Blätter aus dem Thurgauer Wald - Forstamt

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Blätter aus dem Thurgauer Wald - Forstamt
Bl ä t t e r a u s d e m
T h u r g a u e r Wa l d
Informationen für Waldeigentümer und Forstreviere
30. Jahrgang, Nr. 1, Februar 2023
Blätter aus dem Thurgauer Wald - Forstamt
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Blätter aus dem Thurgauer Wald - Forstamt
Edit or i a l

Geschätzte Leserinnen und Leser

Ich hoffe, Sie hatten einen guten Start ins        Die erste Ausgabe der BTW erschien im Feb­
2023. Ein neues Jahr bedeutet bekanntlich          ruar 1994, also stehen wir im 30. Jahr BTW.
gute Vorsätze. Ich denke, jedermann macht          Dies ist Grund genug, mit den damaligen
sich dazu gewisse Gedanken. Ob man sich            Hauptakteuren zurückzuschauen. So erfahren
dann tatsächlich Vorsätze nimmt und diese          Sie im Interview mit unseren ehemaligen Kol­
auch umsetzt, ist eine andere Frage.               legen Paul Gruber und Paul Pfaffhauser doch
   Über den Jahreswechsel habe ich mir über­       einige interessante Dinge aus früheren Zeiten.
legt, was für die gesamte Waldbranche wichtig      Noch länger als die BTW gibt es Kontrollstich­
sein könnte. Dabei kam ich auf folgenden           proben. Bereits im Jahre 1970 nämlich wurden
Punkt: Ich bin der Meinung, dass wir mit mehr      die ersten Aufnahmen gemacht. Es ging da­
Demut an unsere Aufgaben im Wald herange­          mals (und geht auch heute noch) darum,
hen sollten. Förster und auch Waldbesitzer         Stammzahlen zu ermitteln sowie Zuwachs,
sind zwar Experten auf ihrem Gebiet. Aber          Vorrat und Nutzung zu erheben. Lesen Sie
dennoch wissen wir in vielen Fällen schlicht       selbst dazu ab Seite 18.
nicht exakt, was genau richtig oder falsch ist.      Das neue Forstrevier Unterthurgau ist seit
Hand aufs Herz; Wie läuft es ab? Wir analysie­     dem 1. Januar 2023 operativ. Das Revier ent­
ren, wir werfen unser Fachwissen in die Waag­      stand aus dem Zusammenschluss der Forst­
schale, wir treffen Annahmen und entscheiden       reviere am Rhein und Unterthurgau, umfasst
schliesslich aus vollster Überzeugung. Dabei       den ehemaligen Bezirk Diessenhofen sowie die
sind wir zum Zeitpunkt des Entscheides in der      Politische Gemeinde Wagenhausen und weist
Regel nicht sicher, ob es wirklich funktioniert.   somit eine Gesamtwaldfläche von 1732 ha
Und wir werden es häufig gar nie erfahren, da      auf. Wir erachten diese Revierentwicklung als
das Ergebnis erst nach Jahrzehnten sichtbar        eine sehr gelungene Sache und wünschen
wird. Zudem gibt es Faktoren, die wir kaum         den Verantwortungsträgern viel Freude und
beeinflussen können bzw. denen wir ausgelie­       gutes Gelingen.
fert sind (z.B. Witterung, Schadorganismen).          Schliesslich wünsche ich Ihnen – geschätzte
Ich glaube, dass wir mit dieser angepassten        Leserinnen und Leser – einen gute Zeit ohne
Einstellung auch in Zukunft glücklich sein kön­    Unfälle und viel Vergnügen bei der Lektüre
nen. Denn nach wie vor schätzt unsere Gesell­      der BTW.
schaft den Wald und die Akteure im Wald sehr.
Dies soll uns motivieren, auch weiterhin unser
Bestes zu geben.
   Im Rahmen der Baumartenporträts stellen
wir Ihnen die Aspe vor. Die Aspe gehört zu den
Pappeln. Der Name Aspe ist vielleicht nicht so
bekannt, der Name Zitterpappel hingegen
wohl schon. «Man zittert wie Espenlaub» ist
eine bekannte Redewendung. Forstlich ist die
Bedeutung der Aspe eher gering, ökologisch
allerdings hat diese Pionierbaumart einen
gros­sen Stellenwert. Und es gibt im Thurgau                Daniel Böhi
einige stattliche Exemplare dieser Baumart.        Kantonsforstingenieur

                                                                                      BTW 1/2023 3
Blätter aus dem Thurgauer Wald - Forstamt
Inha lt

  Forstamt und Forstdienst
 Die Aspe im Kanton Thurgau                                                    5
 30 Jahre Blätter aus dem Thurgauer Wald Interview mit den Erfindern           8
 Wettbewerb zum Jubiläum: Das schönste Waldfoto pro Jahreszeit wird gesucht!   12
 Waldinventuren mit Kontrollstichproben im Kanton Thurgau                      13
 Das Forstrevier Unterthurgau                                                  16
 Revierbesuch von Regierungsrat Dominik Diezi                                  20
 Das Jahr 2022 – zu trocken und zu warm                                        21

  Diverses
 Zugversuche an Esche im Thurgau                                               23
 Vom Wachstum einer jungen Eiche                                               25
 «Der Schweizer Wald – einfach erklärt»: Das Waldhandbuch                      27
 Runde Geburtstage und Arbeitsjubiläen                                         27

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Blätter aus dem Thurgauer Wald - Forstamt
Forstamt und Forstdienst

D ie As p e i m K a nto n Thu rg au

Die Aspe, auch Zitterpappel oder Espe genannt,
kennt jedes Kind, weil ihre runden Blätter
schon bei leichtem Wind zittern. Neben der
Schwarzpappel und der Silberpappel ist die
Aspe die dritte Pappelart, die im Thurgauer
Wald natürlich vorkommt. Junge Aspen sind
relativ häufig, alte oder grosse Exemplare
hingegen eher selten. Die forstliche Bedeutung
der Aspe ist derzeit gering. Dafür ist sie öko-
logisch sehr wertvoll.

Die Aspe ist eine Vertreterin der Gattung Pap­
peln (Populus), die zur Familie der Weidenge­
wächse gehört. Im Thurgauer Wald kommen
drei verschiedene Pappelarten natürlich vor.        Das Blatt der Aspe ist rundlich und hat einen
Neben der Aspe (Populus tremula) sind dies die      langen Blattstiel. Foto: Ulrich Ulmer
Schwarzpappel (Populus nigra, BTW 3/2019)
und die Silberpappel (Populus alba). Ausserhalb     Juni brechen die reifen Kapselfrüchte auf und
des Waldes, z. B. in Plantagen, kommen auch         geben die zahlreichen, mit weissem Flaum
weitere Pappelarten, -kreuzungen oder -klone        versehenen kleinen Samen frei.
vor, die häufig als «Zuchtpappeln» bezeichnet          Aspen können bei uns 25 bis 30 m hoch
werden.                                             werden, selten höher. Dabei werden Durch­
                                                    messer von 60 bis 80 cm, selten bis 100 cm
Zittern wie Espenlaub                               auf Brusthöhe erreicht. Aspen sind nicht sehr
Charakteristisch für die Aspe sind ihre rundli­     langlebig, sie werden vielleicht 60 bis 80 Jahre
chen Blätter, die relativ lange Blattstiele auf­    alt, selten älter.
weisen. Da diese Stiele nicht rund, sondern
abgeflacht sind, bewegen sich die Blätter
schon bei leichtem Wind und zittern. «Zittern
wie Espenlaub» lautet die bekannte Rede­
wendung. Dieses Zittern ist ein eindeutiges
Bestimmungsmerkmal und hat der Espe, Aspe
oder Zitterpappel zu ihrem Namen verholfen.
    Die Blätter sind spiralig angeordnet. An
Langtrieben sind die Blätter nicht rundlich,
sondern dreieckig bis eiförmig. Im Herbst
­färben sich die Blätter leuchtend goldgelb.
 Typisch für Aspen sind auch ihre Blüten, die als
 5 bis 10 cm lange hängende Blütenkätzchen
 schon im März bis April vor den Blättern aus­
 treiben. Aspen sind windbestäubt und wie
 alle Pappeln und Weiden zweihäusig, d. h. auf      Längsrissige, gefurchte Rinde einer älteren Aspe.
 einer Aspe gibt es immer entweder nur männ­        In der Jugend ist die Rinde glatt und weist auffällige,
                                                    kleine dunkle Rauten auf. Foto: Ulrich Ulmer
 liche oder nur weibliche Blüten. Im Mai bis

                                                                                               BTW 1/2023 5
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 Vom Mittelmeer bis zum Polarkreis                         mungen. Aspen blühen bereits ab fünf bis
 Das Verbreitungsgebiet der Aspe ist riesig. Es            zehn Jahren und bilden leichte Samen in gros­
 reicht von Irland bis nach Ostasien und vom               ser Zahl, was der Pionierstrategie zusätzlich
 Mittelmeer bis über den nördlichen Polarkreis.            hilft. Dank ihrer ausgeprägten Fähigkeit, Wur­
                                                           zelbrut zu bilden, besiedeln sie oft auch auf­
                                                           gegebene Alpweiden. Die Aspe ist häufig auf
                                                           Schlag-, Sturm- oder Brandflächen anzutref­
                                                           fen. Obwohl sie im Thurgauer Wald kaum ge­
                                                           pflanzt wird, ist sie vor allem in Jungbestän­
                                                           den relativ häufig, da sie sich sehr gut
                                                           natürlich verjüngt. Sie wächst in der Jugend
                                                           bei vollem Lichtgenuss erstaunlich schnell.
 Die Verbreitung der Aspe (Populus tremula) in Europa      Wegen ihrer mit dem Alter abnehmenden Kon­
 und Asien. Quelle: EUFORGEN. https://www.euforgen.        kurrenzkraft und weil bei der Bewirtschaftung
 org/species/populus-tremula/ Caudullo, G., Welk, E.,
 San-Miguel-Ayanz, J., 2017                                andere Baumarten bevorzugt werden, ver­
                                                           schwindet sie mit der Zeit, sodass in älteren
 Auch in der Schweiz kommt die Aspe fast flä­              Beständen kaum Aspen vorhanden sind. Gros­
 chendeckend vor. Sie fehlt nur in den Hochla­             se oder alte Exemplare sind bei uns selten.
 gen. Am häufigsten ist sie in Lagen von 800
 bis 1200 m ü.M. und in den Regionen Alpen                 Die Aspe – verbreitet und doch selten
 und Alpensüdseite. Baumförmig kommt die                   Gemäss Schweizerischem Landesforstinventar
 Aspe bis auf rund 2000 m ü.M. vor, als Strauch            (LFI) hat die Aspe schweizweit einen Stamm­
 sogar bis auf rund 2200 m ü.M.                            zahlanteil von rund 0,2 % (Basis: Bäume ab
                                                           12 cm Durchmesser auf Brusthöhe). Nur einer
                                                           von 500 Bäumen im Schweizer Wald ist also
                                                           eine Aspe. Am häufigsten ist sie in den Kan­
                                                           tonen Wallis (0,8 %), Graubünden (0,5 %) und
                                                           Tessin (0,3 %). Im Kanton Thurgau liegt ihr
                                                           Anteil bei rund 0,2 %. Gemäss LFI hat sich die
                                                           Zahl der Aspen seit 1985 sowohl schweizweit
                                                           als auch im Thurgau nicht verändert.

 Die Verbreitung der Aspe (Zitterpappel) in der Schweiz.
 Quelle: Schweizerisches Landesforstinventar (LFI),
 www.lfi.ch

 Die Aspe, eine anspruchslose Pionierin
 Die Aspe ist ähnlich der Birke eine ausgespro­
 chene Pionier- und Lichtbaumart. Sie erträgt
 Frost, Sonnenstrahlung, Hitze und Trocken­
 heit, wie sie auf Freiflächen vorkommen. Sie
 ist anspruchslos und äusserst robust, wächst
 praktisch überall gut, auch als Erstbesiedlerin           Grosse Aspen auf 1500 m ü.M. in Lavin (GR) im
 auf Rohböden, und erträgt auch Überschwem­                ­Unterengadin. Foto: Ulrich Ulmer

6 BTW 1/2023
Blätter aus dem Thurgauer Wald - Forstamt
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Die Aspe, eine Baumart mit Potenzial
Peter Ammann von der Fachstelle Waldbau in
Lyss untersuchte 2021 im Rahmen eines BAFU-
Projektes das waldbauliche Potenzial der
Aspe anhand von bis zu 80-jährigen Aspen an
21 Standorten im Schweizer Mittelland (AG), im
Rheintal (SG) und im Albulatal (GR) und liefert
erstaunliche Resultate: «Das rasche Höhen­
wachs­tum von Aspen auf guten Standorten ist
beeindruckend: Maximalwerte sind ca. 16 m im
Alter von zehn Jahren, ca. 24 m mit 20 Jahren,
28 bis 30 m mit 30 Jahren. Es wurden maximale
Jahrestrieblängen von über zwei Meter gemessen.
Die höchsten gemessenen Aspen erreichten
32 m, waren aber mit 36 Jahren noch recht
jung … Auch das Durchmesserwachstum ist
rasant und beeindruckend. Vitale Aspen er­
reichen im Schweizer Mittelland nach 15 Jah­
ren rund 30 cm und nach 30 Jahren rund              Zwei grosse Aspen stehen im Herrenhofer Wald.
50 cm BHD … Damit scheint die Aspe die in           Sie haben einen Durchmesser von 47 und 48 cm
                                                    auf Brusthöhe und sind knapp 30 m hoch.
der Jugend schnellstwachsende einheimische          Foto: Ulrich Ulmer
Baumart zu sein.» Gemäss Peter Ammann ist
die Aspe ein idealer Ersatz für die wegen der       Die Aspe – sehr wichtig für die Biodiversität
Eschenwelke ausfallende Esche auf feuchten          Die Aspe gilt als eine der wichtigsten Baumar­
und nassen Eschenstandorten.                        ten für Schmetterlinge. Viele Raupen von selte­
                                                    nen und gefährdeten Tagfaltern leben und er­
Gute Holzeigenschaften, geringe Bedeutung           nähren sich in Aspenkronen. Auch Spechthöhlen,
Das Holz der Aspe ist dem Holz anderer Pappeln      z. B. an Abbruchstellen von abgestorbenen
sehr ähnlich. Es ist leicht, hell bis rötlich und   Hauptästen, oder häufig auftretende Kernfäu­
weich. Als leichtes Holz mit geringem Brenn­        len, die zu Höhlen werden, machen die Aspe
wert wird es als Energieholz wenig geschätzt.       zur ökologisch sehr wertvollen Baumart.
Als Nutzholz hat Aspenholz in der Schweiz
eine geringe Bedeutung, obwohl es wie das           Die Aspe, eine Baumart mit Zukunft
Holz der anderen Pappeln z. B. für Schälfur­        Die Aspe ist eine anspruchslose, robuste und
nier, Sperrholz, Skikerne oder für die Herstel­     problemlose Baumart, die mit ganz unter­
lung von Zellulose und Papier verwendet wer­        schiedlichen Standortbedingungen zurecht­
den kann und in andern Ländern im grossen           kommt. Gefährliche Schadorganismen treten
Stil verarbeitet wird.                              bei ihr derzeit nicht auf. Sie verjüngt sich auf
   Die Firma Hess & Co AG in Döttingen (AG),        Störungsflächen natürlich sehr gut, wächst in
das einzige Werk in der Schweiz, das Schäl­         der Jugend sehr schnell und ihr Holz ist vielsei­
furnier und Sperrholz aus Pappelholz her­           tig verwendbar. Die Aspe ist ökologisch sehr
stellt, stellte den Betrieb per Ende Januar 2023    wertvoll. Dank all dieser Eigenschaften ist die
ein. Dies zehn Tage nachdem Olympiasieger           Aspe eine perfekte Baumart für die Zukunft.
Beat Feuz, vielleicht mit ein wenig Aspenholz
in seinen Skiern, in Kitzbühel seine letzte Ab­                                       Ulrich Ulmer
fahrt gefahren ist …                                               Kreisforstingenieur Forstkreis 3

                                                                                           BTW 1/2023 7
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 30 Ja h r e B l ä t t er au s d em Thurg au e r Wal d
 Int er v i e w m i t den Erf i nd ern

 Im Februar 1994 erschien die erste Ausgabe             mentarier kennen. Ich kannte dadurch die
 der Blätter aus dem Thurgauer Wald. Mit                forstliche Gesetzgebung von Grund auf, und
 der vorliegenden Ausgabe startet somit der             dieses Wissen war der Auslöser, dass ich als
 30. Jahrgang. Dies führte zur Idee, zusammen           Kantonsforstmeister in den Thurgau kam.
 mit den damaligen Initianten der Blätter aus              Paul Pfaffhauser (PP): Ich arbeitete damals
 dem Thurgauer Wald, Paul Gruber und Paul               zu 40 % im Museumsamt und zu 60 % im Forst­
 Pfaffhauser, in einem Interview auf die Anfän-         amt. Zum forstlichen Teil gehörte auch mein
 ge zurückzublicken.                                    Einsatz an der Landwirtschaftsschule Arenen­
                                                        berg als Fachlehrer Waldbau. Ab 1995 wurde ich
 Was war 1994 eure Funktion beim                        dann zu 100 % beim Forstamt angestellt und
 ­Kantonsforstamt?                                      war auch in der Ausbildung der Forstwarte im
  Paul Gruber (PG): Ich war 1994 Kantonsforst­          BBZ Weinfelden tätig. Für die Zuständigkeiten
  meister. Im April 1990 starb mein Vorgänger           jener Forstingenieure, die keine Kreise betreu­
  Clemens Hagen, und ich übernahm die Lei­              ten, wurden erst damals fixe Ressorts festge­
  tung des Amtes ad interim bis im Oktober              legt: Walderhaltung – Forstliche Planung – Aus­
  1990. In dieser Zeit arbeitete ich jeweils am         bildung und Information. Das vierte Ressort,
  Montag in Frauenfeld und an den anderen               die Leitung von Sekretariat und Buchhaltung,
  Wochenarbeitstagen bei der Eidgenössischen            erhielt den Titel «Zentrale Dienste».
  Forstdirektion in Bern. In Frauenfeld war Urs
  Hugentobler meine Stellvertretung. Es war             Wie kam es zur Idee einer regelmässigen
  sein Wunsch, dass ich an einem Tag pro Wo­            Publikation?
  che anwesend war, damit die anstehenden               PG: Ich weiss nicht mehr, wer die Idee hatte,
  Pendenzen besprochen werden konnten.                  ob Paul oder ich. Bei meiner Arbeit in Bern
     Im Jahr 1990 wurde in Bern das Eidgenössi­         und bei der Zusammenarbeit mit den Bundes­
  sche Forstpolizeigesetz überarbeitet. Unter           parlamentariern in den Kommissionen wurde
  anderem wählte man den neuen Namen                    immer wieder betont, dass die Kantone ihre
  «Waldgesetz». In dieses Thema war ich stark           Anliegen den Bürgern gegenüber besser kom­
  involviert. So war ich jeweils dabei, wenn die        munizieren sollten. «Ihr sitzt in eurem Stübli
  Forstdirektion das Gesetz im Bundeshaus ver­          und verkauft euch nicht», lautete der Tenor.
  treten musste, und lernte verschiedene Parla­         Dieses Anliegen nahm ich von Bern mit.

 Die verschiedenen Erscheinungsbilder der Blätter aus dem Thurgauer Wald. Foto: Sandra Horat

8 BTW 1/2023
Blätter aus dem Thurgauer Wald - Forstamt
Forstamt und Forstdienst

Für die kantonale Gesetzgebung über den Wald         wir. Im Jahr 2023 hat es den 29. Jahrgang!)
war beim Kanton eine Übergangsregelung zur           Vielleicht war dieses Vorwissen der Auslöser
raschen vorläufigen Umsetzung des neuen              für den von uns gewählten Namen.
Bundesgesetzes notwendig. Denn im Thurgau               Auftrieb für unser Anliegen gab auch der
hatte man bis anhin lediglich eine regierungs­       Umstand, dass für mein Büro kurz zuvor ein PC
rätliche Verordnung über den Wald, noch kein         angeschafft worden war. Vorher durfte ich ei­
Kantonsgesetz. Der Präsident der dafür not­          nen Schreibautomaten benutzen, wenn er frei
wendigen Gesetzeskommission legte mir da­            war, im Sekretariat des Museumsamtes (z. B.
mals ans Herz, dass man das neue Waldgesetz          am Samstag). Nachdem Paul Gruber 1990 als
auch nach aussen möglichst effektiv vertritt.        Kantonsforstmeister angefangen hatte, hatte
Diese Gedankenanstösse waren wertvolle Vor­          er mir erlaubt, das Geld, das für meine Lektio­
aussetzungen! Zusammen mit dem Kommissi­             nen dem Forstamt vom Arenenberg ausbezahlt
onspräsidenten überlegte ich, wie man dieses         wurde, in einen PC zu investieren.
Anliegen umsetzen könnte. Es sollte etwas Re­           PG: Der Ausdruck «Blätter» war für mich
gelmässiges, aber nicht zu Umfangreiches wer­        wichtig. Wir hatten später ein paar Mal darü­
den. Daher kamen wir auf die Idee, eine neue         ber gesprochen, ob man den Ausdruck än­
Publikation viermal pro Jahr herauszugeben:          dern sollte. Wir erkannten, dass es nötig war,
Nicht zu viel, aber regelmässig. Selbstverständ­     Überzeugungsarbeit bezüglich mehr Laubholz
lich brauchte das Forstamt zusätzlich noch wei­      zu leisten. Deshalb war für mich die Doppel­
tere Öffentlichkeitsarbeit wie Zeitungsartikel       deutigkeit der Blätter sympathisch, und der
und Broschüren.                                      Titel wurde beibehalten.

Wisst ihr noch, wer die Idee zum Titel hatte?        Wie wurden die Blätter damals verteilt?
PG: Ich meinte, du, Paul, hattest die Idee. Der      Höhe der Auflage?
Begriff «Blätter» beinhaltet einen Doppelge­         PP: Die erste Nummer wurde zusammen mit
danken: Wir wollten im Thurgauer Wald mehr           dem Leitbild «Was wollen wir für den Thurgau­
Laubholz und gleichzeitig etwas zum Lesen.           er Wald» und mit den Unterlagen der Waldge­
   PP: Ich schrieb früher meine Arbeitsstun­         setzgebung den Parlamentariern verteilt. In­
den auf, weil ich für verschiedene Arbeitgeber       nerhalb des Forstdienstes haben wir die Blätter
tätig war. In meinen Aufzeichnungen suchte           verschickt. Auch konnten wir sie dem Wald­
ich vergeblich nach dem genauen Vorgehen             wirtschaftsverband, der Waldbaukommission
damals. Betreffend die Blätter hatte ich noch        und dem Försterverband zum Verschicken ge­
eine dritte Person im Kopf – Irene Schuchter.        ben. Über verschiedene Parlamentarier, vor al­
Aber ich fand nicht mehr heraus, worin ihr           lem Bruno Haag, haben wir auch viele weitere
Beitrag zu dieser Publikation bestand.               Adressen erhalten. Die ersten Blätter erschie­
   In meiner Freizeit war ich oft in der Druckerei   nen in einer Auflage von 500 Exemplaren.
Huber, die ich von früheren Aufsätzen her ken­
nengelernt hatte. Ich arbeitete damals an einer      Wer hat den Inhalt festgelegt?
weiteren Publikation. Bei einem Besuch dort          PG: Der Inhalt wurde gemeinsam festgelegt. Die
lernte ich einen Fachmann kennen, der in der         Stabsitzung der Ressortleiter, als Führungsinst­
gleichen Gemeinde wohnte wie ich. Er gab mir         rument neben der altbewährten Forstmeister­
seine Absicht bekannt, in unserer Gemeinde           konferenz, wurde damals von mir ins Leben
den Versuch einer wöchentlichen Lokalpubli­          gerufen. Auf diese Weise fand ungefähr alle
kation zu starten. Bald begann er damit und          zwei Wochen ein Gedankenaustauch statt, der
gab ihm den Namen «Wängener Blättli». (Of­           auch der Nacharbeit der Forstmeisterkonferen­
fenbar hat er erst später begonnen damit als         zen diente. Aus diesen beiden Gesprächsrunden

                                                                                          BTW 1/2023 9
Blätter aus dem Thurgauer Wald - Forstamt
Forstamt und Forstdienst

  ergaben sich zahlreiche Themen, die sich für       von ETH-Professor Fritz Fischer: «Wem nichts
  eine Veröffentlichung in den Blättern eigneten.    auffällt, dem fällt auch nichts ein!» Aus diesen
     Wir wählten für jede Nummer ein Schwer­         kurzen Aufenthalten ergaben sich für mich oft
  punktthema. In den ersten Jahren lagen diese       neue Themen oder ich konnte Fotos machen.
  notwendigerweise häufiger auf der Gesetzge­        Wenn ich die Texte für eine neue Nummer be­
  bung als später. Was mir ebenfalls wichtig         reit hatte, nahm sich Paul Gruber immer die
  war: Ich legte für jede Ausgabe einen Leitge­      nötige Zeit, um sie genau durchzulesen. Ich
  danken fest. Der Leitgedanke bei der ersten        denke heute noch mit grosser Dankbarkeit da­
  Ausgabe lautete z. B. «Wir meinen, die Natur       ran, wie er die Treppe hinunter in mein Büro
  zu beherrschen, aber wahrscheinlich hat sie        kam und mich unter anderem betreffend die
  sich nur an uns gewöhnt.», K.H. Waggen. Da­        eine oder andere Textstelle fragte: «Paul, kann
  mit wollte ich unterstreichen: Die neue Thur­      man diese Aussage nicht positiv formulieren?»
  gauer Waldgesetzgebung beinhaltete vor al­
  lem auch den Erhalt der Natur.                     Ab wann gab es die Zusammenarbeit mit
                                                     dem Thurgauer Bauern und wie kam diese
  Wer hat für die Blätter geschrieben?               zustande?
  PP: Ich ging im Arenenberg ein und aus. Dort       PG: Durch die Tätigkeit von Paul Pfaffhauser
  und im Bauernsekretariat entstanden jeweils        an der Landwirtschaftsschule Arenenberg,
  die Texte für den wöchentlich erscheinenden        beim Museumsamt (bis 1995) und am BBZ
  Thurgauer Bauer. Das war eine viel seitenstär­     Weinfelden bekamen wir Informationen von
  kere Publikation als unsere Blätter und erfor­     verschiedenen Fachstellen im Kanton. Zum
  derte eine straffe Führung und Koordination. In    Arenenberg vertieften wir den Kontakt auch
  Bezug auf unsere Blätter erlebte ich das unter     dadurch, dass wir dort Forstingenieurkonfe­
  der Leitung von Paul Gruber lockerer. Die The­     renzen und Weiterbildungen durchführten.
  men für die Artikel in den Blättern wurden kei­    Berührungspunkte entstanden später auch
  neswegs an den Forstingenieurkonferenzen           bei der Wiederherstellung des ursprünglichen
  oder Stabsitzungen verbindlich festgelegt. Ich     Parks, obwohl die forstrechtlichen Fragen
  schrieb meistens die Forstingenieurkonferenz-      dazu in der Kompetenz des Bundes lagen. Mit
  Protokolle, machte Notizen in den Stabsitzun­      Ruedi Huber, dem damaligen Schulleiter dort,
  gen, bekam auch Vorschläge von den Kolle­          hatte ich auch persönliche Verbindungen.
  gen, manchmal auch Texte, konnte bei den             PP: Für diese Zusammenarbeit war auch
  Verbänden des Forstwesens und bei anderen          der erwähnte Kontakt zur Druckerei Huber be­
  Fachpersonen nachfragen. Ich hatte immer           deutungsvoll, weil einer der Fachkräfte, Edi
  eine handschriftliche Liste mit möglichen The­     Ulmer, zugleich Druckereimanager und Redak­
  men bei mir, die ich laufend ergänzte.             tor des Thurgauer Bauer war.
     Als hauptsächlicher Verfasser der Blätter war     PG: Andi Anderegg war für uns ebenfalls
  ich froh, dass ich bezüglich Inhalt eine gewisse   eine wichtige Beratungsperson. Er war da­
  Freiheit hatte und Vertrauen meiner Mitmen­        mals bei der Thurgauer Zeitung tätig. So war
  schen genoss. Eine zusätzliche Quelle, um zu       dann die Nummer 3 im Jahr 2005 die erste
  Themen für die kürzeren Texte zu kommen,           Beilage im Thurgauer Bauern, und zwar erst­
  war meine Gewohnheit, auf meinen vielen be­        mals mit Farbdruck. Die neue Funktion der
  ruflichen Fahrten (Arenenberg, Weinfelden,         Blätter, als eingeheftete Beilage im Thurgauer
  Frauenfeld) hin und zurück verschiedene Wege       Bauer, erforderte ein neues Design.
  zu fahren, irgendwo kurz anzuhalten und mit          PP: 2012 wurde das Design nochmals an­
  offenen Augen ein paar Schritte in einem Wald­     gepasst und seit dieser Zeit gibt es die Blätter
  gebiet zu machen, gemäss einem Leitspruch          aus dem Thurgauer Wald auch online.

10 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst

Wie haben sich die Inhalte der Blätter über        auf eine mehrtägige Fachexkursion gingen.
die Jahre verändert?                               Ich schrieb in ein altes Schulheft bei allen
PP: Wie oben erklärt, hatten die ersten Ausga­     Ortsverschiebungen auf der ganzen Reise am
ben der Blätter einen engen Bezug zur Wald­        Entwurf. Als ich wieder mit dem Alltag starte­
gesetzgebung. Wir setzten das Hauptgewicht         te, musste ich nur noch den Aufsatz abtippen.
auf die jeweils aktuellen Teilthemen dieser           Weil ich im Jahr 2009 krankheitshalber für
Gesetzgebung, indem wir zum Beispiel schrie­       einige Monate ausfiel, wurden nicht wie sonst
ben: Heutiger Schwerpunkt: Eidgenössisches         vier Nummern herausgegeben. Im September
Waldgesetz (Nr. 1, Februar 1994). … Das kanto­     jenes Jahres fanden zum zweiten Mal die
nale Waldgesetz (Nr. 4, Dezember 1994). … Die      Thurgauer Waldtage statt. Der Bericht über
regierungsrätliche Verordnung zum kantona­         dieses Grossereignis füllte die Blätter so
len Waldgesetz (Nr. 2, April 1996). Dieses Be­     stark, dass wir, ohne es vermutlich zu mer­
stimmen eines Schwerpunktes behielten wir          ken, von meiner beliebten Gewohnheit der
bei. Es war für mich eine grosse Hilfe. Es lohn­   Schwerpunkte wegkamen.
te sich dann, dass ich mich vertieft mit einer
Angelegenheit befassen konnte. Dadurch ka­         Was ist euer Wunsch für die Zukunft der
men auch andere Personen aus dem Forstbe­          Blätter?
reich und dessen Umgebung zum Zug: Forst­          PG: Ich würde es schade finden, wenn es nichts
ingenieure des Forstamtes, Personen aus dem        mehr zu berichten gäbe. Ich war nun zehn Jahre
Försterverband, aus der Interessengemein­          im Sozialbereich tätig und habe da gemerkt,
schaft Thurgauer Wald, IGTW (Vorgänger von:        dass es wichtig ist, darüber zu berichten, was
Waldwirtschaftsverband Thurgau, heute Wald­        man macht, und dass man sich auch zeigt.
Thurgau), Fachleute aus den Bereichen Holz,        Mein Bedürfnis wäre noch, dass die Teilrevision
Naturschutz, Wild und Jagd u.a.m. Für mich         der Gesetzgebung entsprechend kommuniziert
war die Vertiefung in einen solchen Schwer­        wird. In einer Ausgabe der Blätter haben wir
punktbereich jeweils eine wertvolle Weiterbil­     z.B. über Waldreservate geschrieben und hier
dung. Das Forstamt konnte mit solchen              war wichtig zu kommunizieren, dass ein Reser­
Schwerpunkten seine neuen Themen der Öf­           vat nicht heisst, dass um die Fläche ein Zaun
fentlichkeit vorstellen: z. B. die regionalen      steht, sondern dass damit die Dynamik der Na­
Waldpläne, die Standortkartierung, die Bran­       tur gefördert werden soll. Diese Themen sind
chenlösung «Forst». Oder man konnte die Öf­        auch heute noch wichtig und sollten kommuni­
fentlichkeit auf Probleme hinweisen: Wie wei­      ziert werden. Ich weiss nicht, wie weit ihr
ter im Kampf gegen den Buchdrucker?                (Forstamt) nachvollziehen könnt, was elektro­
   Nachdem ich 1995 begonnen hatte, in der         nisch gelesen wird. Aber die Kombination von
Ausbildung von Forstwarten mitzuwirken, ent­       Druck und Onlineauftritt finde ich hervorragend.
stand der Gedanke, ein einzelnes Thema, z.B.          PP: Meine Wünsche bezüglich der Blätter
eine Baumart, zuerst für die Ausbildungstätig­     sind schon erfüllt. Beim Chefwechsel war es
keit zu nutzen und dann für die Blätter. Auf       absolut kein Thema, die Blätter nicht mehr wei­
diese Idee kam ich, als ich für ein Schaufenster   terzuführen. Das war ein Aufsteller für mich.
in Kreuzlingen eine kleine Ausstellung erarbei­    Dass der Kantonsforstingenieur jeweils das Edi­
ten musste. Ich gestaltete mit der Forstwart­      torial schreibt, finde ich wichtig, damit wird er
klasse eine grosse Tafel mit Texten und Bildern    als Person bekannt. Bei Paul Gruber hallte sein
über den Bergahorn. Mit dem Stativ fotogra­        Vorgänger Clemens Hagen, der auch politisch
fierte ich dazu Baumrinden schöner Bäume.          sehr aktiv war, noch über lange Zeit nach.
   In wertvoller Erinnerung ist mir auch jener
Schwerpunkt im Jahr 2006, als wir in Bayern                               Interview: Sandra Horat

                                                                                         BTW 1/2023 11
Forstamt und Forstdienst

  W et t be w e r b z u m J u b i läum
  D a s s c h ö n s t e W ald f oto pro J ahresze it wird ge such t!

  Voraussetzungen:
  –– Das Bild zeigt Wälder im Kanton Thurgau.              Die vier schönsten Bilder werden als Titelbild
     Im Begleittext wird beschrieben, wer das              der Blätter aus dem Thurgauer Wald verwendet.
     Bild gemacht hat, wo es aufgenommen
     wurde und was allenfalls das Besondere                Die Gewinner/innen werden persönlich infor­
     daran ist.                                            miert.
  –– maximal vier Bilder pro Person
  –– Bildauflösung: 300 dpi
  –– die Eingabe erfolgt mit Betreff
     ­«Fotowettbewerb» an forstamt@tg.ch
  –– Einsendeschluss ist der 6. April 2023

  Titelbilder der Blätter aus dem Thurgauer Wald 2019 – 2021.
  Fotos: Sandra Horat, Paul Rienth, Erich Tiefenbacher und Ulrich Ulmer

12 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst

Waldinventuren mit Kontrollstichproben im Kanton Thurgau

Seit über 50 Jahren werden im Thurgauer Wald
Stichproben-Inventuren durchgeführt und durch        Am Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen
das Ingenieurbüro T. und A. Szilágyi betreut.        in Europa die ersten Veröffentlichungen im
Die ersten Aufnahmen stammen von 1970 aus            Fachbereich der Forsteinrichtung. Die dies­
dem damaligen Forstrevier Amlikon.                   bezügliche Fachliteratur hat sich immer
                                                     mehr mit den Inventurmethoden befasst. Es
Das Kantonsforstamt Thurgau hatte 1970,              sollen hier nur einige Autoren mit wegwei­
nach dem Vorschlag vom Forstmeister Dr. Urs          senden Inventurmethoden und deren Analy­
Hugentobler, eine quasi Testinventur mit per­        sen erwähnt werden. Gurnaud und Biolley
manenten Stichproben in Auftrag gegeben.             (CH) haben die periodische Vollkluppierung
   Im Herbst desselben Jahres wurden die Zent­       für die betriebliche Planung beschrieben
ren für die Kontrollstichproben im Kanton Thur­      (1920). Lindeberg (S) publizierte die Erfah­
gau im Forstrevier Amlikon auf 315 ha abge­          rungen mit der Linientaxierung (1923 – 27).
steckt. Als Ausgangspunkt diente ein markanter       Loetsch (D) leistete zahlreiche Beiträge zur
Grenzstein (Nr. 35100) aus der Zeit, als die Gren­   Methodik der modernen Holzvorratsinven­
zen der Herrschaftsgebiete so deutlich bezeich­      turen (1940 – 1953), Kurt (CH) referierte an­
net wurden. Von diesem Grenzstein aus sind die       lässlich der Wald- und Holztagung in Bern
Probezentren in einem nach Norden gerichte­          (1956) über die Notwendigkeit der Kennt­
ten, quadratischen Netz 100 m × 100 m abge­          nisse der Produktionsmöglichkeiten im Be­
steckt und mit Antikorrodal-Röhren markiert.         trieb. Waldinventuren sollen über die bisher
Entsprechend der Vorgabe wurde das Netz in           üblichen Aussagen, wie Vorrat und Stamm­
der Testinventur in der Ost-West-Richtung ver­       zahl, hinausgehen (1954, 1957).
dichtet (100 m × 50 m), um genügend Daten für           Die von Dr. Prof. Alfred Kurt entwickelte
Analysen und Vergleiche mit den bisherigen           und von Dr. Paul Schmid analysierte syste­
Vollkluppierungen im öffentlichen Wald zu er­        matische, permanente Kontrollstichproben-
                                                     Methode wurde in der Praxis in Neuendorf
                                                     (SO) erstmals in der Schweiz getestet
                                                     (1962). Kurz danach im Jahr 1965 erfolgte
                                                     eine Folgeaufnahme. Die positiven Ergeb­
                                                     nisse beider Inventuren und der Vergleich
                                                     mit den früheren Vollkluppierungen im öf­
                                                     fentlichen Wald gaben Anlass für die
                                                     schweizweite Einführung der Kontrollstich­
                                                     probenmethode.
                                                        Permanente Stichproben sind in Netzen
                                                     angeordnet. Sowohl die Netze 100 m × 100 m,
                                                     70 m × 140 m oder Dreieck, wie die Flächen
                                                     einzelner Stichproben 3,14 und 4,0 Aren
                                                     sind entsprechend der regionalen Verhält­
                                                     nissen bzw. von Kanton zu Kanton ver­
                                                     schieden.

Linien- und Punktabsteckung mit TO-Wild um 1971
(T. Szilágyi). Foto: Urs Hugentobler

                                                                                         BTW 1/2023 13
Forstamt und Forstdienst

  halten. Die Verdichtung erbrachte 603 Stichpro­         auch in den Privatwäldern. Im Jahr 1997 wur­
  ben im Forstrevier.                                     den die letzten permanenten Punkte im Wald
     Die Stichproben wurden nach den Kontroll­            von Tägerwilen abgesteckt. Der letzte Punkt
  stichproben «Aufnahmeinstruktion» der Eidg.             wurde mit einem 80 cm hohen Granitstein und
  Anstalt für das forstliche Versuchswesen (heute         einer Messingtafel besonders verewigt. Nach
  Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und            der damaligen Statistik des Forstamtes wurden
  Landschaft WSL) aufgenommen. Wesentlich ist             19 663 permanente Stichprobenzentren abge­
  noch zu erwähnen, dass in Amlikon erstmals              steckt. Damit ist der Kanton Thurgau mit per­
  auch die Privatwälder inventarisiert wurden.            manenten, mit Antikorrodalröhren markierten
     Die nachfolgenden Auswertungen, Vorrat               Aufnahmepunkten für Stichprobenaufnahmen
  und Stammzahl pro ha erwiesen sich durchaus             auf dem Netz 100 m × 100 m vollständig einge­
  als kompatibel zu den früheren Vollkluppie­             richtet. Diese erfüllen die Voraussetzung der
  rungsergebnissen in den öffentlichen Wäldern.           Kontrollstichproben-Methode nach Empfehlung
                                                          und Instruktion der WSL Birmensdorf.
  Wie ging’s weiter?                                         Die Daten aller Stichproben im Kanton Thur­
  Die Ergebnisse der Testinventur veranlassten            gau wurden anlässlich der Folgeaufnahmen
  den damaligen Forstreinrichter des Forstamts            laufend revidiert und ergänzt. In den Jahren
  (Geri Schwager) in Absprache mit den Kreis­             1970 – 1997 hat sich das Waldareal des Kan­
  forstmeistern, das vom Prof. Dr. A. Kurt entwi­         tons Thurgau leicht verändert. Die Gründe
  ckelte Stichprobenverfahren für die Inventari­          sind folgende:
  sierung der Wälder in weiteren Revieren                 –– Die früher nicht als Wald taxierten
  einzuführen.                                                Ufergehölze entlang der Bäche
     So folgte in Jahresraten die Einmessung und          –– Ausscheidung von Naturschutzgebieten
  Markierung der permanenten Stichprobenzent­             –– statische Waldfeststellung (2 m ab der
  ren in allen Wäldern im Kanton Thurgau, d.h.                Mitte der letzten Waldrandbäume)

  Tibor Szilágyi mit zwei Messgehilfen bei den Erstaufnahmen in Wigoltingen 1976. Foto: Urs Hugentobler

14 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst

Das Vorgehen für die Kontrollstichproben          Rückblick
Die Stichprobenzentren wurden von den Sig­        Einige Änderungen erfolgten während der
nalen der Landesvermessung aus mit Theo­          letzten 50 Jahre im Netz der zwischen 1970
dolit (TO) und Messband eingemessen und           bis 1997 abgesteckten permanenten Kontroll­
mit Antikorrodalröhren markiert. Ab dem Jahr      stichproben-Zentren. Einerseits wurden Stich­
2005 wurde immer mehr GPS eingesetzt, so­         probenzentren (Hartbelagsstrassen, überflu­
fern genügend Satelliten erreicht werden          tete Flächen, Weiher usw.) entlassen,
konnten oder die Belaubung es ermöglichte.        anderseits sind neue Stichprobenzentren (vor
   Bäume ab 12 cm Brusthöhe 1,3 m ab Bo­          allem infolge der statischen Waldfeststellung,
den, bzw. Ernteschnitt, sind mit der Kluppe       Naturschutzgebiete, Bachläufe, Feldgehölze
auf der Stichprobenfläche (3,14 Aren) gemes­      usw.) eingemessen und markiert worden. So­
sen worden. Jeder Baum wurde mit den Daten        wohl beim Einmessen der neuen Stichproben-
Distanz vom Zentrum, Azimut und Baumart           zentren wie auch bei den Aufnahmen (alle
protokolliert. Versuche mit der Registrier-       Baumarten) wurden die neuen Vorschriften
kluppe erwiesen sich als ungeeignet. Eben­        des Kantonsforstamtes Thurgau und die ge­
falls ist die Direktaufnahme der Bäume mit        machten Erfahrungen berücksichtigt und an­
einem «Feldlaptop, Software von WSL» nach         gewendet.
der Erprobung nicht angewendet worden.               Mit Freude und Genugtuung schaut das In­
   Am Anfang erfolgte die Datenerfassung          genieurbüro T. und A. Szilágyi auf die gute
mittels Übertragung der Feldprotokolle auf        und produktive Zusammenarbeit mit dem
Lochkarten. Im Jahr 1974 wurde ein Versuch        Kantonsforstamt Thurgau in den letzten 50
gestartet, in welchem die Daten mit OCR-          Jahren zurück.
Schrift (Schreibmaschine) für CDC-Optische-                             Tibor und Attila Szilágyi
Laser erfasst wurden. Der Fehleranteil war
aber zu hoch und dieses Vorgehen wurde fal­
len gelassen. Mit der weiteren technischen
Entwicklung erfolgte die Erfassung der Daten
direkt im Computer.
   Die erhobenen Daten wurden anfänglich
auf Disketten und Magnetbäder abgespei­
chert. Die während einiger Jahre erstellten Mi­
krofichen als zusätzliche Dokumentation der
Aufnahmen fanden keine praktische Anwen­
dung. Seit Anfang der 1980er-Jahren wurden
bei den Auswertungen auch Situationsskizzen
der einzelnen Stichproben aufgezeichnet. Seit
2004 erfolgten die Auswertungen mit Daten­
aufbau Microsoft Excel 97-2002, 5.0/7.0. Die
Ergebnisse sind in Tabellen auf PC-AT02 er­
stellt. Nach den Reviervergrösserungen sind
die früheren Erhebungseinheiten von 64 auf
24 Dateien reduziert worden. Mit den grösse­
ren Bezugsflächen weisen die Auswertungen
wesentlich zuverlässigere Variationskoeffi­       Orginalplan mit dem Ausgangsmarkstein für die
zienten und ein besseres Vertrauensprozent        erste Stichprobe im Kanton Thurgau (Amlikon 1970).
                                                  Foto: Attila Szilágyi
auf.

                                                                                          BTW 1/2023 15
Forstamt und Forstdienst

  D a s Fo r s t r e vi e r U nterthu rg au

  Das neue Forstrevier Unterthurgau besteht                 in öffentlicher Hand. Grosse öffentliche Waldei­
  seit Anfang 2023. Es entstand aus dem Zu-                 gentümer sind die Bürgergemeinden Basadin­
  sammenschluss der beiden Forstreviere Am                  gen-Schlattingen (309 ha), Schlatt (296 ha),
  Rhein und Unterthurgau. Das Revier umfasst                Diessenhofen (211 ha im Revier) und Wagen­
  eine Fläche von 1732 ha Wald von rund 360                 hausen (63 ha) sowie die beiden Staatswälder,
  Waldeigentümern und wird von den beiden                   der Thurgauer Staatswald St. Katharinental
  Revierförstern Jakob Gubler und Simon Pachera             (146 ha) und der Kantonswald Schaffhausen
  betreut.                                                  (188 ha). Der Privatwald umfasst 433 ha Wald
                                                            von insgesamt rund 350 Eigentümern. Mit
  Das neue Forstrevier Unterthurgau liegt im west­          25 % liegt der Privatwaldanteil deutlich unter
  lichsten Teil des Kantons Thurgau und umfasst             dem kantonalen Durchschnitt von 56 %.
  den Wald in den vier Gemeinden Basadingen-                   Das Forstrevier Unterthurgau als Doppelrevier
  Schlattingen, Diessenhofen, Schlatt und Wagen­            mit zwei Förstern war schon Teil der Revierent­
  hausen. Es entstand Anfang 2023 aus dem Zu­               wicklung im Kanton Thurgau, wie sie die durch
  sammenschluss der beiden Forstreviere Am                  das kantonale Departement für Bau und Um­
  Rhein und Unterthurgau. Neu in das Revier inte­           welt (DBU) eingesetzte Arbeitsgruppe «Thurgau­
  griert wurden die vorher ausserkantonal betreu­           er Forstrevierstrukturen» 2012 vorgeschlagen
  ten Wälder auf Thurgauer Boden, die im Eigen­             hatte, und es wurde auch bei der Überprüfung
  tum des Kantons Schaffhausen, der Stadt Stein             2019 bestätigt. Eine Arbeitsgruppe aus beiden
  am Rhein (SH) sowie der Zürcher Gemeinden                 Reviervorständen hat Anfang 2022 ihre Arbeit
  Feuerthalen, Stammheim und Truttikon stehen.              aufgenommen und den Zusammenschluss vor­
     Die Gesamtfläche des Forstreviers beträgt              bereitet. Die Gründungsversammlung fand am
  1732 ha Wald. 1299 ha (75 %) des Waldes sind              9. November 2022 statt. An dieser Versamm­

  Die Hauptakteure im Forstrevier Unterthurgau sind Präsident Stephan Frei (Mitte) und die beiden Revierförster
  Simon Pachera (links) und Jakob Gubler (rechts). Foto: Ulrich Ulmer

16 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst

Blick von Nordosten auf Etzwilen mit Bahnhof und den Nordabhang des Stammerberges. Foto: Ulrich Ulmer

lung wurden die neuen Statuten und das Bud­              mon Biedermann (Rheinklingen), Roger Birk
get 2023 genehmigt sowie Wahlen durchge­                 (Diessenhofen), Willi Itel (Basadingen), Max Er­
führt. In den neuen Vorstand gewählt wurden            zinger (Kaltenbach), Beat Möckli (Schlatt) und
Stephan Frei (Schlatt) als Präsident sowie Si­         Konrad Monhart (Schlatt).
                                                            Für die Waldeigentümerinnen und Wald­
                                                       eigentümer wird sich wenig ändern, da mit
 Forstrevier Unterthurgau, ab 1.1.2023                 ­Jakob Gubler und Simon Pachera weiterhin
                                                        zwei Förster die Wälder betreuen und zudem
 Flächen gemäss Forststatistik:                         ihre angestammten Waldgebiete und Zustän­
 –– Gesamtwaldfläche:              1732 ha             digkeiten behalten. Simon Pachera ist für den
 –– öffentlicher Wald:      1299 ha (75 %)             Revierteil Basadingen-Schlattingen und Schlatt
 –– Privatwald:              433 ha (25 %)             zuständig, Jakob Gubler für den Revierteil
                                                        ­Diessenhofen und Wagenhausen.
 Waldeigentum:                                              Im Forstrevier selbst ist kein Forstbetrieb
 –– BG Basadingen-Schlattingen: 309 ha*                 mit festangestelltem Personal angesiedelt. Die
 –– BG Schlatt:                      296 ha             Waldarbeiten werden von Forstbetrieben aus
 –– BG Diessenhofen:                211 ha*             der Nachbarschaft, Forstunternehmern, Akkor­
 –– Staatswald St. Katharinental:  146 ha*              danten oder den beiden Revierförstern selbst
 –– BG Wagenhausen:                   63 ha             ausgeführt.
 –– EKG Basad.-Schlatt.-Willisdorf:  14 ha
 –– Kleinprivatwald (ca. 350 Eigentümer):              Vom Schaaren bis zum Schoomet: grosse
                                     433 ha           Standortsvielfalt
 –– Kantonswald Schaffhausen:       188 ha*           Das Forstrevier Unterthurgau grenzt im Nor­
 –– PG Feuerthalen ZH:                1 ha*           den an den Kanton Schaffhausen und entlang
 –– PG Stammheim ZH:                 26 ha*           des Rheines an das deutsche Bundesland
 –– PG Stein am Rhein SH:            27 ha*           Baden-Württemberg, im Westen und Süden
 –– PG Truttikon ZH:                 18 ha*           an den Kanton Zürich sowie im Osten an das
 * Waldflächen im Revier                               Revier Seerücken mit den Gemeinden Eschenz
 Hiebsatz total, ohne SH und ZH:                       und Hüttwilen.
                            10 850 Tfm/Jahr             Zum Revier gehören die grossen Waldkom­
                                                       plexe Schaaren, Kohlfirst (Nordabhang), Buch­

                                                                                               BTW 1/2023 17
Forstamt und Forstdienst

  Das neue Forstrevier Unterthurgau besteht seit dem 1.1.2023. Es entstand aus dem Zusammenschluss
  der beiden Forstreviere Am Rhein und Unterthurgau. Quelle: Forstamt Thurgau

  berg, Basadinger Wald, Rodenberg sowie Stam­           kommenden stufigen, ungleichförmigen Be­
  merberg (Nordabhang) und Schoomet, die als             stände, die seit der Aufgabe der Mittelwald­
  westliche Ausläufer des Seerückens gelten kön­         bewirtschaftung plenterartig bewirtschaftet
  nen. Die Wälder liegen zwischen 390 m ü.M.             werden.
  (Rheinufer bei Paradies) und 620 m ü.M. (Stam­            Die Vorratsinventur von 2013 zeigt für das
  merberg, Schomet) und weisen eine grosse               neue Forstrevier Unterthurgau folgende Baum­
  Vielfalt auf. Auf den meist leicht geneigten Mo­       artenzusammensetzung: 40 % Fichte, 23 %
  ränenhügeln herrschen mehrheitlich Buchen­             Buche, 11 % Eiche, 8 % Föhre, 6 % Esche, je
  waldstandorte vor, die aufgrund ihrer Wasser­          2 % Tanne, Lärche, Ahorn und Hagebuche. Ge­
  speicherfähigkeit und ihrer Nährstoffversorgung        samthaft 52 % Nadelholz und 48 % Laubholz.
  meist sehr produktiv sind. Als kantonale Be­              Eine weitere Besonderheit sind die vielen
  sonderheit gelten die relativ trockenen Lagen          vorhandenen Baumriesen. Im Forstrevier Unter­
  auf Schotter im Schaaren, wo Standorte des             thurgau steht vermutlich auch der höchste
  Hagebuchen-Mischwaldes vorkommen.                      Baum im Kanton Thurgau. Es handelt sich um
    Der Unterthurgau gilt als die trockenste Region      eine Douglasie. Sie steht im Privatwald in
  im Kanton Thurgau. Der Jahresniederschlag an           Schlatt und wurde um 1895 gepflanzt. 2019 er­
  der Messstation Diessenhofen lag im langjähri­         gab eine Messung eine Baumhöhe von 59,30 m
  gen Mittel 1961 bis 1990 bei 866 mm; in der            und einen Durchmesser von 1,28 m auf Brust­
  Periode 2013 bis 2021 wurden im Mittel 657 mm          höhe (BHD).
  gemessen (Quelle: Dienststelle für Statistik /
  Amt für Umwelt TG).                                    Vom Speckhof bis zum Paradies:
                                                         vielfältige Waldfunktionen
  Vom Rhein bis zum Heidemändli:                         Die Wälder im Revier sind dank günstiger To­
  ­abwechslungsreiche Wälder                             pografie, Erschliessung und Standortsgüte
   Eine Besonderheit sind die im Gebiet Schlatt          prädestiniert für die Holzproduktion. Im Aus­
   und Basadingen-Schlattingen grossflächig vor­         führungsplan 2014 bis 2028 wird die nachhal­
18 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst

Seit 2018 verursachen Borkenkäfer grosse Schäden an Fichten im Revier. Chloostertürni,
Gemeinde Basadingen-Schlattingen, März 2021. Foto: Ulrich Ulmer

tig mögliche Nutzungsmenge, der sogenannte               2020 («Petra», «Sabine») wurde das Revier
Hiebsatz, für das gesamte Revier (ohne SH-               von starken Stürmen heimgesucht, die grosse
und ZH-Wälder) auf 10 850 Tariffestmeter Holz            Schadholzmengen und Flächenschäden ver­
pro Jahr festgesetzt.                                    ursachten. Nach dem Hitzejahr 2015 war auch
   Für die Biodiversität von grosser Bedeu­              2018 sehr trocken und heiss, ebenso 2020
tung sind die Sonderwaldreservate «Schaa­                und 2022. Ab 2018 sorgt die Massenvermeh­
ren» (234 ha) und «Buchberg» (48 ha), das                rung des Borkenkäfers für riesige Schäden
Lothar-Waldreservat «Heerenberg» (2 ha), die             am Fichtenbestand und zusätzliche grosse
Flachmoore von nationaler Bedeutung «Espi/               Schadflächen.
Hölzli», «Etzwiler Ried» und «Schaarenwis»                  Von 2018 bis 2021 wurden im ganzen Re­
sowie die vertraglich gesicherten Altholzin­             vier rund 80 000 m3 Holz, vor allem Fichte ge­
seln (11 ha) und Eichennutzungsverzichtsflä­             nutzt, im Durchschnitt rund 20 000 m3 pro
chen (180 ha).                                           Jahr. Davon waren rund 65 % Käferholz, 25 %
   Der Anteil Schutzwald (Schutz vor Naturge­            Sturmholz und 10 % normale Nutzung. In die­
fahren, Erosionschutz) ist gering. Einzig die            sem Zeitraum waren die Nutzungen infolge
beiden Waldtobel des Tobelbachs und des Ii­              der Zwangsnutzungen doppelt so hoch wie
bebachs/Steibachs in Wagenhausen liegen im               der Hiebsatz. Obwohl die tieferen Nutzungen
Schutzwaldperimeter. Im Wald liegen ver­                 in den Jahren vor 2017 diese Mehrnutzungen
schiedene Trinkwasserfassungen und -reser­               etwas kompensieren, bewegen sich die aktu­
voirs. Grosse Teile der Wälder werden von                ellen und auch die künftigen Nutzungsmen­
Erholungssuchenden vor allem zur Naherho­                gen auf deutlich tieferem Niveau. Eine grosse
lung genutzt (Erholungsfunktion).                        Herausforderung liegt nun in der Wiederbe­
                                                         waldung und Pflege der rund 150 ha grossen
Seit 2017 viel Sturm- und Käferholz                      Schadflächen im Revier.
Am 2. August 2017, im Januar 2018 («Burg­                                                  Ulrich Ulmer
lind», «Evi», «Friederike») und im Februar                             Kreisforstingenieur Forstkreis 3
                                                                                            BTW 1/2023 19
Forstamt und Forstdienst

  R ev ier b e s u c h vo n Reg i eru ng s rat Domin ik Die zi

  Die Tradition der Forstrevierbesuche führt Re-
  gierungsrat Dominik Diezi fort. Sein erster
  Besuch führte ihn im November 2022 in die
  Forstreviere Fischingen und Sirnach. Das Re-
  vier Fischingen ist ein Doppelrevier mit rund
  einem Drittel öffentlichem Wald und einem
  Forstbetrieb, in dem die Revieraufgaben und
  die Betriebsleitung von den beiden Förstern
  Christoph Ammann und Roger Hollenstein
  wahrgenommen werden. Das Revier Sirnach
  ist geprägt durch einen hohen Anteil an Pri-
  vatwald. Im Mai 2022 trat Ramon Ritter hier
  seine Stelle als Revierförster an.

  Eingeladen zu diesem Revierbesuch waren
  die Vorstände beider Forstreviere, die Präsi­
  denten der Politischen Gemeinden und die
  Vertreter der öffentlichen Waldeigentümer,
  welche der Einladung in hoher Zahl folgten.          Regierungsrat Dominik Diezi und weitere Teilnehmer
  Der Anlass begann im Forsthof Dussnang mit           lauschen den Ausführungen der Revierförster.
                                                       Alle Fotos: Peter Rinderknecht
  einem Überblick über den Forstkreis 1 und die
  Forstreviere durch den Kreisförster und die
  Revierpräsidenten. Anschliessend bot sich die        eine Vielzahl von Themen wie der Klimawan­
  Gelegenheit, Anliegen an den Forstdienst und         del, Neophythen, Borkenkäfer, die Freizeitnut­
  Fragen zum Wald zu stellen. Zur Sprache kam          zung oder Waldschäden durch das Rotwild.

  An anschaulichen Objekten konnten die Herausforderungen und Massnahmen zur Erreichung
  der Ziele vorgestellt werden.

20 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst

Die drei Revierförster Christoph Ammann, Roger Hollenstein und Ramon Ritter führten durch
den fachlichen Teil im Wald.

Im zweiten Teil des Vormittags unternahmen              zudem der Klimawandel mit seinen Auswir­
Regierungsrat Dominik Diezi und alle Anwe­              kungen auf die Baumarten zu berücksichti­
senden einen Waldspaziergang. Vom Forsthof              gen. Der gelungene und sehr informative An­
bis zur Hofholzhütte in Fischingen dient der            lass fand seinen Abschluss mit einem kleinen
Wald der Holzproduktion. Aber ebenso wich­              Imbiss in der Hofholzhütte.
tig sind die Schutzfunktion und die Biodiver­
sität. Auch zur Erholung wird der Wald stark                                          Peter Rinderknecht
begangen. Bei allen Massnahmen ist heute                                 Kreisforstingenieur Forstkreis 1

D a s J a h r 2 0 2 2 – zu tro cken und zu warm

Schon der März 2022 zeigte sich trocken mit nur         1864. Die Jahresmitteltemperatur ist in der
wenig Niederschlag. Überdurchschnittliche Tem-          Schweiz seit 1864 um rund 2 °C angestiegen.
peraturen und längere Trockenheit im Sommer
führten im ganzen Kanton zu einer Waldbrand-            Einschränkungen im Wald
gefahrenstufe 4. Das Thurgauer Departement              Vom 22. Juli bis am 23. August galt die Wald­
für Bau und Umwelt erliess ein Feuerverbot              brandgefahrenstufe 4, womit Feuerentfachen
im Wald. Auch waren das Zünden von Feuer-               im Wald und in Waldesnähe verboten war. Er­
werk und die Wasserentnahme unter­sagt.                 freulicherweise hielt sich die Bevölkerung sehr
                                                        gut an dieses Verbot. Zusätzlich galt ein Feuer­
Nach Angaben des Amts für Umwelt lag der ge­            werksverbot auf dem ganzen Kantonsgebiet.
samte Niederschlag im Kanton Thurgau 2022
bei nur 72 % des langjährigen Mittels. Durch­           Bäume haben gelitten
schnittliche Niederschlagsmengen wurden im              Die jährlichen Aufnahmen auf den Walddauer­
April und Juni gemessen. Mehr als üblich regne­         beobachtungsflächen (im Thurgau gibt es
te es im August und September. Der rekordwar­           sechs solcher Flächen) durch das Institut für
me Oktober und die weit überdurchschnittliche           Angewandte Pflanzenbiologie (IAP) zeigen,
Novemberwärme führten im landesweiten Mittel            dass sich die Trockenheit im Sommer in er­
zum drittwärmsten Herbst seit Messbeginn                höhter Kronenverlichtung und Mortalitätsrate

                                                                                              BTW 1/2023 21
Forstamt und Forstdienst

  Anhaltende Trockenheit und heisse Temperaturen liessen im Juli 2022 auch viele Waldbäche versiegen.
  Im Bild der Mühlibach bei Frauenfeld. Foto: Ruedi Lengweiler

  bei Fichte gezeigt hat. Bei den Buchen geht             schlecht. Die Prognosen gingen daher von ei­
  das IAP davon aus, dass der Effekt vom Jahr             ner tiefen Ausgangspopulation im Frühling
  2022 erst im 2023 in vollem Ausmass zu se­              2022 aus. Sichtbare Schäden an Fichten tra­
  hen sein wird, da Buchen verzögert auf klima­           ten dann auch erst im Spätsommer auf, dann
  tische Einflüsse reagieren. Die beobachteten            aber gebietsweise heftig.
  akuten Symptome (frühzeitige Blattverfärbun­
  gen und Laubfall) deuten – gemäss IAP – da­             Handlungsbedarf für den Wald
  rauf hin, dass mit einem weiteren Zurückster­           Das Klima verändert sich. Der Waldbau muss
  ben von Kronenteilen gerechnet werden                   diesen Umständen Rechnung tragen und ist ver­
  muss.                                                   stärkt auf Klimaveränderungen auszurichten.
                                                          Hier ist eine gesunde Balance zwischen Machen
  Borkenkäfer zeigten sich erst spät                      und Abwarten gefragt.
  Das feuchte und eher kühle Jahr 2021 war für
  die Entwicklung der Borkenkäferpopulation                                                         Forstamt

  Abweichungen der Norm (Durchschnittswerte 1991–2020, weiss gestrichelte Linie) für Temperatur, Niederschlag
  und Sonnenschein für das zentrale und östliche Mittelland und die Nordwestschweiz. 2022 waren die
  Temperaturen über- und die Regenmengen unterdurchschnittlich. Grafik: Meteo Schweiz

22 BTW 1/2023
Diverses

Zu g v e r s u c h e a n Esche i m Thu rg au

Durch das Eschentriebsterben befallene Eschen         lyse voraus. Im ersten Schritt wird der Baum
werden besonders im Bereich der Sicherheits­          fotografisch aufgenommen. Im Wald zeigt sich
holzerei entlang von Strassen optisch auf ihre        dabei die Schwierigkeit, dass nicht immer ein
Sicherheit beurteilt. Ein Forschungsprojekt an        optimales Foto gemacht werden kann, da die
der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee          Krone von anderen Bäumen verdeckt wird.
und Landschaft (WSL) untersucht die Auswir-           Des Weiteren werden Kennwerte des Baumes,
kung des Eschentriebsterbens und des Befalls          wie etwa Baumhöhe oder Stammdurchmesser,
durch Hallimasch auf die Stabilität der Eschen.       ermittelt. In einem speziellen Grafikprogramm
Die Stabilität von Eschen wird in diesem Projekt      wird das Foto abgetastet und daraus folgend
auch mittels Zugversuchen untersucht. Beprobt         die notwendigen Parameter berechnet. Damit
wurden auch Flächen im Thurgau. Mitte Novem-          können unter Berücksichtigung bestimmter
ber 2022 wurde in Frauenfeld in der Wuer ein          ­Eigenschaften des Baumes und seiner Umge­
solcher Zugversuch als Information für das             bung genaue Rückschlüsse auf die für den
kantonale Forstamt durchgeführt.                       Baum zu erwartende maximale Windbelastung
                                                       getroffen werden.
Zugversuche sind eine nichtinvasive Methode
der eingehenden Untersuchung und Überprü­             Notwendige Installationen
fung der Stand- und Bruchsicherheit von Bäu­          Elastometer (Dehnungssensor) und Inclino­
men. Grundlage dieses Verfahrens sind die             meter (Neigungssensor) werden am Baum
Beziehungen zwischen Reaktionen des Bau­              festgemacht (vgl. Bild). Ein Seil mit Forceme­
mes in Form von Dehnung, Stauchung und                ter (Kraftmesser) wird am Baum installiert.
Neigung am Stammfuss und einer eingeleite­            Das Anbringen der Geräte ist für den Baum
ten Windersatzlast.                                   eine vernachlässigbare Verletzung.

Vorbereitende Arbeiten                                Was wird gemessen?
Der Ermittlung von Bruch- und Standsicherheit         Beim Zugversuch wird die Reaktion eines
geht bei den Zugversuchen eine Windlastana­           Baumes auf eine definierte Belastung gemes­

Schematische Darstellung eines Zugversuchs. Zeichnung: Thomas Hintze

                                                                                         BTW 1/2023 23
Diverses

  sen. Mithilfe eines Greifzuges und des im           einem speziellen Computerprogramm (Arbos­
  Baum installierten Seiles werden verschieden        tat) hochgerechnet. Um Schädigungen am
  starke statische Kräfte auf den Baum übertra­       Wurzelsystem zu verhindern, wird der Baum
  gen. Während der gesamten Messung wird              maximal bis zu einer Neigung von 0,25° gezo­
  anhand der hochauflösenden Messgeräte die           gen. In diesem Messbereich handelt es sich
  Reaktion des Baumes zeitgleich überwacht,           um eine elastische reversible Verformung,
  elektronisch aufgezeichnet und als Datensatz        d.h. der Baum bewegt sich wieder vollständig
  gespeichert. Mit dem Kraftmesser, der am            in seinen ursprünglichen Zustand zurück.
  Zugseil installiert ist, wird die Zugkraft des         Die Zugversuchmethode ist deshalb zerstö­
  Greifzuges erhoben. Mit Dehnungssensoren            rungsfrei. Zusätzliche wichtige Elemente zur
  wird die Dehnung der Holzfasern im Randbe­          Beurteilung der Stand- und Bruchsicherheit
  reich des Stammes unter Belastung gemes­            von Bäumen sind die individuellen statischen
  sen, um mögliche Schwachstellen im Holzbe­          Eigenschaften des Materials: die Dimension,
  reich festzustellen.                                die Form, die Umgebung und die Defekte so­
     Um die Belastung eines Stammes beurtei­          wie die Vorgeschichte und der aktuelle Vitali­
  len zu können, werden die baumartspezifi­           tätszustand des Baumes.
  schen Elastizitätsgrenzen grüner Hölzer her­
  angezogen und als Richtwerte für die                Wichtigkeit der Beurteilung der Wurzelanläufe
  Hochrechnung der im Zugversuch ermittelten          Eschen, welche mit dem Pilz Hymenoscyphus
  Dehnungswerte eingesetzt. Über diese Hoch­          fraxineus infiziert sind, zeigen ein Kronenster­
  rechnung ist es möglich, eine Aussage über          ben und können Stammfussnekrosen aufwei­
  die Bruchsicherheit zu machen.                      sen, welche oft sekundär durch andere Pilze
     Um eine Aussage zur Standsicherheit zu ge­       besiedelt werden. Infizierte Eschen zeigen
  ben, werden im unteren Stammfussbereich             oftmals einen Stabilitätsverlust und fallen bei
  Neigungssensoren angebracht. Diese über­            starkem Wind leicht um. Häufig wird beob­
  prüfen – unter Belastung – die Verankerungs­        achtet, dass die umgefallenen Eschen an den
  kraft der stammnahen Wurzeln. Anhand des            Wurzeln sekundär vom Hallimasch (Armillaria
  typischen Neigungsverhaltens von Bäumen             spp.) besiedelt sind und oft nur eine geringe
  wird die Verankerungskraft der Wurzeln mit          oder mittlere Kronenschädigung durch H. fra­
                                                      xineus aufweisen.
                                                         Das Projekt der WSL hat zum Ziel, den Ein­
                                                      fluss von H. fraxineus und Hallimasch auf die
                                                      Standfestigkeit von Eschen besser zu verste­
                                                      hen. Mittels Zugversuchen im Feld wird die
                                                      Standfestigkeit von unterschiedlich stark er­
                                                      krankten Eschen ermittelt. Nach Möglichkeit
                                                      sollen einfache, feldtaugliche Kriterien etab­
                                                      liert werden, welche helfen sollen, die Stand­
                                                      festigkeit von Eschen unkompliziert und kos­
                                                      tengünstig vor Ort einzuschätzen.

                                                      Der Bericht beruht auf einem Skript zur Baum­
                                                      pflege der Firma Robinia.

  Thomas Hintze erklärt, wie die Messgeräte am Baum                                    Sandra Horat
  installiert werden müssen. Foto: Sandra Horat                                            Forstamt
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