Strategie Digitalaussenpolitik 2021-2024 - Der Bundesrat ...
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Aussenpolitische Strategie 2020–2023 Strategie Digitalaussenpolitik 2021–2024 Beim vorliegenden Bericht, der vom Bundesrat am 4. November 2020 gutgeheissen wurde, handelt es sich um eine thematische Folgestrategie zur Aussenpolitischen Strategie 2020–2023. Zugleich erfüllt die Strategie das Postulat 17.3789 von alt Nationalrat Claude Béglé vom 28. September 2017. 2
Vorwort Die Digitalisierung durchdringt alle unsere Lebensbereiche. und stärken das Vertrauen zwischen den verschiedenen Sie ist zu einem bestimmenden Megatrend geworden, Akteuren? Dies alles sind Fragen der Digitalaussenpolitik, der die Welt in den kommenden Jahrzehnten weiterhin einem neueren Themenfeld der Aussenpolitik. entscheidend mitprägen wird. Der digitale Wandel ist rasant, die weitere Entwicklung kaum vorhersehbar. Klar Auch im digitalen Raum verfolgt die Schweiz selbstbewusst aber ist: Neue Technologien werden unsere Zukunft massge- und selbstständig ihre Interessen und Werte – es sind die blich mitgestalten und sie bieten ein enormes Potenzial für gleichen, welche die Schweiz auch in anderen Räumen nachhaltige Entwicklung und Wohlstand – in der Schweiz verfolgt, sei dies auf Boden, in der Luft, zur See oder im wie auch weltweit. Weltall. Die Bundesverfassung gibt auch hier den Rahmen vor. Es geht um die Freiheit, Unabhängigkeit, Sicherheit und Soziale Medien erlauben uns den Kontakt über tausende Wohlfahrt der Schweiz, die Linderung von Not und Armut von Kilometern, Computer haben schon längst fast alle in der Welt, nachhaltige Entwicklung, Chancengleichheit, Rechenaufgaben übernommen und die jüngere Generation Menschenrechte, Demokratie und den Einsatz für eine fried- wächst mit Smartphones und Tablets auf. Die künstliche liche und gerechte internationale Ordnung. Auch in Zukunft Intelligenz nimmt immer mehr Einzug in unseren Alltag und tun wir gut daran, uns daran zu orientieren und damit für im Kontext der Covid-19-Pandemie spielen digitale Anwen- eine kohärente und wirksame Aussenpolitik einzustehen – dungen eine zentrale Rolle. Gleichzeitig betrachten wir die auch im digitalen Raum. stark zugenommene Verletzlichkeit unserer daten- und computerbasierten Gesellschaft mit Sorge; Cyber-Angriffe, Die vorliegende Strategie definiert die Aktionsfelder der Cyber-Kriminalität und politische Manipulation treten Digitalaussenpolitik des Bundesrats für die kommenden immer deutlicher im digitalen Raum in Erscheinung, und die Jahre. Im Anhang finden sich zahlreiche Zusatzinforma- Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten nehmen zu. tionen, die das Thema einordnen und das Verständnis fördern sollen. Der Bundesrat misst der Digitalisierung eine grosse Bedeutung zu. In der Legislaturplanung 2019–2023 nimmt Ich wünsche Ihnen viel Freude an der Lektüre. sie neu einen grösseren Stellenwert ein und auch in und für die Aussenpolitik spielt sie zunehmend eine wichtige Rolle. So figuriert sie in der Aussenpolitischen Strategie 2020–2023 erstmals als eine von vier thematischen Schwer- punkten. Die Digitalisierung ist einerseits ein Instrument: Sie hilft Ignazio Cassis Prozesse einfacher zu gestalten, etwa im Bereich der konsu- Vorsteher Eidgenössisches Departement larischen Dienstleistungen oder der IT. Sie ist andererseits für auswärtige Angelegenheiten aber auch ein aussenpolitisches Themenfeld und bringt entsprechende Fragen auf: Wie stellen wir sicher, dass Nutze- rinnen und Nutzer selbstbestimmt über ihre Daten verfügen können? Wie erhalten wir die Spitzenposition der Schweiz im Bereich Wirtschaft, Innovation und Bildung? Wie stärken wir den Platz des internationalen Genf als Zentrum der digitalen Gouvernanz? Wie verschaffen wir dem Völkerrecht und den Menschenrechten auch im digitalen Raum Geltung? Wie fördern wir einen sicheren und stabilen digitalen Raum Vorwort
Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangslage 1 1.1 Postulat 17.3789 1 1.2 Stossrichtung der Strategie 1 1.3 Konzeptionelles Verständnis 3 2 Digitalaussenpolitik der Schweiz 5 2.1 Interessen und Werte 5 2.2 Stärken der Schweiz 5 3 Internationales Umfeld 6 4 Aktionsfelder 8 4.1 Digitale Gouvernanz 8 4.2 Wohlstand und nachhaltige Entwicklung 10 4.3 Cybersicherheit 12 4.4 Digitale Selbstbestimmung 14 5 Chancen für den Standort Schweiz 16 6 Schlussfolgerung 17 Anhang 1: Abkürzungsverzeichnis 18 Anhang 2: Glossar 19 Anhang 3: Konzeptionelle Grundlagen 22 Anhang 4: Internationales Regelwerk 25 Anhang 5: Wichtige Akteure, Foren und Prozesse 27 Anhang 6: Postulat 17.3789 43 Inhaltsverzeichnis
1 Ausgangslage 1.1 Postulat 17.3789 Mit der vorliegenden Strategie erfüllt der Bundesrat das Der Bundesrat beantragte am 8. Dezember 2017 die Postulat 17.3789. Dieses wurde am 28. September 2017 von Annahme des Postulates. Dabei wies er darauf hin, dass die alt Nationalrat Claude Béglé eingereicht und beauftragt den Idee einer Genfer Digitalkonvention bei den meisten Akteuren Bundesrat zu prüfen, «wie die Schweiz zum Welt-Epizentrum auf grosse Skepsis stösst und kaum realisiert werden kann. der internationalen Gouvernanz im Bereich Cyberspace Zugleich erklärte er sich bereit, in einem Bericht die Schwer- werden könnte». Das Postulat regt zudem die Schaffung einer punkte der Schweiz in den Bereichen der internationalen Art Genfer Konvention zur Digitalisierung und Gründung Cybersicherheit und der digitalen Gouvernanz darzulegen. einer neutralen Organisation in Genf an, welche für deren Der Nationalrat nahm das Postulat am 15. März 2018 mit 113 Umsetzung sorgen könnte. zu 78 Stimmen an. 1.2 Stossrichtung der Strategie Seit Annahme des Postulates ist die Digitalisierung weiter Stärkung der Rolle der Schweiz als Gaststaat 2020–2023.1 fortgeschritten. Sie durchdringt und verändert Politik, Im Aussenwirtschaftsbericht des Bundesrates 2019 war das Wirtschaft und Gesellschaft. Der digitale Fortschritt birgt Schwerpunktkapitel zudem dem Thema «Digitalisierung und viele Chancen, bringt aber auch neue Herausforderungen Aussenwirtschaft» gewidmet.2 und Fragestellungen mit sich. Die globale Covid-19-Krise hat dies verdeutlicht: So ermöglichen neue digitale Technologien Auch auf internationaler Ebene fanden zwischenzeitlich den Verlauf einer Pandemie besser nachzuvollziehen und wichtige Prozesse statt. So hat der UNO-Generalsekretär einzudämmen, wie beispielsweise durch das digitale contact mit der Schaffung und dem Bericht des High-level Panels tracing, und sie zeigen die Bedeutung von technischen zur Digitalen Zusammenarbeit das Thema prominent auf Standardisierungsfragen und der grenzüberschreitenden die internationale Agenda gebracht. Der unter Mitarbeit Zusammenarbeit auf; gleichzeitig werfen diese Technologien von alt Bundesrätin Doris Leuthard als Panelistin erarbeitete aber auch viele Fragen, wie beispielsweise zur Anwendungs- Abschlussbericht enthält wichtige Empfehlungen zur Stärkung sicherheit und zum Datenschutz, auf. der globalen digitalen Zusammenarbeit. Am 10. Juni 2020 hat der UNO-Generalsekretär darauf basierend eine Road Der Bundesrat trägt der wachsenden Bedeutung der Digita- Map vorgestellt, welche die nächsten praktischen Schritte zur lisierung Rechnung. In der Legislaturplanung 2019–2023 Umsetzung dieser Empfehlungen aufzeigt. Schwerpunkte hat er dem Thema mehr Gewicht verliehen. In den entspre- sind ein besserer Zugang zum Internet weltweit, verstärkter chenden Leitlinien wurde die Nutzung der vielfältigen Kapazitätsaufbau in Entwicklungsländern, der Schutz der Chancen der Digitalisierung neu in der politischen Agenda Menschenrechte, die Stärkung der Cybersicherheit und die des Bundesrats verankert. In der Aussenpolitischen Strategie Förderung inklusiver Gouvernanzmodelle.3 2020–2023 figuriert die Digitalisierung als ein neuer thema- tischer Schwerpunkt der Aussenpolitik neben Frieden und Sicherheit, Wohlstand und Nachhaltigkeit. Die Strategie «Digitale Schweiz» des Bundesrats vom September 2020 gibt die Leitlinien für das staatliche Handeln in Bezug auf die Digitalisierung vor und zeigt auf, wo und wie Behörden, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik zusam- menarbeiten müssen, um den Transformationsprozess gemeinsam zum Nutzen des Gemeinwesens gestalten zu können. Weitere Grundlagendokumente in Bezug auf die Digitalisierung wurden in den letzten Jahren verabschiedet. 1 Siehe Anhang 3. Dazu zählen die Nationale Strategie zum Schutz der Schweiz 2 Vgl. Digitalisierung und Aussenwirtschaft, Schwerpunktkapitel des Berichtes des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 2019 vom 15. Januar 2020, SR vor Cyberrisiken 2018–2022, die Strategie der internationalen 20.008. Zusammenarbeit 2021–2024 sowie die Massnahmen zur 3 Road Map des UNO-Generalsekretärs zur digitalen Kooperation Ausgangslage 1
Länder und Organisationen wie auch die Europäische Union4 Die vorliegende Strategie erläutert das konzeptionelle haben zudem internationale Regelwerke geschaffen, die Verständnis von wichtigen Begrifflichkeiten, beschreibt das auch die Schweiz und ihre Aussenpolitik tangieren. internationale Umfeld, zeigt die Interessen und Werte der Schweiz im digitalen Raum und ihre Stärken auf, identifiziert Diesem Kontext gilt es Rechnung zu tragen. Der Bundesrat vier Aktionsfelder für die Schweizerische Digitalaussenpolitik nimmt die grundlegenden Fragen des Postulates 17.3789 für die kommenden vier Jahre und beschreibt die Chancen für zur aussenpolitischen Positionierung der Schweiz und der den Standort Schweiz. Zum besseren Verständnis von Begriff- Standortpositionierung des Internationalen Genfs auf, geht lichkeiten liegt der Strategie ein Glossar bei. dabei aber in dreierlei Hinsicht weiter: Erstens integriert er die aktuellsten Entwicklungen auf internationaler Ebene, spezi- fisch die vom UNO-Generalsekretär vorgestellte Road Map. Zweitens strebt er ein umfassendes Verständnis von Chancen und Risiken der Digitalisierung an und geht somit über den Cybersicherheits-spezifischen Fokus hinaus. Drittens konzi- piert er den Bericht in Erfüllung des Postulats als thematische Folgestrategie zur Aussenpolitischen Strategie 2020–2023. Gemäss dieser Strategie will die Schweiz ihre Digitalaussen- politik weiterentwickeln und ihr entsprechendes Profil ausbauen (Ziel 4.4). Dem wird hier Rechnung getragen. 4 Im Bereich des Datenschutzes hat die EU mit der Datenschutz- Grundverordnung (GDPR) eine globale Vorreiterrolle zum Schutz von persönlichen Daten eingenommen. Im Rahmen ihrer Datenstrategie will die EU ein übergreifendes Gouvernanzmodell aufbauen. In einem Weissbuch zur Künstlichen Intelligenz (KI) hat die EU-Kommission zudem dargelegt, wie KI für die europäische Wirtschaft genutzt und Bürgerrechte dabei gewahrt werden sollen. Die EU-Digitalstrategie und die Massnahmen in den Bereichen Digital Single Market sowie Cybersicherheit tragen ebenfalls zum Regelwerk der EU bei. Ebene 1 Strategisch (Bundesrat) Aussenpolitische Strategie 2020–2023 Geografisch Thematisch Thematisch IZA-Strategie Ebene 2 MENA Strategie 2021–2024 2021–2024 China Strategie 2021–2024 Strategie Strategie Subsahara-Afrika Strategie Digitalaussenpolitik Landeskommunikation 2021–2024 2021–2024 2021–2024 Operationell (Departemente) Ebene 3 IZA: regionale/thematische Leitlinien und Länder-Kooperationsprogramme Leitlinien Menschenrechte 2021–2024 Grafik 1: Aussenpolitische Strategiekaskade (Quelle: EDA – illustrative Auswahl an Dokumenten). 2 Ausgangslage
1.3 Konzeptionelles Verständnis Klar abgrenzbare Definitionen sind in den Themenfeldern Beim digitalen Raum handelt es sich grundsätzlich um der Digitalisierung schwierig. Die Technologie entwickelt sich Netzwerke von Geräten, welche gegenseitig Daten austau- rasant und sie durchdringt alle Lebensbereiche. Ein gemein- schen. Das meistbenutzte und mit Abstand globalste dieser sames Verständnis der wichtigsten Begrifflichkeiten bleibt Netzwerke ist das Internet. Gegenwärtig sind rund 50 Milli- hingegen notwendig und folgende Definitionen werden im arden Endgeräte dem Internet angehängt und gemäss UNO Rahmen dieser Strategie vorgeschlagen: haben 54 Prozent der Weltbevölkerung aktiven Zugang.5 Der digitale Raum umfasst aber nicht nur Netzwerke und Geräte, Die Digitalisierung beschrieb ursprünglich den techni- sondern auch die Akteure, verschiedenen Prozesse und Inter- schen Prozess, analoge Informationen in digitale Formate aktionen. Wie der Boden, die See und die Luft als Räume umzuwandeln. Heute wird dies mit dem englischen verstanden werden – und wie der Weltall erst seit kurzem Begriff digitization umschrieben. Durch die fortschreitende in der Menschheitsgeschichte als neuer Raum erschlossen Entwicklung im technologischen Bereich ergaben sich struk- und erreichbar wurde – so ist auch der digitale Raum als eine turelle Änderungen, neue Anwendungen und Systeme wie neue Dimension zu verstehen, der sich über Landesgrenzen beispielsweise die Schaffung von Netzwerken oder der Einsatz hinweg erstreckt. von künstlicher Intelligenz (KI). Heute wird unter Digitalisierung deshalb die gesamte Breite dieser Entwicklungen, inklusive ihrer Anwendungsmöglichkeiten sowie beispielsweise gesell- schaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Auswirkungen verstanden (im englisch: digitalization). 5 Road Map UNO-Generalsekretär, Seite 5. N LU T IO NE U VO ET RE EC LE DIGITALISIERUNG HN OL I EL OG S TR I litik 2021–2024: Ak EN U e n po ND ss t i on EI l au s fe ta RT l de ig i r V IE D Gouvernanz Aussenpolitische Strategie 2020-2023 Se lb Wohlstand und En t w i c k l u n g n ach ha l ti g e s t be s t i m m u n g Interessen Dig it a le und Werte der Schweiz Vierter thematischer Schwerpunkt Digitalisierung C ybe rsicher heit Grafik 2: Veranschaulichung der Begrifflichkeiten und der vier Aktionsfeldern der Digitalaussenpolitik (Quelle: EDA). Ausgangslage 3
Auch in diesem neuen, digitalen Raum hat die Schweiz Inter- Schliesslich ist die Digitalisierung nur ein Teilbereich einer essen und Werte – sie sind Gegenstand der Digital- und grösseren Transformation. Die sogenannte Digitalisierung 2.0, darin der Digitalaussenpolitik. Letztere ist ein neueres die auf neuen Kommunikationstechnologien und Elementen Themenfeld der Schweizer Aussenpolitik. Sie reiht sich aller- wie dem Internet der Dinge, Big Data, Blockchain, Quantum- dings ein in den Mitgestaltungsanspruch der Schweiz in computing und Cloud-Technologien basiert, wird bereits allen Politikbereichen: Dem Schutz ihrer Souveränität, ihrer heute überlagert von ähnlich gewichtigen Neuerungen im Unabhängigkeit und Sicherheit, dem Zugang ihrer Wirtschaft Bereich der Bio- und Gentechnologien. Dort wo Digital-, zu internationalen Märkten, dem Einsatz für Nachhaltigkeit Bio- und physische Technologien konvergieren, spricht man und für eine gerechte internationale Ordnung, dem Zugang von der Vierten industriellen Revolution. Das Verände- möglichst aller Bevölkerungsgruppen zu Lebenschancen rungspotenzial, das jeder dieser Technologiebereiche bereits sowie dem Schutz der Menschenrechte. Die Digitalaussenpo- enthält, potenziert sich durch das Zusammenkommen und litik weist somit inhaltlich nicht eine neue Qualität auf, sie ist -wirken dieser Teilbereiche. vielmehr als die Weiterführung einer bewährten Interessens- wahrung und Werteförderung in einem neuartigen Raum zu Die vorliegende Strategie beschränkt sich auf den Bereich verstehen. der Digitalisierung, bezieht aber Schnittstellen zu anderen neuen Technologien mit ein. Eine wichtige Rolle spielt hier Eine zentrale Rolle nimmt die Förderung der digitalen die Wissenschaftsdiplomatie. Da, wo Wissenschaft, Gouvernanz ein. Sie ist ein wichtiger Teilbereich der Digital- Technologie und Aussenpolitik interagieren, eröffnen sich aussenpolitik. Durch sie sollen gemeinsame Regeln im neue Themen- und Aktionsfelder. Für die Gestaltung des digitalen Raum erhalten, beziehungsweise geschaffen und digitalen Wandels ist die Wissenschaftsdiplomatie eine die Institutionen und Mechanismen der Zusammenarbeit wichtige Grundvoraussetzung. Die Aussenpolitik soll sich gestärkt werden. auf wissenschaftliche Expertise und Erkenntnisse abstützen (science in diplomacy) und sie soll selber zu grenzüberschei- Ein ebenso wichtiger Teilbereich der Digitalaussenpolitik ist tender Wissenschaftskooperation beitragen und diese, wo die Cybersicherheit. Sie befasst sich mit allen Aspekten angezeigt, fördern (diplomacy for science). Gleichzeitig kann der Sicherheit in der Informations- und Kommunikations- eine wissenschaftliche Zusammenarbeit dort besonderen technologie. Dies umfasst die gesamte mit dem Internet und politischen Nutzen bringen, wo etablierte diplomatische vergleichbaren Netzen verbundene Informationstechnik und Kanäle fehlen, beziehungsweise unzureichend sind und zu schliesst darauf basierende Kommunikation, Anwendungen, Vertrauen und gemeinsamer Kooperation beitragen (science Prozesse und verarbeitete Informationen mit ein. Durch inter- for diplomacy). 6 Die Digitalaussenpolitik und Wissenschafts- nationale Kooperation von staatlichen und nichtstaatlichen diplomatie sind somit eng miteinander verknüpft, insbe- Akteuren im Bereich Cybersicherheit soll ein offener, freier sondere im multilateralen Rahmen. und sicherer digitaler Raum erhalten und geschützt werden. Mit ihr kann auch das Risiko von Cyberangriffen zwischen Staaten reduziert werden. Der Begriff Cyber wird auf inter- nationaler Ebene deshalb meistens in Zusammenhang mit Fragen der Sicherheit und der Vertrauensbildung verwendet, während der Begriff Digital einen breiteren sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bereich umfasst. 6 Vgl. auch Internationale Strategie der Schweiz im Bereich Bildung, Forschung und Innovation, 2018. 4 Ausgangslage
2 Digitalaussenpolitik der Schweiz 2.1 Interessen und Werte Kernauftrag der Schweizer Aussenpolitik ist die Förderung der Die Aussenpolitische Strategie 2020–2023 definiert die Grund- Interessen und Werte der Schweiz wie diese in der Bundes- lagen für die Digitalaussenpolitik und gibt die Vision eines verfassung – insb. in den Artikeln 2, 54 und 101 – definiert freien, offenen und sicheren digitalen Raums vor. Sie stützt sind. Diese Interessen und Werte ändern sich nicht mit dem sich dabei auf das Völkerrecht und stellt die Menschen mit Aufkommen neuer Technologien sowie dem Voranschreiten ihren Bedürfnissen ins Zentrum.7 Konkret sollen das Profil der der Digitalisierung. Schweiz in der digitalen Gouvernanz gestärkt werden, die Digitalaussenpolitik weiterentwickelt und das Internationale Der Gestaltungsanspruch der schweizerischen Aussenpolitik Genf als führender Standort der Digitalisierungs- und Techno- kann nicht im physischen Raum enden. Die Interessen und logiedebatten positioniert werden. Die vorliegende Strategie Werte der Schweiz gelten auch im und für den digitalen Raum. stützt sich entsprechend auf die Aussenpolitische Strategie Die Digitalaussenpolitik ist das Instrument, um diese Interessen 2020–2023 und entwickelt ihre Vorgaben im Bereich der auch innerhalb des digitalen Raums zu wahren und die Werte Digitalaussenpolitik weiter. der Schweiz zu fördern. 7 Vgl. Anhang 3. 2.2 Stärken der Schweiz Die Schweiz kann mit ihrer Neutralität und ihren Guten Diensten als lösungsorientierte, glaubwürdige und kompetente Partnerin Vertrauen schaffen. Diese bilden eine günstige Voraussetzung wahrgenommen und geschätzt wird. für die Schweiz, sich in einem schwierigen und fragmentierten Umfeld auch im digitalen Raum als Brückenbauerin zu positio- Die Schweiz kann auch von ihrer Rolle als Gaststaat profitieren. nieren. Angesichts digitaler Geopolitik und einer Tendenz zur Der Standort Schweiz mit dem Internationalen Genf als opera- Blockbildung braucht es vermehrt vermittelnde Stimmen. Die tioneller Plattform für die Verwirklichung der Agenda 2030 und Schweiz kann dabei an wichtige Erfolge anknüpfen und auf ihrer 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung eröffnet ihr ein bewährtes Engagement bauen: So ist es ihr in den letzten verschiedene Möglichkeiten. Gleichzeitig wirkt sie mit ihren Jahrzehnten immer wieder gelungen, in internationalen Technischen Hochschulen und anderen Forschungsstätten Diskussionen wichtige Impulse zu setzen, zum Beispiel mit der an vorderster Front mit, wenn es um die Erforschung neuer Austragung des Weltgipfels zur Informationsgesellschaft (WSIS) Technologien geht. Innovative und weltweit führende Techno- 2003 in Genf oder später bei der Reform der der Internet logieunternehmen sind in der Schweiz ansässig, hinzu kommt Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN). Diese eine vielfältige KMU-Landschaft gerade im Bereich der digitalen weist Adressen im Internet zu und stand bis 2016 unter direkter Dienstleistungen. Insgesamt hat der Finanz- und Werkplatz Aufsicht der amerikanischen Regierung. Dieser Umstand Schweiz bislang erfolgreich auf die Herausforderungen der führte während zwei Jahrzehnten zu heftigen politischen Digitalisierung reagiert. Darüber hinaus haben wichtige inter- Kontroversen. Unter Schweizer Vorsitz des Regierungsbeirates nationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen konnte eine Überführung der ICANN in ein Multistakeholder- (NGO), welche die Diskussionen über den digitalen Wandel Modell verhandelt werden. Ein weiteres Beispiel ist die von der mitprägen, ihren Sitz in der Schweiz. Die Präsenz dieser Akteure UNO-Generalversammlung mandatierte Open-Ended Working versetzt die Schweiz in eine gute Ausgangslage für Diskus- Group on Developments in the Field of ICTs in the Context of sionen über digitale Themen.8 International Security (UN OEWG). Die Schweiz hat den Vorsitz dieser wichtigen globalen UNO-Arbeitsgruppe inne. Auch in der Group of Governmental Experts on Advancing respon- sible State behaviour in cyberspace in the context of interna- tional security (UN GGE) ist die Schweiz bereits zum zweiten Mal mit einer Expertin vertreten. Über 70 Staaten hatten sich für einen Einsitz in dieser Gruppe von 25 Expertinnen und Experten beworben. Diese Bespiele zeigen, dass die Schweiz 8 Vgl. Anhang 5. Digitalaussenpolitik der Schweiz 5
3 Internationales Umfeld Folgende Herausforderung sind auf internationaler Ebene erkennbar: Geopolitik und autoritäre Tendenzen Rechts(un)sicherheit Technologiewettlauf und Machtkonzentrationen INTERNATIONALES UMFELD Wichtigkeit Geschwindigkeit privater Akteure des digitalen Fortschritts Grafik 3: Das internationale Umfeld (Quelle: EDA). Geopolitik und autoritäre Tendenzen Die anhaltenden globalen Machtverschiebungen haben eine Machterhalt von Regierungen in mehreren Ländern steigt. zunehmende politische Fragmentierung mit sich gebracht. Die In diesem polarisierten Kontext zeichnet sich allmählich ein Renaissance der Geopolitik manifestiert sich auch im digitalen europäischer Weg ab, der die Nutzung des wirtschaftlichen Raum. Sie birgt zum Beispiel die Gefahr sich voneinander und gesellschaftlichen Potenzials der Digitalisierung unter abkoppelnder Netzwerke und damit einer Schwächung des grösstmöglicher Wahrung der individuellen Rechte ermög- offenen, weltumspannenden Internets. Deglobalisierungs- lichen will. tendenzen auch im Zuge von Covid-19 leisten zudem einer Regionalisierung im Zeichen konkurrierender Wirtschafts-, Entwicklungs- und Gesellschaftssysteme Vorschub. Das liberal-demokratische Modell bleibt zwar erfolgreich, steht aber zunehmend unter Druck. Autoritäre Tendenzen und Modelle, welche Entwicklung und Wohlstand nicht mit indivi- duellen Rechten sowie politischem und gesellschaftlichem Pluralismus verbinden, nehmen in vielen Regionen der Welt zu. Auch der Missbrauch digitaler Technologien etwa für den 6 Internationales Umfeld
Technologiewettlauf und Wichtigkeit privater Akteure Machtkonzentrationen Mit der Kommerzialisierung des Internets ist auch der Einfluss Es gibt Anzeichen für einen Technologiewettlauf, insbe- von privatwirtschaftlichen Akteuren gestiegen. So werden sondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz.9 Denn Daten oft nicht nur technische Komponenten von privaten Körper- werden zu einer strategischen Ressource und zu einem schaften geliefert, sondern auch die Telekommunikations- zentralen Rohstoff der digitalisierten Wirtschaft. Ihnen dienstleistungen vielerorts durch den Privatsektor erbracht. kommt eine Schlüsselrolle zu, da sich durch ihre Verknüpfung Bei der Erbringung einiger digitalen Dienstleistungen hat ein schnellere und genauere Vorhersagen machen lassen. Sie Prozess der Konzentration stattgefunden: Grosskonzerne haben damit das Potenzial, bestehende Machtkonstellationen amerikanischer Provenienz aber auch asiatische Konkur- zu verändern. Die wachsende Datenkonzentration in den renten haben dominierende Stellungen errungen und setzen Händen weniger Länder oder Unternehmen bringt zudem ihre Standards durch. Mittels ihrer Allgemeinen Geschäftsbe- neue politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten mit sich. dingungen können sie den Alltag von Milliarden von Nutze- Einem gleichberechtigten Zugang zur Netzinfrastruktur und rinnen und Nutzern beeinflussen. Die Politik der einzelnen -geschwindigkeiten kommt deshalb eine bedeutende Rolle Staaten hält mit diesen Entwicklungen kaum Schritt. Der zu (Netzneutralität). Einbezug des Privatsektors, sowie der Zivilgesellschaft und der technischen und akademischen Gemeinschaft, bei allen Gouvernanzfragen sowie in der Politikausgestaltung ist daher Geschwindigkeit des digitalen Fortschritts zentral. Wie kaum ein anderer Prozess in der Menschheitsgeschichte vollzieht sich die Digitalisierung mit einer bemerkenswerten Rechts(un)sicherheit Geschwindigkeit. Während das Radio und das Fernsehen 38 beziehungsweise 13 Jahre benötigten, um 50 Millionen Während die Regulierung des digitalen Raumes in verschie- Nutzerinnen und Nutzer zu gewinnen, brauchte das Internet denen Staaten und teils auch regional voranschreitet, dafür gerade einmal vier Jahre. Auch das Smartphone prägte bleibt das internationale Regelwerk für den digitalen Raum die Welt innerhalb eines Jahrzehnts stark. Anders als früher lückenhaft. Zwar gibt es bestehende multilaterale Regeln, sind technologische Errungenschaften heute oftmals fast die weitgehend vor der Digitalisierung geschaffen wurden überall gleichzeitig verfügbar. Die Entwicklungen in Bereichen und grundsätzlich auch im digitalen Raum gelten. Indes wie dem Cloud-Computing, maschinellem Lernen und der besteht hinsichtlich deren konkreter Anwendung oftmals Automatisierung verlaufen rasant: mit weiteren, teilweise Unsicherheit oder Uneinigkeit, da sie bezüglich konkreter disruptiven Veränderungen ist zu rechnen. Hinsichtlich der Sachverhalte vielfach auslegebedürftig sind. Es sind aber viele Vierten Industriellen Revolution wird von Expertinnen und Prozesse im Gang, bei denen zahlreiche Akteure spezifische Experten erwartet, dass sie frühere Revolutionen nicht nur Regeln und Standards für den digitalen Raum entwickeln. an Geschwindigkeit übertreffen wird, sondern auch in ihrem Somit überlagern sich alte und neue Instrumente mit unter- Ausmass und in ihrer Wirkung auf die wirtschaftlichen, schiedlichen Verbindlichkeitsgraden und Geltungsbereichen. sozialen und politischen Systeme. Dies kann zu Rechtsunsicherheit und diskriminierenden Massnahmen führen, was Investitionen und Innovation verhindert. Zudem führt diese Situation zu Unklarheiten betreffend die Verantwortlichkeiten im digitalen Raum. Mächtige Staaten setzen ihre Positionen vermehrt bilateral, wenn nicht sogar unilateral, durch, und internationale Organi- sationen sind oft nicht in der Lage, Völkerrechtsverstösse zu ahnden. Rechtskollisionen und zwischenstaatliche Rechts- streitigkeiten dürften entsprechend künftig zunehmen. 9 Vgl Die Schweiz in der Welt 2028: Bericht der Arbeitsgruppe «Aussenpolitische Vision Schweiz 2028 », 2. Juli 2019. Internationales Umfeld 7
4 Aktionsfelder Aus dem beschriebenen Umfeld und basierend auf den zu nutzen, auf bestehende Stärken aufzubauen sowie mit erwähnten schweizerischen Interessen und Werten im digitalen gezielter Schwerpunktbildung aussenpolitische Initiativen zu Raum können verschiedene Aktionsfelder für die schweizerische verfolgen. Die Kohärenz nimmt hierbei, wie in der Aussenpoli- Digitalaussenpolitik abgeleitet werden. Ihre Umsetzung fordert tischen Strategie 2020–2023 erläutert, eine zentrale Rolle ein. alle Departemente und bedingt eine verstärkte interdeparte- mentale Zusammenarbeit. Es gilt technische mit politischen Folgende Aktionsfelder stehen für die schweizerische Digital- Erwägungen zu verknüpfen, Risiken zu mindern und Chancen aussenpolitik in der aktuellen Legislatur im Vordergrund: 4.1 Digitale Gouvernanz Gerade ein globales Phänomen wie die Digitalisierung bedarf zur Cybersicherheit zustande kommt, ist vor dem Hintergrund eines internationalen Regelwerks. Ein solches Regelwerk der internationalen Grosswetterlage wenig wahrscheinlich. besteht aus rechtlich verbindlichen sowie nichtverbindlichen Namentlich westliche Staaten befürchten, dass ein neues Instrumenten. Zu den rechtlich verbindlichen Instrumenten völkerrechtliches Instrument den Grundsatz schwächen zählen die Staatsverträge und das Völkergewohnheitsrecht. könnte, wonach das geltende Völkerrecht in seiner Gesamtheit Rechtlich nichtverbindliche Instrumente umfassen z.B. Soft Anwendung auf den digitalen Raum findet. Die Idee einer Law, Best Practices, technische Standards oder Benchmarks. Digital Geneva Convention hat deshalb bisher weder von Seiten der Regierungen noch von Wirtschaft, Wissenschaft Als international stark vernetztes Land mit beschränkten oder der Zivilgesellschaft genügend Unterstützung erhalten. machtpolitischen Möglichkeiten ist die Schweiz auf das Völkerrecht angewiesen. Auch hinsichtlich ihrer aussenwirt- Bei der Weiterentwicklung der Regeln und Normen zeigen schaftlichen Interessen ist sie darauf angewiesen, dass im sich verschiedene Herausforderungen: In den letzten Jahren digitalen Raum Rechtssicherheit und ein Level-Playing-Field hat sich innerhalb der Staatengemeinschaft zunehmend eine bestehen, die einen freien Wettbewerb ermöglichen.10 Auf Polarisierung bemerkbar gemacht: Es zeigen sich Meinungs- globaler Ebene besteht grundsätzlich Einigkeit, dass die völker- verschiedenheiten zwischen Ländern, welche ein staatsgetrie- rechtlichen Regeln auch auf den digitalen Raum anwendbar benes und zentralisiertes Verständnis des digitalen Raumes sind, wie dies auch in den Bereichen Handel, Wahrung der befürworten und solchen, welche für ein dezentrales Modell internationalen Sicherheit oder Schutz der Menschenrechte einstehen. Gleichzeitig werden viele der Fragestellungen in gilt. Das internationale Regelwerk muss somit nicht gänzlich unterschiedlichen Foren aufgenommen und damit in thema- neu geschaffen werden: Die bestehenden Normen müssen tischen Silos behandelt. Bei neu aufkommenden Themen mit vielmehr konkretisiert, aufeinander abgestimmt und weiter- entsprechendem Positionierungspotenzial wie beispielsweise entwickelt werden. Internationale Gouvernanzstrukturen sind KI werden vielfach ad-hoc-Prozesse gestartet, um Regeln zu hierfür essentiell, damit alle wichtigen Akteure in die Arbeiten entwickeln, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Auch ist zur Ausgestaltung des internationalen Regelwerks und der die Legitimität solcher Prozesse teils fragwürdig und das Risiko Zusammenarbeitsmechanismen eingebunden werden. sich widersprechender Regeln hoch.11 Die Akteure können selektiv die für sie vorteilhaftesten Prozesse und Lösungen Einem umfassenden und rechtlich verbindlichen Instrument wählen (sogenanntes forum shopping), was die Fragmentie- zur Regulierung des digitalen Raums, wie im Postulat vorge- rungstendenz verstärkt. Für die Schweiz ist es wichtig, dass schlagen, steht der Bundesrat skeptisch gegenüber. Dass in Prozesse und Strukturen bestehen, die es möglichst allen absehbarer Zeit ein zwischenstaatlicher bindender Vertrag Ländern ermöglichen, sich substanziell einzubringen. Dies ist eine Grundvoraussetzung für eine faire, legitimierte und nachhaltig akzeptierte Lösungsfindung. 10 Im Bereich des internationalen Wirtschafts- und Handelsrechts setzt sich die Schweiz in verschiedenen Fora für die Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Herausforderungen der Digitalisierung ein. Vgl. Digitalisierung und Aussenwirtschaft, Schwerpunktkapitel des Berichtes des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 2019 vom 11 Die UNO zählte 2020 rund 160 verschiedene ethische KI-Grundsätze von 15. Januar 2020, SR 20.008. Organisationen und Ländern weltweit. 8 Aktionsfelder
Themenbereiche 1. Massvolle Regulierung 3. Internationales Genf Wenn immer möglich sollen nicht neue Regeln kreiert, Der Bundesrat ist gemäss Aussenpolitischer Strategie sondern die bestehenden auf den digitalen Raum 2020–2023 bestrebt, die Schweiz und namentlich das angewandt werden. Erst wenn sich abzeichnet, dass das Internationale Genf als führenden Standort der Digita- bestehende internationale Regelwerk Lücken aufweist, lisierungs- und Technologiedebatten zu positionieren. setzt sich die Schweiz für die Schaffung ergänzender Er setzt sich dafür ein, dass institutionelle Pfeiler einer oder zusätzlicher Regeln ein. Dies verhindert, dass einer- zukünftigen digitalen Gouvernanzarchitektur in Genf seits unnötig reguliert oder sogar überreguliert wird und angesiedelt werden und bestehende Institutionen, wie andererseits das bestehende Völkerrecht unterminiert beispielsweise das Sekretariat des UN Internet Governance wird. Eine Norm gilt so lange, wie in Kraft und nicht Forum (IGF), gestärkt werden. Mit dem CERN hat das anderslautend geändert, beziehungsweise ergänzt. Die internationale Genf bereits massgeblich die Entwicklung Schweiz setzt sich in diesen Prozessen als konstruktive des Internets mitinitiiert. Mit der Geneva Internet Platform Kraft ein, um die praktische Anwendung bestehender (GIP) bietet sie verschiedenen Akteuren ein wichtiges völkerrechtlicher Normen zu konkretisieren. Sie verfolgt Instrument, um ihre Expertise zu digitalen Themen das Prinzip der Technologieneutralität: Der Fokus liegt auf auszubauen und dadurch eine zielgerichtete digitale der Regelung des Verhaltens der Akteure und nicht auf der Politikdiskussion zu fördern. Die Position des GIP soll im Technologie selbst. Die Schweiz setzt sich für massvolle Rahmen der Umsetzung der Roadmap des UNO-General- Ansätze ein, die das Potenzial neuer Technologien fördert, sekretärs weiter gestärkt werden. Ebenfalls soll der diese nicht hemmt und gleichzeitig spezifischen Risiken Multistakeholder-Ansatz gefördert werden, damit neben entgegenwirkt. Regierungen auch die Wirtschaft, die Wissenschaft, Zivil- gesellschaft und technische Expertinnen und Experten in 2. Kapazitätsaufbau die digitale Gouvernanz eingebunden werden. Das inter- Die Schweiz unterstützt den Kapazitätsaufbau in Entwick- nationale Genf hat bereits in verschiedenen Themenfelder lungsländern im Bereich der digitalen Technologien akteurübergreifende «Ökosysteme» angestossen und ist und der Cybersicherheit. Damit Staaten die erarbeiteten diesbezüglich gut positioniert. Diesen Vorteil gilt es weiter Normen und Regeln umsetzen können und damit ihren auszubauen.12 Bürgerinnen und Bürgern sowie den auf ihrem Territorium niedergelassenen Ausländerinnen und Ausländern der 4. Wissenschaftsdiplomatie Nutzen der Digitalisierung zu Gute kommt, müssen sie Der Austausch zwischen regelsetzenden sowie techno- dazu notwendige Kapazitäten besitzen. Dies beinhaltet logieentwickelnden Akteuren wird immer wichtiger. einerseits Fähigkeiten zur Erarbeitung von Strategien und Vor allem in Foren der internationalen Gouvernanz sind Politiken, andererseits spezifische technische Expertise. Die Letztere aufgrund historisch eingespielter Abläufe und Schweiz arbeitet hierbei eng mit multilateralen Partnern Strukturen noch zu wenig präsent. Mit der Etablierung wie den Entwicklungsbanken zusammen. des Geneva Science and Diplomacy Anticipators (GESDA) fördert der Bundesrat gezielt den Austausch zwischen wissenschaftlicher und diplomatischer Expertise zu den gesellschaftlichen Herausforderungen neuer Techno- logien, darunter insbesondere im Bereich der Digitali- sierung. Das EDA unterstützt zudem Initiativen wie das bei der Universität Genf angesiedelte Geneva Science-Policy Interface (GSPI), welches die Vernetzung der Hochschulen in Genf mit internationalen Akteuren fördert. 12 Vgl. Anhang 5. Aktionsfelder 9
4.2 Wohlstand und nachhaltige Entwicklung Die Digitalisierung bietet besonders für exportorientierte, ressour- um die Ziele gemäss IZA-Strategie 2021-2024 und im Sinne der cenarme und damit von Innovation abhängige Länder wie die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Das Schweiz neue Möglichkeiten. Der Wirtschafts- und Forschungs- EDA fasst das Engagement zur Nutzung des vollen Potenzials standort Schweiz soll auch in Zukunft zu den wettbewerbsfä- neuer Technologien in der Armutsbekämpfung unter dem higsten der Welt gehören. Für die Schweiz als hochentwickelte Stichwort tech4good zusammen. und global vernetzte Volkswirtschaft bietet die Digitalisierung auch in ausländischen Absatzmärkten Chancen und bietet Zweites geht es um die digitale Transformation der Partner- ihr Zugang zu hochwertigen digitalen Dienstleistungen. Die länder, damit diese in Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung globalen Wertschöpfungsketten, in welche die schweizerische die Digitalisierung zum Vorteil der gesamten Wohnbevölkerung Wirtschaft überdurchschnittlich integriert ist, sind zunehmend nutzen. Dabei zeigen sich verschiedene Herausforderungen: So von der Digitalisierung geprägt. Um deren effizientes Funktio- kann die Digitalisierung disruptiv wirkende Technologiesprünge nieren sicherzustellen und den Handel mit Waren und Dienst- bewirken, die vor allem die Automatisierungswahrscheinlichkeit leistungen möglichst diskriminierungsfrei zu gestalten, spielen von Routinetätigkeiten erhöhen und in diesen Bereichen Arbeits- global einheitliche Regeln etwa zum grenzüberschreitenden plätze gefährden. Gleichzeitig führt der Wandel aber zu neuen Datenverkehr eine zentrale Rolle. Ebenso wichtig sind ein hohes Beschäftigungsmöglichkeiten. Zudem verschliessen Faktoren Schutzniveau für Personendaten, der Schutz des geistigen wie ein fehlender Zugang zu Internet, zu Information und zu Eigentums und der Schutz von Unternehmen und Infrastruk- Technologien, hohe Kosten oder mangelnde Kompetenzen zur turen vor Cyberangriffen und Wirtschaftsspionage. Es sollen Nutzung von Anwendungsmöglichkeiten vielen Menschen in möglichst global wirksame Standards in den Bereichen Daten- Entwicklungsländern das Potenzial, diese Technologien erfolg- schutz und -sicherheit erzielt werden. reich zu nutzen. Gemäss UNO haben aktuell lediglich 19 Prozent der Bevölkerung in den wenigsten entwickelten Ländern Zugang Auch regionale Ansätze zur Regulierung des digitalen Raums, zum Internet (in entwickelten Ländern sind es 87 Prozent).13 insbesondere auf europäischer Ebene, spielen eine bedeutende Das grösste Hindernis bilden weiterhin zu hohe Kosten für Rolle für die Schweiz: Sie hat ein Interesse daran, dass durch Mobil- und Telekommunikation. Die UNO ruft deshalb zu einer abweichende Standards keine Handelshemmnisse entstehen. verstärkten Zusammenarbeit mit Investoren auf. Nicht nur der Datenverkehr, sondern auch der Zugang zu Big Data ist für Forschung und Innovation von zunehmender Im Rahmen der IZA sollen letztlich die Kompetenzen der Relevanz. Die Schaffung transparenter Strukturen für die Daten- Menschen vor Ort zur Nutzung entwicklungsrelevanter Anwen- nutzung und -weitergabe ist deshalb essentiell, um innovative dungsmöglichkeiten gestärkt werden. Ein ungleicher Zugang Anwendungen zu ermöglichen und die Wertschöpfung zu zum Internet birgt das Risiko, dass sich soziale und wirtschaft- erhöhen. liche Ungleichheiten in und zwischen den Ländern weiter verschärfen (Digital Divide) – diese hemmen das Entwicklungs- Der rasche Austausch von Informationen und Daten ermöglicht potenzial. Insbesondere in den am wenigsten entwickelten wissenschaftliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innova- Ländern aber auch in mittleren Einkommensländern öffnet sich tionen, die in unterschiedlichen Bereichen angewandt werden. ein Gender Gap: im Vergleich zu den Männern haben in den Dies trägt auch massgeblich zur universellen Umsetzung der wenigsten entwickelten Ländern bei den Frauen 43 Prozent Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sowie zur Messbarkeit weniger Personen Zugang zum Internet.14 der Fortschritte in der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele bei. Dabei ist die Realisierung unter anderem auch abhängig von Die Schweiz setzt sich bei der Weltbank, dem Internationalen einem breitflächig funktionierenden digitalen Netz, welches den Währungsfonds, der OECD sowie bei den regionalen Entwick- Zugriff möglichst vieler Nutzerinnen und Nutzer sowie einen lungsbanken dafür ein, dass die Chancen der neuen Technologien gleichberechtigten Zugang zu Daten als wichtigem Rohstoff genutzt werden. Die Schweiz profitiert vom Wissensaustausch digitaler Innovation ermöglicht. Der grenzüberschreitende mit diesen Organisationen im Bereich der Digitalisierung. Datenverkehr soll möglichst ungehindert erfolgen können. Neben dem Potenzial im Entwicklungsbereich haben techno- Die Digitalisierung hat das Potenzial grundlegende wirtschaft- logische Entwicklungen auch immer einen erheblichen Einfluss liche und gesellschaftspolitische Änderungen herbeizu- auf die Umwelt gehabt. Dies gilt auch für die Digitalisierung. führen. Deshalb wurde sie als einer der Schwerpunkte in der Neben Risiken durch erhöhten Ressourcen- oder Energiever- IZA-Strategie 2021–2024 festgelegt. Die digitale Technologie ist brauch bietet die Digitalisierung jedoch auch neuartige Möglich- dabei unter zwei Gesichtspunkten entwicklungsrelevant: keiten des Umweltmonitoring, der Ressourcenverteilung oder der nachhaltigen Wirtschaftsgestaltung. Erstens geht es um die Nutzung von digitalen Hilfsmitteln im Dienste der Projekte und Programme der IZA, um die Entwick- lungsziele besser, effizienter und schneller zu erreichen. Digitale Daten und Anwendungen treiben weltweit entwicklungsrele- vante und humanitäre Innovationen voran. Dabei stehen der 13 Road Map UNO-Generalsekretär, S. 6. Nutzen für die Menschen und ihre Bedürfnisse im Zentrum, 14 Road Map UNO-Generalsekretär, S. 11, sowie OHCHR HRBDT Submission 10 Aktionsfelder
Themenbereiche 1. Grenzüberschreitender Datenfluss und digitaler 4. Nutzung innovativer Technologien für nachhaltige Handel Entwicklung / Tech4good Die Regulierung der digitalen Wirtschaft entwickelt sich Die Schweiz nutzt digitale Anwendungen zur Förderung weltweit rasch und uneinheitlich, auf nationaler wie auch von Wohlstand und nachhaltiger Entwicklung. Sie stärkt regionaler Ebene; Die Entwicklung gemeinsamer Minimal- im Bereich Sustainable Finance ihre Position als führender standards wird daher zentral, um möglichst gleiche Bedin- Standort in der Nutzung digitaler Technologien. Im Bereich gungen für alle Marktteilnehmenden zu schaffen. Die der IZA gibt es bedeutsame Anwendungsmöglichkeiten: Schweiz setzt sich deshalb beispielsweise in den seit Mai Mit Fintech-Lösungen können etwa Kleinbäuerinnen und 2019 laufenden Verhandlungen zu einer plurilateralen -bauern auch aus abgelegenen Regionen Überweisungen Initiative zur Klärung und Ergänzung der WTO-Regeln mit dem Mobiltelefon tätigen. Mit digitalen Anwen- bezüglich des digitalen Handels ein. Ziel der Verhandlungen dungen kann die politische Partizipation verbessert und ist es, den digitalen Handel zu fördern, indem unnötige die öffentliche Verwaltung effizienter, transparenter und Handelshemmnisse und ungerechtfertigter Protektionismus benutzerfreundlicher gestaltet werden. In Entwicklungs- vermieden und gleichzeitig gemeinsame Grundprinzipien ländern können KMU dank Digitalisierungsprozessen für die innerstaatliche Regulierung entwickelt werden. besser in internationale Wertschöpfungsketten und Auch im Rahmen des Europarats hat sich die Schweiz aktiv Handelssysteme integriert werden. Dank Satelliten- oder für die Modernisierung der Datenschutz-Konvention der Drohnendaten können Naturkatastrophen genauer vorher- Organisation eingesetzt. gesagt und Versicherungen gegen Ernteschäden besser berechnet werden. In der Friedensförderung können Big 2. Vertrauenswürdige Datenräume Data-Analysen helfen, Konfliktsituationen frühzeitig zu Die Schweiz ist auf den Zugang zu qualitativ hochwer- erkennen, und in der humanitären Hilfe bedeutet Digitali- tigen Daten angewiesen, um innovative Anwendungen sierung schneller und effizienter Leben retten und Leiden zu entwickeln und den Forschungsstandort zu stärken. lindern. In Krisen lassen sich die Bedürfnisse der Menschen Viele dieser Daten sind heute in der Hand von wenigen präziser und rascher identifizieren und beantworten: Die Akteuren. Dies hemmt die Innovationskraft und den freien Suche nach vermissten Personen kann beispielsweise Wettbewerb. Die Schweiz bringt sich deshalb international mittels digitalen Technologien erleichtert werden. Mit der in die Schaffung vertrauenswürdiger dezentraler Daten- Ermöglichung sicherer und vertrauenswürdiger Datenspei- räume ein. Das Ziel ist es, innovative Modelle der Daten- cherung und mit der Humanitarian Data and Trust Initiative wirtschaft mitzugestalten, die qualitativ hochwertige für den verantwortungsvollen Umgang mit humanitären Daten und Datenräume generieren, und diese für Daten möchte die Schweiz ihr Profil weiter schärfen. Akteure in der Schweiz zugänglich zu machen (vgl. auch Aktionsfeld digitale Selbstbestimmung). 5. Verfügbarkeit und Kompatibilität von Daten Die Schweiz setzt sich für eine engere Zusammenarbeit 3. Fintech zwischen der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor Digitale Finanztechnologie und -währungen bergen ein ein, um Datensätze und Schnittstellen zu vereinheitlichen grosses Potenzial für den Finanz- wie auch den Werkplatz und Daten besser nutzbar zu machen. Sie fördert auch Schweiz. Ihre Anwendung wird nicht nur in der IZA an die Verlässlichkeit, Kompatibilität und Vergleichbarkeit von Bedeutung gewinnen. Sie tragen bei zur Wettbewerbs Daten. Präzise und zeitnahe Informationen sind essentiell fähigkeit des Finanzplatzes Schweiz und stärken seine Rolle im für eine faktenbasierte und wirksame internationale Politik- globalen Wirtschaftssystem. Sie können auch den Einbezug gestaltung in allen Bereichen, wie Frieden und Sicherheit, grösserer Bevölkerungsteile ins Bankensystem fördern und nachhaltige Entwicklung und humanitäre Hilfe. damit beitragen, den informellen Sektor zu reduzieren. So könnten zum Beispiel künftig auf Basis von Blockchain bzw. Distributed Ledger-Technologie kostengünstige Dienst- leistungen bereitgestellt werden, mit denen Arbeitsmig- rantinnen und -migranten ihren Familien einfacher als bisher grenzüberschreitend Geld überweisen können. Auch für KMU bieten innovative Finanztechnologien und -dienstleis- tungen einfacheren Zugang zu Finanzierung. Zudem können neue Finanzierungsmodelle die Wettbewerbsfähigkeit von KMU und Start-ups stärken. Die Schweiz setzt sich mit ihrer Expertise dafür ein, das Potenzial solcher Anwendungen zu nutzen und gleichzeitig die Risiken zu minimieren. Die Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft ist letztlich ein wichtiger Fokus in der OECD, an dessen entsprechenden Arbeiten die Schweiz aktiv teilnimmt. Sie wirkt darauf hin, dass die Besteuerung grundsätzlich weiterhin am Ort der leistungsbezogenen Wertschöpfung erfolgt. Aktionsfelder 11
4.3 Cybersicherheit Cyberspionage, Angriffe auf kritische Infrastrukturen, digitale Für Länder wie die Schweiz ist eine Abschottung vom Kriminalität, Desinformation und Propaganda nehmen im globalen Netz nur schon aus Fragen der Grösse und Wettbe- digitalen Raum zu. So verursachten Cyberangriffe 2018 werbsfähigkeit keine Option. So betrifft die Cybersicherheit Schäden von über 45 Milliarden US Dollar weltweit.15 die Schweiz in zweierlei Hinsicht: Einerseits für die Gewähr- Aufgrund zunehmender gesellschaftlicher, wirtschaftlicher leistung der physischen und datenbezogenen Sicherheit und individueller Abhängigkeit von digitalen Systemen ihrer Bürgerinnen und Bürger im In- und Ausland, ihre Insti- wächst die Verwundbarkeit. Dies bedeutet ein zusätzliches tutionen, Unternehmen und Organisationen, andererseits Sicherheitsrisiko für die Schweiz, ihre Bürgerinnen und für die Sicherstellung und den Zugang zu einem möglichst Bürger, ihre Institutionen und deren Dienstleistungen sowie offenen, freien und sicheren Internet. Die Nationale hier ansässige Unternehmen und Organisationen. Die Vulne- Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken enthält rabilität schwächt auch das Vertrauen in diese Netzwerke. Massnahmen zur Prävention, zur Bewältigung von Vorfällen, Staaten versuchen sich zunehmend Kontrollrechte über ein zur Verbesserung der Resilienz gegenüber Cyberrisiken und eigentlich global gedachtes Netz zu sichern, womit dessen zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit. Offenheit zunehmend beschränkt wird und Vertrauen verloren geht. Der digitale Raum wird vermehrt zu einem Feld militärischer Operationen. Die weltweite Vernetzung, die Komplexität und Anonymität des Internets und die stetige Zunahme von Nutzerinnen und Nutzern erhöht zudem das Risiko krimineller Aktivitäten. Innovationsstarke Länder wie die Schweiz sind von diesen Risiken, wie auch von der Wirtschaftsspionage, überproportional betroffen. Zunehmende nachrichtendienst- liche Cyber-Aktivitäten bergen letztlich die Gefahr einer Beeinflussung politischer Prozesse. Alleine das Potenzial dieser Angriffe kann das grundsätzliche Vertrauen in die Netzwerke und in Folge in die politischen und wirtschaftlichen Struk- turen eines Landes schwächen. Im Rahmen zunehmender geopolitischer Spannungen verstärken sich diese Tendenzen. 15 Cyber Incident & Breach Trends Report 2018 12 Aktionsfelder
Themenbereiche 1. Konkretisierung völkerrechtlicher Normen 3. Vertrauensbildende Massnahmen Die Schweiz will die Cybersicherheit stärken und völker- Durch vertrauensbildende Massnahmen werden Trans- rechtliche Normen konkretisieren. Die UN-GGE erarbeitete parenz und Kooperation unter Staaten gefördert, um 2015 elf sogenannte freiwillige Normen für verantwor- potenzielle Missverständnisse und Eskalationen im tungsvolles Staatenverhalten im digitalen Raum. Diese digitalen Raum zu vermeiden. Es geht beispielsweise Normen ergänzen bestehendes Völkerrecht. Die Schweiz um den Informationsaustausch über bevorstehende setzt sich für die umfassende Anerkennung, Einhaltung oder aktuelle Cyber-Operationen. Mit ihrer Neutralität und Durchsetzung des Völkerrechts im digitalen Raum ein. und mit ihrer Geschichte als Standort von Friedensge- Sie klärt die konkrete Anwendung der Regeln auf natio- sprächen kann die Schweiz eine wichtige Rolle für die naler Ebene und im Austausch mit anderen Staaten. Auch Umsetzung vertrauensbildender Massnahmen im digitalen das humanitäre Völkerrecht besitzt weiterhin Gültigkeit. Raum einnehmen. Um die Umsetzung der bestehenden Die Schweiz ist hier mit ihrer humanitären Tradition gut Massnahmen zu fördern, werden Erfahrungen auf regio- positioniert, sich glaubwürdig bei der Konkretisierung der naler Ebene, wie zum Beispiel innerhalb der Organisation anwendbaren Regeln im digitalen Raum einzubringen. für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) genutzt. Der Unter anderem strebt sie eine engere Zusammenarbeit mit dort entwickelte Massnahmenkatalog wurde massgeblich dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) für von der Schweiz mitgeprägt und von allen 57 Teilnehmer- den Schutz der Zivilpersonen im digitalen Raum während staaten genehmigt. bewaffneten Konflikten an. 4. Gute Dienste 2. Einbezug privater Akteure Für die Schweiz ergeben sich grosse Chancen im Bereich Auf globaler Ebene besteht kein Konsens über verbind- der Guten Dienste. Hier kann die Schweiz als nicht EU- liche Verhaltensnormen und Verantwortlichkeiten im und nicht NATO-Land ihre Erfahrung und Glaubwür- digitalen Raum, was nachteilig ist für die Cybersicherheit. digkeit aus der offline in die online Welt übertragen. Staaten können die Sicherheit, Freiheit und die Stabilität Sie muss die hierfür notwendigen Kompetenzen stärken des digitalen Raums nicht alleine garantieren; Privatwirt- bzw. aufbauen. Eine wichtige Rolle spielt das Interna- schaftliche Akteure prägen diese durch ihre Produkte tionale Genf. Angesichts der zunehmenden Blockbildung und Dienstleistungen entscheidend mit. Die Schweiz und Tendenz in Richtung digitaler Geopolitik braucht es fördert deshalb auch hier den Multistakeholder-Ansatz. vermittelnde Stimmen, die Vertrauen schaffen, bezie- So lancierte sie Anfang 2018 den Geneva Dialogue on hungsweise einen vertrauensvollen Rahmen bereitstellen, Responsible Behaviour in Cyberspace und baut nun einen um über Cybersicherheit zu diskutieren. In der Friedens- global breit diversifizierten Dialog zwischen Unternehmen förderung fördert die Schweiz die Entwicklung und den auf. Ziel dieses Dialogs sind gute Praktiken und Verhal- verantwortungsbewussten Einsatz digitaler Technologien tensweisen unter anderem im Bereich der Resilienz von («peacetech»). Produkten. Die Schweiz schliesst damit eine Lücke, da es bislang keinen derartig global aufgestellten Dialog gab. Aktionsfelder 13
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