Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf die Kiesbrüter Flussregenpfeifer Charadrius dubius und Flussuferläufer Actitis hypoleucos - Ala ...

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Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf die Kiesbrüter Flussregenpfeifer Charadrius dubius und Flussuferläufer Actitis hypoleucos - Ala ...
Ornithologischer Beobachter 117, 2020

Auswirkungen von Störungen
und Besucherlenkung auf die Kiesbrüter
Flussregenpfeifer Charadrius dubius
und Flussuferläufer Actitis hypoleucos

Martin Schuck, André Ducry, Reto Spaar, Hans Schmid, Matthias Vögeli, Raffael Ayé

Im Rahmen des Programms Artenförderung Vögel Schweiz führten wir eine Literaturstudie zu Ge­
fährdungen und Schutzmassnahmen der Kiesbrüter Flussuferläufer und Flussregenpfeifer durch.
Insbesondere anthropogene Störungen und Massnahmen zu deren Reduktion standen dabei im
Fokus. Störungen können eine Ansiedlung der beiden Arten verhindern und direkt oder indirekt
zu Verlusten von Gelegen und Jungvögeln führen. Störungen von der Landseite haben einen grös­
seren Einfluss als Störungen von der Wasserseite. Die intensivsten Störungen werden beim Be­
treten der Kiesbänke sowie beim Auftreten von Hunden registriert. In etlichen Projekten wurden
Massnahmen zur Besucherlenkung umgesetzt. Dazu gehören Information und Sensibilisierung der
Bevölkerung, eine umsichtige Wegführung, das Aufstellen von Gebots- und Verbotsschildern, das
Absperren sensibler Bereiche sowie der Einsatz von Rangern, die vor Ort in erster Linie als Ratge­
ber fungieren. Fast alle Massnahmen zeigten positive Effekte und bewirkten eine Reduktion von
Störungen. Lediglich das alleinige Aufstellen von Gebots- und Verbotsschildern ohne gleichzeiti­
ge Absperrung und personelle Präsenz vor Ort zeigte kaum Wirkung. Schutzmassnahmen wirken
sich positiv auf den Bruterfolg beim Flussregenpfeifer aus und werden auch beim Flussuferläufer
als sinnvoll erachtet. Effektive Schutzmassnahmen zugunsten der Kiesbrüter beinhalten eine kon­
sequente Besucherlenkung, unterscheiden zwischen Schutz- und Erholungszonen und setzen Be­
tretungsverbote von Schutzzonen konsequent durch. Im Planungsprozess von relevanten Projekten
wie z.B. Flussrevitalisierungen sollte ein Besucherlenkungskonzept bereits im Voraus Berücksich­
tigung finden, um potenzielle Konflikte frühzeitig zu entschärfen oder vollständig zu vermeiden.

Die Bestände der typischen Kiesbrüter Flussregen­             Typ und von der Intensität der menschlichen Erho­
pfeifer Charadrius dubius und Flussuferläufer Actitis         lungsaktivität und andererseits von der Vogelart abhän­
hypoleucos sind in ihren natürlichen Fliessgewässer­          gig. Ob und wie empfänglich gewisse Arten oder Popu­
lebensräumen in den letzten Jahrzehnten stark zu­             lationen für Störungen sind, hängt von verschiedenen
rückgegangen. Diese Entwicklung ist nicht nur in der          Faktoren ab (z.B. Ökologie und Verhalten der Arten,
Schweiz, sondern auch in zahlreichen anderen Ländern          Habitatqualität). Eine grundsätzliche Schwierigkeit
Mitteleuropas zu beobachten (Boschert und Opitz 2001,         bei der Untersuchung von Störungen ist, dass eine Re­
Št’astný et al. 2006, Maumary et al. 2007, Schmid et al.      aktion auf Störungen meist verschiedene Bereiche wie
2010, Gedeon et al. 2014, Knaus et al. 2018). Als zen­trale   das Verhalten oder die Physiologie betrifft und sowohl
negative Einflussfaktoren werden neben Habitatver­            räumlich als auch zeitlich stark variieren kann (Tablado
lust insbesondere Störungen durch Erholungssuchen­            und Jenni 2017).
de angesehen (Kaeslin 1995, Stecher 1995, Kilzer 1997,            Naturnahe Fliessgewässer sind für Erholungssu­
Schödl 2000, 2007a, Boschert und Opitz 2001). Die             chende attraktiv. Die Freizeitnutzung in diesen Gebie­
Auswirkungen dieser Störungen sind einerseits vom             ten hat in den letzten Jahren zugenommen und eine

Aus dem Artenförderungsprogramm von BirdLife Schweiz und Schweizerischer Vogelwarte Sempach

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Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf die Kiesbrüter Flussregenpfeifer Charadrius dubius und Flussuferläufer Actitis hypoleucos - Ala ...
Schuck et al., Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf Kiesbrüter

weitere Zunahme ist wahrscheinlich. Ohne lenkende             Zudem fanden Gespräche mit Personen statt, die am
Massnahmen wird sich der Druck auf die Kiesbrüter          länderübergreifenden EU-Interreg-Projekt «Vielfälti­
zukünftig noch verstärken. Daher haben wir uns in der      ges Leben an unseren Gebirgsflüssen» (D/A) beteiligt
vorliegenden Studie mit den folgenden Fragen befasst:      sind (Michael Schödl, Sabine Tappertzhofen) sowie
1. Was sind relevante Gefährdungen und Ursachen für        ein langjähriges Schutzprojekt an den Thurauen leiten
    Brutverluste bei Flussuferläufer und Flussregenpfei­   (Fide Meyer). Zusätzlich wurden Georges Eich, Abtei­
    fer und welche Bedeutung haben menschliche Stö­        lungsleiter Natur- und Heimatschutz des Kantons Uri,
    rungen?                                                Urs Wegmann, Leiter der Ranger- und Biberfachstelle
2. Welche Schutz- und Besucherlenkungsmassnahmen           der Greifensee-Stiftung, sowie Andreas Täschler von
    während der Brutzeit wurden zugunsten von Fluss­       der Arbeitsgruppe Entwicklung Jonamündung inter­
    uferläufer und Flussregenpfeifer bereits umgesetzt?    viewt. Alle Gesprächspartner verfügen über langjährige
3. Wie bewähren sich die getroffenen Schutz- und Be­       Erfahrung beim Schutz der Kiesbrüter oder über weitere
    sucherlenkungsmassnahmen?                              Erfahrungen im hier behandelten Themenfeld. Im di­
In einem ersten Schritt stellten wir die relevanten und    rekten Kontakt mit Experten und in den Literaturlisten
verfügbaren Informationen aus Publikationen, unver­        der Publikationen wurden wir auf weitere Veröffentli­
öffentlichten Berichten sowie Internetseiten zur Beant­    chungen in dem Themenfeld aufmerksam.
wortung dieser drei Fragen zusammen. Diese Grundla­
ge wurde in einem zweiten Schritt mit Experteninter­
views vervollständigt und präzisiert.                      2. Ergebnisse
    Als dritter Schritt wurden die zusammengestellten
Erkenntnisse strukturiert und diskutiert. In einem vier­   2.1. Gefährdung und Brutverluste
ten und letzten Schritt leiteten wir aus den Erkenntnis­   im Brutgebiet
sen zur Beantwortung der drei Fragen konkrete Hand­
lungsempfehlungen ab.                                      2.1.1. Hochwasserereignisse
    Diese Handlungsempfehlungen geben Naturschüt­
zerinnen und Naturschützern, Bund, Kantonen und Ge­        Wasserstandschwankungen beziehungsweise Hoch­
meinden sowie weiteren Akteuren eine Orientierungs­        wasser sind für die meisten Brutverluste des Flussregen­
hilfe. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil als Folge   pfeifers und Flussuferläufers in Flusstälern verantwort­
des revidierten Gewässerschutzgesetzes in der Schweiz      lich (Zintl 1988, Kilzer 1997, Landmann 1999, Schmidt
in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zahlreiche Re­      et al. 2008, Schmidt und Wichmann 2010, Grimm und
vitalisierungs- und Renaturierungsprojekte umgesetzt       Schwarzenberger 2011, Baiker 2015, Meyer und Bart­
werden. Die hier formulierten Handlungsempfehlungen        holdi 2015, Ryser 2018, Schmid 2018). Die traditionell
sollen dazu beitragen, dass Besucherlenkungsmassnah­       in Flussbetten brütenden Arten waren an den Alpen­
men frühzeitig im Planungsprozess berücksichtigt wer­      flüssen schon immer einem hohen Risiko durch Hoch­
den, um allfällige Konflikte erst gar nicht entstehen zu   wasser ausgesetzt, konnten die Verluste aber offenbar
lassen. Damit soll bei künftigen Revitalisierungen ein     durch Ersatzbruten ausgleichen (Zintl 1988, Grimm und
besserer Schutz von Flussuferläufern und Flussregen­       Schwarzenberger 2011, Jaquier und Meyer 2013, Meyer
pfeifern erreicht werden.                                  und Bartholdi 2014). Die starke Verbauung der Flüsse
                                                           hat das Hochwasserrisiko für beide Arten erhöht, da im
                                                           Gegensatz zu naturnahen Gewässern bereits geringe
1. Material und Methoden                                   Zunahmen der Abflussmenge zu starken Pegelanstie­
                                                           gen führen (Kilzer 1997, Grimm und Schwarzenberger
Für die Literaturrecherche analysierten wir Publika­       2011). Die wenigen quantitativen Untersuchungen er­
tionen, unveröffentlichte Berichte sowie Internetseiten    kannten «Wasser» in 70 bis 81 % der Fälle als Ursache
mit Erkenntnissen zu den drei oben genannten Frage­        für Gelegeverluste (Schmidt et al. 2008, Schmidt und
stellungen. Insgesamt wurden 87 verschiedene Quellen       Wichmann 2010, Frötscher und Schmidt 2015). Dabei
aus Deutschland, England, Kanada, Österreich und           sind Flussuferläufer etwas weniger anfällig als Fluss­
der Schweiz ausgewertet, von denen 70 in dieser Publi­     regenpfeifer, weil sie tendenziell höhere Standorte als
kation aufgeführt werden. Bei der Suche wurden deut­       Brutplatz favorisieren (Frötscher und Schmidt 2014).
sche, englische, italienische und französische Texte       Die täglichen Wasserstandschwankungen durch das
berücksichtigt. Verwendete Stichwörter bei der Suche       Ablassen von Wasser an Staustufen zur Energiegewin­
auf Google, Google Scholar und Researchgate waren          nung (Schwall-Sunk) machen ein Brüten in unmittel­
hauptsächlich: jeweiliger Artname, Besucherlenkung,        barer Ufernähe in einigen Gebieten unmöglich (Kilzer
Störungen, Brutverluste.                                   1997). Während die Pegelstände mancherorts um weni­
                                                           ge Dezimeter schwanken, treten andernorts mehrmals

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am Tag Pegeländerungen von über einem Meter auf.             Wirkung der Störungen. Landseitig werden die gravie­
Zur Behebung der Schwall-Sunk-Problematik müssen             rendsten Störungen durch freilaufende, stöbernde Hun­
in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in der Schweiz        de hervorgerufen. Störungen durch vorbeigehende oder
rund 100 Kraftwerkanlagen saniert werden (Bru­               ruhig lagernde Personen in grösserem Abstand zu den
der 2013, Schweizer et al. 2015). Diese Wasserstands­        Brutplätzen werden als eher gering eingestuft. Sobald
schwankungen beeinträchtigen die Flussgewässeröko­           jedoch Personen den Ufern entlang führende Wege ver­
logie generell und können zu einer schlechten Nah­           lassen und auf die Kiesinseln mit Brutplätzen gelangen,
rungssituation für die Kiesbrüter führen (Kilzer 1997,       sind die Störungen als massiv einzuordnen (Reicholf
Schweizer et al. 2015, Ayé et al. 2017).                     1998). Daher steigt mit jedem Uferweg die Gefahr, dass
                                                             es zu derart massiven Störungen kommt.
2.1.2. Prädation                                                 Ebenso wie die Art und Intensität ist auch der Zeit­
                                                             punkt der Störung von Bedeutung. Während der An­
Prädation stellt eine weitere natürliche Verlustursache      siedlungsphase können Störungen dazu führen, dass
von Gelegen und Jungvögeln dar. In vielen Studien wur­       ein an sich geeigneter Brutplatz nicht besiedelt wird.
den Brutverluste durch die Prädation von Fuchs Vulpes        Während der Brutzeit können Nester und Eier durch
vulpes, Hauskatze, Rabenkrähe Corvus corone, Kolkrabe        Altvögel aufgegeben werden oder die Eier auskühlen
C. corax und weiteren Arten beobachtet oder vermutet.        oder überhitzen (Yasué und Dearden 2006, Pearce-
Deren Ausmass blieb aber stets unklar (Werth 1990,           Higgins et al. 2007). Wenn die Jungen erst einmal ge­
Kilzer 1997, Schödl 2007a, Schmidt et al. 2008, Kraft        schlüpft sind, ist die Bindung der Elterntiere an die Brut
und Werth 2010, Tappertzhofen 2016). In der einzigen         sehr hoch. Doch auch dann können Störungen für die
Studie, die den Anteil von Prädation an den totalen Ge­      Jungvögel fatal sein. Beim Goldregenpfeifer Pluvialis
legeverlusten beim Flussregenpfeifer quantifiziert, be­      apricaria beispielsweise führen Störungen zu deutlich
trug dieser 11,5 % (Schmidt und Wichmann 2010). Ein          geringeren Überlebensraten der Jungvögel (Yalden und
Zusammenhang zwischen Störungen und Prädation                Yalden 1990, Ruhlen et al. 2003).
wird vermutet (Werth 1990, Kraft und Werth 2010).                Intensität und Häufigkeit der Störungen: Bezüglich
Danach können Prädatoren durch eine Störung und die          Intensität und Häufigkeit der Störung bestehen grosse
darauffolgende Reaktion eines Altvogels auf die Brut         Unterschiede. Die untersuchten Quellen machen keine
bzw. das Gelege aufmerksam werden.                           quantitativen Angaben darüber. Lediglich die anekdo­
                                                             tische Schilderung der Situation in den einzelnen Stu­
2.1.3. Störungen                                             dien lässt Rückschlüsse über die Intensität und Häu­
                                                             figkeit der Störungen zu. Dass der Besucherdruck und
Störungen werden generell als Gefährdungsursache             damit auch das Potenzial für Störungen in einem klei­
für die Bestände beider Arten genannt. Laut Boschert         nen und dicht besiedelten Land wie der Schweiz extrem
(1998) lassen sich die Gefährdungsursachen bei Vögeln        hoch sein können, zeigt eine Untersuchung aus dem
selten so einfach zusammenfassen wie bei den Kies­           Naturschutzgebiet Selhofenzopfen im Kanton Bern.
brütern, da für sie die zwei Komplexe Lebensraumzer­         Eine Hochrechnung ergab, das im Sommer monatlich
störung und Störungen durch Erholungs- bzw. Freizeit­        etwa 50 000 Personen den Flussabschnitt auf dem Was­
betrieb entscheidend sind. Laut Metzner (2002) sind          serweg passieren. Auf dem Uferweg zirkulieren monat­
Auswirkungen von Störungen schwer zu quantifizie­            lich etwa 13 000 bis 15 000 Personen. Registriert wurde
ren, allerdings als beträchtlich einzustufen. Es gibt ver­   in der Untersuchung auch das Fehlverhalten der Besu­
schiedene Arten von Störungen, die sich unterschied­         cher. Im Durchschnitt wurde das Fahrverbot im Gebiet
lich stark auswirken. Kaeslin (1995) macht beispiels­        4,35-mal pro Stunde missachtet, das Hundeleinengebot
wiese folgende Unterscheidung: «Landseitige Störun­          1,17-mal, das Wegegebot 1,07-mal und das Wassersignal
gen sind gravierender als Störungen durch Boote. Die         bzw. Anlegeverbot 0,74-mal pro Stunde (Käufeler und
grössten Störwirkungen gehen von Personen aus, wel­          Siegenthaler 2015). Obwohl es sich um ein sehr intensiv
che sich auf dem Land bzw. auf den Kiesinseln in der         genutztes Gebiet für Erholungssuchende handelt, zeigt
Nähe der Vögel aufhalten. Die grossen kommerziellen          die Untersuchung doch, wie sich die Situation in vielen
Rafts mit durchschnittlich neun Passagieren verursa­         Gebieten in der Schweiz darstellt. Hinzu kommt, dass
chen bedeutend grössere Störungen als Kanus, Kajaks          bereits einzelne Störungen ausreichen können, um ne­
und kleine Schlauchboote mit bloss einem oder zwei           gative Effekte zu verursachen. Die Wahrscheinlichkeit,
Fahrern.» Reicholf (1998) nimmt eine Klassifizierung         dass es bei einer Präsenz von Erholungssuchenden zu
von Störungen durch Boote nach Bootstyp, Verhalten           Störungen kommt und sich einige Besucherinnen und
der Insassen und Abstand zum Ufer vor. Demnach er­           Besucher nicht an die Regeln halten, ist als hoch einzu­
höhen grössere Boote, lärmende und hektische Bewe­           schätzen.
gung der Insassen und geringere Abstände zum Ufer die

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Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf die Kiesbrüter Flussregenpfeifer Charadrius dubius und Flussuferläufer Actitis hypoleucos - Ala ...
Schuck et al., Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf Kiesbrüter

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                                                                                               regenpfeifers sind gut ge­
                                                                                               tarnt. Dadurch können sie
                                                                                               leicht übersehen und zer­
                                                                                               treten werden. Aufnahme
                                                                                               Christoph Meier-Zwicky.
                                                                                               The eggs of the Little Ringed
                                                                                               Plover are well camouflaged.
                                                                                               As a consequence they can
                                                                                               easily be overlooked and
                                                                                               trodden upon.

    Verhindern von Ansiedlungen durch Störungen: In         grosse Gefahr des Zertretens von Gelegen durch Besu­
zahlreichen Studien werden Störungen dafür verant­          cher sieht auch Kaeslin (1995). Schödl (2000) kommt
wortlich gemacht, dass die Kiesbrüter geeignete Gebie­      zum Schluss, dass Brutverluste in mehreren Beobach­
te erst gar nicht besiedeln (Yalden 1992, Frühauf und       tungsjahren in den ortsnahen Flussabschnitten nur
Dvorak 1996, Boschert 1998, Boschert und Opitz 2001,        durch den Erholungsbetrieb erklärt werden können.
Uhl und Weissmair 2012, Tappertzhofen 2016). Wäh­           Freilaufende Hunde auf Kiesbänken stellen eine in
rend an den Wehren im Oberen Maintal (Bayern) mit           zahlreichen Quellen beobachtete und massive Gefähr­
permanenten Störungen durch Angler und Brückenbau­          dung dar (Meier-Zwicky 1988, Werth 1990, Stecher
arbeiten keine Flussuferläufer nachgewiesen wurden,         1995, 1996, Kilzer 1997, Schödl 2007a, Kraft und Werth
waren alle anderen «ungestörten» Wehre im Untersu­          2010, Uhl und Weissmair 2012, Meyer und Bartholdi
chungsgebiet besiedelt (Theiss et al. 1992). Flussufer­     2014, 2015, 2017, 2018, Ayé et al 2017, Ryser 2018). Die
läufer und Flussregenpfeifer meiden Gebiete mit Stö­        Präsenz von Hunden kann entweder direkt zum Tod
rungen und weichen wenn möglich auf weniger stark           von Jungvögeln führen (Prädation) oder als starke Stö­
beeinträchtigte Gebiete aus. Darauf weisen auch die Er­     rung wirken. Laut Grimm und Schwarzenberger (2011)
gebnisse des langjährigen Monitorings in den Isarauen       reichen einzelne Störungen in der sensiblen Phase des
südlich von München hin, denn jedes Jahr besetzen die       Bebrütens bzw. der ersten Zeit der Jungenführung aus,
beiden Arten Brutplätze auf jenen Kiesinseln, die am        um Brutausfälle zu verursachen. Durch Störungen flie­
weitesten von den Parkplätzen entfernt sind. Dort ist       gen die Vögel häufiger auf (Yalden 1992, Kaeslin et al
der Störungsdruck geringer, da nur wenige der Besu­         1995, Eger 2002) und widmen sich weniger der Nah­
cher so weit in das Gebiet vordringen (Sabine Tappertz­     rungssuche. Vögel, die wiederkehrenden Störungen
hofen mündlich).                                            ausgesetzt sind, verbringen 9 % der Zeit mit Umher­
    Direkter Brutverlust durch Störungen: Direkte Ver­      fliegen im Revier, während dies bei ungestörten Vögeln
luste werden in zahlreichen Untersuchungen dokumen­         lediglich 0,3 % der Zeit ausmacht. Auch ein Auskühlen
tiert. Ihr Anteil beträgt in den zwei Studien mit quanti­   der Eier oder der Jungvögel kann aus dem Verlassen des
fizierbaren Angaben beim Flussregenpfeifer 20 % (Fröt­      Nestes durch die Altvögel resultieren (Kraft und Werth
scher und Schmidt 2015) bzw. 2 % (Schmidt et al. 2008).     2010, Grimm und Schwarzenberger 2011). Störungen
In der Studie von Frötscher und Schmidt (2015) wurde        können durch den Menschen auch indirekt verursacht
beobachtet, wie zwei Flussregenpfeifergelege von Leu­       werden, z.B. indem Weidetiere auf die Flächen mit
ten zerstört und wahrscheinlich ein frisch geschlüpfter     Brutplätzen getrieben wurden und es so zu Gelegever­
Flussuferläufer durch Besucher zertreten wurde. Eine        lusten durch Viehtritt kommt (Stecher 1995, 1996).

                                                                                                                          151
Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf die Kiesbrüter Flussregenpfeifer Charadrius dubius und Flussuferläufer Actitis hypoleucos - Ala ...
Ornithologischer Beobachter 117, 2020

                                                                                        Abb. 2. Auf Exkursionen
                                                                                        kann die lokale Bevölkerung
                                                                                        für die Lebensraumansprü­
                                                                                        che und Probleme der Kies­
                                                                                        bankbrüter sensibilisiert wer­
                                                                                        den. Was man kennt, schützt
                                                                                        man. Aufnahme Fide Meyer.
                                                                                        Excursions provide good
                                                                                        opportunities to raise public
                                                                                        awareness for the habitat
                                                                                        requirements and problems of
                                                                                        the gravel bank breeders. One
                                                                                        is more willing to protect what
                                                                                        one knows.

2.2. Schutzmassnahmen und                                  2.2.1. Information und Sensibilisierung
Besucherlenkung
                                                           Informationstafeln und Flyer: Meist wurden beide oder
In verschiedenen Projekten wurden in Österreich,           je nach Vorkommen einer der beiden Kiesbrüter vorge­
Deutschland und der Schweiz Schutz- und Besucher­          stellt und mit Fotos sowie Informationen über Gefähr­
lenkungsmassnahmen für Flussuferläufer und Flussre­        dungen durch menschliche Störungen um Verständnis
genpfeifer realisiert (Stecher 1996, Schödl 2006, 2007a,   für die sensiblen Arten geworben (Zintl 1988, Stecher
Tappertzhofen 2016, 2017, Zanini und Torriani 2016a,       1996, Hammer 2006, Grimm und Schwarzenberger
2018, Ayé et al. 2017, Meyer und Bartholdi 2017). Wei­     2011, Uhl und Weissmair 2012, Meyer und Barthol­
tere Untersuchungen geben aufgrund der gesammelten         di 2017). An der Oberen Ammer in Bayern wurden an
Erkenntnisse konkrete Handlungsempfehlungen, wie           den Einstiegsstellen Hinweisschilder zu den «Boot-Re­
ein effektiver Schutz im jeweiligen Gebiet aussehen        gelungen» an den Informationstafeln angebracht und
müsste (Boschert 1998, Eger 2002, Petutschnig 2004,        mit Flyern ergänzt (Schödl 2007b). Der Alpenpark Kar­
Ismail et al. 2009, Kraft und Wehrth 2010). Die durch­     wendel informiert zusätzlich auf seiner Homepage und
geführten bzw. empfohlenen Massnahmen beinhalten           im lokalen Informationszentrum über die Probleme der
die Information und Sensibilisierung der Bevölkerung,      Kiesbrüter, die durch Störungen verursacht werden.
eine durchdachte Wegführung und Lebensraumge­              Die Besucherinnen und Besucher werden angehalten,
staltung, Beschilderung über Gebote und Verbote, die       sich von den Schotterbänken im Gebiet fernzuhalten
Absperrung von sensiblen Bereichen sowie eine per­         (Grimm und Schwarzenberger 2011). Zintl (1988) be­
sonelle Präsenz vor Ort. An den meisten Orten wer­         richtet über die Zusammenarbeit mit Werbefachper­
den verschiedene dieser Massnahmen kombiniert. Um          sonen, um möglichst viele Personen ansprechen und
eine gewisse Übersichtlichkeit zu gewähren, haben wir      überzeugen zu können. So endet beispielsweise eine
die Massnahmen im Folgenden soweit möglich aufge­          der genutzten Informationstafeln mit folgender Passa­
schlüsselt.                                                ge: «Seid lieb, Leute. Bräunt Euch auf allen Seiten. Nur
                                                           nicht auf unserer.»

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Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf die Kiesbrüter Flussregenpfeifer Charadrius dubius und Flussuferläufer Actitis hypoleucos - Ala ...
Schuck et al., Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf Kiesbrüter

    Führungen: Zur Information und Sensibilisierung        2.2.2. Gebote und Verbote
wurden Gespräche mit den Besucherinnen und Besu­
chern vor Ort gesucht. Wo möglich wurde den Besu­          Die Beschilderung mit freundlichen Bitten, Geboten
chern die Möglichkeit gegeben, die «herzigen» Vögel        und Verboten zum Schutz der Kiesbrüter fand in zahl­
mit ihren Jungen durch ein Spektiv zu bewundern (Ja­       reichen Gebieten Anwendung (Werth 1990, Schödl
quier und Meyer 2013, Meyer und Bartholdi 2015, 2016,      2006, Kraft und Werth 2010, Jaquier und Meyer 2013,
Michael Schödel mündlich). Ebenfalls wurden organi­        Tollardo und Fuchs 2016, Ayé et al. 2017, Tappertzhofen
sierte Exkursionen angeboten, wo Alt- und Jungvögel        2017, Heidi Emmenegger mündlich, Andreas Täschler
unter kundiger Leitung aus der Distanz beobachtet und      mündlich). Die meisten Schilder beinhalten neben In­
die Besucher für die Lebensraumansprüche der Arten         formationen zur Vogelart auch Angaben zu deren Le­
sensibilisiert wurden (Ryser 2018).                        bensraumansprüchen und zu den Problemen, die durch
    Medienberichterstattung: Über lokale Medien, Soci­     Störungen verursacht werden. Auf einigen Tafeln wird
al Media und lokale Fernsehberichterstattung wurde         um Rücksichtnahme gebeten und die Besucher wer­
um Verständnis für die beiden Arten geworben (Schödl       den angehalten, Kiesbänke nicht zu betreten (Ayé et
2006, 2007a, Lifeguard Augsburg 2017). An der Oberen       al. 2017, Heidi Emmenegger mündlich, Andreas Täsch­
Ammer betrieb man Öffentlichkeitsarbeit in den örtli­      ler mündlich). Andere Tafeln hingegen machen klare
chen Schulen und über Zeitungen (Schödl 2007b). Auf        Betretungsverbote deutlich (Bauer 1989, Werth 1990,
die Bedeutung einer angemessenen medialen Bericht­         Kilzer 1997, Grimm und Schwarzenberger 2011, Jaquier
erstattung bei der Sensibilisierung der Bevölkerung        und Meyer 2013, Frötscher und Schmid 2015, Meyer
weisen weitere Autoren hin (Boschert 1998, Ismail et al.   und Bartholdi 2017, Tappertzhofen 2017, Ryser 2018).
2009, Kraft und Werth 2010).                               Die Unterscheidung zwischen freundlicher Bitte, Gebo­
    Kontaktaufnahme mit Nutzervereinen: In verschiede­     ten und Verboten ist aus den Quellen nicht immer ein­
nen Beispielen wurde Kontakt mit lokalen Kanusport­        deutig ersichtlich. Kraft und Werth (2010) empfehlen
vereinen aufgenommen und um Verständnis für die Le­        in ihrem Besucherlenkungskonzept für Flussuferläufer
bensraumansprüche der Kiesbrüter geworben. So ins­         und Flussregenpfeifer an der Iller ein generelles Leinen­
truiert die Leitung der Kanuschule Versam ihre Guides,     gebot sowie ein ganzjähriges Betretungsverbot einiger
explizit sensible Zonen in der Rheinschlucht zwischen      Kiesinseln. Sie erachten ein temporäres Befahrungsver­
Ilanz und Reichenau im Kanton Graubünden zu mei­           bot sowie Lager- und Grillverbot in sensiblen Bereichen
den, um dort Störungen zu minimieren (Kasi Keller und      für notwendig.
Markus Fellmann mündlich).

                                                                                                         Abb. 3. Regelun­
                                                                                                         gen und Absper­
                                                                                                         rungen müssen
                                                                                                         klar und einfach
                                                                                                         ersichtlich sein.
                                                                                                         Aufnahme Fide
                                                                                                         Meyer.
                                                                                                         Rules and barriers
                                                                                                         must be easy to
                                                                                                         recognize and
                                                                                                         understand.

                                                                                                                        153
Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf die Kiesbrüter Flussregenpfeifer Charadrius dubius und Flussuferläufer Actitis hypoleucos - Ala ...
Ornithologischer Beobachter 117, 2020

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                                                                                         schilder allein reichen nicht
                                                                                         aus. Ohne Absperrungen
                                                                                         werden die Kiesinseln
                                                                                         schnell zu beliebten Rast-
                                                                                         und Badeplätzen. Aufnahme
                                                                                         Ruben Lippuner.
                                                                                         On their own, signs with in-
                                                                                         structions and prohibitions are
                                                                                         insufficient. Without barriers,
                                                                                         the gravel banks soon turn into
                                                                                         resting and swimming areas for
                                                                                         humans.

2.2.3. Physische Besucherlenkung                            fen (2016) führt aus, dass anstelle von Grillierverboten
durch Absperrung und Wegleitung                             vielmehr auch Grillplätze geschaffen werden müssen.
                                                            Damit würde die Akzeptanz für ein Verbot erhöht und
An mehreren Orten wurden physische Besucherlen­             zumindest ein Teil der Besucherinnen und Besucher
kungsmassnahmen für den Schutz der Kiesbrüter               dorthin gelenkt, wo Grillieren vorgesehen ist.
vor Störungen umgesetzt (Schödl 2007a, Grimm und                Sperrung sensibler Bereiche: In den Thurauen bei Al­
Schwarzenberger 2011, Tappertzhofen 2017, Ryser             tikon und Thalheim in den Kantonen Zürich und Thur­
2018). Mit der Schaffung natürlicher Barrieren und der      gau werden die Brutplätze des Flussregenpfeifers direkt
Verlegung von Wegen sollte das Betreten der Kiesbänke       nach deren Besetzung Ende März oder Anfang April
verunmöglicht werden. Zudem wurden besonders sen­           grossflächig mit Holzpfosten und Weidezaunband oder
sible Bereiche abgesperrt (Meyer und Bartholdi 2014,        mit mobilen Zäunen abgesperrt (Jaquier und Meyer
2016, Tappertzhofen 2016, 2017, Ryser 2018).                2013, Meyer und Bartholdi 2015, 2016, Ryser 2018). We­
    Weg- und Infrastrukturplanung: Ryser (2018) emp­        nig später folgen die Markierungspfosten für den Boot­
fiehlt, Fusswege aus dem Uferbereich zu entfernen bzw.      betrieb und für Angler entlang der Wasserlinie. Dabei
zurückversetzt neu anzulegen und den Besuchern auf          wurde der Bootsverkehr während der ganzen Saison
Info-Tafeln die Probleme zu erläutern. Nicht mit We­        von den Brutplätzen weggelenkt (Meyer und Bartholdi
gen erschlossene Fliessgewässer sollte man zur Ver­         2016). An Isar und Ammer wurden die Brutplätze mit
meidung von unnötigen Störungen weiterhin frei von          rot-weissen Absperrbändern gesperrt. Für Bootsfah­
Uferbegleitwegen halten (Petutschnig 2004, Michael          rende signalisieren rot-weisse Bänder, wo die sensible
Schödl mündlich, Sabine Tappertzhofen mündlich).            Zone beginnt und schwarz-gelbe Bänder, wo die sen­
In die gleiche Richtung geht die Schlussfolgerung von       sible Zone endet (Schödl 2007a, b). Aufgrund starker
Boschert (1998), dass zur Lenkung des Erholungs- und        Windgeräusche werden heute farbige Schnüre verwen­
Freizeitverkehrs an den Gewässern Massnahmen wie            det (Michael Schödl mündlich). In der Pupplinger Aue
die ganzjährige Sperrung von Uferwegen, Dammab­             südlich von München werden Brutplätze mit Schildern
schnitten und Baggerseen notwendig sind. Jaquier und        markiert und mit farbigen Schnüren abgespannt (Tap­
Meyer (2013) sowie Ayé et al. (2017) empfehlen frühzei­     pertzhofen 2016, 2017). Brutplätze der Vorjahre werden
tig zu definieren, welche Bereiche ungestört bleiben sol­   frühzeitig bereits vor der Brutsaison abgesperrt. Findet
len und welche den Besuchern zugedacht werden, und          im Frühjahr keine Besiedlung durch die Kiesbankbrü­
dies durch Neubauten und Schliessungen von Wegen            ter statt, wird die Sperrung wieder aufgehoben. Eine
sowie weitere Massnahmen umzusetzen. Tappertzho­            Sperrung sensibler Bereiche findet auch am Jonadelta

154
Schuck et al., Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf Kiesbrüter

im Kanton St. Gallen Anwendung. Dort wird den Be­         wässern weiterhin die Ausnahme. In den Thurauen in
suchern ein Zugang mit aufgestellten Zäunen verwehrt      den Kantonen Zürich und Thurgau wird der Aufsichts­
(Andreas Täschler mündlich). Im Urner Reussdelta          dienst von engagierten Ehrenamtlichen geleistet. An
wurde eine Zonierung nach Schutz- und Erholungszo­        der Maggia im Tessin sind Ranger vom Kanton einge­
nen mit Inseln für Badende sowie Inseln für die Kies­     setzt, ihre Präsenz ist jedoch sehr gering: Wenige Ein­
brüter mit Betretungsverbot geschaffen. Wo im Delta       zelpersonen müssen mehrere Kilometer Fliessgewässer
selbst ein Betretungsverbot gilt, werden Flächen mit      abdecken (Zanini und Torriani 2018).
Zäunen abgesperrt (Georges Eich mündlich).
    Natürliche Barrieren: Einige Autorinnen und Auto­     2.2.5. Sanktionierung bei Übertretungen
ren empfehlen, durch Anpflanzen von Dornsträuchern
vielgenutzte Bereiche in Brutgebieten unzugänglich        Angaben zu Sanktionierung bei Übertretungen liegen
oder weniger attraktiv zu gestalten (Werth 1990, Bo­      von der Isar südlich von München und den Thurauen in
schert 1998). Natürliche Barrieren können durch Wie­      der Schweiz vor. Erst eine strikte Kontrolle und Sank­
sen, die erst nach Abschluss der Brutzeit gemäht wer­     tionierung der Verbote macht diese wirksam und glaub­
den, hohe Brennnesselfluren oder Dornhecken gebildet      würdig (Tappertzhofen 2016). Isar-Ranger haben daher
werden (Kraft und Werth 2010, Meyer und Bartholdi         die Möglichkeit, Ordnungswidrigkeiten anzuzeigen.
2014, 2017, Ryser 2018). Im Reussdelta wurden einige      In den Thurauen wurde ein Vertrag per Gemeinderats­
Schutzflächen über wasserführende Kanäle der Reuss        beschluss verabschiedet, der die Situation zwischen der
von den Flächen für Erholungssuchende abgetrennt          Gemeinde und den Gebietsbetreuern rechtlich regelt.
(Georges Eich mündlich).                                  Dieser Vertrag befugt die Aufsichtspersonen, im Anzei­
                                                          geverfahren mittels eines vorgegebenen Online-Melde­
2.2.4. Personelle Präsenz vor Ort                         formulars Verstösse der Polizei zur Weiterverfolgung
                                                          zu übergeben (Meyer und Bartholdi 2017). Dies drängt
Die Präsenz vor Ort erfolgte entweder durch offizielle    sich insbesondere bei uneinsichtigen Hundehaltern auf,
Ranger (Tollardo und Fuchs 2016, Tappertzhofen 2017),     die weder das Betretungsverbot noch den Leinenzwang
durch Freiwillige, z.B. von lokalen Natur- und Vogel­     einhalten (Ryser 2018). Meyer und Bartholdi (2017) so­
schutzvereinen (Jaquier und Meyer 2013, Meyer und         wie Ryser (2018) betonen, dass die Sanktionierung als
Bartholdi 2014, Ayé et al. 2017) oder durch Studierende   letztes Mittel eines glaubwürdigen Schutzkonzepts
(Stecher 1996). In Bayern wird der Auftrag auch von der   wichtig ist.
Naturschutzwacht übernommen, einem Ins­trument der
Bayerischen Naturschutzbehörde. Sie haben oft mehr        2.3. Auswirkung von Schutz- und
Handlungsmöglichkeiten als Ranger. Naturschutz­           Besucherlenkungsmassnahmen
wacht, Ranger und teilweise auch Freiwillige tragen
meist Uniformen oder zumindest Kleidungsstücke,           2.3.1. Wirksamkeit der Massnahmen
die ihrem Auftreten einen offizielleren Charakter ver­    zur Störungsreduktion
leihen (Tollardo und Fuchs 2016, Lifeguard Augsburg
2017, Meyer und Bartholdi 2017). Sie werden daher als     Die meisten Quellen fokussieren auf die Bestandsent­
Respektpersonen wahrgenommen. Trotzdem kommt              wicklung der Kiesbrüter und machen keine quantifi­
ihnen nach Tollardo und Fuchs (2016) meist die Funk­      zierbaren Angaben über die Wirksamkeit der umgesetz­
tion des Ratgebers und nicht des Aufpassers zu. Stecher   ten Massnahmen. Unter Wirksamkeit verstehen wir,
(1996) berichtet über den erfolgreichen Einsatz von       inwieweit sich die Massnahmen eignen, Störungen in
Studierenden, die sich im Laufe ihres Einsatzes immer     adäquatem Ausmass zum Schutz der Kiesbrüter zu re­
mehr für den Schutz des Flussuferläufers begeisterten     duzieren und letztlich einen Bruterfolg zu ermöglichen.
und auch in Diskussionen mit Uneinsichtigen höflich       Für die Analyse haben wir positive und negative Erfah­
und sachlich blieben. Die Massnahmen der Information      rungen gruppiert und untersucht, welche Gemeinsam­
und Sensibilisierung der Bevölkerung werden vielfach      keiten und Unterschiede zwischen den Studien je nach
durch personelle Präsenz vor Ort ergänzt (Zintl 1988,     Wirksamkeit existieren. Die im «Dank» aufgeführten
Stecher 1996, Schödl 2007a, b, Grimm und Schwarzen­       Autoren haben wir kontaktiert, um deren detaillierte
berger 2011, Uhl und Weissmair 2012, Jaquier und Mey­     Einschätzung bezüglich der Wirksamkeit der Massnah­
er 2013, Meyer und Bartholdi 2014, 2015, 2016, 2017,      men zur Störungsreduktion zu erhalten. Dabei kristalli­
Tollardo und Fuchs 2016, Zanini und Torriani 2016a,       sierte sich Folgendes heraus: Erstens beinhalten alle als
Ayé et al. 2017, Lifeguard Augsburg 2017, Ryser 2018).    positiv und wirksam dargestellten Massnahmen eine
Während der Einsatz von Aufsichtspersonen wie z.B.        intensive personelle Präsenz vor Ort. Zweitens haben
Rangern in vielen Gebieten der Schweiz in den letzten     Absperrungen durch Zäune eine vergleichsweise hohe
Jahren zugenommen hat, ist deren Präsenz an Fliessge­     Wirksamkeit. Drittens sind Schilder mit Bitten, Gebo­

                                                                                                                       155
Ornithologischer Beobachter 117, 2020

Abb. 5. Flussregenpfeifer
siedeln gern auf offenen
Flächen mit geringer
bis keiner Vegetations­
bedeckung. Aufnahme
Christoph Meier-Zwicky.
The Little Ringed Plover
favours open habitats with
little or no vegetation cover.

ten und Verboten zwar ein notwendiger Bestandteil der     dass während der Präsenzzeit so gut wie alle Störungen
Besucherlenkung, entfalten für sich allein jedoch kaum    ausgeschaltet, jedoch ausserhalb der Präsenzzeit einzel­
Wirkung.                                                  ne Störungen festgestellt wurden (belegt durch Spuren
    Positive Erfahrungen: Auf vergleichsweise kleiner     auf den Inseln). Er führt auf, dass (mit Ausnahme eines
Fläche werden in den Thurauen intensive Schutz- und       Standortes) in den abgesperrten Bereichen geringere
Besucherlenkungsmassnahmen umgesetzt, für deren           Störintensitäten festgestellt wurden als in den nicht
Erfolg eine personelle Präsenz vor Ort von zentraler      abgesperrten Bereichen. Erfahrungen am Greifensee
Bedeutung ist. Meyer und Bartholdi (2016) stellen fest:   im Kanton Zürich zeigen, dass sich die Einhaltung der
«Mit hoher Präsenz von Aufsichtspersonen lässt sich       Leinenpflicht und das Betretungsverbot ausgewählter
das Schutzgebiet ‹Schäffäuli›, in Kombination mit Ab­     Schutzflächen seit der Etablierung des Rangerdienstes
sperrungen, frei von Störungen halten!». Die Mass­        substanziell verbessert haben. In diesen Feuchtgebieten
nahmen benötigten mehrere Jahren der Akzeptanz­           brüten zwar keine Kiesbrüter, doch die Erkenntnisse
gewinnung, haben sich aber bewährt und mittlerweile       sind grösstenteils auf Fliessgewässer übertragbar. Seit
eta­bliert. Der Aufwand zu Beginn der Saison ist immer    Beginn der Rangerpräsenz im Jahr 2010 gingen die Ver­
noch gross, aber irgendwann sind alle Beteiligten ge­     stösse um über 50 % zurück (Urs Wegmann mündlich).
nügend informiert. Ein erfolgreiches Brüten auf den In­   Allerdings kommt es trotz der Präsenz von Rangern in
seln wäre in den Thurauen ohne Kontrollen wegen frei­     diesen stark frequentierten Gebieten mit unzähligen
laufenden Hunden, zahlreichen Spaziergängern, Bade­       Besucherinnen und Besuchern und ohne Absperrungen
gästen, Anglern und Campern unmöglich. Die grosse         nach wie vor zu Übertretungen.
Bedeutung der personellen Präsenz vor Ort betont auch         Die Brutplätze abzusperren und mit Informations­
Tappertzhofen (2016, 2017). Die Isar-Ranger sind für      tafeln und Verbots- bzw. Gebotsschildern zu versehen,
den Schutz der Nistplätze unabdingbar. In der Studie      hat eine gewisse Wirksamkeit. Offenbar wird eine Um­
von Stecher (1996) wurde der Erfolg der Massnahmen        zäunung mit Weidezäunen und/oder Absperrbändern
ebenfalls auf die hohe personelle Präsenz zurück­         als ernst zu nehmende Barriere wahrgenommen, die
geführt, wo im Frühjahr 1996 Freiwillige 2500 Prä­        je nach Ort auch ohne grosse Präsenz vor Ort respek­
senzstunden vor Ort leisteten. Auch in der Studie von     tiert wird. So wurde beispielsweise die Jonamündung
Schödl (2007a), die einen positiven Effekt der Schutz­    am oberen Zürichsee 2018 provisorisch mit einem Zaun
massnahmen beim Flussregenpfeifer belegt (siehe Ka­       abgesperrt und mit Informationstafeln versehen. Die
pitel 2.3.2), wurden die Neststandorte täglich vor Ort    Erfahrungen zeigen, dass die Absperrung hier gut ak­
überwacht und Personen im direkten Gespräch am Be­        zeptiert wurde. Obwohl die Beschilderung kein klares
treten der Flächen gehindert. Schödl (2007b) resümiert,   Verbot auswies, wurden nur wenige Fälle des Miss­

156
Schuck et al., Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf Kiesbrüter

                                                                                              Abb. 6. Flussuferläufer bevor­
                                                                                              zugen als Brutplatz spätere
                                                                                              Sukzessionsstadien oder
                                                                                              höher gelegene Bereiche mit
                                                                                              ausgeprägter Krautschicht
                                                                                              und ersten aufkommenden
                                                                                              Sträuchern. Aufnahme
                                                                                              Christoph Meier-Zwicky.
                                                                                              As breeding sites, the Common
                                                                                              Sandpiper favours later states
                                                                                              of succession or areas at higher
                                                                                              altitudes with a prominent herb
                                                                                              layer.

achtens festgestellt (Andreas Täschler mündlich). In       2018, Sabine Tappertzhofen mündlich). Im St. Galler
weiteren Fällen mit positiven Erfahrungen wurde die        Abschnitt des Alpenrheins zwischen Trübbach und
Absperrung der Brutplätze zusätzlich mit personeller       Buchs wurden bei einer Untersuchung im Jahr 2019
Präsenz vor Ort ergänzt. Bei den Informations- und         auf allen 16 Kiesbänken mit Revieren des Flussregen­
Verbotstafeln ist es wichtig, möglichst eine einheitli­    pfeifers Hinweise auf menschliche Nutzung während
che Beschilderung zu wählen, damit die Besucher klar       der Brutzeit festgestellt, obwohl zahlreiche Tafeln im
informiert, jedoch nicht verunsichert bzw. verwirrt        Gebiet auf das Vorkommen des Flussregenpfeifers im
werden (Sabine Tappertzhofen und Michael Schödl            Gebiet hinweisen und um Rücksichtnahme bitten. Es
mündlich). Positive Erfahrungen konnten auch mit der       wurde sogar in mehreren Fällen beobachtet, wie die
Kontaktaufnahme und Sensibilisierung der lokalen Ka­       Besitzer mit den angeleinten Hunden an den Informa­
nusportvereine gemacht werden, so an der Ammer und         tionstafeln vorbeispazierten und die Hunde unmittelbar
in der Rheinschlucht im Kanton Graubünden (Michael         danach auf den Kiesbänken frei liessen (Jüstrich 2019).
Schödl mündlich, Kasi Keller und Markus Fellmann           Im Tessin werden an den Flüssen Maggia und Brenno
mündlich). In der Rheinschlucht werden die Guides von      ebenfalls einzelne Wege während der Brutzeit gesperrt.
der Leitung der Kanuschule Versam instruiert, gewisse      Allerdings wird von Zäunen abgesehen und lediglich
sensible Gebiete – deren Zugang eigentlich erlaubt wä­     durch eine Beschilderung auf die Betretungsverbote
re – für Pausen und Rast zu meiden. Zusätzlich nehmen      hingewiesen (Jaquier und Meyer 2013). Diese Verbote
diese Guides je nach Wissen, Motivation und Situation      werden häufig missachtet. Die fast 20 km lange Strecke
eine Aufsichtsfunktion wahr und weisen Personen, die       zwischen Avegno und Bignasco ist zu lang, als dass die
sich nicht an Gebote und/oder Verbote halten, auf ihr      «Animatori» (ähnlich wie Ranger, aber mit weniger Be­
Missverhalten hin.                                         fugnissen) ausreichend Präsenz vor Ort zeigen könnten
    Negative Erfahrungen: Wir konnten keinen einzigen      (Zanini und Torriani 2016a, Zanini 2018). Auch in den
Hinweis in der Literatur finden, dass das alleinige Auf­   Bolle di Loderio wird das Zugangsverbot häufig miss­
stellen von Tafeln mit freundlicher Bitte, mit Geboten     achtet (Zanini und Torriani 2016b). Bei Felsberg in
und Verboten ohne die Absperrung mit Bändern oder          Graubünden wurden Informationstafeln aufgestellt, die
Zäunen sowie ohne eine regelmässige Präsenz zu einer       die Bevölkerung dazu aufriefen, die Kiesinseln nicht zu
zielführenden Verbesserung der Störungsproblematik         betreten. Auf ein Betretungsverbot wurde verzichtet,
geführt hätte. Zahlreiche Autorinnen und Autoren be­       worauf Hundehalter und andere Besucher regelmäs­
richten, dass ohne diese zusätzlichen Massnahmen die       sig am Ufer der Inseln festgestellt wurden (Jaquier und
Regeln nicht respektiert werden (Meyer und Bartholdi       Meyer 2013, Ayé et al. 2017).
2015, 2016, Zanini und Torriani 2016a, 2016b, Ryser

                                                                                                                         157
Ornithologischer Beobachter 117, 2020

2.3.2. Auswirkungen auf den Bruterfolg                       3. Diskussion
Flussregenpfeifer: Der Bruterfolg (Anzahl flügge Jung­       Hochwasserereignisse sind für die meisten Brutver­
vögel pro Brutpaar und Jahr) des Flussregenpfeifers          luste von Flussregenpfeifer und Flussuferläufer verant­
lässt sich durch geeignete Massnahmen stark positiv          wortlich. Dabei sind Flussuferläufer aufgrund der im
beeinflussen. Dies belegt die einzige umfassende Unter­      Durchschnitt höher über der Wasserstandslinie liegen­
suchung zu Auswirkungen von Schutz- und Besucher­            den Brutplätze weniger betroffen. Deshalb und wegen
lenkungsmassnahmen (Schödl 2007a, b). Der durch­             der generell kürzeren Brutperiode produzieren Fluss­
schnittliche Bruterfolg an der Isar lag in drei Jahren mit   uferläufer weniger Ersatzgelege (Schmid 2018). Offen­
Massnahmen mehr als dreimal höher als in drei Jahren         bar können vor allem Flussregenpfeifer bei Gelegever­
ohne Massnahmen. Auf Vergleichsflächen unterschied           lusten den Bruterfolg über Ersatzbruten ausgleichen.
sich der Bruterfolg zwischen den Vergleichsperioden          Die Verbauung vieler mitteleuropäischer Flüsse und
nicht, so dass andere Faktoren als Einflussgrössen auf       die Zerstörung der natürlichen Auendynamik hat das
das positive Resultat ausgeschlossen wurden.                 Hochwasserrisiko für die Kiesbrüter verschärft. Selbst
    Flussuferläufer: Beim Flussuferläufer liegen zwei        geringe Zunahmen des Durchflusses führen in vereng­
Studien zu Auswirkungen von Schutz- und Besucher­            ten Flussbetten zu starken Pegelanstiegen. So gingen
lenkungsmassnahmen auf den Bruterfolg vor. Eine Stu­         beispielsweise im stark verbauten St. Galler Alpenrhein
die zeigt einen höchst positiven Einfluss (Stecher 1996),    alle Erstbruten im Frühjahr 2019 verloren, da alle exis­
während in der anderen kein positiver Einfluss nach­         tierenden Kiesinseln so gut wie vollständig überspült
gewiesen werden konnte (Schödl 2006). Stecher (1996)         wurden (eigene Beobachtungen). Die Nutzung vieler
untersuchte den Bruterfolg in zwei aufeinanderfolgen­        Fliessgewässer mit Speicherkraftwerken führt zusätz­
den Jahren, einmal mit und einmal ohne Schutzmass­           lich zu regelmässigen Wasserstandsschwankungen
nahmen. Dabei wurden in Jahren mit Schutzmassnah­            (Schwall-Sunk) und beeinträchtigt so die Lebensräume
men durchschnittlich 1,83 Jungvögel pro Revier flügge,       der Kiesbrüter (Bruder et al. 2012). Wie stark sich die­
im Jahr ohne Schutzmassnahmen hingegen lediglich             se Effekte auf deren Populationen auswirken, kann mit
1,16. Den höheren Bruterfolg im Jahr mit Massnahmen          den bestehenden Studien kaum quantifiziert werden.
führt der Autor auf die deutliche Verringerung der Stör­         Das genaue Ausmass der Gelegeverluste durch Prä­
frequenz zurück, wobei der Einfluss der Witterung            dation ist unklar. Der einzige in einer Studie bezifferte
nicht näher untersucht wurde. Die Bewachung zeigte           Wert für Gelegeverluste von 11,5 % (Schmidt und Wich­
ihre Wirkung vor allem in der Zeit der Jungenführung        mann 2010) ist im Vergleich zu Verlusten bei einer ähn­
und verursachte einen deutlichen Anstieg des Brut­           lichen Art, dem Sandregenpfeifer Charadrius hiaticula,
erfolgs der kleinen Flussuferläuferpopulation. Schödl        gering (Wallander und Andersson 2003, Wallander
(2006) untersuchte den Bruterfolg zwischen 1996 und          et al. 2006). Dabei muss berücksichtigt werden, dass
2001 ohne Schutzmassnahmen und verglich diesen mit           Hochwasser möglichen Prädationsereignissen beim
dem Bruterfolg zwischen 2002 und 2005 in Gebieten            Flussregenpfeifer vermutlich häufig zuvorkommen. Es
mit und Referenzflächen ohne Schutzmassnahmen. In            ist denkbar, dass Verluste durch Prädation auch beim
dieser Untersuchung liess sich kein positiver Effekt der     Flussregenpfeifer eine grössere Rolle spielen, als die
Schutzmassnahmen nachweisen, wobei der Autor ex­             einzige Studie zu diesem Thema suggeriert. Trotz der
plizit darauf hinweist, dass Untersuchungen zum Brut­        nachgewiesenen Schwierigkeit, diesen Parameter in der
erfolg beim Flussuferläufer sehr schwierig sind, solange     Praxis zu erfassen, wären weitere Studien zur Quanti­
man die Anzahl wirklich flügger Jungvögel und nicht          fizierung der Verluste durch Prädation wünschenswert.
nur den Schlupferfolg berücksichtigt (Michael Schödl             Störungen werden in allen Studien als Gefähr­
mündlich). Schödl (2003) verweist in einer weiteren          dungsursache genannt. Deren häufige Erwähnung
Untersuchung auf den besseren Bruterfolg der Popula­         in der Literatur verdeutlicht, welch grosse Bedeutung
tionen an der Ammer im Vergleich zu jenen an der Isar,       dieser Problematik beigemessen wird, obwohl deren
den er teilweise auf die höhere Freizeitnutzung an der       Auswirkungen schwierig zu quantifizieren sind. In
Isar zurückführt. Dass Schutz- und Besucherlenkungs­         den Berichten über die Umsetzung von Schutz- und Be­
massnahmen bei starkem Besucherdruck unerlässlich            sucherlenkungsmassnahmen fehlen meist detaillierte
sind, zeigen die Erfahrungen aus der Isaraue bei Mün­        Auswertungen über die Wirksamkeit dieser Massnah­
chen. Dort sind die Kiesinseln einem viel grösseren Be­      men. Aus den Beschreibungen lassen sich jedoch Ergeb­
sucherdruck von Wasser und Land ausgesetzt als bei           nisse ableiten. So zeigen zahlreiche Erfahrungen, dass
den untersuchten Flussabschnitten von Schödl (2006).         das Aufstellen von Tafeln mit Geboten und Verboten
Ohne Absperrung und Präsenz von Rangern vor Ort              allein nicht ausreicht, um Besucher effektiv davon ab­
wäre es für Flussuferläufer dort schwierig, erfolgreich      zuhalten, sensible Bereiche und vor allem Brutplätze
zu brüten (Sabine Tappertzhofen mündlich).                   auf Kiesbänken zu betreten (Jaquier und Meyer 2013,

158
Schuck et al., Auswirkungen von Störungen und Besucherlenkung auf Kiesbrüter

Zanini und Torriani 2016a, Ayé et al. 2017, Fide Meyer,      Künftige Studien sollten solche Aspekte systematisch
Sabine Tappertzhofen und Andreas Täschler mündlich).         untersuchen und quantifizieren. Aufgrund der vorhan­
Erst die Kombination aus Verbotstafeln und Absperrun­        denen Angaben und Gespräche mit einigen der Autoren
gen erzielt einen gewissen Effekt. Der zusätzliche Ein­      konnten wir ableiten, dass sich die Störungssituationen
satz von Rangern hat sich sehr bewährt und führt zu          in Bezug auf Art, Zeit, Dauer und Intensität in den ver­
besserer Respektierung der Gebote und Verbote. Ranger        schiedenen Gebieten deutlich unterscheiden. Schutz-
tragen zum Durchsetzen der Gebote und Verbote bei            und Besucherlenkungsmassnahmen sind jedoch unab­
und leisten einen wesentlichen Teil bei der Information      hängig von der Störintensität empfehlenswert, obwohl
und Sensibilisierung der Bevölkerung für die Belange         die Dringlichkeit derartiger Massnahmen in einigen
der Kiesbrüter. Wichtig ist, dass die Ranger den Rück­       Gebieten höher ist als in anderen. Die Präsenz von
halt der lokalen Behörden haben und wiederholte Ver­         Menschen und Hunden auf Kiesinseln stellt die gröss­
stösse in Einzelfällen auch zur Anzeige bringen können       te Störung für die Kiesbrüter dar. Die Störwirkung von
(Tappertzhofen 2016, Meyer und Bartholdi 2017). Im           Bootsdurchfahrten ist als geringer einzustufen, vor al­
EU-Interreg-Projekt «Vielfältiges Leben an unseren Ge­       lem wenn diese ruhig und ohne hektische Bewegungen
birgsflüssen» kam es vor der Beschilderung immer wie­        stattfinden. Auch ruhige Fussgängerinnen und Fuss­
der zu Konflikten zwischen Passanten, die sich gegen­        gänger, die einen Uferweg nicht verlassen, stellen keine
seitig zu belehren versuchten. Seit der Einführung und       grosse Störung dar. Grundsätzlich steigt mit einem Weg
Überprüfung klarer Regeln und nach deren Anerken­            am Ufer oder mit Bootsverkehr jedoch die Wahrschein­
nung durch die Bevölkerung hat sich die Situation deut­      lichkeit, dass es überhaupt zu Störereignissen kommt.
lich verbessert (Sabine Tappertzhofen mündlich).             Mit zunehmender Präsenz von Besuchern im Gebiet er­
    In den hier analysierten Publikationen wird nur          höht sich das Risiko, dass Personen Wege verlassen und
vereinzelt und wenig präzise auf die Art der Störungen       auf Kiesbänke gelangen, um dort zu baden, zu campie­
sowie deren Häufigkeit und Intensität eingegangen.           ren, zu grillieren oder zu angeln. In sensiblen Gebieten

Abb. 7. In ungestörten Auen finden die Kiesbankbrüter optimale Lebensbedingungen vor. Aufnahme Christoph Meier-Zwicky.
Undisturbed floodplains provide perfect living conditions for the gravel bank breeders.

                                                                                                                          159
Ornithologischer Beobachter 117, 2020

mit bestehenden Wegen sollte daher alles unternom­        lisierungen von Anfang an klar definiert wird, welche
men werden, um Besucher am Betreten der Kiesinseln        Flussabschnitte der Natur vorbehalten bleiben und
zu hindern. Mitunter bietet es sich an, Wege während      welche für Erholungssuchende aufgewertet werden. Es
der Brutzeit zu sperren oder umzuleiten und so den        ist enorm wichtig, der Bevölkerung von Anfang an ein
Störungsdruck in Teilabschnitten zu reduzieren. Dabei     schlüssiges und attraktives Gesamtkonzept zu bieten
muss berücksichtigt werden, dass unter Umständen          und zu kommunizieren. Bei der Umsetzung von Revi­
bereits einzelne Störungsereignisse zum Tod von Jung­     talisierungen an einem Fluss soll mit Massnahmen für
vögeln oder zur Aufgabe von Bruten führen können. In      die Besucherinnen und Besucher begonnen werden, um
bisher unerschlossenen Gebieten sollten im Umkehr­        danach die Revitalisierungen für die Natur mit breiter
schluss keine neuen Wege gebaut oder Flussabschnitte      Unterstützung durch die Bevölkerung realisieren zu
für den Bootsverkehr freigegeben werden, um die we­       können.
nigen verbliebenen, relativ ungestörten Lebensräume           Bei Abschnitten, die der Natur vorbehalten sind, ist
nicht zu entwerten.                                       die Besucherlenkung von Beginn an in der Planung un­
    Lediglich drei der 87 analysierten Publikationen      ter Beizug von Experten zu berücksichtigen. Mit Weg­
machen konkrete Aussagen zu Schutz- und Besucher­         führung und physischen Massnahmen (Wassergräben,
lenkungsmassnahmen und deren Auswirkungen auf             Wällen, Dornenhecken, Steilwänden) können die Besu­
den Bruterfolg der beiden Arten. Die Ergebnisse zeigen,   cher von den neuralgischen Stellen effektiv und kosten­
wie schwierig sich ein Monitoring des Bruterfolgs der     günstig ferngehalten werden. Vor allem in den ersten
beiden Arten darstellt und dass weiterer Forschungs­      Jahren nach der Revitalisierung muss die Besucherlen­
bedarf besteht. Sie deuten jedoch ebenfalls an, dass      kung mit Personal vor Ort intensiv umgesetzt werden.
Schutz- und Besucherlenkungsmassnahmen den Brut­
erfolg massgeblich verbessern können und eine zentrale    4.2. Umsetzung von Massnahmen
Massnahme zum Schutz der Populationen der beiden          in der Praxis
Arten sein können.
                                                          Aufgrund der Ergebnisse dieser Studie empfehlen wir
                                                          folgende Schutz- und Besucherlenkungsmassnahmen
4. Empfehlungen                                           für einen effektiven Schutz der Kiesbrüter:

Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie sind, dass        1. Information und Sensibilisierung
Schutz- und Besucherlenkungsmassnahmen für Kies­          – Aufstellen von Infotafeln, Verteilen und Auflegen
brüter in den von menschlicher Nutzung stark be­             von Flyern sowie Medienberichterstattung zur Sen­
einflussten Gebieten zum einen früh und gut geplant          sibilisierung der lokalen Bevölkerung für die Belan­
werden müssen; zum anderen wird klar, dass sich eine         ge der Kiesbrüter.
Kombination von Massnahmen, welche die Bereiche           – Schaffung eines Exkursionsangebots zum Kennen­
Information und Sensibilisierung, Gebote und Verbote,        lernen der Arten sowie zur Verständniswerbung für
physische Besucherlenkung, personelle Präsenz vor Ort        getroffene Schutz- und Besucherlenkungsmassnah­
sowie Sanktionierung bei Übertretung umfassen, posi­         men.
tiv auf die Kiesbrüter auswirkt.                          – Kontaktaufnahme mit lokalen Wasser- und Kanu­
                                                             sportvereinen sowie Bootsvermietungen zur Abspra­
4.1. Frühzeitige Planung von Schutz-                         che der Vorgehensweise, um möglichst störungsarme
und Besucherlenkungsmassnahmen                               Durchfahrten sensibler Bereiche gewährleisten und
                                                             Anlandungen auf sensiblen Kiesinseln verhindern
Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen Schutz- und           zu können.
Besucherlenkungsmassnahmen frühzeitig in die Pla­         – Bereitstellung von Informationen an den Bootsein­
nung einbezogen werden, zum Beispiel bei einer Ge­           stiegsstellen mit Angaben, wo die sensiblen Bereiche
wässerrevitalisierung oder einem touristischen Projekt       liegen sowie der Anweisung, diese möglichst stö­
in einem sensiblen Gebiet. So können allfällige Kon­         rungsarm und ohne Anlanden zu durchfahren.
flikte bereits im Voraus entschärft oder gar vermieden
werden.                                                   2. Physische Besucherlenkung durch Absperrung und
    Naturnahe Bereiche an Flüssen, die dem Flussufer­        Wegleitung
läufer und dem Flussregenpfeifer Lebensraum bieten,       – Schaffung von Barrieren, die ein Betreten der sen­
haben eine grosse Anziehungswirkung auf Erholungs­           siblen Bereiche verhindern bzw. erschweren. Geeig­
suchende. Es ist daher notwendig, dass insbesondere          net sind z.B. wasserführende Kanäle, Dornensträu­
bei grösseren Flüssen, in Tourismusgebieten oder im          cher oder spät geschnittene Hochstaudenfluren mit
Umfeld von Städten und Agglomerationen bei Revita­           Brennnesseln.

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