BOKU - Was uns alle angeht: Lebensmittel ISOTOPEN-FORSCHUNG AN DER BOKU NEUE MEDIKAMENTE DURCH - NatRisk
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BOKU DAS MAGAZIN DER UNIVERSITÄT DES LEBENS Nr. 2 | Juni 2018 ISSN: 2224-7416 Was uns alle angeht: Lebensmittel ISOTOPEN- NEUE MEDIKAMENTE DURCH HOLZWIRTSCHAFT FORSCHUNG BIOPHARMAZEUTISCHE MIT GROSSER AN DER BOKU HERSTELLUNG ZUKUNFT
INHALT Thinkstock 3 Grüße vom neuen Vorsitzenden des Universitätsrates: Kurt Weinberger 4 Die vielen Gesichter der Lebensmittel- qualität: Wolfgang Kneifel im Porträt 8 Schutzgebiete für vom Klimawandel bedrohte Arten 9 Mit Insektenzellen impfen? 10 Das Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit stellt sich neu auf 4 9 12 Brigitte Gasser erforscht den Stoffwechsel der Hefe 14 Über die Forschungseinrichtung Wood K plus in Tulln 17 Wie gehen wir mit Naturgefahren zukünftig besser um? 20 Neues aus dem Bereich der Bibliothek 21 Betriebliches Gesundheitsmanagement an der BOKU 10 22 Isotopenforschung an der BOKU Fotolia 24 Splitter 27 KinderBOKU und Neues aus der Welt der Bücher 28 Strategische Kooperation BOKU-Umweltbundesamt 30 ECN Frühlingserwachen 2018 31 Der Bäuerinnentag 2018 32 32 DCNA: Disaster Competence Barbara Brandstätter Shutterstock Network Austria 34 Inge Dirmhirn Stipendium: CSR-Aktivitäten 35 Das war die Lange Nacht der Forschung 2018 36 Inauguration 2018: Die schönsten Bilder 38 Der neue Unirat stellt sich vor 31 35
EDITORIAL Sophie Salfinger u BOKU – WIR LEBEN NACHHALTIGKEIT! KURT WEINBERGER Vorsitzender des Universitätsrates E s ist der 1. Oktober 1979. Ich betrete erstmals die Universi- te Antworten. Unsere Universität liefert dabei Stakeholdern aus tät für Bodenkultur. Ich inskribiere an unserer Alma Mater Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft unverzichtbare Viridis das Studium der Agrarökonomie. Die schon damals Antworten. vermittelten Werte der Nachhaltigkeit prägen mich nicht nur in den nächsten sechs Jahren des Studiums, sondern für mein gan- Die BOKU hat hier enormes Potenzial und weiterhin große Chan- zes Leben. cen. Als neu gewählter Vorsitzender des Universitätsrates, als Finanzmanager eines Versicherungsunternehmens, der mit den Seit dieser Zeit hat sich die BOKU als Universität des Lebens in Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert und darauf sen- den Bereichen Forschung und Lehre als „Sustainability Univer- sibilisiert ist, und als einer, der selbst aus der Landwirtschaft sity“ sehr positiv weiterentwickelt. Das spiegelt sich auch im kommt, wünsche ich mir: Die BOKU als nachhaltigste Universität Ranking der „Nachhaltigkeitsuniversitäten“ wider. Weltweit auf Österreichs soll noch mehr ein unverzichtbarer Teil der Gesell- Rang 6 und in Kontinentaleuropa auf Platz 2. Dabei versuchen schaft in Österreich und in vielen Teilen der Welt sein. Das Thema Universitäten stets, die Besten der Welt zu werden. Es geht aber Nachhaltigkeit bzw. Bioökonomie bedeutet für unsere Universi- auch darum, die beste Universität für die Welt zu sein. Die BOKU tät eine große Verantwortung für künftige Generationen. Dazu hat das geschafft. möchte ich gemeinsam mit meinen KollegInnen aus dem Univer- sitätsrat einen positiven Beitrag leisten. In guter Zusammenar- Gegründet als land- und forstwirtschaftliche Hochschule ist sie beit mit dem Rektorat, dem Senat, den Lehrenden, dem Personal heute die einzige Universität für Nachhaltigkeit in Österreich. und den Studierenden wird dies gelingen. Diese Haltung schul- Sie vermittelt, dass zukunftsfähige Volkswirtschaften sowohl auf den wir künftigen Generationen! Ökonomie als auch auf Ökologie setzen müssen. Wir brauchen nicht nur Ökonomie - wir brauchen ein neues Wirtschaftsdenken in Form der Bioökonomie. Der Klimawandel, das enorme Weltbe- völkerungswachstum, das Ende des Zeitalters der fossilen Ener- gie und das Verschwinden unserer Böden durch Verbauung in Europa erfordern national und international viele neue intelligen- IMPRESSUM: Medieninhaberin und Herausgeberin: Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Gregor-Mendel-Straße 33, 1180 Wien. Chefredaktion: Michaela Klement, Re- daktion: Hermine Roth, Ingeborg Sperl AutorInnen: Katharina Aspalter, Marie Baumgartner, Rebecca Hood, Martina Hörl, Elisabeth Laa, Jutta Mattanovich, Florian Pletterbauer, Eva Ploss, Christian Resch, Georg Sachs, Kirsten Sleytr, Ingeborg Sperl, Iris Strutzmann, Michael Tritthart, Andrea Watzinger, Larissa Zajicek Lektorat: Susanne Hartmann Grafik: Patricio Handl Coverfoto: Shutterstock Druck: Druckerei Berger Auflage: 7.000 Erscheinungsweise: 4-mal jährlich Blattlinie: Das BOKU Magazin versteht sich als Informationsmedium für Angehörige, AbsolventInnen, Freundinnen und Freunde der Universität für Bodenkultur Wien und soll die interne und externe Kommunikation fördern. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung der Autorin oder des Autors wieder und müssen mit der Auffassung der Re- UZ24 Dieses Produkt daktion nicht übereinstimmen. Redaktionelle Bearbeitung und Kürzung von Beiträgen aus Platzgründen vorbehalten. Beiträge senden „Schadstoffarme stammt aus nachhaltig Sie bitte an michaela.klement@boku.ac.at. Bei Adressänderung wenden Sie sich bitte an: bokualumni@boku.ac.at Druckerzeugnisse“ bewirtschafteten UW 734 Wäldern und PEFC/06-39-12 kontrollierten Quellen BOKU Magazin 2 2018 3
DIE VIELEN GESICHTER DER LEBENSMITTELQUALITÄT Wolfgang Kneifel hat im Laufe seiner Forschungskarriere unterschiedlichste Aspekte der Verarbeitung und Qualität von Lebensmitteln untersucht. Die Vielfalt an Fragestellungen zieht sich wie ein roter Faden durch seine Arbeit. Von Georg Sachs D as wissenschaftliche Betätigungsfeld von damaligen Institut für Milchforschung entwickelte er Wolfgang Kneifel ist äußerst vielfältig: In sei- im Rahmen seiner Dissertation Technologien, um die ner Arbeitsgruppe am Institut für Lebensmit- Hitzestabilität von Lebensmitteln zu erhöhen. Gleich- telwissenschaften wird z. B. der Einfluss des Nitritein- zeitig ging es damals aber auch darum, neue analy- trags auf Nebenprodukte der Zuckerindustrie unter- tische Methoden zu entwickeln, wie z. B. die HPLC sucht und der Bedeutung des Darmmikrobioms für die dafür einzusetzen, den Gehalt an Nährstoffen und Gesundheit des Menschen auf den Grund gegangen. Vitaminen zu bestimmen. „Wir beschäftigten uns mit In Nachfolge des aus Finanzierungsgründen vorzeitig der Frage: Was verändert sich in Lebensmitteln, wenn beendeten CD-Labors für Innovative Kleie-Bioraffine- sie gelagert, fermentiert, erhitzt werden?“ 1989 konn- rie erforscht man Möglichkeiten, die als Nebenprodukt te er sich auf dem Gebiet der Milchwissenschaft habi- der Mehlerzeugung anfallende Kleie als Rohstoffquel- litieren und stand somit wissenschaftlich auf eigenen le zu verwerten. „Unsere derzeitigen Bemühungen Beinen. In der Folge galt sein besonderes Interesse zielen auf eine Verbesserung des Einsatzes als Futter- den pro- und präbiotischen Produkten (also solchen, mittel, aber auch auf die Gewinnung von Glucose als die für die Gesundheit förderliche Bakterienstämme Ausgangsstoff für die Fermentation ab. Auch könnten und deren Nahrung enthalten), die damals in der Me- sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie Polyphenole, Fe- dizin, aber auch in der Öffentlichkeit mehr und mehr rulasäure oder Furfural als Grundstoffe für die chemi- Aufmerksamkeit auf sich zogen. „Diese Forschungen sche Industrie interessant sein“, erläutert Kneifel. brachten mich dazu, mich mit dem zu beschäftigen, was man damals die Darmflora nannte und von dem Viel Know-how ist auch auf dem Gebiet der Allergie- man heute als ‚Mikrobiom des Menschen‘ spricht.“ forschung gesammelt worden: In einem groß ange- Früh suchte Kneifel dabei auch den Kontakt mit der legten EU-Projekt wirkte man daran mit, die viel dis- Medizin, um die gesundheitlichen Auswirkungen der- kutierte Hygiene-Hypothese zu bestätigen, der zufol- artiger Produkte zu untersuchen. Sein gemeinsam mit ge die Konsumation bestimmter Keime sowie Proteine dem finnischen Forscher Seppo Salminen herausge- im Kindesalter ein Individuum gegen das spätere Auf- gebenes Buch „Probiotics and Health Claims“ fasst treten von Überempfindlichkeiten wappnet. „Unsere den Wissensstand auf diesem Gebiet zusammen und Aufgabe bestand dabei darin, die positive Bedeutung fand international große Beachtung. der Aufnahme von Rohmilch als immunologisch rele- vantem Cocktail zu untersuchen“, sagt Kneifel. FORSCHUNG UND LEHRE AN VIELEN FRONTEN Das Universitätsgesetz 2002 brachte auch an der Der rote Faden, der sich durch all diese Aktivitäten BOKU eine groß angelegte Veränderung der Struktu- zieht, wird sichtbar, wenn man dem biographischen ren mit sich. Am neu geschaffenen Department für Le- Entwicklungsweg des Forschers folgt. Kneifel ist bensmittelwissenschaften und Lebensmitteltechnolo- bereits seit seinem Studium der Lebensmittel- und gie wurde eine Professur für Lebensmittelqualitätssi- Biotechnologie der BOKU verbunden. Er diplomier- cherung ausgeschrieben, um die sich Kneifel bewarb. te bei Helmut Foißy mit einer Arbeit zur natürlichen „Ich war in einer Zeit, in der sogenannte Hausberufun- Haltbarmachung von Rohmilch. Danach dachte er gen nicht so gern gesehen wurden, eine der wenigen zunächst daran, eine Beschäftigung in der Industrie Personen, die aus dem Haus kamen und sich gegen anzutreten. Doch eine aktuell angebotene Assisten- externe Konkurrenz durchsetzen konnten“, blickt er tenstelle ermöglichte es ihm, sich wissenschaftlich auf die damaligen Verhältnisse zurück. Der Forscher weiter zu vertiefen – und gleichzeitig die Übungen für hält es durchaus für einen Vorteil, wenn man als In- Studierende der Lebensmittel- und Biotechnologie haber einer Professur und Leiter eines Departments mithilfe audiovisueller Medien zu modernisieren. Am (der er später wurde) verschiedene Phasen der Ent- BOKU Magazin 2 2018 4
Shutterstock Darmflora Bifidobakterien wicklung einer Universität durchlebt und „Die Lebensmittelwissenschaften sind ein Fragestellungen, erfolgreich bearbeiten mitgetragen hat. Zeitgleich mit der Beru- vielfältiges Gebiet: Da gibt es Arbeits- kann man ein so vielschichtiges Thema fung kam auch der Umzug von der Türken- gruppen für Lebensmittelsensorik, Le- heutzutage aber nur in einem Team, in schanze in die Gebäude der Muthgasse. Im bensmittelphysik, Lebensmittelchemie, dem unterschiedliche Fachgebiete vertre- Rahmen der Lehre war es besonders wich- Lebensmittelmikrobiologie und Lebens- ten sind.“ In diesem Fall wirkten beispiels- tig, den Anforderungen der Lebensmittel- mittelqualitätssicherung.“ Diese Brei- weise KollegInnen von der Abteilung für industrie an die Qualitätssicherung in ihrer te kommt Kneifels Interessenshorizont Chemie nachwachsender Rohstoffe und ganzen Breite Rechnung zu tragen: „Wir entgegen: Neben der Arbeit in seiner vom Analytikzentrum oder vom Institut haben schon damals das Thema Qualitäts- eigenen Forschungsgruppe gibt er auch für Tierernährung des IFA-Tulln mit. Und management in der Ausbildung verankert, Inputs zu Forschungsprojekten der an- obwohl die Balance zwischen den Inter- um die Praxis in einem international ge- deren: „Ich bin oft der erste oder zweite essen der IndustriepartnerInnen und den wordenen Umfeld besser widerzuspiegeln. kritisch Prüfende einer Publikation oder Erfordernissen der wissenschaftlichen Ar- Ein weiteres ‚Kind‘ meiner Tätigkeit ist die eines Projektantrags und mache Anmer- beit nicht immer leicht zu halten war, hält Etablierung und Weiterentwicklung des in- kungen, wenn ich denke, dass man etwas der Lebensmittelexperte das Organisati- ternationalen, englischsprachigen Master- in dieser Weise nicht durch die Begutach- onsmodell „Christian Doppler Labor“ für programms ‚Safety in the Food Chain‘ seit tung bekommen wird.“ Aber auch in der interessant, da es ein rasches Aufstocken dem Jahr 2006“, so Kneifel. Forschung am Bioraffinerie-Konzept rund des einschlägig einsetzbaren Personals um die Kleie geht es darum, ExpertInnen ermöglicht: „Wenn Sie gleich drei bis vier Seit 2009 leitet der Experte sowohl das aus verschiedenen Bereichen zusammen- DissertantInnen auf ein Thema ansetzen aus zwei Instituten bestehende Depart- zuführen: „Mein eigener Hintergrund in können, starten Sie mit einem ganz ande- ment als auch eines dieser Institute, jenes der Lebensmittelanalytik war zwar hilf- ren Schwung als in anderen Projekten“, so für Lebensmittelwissenschaften, selbst. reich für ein Verständnis der chemischen Kneifel. BOKU Magazin 2 2018 6
DATEN UND FAKTEN ZUM WISSENSCHAFTLICHEN WERDEGANG 2011–2016 Leiter des Christian Doppler Laboratoriums für Innovative Kleie-Bioraffinerie Seit 2009 Gastprofessur, University of Hongkong (Food Safety and Toxicology Ms. Programme) Seit 2009 Leiter des Departments für Lebensmittelwissenschaften und -technologie 2004 Berufung auf die Professur für Lebensmittelqualitäts- sicherung 2003–2003 Gastprofessur Ain Shams „NICHT ALLES SCHLECHT, WAS AUS Bedrohungsszenarien würden von Kon- University, Kairo DER INDUSTRIE KOMMT“ sumentInnen allerdings oft ganz anders 1989 Habilitation auf dem Gebiet Lebensmittelqualität sieht Kneifel als ein wahrgenommen als von ExpertInnen, der Milchwissenschaft Thema mit vielen Dimensionen: „Qualität wie Kneifel festgestellt hat: „Zahlreiche 1983 Promotion an der BOKU schließt Sicherheit mit ein, geht aber weit selbsternannte LebensmittelexpertInnen darüber hinaus. KonsumentInnen müssen beeinflussen die Öffentlichkeit und ma- davon ausgehen können, dass die erhält- chen oft alles schlecht, was von der Indus- privat zugetan: Das Kochen ist seine gro- lichen Produkte sicher sind. Wichtig sind trie kommt.“ Zuweilen komme es auch zu ße Leidenschaft, dank der er gerne seinen aber ebenso die ernährungsphysiologi- ungerechtfertigter Panikmache. Gästen aufwartet. Spezialitäten sind dabei sche Qualität, also der Gehalt an Nähr- die mediterrane und die österreichische stoffen, Vitaminen, Spurenelementen, Auch wenn man globale Zusammenhän- Küche. Dabei wird vieles selbst gemacht: und auch, dass Lebensmittel den Men- ge betrachtet, ändert sich die Perspekti- von Nudeln und Pasteten über Eiscreme schen schmecken und optisch anspre- ve schnell: Der Aufmerksamkeit gegen- bis hin zum herzhaften Kalbsgulasch. Zu chend sind. „In der Sicherheit haben wir über der „Food Safety“ (die sich um die Kneifels Hobbys gehört aber auch die in den vergangenen 30 Jahren enorme Abwesenheit gesundheitsschädigender Musik: Manche erinnern sich auch noch an Fortschritte gemacht: Wenn heute eine Faktoren in den Produkten bemüht) in gemeinsame Gitarren-Sessions mit BOKU- Bedrohung entdeckt wird, werden euro- der nördlichen Hemisphäre steht in den KollegInnen im BOKU-Studentenheim: paweit sofort alle beteiligten Institutionen Schwellenländern die Sorge um die „Food „Man braucht ja auch noch etwas anders informiert, und Produkte kommen gar Security“, also die Sicherstellung der als Arbeit“, so Kneifel. nicht auf den Markt oder werden zurück- ausreichenden Versorgung mit Lebens- geholt“, zeigt sich Kneifel zufrieden mit mitteln gegenüber. Dem Essen und was Der Autor ist Chefredakteur der Zeitschrift den Entwicklungen auf diesem Gebiet. man daraus machen kann ist Kneifel auch Chemiereport/Austrian Life Sciences. BOKU Magazin 2 2018 7
Shutterstock Hermelin mit weißem Fell ForscherInnen identifizieren Schutzgebiete für vom Klimawandel bedrohte Arten D a die Winter immer später be- südlichen USA und Schneehasen in Irland POLYMORPHE POPULATIONEN ginnen und der Schnee früher z. B. bleiben das ganze Jahr über braun“, IM VORTEIL schmilzt, kann der weltweite so BOKU-Experte Klaus Hackländer. „Das Im aktuellen Artikel der Fachzeitschrift Rückgang der Schneedecke dramatische ist eine genetische Anpassung, um die Science wurden jene Gebiete identifiziert, Auswirkungen auf Tiere haben, die mit Tarnung in Gebieten mit unregelmäßig die eine schnelle „evolutionäre Rettung“ den Jahreszeiten die Farbe ihres Fells auftretendem oder spärlichem Schnee für vom Klimawandel bedrohte Arten för- oder Federkleids wechseln. Ein interna- zu erhalten.“ dern könnten. Es wurden „polymorphe tionales Team von WissenschaftlerInnen Zonen“ für acht farbverändernde Arten unter Mitwirkung von Prof. Klaus Hack- Neben dieser radikalen Anpassung gibt festgehalten – u. a. Hasen, Wiesel und länder (BOKU Wien) hat herausgefunden, es aber auch innerhalb des Verbreitungs- Polarfüchse. In diesen Zonen koexistieren ob diese Tiere ihre Überlebensstrategie im gebietes unterschiedlich lange „Weißpha- im Winter sowohl braune als auch weiße Zuge des Klimawandels anpassen können. sen“. Hackländer fand bereits heraus, Individuen: „Die winterbraunen Indivi- Die renommierte Fachzeitschrift „Scien- dass die Umfärbung des Schneehasen in duen sind dort besser an kürzere Winter ce“ hat nun den entsprechenden Artikel den Alpen sehr variiert: Hasen in den Zen- angepasst. Durch sie sind diese polymor- veröffentlicht. tralalpen sind im Herbst früher weiß und phen Populationen darauf vorbereitet, wechseln später zum braunen Sommerfell eine rasche Evolution in Richtung Winter- FARBWECHSEL ALS als Individuen, die z. B. in den Südalpen braun anstelle von Weiß zu fördern, wenn ÜBERLEBENSSTRATEGIE leben – ein Ergebnis langfristiger Anpas- sich das Klima ändert“, so Hackländer. 21 Arten von Säugetieren und Vögeln sung. Bei manchen dieser Arten gibt es Die Autoren betonen, dass diese Hot- sind auf die Fähigkeit angewiesen, die auch polymorphe Populationen, die je spots für evolutionäre Rettung keine Boll- Farbe ihres Fells oder Federkleids von nach Winterhärte aus unterschiedlichen werke darstellen, die Auswirkungen des Braun im Sommer zu Weiß im Winter zu Anteilen von weiß werdenden oder braun Klimawandels auf Wildtiere verhindern. ändern, um tödliche Begegnungen mit bleibenden Tieren bestehen. Der rasch „Letztendlich muss die Welt die Kohlen- Fressfeinden zu vermeiden. In einigen voranschreitende Klimawandel überfor- dioxidemissionen reduzieren, sonst wer- Teilen ihres Verbreitungsgebietes ver- dert jedoch manche Arten in ihrer An- den die Klimaeffekte die Fähigkeit vieler zichten die Vertreter dieser Arten aber passungsfähigkeit und führt zum lokalen Arten zur Anpassung überfordern“, sagte auf die weiße Umfärbung und bleiben Aussterben und damit zu Arealverkleine- der Initiator der Studie, Scott Mills von der auch im Winter braun. „Hermeline in den rungen. Universität Montana. BOKU Magazin 2 2018 8
Wiener ForscherInnenteam erzeugt mit Insektenzellen virusähnliche Impfstoffe Fotos: Ingeborg Sperl / Shutterstock Weniger mengenmäßige Einschrän- kung im Vergleich zur konventionellen Herstellung in Hühnereiern – und sie könnten mit Veränderungen auch gegen Krebs verwendet werden. V iele Impfstoffe gegen Viren wer- gy (acib) und am Reingard Grabherr. Es wäre auch möglich, den in Hühnereiern produziert, Department für Wirkstoffe in den VLP zu verpacken. dabei können aber aktive Erreger B i o te c h n o l o g i e entstehen – und die Menge an Eiern ist der BOKU Wien Damit der Prozess reibungslos funktio- begrenzt. Die Wiener Forscherin Reingard forscht. Die Bacu- niert, haben ihre KollegInnen an der Cor- Grabherr entwickelte mit Kollegen eine loviren vermehren nell University in New York (USA) eine Methode, virusähnliche-Partikel (VLP) in sich in den Zel- neue Insekten-Zelllinie hergestellt, denn Insektenzellen herzustellen. Sie können len, die Baupläne die bisher gebräuchlichen Insektenzellen beliebig designt und zum Immunisieren Reingard Grabherr werden abgelesen waren mit zusätzlichen Viren verunreinigt, vor Viren sowie gegen Krebs eingesetzt und umgesetzt, die zwar ebenfalls ungefährlich wären, werden, teilte Sie mit. und die fertigen VLP ausgeschleust. Sie aber die Produktion gefährdeten, sagte werden „geerntet“ sowie aufgereinigt und sie. Am Kompetenzzentrum acib habe man Die Vorlagen, wie die virusähnlichen Par- sind als Impfstoff verwendbar. die Prozessentwicklung durchgeführt, da- tikel aussehen sollen, brachten die For- mit die Produktion in einem brauchbaren scherInnen mit einer „Genfähre“ (Bacu- Man kann die Baupläne so verändern, Maßstab läuft. „Wir entwickelten auch Me- loviren, die ausschließlich wirbellose Tiere dass die virusähnlichen Partikel für me- thoden, um die hergestellten VLP genau befallen) in die Insektenzellen. „Dafür sind dizinische Anwendungen durch die Blut- zu charakterisieren, denn für medizinische in der Regel ein bis zwei Gene als Bau- Hirn-Schranke gelangen, oder Merkmale Anwendungen muss man ganz genau wis- plan ausreichend“, sagte Grabherr, die am von Tumorzellen auf die Partikel setzen, sen, wie sie ausschauen und was drin ist“, Austrian Centre of Industrial Biotechnolo- um sie als Krebs-Impfstoffe zu nutzen, so erklärte Reingard Grabherr. BOKU Magazin 2 2018 9
Wohin die Reise geht S ich in öffentliche Debatten einmi- Ein wichtiges zukünftiges Thema betrifft schen“ ist eines der Ziele, das man auch „Foresight“, das die Modellierung auch künftig im Zentrum für Glo- von kommenden Entwicklungen im Kon- balen Wandel und Nachhaltigkeit (GWN) text mit den Grand Challenges (z. B. Kli- verstärkt verfolgen will. Werner Zollitsch, mawandel, Welternährung, Energiever- Lisa Bohunovsky und Thomas Lindenthal sorgung und Ressourcenverknappung) stehen für eine neue Strukturierung des und die Vernetzung in diesem Bereich 2010 gegründeten Zentrums. vorantreiben soll. DIE IDEE DER ZENTREN WOHIN WOLLEN WIR? Die Idee hinter den Zentren der BOKU ist Wichtig aus Sicht der neuen Leitung ist, es, die Expertise der diversen Institute zu terreichischen Universitäten – die BOKU dass diese verschiedenen Vernetzungsvor- einem bestimmten Thema zu bündeln und und die Universität Graz waren bei der haben mittel- und längerfristig (beispiels- zu koordinieren. Die Vernetzung zwischen Gründung im Jahr 2012 die „Nachhaltig- weise durch Aufnahme in die Leistungs- den Departments und unter den Profes- keits-Zugpferde“ – will Synergien nutzen vereinbarungen) gesichert sind. Auch soll sorInnen soll strukturiert und die Kommu- und Stärken bündeln. Die BOKU-Arbeits- die Kommunikation der Zentrumsaktivi- nikation nach innen und außen organisiert gruppe „Bildung für Nachhaltige Entwick- täten nach außen verstärkt werden. Das werden. So kümmert sich das GWN um lung“ diskutiert etwa die Relevanz der uni- kann unter anderem durch öffentliche die BOKU- Nachhaltigkeitsstrategie und versitären Lehre für die Nachhaltige Ent- Debatten – zusammen mit der Wirtschaft die „Allianz Nachhaltige Universitäten“: wicklung und will Lehrende an der BOKU und der Zivilgesellschaft – erfolgen. Dieses Netzwerk von gegenwärtig 14 ös- zu diesem Themengebiet vernetzen. „Wir wollen die Auseinandersetzung mit BOKU Magazin 2 2018 10
Ingeborg Sperl Der Leiter des GWN, Werner Zollitsch (links), mit Lisa Bohunovsky und Thomas Lindenthal AkteurInnen aus der Praxis. Der externe gaben des Zentrums, die Koordination, Blick ist uns wichtig. Im Sinne der ‚Third Kooperation und Kommunikation, sollen ZENTREN AN DER BOKU Mission‘ der Universität müssen Bera- in Zukunft noch stärker in den Mittelpunkt Die primäre Aufgabe der Zentren ist es, tungsarbeit angeboten und auch Grund- gestellt werden. zwischen diversen Gruppen und Inter- lagen für Politikberatung entwickelt wer- essentInnen als Mittler zu fungieren und den. Das ist aufwendig und für Forsche- „Das Umweltmanagement haben auch die sogenannte Third Mission der BOKU rInnen häufig wenig attraktiv“, so der viele andere Mitglieder der Allianz Nach- zu erfüllen: Wissenstransfer, Vernetzung neue Leiter, Werner Zollitsch. haltige Universitäten übernommen, das und Beratung. Nicht Forschung und Leh- ist der leichtere Teil. „Nachhaltigkeit in re wird betrieben, sondern Vernetzung „Wir wollen ein Role Model für thematisch den Alltag zu integrieren und damit zu und Koordinierung. Zentren sind keine orientierte Vernetzungs- und Forschungs- einem Umdenken der Gesellschaft beizu- Organisationseinheiten im Sinne des Uni- tätigkeiten werden“, so Zollitsch. Dabei tragen, ist weitaus schwieriger“, resümiert versitätsgesetzes (UG). Sie werden vom kommt einem neuen BOKU-internen Bei- Thomas Lindenthal. Rektorat etabliert und sind dem Vizerek- rat des Zentrums, der aus VertreterInnen torat für Forschung und Innovation zuge- der Departments bestehen soll, sowie ei- Eine der zentralen Voraussetzungen ist teilt, der für die Arbeit und den Erfolg der ner externen Beratungsgruppe besondere das Wissen, dann kommt die psycholo- Zentren verantwortlich ist. Bedeutung zu. Gemeinsam soll diskutiert gische Überzeugungsarbeit, um die Men- Mit 1. Juni 2018 wurde Univ.Prof. DI. werden, wie sich das Zentrum in den Wis- schen zum Handeln zu bringen. Dr. Werner Zollitsch zum neuen Leiter senstransfer einbringen kann, der von den des Zentrum für Globalen Wandel und WissenschaftlerInnen oft zu wenig wahr- Denn: „Nachhaltigkeit bedeutet ein gutes Nachhaltigkeit bestellt. genommen werden kann. Die Hauptauf- Leben für alle.“ BOKU Magazin 2 2018 11
Auf der Suche nach dem Nullwachstum Text und Fotos: Ingeborg Sperl C hristian Doppler Laboratory for Gasser und Post-Doc Corinna Rebnegger Growth-decoupled Protein Pro- „Biopharmazeutische sind noch drei weitere Mitarbeiterinnen Herstellungsverfahren duction in Yeasts“ – der Titel dieses im CD-Labor mit dieser Fragestellung be- CD-Labors wirkt auf Laien zunächst viel- schäftigt. leicht eher abschreckend. Was soll man effizienter und billiger zu sich darunter vorstellen? „Wir erforschen gestalten, ohne dabei die „Biopharmazeutische Herstellungsverfah- den Stoffwechsel der Hefe. Und Hefen – Qualität zu vermindern, ist ren effizienter und billiger zu gestalten, vielen besser bekannt als Germ – sind für eines der Schlüsselthemen ohne dabei die Qualität zu vermindern, ist des 21. Jahrhunderts, um uns in erster Linie Zellfabriken“, fasst Bri- eines der Schlüsselthemen des 21. Jahrhun- gitte Gasser, die sympathische und unkom- derts, um das Gesundheitssystem langfris- plizierte Leiterin des CD-Labors, zusam- das Gesundheitssystem tig finanzierbar zu erhalten und trotzdem men. Das klingt schon viel verständlicher. langfristig finanzierbar zu die Versorgung der Patienten mit diesen erhalten und trotzdem die neuen Medikamenten sicherzustellen“, er- Brigitte Gasser hat an der BOKU Biotech- Versorgung der PatientInnen läutert Brigitte Gasser. mit diesen neuen Medika- nologie studiert, und habilitierte sich 2013 im Thema Molekulare Biotechnologie. Ein Hefezellen produzieren im Zuge ihres engagierter Gymnasiallehrer weckte ihr menten sicherzustellen.“ Wachstums Proteine, und diese Eiweiß- Interesse für die Naturwissenschaften, und stoffe sind für die Forschungsgruppe an der BOKU begeisterte sie die „Band- Brigitte Gasser von großem Interesse. Medikamente, die breite der Ausbildung“. Diese gestaltet sie mittels Proteinsynthese in lebenden mi- mittlerweile in ihrer Funktion als Associate krobiellen Zellen hergestellt werden, sind Professorin am Department für Biotech- der am schnellsten wachsende Sektor der nologie selbst mit. Ihr winziges Büro in keit, die Proteinsynthese vom Wachstum pharmazeutischen Industrie. „Die Proteine, der Muthgasse teilt sie mit einer Kollegin. der Hefe zu entkoppeln, um die Grundla- die für uns interessant sind“, erklärt Gas- Das CD-Labor, das im März letzten Jahres ge für effizientere Produktionsprozesse ser, „sind die Vorstufen zu Medikamenten, gestartet wurde, sucht nach einer Möglich- zu schaffen. Neben Laborleiterin Brigitte die etwa bei der Behandlung von Krebs, BOKU Magazin 2 2018 12
Stoffwechsel bei extremem Nährstoffman- gel erforschen“, erklärt die Laborleiterin. Die Herausforderung, die es durch anwen- dungsorientierte Grundlagenforschung zu lösen gilt, besteht daher darin, sich einem „Nullwachstum“ anzunähern, das heißt, die Zellen mit gerade so vielen Nährstoffen zu versorgen, dass sie überleben, sich aber nicht mehr vermehren, und trotzdem Pro- teine erzeugen. Hierfür soll die Hefe Pichia pastoris in Retentostat-Kulturen kultiviert werden. In diesen wird der Hefe das Nähr- medium so weit entzogen, bis der Nah- rungsbedarf gedeckt ist, ohne jedoch ein weiteres Wachstum anzuregen. So sollen alle charakteristischen Stoffwechseleigen- schaften der Hefezelle analysiert werden, um darüber Rückschlüsse zu gewinnen, zu welchem Zeitpunkt des Zyklus welche Stoffwechselwege aktiv sind. Das Ziel ist also die Entkoppelung von Hefewachstum und der Produktion von Proteinen. Der In- dustriepartner Lonza AG aus der Schweiz wird dieses Wissen zukünftig für die Ent- wicklung hocheffizienter Produktionspro- zesse einsetzen. STICHWORT CHRISTIAN DOPPLER LABORS Diabetes, Herzinfarkt, Hepatitis B, Rheuma lebensgroßen Hefezelle aus Plüsch. Die In Christian Doppler Labors wird anwen- und Blutarmut eingesetzt werden kön- dadurch entstehende Menge an Biomas- dungsorientierte Grundlagenforschung auf nen.“ Technisch sind Proteine ebenfalls von se, in diesem Fall Hefezellen, kann jedoch hohem Niveau betrieben; hervorragende großem Nutzen und finden als Enzyme in zu technischen Problemen führen. Unter WissenschaftlerInnen kooperieren dazu Waschmitteln, in der Papierherstellung, anderem entsteht in der großtechnischen mit innovativen Unternehmen. Für die För- der Textilindustrie und der Futtermittel- Herstellung durch das Zellwachstum viel derung dieser Zusammenarbeit gilt die produktion Verwendung. Für alle Anwen- Wärme, welche wiederum eine intensive Christian Doppler Forschungsgesellschaft dungsbereiche gilt, dass die Proteine nicht Kühlung der Anlagen erfordert. Ein Prozess international als Best-Practice-Beispiel nur in hoher Qualität, sondern auch in gro- zur effizienten Herstellung dieser Proteine für Public Private Partnership. Christian ßen Mengen benötigt werden. Gasser holt in größeren Mengen ist rein technisch der- Doppler Labors werden von der öffentli- zwecks besserer Vorstellbarkeit das fragile zeit nicht möglich – zumindest nicht ohne chen Hand und den beteiligten Unterneh- Modell eines Proteins. Das erinnert von der eine große Menge an Biomasse zu pro- men gemeinsam finanziert, Träger des Form her ein wenig an Popcorn und verrät duzieren. Das CD-Labor für wachstums- Programms und wichtigster öffentlicher rein gar nichts über seine ganz besonderen entkoppelte Proteinproduktion in Hefe Fördergeber ist das Bundesministerium Fähigkeiten. erforscht deswegen den Zusammenhang für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zwischen dem Wachstum der produzie- (BMDW). Die spezielle Hefe Pichia pastoris hat sich renden Mikroorganismen und der Produkt- als besonders effizient bei der Herstellung bildung. Zugunsten der Produktbildung Die Forschungsförderung im Rahmen des von Proteinen herausgestellt und schleust soll das Wachstum der Hefe eingeschränkt PPP-Modells der CD-Labors an der Schnitt- die Proteine in hoher Qualität aus der Zel- werden. „Das Wachstum der Hefe wird stelle von Wissenschaft und Wirtschaft ist le hinaus. Aber die Zellen selbst stellen ein vor allem vom Nährstoffangebot reguliert. für die BOKU von größter strategischer gewisses Hindernis bei der Produktion dar. Um biopharmazeutische Produkte auch Bedeutung. Inklusive des CD-Labors für „Um rekombinante Proteine herstellen zu bei geringem Wachstum der Hefekultu- wachstumsentkoppelte Proteinproduktion können, müssen auch die produzierenden ren in planbarer Art und Weise herstellen in Hefe am Department für Biotechnologie Mikroorganismen immer weiter wachsen“, zu können, wollen wir das Wissen um die sind an der BOKU zurzeit sieben CD-La- demonstriert Gasser anhand einer über- Lebensbedingungen der Hefe und deren bors aktiv. BOKU Magazin 2 2018 13
Die Brückenbauer Text und Fotos: Ingeborg Sperl Am Universitäts- und Forschungszentrum Tulln (UFT) gibt es Anlass zur Freude: Die kürzlich höchst positive Zwischenevaluierung von Wood K plus hat bewirkt, dass die Periode von 2019 bis 2022 gesichert ist, berich- ten der wissenschaftliche Leiter Wolfgang Gindl-Altmutter und Bereichsleiter Christian Hansmann. W ood K plus wurde 2001 als For- zuwerfen, das man noch nutzen kann. Die das No-go-Areas. In einem der Kuben, so schungseinrichtung für Holz thermische Verwertung kann dann immer viel verrät Bereichsleiter Hansmann, der und verwandte nachwachsende noch zum Schluss erfolgen“, sagt Wolf- auch an der BOKU studiert hat, werden Rohstoffe gegründet. Als Bindeglied zwi- gang Gindl-Altmutter. Emissionen im Realmaßstab gemessen. schen Wirtschaft und Wissenschaft wird es Drinnen befinden sich Böden und Möbel zur Hälfte von nationalen und internationa- „Die Übersiedelung nach Tulln war wich- aus Holz, wie sie überall verwendet wer- len Industrieunternehmen und zur Hälfte tig“, fährt er fort, „denn wir brauchten grö- den; die Raumluft wird längere Zeit analy- von nationalen Förderstellen finanziert. ßere Flächen für die Technikumsanlagen. siert, um nachweisen zu können, dass die Man kann hier in Tulln Prozesse ablaufen Emissionen der verschiedenen Beschich- Forschungspartnerinnen neben der BOKU lassen, nicht nur im kleinen Maßstab im tungen nicht schädlich sind. sind die Johannes Kepler Universität Linz, Labor arbeiten. Das ist für die Industrie die TU Graz und die TU Wien. essenziell.“ Wenn man in das Technikum Jedenfalls riecht die Luft im Gebäude an- des Wood K plus-Gebäudes hineinschaut, genehm nach Wald und frischem Holz. Die Kernkompetenzen liegen in der Mate- sieht man gleich abgeschlossene, fenster- Hansmann greift in einen großen Sack, rialforschung und der Prozesstechnologie lose Räume, in die man nicht hineindarf. der voll mit Spänen ist, die sich grundle- entlang der gesamten Wertschöpfungs- Dort betreiben die WissenschaftlerInnen gend anders angreifen als Hackschnitzel. kette. Was bedeutet, dass „der Schwer- zusammen mit den Firmen Forschung. Das liegt daran, dass dieses Fichtenholz punkt in dem Bestreben liegt, nichts weg- Wegen möglicher Industriespionage sind gequetscht und der Länge nach in kleine BOKU Magazin 2 2018 14
Christian Hansmann Alfred Teischinger Wolfgang Gindl-Altmutter Stücke gespalten wurde. Dieses Holz hat wie Miscanthus, Rübenschnitzel aus der sich gezeigt, dass die Studierenden die andere Verwendungsmöglichkeiten: Es Zuckerproduktion, Stroh, Mais, Hanf, Kleie geringste Wartezeit auf einen Job ha- quillt zum Beispiel weniger bei Wasser- und Lignocellulose stehen im Fokus der ben. Nach dem Bachelorstudium Holz- kontakt und ist deswegen stabiler. Forschung. Mit dem Begriff Naturfaser ist und Naturfasertechnologie kann man aber auch die biobasierte Textilfaser ange- mit dem Masterstudium Holztechnologie Dämmmaterialien aus Pflanzen, die „ge- sprochen sowie neue Ansätze der mikrofi- und Management fortfahren: Dabei gibt backen“ werden (und dann aussehen wie brillierten Holzfaser, das heißt: Nanostruk- es die Möglichkeit, sich modular eher Toastbrot), leicht und komplett abbaubar turen aus Naturfaser. „Wir haben den Be- wissenschaftlich (Werkstoffe, Holz/Fa- sind, verschiedene Füllstoffe aus Mais und griff ‚Holz‘ daher auf ‚Holz und Naturfaser‘ serchemie) zu vertiefen oder sich tech- ästhetisch durchaus ansprechende Pro- erweitert“, sagt Wolfgang Gindl-Altmutter. nologisch-wirtschaftlich beziehungsweise ben diverser Platten liegen und stehen in auch in Richtung Holzbau auszurichten. den Regalen des Technikums. Am UFT Tulln beschäftigen sich rund 120 Personen mit nachwachsenden Rohstof- Was macht ein Studium der Holzwirtschaft Derzeit ist noch die Fichte das Material fen. Dazu gehört auch die Unterstützung so besonders? Mehr braucht es nicht, um der Wahl, doch die WissenschaftlerInnen der Firmen bei der digitalen Transforma- Alfred Teischinger so richtig in Fahrt zu blicken voraus. Wenn die Fichte aufgrund tion, was zum Beispiel bei der Produktion bringen. Der frühere wissenschaftliche des Klimawandels zurückgedrängt wird, von Fertigteilhäusern unerlässlich ist. Leiter des Wood K plus-Kompetenzzen- muss man sich anderen Holzarten – wie trums legt los und spart dabei nicht mit zum Beispiel der Buche – zuwenden. Die „Wir sind die Brücke zwischen Universität harten Fakten. „Die Holzindustrie ist einer ist härter und muss anders verarbeitet und Industrie, und die dabei gewonnenen der wichtigsten Wirtschaftszweige in Ös- werden. „Wir müssen jetzt schon daran Erkenntnisse fließen in die Lehre ein. Die terreich und Europa. Die Kunststoffindus- arbeiten, die Prozesse entsprechend zu BOKU ist erfolgreich in großen EU-Pro- trie bewegt in Österreich 800.000 Ton- verändern, damit wir vorbereitet sind“, jekten tätig, die Anzahl der Patente und nen Material pro Jahr, die Holzwirtschaft sagt Gindl-Altmutter, der übrigens aus der Publikationen machen uns zum besten jedoch 15 Millionen Tonnen.“ Praxis kommt. Er hat das Tischlereihand- K1-Zentrum.“ werk erlernt, bevor er an der BOKU zu Die Holzwirtschaft leidet unter der Selbst- studieren begann. Ein Flagship-Projekt der BOKU ist auf verständlichkeit des Materials und der All- Kurs. Das wirkt sich nicht zuletzt auf die täglichkeit der Holzverwendung, sodass Nicht nur Holz, auch die Nutzung von fa- Berufsaussichten der Studierenden aus. sie nicht mit der Hightech-Industrie in serigen Rohstoffen aus der Landwirtschaft Bei der AbsolventInnenbefragung hat Verbindung gebracht wird. Dabei stammt BOKU Magazin 2 2018 15
„Die Holzindustrie ist einer der wichtigsten Wirtschafts- zweige in Österreich und Europa. Die Kunststoffin- dustrie bewegt in Österreich 800.000 Tonnen Material pro Jahr, die Holzwirtschaft jedoch 15 Millionen Tonnen.“ Alfred Teischinger die Assoziation mit Parkettböden und Jä- bende Stahlindustrie. Zurzeit wird gerade Spiel: Oberfläche. Er demonstriert das gerzäunen sozusagen aus der Steinzeit. Die ein 80 Meter hohes Holzhochhaus auf den anhand eines einfachen Schreibblocks, Botschaft, dass Holzwirtschaft Hightech Aspern-Gründen in Wien gebaut. In Lon- auf dem ein Firmenlogo aufgedruckt ist, wurde und wird immer noch zu wenig don ist ein Bau mit 300 Metern Höhe pro- ist. Wenn man das Papier recyceln will, verbreitet, sagt Teischinger selbstkritisch. jektiert, auch das geht mit Holz, allerdings muss die Farbe entfernt werden. „Dein- Man geht dann leicht in der „Holzroman- mit innovativen, verleimten Holzbauele- ken“ ist gar nicht so einfach. Denn wenn tik“ unter. „Das sind diese Vorstellungen menten. Was ganz im Trend liegt – trägt man das Papier angreift, soll die Farbe ja von der geschnitzten Bauernstube. Dafür doch die Verwendung des nachwachsen- nicht gleich abgehen. Im Grunde ist „alles ist aber die Tischlerei zuständig, nicht die den Rohstoffs Holz signifikant zur Dekar- Oberfläche“, egal ob es sich um Papier, Holztechnologie.“ Natürlich seien viele Ma- bonisierung bei. Das in langlebigen Holz- Vollholz, Furnier, Spanplatten oder etwa terialien austauschbar, meint Teischinger bauten verbaute Holz, vorwiegend in der Laminat handelt. pragmatisch. Aber man stelle sich einmal Stadt, wird so zu einem „zweiten“ Wald, etwas so Alltägliches wie eine normale Kü- der Kohlenstoff speichert und energiein- Das Studium ist aber auch noch aus einem che vor. Der größte Küchenhersteller Euro- tensive Baustoffe substituiert. anderen Grund attraktiv: Es gibt rund 50 pas produziert täglich 2.500 Küchen. Da AnfängerInnen und etwa 20 Studierende braucht es moderne Holzwerkstoffe, Pro- Die Attraktivität des Studiums besteht im Masterstadium. Das heißt, hier herr- duktionsplanung, Logistik und Innovation aus seiner Vielfältigkeit. Es umfasst die schen besonders gute Betreuungsverhält- – auch das gehört zur Holzwirtschaft und Forschung an Holzwerkstoffen, Baustof- nisse. betrifft unser aller Leben. Noch ein ein- fen und Komponenten, die Entwicklung gängiger Vergleich zum Thema Hightech: der Verarbeitungstechnologie und die Mit der zunehmenden Konzentration der „Eine Papiermaschine kommt uns nicht gesamte Produktionsplanung. Komplett Holzwirtschaft braucht man gut ausgebil- allzu aufregend vor. Aber die Steuerung neue Anwendungen ergeben sich im Be- dete IngenieurInnen und entsprechende einer Papiermaschine erfordert mehr tech- reich der Holzfaser und Holzchemie. Holz Forschung. In Österreich sind überpropor- nisches Know-how als die eines Airbus.“ ist eine Herausforderung, weil es per se tional viele international tätige Holzfirmen nicht homogen ist, es herrscht eine Roh- ansässig; auch ihre Firmenhauptsitze be- Was der Holzwirtschaft in der Vergangen- stoffvielfalt. Der inhomogene Rohstoff finden sich hier. Inzwischen gibt es schon heit fehlte, so Teischinger, war ein „Leucht- muss in einen homogenen, technisch ver- etwa dreißig Prozent weibliche Studieren- turmprojekt“. Der Eiffelturm, der ja nur lässlichen Werkstoff transformiert wer- de. „Von meinen aktuell vier DiplomandIn- kurze Zeit stehen sollte, wurde einst zu den, das ist die Aufgabe der Technologie. nen sind drei weiblich“, sagt Teischinger. einem Leuchtturm für die damals aufstre- Teischinger bringt noch einen Begriff ins „Und die sind alle großartig.“ BOKU Magazin 2 2018 16
Wie mit Naturgefahren zukünftig umgehen? Das EU-Projekt NatRisk erarbeitet dafür Masterstudienpläne für den Westbalkan und schreibt individuelle Mobilitätsstipendien aus Von Maria Baumgartner und Michael Tritthart WAS IST NATRISK? D as Projekt NatRisk dient der Ent- aktualisierte Bibliothekseinheiten stellen An der BOKU wird das Projekt von Michael wicklung von Masterstudienplä- wichtige geplante Infrastruktureinrich- Tritthart vom Institut für Wasserwirtschaft, nen auf dem Gebiet des Naturkata- tungen dar. Studierende werden in den Hydrologie und konstruktiven Wasserbau strophenrisikomanagements sowie dem Prozess der Identifizierung, Analyse und koordiniert. Das Zentrum für Lehre unter- Kapazitätsaufbau im Hochschulbereich Bewertung von Risiken sowie in die Ent- stützte NatRisk mit seiner Kompetenz bei am Westbalkan in diesem Bereich. Die wicklung von Strategien zur Behandlung der Durchführung eines Lehrendenwork- neuen Studiengänge sollen den Anfor- und Reduktion bestehender und zukünf- shops im Herbst 2017 zur Vermittlung inno- derungen des Bologna-Prozesses sowie tiger Risiken, die mit Best Practices der vativer Lehrmethoden an die KollegInnen den nationalen Akkreditierungsstandards EU abgeglichen werden, direkt einge- aus den Partneruniversitäten des West- entsprechen und eine Ausbildung von bunden. balkans. Durch die tatkräftige Mithilfe des Fachleuten im Bereich des Naturkatastro- Zentrums für internationale Beziehungen phenrisikomanagements (Natural Disas- Projektziel ist letztlich die Ausbildung konnten über die Unterstützung der ad- ters Risk Management, NDRM) ermögli- von ExpertInnen zur Prävention und zum ministrativen Projektabläufe hinaus bereits chen. Sie sollen umfassende Aspekte des Management von Naturgefahren gemäß auch zahlreiche Lehrendenmobilitäten im NDRM beinhalten, einen interdisziplinä- nationalen und EU-Richtlinien. Das Pro- Rahmen des Projekts erfolgreich umge- ren Ansatz aufweisen und so die Koope- jekt wird vom Erasmus+ Programm der setzt werden. Über diese individuellen Mo- ration zwischen Fachleuten aus verschie- Europäischen Union kofinanziert und hat bilitäten besteht die Möglichkeit der Mitwir- denen wissenschaftlichen Bereichen eine Laufzeit von 2016 bis 2019. kung auch für Lehrende und Studierende erleichtern. Die Implementierung von der BOKU. Während die Lehrendenmobili- innovativen Lern- und Lehrwerkzeugen, WER SIND DIE PROJEKTBETEILIGTEN täten bereits ausgeschrieben wurden, wird Methoden und pädagogischen Ansätzen, UND WIE KANN ICH MITMACHEN? es im kommenden Studienjahr 2018/19 die klar definierte Lernziele und IKT-ba- Das Projektteam ist international zu- insgesamt vier Mobilitäten für BOKU-Stu- sierte Praktiken (u. a. flexible Lernwege, sammengesetzt. Konsortialführend ist dierende geben, um je zwei Monate an den Blended Learning-Kurse, virtuelle und re- die Universität Niš in Serbien. Wissen- Universitäten in Niš oder Sarajevo zu ver- ale Mobilitäten, Praktika etc.) beinhalten, schaftliche ProjektpartnerInnen sind – bringen und dabei am Projekt mitzuwirken ist vorgesehen. Modernisierte Computer- neben der Universität für Bodenkultur – die Ausschreibungen dazu sind noch für laboreinrichtungen mit neuester Hard- Wien – Universitäten aus Großbritannien, das laufende Sommersemester geplant. und Software für Simulationen zur Be- Italien, Ungarn, Griechenland, Serbien, urteilung von Naturkatastrophen sowie Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo. Projekt NatRisk http://natrisk.ni.ac.rs BOKU Magazin 2 2018 17
EIN BEISPIEL – LEHRKOOPERATION MIT DER UNIVERSITÄT NIŠ Im Rahmen eines solchen Erasmus+ Staff Mobility Exchanges war Maria Baumgartner, Lehrbeauftragte am Institut für Landschafts- planung, im Februar dieses Jahres eine Wo- che lang an der Universität Niš und hielt dort ein Seminar zum nachhaltigen Umgang mit Wasser und zu zukunftsfähiger Siedlungs- entwicklung. Nach einer kurzen Einführung Gewässerbezogene in Nachhaltigkeitsmanagement ging es zu- Nachhaltigkeitsziele nächst darum, gemeinsam mit den Studieren- als Ergebnis einer Placemat Activity den bewährte lokale Vorbilder für zukunfts- der Studierenden. fähige Wirtschafts- und Bauweisen ausfindig zu machen. Sind mit Steinen gepflasterte, „hochwassersichere“ Bäche wirklich das an- zustrebende Ziel? KEINE NACHHALTIGEN WIRTSCHAFTSWEISEN IN SERBIEN? Nach der Erstaussage einer Studentin, dass es in Serbien keine „nachhaltige Landbewirt- schaftung“ gebe, zeigte sich nach gemein- Versickerungsfähiges, samer Reflexion ein etwas differenzierteres historisches Stein- Bild. Zuerst wurden die Naturschutzgebiete pflaster im Bereich einer Wegkreuzung, genannt, darunter vier große Nationalparks, die Wege sind von dann die Berggebiete generell, in denen sich Bäumen gesäumt. die Landbewirtschaftung zumeist noch stark an naturräumlichen Gegebenheiten orientiert. Schließlich wurden auch in den Städten, sogar unmittelbar vor dem Uni-Campus, Beispiele eines zukunftsfähigen Umgangs mit Wasser gefunden: ein großer Park, der als Retenti- onsraum genützt wird, versickerungsfähige Offener Entwässe- Bodenbeläge im Bereich der historischen rungsgraben – was Festungsanlage oder die zahlreichen Allee- in den Niederlanden aktuell als innova- bäume in den Straßen von Niš. tive Maßnahme zur Klimaanpassung vorgeschlagen wird RETENTIONS- UND ABFLUSS- (Atelier Groenblauw, NEUTRALES BAUEN ALS HERAUS- 2018), hat in Niš eine FORDERUNGEN DER ZUKUNFT lange Tradition. Beim Thema präventiver Hochwasserschutz ging es einerseits um die Bedeutung von vorsorgeorientierter Raumplanung in den Gewässerauen, andererseits um retentions- neutrale Bau- und Wirtschaftsweisen in den Einzugsgebieten der Fließgewässer. Spezi- elles Augenmerk wurde dabei auf Reduk- tionsmöglichkeiten des Flächenverbrauchs und der Versiegelung im Zuge der Verkehrs- planung und Siedlungsentwicklung gelegt: Park vor dem Uni-Campus, im Neuprüfung von Autobahnprojekten, Fahr- Hintergrund stehen bahnverschmälerungen, Vermeidung unnöti- die Gebäude der Fakultäten für ger Doppelerschließungen, versickerungsfä- Bauingenieurwesen hige Belagswahl, kompakte Ortskerne, Town- und Architektur. BOKU Magazin 2 2018 18
Die Natur als Vorbild houses, Pfahlbauten, Dachbegrünungen und – Ufergehölze als Baumpflanzungen als Ausgleichsmaßnah- Ufersicherung. Die beidufrig verlaufen- men … – das Repertoire an Möglichkeiten ist den Straßen wären vielfältig. Anhand internationaler Beispiele ohne Gehölzbewuchs bei Hochwasser star- wie Amsterdam, Venedig und Wien wurden ker Erosionstätigkeit verschiedene Zonierungsprinzipien des Sie- ausgesetzt. Neben delns am Wasser, hochwassersicherer und dem Uferschutz erhöhen die Pflanzen abflussneutraler Bauweisen diskutiert. durch Speichertä- tigkeit den lokalen Wasserrückhalt, pro- INGENIEURBIOLOGISCHE duzieren Sauerstoff BAUWEISEN ZUR ERREICHUNG und sind wertvolle GUTER GEWÄSSERZUSTÄNDE Naherholungsräume und Tierhabitate. Ein weiterer Schwerpunkt waren die Anfor- derungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die Bedeutung von Gewässerleitbildern und Die Nišava im Zen- ingenieurbiologischer Bauweisen im akti- trum von Niš, Blick- ven Hochwasserschutz. Die Möglichkeiten, richtung Ursprung im mit Pflanzen, Pflanzenteilen (Ruten, Ästen, Osten, das gebirgige Einzugsgebiet im Hin- Wurzelstöcken etc.) und Hölzern sofort tergrund. Gewässerre- wirksame und dauerhaft stabile Ufersi- gulierungen wie diese erhöhen die Fließ- cherungen wie Weidenspreitlagen, Wur- geschwindigkeit und zelstockreihen oder Uferkrainerwände zu verringern den lokalen bauen (vgl. Florineth, 2004), stießen auf Wasserrückhalt. Das führt zu beschleunig- großes Interesse. ten Hochwasserwellen und erhöhten Hoch- REKA NIŠAVA – wassergefährdungen im Unterlauf. FEENFLUSS IM STEINKORSETT Abschluss des Seminars war die praktische Die Nišava im Bereich Durchführung einer hydromorphologischen der alten Universität. Zustandserhebung in einem Teilabschnitt Die Ufer sind nicht des Nišava-Flusses im Stadtzentrum. Ge- nur befestigt, sondern auch erhöht, dadurch arbeitet wurde nach dem österreichischen ist der Fluss von Leitfaden des Bundesministeriums für seiner begleitenden Au abgeschnitten. Nachhaltigkeit und Tourismus (vorher BM- Bauland wurde lukriert, LFUW, 2013). Dabei zeigte sich, dass hohe bedeutende Reten- Freiraumqualitäten nicht unbedingt auch tionsgebiete gingen verloren. Wie geht die eine hohe hydromorphologische Wertigkeit Siedlungsentwicklung bedeuten. Die Nišava, auch „Feenfluss“ ge- zukünftig mit Überflu- tungs- und Gefähr- nannt, entspringt im Balkangebirge Bulgari- dungsgebieten entlang ens. In der Stadt Niš ist sie massiv reguliert, der Gewässer um? ihre Ufer sind mit Steinen gepflastert. In der warmen Jahreszeit sind die Ufer- böschungen und Promenaden – auch auf- grund des dort herrschenden Frischluft- durchzugs – beliebte Aufenthaltsräume, die Getreu der BOKU-Philosophie stark eingeschränkte Uferdynamik des Flus- „Es gibt kein schlech- ses in diesem Abschnitt führte dennoch zur tes Wetter …“ wurde bei Wind und Niesel- hydromorphologischen Gesamteinstufung regen eine hydro- „unbefriedigend“ (4). Ein Teilnehmer, der morphologische Zu- selbst in der Region in einem Ingenieurbüro standserhebung der Nišava durchgeführt. arbeitet, erzählte, dass für die Regulierung Spaß hat es trotzdem der Nišava ein ganzer Steinbruch abgebaut gemacht – danach ging es zur Stärkung wurde, er musste nach Beendigung der ins Boot-Café. Bauarbeiten geschlossen werden. BOKU Magazin 2 2018 19
SAMMLUNGS VERZEICHNIS Wissenschaftliche Sammlungen und Open Access NEUE PROJEKTE UND SERVICES AUS DEM BEREICH UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK UND UNIVERSITÄTSARCHIV DIE WISSENSCHAFTLICHEN meldungen nach der ersten Kontaktauf- Online-Artikel weltweit eindeutig zitier- SAMMLUNGEN AN DER BOKU nahme mit den Instituten bestärken die bar. Die Gesteinssammlung von Kronprinz Bibliothek zusätzlich bei dieser Erstellung Rudolf und der Botanische Garten sind einer wissenschaftlichen „Schatzkarte“ Durch Vertragsvereinbarungen mit gro- Beispiele für wissenschaftliche Samm- der BOKU. ßen Verlagen konnte zusätzlich zum lungen an der Universität für Bodenkul- Online-Zugriff auf alle Zeitschriften die- tur Wien, die einerseits die Vielfalt der OPEN-ACCESS-SERVICES ser Verlage auch die Einbindung einer Forschung, andererseits den Praxisbe- DER BIBLIOTHEK Open-Access-Komponente erreicht wer- zug an der BOKU widerspiegeln. Um der Die Services im Bereich Open Access, also den. Dies ermöglicht BOKU-AutorInnen Bedeutung dieser Sammlungen gerecht beim freien Zugang zu wissenschaftlichen zum Beispiel das Open-Access-Publizie- zu werden, wurde die Bibliothek mit der Zeitschriftenartikeln und Büchern im In- ren bei den Verlagen Springer und Wiley Aufgabe betraut, die wissenschaftlichen ternet, wurden von der Bibliothek weiter ohne zusätzliche Kosten. Sammlungen der Universität in einem ausgebaut. Sammlungsverzeichnis zu dokumentie- Darüber hinaus steht der Open-Access- ren und systematisch zu erfassen. All Das institutionelle Repositorium BOKU:e- Strategie der BOKU entsprechend ein jene Objekte und Objektgruppen, die für Pub bietet BOKU-WissenschaftlerInnen die Publikationsfonds für das Open-Access- Lehr- und Forschungszwecke an Institu- Möglichkeit, ihre wissenschaftlichen Pu- Publizieren zur Verfügung. Dieser Fonds ten untergebracht sind und einen thema- blikationen hochzuladen und so für einen übernimmt die Publikationsgebühren tischen Zusammenhang aufweisen, sollen weiten InteressentInnenkreis verfügbar zu (Article Processing Charges) für Artikel in das Verzeichnis aufgenommen werden. machen, wodurch auch die weltweite Sicht- in Open-Access-Zeitschriften. Hinweise Hierbei kann es sich um ein Herbar, eine barkeit erhöht wird. Auch die Abschlussar- und Nutzungsbedingungen sind auf der Sammlung von Maschinen oder auch um beiten von Studierenden der BOKU können Homepage der Bibliothek zu finden. Lebendsammlungen handeln. Diese Do- in elektronischer Form im Repositorium zur kumentation verhilft zu einer transparen- Verfügung gestellt werden. ten Darstellung der gesammelten Objekte KONTAKT und bildet in weiterer Folge die Basis für Für die klare Identifizierung der Publika- Mag.a Martina Hörl die Erstellung einer gesamtuniversitären tionen kann von der Bibliothek auf An- Universitätsbibliothek und Sammlungsstrategie. Die Sammlungen frage eine DOI (Digital Object Identifier) Universitätsarchiv sollen aber nur erfasst, nicht verlagert vergeben werden. Mit der Vergabe einer martina.hoerl@boku.ac.at werden. Die zahlreichen positiven Rück- DOI-Nummer werden wissenschaftliche www.boku.ac.at/bib/ BOKU Magazin 2 2018 20
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