Biologische Vielfalt. Gemeinsam für mehr Artenvielfalt.
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Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Biologische Vielfalt. Gemeinsam für mehr Artenvielfalt. Hessischer Biodiversitäts- bericht 2020 Bericht der Landesregierung über ergriffene und geplante Maßnahmen zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt in Hessen Berichtszeitraum 01.01. bis 31.12.2020 Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz E-Mail: biologischevielfalt@umwelt.hessen.de www.biologischevielfalt.hessen.de
2 Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 73 Kennzahlen der Hessischen Biodiversitätsstrategie — Überblick Kenn- Beschreibung aktuelle Zuordnung zahl Tendenz Lesenswertes kurz gefasst. 1 Erhaltungszustände der Natura 2000-Schutzgüter in Hessen Ziel I, II Hintergrundinfos auf Abruf. 2 Bestandsentwicklung lebensraumtypischer Vogelarten in Hessen Ziel I, II, III, IV, V, VI Der Hessische Biodiversitätsbericht 3 Naturschutzfinanzierung in Hessen Ziel I, II, III, VII, IX, X informiert über persönliches und amtliches Engagement auf allen Ebenen. 4 Gesamtzahl der erstellten Artenhilfskonzepte in Hessen Ziel I, II, VIII 5 Prozentualer Anteil der hessischen Vogelschutzgebiete, für Ziel I, II, VII, VIII die Maßnahmenpläne vorliegen 6 Umgesetzte Maßnahmen pro Jahr in hessischen Natura Ziel I, II 2000- und Naturschutzgebieten 7 Landwirtschaftsfläche mit hohem Naturwert in Hessen Ziel IV, VIII (keine Angaben für 2019) 8 Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche in Hessen Ziel IV 9 Förderung artenreicher Agrarökosysteme in Hessen Ziel III, IV 10 Förderung artenreicher Grünland-Ökosysteme in Hessen Ziel III, IV 11 Dauerhaft ungenutzter Staatswald in Hessen Ziel III, V 12 FSC-zertifizierte Waldflächen in Hessen Ziel V 13 Ökologischer Zustand der hessischen Gewässer Ziel VI 14 Höhe der in Hessen bewilligten Fördermittel für Ziel VI Maßnahmen zur Gewässerentwicklung und zum naturnahen Gewässerausbau 15 Anzahl der umgesetzten Maßnahmen pro Jahr zur Ziel I, VII Bekämpfung von invasiven Neobiota in hessischen Natura 2000- und Naturschutzgebieten 16 Anzahl der ehrenamtlichen sachkundigen Helfer für Ziel II, VIII, IX „geschützte Konfliktarten“ in Hessen 17 Gesamtmitgliederzahl der anerkannten Ziel IX, X Naturschutzvereinigungen in Hessen 18 Besucherzahl ausgewählter hessischer Naturschutzzentren Ziel X 19 Teilnehmertage in den hessischen Jugendwaldheimen Ziel X (zeitweise pandemiebedingt geschlossen) biologischevielfalt.hessen.de
Hessischer Biodiversitätsbericht 2018 3 Inhalt Vorwort 4, 9 Wirksamkeit und Sensibilisierung 5—8 Kennzahlen der Hessischen Biodiversitätsstrategie Die Hessische Biodiversitätsstrategie – Wo stehen wir? 10 Erläuterungen zur ersten Phase bis 2020 Ziel I: Natura 2000 Ausgewählte Maßnahmen zur Erfassung und Verbesserung 16 Ziel II: Arten und Lebensräume der Hessen-Liste Ausgewählte Maßnahmen zur Förderung und Entwicklung 22 Ziel III: Ökosystemleistungen Ausgewählte Maßnahmen zur Sicherung gesunder Lebensverhältnisse 28 Ziel IV: Offenland und Landwirtschaft Ausgewählte Maßnahmen zur Verbesserung der Vielfalt 32 Ziel V: Wald und Forstwirtschaft Ausgewählte Maßnahmen zur Kartierung und Revitalisierung 36 Ziel VI: Gewässer Ausgewählte Maßnahmen zur Verbesserung des ökologischen Zustands 40 Ziel VII: Invasive Arten Ausgewählte Maßnahmen zur Vermeidung möglicher Ausbreitungen 44 Ziel VIII: Monitoring Ausgewählte Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Naturschutz-Monitorings 46 Ziel IX: Ehrenamt und Wissenschaft Ausgewählte Maßnahmen zu deren verstärkter Einbindung 50 Ziel X: Bürgerwertschätzung und -beteiligung Ausgewählte Maßnahmen zur Öffentlichkeitsbeteiligung 54 Ziel XI: Maßnahmen anderer Ressorts zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt Ausgewählte Maßnahmen der Hessischen Landesregierung 58 Abkürzungen und Begriffserklärungen 69 Impressum und Bildnachweise 71 Kennzahlen der Hessischen Biodiversitätsstrategie — Überblick 73
4 Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser, wir tragen Verantwortung dafür die Biologische Viel- Das Bewusstsein für die vorhandenen Naturschätze falt zu erhalten, das ist wichtig für uns und die kom- ist immens gewachsen. Akzeptanz, Unterstützung menden Generationen. Denn Biodiversität sichert und Wertschätzung aller Beteiligten sprechen heute für uns Menschen lebensnotwendige Ökosystem- für den Erfolg der Hessischen Biodiversitätsstrategie. dienstleistungen: Frische Luft, sauberes Wasser und Die politische Verstetigung ist in den Regierungs- fruchtbare Böden. Gleichzeitig ist eine artenreiche programmen dokumentiert und kommt auch im Natur Voraussetzung für die Anpassungsfähigkeit regelmäßigen Austausch mit dem Landesnatur- möglichst vieler Ökosysteme an den Klimawandel. schutzbeirat zum Ausdruck. 2016 haben wir eine Die Biologische Vielfalt prägt auch Hessens Natur- Nachschärfung der Strategie umgesetzt. Eine um- räume, Landschaften, Gärten und Grünanlagen in fassende Neuausrichtung steht nun an. unseren Städten und bietet uns damit wichtige Er- holungsräume. Gemeinsam für mehr Biodiversität Über den Rückgang der Biodiversität und das Insek- Die Ziele der Hessischen Biodiversitätsstrategie kön- tensterben wird heute viel diskutiert. Ich erinnere nen wir nur unter Mitwirkung vieler Partnerinnen und mich, das war bei der Auftaktveranstaltung zur Bio- Partner erreichen. Die Renaturierung von Flüssen diversitätsstrategie im Jahr 2014 noch anders. Mit und Bächen, der Umstieg auf erneuerbare Energie, einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit, vielen Kreis- das nachhaltige und möglichst naturnahe Bewirt- konferenzen, und einem webbasierten Informations- schaften von Agrar- und Waldflächen, die zusätzliche angebot haben wir in den vergangenen Jahren im Ausweisung von Schutz- und Wildnisgebieten – das Rahmen der Biodiversitätsstrategie dazu beigetra- alles ist nur zu schaffen, wenn Kommunen, Verbände, gen für dieses Thema zu sensibilisieren. Landwirtinnen und Landwirte, Waldbesitzende und Bürgerinnen und Bürger gemeinsam an einem Strang ziehen. Fortsetzung Seite 9
5 Wirksamkeit und Sensibilisierung – Kennzahlen der Hessischen Biodiversitätsstrategie 1 Günstige Erhaltungszustände der Natura 2000-Schutzgüter in Hessen Ziel I, II a) Erhaltungszustand der relevanten b) Erhaltungszustand der relevanten c) Erhaltungszustand der relevanten Arten der Vogelschutz-Richtlinie Arten der FFH-Richtlinie Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie ? Angabe in Prozent 26,19 2025 ? 2025 29,03 45,68 15,22 15,56 30,49 29,89 25,64 ? 2008 2014 2020* 2007 2013 2019 2007 2013 2019 Art. 12 – Bericht (HE); nur 6-jährlich (2014, 2020, …) Art. 17 – Bericht (HE); nur 6-jährlich (2013, 2019, …) Art. 17 – Bericht (HE); nur 6-jährlich (2013, 2019, …) * Datenauswertung verschoben Ziel 2 Bestandsentwicklung lebensraumtypischer Vogelarten in Hessen I, II, III, IV, V, VI gemäß Nachhaltigkeitsindex Gesamtlandschaft Zielwert HBS 2020 100 % „Artenvielfalt und 1994 82,3 % Landschaftsqualität“ 2018 79,3 % Angabe in Prozent 2018 51 106 89 67 2017 55 122 90 64 90 83 73 2010 59 74 76 79 65 2004 1994 101 102 59 56 Teil- Agrarland Wälder Siedlungen Binnengewässer indikatoren: gemäß Nachhaltigkeitsindex „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ Bestandsentwicklung repräsentativer Arten [%]
6 3 Naturschutzfinan- Ziel 4 Gesamtzahl der erstellten Ziel zierung in Hessen I, II, III, VII, IX, X Artenhilfskonzepte in Hessen I, II, VIII 21,7 Gesamtzahl (aufsummiert) 2020* 24,4 in Millionen Euro 2019 2018 9,1 11,1 20,2 2016 2015 10,3 9,9 2017 8,8 2014 2012 2013 2013 2015 2017 2018 2019 2020 Naturschutzmittel in den Landeshaushaltsplänen des Um- alle im Auftrag der Naturschutzfachbehörden (HLNUG, weltministeriums; naturschutzrelevante Haushaltsmittel des VSW) erstellt; * 3 Artenhilfskonzepte aktualisiert Förderkapitels 09 22 5 Prozentualer Anteil der Ziel 6 Umgesetzte Maßnahmen hessischen Vogelschutz- pro Jahr in hessischen I, II, Ziel gebiete, für die Maß- Natura 2000- und VII, VIII I, II nahmenpläne vorliegen Naturschutzgebieten 7.492 2020 48% 2019 2019 43% 2020 7.053 2018 7.483 2016 2017 41% 5.779 2015 5.234 2018 2013 3.084 2014 4.772 2012 2.948 Im letzten Berichtszeitraum Ende 2016 lagen für alle FFH- Maßnahmen aus den jeweiligen Maßnahmen- bzw. Pflege- Gebiete Maßnahmenpläne vor, deshalb beziehen sich die plänen gem. Naturschutzinformationssystem NATUREG Angaben jetzt auf die Vogelschutzgebiete. 7 Landwirtschaftsflächen mit Ziel 8 Anteil der ökologisch bewirt- Ziel hohem Naturwert in Hessen IV, VIII schafteten Fläche in Hessen IV 18,9 15,8 2020 2019 16,0 18,5 17,5 2018 2017 13,7 14,9 15,6 16,9 2016 12,7 2015 11,5 2014 11,3 2011 2015 11,0 2013 2009 2013 2017 2012 10,7 High Nature Value Farmland: Anteil der „Landwirtschafts- Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen an der lan- flächen mit hohem Naturwert“ an der gesamten Landwirt- desweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche [%] schaftsfläche [%] 9 Förderung artenreicher Agrarökosysteme 10 Förderung artenreicher Grün in Hessen Ziel III, IV land-Ökosysteme in Hessen Ziel III, IV Hektar 14.772 14.019 14.626 14.795 15.600 16.700 Tausend Hektar pro Jahr pro Jahr 13.230 12.272 12.326 12.095 12.300 12.800 1.542 1.747 2.300 2.700 3.300 3.900 60,0 2.346 59,0 2019 57,0 2018 55,0 2020 2017 52,0 2016 42,0 2015 2012 40,0 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2013 37,5 2014 HIAP HALM HIAP/HALM Greening gesamt Förderung 2012 bis 2014 gem. HIAP (Blüh- und Schonstreifen), ab 2015 gem. HALM (ein- und Agrarumweltmaßnahme „Grünlandextensivierung“, Förderung 2012 mehrjährige Blühstreifen/-flächen, Ackerrandstreifen, Ackerwildkrautflächen) sowie GREENING bis 2014 gem. HIAP B5, ab 2015 gem. HALM D1 (Ökologische Vorrangflächen Brache und Feldrandstreifen)
7 11 Dauerhaft ungenutzter Ziel 12 FSC-zertifizierte Waldfläche in Hessen (Flächenanteile für Ziel Staatswald in Hessen III, V Staatswald, Privatwald und Kommunalwald) V in Prozent, Anteil von hessi- 37,0 40,0 40,0 10 % scher Gesamtwaldfläche 0,1 4,5 0,1 4,4 0,1 3,5 2020 2019 14,46 0,1 17,0 0,1 41,6 44,5 43,6 7,5 % 3,82 4,5 % 2018 21,6 % % 2014 2017 18,4 % % 2016 2013 2015 2012 2016 2017 2018 2019 2020 3% % Staatswald Privatwald Kommunalwald Gesamtfläche Flächenanteil ungenutzter Staatswaldflächen [%] zertifizierte Flächenanteile für Staatswald, Privatwald und Kommunalwald [% der jeweiligen hessischen Gesamt- waldfläche] 13 Ökologischer Zustand der Ziel 14 Höhe der in Hessen bewilligten Fördermittel Ziel hessischen Gewässer VI für Maßnahmen zur Gewässerentwicklung VI und zum naturnahen Gewässerausbau Anteile mit „gutem“ oder „sehr gutem“ Zustand in Millionen Euro jährlich Fließgewässer Seen Gesamt Teilkomponente bewertung Fischnährtiere 2020 13.246.290 2020 2018 11,1 % 33,3 % 27,3*% 2019 11.416.950 2012 2011 10.295.940 11.020.180 9.680.670 2015 2013 4,7% 8.068.990 2015 18,2 % % 7.618.770 2010 2017 6.965.170 2016 6.463.520 5,7% 2009 2014 6.417.650 21,9 % % 5.050.380 Die Gesamtbewertung setzt sich aus 3 Teilkomponenten zusammen und richtet Mittel aus dem „Landesprogramm für Gewässerentwicklung und Hochwasser- sich nach der schlechtesten Teilkomponente; Erhebung nur 6-jährlich (2009, 2015, schutz“ 2021 …). ** Die Bewertungsmethodik wurde gegenüber 2015 geändert. 15 Anzahl der umgesetzten Maßnahmen pro 16 Anzahl der ehrenamtlichen sach- Jahr zur Bekämpfung von invasiven Neobiota Ziel kundigen Helfer für „geschützte Ziel in hessischen Natura 2000- und Naturschutz- I, VII Konfliktarten“ in Hessen (zum Beispiel II, VIII, IX gebieten Biber, Luchs, Wolf) 2019 jährlich 167 2020 2018 148 165 115 2017 145 2016 2018 2016 60 2015 80 93 111 100 2014 2019 77 2020 2015 2017 gem. Naturschutzinformationssystem NATUREG vom Land geschulte Personen, die vor Ort ehrenamtlich Unterstützung leisten
8 17 Gesamtmitgliederzahl der anerkannten Naturschutzvereinigungen Ziel in Hessen IX, X 205.243 199.902 196.132 194.930 176.821 181.227 187.886 168.303 171.853 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 gem. Angaben der Landesgeschäftsstellen (acht Institutionen) 18 Besucherzahlen ausgewählter hessischer Naturschutzzentren Ziel X Nationalparkzentrum Kellerwald Edersee Umweltbildungszentrum Schatzinsel Kühkopf (Eröffnung 2014) 41.000 45.855 40.000 36.000 38.000 27.869 38.780 27.392 31.134 32.504 33.000 25.115 29.953 28.954 24.022 11.044 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Personen, die Eintritt gezahlt oder dort an Veranstaltungen teilgenommen haben 19 Teilnehmertage in den hessischen Jugendwaldheimen Ziel XI 21.380 22.836 20.704 21.685 20.371 18.418 17.218 17.275 4.347 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Personen, die an Veranstaltungen teilgenommen haben
Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 9 Das weltweite Artensterben und der Klimawandel sind globale Krisen, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Wir müssen den Rückgang der Biologischen Vielfalt stoppen. Dabei geht es nicht nur um das Überleben von Tier- und Pflanzenarten und den Schutz von Lebensräumen, sondern letztlich auch um die Lebensgrundlagen von uns allen. Umweltministerin Priska Hinz Neben der Naturschutzverwaltung sind seit fünf Weiterentwicklung des Biotopverbunds in Hessen Jahren auch die anderen Ressorts in die Hessische steht auf der Agenda, um vielen wandernden Tieren Biodiversitätsstrategie integriert. So werden zum freie Wege zu ermöglichen. Im Bereich der Agrar- Beispiel Dach- und Fassadenbegrünung beim Hoch- förderung können wir Landwirtinnen und Landwirte schulbau berücksichtigt, Forschungsvorhaben be- noch gezielter bei ihren Umweltmaßnahmen unter- schäftigen sich mit Insekten, bei der Denkmalpflege stützen. werden Sanierungen durchgeführt bei denen auch Refugien von Vögeln und Pflanzen erhalten bleiben, Für die Mitarbeit aller Beteiligten danke ich auf die- beim Straßenbau werden blütenreiche Verkehrs- sem Weg ganz herzlich. inseln geschaffen und bei der Siedlungsentwicklung Grünflächen mitgedacht und entwickelt. Der Biodiversitätsbericht 2020 dokumentiert gegen Ihre über dem Landtag die in Hessen ergriffenen Maß- nahmen und zeigt Bürgerinnen und Bürgern Mög- lichkeiten der Mitwirkung auf: Zum Beispiel mit einer nektarreichen Begrünung im eigenen Garten und auf dem Balkon. Zugleich weist der Bericht die Perspektiven für eine Fortschreibung der Hessischen Biodiversitätsstrategie bis 2030 aus, um gemeinsam unser lebenswertes, vielfältiges Hessen zu erhalten. So wollen wir die Feldflurprojekte weiter ausbauen Priska Hinz und damit besonders gefährdete Tier- und Pflanzen- Hessische Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, arten auf Äckern noch besser schützen. Auch die Landwirtschaft und Verbraucherschutz
10 Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 Die Hessische Biodiversitätsstrategie: Wo stehen wir? Die Hessische Biodiversitätsstrategie (HSB) startete im Juni 2013, drei Jahre später wurde sie umfangreich überarbeitet und erweitert. Sie richtete sich, wie viele andere Biodiversitätsstrategien auch, an das Jahr 2020 und orientierte sich dabei an europäischen und internationalen Strategien. Ziele wurden gesteckt, Maßnahmen engagiert umge- setzt. Nun erscheint der Biodiversitätsbericht für das Jahr 2020 und es ist Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Was hat Hessen erreicht in den letzten Jahren? Wel- che Strukturen wurden aufgebaut und wie haben sich die Erhaltungszustände von Arten und Lebensräumen entwickelt? Wurden die Ziele erreicht? Die Berichte zu den einzelnen Maßnahmen der elf Ziele folgen nach diesem Kapitel. Im Vergleich zu den Berichten der Vorjahre sind sie ausführlicher. Denn die Berichte sollen, wo es möglich war, eine Bilanz ziehen und die Entwicklung im hessischen Natur- schutz über die letzten Jahre aufzeigen. Wie wurden die Maßnahmen umgesetzt, was wurde erreicht und welche Überlegungen stehen hinter Maßnahmen und Projekten? Die HBS hat über einhundert Einzelmaß- nahmen. Über alle ausführlich zu berichten, ist auch in einem längeren Bericht nicht möglich. Daher wurden pro Ziel Maßnahmen ausgesucht, die auf die Entwick- lung des Ziels hinweisen bzw. die exemplarisch für das Ziel stehen. Was nach der Lektüre der Berichte, nach der Bilanz von sieben Jahren HBS deutlich ist: Das Thema Biodiversität hat stark an Bedeutung gewonnen. Biodiversität wird vermehrt als „Gemein- schaftswerk“ von allen – Naturschutz, Landwirtschaft, Forst, Gewässer- und Bodenschutz – gesehen. Es ist ländlichen Raum geschaffen worden und werden in der Landesentwicklung und nicht zuletzt im Klima- weiterhin geschaffen. schutz- und der Klimaanpassung angekommen. Gleichwohl bleiben die Erhaltungstrends von Das Gebietsmanagement und die Artenschutz- Arten und Lebensräumen in der Summe besorgnis- programme wurden deutlich verstärkt, mit den erregend. Landschaftspflegeverbänden sind neue Akteure im
Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 11 Nicht nachzulassen und perspektivisch die Arten wieder in einen besseren Erhaltungszustand zu be- kommen, ist ein Ansporn für die Weiterentwicklung der HBS. In den letzten Jahren wurden viele Strukturen ge- schaffen, zum Beispiel eine gute Entwicklung der Naturschutzhaushalte, die die Basis legten für Maß- nahmen und Strukturen oder die Etablierung von Landschaftspflegeverbänden, der Ausbau des Öko-Landbaus uvm. In den nächsten Jahren heißt es, hierauf aufzubauen. Der Bedeutungsgewinn wird nicht zuletzt durch eine erhebliche Steigerung der Naturschutzmittel deutlich: Im Naturschutzhaushalt 2013 standen rund 8,8 Millio- nen Euro zur Verfügung, 2020 waren es 24,3 Millionen Euro. Auch die Anzahl der Erhaltungsmaßnahmen in den Schutzgebieten hat sich in dem Zeitraum deutlich gesteigert. 2013 waren es rund 3.100, sieben Jahre später hat sich die Anzahl mit 7.492 mehr als verdoppelt. Deutlich gesteigert haben sich auch die Mittel zur Umsetzung des Hessischen Programms für Agrar- umwelt- und Landschaftspflegemaßnahmen (HALM). 2020 erhielten rund 9.000 landwirtschaftliche Be- triebe erstmals eine Summe von über 42 Millionen Euro und setzen auf über 250.000 Hektar – rund 1/3 der hessischen Agrarfläche – besonders umweltscho- nende Maßnahmen um. Auch der Ökologische Landbau hat sich seit Bestehen der HBS gut entwickelt: Ende 2020 bewirtschafteten 2.329 Betriebe eine Fläche von121.740 Hektar. Im Vergleich zum Jahr 2013 ist dies eine Steigerung um Auch die Rheinauen sind Rückzugsort und potentieller rund 37.430 Hektar, um gut 44 Prozent. Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten Mit dem Ausbau der Ökomodellregionen in Hessen zum Ökomodelland-Hessen ist die Struktur gelegt, um eine weitere Steigerung des Öko-Landbaus auch in den kommenden Jahren zu erreichen.
12 Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 Neben der Ausweitung von HALM und der Steige- zehn Prozent der ackerbaulich genutzten landwirt- rung des Anteils der Öko-Landwirtschaft ist an dieser schaftlichen Fläche Hessens. Stelle die Etablierung der so genannten „Feldflur- Projekte“ zu nennen, bilden sie doch einen weiteren Erste Erfolge der Projekte zeigen sich zum Beispiel wichtigen Baustein zur Erhaltung der Biologischen in Bad Zwesten. Durch die gezielte Beratung von Vielfalt in landwirtschaftlichen Räumen. In dem Pro- Landwirtinnen und Landwirten hat sich die Fläche der gramm arbeiten modellhaft Akteurinnen und Akteure umgesetzten Maßnahmen seit Beginn des Projek- aus dem Naturschutz, der Landwirtschaft, Jagd und tes zwischenzeitlich verdoppelt. Auch die Bestände Forst kooperativ zusammen, um gemeinsam den entwickeln sich gut. Bei der ersten Erhebung im Jahr Bestand gefährdeter Arten im Offenland wiederaufzu- 2018 wurden acht Rebhuhn Brutpaare gezählt, Ende bauen. 2019 waren es 25 Paare. Im Jahr 2019 starteten die ersten Projekte in den Parallel zu den Projekten vor Ort startet in diesem Jahr Schwerpunkträumen im Landkreis Gießen und im begleitend verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, um alle Hochtaunuskreis. Im Opel Zoo Kronberg wurde eine Hessinnen und Hessen für die Bedeutung einstmals Aufzuchtstation für Feldhamster eröffnet, im Feld- weit verbreiteter Arten wie Rebhuhn und Feldhamster flurprojekt Bad Zwesten wurde die Betreuung der zu sensibilisieren. Denn hier greift, wie so oft im Natur- Projektteilnehmer intensiviert. schutz der Leitsatz: Nur was man kennt, kann man schützen. Ziel der Projekte ist es, Rebhuhn, Feldhamster, Acker- wildkräuter und andere Leitarten wieder fest in den Dass all diese Anstrengungen nötig sind, zeigt ein großflächigen Projektgebieten zu beheimaten. Blick auf die Erhaltungszustände insbesondere von Arten des Offenlandes, zum Beispiel Wiesen- und In den Feldflurprojekten sollen durch die Anlage von Ackervögel. Die Arten dieser Gruppe zählen zu den Blühflächen, Aussparungen auf den Äckern für Ler- derzeit in Hessen am stärksten betroffenen Vogel- chen oder Feldhamster und weiteren Agrarumwelt- arten. Der Teilindikator „Agrar-/Offenland“, so zeigen maßnahmen die betreffenden Arten vor Ort gezielt es auch die Kennzahlen der HBS, weist in den letzten gestützt werden, um letztlich eine Wiederausbreitung zwanzig Jahren eine deutlich negative Entwicklung anzubahnen. Aktuell beträgt die gesamte Kulisse der auf. Zahlreiche Arten der Agrarlandschaft, wie zum Feldflurprojekte rund 50.000 Hektar, das sind knapp Beispiel Braunkehlchen, Wiesenpieper, Bekassine, Die Flächenbewirtschaftung im Offenland sollte ausreichend viele und möglichst unterschiedliche Saum- und Vernetzungsstrukturen bereitstellen
Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 13 Moorauge im Schwarzen Moor, Rhön Kiebitz, Großer Brachvogel, Rebhuhn und Grauam- Lebensräume „ausweichen“ zu können. Für Arten, die mer sind in Hessen nach wie vor vom Aussterben wandern können, sind diese Biotopverbundstrukturen bedroht. Den umgesetzten Artenhilfsmaßnahmen ein wichtiges Element, um auch mit veränderten ist es zu verdanken, dass die genannten Arten bis- Lebensräumen klar zu kommen. her als Brutvögel in Hessen noch nicht ausgestorben sind. Hier gilt es in Zukunft den Fokus verstärkt auf Ein weiterer wichtiger Bestandteil der HBS ist die so die besonders bedrohten Arten (nicht nur der Vö- genannte „Hessen-Liste“, die den Fokus definierte: gel) auszurichten und gezielte Artenhilfsprogramme Welche Artenverluste wären für Hessen besonders zu etablieren. Die Feldflurprojekte zeigen den Weg schmerzlich? Welche Lebensräume sind unbedingt hierzu bereits auf. besser zu schützen? Hier wurden Schwerpunkte gelegt und Verbände, Vereine sowie Regierungs- Klimawandel und Biodiversitätsverlust stärker zusam präsidien haben mit der Hessen-Liste wirkungsvolle mendenken ist schon jetzt, aber vor allem in der Maßnahmen umgesetzt. Das Instrument hat sich be- Zukunft besonders wichtig, denn gut funktionierende währt, gleichwohl gilt es die Liste weiterzuentwickeln, Ökosysteme sind widerstandsfähiger gegen Störun- gerade im Hinblick auf den Insektenschutz. gen, so auch zunehmende klimawandelbedingte Wet- terextreme wie Trockenheiten oder veränderte Nieder- Die Bevölkerung zu sensibilisieren, zu motivieren und schlagsverhältnisse, aber auch Überschwemmungen. an Maßnahmen teilhaben zu lassen, war ein weiterer wichtiger Baustein der Biodiversitätsstrategie in den Daher zielt die Maßnahme „Erhaltung und Weiter- vergangenen Jahren. So konnte die zwischen 2005 entwicklung von Biotopverbundsystemen und Ver- und 2014 als Schwerpunkt etablierte Konzeption meidung weiterer Landschaftszerschneidung“ des Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung der Integrierten Klimaschutzplans Hessen 2025 auf die Vereinten Nationen zur dauerhaften Verankerung von (Wieder-)Herstellung von Biotopverbundstrukturen Bildung für nachhaltige Entwicklung im deutschen für Arten ab, welche vom Klimawandel potentiell Bildungssystem genutzt werden, die sogar von der besonders betroffen sind. Denn Arten benötigen Deutschen UNESCO-Kommission als offizielle Maß- mit zunehmendem Klimawandel verstärkt Korridore nahme der Weltdekade ausgezeichnet wurde. Seit zum Wandern, um angesichts der Veränderung ihrer 2012 ist Biodiversität ein bleibender Schwerpunkt im Jahresprogramm der Naturschutz-Akademie Hessen.
14 Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 Wie geht es weiter? Ziel des diesjährigen Berichtes ist es auch zu schauen: Wo stehen wir, was haben wir erreicht? Jetzt heißt es, das Erreichte weiterzuführen und gleichzeitig zu über- legen, wie sich die Biodiversitätsstrategie weiterent- wickeln kann und muss. Wichtige Themen der letzten Jahre, wie das Insektensterben, müssen und werden einen stärkeren Raum in der nächsten Strategie ein- nehmen. Mit dem Abschluss der Arbeit an diesem Bericht starten wir die Weiterentwicklung der Hessischen Bio- diversitätsstrategie, wie es auch der Koalitionsvertrag vorsieht. Auf internationaler Ebene sind die Prozesse pande- miebedingt ins Stoppen geraten. Derzeit ist die Welt- biodiversitätskonferenz für November 2021 geplant. Die Europäische Union (EU) hat vorgelegt und im letzten Jahr mit der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 einen Rahmen gesetzt: Bis 2030 sollen auf 30 Prozent der Landgebiete und 30 Prozent der Meeresgebiete Europas Schutzzonen geschaffen werden. Die Wie- derherstellung geschädigter Landökosysteme in ganz Europa sollen unter anderem durch die Stärkung der Ökolandwirtschaft und biodiversitätsreicher Land- schaftselemente, das Aufhalten und Umkehren des Verlusts an Bestäubern, die Rückführung von Fließ- gewässern in einen freien Flusslauf auf mindestens 25.000 Kilometer und durch die Reduzierung des Einsatzes und der Schadenswirkung von Pestiziden um 50 Prozent bis 2030 erreicht werden. In diesem und in den nächsten Jahren werden die strategischen Vorhaben in konkrete Handlungen um- gesetzt. Blick vom Urwaldsteig auf den Edersee
Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 15 Die EU-Biodiversitätsstrategie braucht aber auch eine Umsetzung konkret vor Ort, auf regionaler Ebene. Wie auch bei der Aufstellung der Biodiversitätsstra- tegie 2013 und der Weiterentwicklung wenige Jahre später, wird sich auch die Weiterentwicklung ab 2020 an übergeordneten Strategien orientieren, aber auch den Spezifika in unserem Land Rechnung tragen. Die Weiterentwicklung der Biodiversitätsstrategie ist dabei ein Puzzleteil von mehreren. Der oben bereits angesprochene Bedeutungsgewinn zeigt sich in den Jahren 2020 und 2021 besonders: Die Arbeiten an einem Hessischen Naturschutzgesetz sind weit fort- geschritten. Es wird neue Akzente setzen und den Naturschutz weiter stärken. Institutionell bilden die hessenweiten Gründungen von Landschaftspflege- verbänden ein kooperatives Netz in der Fläche. Das „Zentrum für Artenvielfalt“, welches aus der Natur- schutzakademie Hessen, der Vogelschutzwarte (VSW) sowie der Abteilung Naturschutz des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie besteht, wird derzeit mit Hochdruck aufgebaut und soll zu Beginn des kommenden Jahres seine Arbeit aufnehmen. Für die in Hessen besonders charakteristischen Streu- obstwiesen ist eine Strategie in Erarbeitung, um sie weiterhin zu erhalten und ihrer Bedeutung gerecht zu werden. Nicht zuletzt ist ein Hilfsprogramm für windenergiesensible Arten im Entstehen. All das zusammen schafft den Rahmen für die nächs- ten Jahre. ■ Autorin: Rebecca Stecker, Referatsleiterin Biodiversitätsstrategie und Artenschultz, Hessi- sches Umweltministerium
16 Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 Ziel I: Natura 2000 Kennzahlen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 15 Stopp der Verschlechterung der relevanten Natura 2000-Lebensräume und -Arten und Verbesserung des Erhaltungszustandes „Stopp der Verschlechterung der relevanten NA- TURA 2000-Lebensräume und -Arten und Verbesse- rung des Erhaltungszustandes“ – so lautet das erste Ziel der Hessischen Biodiversitätsstrategie. Landesweite Maßnahmen bilden das Grundgerüst, um diese Ziele zu erreichen. Die Maßnahmen rei- chen von der Vervollständigung der mittelfristigen Maßnahmenpläne für alle Gebiete nach Fauna-Flora- Habitat Richtlinie (FFH-RL) und alle Vogelschutzge- biete (VSG), über die flächendeckende Einrichtung von Landschaftspflegeverbänden und den Aus- bau eines landesweiten Netzes zur Betreuung der Schutzgebiete und Arten bis hin zur Erstellung von Artenhilfskonzepten für Arten, deren Erhaltungszu- stand ungünstig ist oder sich verschlechtert. Ziegenbeweidung Amöneburg Die folgenden Textbeiträge zeigen, wie die Maß- Ziegenbeweidung im FFH- und nahmen umgesetzt wurden und sie zeigen vor allem auch: Naturschutz braucht Ressourcen, ein gutes Naturschutzgebiet Amöneburg Gesamtsystem von engagierten Akteurinnen und Akteuren und vor allem Zeit und Strukturen. Ziegen- Zum Erhalt der Magerrasen am Hang des FFH- und projekte zur Offenhaltung von Lebensräumen, damit Naturschutzgebiets Amöneburg – das zweitälteste diese nicht verbuschen, oder die Wiederherstellung Naturschutzgebiet in Hessen – wurde ein Ziegen- von Magerrasen sind zwei von zahlreichen Beispie- beweidungsprojekt ins Leben gerufen. Die am len, die verdeutlichen, wie die Biodiversitätsstrategie Basaltkegel vorkommenden Trespen-Schwingel- in der Praxis umgesetzt wird. Schon im Hessischen Kalk-Trockenrasen (submediterraner Halbtrocken- Biodiversitätsbericht 2019 konnten naturschutzfach- rasen) waren zu Zeiten der Grunddatenerhebung liche Beweidungsprojekte wie „Schaf schafft Land- im Erhaltungszustand gut bis durchschnittlich (B-C). schaft“ näher erläutert werden. Ein Teil der Trockenrasen am Unterhang war bereits stark verbuscht und nur noch fragmentarisch vor- Gerade in den letzten Jahren ist mit dem Aufbau handen. Doch auch umfangreiche motormanuelle eines Netzes an Artberatern, den fachlichen Grund- Entbuschung konnten das Gehölzwachstum nicht lagen in Form von Artenhilfskonzepten, EU- dauerhaft eindämmen. Daher wurde mit einer ge- finanzierten Großprojekten und der Gründung von mischten Herde aus Ziegen, Schafen und zeitweise Landschaftspflegeverbänden viel erreicht worden. Eseln gearbeitet, um die Magerrasen dauerhaft in gutem Zustand zu erhalten und die Ausbreitung der Gehölze zu verhindern. Die Magerrasen und Felsfluren der Amöneburg sind eng miteinander verzahnt. Um das Weidemanage- ment besser steuern zu können, wurde ein fester
Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 17 elektrischer Zaun installiert, der nochmals unterteilt und Begutachtung wird das Weidemanagement ist. Dieser ermöglicht es Besuchern, das Gebiet zu jährlich gesteuert. Im Jahr 2018 war es bedingt passieren, aber auch die Tiere zu lenken und ge- durch Erosion, dem extrem trockenen Sommer zielt zu verteilen. Auf Informationstafeln erfahren die (Witterungsstress) und dem Einfluss der Weidetiere Besucherinnen und Besucher Wissenswertes über zu negativen Veränderungen des LRT gekommen. Die das Ziegenprojekt. Das Ziegenbeweidungsprojekt beeinträchtigten Bereiche wurden von der Winterbe- begann im Frühjahr 2008. Seitdem erfolgten Vegeta- weidung komplett ausgespart und die Beweidungs- tionsuntersuchungen zur Wirkungs- und Erfolgskon- intensität deutlich verringert. In den letzten beiden trolle in den Jahren 2009, 2010, 2014, 2016, 2018 Jahren konnte sich die Vegetation nur in Teilen durch und 2019. Mithilfe dieser Berichte und der engen die Weideruhe mit Erfolg regenerieren. Abstimmung zwischen RP Gießen und den Ver- antwortlichen für Maßnahmenplanung, Tierhaltung ■ Autorin: Bianka Lauer, RP Gießen Neu entstandene Silbergrasfluren sind Bestandteil des LRT 2330. Im Vordergrund: Sandstrohblume (Helichry- Erhalt und Entwicklung von sum arenarium) und Bergsandglöcken (Jasione mon- tana) als charakteristische Arten Sandmagerrasen (LRT 2330) Das Vorkommen des FFH-Lebensraumtyps 2330 Sandmagerrasen (Dünen mit offenen Grasflächen mit Corynephorus und Agrostis) zeichnet mehrere Natura 2000-Gebiete in Südhessen aus. Wichtig für die Erhaltung sind eine angepasste Bewirtschaftung der sehr mageren Standorte und die Bewahrung des Offenlandcharakters. Eine besondere zusätzliche Maßnahme, das sog. Abplaggen, hat das zuständige Amt für den ländlichen Raum des Hochtaunuskreises in verschiedenen FFH-Gebieten im Kreis Offenbach umgesetzt. Dabei wird in Teilbereichen die oberste Bodenschicht samt Vegetation flach abgetragen. Auf diese Weise entstehen mosaikartig neue Pionierflä- chen mit Rohsanden, die eine Neuentwicklung von Sandmagerrasen fördern. Das Beispiel des FFH-Ge- biets „Sandrasen bei Urberach“ zeigt, dass auf diese Weise gute Erfolge erzielt werden können. Auf früher abgeplaggten Flächen haben sich typische Vegeta- tionsstrukturen gebildet. Ende 2020 wurden weitere Freilegen von Rohsandboden für die Neubesiedelung Flächen im Gebiet bearbeitet. von Sandmagerrasenbeständen im FFH-Gebiet „Sand- rasen bei Urberach“ ■ Autorin: Jutta Schmitz, RP Darmstadt
18 Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 Mausohren (Myotis) im Winterschlaf Öffnung und Sicherung von Auch außerhalb des Richelsdorfer Gebirges erfol- Fledermaus-Winterquartieren im gen solche Maßnahmen auf Initiative der Oberen Naturschutzbehörde. So konnten im Landkreis Fulda Richelsdorfer Gebirge ebenfalls zwei Bergwerksstollen gesichert werden und bei Heringen, in Zusammenarbeit mit K+S, Im Rahmen der Hessischen Biodiversitätsstrategie zwei große Luftschutzstollenanlagen mit speziellen hat das Regierungspräsidium Kassel 2020, in enger Fledermaus-Lochsteinen zu Winterquartieren um- Zusammenarbeit mit dem Forstamt Rotenburg an gebaut werden. Für 2021 sind weitere Maßnahmen der Fulda und dem Landesverband für Höhlen- und in diesem Projekt geplant. Karstforschung Hessen e.V., ein langfristiges Projekt zum Schutz der einheimischen Fledermäuse gestar- ■ Autor: Stefan Zaenker, RP Kassel tet. Von diesem Projekt profitieren insbesondere die Bechsteinfledermaus, das Große Mausohr, die Fran- senfledermaus, das Graue Langohr und das Braune Langohr, die alle in der Hessen-Liste aufgeführt sind, aber auch andere Fledermausarten sowie eine Vielzahl weiterer Arten (zum Beispiel überwinternde Amphibien, wie der in der Hessen-Liste geführte Feuersalamander). Im Rahmen des Projektes werden gezielt alte Berg- werksstollen im Richelsdorfer Gebirge geöffnet und die Eingänge mit fledermaus- und amphibien- gerechten Gittern gesichert. Hierdurch wird eine Biotopvernetzung geschaffen, die den Fledermäu- sen eine vielfältige Auswahl an Überwinterungs- und Tagesquartieren bietet. So konnten im letzten Jahr der Kurprinz-Friedrich-Wilhelm-Stollen bei Bebra- Braunhausen sowie der Ölbergstollen und der Torwaldwieser Stollen bei Nentershausen dauerhaft Zur Sicherung des Ölbergstollens war der Einsatz eines gesichert werden. Baggers notwendig
Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 19 Landschaftspflegeverbände – umweltprogramm HALM, der Biodiversitätsstrategie, Einsatz für mehr Naturschutz in dem Klimaschutzplan, aus Bund-Länder-Mitteln und der Umweltlotterie GENAU bereitgestellt. Hessen Mit dem LPV im Kreis Groß-Gerau, der im November Landschaftspflegeverbände leisten einen wichtigen 2020 gegründet wurde, gibt es in Hessen nun in Beitrag für den Erhalt und Schutz der Natur und Kul- zehn von 21 Landkreisen LPV als aktive Motoren für turlandschaft in Hessen. Um die wichtige Arbeit der den Naturschutz. Alle zehn LPV haben Anträge vor- Verbände langfristig finanzieren zu können, hat das gelegt und werden in 2021 die Landesförderung in Hessische Umweltministerium eine neue Förderricht- Anspruch nehmen. linie erarbeitet, die seit September 2020 in Kraft ist. Die Förderrichtlinie ermöglicht es den kreisweit täti- Je nach Region und Landkreis setzen die LPV unter- gen, gemeinnützigen Landschaftspflegeverbänden schiedliche Schwerpunkte und gehen verschiedene (LPV), die Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen Wege – je nach regionalen Besonderheiten vor Ort. zu verstärken und langfristig zu planen. Grundlage Alle Maßnahmen eint dabei das Ziel, die Arten und für die Förderung ist ein jährliches Arbeits- und Maß- Lebensräume im Schutzgebietsnetz Natura 2000 nahmenprogramm, das die LPV mit den Fachbehör- zu fördern und zu erhalten sowie insbesondere im den der Landkreise abstimmen. Gefördert werden Offenland dem Rückgang der Biologischen Vielfalt Personalmittel für die Vorbereitung, Begleitung und entgegen zu wirken. Evaluation von Maßnahmen insbesondere zur Um- setzung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 und ■ Autorin: Jutta Katz, Hessisches der Hessischen Biodiversitätsstrategie. Dafür stellt Umweltministerium das Land pro Landkreis Mittel in Höhe von bis zu 200.000 Euro jährlich zur Verfügung. Finanzmittel für Weiterlesen: Neues Förderprogramm die Umsetzung der Maßnahmen werden zusätzlich https://t1p.de/h1zb aus dem Naturschutz- haushalt des Weiterlesen: Koordinierungsstelle Hessen Landes, dem https://t1p.de/i1vs Hessischen Agrar- Gehölzarme Aue mit arten- und blütenreichem Grün- land im FFH-Gebiet „Helfholzwiesen und Brühl bei Erda“: Lebensraum für das Braunkehlchen (Saxicola rubetra), ein vom Aussterben bedrohter Wiesenbrüter - hier gibt es Brutbereiche, Beratung der Landwirtschaft und schonende Reduzierung der Gehölze
20 Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 Auch 2020 waren wieder Artberater der VSW u. a. im Rahmen verschiedener Feldflurprojekte aktiv, um die Bestände des in Hessen stark gefährdetet Rebhuhns (Perdix perdix) wieder auf ein sicheres Niveau zu bringen Beratung der Vogelschutzwarte Wachtelkönig, Wendehals, Wiedehopf und Wiesen- pieper. für jede und jeden kostenlos Für die aufgeführten Arten waren landesweit, u. a. im In Hessen befinden sich knapp 50 Prozent der Brutvö- Rahmen von Feldflur- und Wiesenbrüterprojekten gel in einem ungünstig-schlechten Erhaltungszustand. sowie zur Umsetzung von Maßnahmen in Streuobst- In der Regel sind die betroffen Arten in ihren Bestän- beständen, zehn Artberaterinnen und Artberater den gefährdet, stark gefährdet oder sogar vom Aus- sehr erfolgreich im Einsatz. sterben bedroht. Für einige dieser Arten hat die VSW Artenhilfskonzepte und Maßnahmenblätter entwi- ■ Autor: Lars Wichmann, VSW ckelt. In diesen werden Schutz- und Entwicklungsmaß- nahmen präsentiert, mit denen die betroffenen Arten wieder in einen günstigen Erhaltungszustand ge- bracht werden können. Um eine effektive Umsetzung Weiterlesen: https://t1p.de/8mtw der Maßnahmen zu gewährleisten, ist ein fundiertes Fachwissen zur Biologie der Zielart essentiell. Hier kommen die Artberaterinnen und Artberater der VSW ins Spiel. Um sicherzustellen, dass geplante Maß- nahmen optimal in die Fläche gebracht werden und langfristig eine möglichst große Wirksamkeit entfal- ten, können hessische Behörden, Vereine und Privat- personen bei der VSW kostenlos Beratung anfordern. Die Artberaterinnen und Artberater der VSW nehmen mit ihnen Kontakt auf und besuchen sie gerne auch vor Ort. So erhalten sie eine kompetente Beratung und erfahren, ob sich Flächen für die Umsetzung von Maßnahmen für eine bestimmte Zielart eignen und welche Maßnahmen wo, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt realisiert werden können. 2020 umfasste das Beratungsangebot der VSW folgende 16 Vogelarten: Bekassine, Braunkehl- chen, Flussregenpfeifer, Gartenrotschwanz, Grau- Wachtelkönig (Crex crex) mit nicht flüggen Jungen – ammer, Großer Brachvogel, Haubenlerche, Kiebitz, die Artberatung der VSW leistet einen wesentlichen Raubwürger, Rebhuhn, Steinkauz, Uferschwalbe, Beitrag, um das Aussterben in Hessen zu verhindern
Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 21 ■ Praxisnahe Beratung in Kooperation mit dem Ehrenamt Hessen baut das Netz zur Betreuung der Schutzgebiete und Arten in enger Zusammen- arbeit mit den Verbänden aus Das HLNUG hat in 2020 dreißig Expertinnen und Experten als Artberaterinnen und Artbera- Gelbbauchunke (Bombina variegata) ter beauftragt, die den Behörden des Landes, der Kommunen, Gemeinden und Städte kosten- Mopsfledermaus), Schmetterlinge (Blauschil- los zur Verfügung stehen. Sie sollen bei Natur- lernder Feuerfalter, Schwarzer Apollo, Skabio- schutzfragen helfend zur Seite stehen und beim sen-Scheckenfalter), Mollusken (Bachmuschel) Maßnahmenmanagement zum Schutz der Arten und Krebse (Steinkrebs). Außerdem sind weitere unterstützen. Es werden zahlreiche Artgruppen Expertinnen und Experten zur Bekämpfung von bedient, wie die Amphiben (Geburtshelferkröte, invasiven gebietsfremden Arten im Auftrag des Gelbbauchunke, Knoblauchkröte, Kreuzkröte, HLNUG aktiv. Ab 2021 werden zusätzlich Be- Moorfrosch, Wechselkröte), Reptilien (Äskulap- raterinnen und Berater den Insektenschutz auf natter, Kreuzotter), Fische (Schlammpeitzger), Flächen und die invasive asiatische Hornisse Libellen (Helm-Azurjungfer, Große Moosjung- betreuen. fer), Käfer (Eremit), Pflanzen (Frauenschuh, Sand-Silberscharte, Verantwortungsarten), ■ Autor: Dr. Andreas Opitz, HLNUG Moose (Grünes Besenmoos, Kugelhornmoos), Bärlappe, Säugetiere (Feldhamster, Luchs, Weiterlesen: https://t1p.de/v9yf Artenhilfskonzepte Artenhilfskonzepte für Wendehals, Bachmuschel, Kreuzkröte und Co. können auf der Homepage des Seit 2007 werden im Auftrag der Abteilung N des HLNUG und der VSW abgerufen werden. HLNUG und seit 2008 im Auftrag der VSW landes- weite Artenhilfskonzepte (AHK) für besonders ■ Autor: Lars Wichmann, VSW bedrohte Pflanzen- und Tierarten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie erstellt. Priorität haben die Weiterlesen: HLNUG-Downloads https://t1p.de/uffz Arten, deren Erhaltungszustand in Hessen gemäß und VSW-Downloads https://t1p.de/8mtw FFH-Richtlinie mit „rot“ (ungünstig – schlecht) be- wertet wurde. Die mittlerweile 55 Artenhilfskonzepte liefern wertvolle Hintergrundinformationen über Verbreitung, Bestandssituation und Gefährdung der jeweiligen Art und definieren geeignete, flächen- bezogene Erhaltungsmaßnahmen an den der- zeitigen Habitaten. Zusätzlich werden kurze, leicht lesbare Maßnahmenblätter erstellt, in denen das Wichtigste zusammengefasst ist. Für Vögel gibt es zudem die sog. Gebietsstammblätter, die sich mit Empfehlungen für konkrete Maßnahmen speziell an Dritte richten. Durch diese Zusatzangebote sind die Artenhilfskonzepte auch für viele Naturschützerin- nen und –schützer in der Praxis gut umsetzbar. Die Wendehals (Jynx torquilla)
22 Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 Ziel II: Hessen-Liste Kennzahlen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 16 Sicherung und Entwicklung von Arten und Lebensräumen, für die Hessen eine besondere Verantwortung hat Die „Hessen-Liste“ ist den Akteurinnen und Akteuren Zu weiteren Maßnahmen des Ziels II gehört auch die des Naturschutzes in Behörden und vor allem aber Förderung der Akzeptanz konfliktträchtiger Arten auch im ehrenamtlichen Naturschutz inzwischen ein durch bürgernahe Öffentlichkeitsarbeit und gutes fester Begriff: In ihr sind 259 Arten und 38 Lebens- fachliches Management. Denn insbesondere in räume auch nach räumlichen Schwerpunkte aufge- Ballungsräumen oder in der Interaktion zwischen Na- listet, für die Hessen eine besondere Verantwortung turschutz und Landwirtschaft können Konflikte auf- trägt. Mit den Mitteln zur Umsetzung der Biodiversi- treten. Am Beispiel des Bibers zeigt sich dies gut: Er tätsstrategie führen Verbände, Vereine und Behörden ist ein Landschaftsarchitekt, sorgt mit seinen Umge- naturschutzfachliche Maßnahmen zur Verbesserung staltungen für neue Lebensräume seltener Tierarten. Erhaltungszustände dieser Arten und Lebensräume Gleichzeitig verursacht er aber auch Schäden. Daher vor Ort durch. bedarf es hier neben Öffentlichkeits- und Aufklä- rungsarbeit auch eines umsichtigen Managements Ein Schwerpunkt der Förderung liegt hierbei auf den der beteiligten Akteurinnen und Akteure. Auch dies für Hessen besonders charakteristischen Streuobst- gehört zu den wichtigen Aufgaben zur Umsetzung wiesen, daher erarbeitet das Umweltministerium in der Biodiversitätsstrategie. diesem Jahr auch eine Streuobststrategie. Bestandssicherung und Wiederansiedlung des Efeu- Moorglöckchens Das Efeu-Moorglöckchen (Wahlenbergia hedera- cea) besiedelt in Hessen nur noch kleine vereinzelte Flächen. Auch im restlichen Deutschland kommt die stark gefährdete Rote Liste-Art nur sehr spärlich vor. 2018 konnte im Rahmen eines vom RP Darmstadt geförderten Biodiversitätsprojekts der letzte Bestand im Odenwald durch Flächenankauf und gezielte Pflegemaßnahmen gesichert werden. Noch im Bo- den vorhandene Samen keimten und blühten wieder auf. Da sich die Pflanzen seither gut entwickeln, wurden aus den neu entstandenen Samen erfolg- Reaktiviertes Vorkommen am natürlichen Standort reich Jungpflanzen zur Wiederansiedlung aufgezo- gen. Die Auspflanzung der ersten Exemplare fand im Oktober 2020 im Naturschutzgebiet Eutergrund bei der Kreisverwaltung des Odenwaldkreises, in enger Bullau statt, gefolgt von weiteren im ehemaligen Ver- Zusammenarbeit mit dem Botaniker Dr. Markus breitungsgebiet. Getragen wird das Projekt gemein- Sonnberger. sam vom Naturschutzzentrum Odenwald (NZO) und der Abteilung Landschaftspflege und Naturschutz ■ Autorin: Jutta Schmitz, RP Darmstadt
Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 23 „Rhön-Quellschnecke im Biodiversitätsstrategie durch das RP Gießen wurde die Maßnahmendurchführung vor Ort gemeinschaft- Vogelsberg“ lich von Naturschutzbehörde und dem Forstsamt Schotten gesteuert und durch die grundbesitzenden Die Rhön-Quellschnecke – eine Art der „Hessen- Kommunen unterstützt. Liste“ – für die Hessen eine besondere Verantwor- Die Maßnahmen wurden durch die Aufstellung einer tung hat – kommt in Mittelhessen ausschließlich Hinweistafel mit Durchführung eines Pressetermins im Vogelsberg und vorrangig in Höhenlagen über öffentlichkeitswirksam präsentiert. 500 Meter vor. Sie lebt direkt im Quellaustritt und wenige Meter abwärts von Quellen mit gleichmäßig ■ Autor: Gerrit Oberheidt, RP Gießen kaltem Wasser; dies oft im Wald. Weiterlesen: https://t1p.de/r31n Auf Grundlage zahlreicher Erkenntnisse und des landesweit gültigen Artgutachtens hat die untere Naturschutzbehörde des Vogelsbergkreises mit Unterstützung des Landesverband Höhlen- und Karstforschung im Jahre 2016 die Initiative zur Rena- turierung zuvor kartierter Quellen ergriffen. Ziel war jeweils die Entfernung der Quellenverbauungen und Verrohrungen zur Wiederherstellung eines geeigne- ten Lebensraums der Rhön-Quellschnecke. Nach erfolgreicher Antragstellung und Finan- In Höhenlagen meist über 500 Metern kommt die Rhön- zierungszusage aus Mitteln der Hessischen Quellschnecke (Bythinella compressa) noch vor ■ Förderung der Biodiversität im hat sie ein Maßnahmenprogramm zur langfristi- gen Erhaltung und Förderung der Biodiversität Streuobstgebiet Witzenhausen- im Streuobstgebiet rund um Wendershausen Wendershausen erarbeitet. Neben der Erhaltung der wertvollen Baumbestände gilt es ein umfassendes Rund um den Ort Wendershausen befinden sich Nutzungskonzept in Kooperation mit besonders wertvolle Streuobstwiesen mit zahlrei- den ortsansässigen Bewirtschaf- chen hoch- und halbstämmigen Kirschbäumen. terinnen und Bewirtschaftern zu Vor allem die Bestände mit einem hohen Anteil entwickeln. an alten Bäumen, viel Totholz und Baumhöhlen in Waldrandnähe sind regelrechte „Hotspots der Im Frühjahr 2020 wurde mit Biologischen Artenvielfalt“. Revitalisierungs- und Stabi- lisierungsschnitten an er- Sie bieten Rückzugsräume für zahlreiche be- haltenswerten, bestehenden drohte Arten - darunter auch viele, die besonders Bäumen begonnen. Zudem sensibel auf Veränderungen ihres Lebensraumes wurden 140 hochstämmige in Folge des Klimawandels reagieren. Zu diesen Obstbäume, insbesondere gehören zum Beispiel Mittelspecht, Wendehals, Kirschen, gepflanzt. Die Förderung Steinkauz, Haselmaus, Eremit oder die Mopsfle- dieser Maßnahmen erfolgt aus Bio- dermaus. diversitätsmitteln des Landes Hessen. Die Maßnahmen schließen die Erhaltung des unter Innerhalb des Geo-Naturparks Frau-Holle-Land den Bäumen befindlichen Grünlands mit ein. nimmt die Abteilung Naturschutz und Land- schaftspflege seit Juli 2020 die Aufgaben eines ■ Autorin: Susanne Pfingst, Geo-Naturpark Landschaftspflegeverbandes im Werra-Meißner- Frau-Holle-Land Kreis wahr. Im Rahmen eines Projekts während der Pilotphase zum Landschaftspflegeverband Weiterlesen: https://t1p.de/hhz0
24 Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 Nur extensiv genutzte Streuobstwiesen können sich zu sehr artenreichen Lebensräume entwickeln Streuobst Streuobst ist ein hessisches Kulturgut mit herausra- im Rahmen der Umset- gender Bedeutung für die Biologische Vielfalt. Viele zung der Hessischen Biodi- Streuobstbestände befinden sich jedoch in keinem versitätsstrategie bereits jetzt schon verschiedenste guten Pflegezustand oder wurden im Laufe der Aktivitäten und stellt finanzielle Mittel bereit, um die Jahre in eine intensive Nutzung überführt. Mit der in hessischen Streuobstbestände zu schützen und zu Arbeit befindlichen Streuobstwiesenstrategie wird erhalten. Streuobstwiesen stehen auf der Hessen- das Ziel verfolgt, die für die Artenvielfalt wertvollen Liste der Arten und Lebensräume, für deren Erhalt Streuobstwiesen zu schützen und zu erhalten. Aber Hessen eine besondere Verantwortung trägt. Neuan- auch abseits dieser Strategie unternimmt das Land lagen von Streuobstwiesen, Nachpflanzungen sowie die Instandsetzungspflege überalterter Bestände wurden beispielsweise in den letzten Jahren über Landesmittel gefördert. Von den Maßnahmen sowie der Überführung in eine extensive Landnutzung (Beweidung oder Mahd) profitieren Streuobst-Cha- rakterarten wie beispielsweise Gartenrotschwanz, Steinkauz oder Wendehals. Die VSW stellt neben Artenhilfskonzepten und Maßnahmenblättern auch einen Berater für diese Streuobst-Charakterarten zur Verfügung. Die Beratung hinsichtlich der langfristi- gen Habitatgestaltung für diese Vogelarten kann von Vereinen, Behörden und Privatpersonen auf Anfrage bei der VSW in Anspruch genommen werden (info@ vswffm.de). Wanderbeweidung sorgt für eine typische Artenaus- wahl und deren genetischen Austausch mit anderen ■ Autorin: Amelie Hübner, Hessisches Vorkommen Umweltministerium
Hessischer Biodiversitätsbericht 2020 25 Artenhilfsmaßnahmen für windenergiesensible Arten gestärkt Das Land Hessen intensiviert Artenhilfs- maßnahmen für windenergiesensible Arten, insbesondere für Fledermausarten in FFH-Gebieten und für Vogelarten in Vogelschutzgebieten: Hessen betont bei der Umsetzung der Bewirtschaftungspläne für Natura-2000-Gebiete Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung des Erhal- tungszustands dieser Arten. Darüber hinaus werden auch außerhalb solcher Gebiete Artenhilfsmaßnahmen besonders für diese Arten durchgeführt. Hierzu hat das Land Hessen ein landesweites Hilfsprogramm für windenergiesensible Arten gestartet. Im Rahmen des Programms sollen Maßnahmen für die windenergiesensiblen Vogelarten Schwarzstorch, Rotmilan, Wespenbussard und Waldschnepfe sowie die windenergie- sensiblen Fledermausarten Großer und Kleiner Abendsegler, Mopsfledermaus, Bechsteinfledermaus und Rauhautfledermaus umge- Artenhilfsmaßnahmen für Rotmilan, Schwarzstorch setzt werden. Als erste Maßnahmen wurden Schutz- und Wespenbussard ausgegeben. Hinzu kommen zonen im Umkreis von bis zu 200 Meter um Schwarz- Grünlandmaßnahmen im HALM, Maßnahmen nach storchhorste im hessischen Staatswald eingerichtet. IKSP oder Maßnahmen zur Umsetzung der Was- Im Körperschafts- und Privatwald werden solche serrahmenrichtlinie (WRRL), die ebenfalls positive Maßnahmen durch Vertragsnaturschutz angestrebt. Wirkungen entfalten. Schließlich sollen die Aus- In allen Waldbesitzarten sollen zudem Horstschutz- gleichsmaßnahmen der Projektträger künftig stärker maßnahmen gegen den Waschbären erfolgen. Für in Populationsschwerpunkte gelenkt werden. die genannten Maßnahmen wurden für das Jahr 2021 zusätzlich 80.000 Euro eingeplant. 2017 bis ■ Autor: Klaus-Ulrich Battefeld, Hessisches 2019 hat das Land bereits mehr als 300.000 Euro für Umweltministerium Sechs Schwarzstörche (Ciconia nigra) am Edersee
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