Blätter aus dem Thurgauer Wald - Forstamt
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Bl ä t t e r a u s d e m T h u r g a u e r Wa l d Informationen für Waldeigentümer und Forstreviere 30. Jahrgang, Nr. 1, Februar 2023
Edit or i a l Geschätzte Leserinnen und Leser Ich hoffe, Sie hatten einen guten Start ins Die erste Ausgabe der BTW erschien im Feb 2023. Ein neues Jahr bedeutet bekanntlich ruar 1994, also stehen wir im 30. Jahr BTW. gute Vorsätze. Ich denke, jedermann macht Dies ist Grund genug, mit den damaligen sich dazu gewisse Gedanken. Ob man sich Hauptakteuren zurückzuschauen. So erfahren dann tatsächlich Vorsätze nimmt und diese Sie im Interview mit unseren ehemaligen Kol auch umsetzt, ist eine andere Frage. legen Paul Gruber und Paul Pfaffhauser doch Über den Jahreswechsel habe ich mir über einige interessante Dinge aus früheren Zeiten. legt, was für die gesamte Waldbranche wichtig Noch länger als die BTW gibt es Kontrollstich sein könnte. Dabei kam ich auf folgenden proben. Bereits im Jahre 1970 nämlich wurden Punkt: Ich bin der Meinung, dass wir mit mehr die ersten Aufnahmen gemacht. Es ging da Demut an unsere Aufgaben im Wald herange mals (und geht auch heute noch) darum, hen sollten. Förster und auch Waldbesitzer Stammzahlen zu ermitteln sowie Zuwachs, sind zwar Experten auf ihrem Gebiet. Aber Vorrat und Nutzung zu erheben. Lesen Sie dennoch wissen wir in vielen Fällen schlicht selbst dazu ab Seite 18. nicht exakt, was genau richtig oder falsch ist. Das neue Forstrevier Unterthurgau ist seit Hand aufs Herz; Wie läuft es ab? Wir analysie dem 1. Januar 2023 operativ. Das Revier ent ren, wir werfen unser Fachwissen in die Waag stand aus dem Zusammenschluss der Forst schale, wir treffen Annahmen und entscheiden reviere am Rhein und Unterthurgau, umfasst schliesslich aus vollster Überzeugung. Dabei den ehemaligen Bezirk Diessenhofen sowie die sind wir zum Zeitpunkt des Entscheides in der Politische Gemeinde Wagenhausen und weist Regel nicht sicher, ob es wirklich funktioniert. somit eine Gesamtwaldfläche von 1732 ha Und wir werden es häufig gar nie erfahren, da auf. Wir erachten diese Revierentwicklung als das Ergebnis erst nach Jahrzehnten sichtbar eine sehr gelungene Sache und wünschen wird. Zudem gibt es Faktoren, die wir kaum den Verantwortungsträgern viel Freude und beeinflussen können bzw. denen wir ausgelie gutes Gelingen. fert sind (z.B. Witterung, Schadorganismen). Schliesslich wünsche ich Ihnen – geschätzte Ich glaube, dass wir mit dieser angepassten Leserinnen und Leser – einen gute Zeit ohne Einstellung auch in Zukunft glücklich sein kön Unfälle und viel Vergnügen bei der Lektüre nen. Denn nach wie vor schätzt unsere Gesell der BTW. schaft den Wald und die Akteure im Wald sehr. Dies soll uns motivieren, auch weiterhin unser Bestes zu geben. Im Rahmen der Baumartenporträts stellen wir Ihnen die Aspe vor. Die Aspe gehört zu den Pappeln. Der Name Aspe ist vielleicht nicht so bekannt, der Name Zitterpappel hingegen wohl schon. «Man zittert wie Espenlaub» ist eine bekannte Redewendung. Forstlich ist die Bedeutung der Aspe eher gering, ökologisch allerdings hat diese Pionierbaumart einen grossen Stellenwert. Und es gibt im Thurgau Daniel Böhi einige stattliche Exemplare dieser Baumart. Kantonsforstingenieur BTW 1/2023 3
Inha lt Forstamt und Forstdienst Die Aspe im Kanton Thurgau 5 30 Jahre Blätter aus dem Thurgauer Wald Interview mit den Erfindern 8 Wettbewerb zum Jubiläum: Das schönste Waldfoto pro Jahreszeit wird gesucht! 12 Waldinventuren mit Kontrollstichproben im Kanton Thurgau 13 Das Forstrevier Unterthurgau 16 Revierbesuch von Regierungsrat Dominik Diezi 20 Das Jahr 2022 – zu trocken und zu warm 21 Diverses Zugversuche an Esche im Thurgau 23 Vom Wachstum einer jungen Eiche 25 «Der Schweizer Wald – einfach erklärt»: Das Waldhandbuch 27 Runde Geburtstage und Arbeitsjubiläen 27 4 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst D ie As p e i m K a nto n Thu rg au Die Aspe, auch Zitterpappel oder Espe genannt, kennt jedes Kind, weil ihre runden Blätter schon bei leichtem Wind zittern. Neben der Schwarzpappel und der Silberpappel ist die Aspe die dritte Pappelart, die im Thurgauer Wald natürlich vorkommt. Junge Aspen sind relativ häufig, alte oder grosse Exemplare hingegen eher selten. Die forstliche Bedeutung der Aspe ist derzeit gering. Dafür ist sie öko- logisch sehr wertvoll. Die Aspe ist eine Vertreterin der Gattung Pap peln (Populus), die zur Familie der Weidenge wächse gehört. Im Thurgauer Wald kommen drei verschiedene Pappelarten natürlich vor. Das Blatt der Aspe ist rundlich und hat einen Neben der Aspe (Populus tremula) sind dies die langen Blattstiel. Foto: Ulrich Ulmer Schwarzpappel (Populus nigra, BTW 3/2019) und die Silberpappel (Populus alba). Ausserhalb Juni brechen die reifen Kapselfrüchte auf und des Waldes, z. B. in Plantagen, kommen auch geben die zahlreichen, mit weissem Flaum weitere Pappelarten, -kreuzungen oder -klone versehenen kleinen Samen frei. vor, die häufig als «Zuchtpappeln» bezeichnet Aspen können bei uns 25 bis 30 m hoch werden. werden, selten höher. Dabei werden Durch messer von 60 bis 80 cm, selten bis 100 cm Zittern wie Espenlaub auf Brusthöhe erreicht. Aspen sind nicht sehr Charakteristisch für die Aspe sind ihre rundli langlebig, sie werden vielleicht 60 bis 80 Jahre chen Blätter, die relativ lange Blattstiele auf alt, selten älter. weisen. Da diese Stiele nicht rund, sondern abgeflacht sind, bewegen sich die Blätter schon bei leichtem Wind und zittern. «Zittern wie Espenlaub» lautet die bekannte Rede wendung. Dieses Zittern ist ein eindeutiges Bestimmungsmerkmal und hat der Espe, Aspe oder Zitterpappel zu ihrem Namen verholfen. Die Blätter sind spiralig angeordnet. An Langtrieben sind die Blätter nicht rundlich, sondern dreieckig bis eiförmig. Im Herbst färben sich die Blätter leuchtend goldgelb. Typisch für Aspen sind auch ihre Blüten, die als 5 bis 10 cm lange hängende Blütenkätzchen schon im März bis April vor den Blättern aus treiben. Aspen sind windbestäubt und wie alle Pappeln und Weiden zweihäusig, d. h. auf Längsrissige, gefurchte Rinde einer älteren Aspe. einer Aspe gibt es immer entweder nur männ In der Jugend ist die Rinde glatt und weist auffällige, kleine dunkle Rauten auf. Foto: Ulrich Ulmer liche oder nur weibliche Blüten. Im Mai bis BTW 1/2023 5
Forstamt und Forstdienst Vom Mittelmeer bis zum Polarkreis mungen. Aspen blühen bereits ab fünf bis Das Verbreitungsgebiet der Aspe ist riesig. Es zehn Jahren und bilden leichte Samen in gros reicht von Irland bis nach Ostasien und vom ser Zahl, was der Pionierstrategie zusätzlich Mittelmeer bis über den nördlichen Polarkreis. hilft. Dank ihrer ausgeprägten Fähigkeit, Wur zelbrut zu bilden, besiedeln sie oft auch auf gegebene Alpweiden. Die Aspe ist häufig auf Schlag-, Sturm- oder Brandflächen anzutref fen. Obwohl sie im Thurgauer Wald kaum ge pflanzt wird, ist sie vor allem in Jungbestän den relativ häufig, da sie sich sehr gut natürlich verjüngt. Sie wächst in der Jugend bei vollem Lichtgenuss erstaunlich schnell. Die Verbreitung der Aspe (Populus tremula) in Europa Wegen ihrer mit dem Alter abnehmenden Kon und Asien. Quelle: EUFORGEN. https://www.euforgen. kurrenzkraft und weil bei der Bewirtschaftung org/species/populus-tremula/ Caudullo, G., Welk, E., San-Miguel-Ayanz, J., 2017 andere Baumarten bevorzugt werden, ver schwindet sie mit der Zeit, sodass in älteren Auch in der Schweiz kommt die Aspe fast flä Beständen kaum Aspen vorhanden sind. Gros chendeckend vor. Sie fehlt nur in den Hochla se oder alte Exemplare sind bei uns selten. gen. Am häufigsten ist sie in Lagen von 800 bis 1200 m ü.M. und in den Regionen Alpen Die Aspe – verbreitet und doch selten und Alpensüdseite. Baumförmig kommt die Gemäss Schweizerischem Landesforstinventar Aspe bis auf rund 2000 m ü.M. vor, als Strauch (LFI) hat die Aspe schweizweit einen Stamm sogar bis auf rund 2200 m ü.M. zahlanteil von rund 0,2 % (Basis: Bäume ab 12 cm Durchmesser auf Brusthöhe). Nur einer von 500 Bäumen im Schweizer Wald ist also eine Aspe. Am häufigsten ist sie in den Kan tonen Wallis (0,8 %), Graubünden (0,5 %) und Tessin (0,3 %). Im Kanton Thurgau liegt ihr Anteil bei rund 0,2 %. Gemäss LFI hat sich die Zahl der Aspen seit 1985 sowohl schweizweit als auch im Thurgau nicht verändert. Die Verbreitung der Aspe (Zitterpappel) in der Schweiz. Quelle: Schweizerisches Landesforstinventar (LFI), www.lfi.ch Die Aspe, eine anspruchslose Pionierin Die Aspe ist ähnlich der Birke eine ausgespro chene Pionier- und Lichtbaumart. Sie erträgt Frost, Sonnenstrahlung, Hitze und Trocken heit, wie sie auf Freiflächen vorkommen. Sie ist anspruchslos und äusserst robust, wächst praktisch überall gut, auch als Erstbesiedlerin Grosse Aspen auf 1500 m ü.M. in Lavin (GR) im auf Rohböden, und erträgt auch Überschwem Unterengadin. Foto: Ulrich Ulmer 6 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst Die Aspe, eine Baumart mit Potenzial Peter Ammann von der Fachstelle Waldbau in Lyss untersuchte 2021 im Rahmen eines BAFU- Projektes das waldbauliche Potenzial der Aspe anhand von bis zu 80-jährigen Aspen an 21 Standorten im Schweizer Mittelland (AG), im Rheintal (SG) und im Albulatal (GR) und liefert erstaunliche Resultate: «Das rasche Höhen wachstum von Aspen auf guten Standorten ist beeindruckend: Maximalwerte sind ca. 16 m im Alter von zehn Jahren, ca. 24 m mit 20 Jahren, 28 bis 30 m mit 30 Jahren. Es wurden maximale Jahrestrieblängen von über zwei Meter gemessen. Die höchsten gemessenen Aspen erreichten 32 m, waren aber mit 36 Jahren noch recht jung … Auch das Durchmesserwachstum ist rasant und beeindruckend. Vitale Aspen er reichen im Schweizer Mittelland nach 15 Jah ren rund 30 cm und nach 30 Jahren rund Zwei grosse Aspen stehen im Herrenhofer Wald. 50 cm BHD … Damit scheint die Aspe die in Sie haben einen Durchmesser von 47 und 48 cm auf Brusthöhe und sind knapp 30 m hoch. der Jugend schnellstwachsende einheimische Foto: Ulrich Ulmer Baumart zu sein.» Gemäss Peter Ammann ist die Aspe ein idealer Ersatz für die wegen der Die Aspe – sehr wichtig für die Biodiversität Eschenwelke ausfallende Esche auf feuchten Die Aspe gilt als eine der wichtigsten Baumar und nassen Eschenstandorten. ten für Schmetterlinge. Viele Raupen von selte nen und gefährdeten Tagfaltern leben und er Gute Holzeigenschaften, geringe Bedeutung nähren sich in Aspenkronen. Auch Spechthöhlen, Das Holz der Aspe ist dem Holz anderer Pappeln z. B. an Abbruchstellen von abgestorbenen sehr ähnlich. Es ist leicht, hell bis rötlich und Hauptästen, oder häufig auftretende Kernfäu weich. Als leichtes Holz mit geringem Brenn len, die zu Höhlen werden, machen die Aspe wert wird es als Energieholz wenig geschätzt. zur ökologisch sehr wertvollen Baumart. Als Nutzholz hat Aspenholz in der Schweiz eine geringe Bedeutung, obwohl es wie das Die Aspe, eine Baumart mit Zukunft Holz der anderen Pappeln z. B. für Schälfur Die Aspe ist eine anspruchslose, robuste und nier, Sperrholz, Skikerne oder für die Herstel problemlose Baumart, die mit ganz unter lung von Zellulose und Papier verwendet wer schiedlichen Standortbedingungen zurecht den kann und in andern Ländern im grossen kommt. Gefährliche Schadorganismen treten Stil verarbeitet wird. bei ihr derzeit nicht auf. Sie verjüngt sich auf Die Firma Hess & Co AG in Döttingen (AG), Störungsflächen natürlich sehr gut, wächst in das einzige Werk in der Schweiz, das Schäl der Jugend sehr schnell und ihr Holz ist vielsei furnier und Sperrholz aus Pappelholz her tig verwendbar. Die Aspe ist ökologisch sehr stellt, stellte den Betrieb per Ende Januar 2023 wertvoll. Dank all dieser Eigenschaften ist die ein. Dies zehn Tage nachdem Olympiasieger Aspe eine perfekte Baumart für die Zukunft. Beat Feuz, vielleicht mit ein wenig Aspenholz in seinen Skiern, in Kitzbühel seine letzte Ab Ulrich Ulmer fahrt gefahren ist … Kreisforstingenieur Forstkreis 3 BTW 1/2023 7
Forstamt und Forstdienst 30 Ja h r e B l ä t t er au s d em Thurg au e r Wal d Int er v i e w m i t den Erf i nd ern Im Februar 1994 erschien die erste Ausgabe mentarier kennen. Ich kannte dadurch die der Blätter aus dem Thurgauer Wald. Mit forstliche Gesetzgebung von Grund auf, und der vorliegenden Ausgabe startet somit der dieses Wissen war der Auslöser, dass ich als 30. Jahrgang. Dies führte zur Idee, zusammen Kantonsforstmeister in den Thurgau kam. mit den damaligen Initianten der Blätter aus Paul Pfaffhauser (PP): Ich arbeitete damals dem Thurgauer Wald, Paul Gruber und Paul zu 40 % im Museumsamt und zu 60 % im Forst Pfaffhauser, in einem Interview auf die Anfän- amt. Zum forstlichen Teil gehörte auch mein ge zurückzublicken. Einsatz an der Landwirtschaftsschule Arenen berg als Fachlehrer Waldbau. Ab 1995 wurde ich Was war 1994 eure Funktion beim dann zu 100 % beim Forstamt angestellt und Kantonsforstamt? war auch in der Ausbildung der Forstwarte im Paul Gruber (PG): Ich war 1994 Kantonsforst BBZ Weinfelden tätig. Für die Zuständigkeiten meister. Im April 1990 starb mein Vorgänger jener Forstingenieure, die keine Kreise betreu Clemens Hagen, und ich übernahm die Lei ten, wurden erst damals fixe Ressorts festge tung des Amtes ad interim bis im Oktober legt: Walderhaltung – Forstliche Planung – Aus 1990. In dieser Zeit arbeitete ich jeweils am bildung und Information. Das vierte Ressort, Montag in Frauenfeld und an den anderen die Leitung von Sekretariat und Buchhaltung, Wochenarbeitstagen bei der Eidgenössischen erhielt den Titel «Zentrale Dienste». Forstdirektion in Bern. In Frauenfeld war Urs Hugentobler meine Stellvertretung. Es war Wie kam es zur Idee einer regelmässigen sein Wunsch, dass ich an einem Tag pro Wo Publikation? che anwesend war, damit die anstehenden PG: Ich weiss nicht mehr, wer die Idee hatte, Pendenzen besprochen werden konnten. ob Paul oder ich. Bei meiner Arbeit in Bern Im Jahr 1990 wurde in Bern das Eidgenössi und bei der Zusammenarbeit mit den Bundes sche Forstpolizeigesetz überarbeitet. Unter parlamentariern in den Kommissionen wurde anderem wählte man den neuen Namen immer wieder betont, dass die Kantone ihre «Waldgesetz». In dieses Thema war ich stark Anliegen den Bürgern gegenüber besser kom involviert. So war ich jeweils dabei, wenn die munizieren sollten. «Ihr sitzt in eurem Stübli Forstdirektion das Gesetz im Bundeshaus ver und verkauft euch nicht», lautete der Tenor. treten musste, und lernte verschiedene Parla Dieses Anliegen nahm ich von Bern mit. Die verschiedenen Erscheinungsbilder der Blätter aus dem Thurgauer Wald. Foto: Sandra Horat 8 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst Für die kantonale Gesetzgebung über den Wald wir. Im Jahr 2023 hat es den 29. Jahrgang!) war beim Kanton eine Übergangsregelung zur Vielleicht war dieses Vorwissen der Auslöser raschen vorläufigen Umsetzung des neuen für den von uns gewählten Namen. Bundesgesetzes notwendig. Denn im Thurgau Auftrieb für unser Anliegen gab auch der hatte man bis anhin lediglich eine regierungs Umstand, dass für mein Büro kurz zuvor ein PC rätliche Verordnung über den Wald, noch kein angeschafft worden war. Vorher durfte ich ei Kantonsgesetz. Der Präsident der dafür not nen Schreibautomaten benutzen, wenn er frei wendigen Gesetzeskommission legte mir da war, im Sekretariat des Museumsamtes (z. B. mals ans Herz, dass man das neue Waldgesetz am Samstag). Nachdem Paul Gruber 1990 als auch nach aussen möglichst effektiv vertritt. Kantonsforstmeister angefangen hatte, hatte Diese Gedankenanstösse waren wertvolle Vor er mir erlaubt, das Geld, das für meine Lektio aussetzungen! Zusammen mit dem Kommissi nen dem Forstamt vom Arenenberg ausbezahlt onspräsidenten überlegte ich, wie man dieses wurde, in einen PC zu investieren. Anliegen umsetzen könnte. Es sollte etwas Re PG: Der Ausdruck «Blätter» war für mich gelmässiges, aber nicht zu Umfangreiches wer wichtig. Wir hatten später ein paar Mal darü den. Daher kamen wir auf die Idee, eine neue ber gesprochen, ob man den Ausdruck än Publikation viermal pro Jahr herauszugeben: dern sollte. Wir erkannten, dass es nötig war, Nicht zu viel, aber regelmässig. Selbstverständ Überzeugungsarbeit bezüglich mehr Laubholz lich brauchte das Forstamt zusätzlich noch wei zu leisten. Deshalb war für mich die Doppel tere Öffentlichkeitsarbeit wie Zeitungsartikel deutigkeit der Blätter sympathisch, und der und Broschüren. Titel wurde beibehalten. Wisst ihr noch, wer die Idee zum Titel hatte? Wie wurden die Blätter damals verteilt? PG: Ich meinte, du, Paul, hattest die Idee. Der Höhe der Auflage? Begriff «Blätter» beinhaltet einen Doppelge PP: Die erste Nummer wurde zusammen mit danken: Wir wollten im Thurgauer Wald mehr dem Leitbild «Was wollen wir für den Thurgau Laubholz und gleichzeitig etwas zum Lesen. er Wald» und mit den Unterlagen der Waldge PP: Ich schrieb früher meine Arbeitsstun setzgebung den Parlamentariern verteilt. In den auf, weil ich für verschiedene Arbeitgeber nerhalb des Forstdienstes haben wir die Blätter tätig war. In meinen Aufzeichnungen suchte verschickt. Auch konnten wir sie dem Wald ich vergeblich nach dem genauen Vorgehen wirtschaftsverband, der Waldbaukommission damals. Betreffend die Blätter hatte ich noch und dem Försterverband zum Verschicken ge eine dritte Person im Kopf – Irene Schuchter. ben. Über verschiedene Parlamentarier, vor al Aber ich fand nicht mehr heraus, worin ihr lem Bruno Haag, haben wir auch viele weitere Beitrag zu dieser Publikation bestand. Adressen erhalten. Die ersten Blätter erschie In meiner Freizeit war ich oft in der Druckerei nen in einer Auflage von 500 Exemplaren. Huber, die ich von früheren Aufsätzen her ken nengelernt hatte. Ich arbeitete damals an einer Wer hat den Inhalt festgelegt? weiteren Publikation. Bei einem Besuch dort PG: Der Inhalt wurde gemeinsam festgelegt. Die lernte ich einen Fachmann kennen, der in der Stabsitzung der Ressortleiter, als Führungsinst gleichen Gemeinde wohnte wie ich. Er gab mir rument neben der altbewährten Forstmeister seine Absicht bekannt, in unserer Gemeinde konferenz, wurde damals von mir ins Leben den Versuch einer wöchentlichen Lokalpubli gerufen. Auf diese Weise fand ungefähr alle kation zu starten. Bald begann er damit und zwei Wochen ein Gedankenaustauch statt, der gab ihm den Namen «Wängener Blättli». (Of auch der Nacharbeit der Forstmeisterkonferen fenbar hat er erst später begonnen damit als zen diente. Aus diesen beiden Gesprächsrunden BTW 1/2023 9
Forstamt und Forstdienst ergaben sich zahlreiche Themen, die sich für von ETH-Professor Fritz Fischer: «Wem nichts eine Veröffentlichung in den Blättern eigneten. auffällt, dem fällt auch nichts ein!» Aus diesen Wir wählten für jede Nummer ein Schwer kurzen Aufenthalten ergaben sich für mich oft punktthema. In den ersten Jahren lagen diese neue Themen oder ich konnte Fotos machen. notwendigerweise häufiger auf der Gesetzge Wenn ich die Texte für eine neue Nummer be bung als später. Was mir ebenfalls wichtig reit hatte, nahm sich Paul Gruber immer die war: Ich legte für jede Ausgabe einen Leitge nötige Zeit, um sie genau durchzulesen. Ich danken fest. Der Leitgedanke bei der ersten denke heute noch mit grosser Dankbarkeit da Ausgabe lautete z. B. «Wir meinen, die Natur ran, wie er die Treppe hinunter in mein Büro zu beherrschen, aber wahrscheinlich hat sie kam und mich unter anderem betreffend die sich nur an uns gewöhnt.», K.H. Waggen. Da eine oder andere Textstelle fragte: «Paul, kann mit wollte ich unterstreichen: Die neue Thur man diese Aussage nicht positiv formulieren?» gauer Waldgesetzgebung beinhaltete vor al lem auch den Erhalt der Natur. Ab wann gab es die Zusammenarbeit mit dem Thurgauer Bauern und wie kam diese Wer hat für die Blätter geschrieben? zustande? PP: Ich ging im Arenenberg ein und aus. Dort PG: Durch die Tätigkeit von Paul Pfaffhauser und im Bauernsekretariat entstanden jeweils an der Landwirtschaftsschule Arenenberg, die Texte für den wöchentlich erscheinenden beim Museumsamt (bis 1995) und am BBZ Thurgauer Bauer. Das war eine viel seitenstär Weinfelden bekamen wir Informationen von kere Publikation als unsere Blätter und erfor verschiedenen Fachstellen im Kanton. Zum derte eine straffe Führung und Koordination. In Arenenberg vertieften wir den Kontakt auch Bezug auf unsere Blätter erlebte ich das unter dadurch, dass wir dort Forstingenieurkonfe der Leitung von Paul Gruber lockerer. Die The renzen und Weiterbildungen durchführten. men für die Artikel in den Blättern wurden kei Berührungspunkte entstanden später auch neswegs an den Forstingenieurkonferenzen bei der Wiederherstellung des ursprünglichen oder Stabsitzungen verbindlich festgelegt. Ich Parks, obwohl die forstrechtlichen Fragen schrieb meistens die Forstingenieurkonferenz- dazu in der Kompetenz des Bundes lagen. Mit Protokolle, machte Notizen in den Stabsitzun Ruedi Huber, dem damaligen Schulleiter dort, gen, bekam auch Vorschläge von den Kolle hatte ich auch persönliche Verbindungen. gen, manchmal auch Texte, konnte bei den PP: Für diese Zusammenarbeit war auch Verbänden des Forstwesens und bei anderen der erwähnte Kontakt zur Druckerei Huber be Fachpersonen nachfragen. Ich hatte immer deutungsvoll, weil einer der Fachkräfte, Edi eine handschriftliche Liste mit möglichen The Ulmer, zugleich Druckereimanager und Redak men bei mir, die ich laufend ergänzte. tor des Thurgauer Bauer war. Als hauptsächlicher Verfasser der Blätter war PG: Andi Anderegg war für uns ebenfalls ich froh, dass ich bezüglich Inhalt eine gewisse eine wichtige Beratungsperson. Er war da Freiheit hatte und Vertrauen meiner Mitmen mals bei der Thurgauer Zeitung tätig. So war schen genoss. Eine zusätzliche Quelle, um zu dann die Nummer 3 im Jahr 2005 die erste Themen für die kürzeren Texte zu kommen, Beilage im Thurgauer Bauern, und zwar erst war meine Gewohnheit, auf meinen vielen be mals mit Farbdruck. Die neue Funktion der ruflichen Fahrten (Arenenberg, Weinfelden, Blätter, als eingeheftete Beilage im Thurgauer Frauenfeld) hin und zurück verschiedene Wege Bauer, erforderte ein neues Design. zu fahren, irgendwo kurz anzuhalten und mit PP: 2012 wurde das Design nochmals an offenen Augen ein paar Schritte in einem Wald gepasst und seit dieser Zeit gibt es die Blätter gebiet zu machen, gemäss einem Leitspruch aus dem Thurgauer Wald auch online. 10 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst Wie haben sich die Inhalte der Blätter über auf eine mehrtägige Fachexkursion gingen. die Jahre verändert? Ich schrieb in ein altes Schulheft bei allen PP: Wie oben erklärt, hatten die ersten Ausga Ortsverschiebungen auf der ganzen Reise am ben der Blätter einen engen Bezug zur Wald Entwurf. Als ich wieder mit dem Alltag starte gesetzgebung. Wir setzten das Hauptgewicht te, musste ich nur noch den Aufsatz abtippen. auf die jeweils aktuellen Teilthemen dieser Weil ich im Jahr 2009 krankheitshalber für Gesetzgebung, indem wir zum Beispiel schrie einige Monate ausfiel, wurden nicht wie sonst ben: Heutiger Schwerpunkt: Eidgenössisches vier Nummern herausgegeben. Im September Waldgesetz (Nr. 1, Februar 1994). … Das kanto jenes Jahres fanden zum zweiten Mal die nale Waldgesetz (Nr. 4, Dezember 1994). … Die Thurgauer Waldtage statt. Der Bericht über regierungsrätliche Verordnung zum kantona dieses Grossereignis füllte die Blätter so len Waldgesetz (Nr. 2, April 1996). Dieses Be stark, dass wir, ohne es vermutlich zu mer stimmen eines Schwerpunktes behielten wir ken, von meiner beliebten Gewohnheit der bei. Es war für mich eine grosse Hilfe. Es lohn Schwerpunkte wegkamen. te sich dann, dass ich mich vertieft mit einer Angelegenheit befassen konnte. Dadurch ka Was ist euer Wunsch für die Zukunft der men auch andere Personen aus dem Forstbe Blätter? reich und dessen Umgebung zum Zug: Forst PG: Ich würde es schade finden, wenn es nichts ingenieure des Forstamtes, Personen aus dem mehr zu berichten gäbe. Ich war nun zehn Jahre Försterverband, aus der Interessengemein im Sozialbereich tätig und habe da gemerkt, schaft Thurgauer Wald, IGTW (Vorgänger von: dass es wichtig ist, darüber zu berichten, was Waldwirtschaftsverband Thurgau, heute Wald man macht, und dass man sich auch zeigt. Thurgau), Fachleute aus den Bereichen Holz, Mein Bedürfnis wäre noch, dass die Teilrevision Naturschutz, Wild und Jagd u.a.m. Für mich der Gesetzgebung entsprechend kommuniziert war die Vertiefung in einen solchen Schwer wird. In einer Ausgabe der Blätter haben wir punktbereich jeweils eine wertvolle Weiterbil z.B. über Waldreservate geschrieben und hier dung. Das Forstamt konnte mit solchen war wichtig zu kommunizieren, dass ein Reser Schwerpunkten seine neuen Themen der Öf vat nicht heisst, dass um die Fläche ein Zaun fentlichkeit vorstellen: z. B. die regionalen steht, sondern dass damit die Dynamik der Na Waldpläne, die Standortkartierung, die Bran tur gefördert werden soll. Diese Themen sind chenlösung «Forst». Oder man konnte die Öf auch heute noch wichtig und sollten kommuni fentlichkeit auf Probleme hinweisen: Wie wei ziert werden. Ich weiss nicht, wie weit ihr ter im Kampf gegen den Buchdrucker? (Forstamt) nachvollziehen könnt, was elektro Nachdem ich 1995 begonnen hatte, in der nisch gelesen wird. Aber die Kombination von Ausbildung von Forstwarten mitzuwirken, ent Druck und Onlineauftritt finde ich hervorragend. stand der Gedanke, ein einzelnes Thema, z.B. PP: Meine Wünsche bezüglich der Blätter eine Baumart, zuerst für die Ausbildungstätig sind schon erfüllt. Beim Chefwechsel war es keit zu nutzen und dann für die Blätter. Auf absolut kein Thema, die Blätter nicht mehr wei diese Idee kam ich, als ich für ein Schaufenster terzuführen. Das war ein Aufsteller für mich. in Kreuzlingen eine kleine Ausstellung erarbei Dass der Kantonsforstingenieur jeweils das Edi ten musste. Ich gestaltete mit der Forstwart torial schreibt, finde ich wichtig, damit wird er klasse eine grosse Tafel mit Texten und Bildern als Person bekannt. Bei Paul Gruber hallte sein über den Bergahorn. Mit dem Stativ fotogra Vorgänger Clemens Hagen, der auch politisch fierte ich dazu Baumrinden schöner Bäume. sehr aktiv war, noch über lange Zeit nach. In wertvoller Erinnerung ist mir auch jener Schwerpunkt im Jahr 2006, als wir in Bayern Interview: Sandra Horat BTW 1/2023 11
Forstamt und Forstdienst W et t be w e r b z u m J u b i läum D a s s c h ö n s t e W ald f oto pro J ahresze it wird ge such t! Voraussetzungen: –– Das Bild zeigt Wälder im Kanton Thurgau. Die vier schönsten Bilder werden als Titelbild Im Begleittext wird beschrieben, wer das der Blätter aus dem Thurgauer Wald verwendet. Bild gemacht hat, wo es aufgenommen wurde und was allenfalls das Besondere Die Gewinner/innen werden persönlich infor daran ist. miert. –– maximal vier Bilder pro Person –– Bildauflösung: 300 dpi –– die Eingabe erfolgt mit Betreff «Fotowettbewerb» an forstamt@tg.ch –– Einsendeschluss ist der 6. April 2023 Titelbilder der Blätter aus dem Thurgauer Wald 2019 – 2021. Fotos: Sandra Horat, Paul Rienth, Erich Tiefenbacher und Ulrich Ulmer 12 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst Waldinventuren mit Kontrollstichproben im Kanton Thurgau Seit über 50 Jahren werden im Thurgauer Wald Stichproben-Inventuren durchgeführt und durch Am Anfang des 20. Jahrhunderts erschienen das Ingenieurbüro T. und A. Szilágyi betreut. in Europa die ersten Veröffentlichungen im Die ersten Aufnahmen stammen von 1970 aus Fachbereich der Forsteinrichtung. Die dies dem damaligen Forstrevier Amlikon. bezügliche Fachliteratur hat sich immer mehr mit den Inventurmethoden befasst. Es Das Kantonsforstamt Thurgau hatte 1970, sollen hier nur einige Autoren mit wegwei nach dem Vorschlag vom Forstmeister Dr. Urs senden Inventurmethoden und deren Analy Hugentobler, eine quasi Testinventur mit per sen erwähnt werden. Gurnaud und Biolley manenten Stichproben in Auftrag gegeben. (CH) haben die periodische Vollkluppierung Im Herbst desselben Jahres wurden die Zent für die betriebliche Planung beschrieben ren für die Kontrollstichproben im Kanton Thur (1920). Lindeberg (S) publizierte die Erfah gau im Forstrevier Amlikon auf 315 ha abge rungen mit der Linientaxierung (1923 – 27). steckt. Als Ausgangspunkt diente ein markanter Loetsch (D) leistete zahlreiche Beiträge zur Grenzstein (Nr. 35100) aus der Zeit, als die Gren Methodik der modernen Holzvorratsinven zen der Herrschaftsgebiete so deutlich bezeich turen (1940 – 1953), Kurt (CH) referierte an net wurden. Von diesem Grenzstein aus sind die lässlich der Wald- und Holztagung in Bern Probezentren in einem nach Norden gerichte (1956) über die Notwendigkeit der Kennt ten, quadratischen Netz 100 m × 100 m abge nisse der Produktionsmöglichkeiten im Be steckt und mit Antikorrodal-Röhren markiert. trieb. Waldinventuren sollen über die bisher Entsprechend der Vorgabe wurde das Netz in üblichen Aussagen, wie Vorrat und Stamm der Testinventur in der Ost-West-Richtung ver zahl, hinausgehen (1954, 1957). dichtet (100 m × 50 m), um genügend Daten für Die von Dr. Prof. Alfred Kurt entwickelte Analysen und Vergleiche mit den bisherigen und von Dr. Paul Schmid analysierte syste Vollkluppierungen im öffentlichen Wald zu er matische, permanente Kontrollstichproben- Methode wurde in der Praxis in Neuendorf (SO) erstmals in der Schweiz getestet (1962). Kurz danach im Jahr 1965 erfolgte eine Folgeaufnahme. Die positiven Ergeb nisse beider Inventuren und der Vergleich mit den früheren Vollkluppierungen im öf fentlichen Wald gaben Anlass für die schweizweite Einführung der Kontrollstich probenmethode. Permanente Stichproben sind in Netzen angeordnet. Sowohl die Netze 100 m × 100 m, 70 m × 140 m oder Dreieck, wie die Flächen einzelner Stichproben 3,14 und 4,0 Aren sind entsprechend der regionalen Verhält nissen bzw. von Kanton zu Kanton ver schieden. Linien- und Punktabsteckung mit TO-Wild um 1971 (T. Szilágyi). Foto: Urs Hugentobler BTW 1/2023 13
Forstamt und Forstdienst halten. Die Verdichtung erbrachte 603 Stichpro auch in den Privatwäldern. Im Jahr 1997 wur ben im Forstrevier. den die letzten permanenten Punkte im Wald Die Stichproben wurden nach den Kontroll von Tägerwilen abgesteckt. Der letzte Punkt stichproben «Aufnahmeinstruktion» der Eidg. wurde mit einem 80 cm hohen Granitstein und Anstalt für das forstliche Versuchswesen (heute einer Messingtafel besonders verewigt. Nach Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und der damaligen Statistik des Forstamtes wurden Landschaft WSL) aufgenommen. Wesentlich ist 19 663 permanente Stichprobenzentren abge noch zu erwähnen, dass in Amlikon erstmals steckt. Damit ist der Kanton Thurgau mit per auch die Privatwälder inventarisiert wurden. manenten, mit Antikorrodalröhren markierten Die nachfolgenden Auswertungen, Vorrat Aufnahmepunkten für Stichprobenaufnahmen und Stammzahl pro ha erwiesen sich durchaus auf dem Netz 100 m × 100 m vollständig einge als kompatibel zu den früheren Vollkluppie richtet. Diese erfüllen die Voraussetzung der rungsergebnissen in den öffentlichen Wäldern. Kontrollstichproben-Methode nach Empfehlung und Instruktion der WSL Birmensdorf. Wie ging’s weiter? Die Daten aller Stichproben im Kanton Thur Die Ergebnisse der Testinventur veranlassten gau wurden anlässlich der Folgeaufnahmen den damaligen Forstreinrichter des Forstamts laufend revidiert und ergänzt. In den Jahren (Geri Schwager) in Absprache mit den Kreis 1970 – 1997 hat sich das Waldareal des Kan forstmeistern, das vom Prof. Dr. A. Kurt entwi tons Thurgau leicht verändert. Die Gründe ckelte Stichprobenverfahren für die Inventari sind folgende: sierung der Wälder in weiteren Revieren –– Die früher nicht als Wald taxierten einzuführen. Ufergehölze entlang der Bäche So folgte in Jahresraten die Einmessung und –– Ausscheidung von Naturschutzgebieten Markierung der permanenten Stichprobenzent –– statische Waldfeststellung (2 m ab der ren in allen Wäldern im Kanton Thurgau, d.h. Mitte der letzten Waldrandbäume) Tibor Szilágyi mit zwei Messgehilfen bei den Erstaufnahmen in Wigoltingen 1976. Foto: Urs Hugentobler 14 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst Das Vorgehen für die Kontrollstichproben Rückblick Die Stichprobenzentren wurden von den Sig Einige Änderungen erfolgten während der nalen der Landesvermessung aus mit Theo letzten 50 Jahre im Netz der zwischen 1970 dolit (TO) und Messband eingemessen und bis 1997 abgesteckten permanenten Kontroll mit Antikorrodalröhren markiert. Ab dem Jahr stichproben-Zentren. Einerseits wurden Stich 2005 wurde immer mehr GPS eingesetzt, so probenzentren (Hartbelagsstrassen, überflu fern genügend Satelliten erreicht werden tete Flächen, Weiher usw.) entlassen, konnten oder die Belaubung es ermöglichte. anderseits sind neue Stichprobenzentren (vor Bäume ab 12 cm Brusthöhe 1,3 m ab Bo allem infolge der statischen Waldfeststellung, den, bzw. Ernteschnitt, sind mit der Kluppe Naturschutzgebiete, Bachläufe, Feldgehölze auf der Stichprobenfläche (3,14 Aren) gemes usw.) eingemessen und markiert worden. So sen worden. Jeder Baum wurde mit den Daten wohl beim Einmessen der neuen Stichproben- Distanz vom Zentrum, Azimut und Baumart zentren wie auch bei den Aufnahmen (alle protokolliert. Versuche mit der Registrier- Baumarten) wurden die neuen Vorschriften kluppe erwiesen sich als ungeeignet. Eben des Kantonsforstamtes Thurgau und die ge falls ist die Direktaufnahme der Bäume mit machten Erfahrungen berücksichtigt und an einem «Feldlaptop, Software von WSL» nach gewendet. der Erprobung nicht angewendet worden. Mit Freude und Genugtuung schaut das In Am Anfang erfolgte die Datenerfassung genieurbüro T. und A. Szilágyi auf die gute mittels Übertragung der Feldprotokolle auf und produktive Zusammenarbeit mit dem Lochkarten. Im Jahr 1974 wurde ein Versuch Kantonsforstamt Thurgau in den letzten 50 gestartet, in welchem die Daten mit OCR- Jahren zurück. Schrift (Schreibmaschine) für CDC-Optische- Tibor und Attila Szilágyi Laser erfasst wurden. Der Fehleranteil war aber zu hoch und dieses Vorgehen wurde fal len gelassen. Mit der weiteren technischen Entwicklung erfolgte die Erfassung der Daten direkt im Computer. Die erhobenen Daten wurden anfänglich auf Disketten und Magnetbäder abgespei chert. Die während einiger Jahre erstellten Mi krofichen als zusätzliche Dokumentation der Aufnahmen fanden keine praktische Anwen dung. Seit Anfang der 1980er-Jahren wurden bei den Auswertungen auch Situationsskizzen der einzelnen Stichproben aufgezeichnet. Seit 2004 erfolgten die Auswertungen mit Daten aufbau Microsoft Excel 97-2002, 5.0/7.0. Die Ergebnisse sind in Tabellen auf PC-AT02 er stellt. Nach den Reviervergrösserungen sind die früheren Erhebungseinheiten von 64 auf 24 Dateien reduziert worden. Mit den grösse ren Bezugsflächen weisen die Auswertungen wesentlich zuverlässigere Variationskoeffi Orginalplan mit dem Ausgangsmarkstein für die zienten und ein besseres Vertrauensprozent erste Stichprobe im Kanton Thurgau (Amlikon 1970). Foto: Attila Szilágyi auf. BTW 1/2023 15
Forstamt und Forstdienst D a s Fo r s t r e vi e r U nterthu rg au Das neue Forstrevier Unterthurgau besteht in öffentlicher Hand. Grosse öffentliche Waldei seit Anfang 2023. Es entstand aus dem Zu- gentümer sind die Bürgergemeinden Basadin sammenschluss der beiden Forstreviere Am gen-Schlattingen (309 ha), Schlatt (296 ha), Rhein und Unterthurgau. Das Revier umfasst Diessenhofen (211 ha im Revier) und Wagen eine Fläche von 1732 ha Wald von rund 360 hausen (63 ha) sowie die beiden Staatswälder, Waldeigentümern und wird von den beiden der Thurgauer Staatswald St. Katharinental Revierförstern Jakob Gubler und Simon Pachera (146 ha) und der Kantonswald Schaffhausen betreut. (188 ha). Der Privatwald umfasst 433 ha Wald von insgesamt rund 350 Eigentümern. Mit Das neue Forstrevier Unterthurgau liegt im west 25 % liegt der Privatwaldanteil deutlich unter lichsten Teil des Kantons Thurgau und umfasst dem kantonalen Durchschnitt von 56 %. den Wald in den vier Gemeinden Basadingen- Das Forstrevier Unterthurgau als Doppelrevier Schlattingen, Diessenhofen, Schlatt und Wagen mit zwei Förstern war schon Teil der Revierent hausen. Es entstand Anfang 2023 aus dem Zu wicklung im Kanton Thurgau, wie sie die durch sammenschluss der beiden Forstreviere Am das kantonale Departement für Bau und Um Rhein und Unterthurgau. Neu in das Revier inte welt (DBU) eingesetzte Arbeitsgruppe «Thurgau griert wurden die vorher ausserkantonal betreu er Forstrevierstrukturen» 2012 vorgeschlagen ten Wälder auf Thurgauer Boden, die im Eigen hatte, und es wurde auch bei der Überprüfung tum des Kantons Schaffhausen, der Stadt Stein 2019 bestätigt. Eine Arbeitsgruppe aus beiden am Rhein (SH) sowie der Zürcher Gemeinden Reviervorständen hat Anfang 2022 ihre Arbeit Feuerthalen, Stammheim und Truttikon stehen. aufgenommen und den Zusammenschluss vor Die Gesamtfläche des Forstreviers beträgt bereitet. Die Gründungsversammlung fand am 1732 ha Wald. 1299 ha (75 %) des Waldes sind 9. November 2022 statt. An dieser Versamm Die Hauptakteure im Forstrevier Unterthurgau sind Präsident Stephan Frei (Mitte) und die beiden Revierförster Simon Pachera (links) und Jakob Gubler (rechts). Foto: Ulrich Ulmer 16 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst Blick von Nordosten auf Etzwilen mit Bahnhof und den Nordabhang des Stammerberges. Foto: Ulrich Ulmer lung wurden die neuen Statuten und das Bud mon Biedermann (Rheinklingen), Roger Birk get 2023 genehmigt sowie Wahlen durchge (Diessenhofen), Willi Itel (Basadingen), Max Er führt. In den neuen Vorstand gewählt wurden zinger (Kaltenbach), Beat Möckli (Schlatt) und Stephan Frei (Schlatt) als Präsident sowie Si Konrad Monhart (Schlatt). Für die Waldeigentümerinnen und Wald eigentümer wird sich wenig ändern, da mit Forstrevier Unterthurgau, ab 1.1.2023 Jakob Gubler und Simon Pachera weiterhin zwei Förster die Wälder betreuen und zudem Flächen gemäss Forststatistik: ihre angestammten Waldgebiete und Zustän –– Gesamtwaldfläche: 1732 ha digkeiten behalten. Simon Pachera ist für den –– öffentlicher Wald: 1299 ha (75 %) Revierteil Basadingen-Schlattingen und Schlatt –– Privatwald: 433 ha (25 %) zuständig, Jakob Gubler für den Revierteil Diessenhofen und Wagenhausen. Waldeigentum: Im Forstrevier selbst ist kein Forstbetrieb –– BG Basadingen-Schlattingen: 309 ha* mit festangestelltem Personal angesiedelt. Die –– BG Schlatt: 296 ha Waldarbeiten werden von Forstbetrieben aus –– BG Diessenhofen: 211 ha* der Nachbarschaft, Forstunternehmern, Akkor –– Staatswald St. Katharinental: 146 ha* danten oder den beiden Revierförstern selbst –– BG Wagenhausen: 63 ha ausgeführt. –– EKG Basad.-Schlatt.-Willisdorf: 14 ha –– Kleinprivatwald (ca. 350 Eigentümer): Vom Schaaren bis zum Schoomet: grosse 433 ha Standortsvielfalt –– Kantonswald Schaffhausen: 188 ha* Das Forstrevier Unterthurgau grenzt im Nor –– PG Feuerthalen ZH: 1 ha* den an den Kanton Schaffhausen und entlang –– PG Stammheim ZH: 26 ha* des Rheines an das deutsche Bundesland –– PG Stein am Rhein SH: 27 ha* Baden-Württemberg, im Westen und Süden –– PG Truttikon ZH: 18 ha* an den Kanton Zürich sowie im Osten an das * Waldflächen im Revier Revier Seerücken mit den Gemeinden Eschenz Hiebsatz total, ohne SH und ZH: und Hüttwilen. 10 850 Tfm/Jahr Zum Revier gehören die grossen Waldkom plexe Schaaren, Kohlfirst (Nordabhang), Buch BTW 1/2023 17
Forstamt und Forstdienst Das neue Forstrevier Unterthurgau besteht seit dem 1.1.2023. Es entstand aus dem Zusammenschluss der beiden Forstreviere Am Rhein und Unterthurgau. Quelle: Forstamt Thurgau berg, Basadinger Wald, Rodenberg sowie Stam kommenden stufigen, ungleichförmigen Be merberg (Nordabhang) und Schoomet, die als stände, die seit der Aufgabe der Mittelwald westliche Ausläufer des Seerückens gelten kön bewirtschaftung plenterartig bewirtschaftet nen. Die Wälder liegen zwischen 390 m ü.M. werden. (Rheinufer bei Paradies) und 620 m ü.M. (Stam Die Vorratsinventur von 2013 zeigt für das merberg, Schomet) und weisen eine grosse neue Forstrevier Unterthurgau folgende Baum Vielfalt auf. Auf den meist leicht geneigten Mo artenzusammensetzung: 40 % Fichte, 23 % ränenhügeln herrschen mehrheitlich Buchen Buche, 11 % Eiche, 8 % Föhre, 6 % Esche, je waldstandorte vor, die aufgrund ihrer Wasser 2 % Tanne, Lärche, Ahorn und Hagebuche. Ge speicherfähigkeit und ihrer Nährstoffversorgung samthaft 52 % Nadelholz und 48 % Laubholz. meist sehr produktiv sind. Als kantonale Be Eine weitere Besonderheit sind die vielen sonderheit gelten die relativ trockenen Lagen vorhandenen Baumriesen. Im Forstrevier Unter auf Schotter im Schaaren, wo Standorte des thurgau steht vermutlich auch der höchste Hagebuchen-Mischwaldes vorkommen. Baum im Kanton Thurgau. Es handelt sich um Der Unterthurgau gilt als die trockenste Region eine Douglasie. Sie steht im Privatwald in im Kanton Thurgau. Der Jahresniederschlag an Schlatt und wurde um 1895 gepflanzt. 2019 er der Messstation Diessenhofen lag im langjähri gab eine Messung eine Baumhöhe von 59,30 m gen Mittel 1961 bis 1990 bei 866 mm; in der und einen Durchmesser von 1,28 m auf Brust Periode 2013 bis 2021 wurden im Mittel 657 mm höhe (BHD). gemessen (Quelle: Dienststelle für Statistik / Amt für Umwelt TG). Vom Speckhof bis zum Paradies: vielfältige Waldfunktionen Vom Rhein bis zum Heidemändli: Die Wälder im Revier sind dank günstiger To abwechslungsreiche Wälder pografie, Erschliessung und Standortsgüte Eine Besonderheit sind die im Gebiet Schlatt prädestiniert für die Holzproduktion. Im Aus und Basadingen-Schlattingen grossflächig vor führungsplan 2014 bis 2028 wird die nachhal 18 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst Seit 2018 verursachen Borkenkäfer grosse Schäden an Fichten im Revier. Chloostertürni, Gemeinde Basadingen-Schlattingen, März 2021. Foto: Ulrich Ulmer tig mögliche Nutzungsmenge, der sogenannte 2020 («Petra», «Sabine») wurde das Revier Hiebsatz, für das gesamte Revier (ohne SH- von starken Stürmen heimgesucht, die grosse und ZH-Wälder) auf 10 850 Tariffestmeter Holz Schadholzmengen und Flächenschäden ver pro Jahr festgesetzt. ursachten. Nach dem Hitzejahr 2015 war auch Für die Biodiversität von grosser Bedeu 2018 sehr trocken und heiss, ebenso 2020 tung sind die Sonderwaldreservate «Schaa und 2022. Ab 2018 sorgt die Massenvermeh ren» (234 ha) und «Buchberg» (48 ha), das rung des Borkenkäfers für riesige Schäden Lothar-Waldreservat «Heerenberg» (2 ha), die am Fichtenbestand und zusätzliche grosse Flachmoore von nationaler Bedeutung «Espi/ Schadflächen. Hölzli», «Etzwiler Ried» und «Schaarenwis» Von 2018 bis 2021 wurden im ganzen Re sowie die vertraglich gesicherten Altholzin vier rund 80 000 m3 Holz, vor allem Fichte ge seln (11 ha) und Eichennutzungsverzichtsflä nutzt, im Durchschnitt rund 20 000 m3 pro chen (180 ha). Jahr. Davon waren rund 65 % Käferholz, 25 % Der Anteil Schutzwald (Schutz vor Naturge Sturmholz und 10 % normale Nutzung. In die fahren, Erosionschutz) ist gering. Einzig die sem Zeitraum waren die Nutzungen infolge beiden Waldtobel des Tobelbachs und des Ii der Zwangsnutzungen doppelt so hoch wie bebachs/Steibachs in Wagenhausen liegen im der Hiebsatz. Obwohl die tieferen Nutzungen Schutzwaldperimeter. Im Wald liegen ver in den Jahren vor 2017 diese Mehrnutzungen schiedene Trinkwasserfassungen und -reser etwas kompensieren, bewegen sich die aktu voirs. Grosse Teile der Wälder werden von ellen und auch die künftigen Nutzungsmen Erholungssuchenden vor allem zur Naherho gen auf deutlich tieferem Niveau. Eine grosse lung genutzt (Erholungsfunktion). Herausforderung liegt nun in der Wiederbe waldung und Pflege der rund 150 ha grossen Seit 2017 viel Sturm- und Käferholz Schadflächen im Revier. Am 2. August 2017, im Januar 2018 («Burg Ulrich Ulmer lind», «Evi», «Friederike») und im Februar Kreisforstingenieur Forstkreis 3 BTW 1/2023 19
Forstamt und Forstdienst R ev ier b e s u c h vo n Reg i eru ng s rat Domin ik Die zi Die Tradition der Forstrevierbesuche führt Re- gierungsrat Dominik Diezi fort. Sein erster Besuch führte ihn im November 2022 in die Forstreviere Fischingen und Sirnach. Das Re- vier Fischingen ist ein Doppelrevier mit rund einem Drittel öffentlichem Wald und einem Forstbetrieb, in dem die Revieraufgaben und die Betriebsleitung von den beiden Förstern Christoph Ammann und Roger Hollenstein wahrgenommen werden. Das Revier Sirnach ist geprägt durch einen hohen Anteil an Pri- vatwald. Im Mai 2022 trat Ramon Ritter hier seine Stelle als Revierförster an. Eingeladen zu diesem Revierbesuch waren die Vorstände beider Forstreviere, die Präsi denten der Politischen Gemeinden und die Vertreter der öffentlichen Waldeigentümer, welche der Einladung in hoher Zahl folgten. Regierungsrat Dominik Diezi und weitere Teilnehmer Der Anlass begann im Forsthof Dussnang mit lauschen den Ausführungen der Revierförster. Alle Fotos: Peter Rinderknecht einem Überblick über den Forstkreis 1 und die Forstreviere durch den Kreisförster und die Revierpräsidenten. Anschliessend bot sich die eine Vielzahl von Themen wie der Klimawan Gelegenheit, Anliegen an den Forstdienst und del, Neophythen, Borkenkäfer, die Freizeitnut Fragen zum Wald zu stellen. Zur Sprache kam zung oder Waldschäden durch das Rotwild. An anschaulichen Objekten konnten die Herausforderungen und Massnahmen zur Erreichung der Ziele vorgestellt werden. 20 BTW 1/2023
Forstamt und Forstdienst Die drei Revierförster Christoph Ammann, Roger Hollenstein und Ramon Ritter führten durch den fachlichen Teil im Wald. Im zweiten Teil des Vormittags unternahmen zudem der Klimawandel mit seinen Auswir Regierungsrat Dominik Diezi und alle Anwe kungen auf die Baumarten zu berücksichti senden einen Waldspaziergang. Vom Forsthof gen. Der gelungene und sehr informative An bis zur Hofholzhütte in Fischingen dient der lass fand seinen Abschluss mit einem kleinen Wald der Holzproduktion. Aber ebenso wich Imbiss in der Hofholzhütte. tig sind die Schutzfunktion und die Biodiver sität. Auch zur Erholung wird der Wald stark Peter Rinderknecht begangen. Bei allen Massnahmen ist heute Kreisforstingenieur Forstkreis 1 D a s J a h r 2 0 2 2 – zu tro cken und zu warm Schon der März 2022 zeigte sich trocken mit nur 1864. Die Jahresmitteltemperatur ist in der wenig Niederschlag. Überdurchschnittliche Tem- Schweiz seit 1864 um rund 2 °C angestiegen. peraturen und längere Trockenheit im Sommer führten im ganzen Kanton zu einer Waldbrand- Einschränkungen im Wald gefahrenstufe 4. Das Thurgauer Departement Vom 22. Juli bis am 23. August galt die Wald für Bau und Umwelt erliess ein Feuerverbot brandgefahrenstufe 4, womit Feuerentfachen im Wald. Auch waren das Zünden von Feuer- im Wald und in Waldesnähe verboten war. Er werk und die Wasserentnahme untersagt. freulicherweise hielt sich die Bevölkerung sehr gut an dieses Verbot. Zusätzlich galt ein Feuer Nach Angaben des Amts für Umwelt lag der ge werksverbot auf dem ganzen Kantonsgebiet. samte Niederschlag im Kanton Thurgau 2022 bei nur 72 % des langjährigen Mittels. Durch Bäume haben gelitten schnittliche Niederschlagsmengen wurden im Die jährlichen Aufnahmen auf den Walddauer April und Juni gemessen. Mehr als üblich regne beobachtungsflächen (im Thurgau gibt es te es im August und September. Der rekordwar sechs solcher Flächen) durch das Institut für me Oktober und die weit überdurchschnittliche Angewandte Pflanzenbiologie (IAP) zeigen, Novemberwärme führten im landesweiten Mittel dass sich die Trockenheit im Sommer in er zum drittwärmsten Herbst seit Messbeginn höhter Kronenverlichtung und Mortalitätsrate BTW 1/2023 21
Forstamt und Forstdienst Anhaltende Trockenheit und heisse Temperaturen liessen im Juli 2022 auch viele Waldbäche versiegen. Im Bild der Mühlibach bei Frauenfeld. Foto: Ruedi Lengweiler bei Fichte gezeigt hat. Bei den Buchen geht schlecht. Die Prognosen gingen daher von ei das IAP davon aus, dass der Effekt vom Jahr ner tiefen Ausgangspopulation im Frühling 2022 erst im 2023 in vollem Ausmass zu se 2022 aus. Sichtbare Schäden an Fichten tra hen sein wird, da Buchen verzögert auf klima ten dann auch erst im Spätsommer auf, dann tische Einflüsse reagieren. Die beobachteten aber gebietsweise heftig. akuten Symptome (frühzeitige Blattverfärbun gen und Laubfall) deuten – gemäss IAP – da Handlungsbedarf für den Wald rauf hin, dass mit einem weiteren Zurückster Das Klima verändert sich. Der Waldbau muss ben von Kronenteilen gerechnet werden diesen Umständen Rechnung tragen und ist ver muss. stärkt auf Klimaveränderungen auszurichten. Hier ist eine gesunde Balance zwischen Machen Borkenkäfer zeigten sich erst spät und Abwarten gefragt. Das feuchte und eher kühle Jahr 2021 war für die Entwicklung der Borkenkäferpopulation Forstamt Abweichungen der Norm (Durchschnittswerte 1991–2020, weiss gestrichelte Linie) für Temperatur, Niederschlag und Sonnenschein für das zentrale und östliche Mittelland und die Nordwestschweiz. 2022 waren die Temperaturen über- und die Regenmengen unterdurchschnittlich. Grafik: Meteo Schweiz 22 BTW 1/2023
Diverses Zu g v e r s u c h e a n Esche i m Thu rg au Durch das Eschentriebsterben befallene Eschen lyse voraus. Im ersten Schritt wird der Baum werden besonders im Bereich der Sicherheits fotografisch aufgenommen. Im Wald zeigt sich holzerei entlang von Strassen optisch auf ihre dabei die Schwierigkeit, dass nicht immer ein Sicherheit beurteilt. Ein Forschungsprojekt an optimales Foto gemacht werden kann, da die der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee Krone von anderen Bäumen verdeckt wird. und Landschaft (WSL) untersucht die Auswir- Des Weiteren werden Kennwerte des Baumes, kung des Eschentriebsterbens und des Befalls wie etwa Baumhöhe oder Stammdurchmesser, durch Hallimasch auf die Stabilität der Eschen. ermittelt. In einem speziellen Grafikprogramm Die Stabilität von Eschen wird in diesem Projekt wird das Foto abgetastet und daraus folgend auch mittels Zugversuchen untersucht. Beprobt die notwendigen Parameter berechnet. Damit wurden auch Flächen im Thurgau. Mitte Novem- können unter Berücksichtigung bestimmter ber 2022 wurde in Frauenfeld in der Wuer ein Eigenschaften des Baumes und seiner Umge solcher Zugversuch als Information für das bung genaue Rückschlüsse auf die für den kantonale Forstamt durchgeführt. Baum zu erwartende maximale Windbelastung getroffen werden. Zugversuche sind eine nichtinvasive Methode der eingehenden Untersuchung und Überprü Notwendige Installationen fung der Stand- und Bruchsicherheit von Bäu Elastometer (Dehnungssensor) und Inclino men. Grundlage dieses Verfahrens sind die meter (Neigungssensor) werden am Baum Beziehungen zwischen Reaktionen des Bau festgemacht (vgl. Bild). Ein Seil mit Forceme mes in Form von Dehnung, Stauchung und ter (Kraftmesser) wird am Baum installiert. Neigung am Stammfuss und einer eingeleite Das Anbringen der Geräte ist für den Baum ten Windersatzlast. eine vernachlässigbare Verletzung. Vorbereitende Arbeiten Was wird gemessen? Der Ermittlung von Bruch- und Standsicherheit Beim Zugversuch wird die Reaktion eines geht bei den Zugversuchen eine Windlastana Baumes auf eine definierte Belastung gemes Schematische Darstellung eines Zugversuchs. Zeichnung: Thomas Hintze BTW 1/2023 23
Diverses sen. Mithilfe eines Greifzuges und des im einem speziellen Computerprogramm (Arbos Baum installierten Seiles werden verschieden tat) hochgerechnet. Um Schädigungen am starke statische Kräfte auf den Baum übertra Wurzelsystem zu verhindern, wird der Baum gen. Während der gesamten Messung wird maximal bis zu einer Neigung von 0,25° gezo anhand der hochauflösenden Messgeräte die gen. In diesem Messbereich handelt es sich Reaktion des Baumes zeitgleich überwacht, um eine elastische reversible Verformung, elektronisch aufgezeichnet und als Datensatz d.h. der Baum bewegt sich wieder vollständig gespeichert. Mit dem Kraftmesser, der am in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Zugseil installiert ist, wird die Zugkraft des Die Zugversuchmethode ist deshalb zerstö Greifzuges erhoben. Mit Dehnungssensoren rungsfrei. Zusätzliche wichtige Elemente zur wird die Dehnung der Holzfasern im Randbe Beurteilung der Stand- und Bruchsicherheit reich des Stammes unter Belastung gemes von Bäumen sind die individuellen statischen sen, um mögliche Schwachstellen im Holzbe Eigenschaften des Materials: die Dimension, reich festzustellen. die Form, die Umgebung und die Defekte so Um die Belastung eines Stammes beurtei wie die Vorgeschichte und der aktuelle Vitali len zu können, werden die baumartspezifi tätszustand des Baumes. schen Elastizitätsgrenzen grüner Hölzer her angezogen und als Richtwerte für die Wichtigkeit der Beurteilung der Wurzelanläufe Hochrechnung der im Zugversuch ermittelten Eschen, welche mit dem Pilz Hymenoscyphus Dehnungswerte eingesetzt. Über diese Hoch fraxineus infiziert sind, zeigen ein Kronenster rechnung ist es möglich, eine Aussage über ben und können Stammfussnekrosen aufwei die Bruchsicherheit zu machen. sen, welche oft sekundär durch andere Pilze Um eine Aussage zur Standsicherheit zu ge besiedelt werden. Infizierte Eschen zeigen ben, werden im unteren Stammfussbereich oftmals einen Stabilitätsverlust und fallen bei Neigungssensoren angebracht. Diese über starkem Wind leicht um. Häufig wird beob prüfen – unter Belastung – die Verankerungs achtet, dass die umgefallenen Eschen an den kraft der stammnahen Wurzeln. Anhand des Wurzeln sekundär vom Hallimasch (Armillaria typischen Neigungsverhaltens von Bäumen spp.) besiedelt sind und oft nur eine geringe wird die Verankerungskraft der Wurzeln mit oder mittlere Kronenschädigung durch H. fra xineus aufweisen. Das Projekt der WSL hat zum Ziel, den Ein fluss von H. fraxineus und Hallimasch auf die Standfestigkeit von Eschen besser zu verste hen. Mittels Zugversuchen im Feld wird die Standfestigkeit von unterschiedlich stark er krankten Eschen ermittelt. Nach Möglichkeit sollen einfache, feldtaugliche Kriterien etab liert werden, welche helfen sollen, die Stand festigkeit von Eschen unkompliziert und kos tengünstig vor Ort einzuschätzen. Der Bericht beruht auf einem Skript zur Baum pflege der Firma Robinia. Thomas Hintze erklärt, wie die Messgeräte am Baum Sandra Horat installiert werden müssen. Foto: Sandra Horat Forstamt 24 BTW 1/2023
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