde anhand von Rückmeldungen von Be-         austauschen. Ziel ist es, dass sie Informatio-
   Lehrjahren Informationen und Neuigkeiten          rufsbildungsverantwortlichen und weiteren      nen zu den einzelnen Themen erhalten und
   verschicken, etwa zum Lehrbetrieb, zur Aus-       Experten gemeinsam mit Partnern entwi-         diese auch in den Praxisalltag in der Zusam-
   bildung oder allgemeine Mitteilungen. Wei-        ckelt. Ziel der Website ist es, Wissen über    menarbeit mit den Jugendlichen einbauen
   ter gibt es ein virtuelles Mentoring-System       gesundheitsrelevante Themen mit Schwer-        können.
   (Götti-/Gottisystem), in dem erfahrene Ler-       punkt psychische Gesundheit zu vermitteln,
   nende unerfahrene unterstützen. Dies för-         die Lernende betreffen. Diese sind «Beson-

HR Today Special 2019                                                                                                                              15
Betriebliches Gesundheitsmanagement Best Case

        Psychische Probleme
        Das grosse Schweigen
        Gesundheitliche Probleme, seien sie physischer oder psychischer Natur, schränken die Arbeitsleistung der Betrof-
        fenen ein und bescheren dem Unternehmen Fehltage. Der grosse Unterschied liegt allerdings darin, wie mit den
        Diagnosen umgegangen wird. Während über Krebs, Herzinfarkt oder Hüftoperationen gesprochen wird, herrscht
        bei psychischen Problemen oft das grosse Schweigen.
        Text: Sandra Escher Clauss

Absenzen aufgrund von physischen oder             licher, als dass sich mit grosser Wahrschein­     Als wichtigsten Punkt im Umgang mit psy­
psychischen Problemen sind in Unterneh­           lichkeit in jedem Unternehmen Menschen            chischen Erkrankungen nennt der Fachmann
men gang und gäbe. Und sie haben nicht            mit psychischen Problemen befinden. Ge­           das Ansprechen des Problems. «Und zwar,
nur finanzielle Auswirkungen auf die Unter­       mäss verschiedenen Untersuchungen ist in­         bevor man sich ärgert und schon das ganze
nehmen, sondern beeinflussen auch die Or­         nerhalb eines Jahres jede vierte Person da­       Team entnervt ist.» Dabei sollte der betrof­
ganisation und deren Kultur.                      von betroffen.                                    fenen Person nicht nur Hilfe angeboten, son­
     Dr. Niklas Baer beschäftigt sich seit 25                                                       dern auch die Erwartungen ihr gegenüber
Jahren mit den Auswirkungen von psychi­                                                             klar kommuniziert werden. «Zudem sollte
                                                     «Während Krebs, Rückenprobleme
schen Problemen auf die Arbeitsfähigkeit.                                                           nicht auf Einsicht der psychisch erkrankten
Einerseits als Forscher und Berater, anderer­
                                                     oder Unfallverletzungen Mitgefühl              Person gewartet, sondern eine Behandlung
seits ist er als Leiter der Fachstelle Psychia­       auslösen, steht bei psychischen               eingefordert werden.» Essentiell sei es zu­
trische Rehabilitation der Psychiatrie Basel­         Problemen bald die Schuldfrage                dem, den Kontakt zum behandelnden Arzt
land auch direkt involviert, wenn von einer                      im Raum.»                          zu suchen und dessen Unterstützung zu for­
psychischen Erkrankung betroffene Men­                                                              dern. Auch die Kommunikation mit dem
                                                      Niklas Baer, Dr. phil., Leiter Fachstelle
schen wieder in den Arbeitsalltag einsteigen.           für Psychiatrische Rehabilitation,          Team ist wichtig – vor allem auch auf der
     Dieser Wiedereinstieg gestaltet sich mei­                Psychiatrie Baselland                 Ebene der Unternehmenskultur. «Die Frage
stens weniger einfach als ein Wiedereinstieg                                                        dabei ist nicht, ob ein Mitarbeitender ein
nach einer physischen Erkrankung oder                                                               psychisches Problem hat, sondern wie das
einem Unfall. Der Grund liegt gemäss Niklas           Und ganz wichtig: Es ist nicht etwa so,       Team oder das gesamte Unternehmen damit
Baer darin, dass psychische Probleme bei          dass die Zahl der psychischen Erkrankungen        umgeht», betont Baer. Gerade hier bestehe
Kollegen, Mitarbeitenden oder Vorgesetzten        in den vergangenen Jahren zugenommen              noch ein grosser Nachholbedarf.          n
starke emotionale Dynamiken auslösen.             hat, gestiegen ist allerdings die Zahl der des­
«Das Umfeld ist verunsichert und hat oft kei­     wegen krankgeschriebenen Personen.
ne Ahnung, wie es mit jemandem umgehen            «Dies, weil sich mehr Betroffene Hilfe holen       BGM-Tagung 2019
soll, der psychische Probleme hat.» Da die        und trotz allem eine gewisse Enttabuisierung
psychische Erkrankung nicht sichtbar sei, sei     stattgefunden hat», konstatiert Baer. So ist       Mitarbeitende mit physischen oder
                                                                                                     psychischen Problemen:
sie auch nicht greifbar. «Dies führt zu einer     zum Beispiel die Diagnose Burn-out vieler­         Gemeinsamkeiten und Unterschiede
ablehnenden Haltung und oft auch dazu,            orts akzeptiert und auch eine Depression als       Key-Note-Referat von Niklas Baer.
dass nicht darüber gesprochen wird.»              Folge von Mobbing gehört eher zu den ent­          Datum: 28. August 2019, 9.30 bis 10 Uhr
                                                  tabuisierten Krankheiten, im Gegensatz zu          Ort: Seedamm Plaza, Pfäffikon (SZ)
Jede vierte Person ist betroffen                  einer Borderline-Erkrankung oder einer Schi­       Weitere Infos: www.bgm-tagung.ch
Darüber sprechen möchten gemäss dem               zophrenie.                                         Mitarbeitende mit physischen oder
Fachmann auch die Betroffenen nicht, denn                                                            psychischen Problemen: Die Rolle
sie haben Angst vor Diskriminierung. «Wäh­        Probleme ansprechen                                der Betriebskultur
rend Krebs, Rückenprobleme oder Unfallver­        Aufgrund seiner Forschungstätigkeit ist Baer       Vertiefungsworkshop mit Niklas Baer
letzungen Mitgefühl auslösen, steht bei psy­      überzeugt, dass die meisten Chefs auch Mit­        und Noémi Swoboda, Projektleiterin
                                                                                                     Training & Support BGM
chischen Problemen bald die Schuldfrage im        arbeitende mit psychischen Problemen dabei         Datum: 28. August 2019, 11.15 bis ­­12.15
Raum und die betroffenen Personen be­             unterstützen wollen, im Betrieb zu bleiben         Uhr­und 13.30 bis 14.30 Uhr
fürchten, stigmatisiert zu werden.»               oder nach einer Absenz wieder in diesen in­        Ort: Seedamm Plaza, Pfäffikon (SZ)
    Das grosse Schweigen rund um psy­             tegriert zu werden. Viele wüssten einfach          Weitere Infos: www.bgm-tagung.ch
chische Erkrankungen ist umso unverständ­         nicht, wie sie das am besten tun können.

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