Jahrgang Sommer 2019 - Evangelische Akademie

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Jahrgang Sommer 2019 - Evangelische Akademie
40. Jahrgang           Sommer 2019           Heft 131

Zur Orientierung im Konflikt Mensch – Erde
Jahrgang Sommer 2019 - Evangelische Akademie
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Editorial                                                                             3

Aus der Akademie
Koordination des Ökumenischen Prozesses
jetzt von Wittenberg aus (Jörg Göpfert)                                               4
Gemeinsame Suche nach konkreten Schritten
zur Großen Transformation (Constanze Latussek)                                        5

Aus den Landeskirchen
Tempolimit auf Autobahnen (Jörg Göpfert)                                             8
„Beim Klimaschutz und der Verkehrssicherheit
geht es um Leben oder Tod“ (Christian Fuhrmann)                                       9
Keine „freie Fahrt für freie Bürger“ mehr? (Christian Fuhrmann, Jörg Göpfert)        12
Arbeitsstelle für Umwelt und ländliche Entwicklung in der
sächsischen Landeskirche (Manuela Kolster)                                           15

Aus der Katholischen Kirche
Zehn Thesen zum Klimaschutz (Franz-Josef Overbeck)                                   17

Klimaschutz
Die Ergebnisse des Klimagipfels in Kattowitz (Germanwatch)                           20

Nachhaltigkeit und Digitalisierung
Digitalisierung in den Dienst nachhaltiger Entwicklung stellen (Paul Szabo-Müller)   28
Digital ist besser!? (Johanna Pohl)                                                  35
Literaturtipp: Was Bits & Bäume verbindet (Anja Höfner, Vivian Frick)                41

Nachhaltige Entwicklung
Umweltschutz bei Großveranstaltungen (Oliver Foltin, VolkerTeichert)             42
Rohstoffstrategie der Bundesregierung soll fortgeschrieben werden (Jörg Göpfert) 52
Berliner Rohstofferklärung (Bundesverband der Deutschen Industrie)               55
Wir brauchen eine Rohstoffwende (AK Rohstoffe)                                   58

Leserbrief
Rohstoffe – fair abbauen, fair handeln, fair nutzen! (Friedrich Brachmann)           62

Rezension
Stefan Seidel: Für eine Kultur der Anerkennung (Christoph Kuhn)                      64

Aktuelles
„Bündnis Nachhaltigkeit Sachsen-Anhalt“ gegründet
(Frank Ernst, Anke Schulze-Fielitz)                                                  66

Impressum                                                                            67
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Liebe Leserinnen und Leser,

die globale Mitteltemperatur des Jahres 2018 lag nach Angaben der US-Be­
hörde für Ozean und Atmosphäre (NOAA) bei 14,69 °C und somit etwa 1 °C
über vorindustriellen Werten. Soll das vom Weltklimarat empfohlene Ziel er­
reicht werden, die globale Erwärmung auf 1,5 °C gegenüber vorindustrieller
Zeit zu begrenzen, hat die Weltgemeinschaft nur noch 0,5 °C Zeit. Mit umso
größeren Erwartungen blickten viele im Dezember 2018 nach Kattowitz zur
24. UN-Klimakonferenz. Wie die Ergebnisse dieses Gipfels von Germanwatch
eingeschätzt werden, lesen Sie in diesem Heft.

Immerhin ist der Klimawandel inzwischen kein Randthema mehr. Dazu hat
auch die Petition der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland für ein Tem­
polimit auf Autobahnen beigetragen. Über seine Erfahrungen mit der Petition
berichtet Christian Fuhrmann vom Landeskirchenamt.

Andere Themen sind indessen in den Hintergrund geraten. So ist in der Öf­
fentlichkeit kaum wahrgenommen worden, dass die Bundesregierung ihre
„Rohstoffstrategie“ überarbeiten will und dazu einen Dialogprozess gestartet
hatte. Dieser endete im Mai dieses Jahres. Wir berichten, worum es bei der
„Rohstoffstrategie“ geht und wie sich der Bundesverband der Deutschen In­
dustrie und der AK Rohstoffe dazu positioniert haben. Weitere Beiträge sind
dem digitalen Wandel und der Frage gewidmet, ob dieser einer nachhaltigen
Entwicklung eher nützt oder schadet. Sie vertiefen Aspekte des Themen­
schwerpunkts „Digitalisierung“ der vorigen „Briefe“-Ausgabe.

Beginnen wollen wir mit kleinen Zeichen der Ermutigung. Der Ökumenische
Prozess kann seine Arbeit verstärkt fortsetzen. In der Landeskirche Sachsens
gibt es wieder eine Ansprechpartnerin für Umweltfragen. Die Deutsche
Bischofskonferenz hat zehn Thesen zum Klimawandel veröffentlicht. Großver­
anstaltungen wie Kirchentage oder Bundesgartenschauen lassen sich dank
EMAS umweltverträglicher gestalten. Und erst kürzlich hat sich ein „Bündnis
Nachhaltigkeit Sachsen-Anhalt“ gegründet.

Mit großem Dank an alle Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe für ihre
wertvollen Beiträge wünscht Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihr Jörg Göpfert

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Koordination des Ökumenischen Prozesses jetzt von Wittenberg aus
Katholisches Hilfswerk fördert Stelle an der Evangelischen Akademie

von Jörg Göpfert

Seit 2013 gibt es den Ökumenischen Prozess „Umkehr zum Leben – den Wandel ge­
stalten“.¹ Er wird derzeit von 22 Landeskirchen und anderen kirchlichen Einrichtun­
gen getragen. Sein Ziel ist es, kirchliche Beiträge zu einer Großen Transformation zur
Nachhaltigkeit zu entwickeln und das Verständnis zu schärfen, was es bedeutet, Kir­
che im Anthropozän zu sein.²

Koordiniert wurde der Ökumenische Prozess bisher von Klaus Heidel von der Werk­
statt Ökonomie in Heidelberg. Er hatte eine Projektstelle inne, die im Wesentlichen
von Brot für die Welt finanziert wurde. Diese Projektstelle endete am 28. Februar
2019 und konnte nicht verlängert werden. Klaus Heidel schied damit aus seiner Funk­
tion als Koordinator aus, arbeitet aber im Trägerkreis des Ökumenischen Prozesses
weiter mit. Um die wichtige Koordinationsarbeit fortsetzen zu können, wurde eine
neue Finanzierungsmöglichkeit gesucht – und gefunden. Das katholische Hilfswerk
Misereor und die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt finanzieren gemeinsam –
unterstützt vom Trägerkreis – die weitere Koordinierung des Ökumenischen Prozesses
im Umfang einer halben Stelle, von nun an am Ursprungsort der Reformation. Neue
Koordinatorin ist Constanze Latussek, die am 1. Juni 2019 ihren Dienst in der Evan­
gelischen Akademie begonnen hat. Sie stellt sich auf den folgenden Seiten vor.

Zudem ist es dem Trägerkreis des Ökumenischen Prozesses gelungen, seine Arbeit
personell zu verstärken. Vom September 2019 an wird es eine „Ökumenische Arbeits­
stelle Anthropozän“ geben. Sie wird von Brot für die Welt mit Unterstützung des
Trägerkreises finanziert und an der Werkstatt Ökonomie in Heidelberg ihren Sitz ha­
ben. Zu den Aufgaben dieser Stelle gehört, die Ergebnisse der Erdsystemforschung so
aufzubereiten, dass deren Relevanz auch für das Handeln in den Kirchen sichtbar
wird. Es sollen Forschungs- und Dialogprozesse zu einem kulturellen Wandel hin zur
Nachhaltigkeit angeregt, Materialien erstellt, Fortbildungen angeboten und „Real-
labore“ in Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen initiiert werden.

1   Weitere Informationen zum Ökumenischen Prozess: www.umkehr-zum-leben.de
2   Siehe dazu Briefe 129, Winter 2018:
    www.ev-akademie-wittenberg.de/sites/default/files/publikationen/briefe_129-2018_4.pdf

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Gemeinsame Suche nach konkreten Schritten zur Großen
Transformation
Die neue Koordinatorin des Ökumenischen Prozesses stellt sich vor

von Constanze Latussek

Seit dem 1. Juni 2019 arbeite ich als Ko­
ordinatorin des Ökumenischen Prozes­
ses „Umkehr zum Leben – den Wandel
gestalten“. Ich trete die Stelle mit Be­
geisterung an, denn sie vereint das, was
mir im beruflichen Leben wichtig ist: der
Einsatz für Nachhaltigkeit, kommunika­
tive Herausforderungen und christliches
Engagement.

Von der Wissenschaft in die Praxis

Als Politikwissenschaftlerin mit den
Studienschwerpunkten Umwelt- und In­
ternationale Politik sind mir viele The­
men und Anliegen des Ökumenischen
Prozesses seit langem vertraut und Herzenssache. Nachdem ich 1998 mein
Studium mit Auszeichnung abschließen konnte, bot es sich an, in diesem Be­
reich eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Mir war jedoch schnell
klar, dass ich, lieber noch als zu forschen, gestalten, selbstwirksam sein und
Themen „auf die Straße bringen“ möchte.

Übersetzung ist wichtig

Ich wählte den Weg in den (politischen) Journalismus und arbeitete mehrere
Jahre als Journalistin und Chefredakteurin bei Zeitungen, Radio- und Multi­
mediaformaten im In- und Ausland, so etwa beim Deutschen Bundestag. Von
den tiefen Einblicken in politische Entscheidungsprozesse profitiere ich bis
heute und sehe mich auch in meiner Arbeit für den Ökumenischen Prozess als
„Übersetzerin zwischen verschiedenen Welten“. Konzepte, Texte und Strate-
gien müssen sich auch daran messen lassen, ob sie für die jeweilige Zielgruppe

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– hier Multiplikatoren/-innen im kirchlichen Raum – verständlich sind und
für diese einen solchen Nutzen oder Mehrwert haben, dass sie gelesen und
beachtet werden. Als Kommunikationschefin und Pressesprecherin eines gro­
ßen öffentlich-rechtlichen Unternehmens lernte ich zudem, mich in komple­
xen Hierarchien zurechtzufinden und vielfältige Interessen, auch der mir
anvertrauten Mitarbeiter/-innen und Zielgruppen, ausgleichend im Auge zu
behalten. Das finde ich auch für den bundesweit so breit aufgestellten Öku­
menischen Prozess wichtig.

Ins Handeln kommen: Suche nach konkreten Schritten der Umkehr

Mir persönlich war es immer wichtig, vom bloßen „Schreiben“ auch ins Han­
deln zu kommen. Deshalb gründete ich 2011 meine PR-Agentur Korax Kom­
munikation, mit der ich vor allem gemeinnützige Kunden wie Diakonische
Werke, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, das Deutsche Rote Kreuz,
Stiftungen, Gemeinden, aber auch international tätige DAX-Konzerne berate.
Dabei zog es mich immer mehr zu Arbeitsfeldern, in denen Nachhaltigkeit,
Umweltpolitik und christliches Engagement zusammenkommen. So war ich
2018/2019 als Koordinatorin und Sprecherin des Ökumenischen Pilgerwegs
für Klimagerechtigkeit von Bonn nach Katowice und damit für die Organisa­
tion, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit eines großen länderübergreifenden
ökumenischen Projektes zuständig.

Beim Ökumenischen Prozess reizt mich die Suche nach konkreten Schritten
der Umkehr. Ich sehe eine besondere Herausforderung auch darin, die Früchte
der geleisteten Arbeit – etwa die Veröffentlichungen zum Anthropozän¹ und
das Impulspapier zum „Aufbruch 2030“² – noch sichtbarer werden zu lassen.

1   Brigitte Bertelmann, Klaus Heidel (Hrsg.): „Leben im Anthropozän. Christliche Perspektiven
    für eine Kultur der Nachhaltigkeit“, oekom verlag, München 2018
2   „Auf dem Weg zu einer Kultur der Nachhaltigkeit. Plädoyer für ökumenische Such- und
    Konsultationsprozesse – Ein Impulspapier, erarbeitet im Ökumenischen Prozess ‚Umkehr
    zum Leben – den Wandel gestalten‘“, zweite, überarbeitete Auflage Oktober 2017; www.ev-
    akademie-wittenberg.de/sites/default/files/publikationen/impulspapier_oep_auflage_2.pdf

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Glaube als Kraftquelle der Erneuerung

Auch privat spielen für mich als Mutter von zwei Kindern Nachhaltigkeit,
Umweltpolitik und christliches Engagement eine elementare Rolle. So habe
ich eine Bürgerinitiative für umweltfreundliche Mobilität gegründet, autofreie
Aktionstage organisiert, engagiere mich ehrenamtlich im Kirchenvorstand
(Ausschuss Öffentlichkeitsarbeit) meiner Heimatgemeinde und habe dort auch
das Leipziger „Südcafé“ für Geflüchtete mitgegründet.

Persönlich bin ich überzeugt, dass ein Umdenken nur über eine „positive Kul­
tur der Nachhaltigkeit“ gelingen kann. Untergangs-Szenarios und Verbote
führen meines Erachtens zu Angst, Resignation und Defätismus; sie sind kei­
ne guten Ratgeber. In unserem christlichen Glauben finden wir dagegen eine
lebensbejahende, freudige Kraft für eine spirituelle Erneuerung und Umkehr.

Constanze H. Latussek
Koordinatorin
Ökumenischer Prozess „Umkehr zum Leben – den Wandel gestalten“
c/o Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt e. V.
Schlossplatz 1d | 06886 Lutherstadt Wittenberg
Mobil: 0176 80029590 |Tel.: 03491 4988-62 | Fax: 03491 4988-22
latussek@ev-akademie-wittenberg.de | www.umkehr-zum-leben.de

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Tempolimit auf Autobahnen
Die Petition der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland

von Jörg Göpfert

Im Januar 2019 reichte der Gemeindedezernent der Evangelischen Kirche in
Mitteldeutschland, Christian Fuhrmann, im Auftrag des Landeskirchenrates
beim Deutschen Bundestag eine öffentliche Petition für ein generelles Tempo­
limit auf deutschen Autobahnen ein. Schneller als 130 km/h soll hierzulande
nirgends mehr gefahren werden dürfen.

Wie bei öffentlichen Petitionen üblich, wurde das Anliegen mitsamt seiner Be­
gründung auf den Seiten des Deutschen Bundestages im Internet veröffentlicht.¹
Wer mochte, konnte die Petition dort im Wortlaut nachlesen, kommentieren und
durch seine „Mitzeichnung“ unterstützen. Der Zeitraum dafür war auf vier Wo­
chen begrenzt. Kommen in diesen vier Wochen 50.000 Mitzeichnungen oder
mehr zusammen, erreicht die Petition das sogenannte Quorum. Der Petent hat
dann die Chance, sein Anliegen mit Abgeordneten in einer öffentlichen Sitzung
des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages zu diskutieren.

Dieses Ziel hatte die EKM am 3. April 2019 erreicht. Am 24. Juni kam es zu
einer Anhörung im Petitionsausschuss, bei der Oberkirchenrat Christian
Fuhrmann das Anliegen der EKM vortrug und sich den Fragen der Abge­
ordneten stellte. Er wurde dabei unterstützt von Thorsten Koska, Co-Leiter
des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik des Wuppertal Insti­
tuts für Klima, Umwelt, Energie. Die Bundesregierung wurde vertreten
durch Steffen Bilger (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundes­
minister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Leitung der Sitzung hat­
te der CDU-Abgeordnete Marian Wendt inne. Eine Aufzeichnung der
Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages am 24. Juni
2019 kann aus dem Internet heruntergeladen oder dort angesehen werden.
Sie befindet sich in der Mediathek des Deutschen Bundestages unter dem
Link: www.bundestag.de/mediathek. Auf der Aktionsseite der EKM finden
sich Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Petition und zum Thema
Tempolimit: www.ekmd.de/tempolimit

1   https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2019/_01/_09/Petition_89913.nc.html

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„Beim Klimaschutz und der Verkehrssicherheit
geht es um Leben oder Tod“
Öffentliche Anhörung zur Petition der Evangelischen Kirche in
Mitteldeutschland am 24. Juni 2019 im Deutschen Bundestag

Rede von Oberkirchenrat Christian Fuhrmann

Das christliche Gebot der Nächstenliebe fordert, die Folgen unseres Handelns,
unser Tun und Lassen zu reflektieren: Die Auswirkungen auf unsere Nächs­
ten, auf andere Menschen und die Schöpfung, d. h. auf unsere Lebensgrund­
lagen, sind zu bedenken.

Verantwortlich handeln wir, wenn wir erkannt haben, was zu tun ist – und es tun!

Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen trägt zur Lösung einer Reihe von
Problemen bei. Vornan stehen Klimaschutz und Verkehrssicherheit. Tatsäch­
lich gibt es weitreichendere Maßnahmen zur Lösung der Probleme. Ein gene­
relles Tempolimit auf Autobahnen ist allerdings schnell und kostengünstig
umsetzbar.

Beim Klimaschutz und der Verkehrssicherheit geht es um Leben oder Tod.

Menschen im Südpazifik verlieren ihre Heimat, weil das Meer ihre Inseln
überflutet. Perspektivisch wird mit 250 bis 400 Millionen Klimaflüchtlingen
gerechnet. Menschen sterben bei Stürmen und Überschwemmungen oder an
den Folgen: an Mangel an Wasser, an Krankheiten, an Unterernährung. Mo­
sambik ist nur ein aktuelles Beispiel dafür. Die Volkswirtschaften weltweit
werden durch die Folgen der Erderwärmung extrem belastet.

Ein Tempolimit von 130 wird rund zwei Millionen Tonnen CO2 einsparen –
ein kleiner Beitrag, aber eben einer, den wir sofort leisten können. Die Zeit
drängt, wir können es uns schone lange nicht mehr leisten, nicht auch kleine
Schritte zu gehen.

Ein Tempolimit würde Leben auf der Autobahn bewahren. Die Unfallzahlen
lassen sich senken, wir müssten 80 bis 140 Verkehrstote im Jahr weniger be­
klagen. Es ist zynisch, dies als „nur 80 bis 140“ relativieren zu wollen. Ich

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habe Menschen nach der Todesnachricht eines Angehörigen begleitet. Da bre­
chen Welten zusammen. Hier geht es um jeden einzelnen Menschen.

Ein Tempolimit verlangt uns allen ab, Verantwortung zu übernehmen. Entwe­
der wir muten uns selbst Einschnitte zu, oder wir schieben das auf unsere
Kinder und Enkel ab. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Petition
sind bereit, von ihrer vermeintlichen Freiheit abzugeben, um die Freiheit an­
derer Menschen zu bewahren.

Andere ökologische und volkswirtschaftliche Wirkungen des Tempolimits sei­
en nur angedeutet: Der Reifenabrieb, der die Meere belastet, wird reduziert,
ebenso das Lärmaufkommen. Der Verkehrsfluss wird homogener, es kommt
zu weniger Staus. Ja, es stimmt: Die Fahrzeit für einzelne verlängert sich.
Allerdings: Der allgemeine Durchfluss wird größer, mancher Stau entfällt, das
wirkt sich auf die Fahrzeit insgesamt positiv aus. Und nicht zuletzt, vor dem
Hintergrund der demografischen Entwicklung: Wahrscheinlich trauen sich
wieder mehr ältere Menschen auf die Autobahn.

Die Faktenlage ist eindeutig. Es gibt viele Argumente für ein allgemeines
Tempolimit auf Autobahnen. Für fast alle Staaten dieser Erde, in der europä­
ischen Union für ausnahmslos alle, ist diese vernunftevidente Faktenlage zum
Schutz von Menschenleben und Umwelt handlungsleitend. Sie haben sich für
ein Tempolimit entschieden. Deutschland noch nicht.

Es ist an Ihnen, diesen Rückstand aufzuholen.

Dabei ist die Debatte nicht neu. Die SPD hat bereits 2007 ein Tempolimit von
130 auf Autobahnen per Parteitagsbeschluss zu ihrer Position erhoben. Laut
Koalitionsvertrag sehen Sie sich der „Vision Zero“ verpflichtet und wollen
den Klimaschutz sozial gestalten. Führen Sie ein Tempolimit ein und Sie kom­
men beiden Zielen näher.

Es gibt seit Jahrzehnten eine gesamtgesellschaftliche Debatte um ein Tem­
polimit. Die hat nicht der Bundestag und nicht die Regierung angestoßen.
Sie kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Nutzen Sie die Situation, neh­
men Sie die Verantwortung wahr, mit der wir – die Wählerinnen und
Wähler – Sie ausgestattet haben.

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Ich komme zum Schluss:

Es gilt abzuwägen, ob uns ein Tempolimit den Pariser Klimazielen näher­
bringt, oder ob wir es uns noch leisten können, das zu unterlassen, was wir
tun müssen.

Es gilt abzuwägen zwischen den 80 bis 140 Verkehrstoten, die wir nicht mehr
beklagen wollen, und einer Freiheit, die Leben gefährdet.

Es gilt beim Abwägen die Perspektive derjenigen mit einzubeziehen, die be­
reits heute und mehr noch später die Folgen unseres Tuns und Lassens aus­
halten müssen.

Um der Menschen und der Schöpfung willen: Es ist an Ihnen, zu handeln! Sie
sollten es dringlich machen.

Vielen Dank!

Oberkirchenrat Christian Fuhrmann
Leiter des Dezernats Gemeinde
Landeskirchenamt
Evangelische Kirche in Mitteldeutschland
Michaelisstraße 39 | 99084 Erfurt
Tel.: 0361 51800-301 | Fax: 0361 51800-309
christian.fuhrmann@ekmd.de | www.ekmd.de

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Keine „freie Fahrt für freie Bürger“ mehr?
Interview mit Christian Fuhrmann

Am 24. Juni 2019 fand im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages die
Anhörung zur öffentlichen Petition 89913 „Straßenverkehrs-Ordnung – Ge­
nerelles Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen“ der Evangeli­
schen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) statt. Einbringender Petent war
Oberkirchenrat Christian Fuhrmann, Leiter des Dezernats Gemeinde, Arbeits­
feld Diakonie im Landeskirchenamt. Im Interview mit Jörg Göpfert gibt er
seine Einschätzung der Ausschusssitzung und der Petitionsinitiative insge­
samt wieder.

JG: Sie hatten im Petitionsausschuss etwa fünf Minuten Zeit, das Anliegen
Ihrer Landeskirche vorzutragen und zu begründen, dann wurden Sie von den
Ausschussmitgliedern in die Mangel genommen. Wie ging es Ihnen dabei,
Herr Fuhrmann?

CF: Es war eine sehr reglementierte Diskussion, die Anzahl der Fragen war
festgelegt. Untereinander wurde kaum nachgefragt, und es wurde eigentlich
gar nicht diskutiert. Ich fand es gewöhnungsbedürftig. Aber es bot uns die
Gelegenheit, unsere Position überhaupt vorbringen zu können.

JG: Hatten Sie den Eindruck, Ihr Anliegen wurde ernst genommen?

CF: Die Fraktionen haben ihre Positionen, da war kaum mit Überraschungen
zu rechnen. Grüne und Linke äußerten sich dafür, die CDU war dagegen. Die
SPD hat ein generelles Tempolimit als Modellversuch ins Gespräch gebracht
– immerhin. Dazu kamen die üblichen Rückfragen der weiteren Fraktionen.

JG: Was ist bei der Anhörung herausgekommen?

CF: Noch gar nichts. Der Ausschuss entscheidet nicht sofort. Es wird noch
eine Schleife durch den Verkehrsausschuss gezogen. Eine Entscheidung wird
voraussichtlich erst in einem halben Jahr fallen. Der Petitionsausschuss
könnte die Petition an den Bundestag geben, dann gäbe es dort noch eine
Diskussion. Angesichts der Dringlichkeit des Themas wäre das angemessen.

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JG: Steht das Ergebnis der Anhörung nicht schon fest? Immerhin hatte sich
der Vorsitzende des Petitionsausschusses, der aus Torgau stammende CDU-
Abgeordnete Marian Wendt, der zugleich Mitglied der Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland und Vertreter des Wahlkreises Nordsachsen im Bundes­
tag ist, schon im Vorfeld der Sitzung eindeutig gegen den Vorstoß seiner Lan­
deskirche öffentlich positioniert.

CF: Darauf haben wir reagiert und das kritisiert. Wir haben uns auch mit
Herrn Wendt getroffen und deutlich gemacht, dass seine Äußerungen als
Abgeordneter, mehr noch als Ausschussvorsitzender, geeignet waren, das
Vertrauen in die Demokratie nicht gerade wachsen zu lassen. Die Schöp­
fungsbewahrung wird seit der EU-Wahl von der CDU wieder auf das Schild
gehoben. Annegret Kramp-Karrenbauer zählt sie zu den Kernaufgaben der
Partei. Das müsste auch bei der Fraktion ankommen.

JG: Schauen wir noch mal auf Ihre Initiative insgesamt. Sie hat ja neben viel
Zustimmung auch – zum Teil heftige – Kritik ausgelöst. Da wurde zum Beispiel
gesagt, für ein Tempolimit einzutreten sei nicht Aufgabe der Kirchen. Und ins­
besondere eine Kirche in reformatorischer Tradition dürfe sich nicht für die
Einschränkung von Freiheitsrechten stark machen. Was sagen Sie dazu?

CF: Meine Freiheit stößt dort an ihre Grenze, wo die Freiheit anderer einge­
schränkt wird. Nachweislich hätten wir mit einem Tempolimit 80 bis 140 Ver­
kehrstote im Jahr weniger. Die Freiheit, so schnell zu fahren, wie mir beliebt,
geht also auf Kosten anderer Menschen und gefährdet ihr Leben. Beim Klima­
wandel ist dies ähnlich. Längst nimmt unser Wirtschafts- und Lebensstil an­
deren Menschen die Existenz. Die Folgen der Erderwärmung treiben
Menschen in die Flucht. Es ist an uns, die fragwürdige freie Fahrt für freie
Bürger zu überdenken.

JG: Ein anderer Pfeil der Kritik zielte auf die Motivation zu Ihrer Aktion. Ein
Tempolimit auf Autobahnen zu fordern sei ein alter Hut. Diese Forderung
jetzt als Kirche publikumswirksam zu erneuern, lasse den Verdacht aufkom­
men, die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland wolle sich – im Wind­
schatten von Fridays for Future – ins Gespräch bringen. Ist da etwas dran?

CF: Überhaupt nicht. Die Forderung haben beide Kirchen, die evangelische
und die katholische, schon vor zehn Jahren aufgestellt. Nach dem Dürre­

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sommer 2018, in dem die Politik Hitzefrei genommen hatte, stand für uns
die Frage an: Äußern wir uns mit einer Pressemitteilung, die nach einem
Tag wieder verpufft ist, oder gehen wir ernsthaft in die Debatte? Mit der
Aktion haben wir angeknüpft an unsere Kampagne Klimawandel – Lebens­
wandel von 2011. Eher hat Fridays for Future unsere Forderung aufgegriffen
als umgekehrt.

JG: Gestatten Sie mir trotzdem eine Nachfrage. In den vergangenen zehn,
zwanzig Jahren ist die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland bei den The­
men Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht als Zugpferd in Erscheinung ge­
treten. In manchen Bereichen hinkt sie sogar etwas hinterher. So gehört sie
zu den sechs von zwanzig Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutsch­
land, die noch kein Klimaschutzkonzept verabschiedet haben. Soll das jetzt
anders werden?

CF: Danke für die Nachfrage. Im Dezember 2018 hat die EKM ein Pilotprojekt
mit Elektrofahrzeugen gestartet. Seit November 2018 pflanzen wir einen Kli­
mawald, um den selbst verursachten Kohlendioxidausstoß auszugleichen.
2012 wurde der EKM-StromVerbund gegründet, ein gewerblicher Betrieb, mit
dem Windenergieanlagen betrieben werden. Inzwischen betreiben wir sechs
Windenergieanlagen. Das Landeskirchenamt in Erfurt ist zertifiziert mit dem
Grünen Hahn, einer Auszeichnung für kirchliches Umweltmanagement. Da
passiert viel.

JG: Wenn Sie auf die gesamte Aktion zum Tempolimit einschließlich der An­
hörung im Deutschen Bundestag zurückblicken, wie fällt Ihr Fazit aus?

CF: Das Tempolimit war im Warteraum der Zukunft abgestellt. Keine Partei
hat sich ernsthaft getraut, es auf die politische Tagesordnung zu setzen. Wir
haben das Thema gemeinsam mit anderen aus der Nische geholt, es wurde
deutschlandweit diskutiert, die Medien haben das Thema aufgegriffen, die
Politik konnte sich nicht verweigern. Das alles ist wertvoll für das, was in
Sachen Klimaschutz ansteht. Immerhin haben 66.430 Menschen die Petition
unterschrieben.

JG: Ich danke Ihnen für das Interview!

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Arbeitsstelle für Umwelt und ländliche Entwicklung in der
sächsischen Landeskirche
Die neue Referentin stellt sich vor

von Manuela Kolster

Am 1. Februar 2019 wurde die Stelle der
Referentin für Umwelt und ländliche
Entwicklung beim Evangelischen Zen­
trum ländlicher Raum – Heimvolks­
hochschule Kohren-Sahlis neu besetzt.

Nach langer Vakanz stehe ich nun für
Umweltfragen und die Entwicklung des
ländlichen Raumes zur Verfügung. Mit
meinem Stellenantritt wurde die Struktur
der Stelle in enger Absprache mit der
Evangelisch-Lutherischen Landeskirche
Sachsens und der Evangelischen gemein­
nützigen Gesellschaft für Bildungs- und
Sozialprojekte mbH (EBS) neu definiert.

Zukünftig entfallen zwei Drittel der insgesamt 30 Wochenstunden auf das
Tätigkeitsfeld im Evangelischen Zentrum ländlicher Raum – Heimvolkshoch­
schule Kohren-Sahlis, die sich in der Trägerschaft der EBS befindet. Zu den
Aufgaben in diesem Tätigkeitsfeld gehört die inhaltliche und konzeptionelle
Erarbeitung und Umsetzung verschiedener Angebote zu den Themenfeldern
Umwelt und ländliche Entwicklung. So werde ich verschiedene Arten von Bil­
dungsveranstaltungen anbieten, die neben dem Natur- und Tierschutz die
nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und Fragestellungen im ländli­
chen Raum betreffen.

Weiterhin wirke ich bei der Entwicklung des Hauses zu einem Kompetenzzen­
trum für Kirche und ländlichen Raum mit. Mein Ziel ist es, beliebte Praxisse­
minare wie den Obstbaumschnitt wieder in Kohren-Sahlis zu etablieren. Ich
möchte Themen rund um den Obstanbau weiter ausbauen, sodass eine ganz­
jährige Reihe entsteht.

Briefe – Zur Orientierung im Konflikt Mensch – Erde, Nr. 131, 2|2019       15
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Der zweite und gleichzeitig geringere Stellenumfang ist dem Aufgabengebiet
der Ansprechstelle für Umweltfragen in der sächsischen Landeskirche gewid­
met. Dabei werde ich die kirchgemeindlichen Perspektiven bei ökologischen
Fragestellungen stets im Blick behalten und zum Beispiel zum kirchlichen
Umweltmanagement wie dem „Grünen Hahn“ oder dem „Grünen Datenkon­
to“ beratend tätig sein. Zugleich nehme ich eine Vermittlerrolle zu Einrich­
tungen bzw. Fachstellen innerhalb und außerhalb der sächsischen
Landeskirche ein und stehe im engen Kontakt mit den einzelnen Fachrefe­
rentinnen und -referenten im Landeskirchenamt und dessen kirchlichen Ein­
richtungen.

Vor meiner Tätigkeit für das Evangelische Zentrum arbeitete ich beim Tou­
rismusverband „Sächsisches Burgen- und Heideland“ e. V. und war Projekt­
koordinatorin bei der Entwicklung und Ausgestaltung des sächsischen
Lutherweges. Auch in der Tourismusbranche steigt die Nachfrage nach nach­
haltigen touristischen Angeboten. Ich arbeitete daher eng mit Erzeugern
regionaler Produkte zusammen und war eingebunden in die Entwicklung
von ÖPNV-Konzepten im ländlichen Raum. Dabei ergaben sich auch Berüh­
rungspunkte zum Ausbau der E-Mobilität im touristischen Bereich.

In meiner Freizeit engagiere ich mich ehrenamtlich in meiner Kirchgemeinde
St. Marien in Borna und bin Mitglied im Geschichtsverein Borna e. V.

Manuela Kolster
Referentin für Umwelt und ländliche Entwicklung |
Ansprechsstelle für Umweltfragen in der Landeskirche
Evangelisches Zentrum ländlicher Raum
Heimvolkshochschule Kohren-Sahlis
Pestalozzistraße 3 | 04654 Frohburg
Tel.: 034344 61861 | Fax: 034344 61862
manuela.kolster@hvhs-kohren-sahlis.de | www.hvhs-kohren-sahlis.de

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Zehn Thesen zum Klimaschutz
Ein Diskussionsbeitrag der Kommission für gesellschaftliche und soziale
Fragen der Deutschen Bischofskonferenz

von Franz-Josef Overbeck¹

Der durch den Ausstoß von Treibhausgasen maßgeblich verursachte Klima­
wandel hat eine herausragende Bedeutung für Mensch und Umwelt. Darauf
weist Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si’ – Über die Sorge für
das gemeinsame Haus“ mehrfach hin. Bei der Bekämpfung des Klimawandels
handelt es sich um eine große ökologische Herausforderung, die zentrale Ge­
rechtigkeitsaspekte berührt. Dabei geht es einerseits um die weltweite und
intergenerationelle Gerechtigkeit. Die Kirche steht an der Seite der Armen,
Schwachen und Benachteiligten: Sie setzt sich für Gerechtigkeit ein und übt
Solidarität mit denen, die gegenwärtig und in Zukunft am meisten vom Kli­
mawandel betroffen sind und sein werden.

Gleichzeitig geht es aber auch um ökologische Gerechtigkeit. Schon im Buch
Genesis wird der Auftrag an den Menschen formuliert, für Gottes Schöpfung
Verantwortung zu tragen: „Gott, der Herr, nahm den Menschen und gab ihm
seinen Wohnsitz im Garten von Eden, damit er ihn bearbeite und hüte“ (Gen
2,15). Bereits im Jahr 2006 haben sich die deutschen Bischöfe mit einem Ex­
pertentext zu den Herausforderungen des globalen Klimawandels zu Wort ge­
meldet. Dieses Dokument hat nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt.
Gleichwohl hat die Enzyklika Laudato si’ den kirchlichen Rahmen für das
Thema neu gesetzt. Zudem zeigen aktuelle klimatische und klimapolitische
Entwicklungen die Notwendigkeit für die Kirche, das Thema neu in den Fokus
zu rücken. Eine große Menge an Treibhausgasen wurde in den vergangenen
Jahrzehnten und Jahrhunderten bereits ausgestoßen. Das verbleibende Bud­
get an Treibhausgasen, das mit den international vereinbarten Klimazielen in

1   Der Autor Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck ist Vorsitzender der Kommission für gesell-
    schaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Der Text gibt sein
    geringfügig verändertes Vorwort in der Veröffentlichung „DB-Kommission Nr. 48: Zehn
    Thesen zum Klimaschutz. Ein Diskussionsbeitrag“ vom 29. Januar 2019 wieder. Abdruck
    mit freundlicher Genehmigung durch die Pressestelle der DBK.

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Einklang steht, ist äußerst knapp. Die Zeit, in der die Menschheit dem gefähr­
lichen Klimawandel noch Einhalt gebieten kann, neigt sich dem Ende zu.

Vor diesem Hintergrund hat die Kommission für gesellschaftliche und soziale
Fragen der Deutschen Bischofskonferenz ihre Arbeitsgruppe für ökologische
Fragen gebeten, einen Expertentext zum Klimaschutz zu erarbeiten. Ausge­
hend von einer Darstellung der Notwendigkeit des Klimaschutzes auch aus
sozial-ethischer Perspektive werden auf Grundlage von ökonomischen, na­
tur- und rechtswissenschaftlichen Überlegungen Empfehlungen mit konkre­
ten Umsetzungsschritten zum Klimaschutz dargelegt.

Ehrgeizige Klimaziele sind demnach ein Gebot der Gerechtigkeit und die
Grundlage für die Bewahrung der Schöpfung. Bei konsequenter Umsetzung
sind sie der Weg in unsere gemeinsam und nachhaltig zu gestaltende Zukunft.
Als Zielmarke wird Klimaneutralität in Deutschland so früh wie möglich,
jedoch spätestens zum Jahr 2050 empfohlen. Dabei muss die Politik alle
Handlungsfelder – Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Industrie und Land­
wirtschaft – in den Blick nehmen und einen langfristig verlässlichen Rahmen
schaffen. Gleichzeitig sind alle Menschen aufgerufen, durch einen umwelt­
schonenden Lebensstil, etwa bei Ernährung und Mobilität, ihren Beitrag zum
Klimaschutz zu leisten.

Schöpfungsverantwortung ist der Kirche ein zentrales Anliegen. Sie selbst ist
bereit, ihren Beitrag zu mehr Klima- und Umweltschutz zu leisten und mit
gutem Beispiel voranzugehen. Die deutschen Bischöfe haben daher im Herbst
2018 den Text „Schöpfungsverantwortung als kirchlicher Auftrag. Hand­
lungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für die deut­
schen (Erz-)Diözesen“ verabschiedet.² Die zehn konkreten Empfehlungen
berühren Angelegenheiten der Pastoral, des diözesanen Verwaltungshandelns
und des gesellschaftspolitischen Engagements. Durch eigenes Handeln ent­
sprechend dieser Empfehlungen möchten wir als Kirche unserer Vorbildfunk­
tion gerecht werden. In Zeiten, die zunehmend Anlass zur Besorgnis geben,
ist die Kirche Hoffnungsträgerin. „Der Schöpfer verlässt uns nicht, niemals
macht er in seinem Plan der Liebe einen Rückzieher, noch reut es ihn, uns
erschaffen zu haben“, so schreibt Papst Franziskus in seiner Enzyklika Lauda­

2    Siehe den Beitrag „Deutsche Bischofskonferenz veröffentlicht Handlungsempfehlungen
     ‚Schöpfungsverantwortung als kirchlicher Auftrag‘“ in Briefe 130, S. 11.

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to si’. „Die Menschheit besitzt noch die Fähigkeit zusammenzuarbeiten, um
unser gemeinsames Haus aufzubauen“ (Nr. 13). Getragen von solcher Zuver­
sicht soll der nun vorliegende Expertentext Ansporn sein, nicht in Gleichgül­
tigkeit zu verharren, sondern zum Schutz des Klimas zu handeln.

Ansprechpartner:

Matthias Kopp
Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz
Leiter der Pressestelle/Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Bischofskonferenz
Kaiserstraße 161 | 53113 Bonn
Tel.: 0228 103-215 | Fax: 0228 103-254
m.kopp@dbk.de | Internet: www.dbk.de

Bezugsmöglichkeiten:

DB-Kommission Nr. 48
Zehn Thesen zum Klimaschutz
Ein Diskussionsbeitrag

Kostenfreies Herunterladen aus dem Internet und Bestellung von bis zu neun
gedruckten Exemplaren kostenfrei zuzüglich Porto:
www.dbk-shop.de/de/zehn-thesen-klimaschutz-ein-diskussionsbeitrag.html

Briefe – Zur Orientierung im Konflikt Mensch – Erde, Nr. 131, 2|2019       19
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Die Ergebnisse des Klimagipfels vom 2. bis 15. Dezember 2018
in Kattowitz
Eine Bewertung durch Germanwatch¹

Gesamtbewertung

Das auf der Weltklimakonferenz im polnischen Katowice (COP24) vereinbarte
Regelwerk ist eine solide technische Grundlage für die weltweite Umsetzung
des Pariser Klimaabkommens. Aber zur Abwendung der Klimakrise kommt es
nun darauf an, dass alle Staaten deutlich mehr politischen Willen zur zügigen
Umsetzung des Abkommens zeigen.

Das Ergebnis von Katowice ist vor allem deswegen beachtlich, weil es einige
Sabotageversuche aus dem Weißen Haus, Saudi-Arabien und Brasilien gab.
Es ist vor allem der Verdienst der ärmsten und durch die Klimakrise verletz­
lichsten Entwicklungsländer, die sich für starke Beschlüsse eingesetzt haben.
Die Abwendung der Klimakrise ist gerade für diese Länder eine Frage des
Überlebens. Auch Deutschland hat durch seine Finanzzusagen und sein Auf­
treten innerhalb der sogenannten „High Ambition Coalition“ von Industrie-
und Entwicklungsländern zu diesem Ergebnis konstruktiv beigetragen.

Das Ergebnis von Katowice ist auch ein Sieg für den Multilateralismus. Die
Bewährungsprobe folgt aber nun, wenn es an die Umsetzung des Pariser Ab­
kommens geht. Die Regierungen müssen jetzt für entschiedenen Klimaschutz
zuhause handeln. Die Klimabewegung, die sich gerade vom Hambacher Wald
über Widerstand gegen Pipelines bis zu Klima-Schulstreiks weltweit formiert
und auch in Katowice sichtbar geworden ist, wird von den Regierungen nun
immer vehementer den notwendigen Klimaschutz einfordern.

In Deutschland gilt es, den von der Kohlekommission Anfang des Jahres be­
schlossenen Ausstiegspfad so umzusetzen, dass er – durch Nachbesserungen
in den nächsten Jahren – mit den Pariser Klimazielen vereinbar wird. Mit dem
Beschluss der Kohlekommission vom 26. Januar 2019 sind die Weichen für
1    Der hier wiedergegebene Beitrag ist eine leicht aktualisierte Fassung des Artikels „Erste
     Bewertung der Ergebnisse des Klimagipfels COP24 in Katowice durch Germanwatch“, wie
     er sich im Internet befindet: https://www.germanwatch.org/de/16125 (Stand: 8.7.2019)
     Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Germanwatch-Pressestelle.

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den Kohleausstieg bis 2035, spätestens 2038 gestellt. Germanwatch begrüßt
dies, bedauert aber, dass der Ausstiegspfad noch nicht ambitioniert genug ist,
um die Klimaziele von Paris zu erreichen. 2023 kann es – dem Beschlusstext
zufolge – erstmals zu Nachbesserungen kommen.

Der nächste wichtige Schritt ist nun, den Vorschlag der Kohlekommission die­
ses Jahr gesetzlich zu verankern. Zur Umsetzung der Beschlüsse der Kohle­
kommission gehören auch die CO2-Bepreisung und eine Überarbeitung des
Entgelt-, Abgaben- und Umlagensystems im Energiesektor. Die Einführung
von CO2-Preisen muss ganz oben auf die politische Agenda gesetzt werden.

Im selben Zeitraum muss ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Zielen für
alle Sektoren verabschiedet werden. Dieses muss die notwendigen Maßnah­
men, u. a. einen CO2-Preis, festschreiben. Das erlaubt dann auch die Erhö­
hung des unzureichenden europäischen Klimaziels für 2030, so wie es
Deutschland und die EU in Katowice zugesagt haben.

Zentral für das Erreichen der Klimaziele von Paris wird aber vor allem, ob sich
jetzt ambitionierte Umsetzungspartnerschaften von wichtigen Industrie-,
Schwellen- und sogenannten Entwicklungsländern bilden, die sich durch
weitreichende Handelsabsprachen, De-Risking-Strategien, technische Koope­
ration usw. in die Lage versetzen, ihre Klimaziele nicht nur zu erreichen, son­
dern zu erhöhen.

Reaktion auf den IPCC-Sonderbericht zu 1,5 Grad und höhere
Anstrengungen im Klimaschutz

In welcher Form im Abschlussdokument Bezug auf den Sonderbericht des
Weltklimarats (IPCC) genommen wird, war eines der umstrittensten Themen der
Konferenz. Hier versuchten vor allem Saudi-Arabien und die USA, zeitweise
unterstützt durch andere arabische Länder und durch Russland, eindeutige Be­
züge auf die Klimawissenschaft zu verhindern. Einer Koalition aus der Gruppe
der sogenannten am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), der Allianz der
kleinen Inselstaaten (AOSIS), einer Gruppe lateinamerikanischer Staaten (AI­
LAC), der EU und weiteren Ländern ist es dennoch gelungen, umfassende Spra­
che zum IPCC im Konferenzbeschluss durchzusetzen. Es wird betont, dass der
IPCC die Funktion hat, den Vertragsstaaten Informationen für die Verstärkung
globaler Klimapolitik zur Verfügung zu stellen, und ihm wird für die Arbeit am

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Sonderbericht gedankt. Zudem wird anerkannt, dass der Bericht die beste ver­
fügbare Wissenschaft widerspiegelt. Ein eindeutiger Bezug auf die im Jahr
2030 noch möglichen globalen Emissionen, wenn die Erwärmung auf 1,5 Grad
begrenzt werden soll, wurde durch das Veto der USA verhindert. Aus diesem
Wert – 25 bis 30 Gigatonnen CO2eq – hätte sich noch deutlicher ableiten las­
sen, wie stark die Länder ihre Klimapolitik verschärfen müssen, um das in Paris
formulierte 1,5-Grad-Limit einzuhalten. Im globalen Durchschnitt ginge es da­
bei um eine Emissionsreduktion von jährlich etwa 4 Prozent.

In der COP-Entscheidung wird die bereits in Paris vereinbarte Aufforderung
an alle Länder unterstrichen, bis 2020 ihre 2030-Klimabeiträge (NDCs) einzu­
reichen oder zu aktualisieren. Viele der verletzlichsten sogenannten Entwick­
lungsländer hatten hier für eine noch eindeutigere Formulierung gekämpft,
die explizit besagt, dass diese Ziele höher sein müssen als die bisherigen und
sich am IPCC-Sonderbericht orientieren sollen. Da jedoch in anderen Absätzen
im selben Dokument sowohl die Dringlichkeit von Ambitionserhöhung als
auch die Funktion des IPCC, Orientierung für die Klimapolitik zu liefern, be­
tont werden, ist diese Aussage zumindest indirekt verankert. Positiv ist, dass
in der Konferenzentscheidung der Sondergipfel des UN-Generalsekretärs im
September 2019 als ein Ort erwähnt wird, an dem erhöhte Ambition gezeigt
werden soll, d. h., dort sollten die erhöhten Klimaziele vorgestellt werden.

Auch wenn die COP-Entscheidung zu diesem Punkt sehr verklausuliert bleibt,
so haben doch zumindest die Mitglieder der „High Ambition Coalition“, da-
runter auch der EU-Klimakommissar und die deutsche Umweltministerin, sich
in ihrer am 12. Dezember in Katowice veröffentlichten Erklärung eindeutig
festgelegt. Sie verpflichten sich, bis 2020 dreierlei zu tun: 1) mehr sofortige
Klimaschutzmaßnahmen, 2) Erhöhung ihrer 2030-Klimaziele und 3) Vorlage
einer Langfriststrategie für die Zeit bis 2050. Wenn Deutschland und die EU
zur Erhöhung der 2030-Ziele von Anfang der Konferenz an klarer aufgetreten
wären (Deutschland hatte in EU-internen Diskussionen zur Zielerhöhung im
Gegenteil sogar gebremst), dann wäre in Katowice wahrscheinlich auch mehr
zu erreichen gewesen, um mehr Länder mit an Bord zu holen.

Mit den Entscheidungen der COP24, den Selbstverpflichtungen der „High
Ambition Coalition“ und der Einladung des Generalsekretärs zu seinem Son­
dergipfel ist aber klar: Die erste Runde Zielanhebungen läuft jetzt an und
muss bis Frühjahr 2020 beendet sein.

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Umsetzungsregeln für das Paris-Abkommen

Transparenz im Klimaschutz

Das wesentliche Ergebnis der COP24 ist das sogenannte Regelbuch zur Um­
setzung des Pariser Klimaabkommens. Im Zentrum des Pariser Klimaabkom­
mens stehen die sogenannten national bestimmten Beiträge (nationally
determined contributions, NDCs) der Staaten. In Katowice wurden Regeln für
die Struktur und Inhalte dieser Klimabeiträge sowie für Berichterstattung und
Überprüfung festgelegt.

Es ist in Katowice gelungen, einen gemeinsamen Transparenzrahmen für alle
Länder zu beschließen. Unter anderem müssen nunmehr alle Länder mindes­
tens die IPCC-Richtlinien für Treibhausgas-Berichte (engl. GHG inventories)
von 2006 verwenden. Das Transparenz-Regelwerk sieht Flexibilität für Ent­
wicklungsländer vor, die diese nach Selbsteinschätzung aufgrund noch unzu­
reichender Kapazitäten benötigen. Langfristige Verbesserungen derer Berichte
werden allerdings mit dem Ziel unterstützt, dass alle Länder quantitativ und
qualitativ gleichwertige Transparenz-Berichte erstellen können. Enttäuschend
ist, dass die ersten Transparenz-Berichte aller Länder erst Ende 2024 einge­
reicht werden. Das ist zu spät, um es für die erste Runde der Zielüberprüfung
2023 nutzen zu können. Vor allem Brasilien drängte darauf, dass es Ländern
freigestellt wird, ob sie quantitative Indikatoren in ihre Treibhausgas-Berichte
aufnehmen oder sich auf eine rein qualitative Beschreibung beschränken
können. Diese Verwässerung der Transparenzregeln konnte allerdings weitge­
hend vermieden werde.

Transparenz in der Klimafinanzierung

Die Regeln zur Berichterstattung über geplante und geleistete Beiträge zur
Klimafinanzierung liefern ein detailliertes Rahmenwerk, um zukünftig mehr
Klarheit und Planungssicherheit für Entwicklungsländer zu liefern. Trotzdem
gibt es darin noch gewisse Spielräume für Geberländer, zum Beispiel den De­
tailgrad ihrer Berichte zu begrenzen sowie das, was sie als Klimafinanzierung
ansehen, zu bestimmen. Insbesondere ist es nicht schlüssig, dass Kredite oder
Risikoabsicherungen mit ihrer Gesamtsumme angerechnet werden können,
genauso wie Zuschüsse. Hier müsste für eine Vergleichbarkeit jeweils nur der
Zuschussanteil ausgewiesen werden dürfen, auch um die Summe nicht künst­

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lich aufzublähen. Es ist zu hoffen, dass die progressiven Länder die Messlatte
vorgeben, an der sich bald schon alle Länder orientieren. In einigen Jahren
sollte dies allerdings verpflichtend für alle werden. Positiv ist zu bewerten,
dass ein Synthesebericht über geplante Finanzierung als Input für die Ziel­
überprüfungs-Runden alle fünf Jahre Berücksichtigung findet.

Anpassungskommunikation

Wie im Paris-Abkommen festgeschrieben, sollen die Staaten regelmäßig ihre
Prioritäten, Unterstützungsbedarf, Pläne und Aktivitäten für die Anpassung
an den Klimawandel kommunizieren. Dazu wurden in Katowice Richtlinien
verabschiedet. Obwohl deren Einhaltung freiwillig ist, waren sie umstritten,
da sie einen Standard setzen, was Berichterstattung und Unterstützung dafür
betrifft. Es wird den berichtenden Ländern selbst überlassen sein, in welchem
Dokument die Informationen übermittelt werden. Sie können zum Beispiel
Teil der Nationalen Anpassungspläne (NAPs) oder der NDCs sein. Die Richtli­
nie zum Inhalt ist aber für alle Dokumente identisch – hier hatten einige Län­
der unterschiedliche Richtlinien gefordert, was die Vergleichbarkeit
verschlechtert hätte. Weiterhin enthalten die Richtlinien wichtige Berichts­
punkte wie den Einbezug traditionellen und indigenen Wissens oder gender-
responsive Anpassungsmaßnahmen. Wichtig ist auch, dass der Fokus auf zu­
künftigen Anpassungsbedarfen liegt, auch wenn man im Bericht über die An­
passung auch über Erreichtes informieren kann. Um zukünftige Bedarfe und
Lücken erkennen und angehen zu können, ist der Blick nach vorn jedoch un­
erlässlich. Zu bemängeln ist, dass ärmeren Ländern keine direkte Unterstüt­
zung der Erstellung der Berichte zugesagt wurde. Diese Lücke zu schließen ist
nun auch Aufgabe bilateraler Unterstützung.

Regelmäßige Runden zur Überprüfung und Verschärfung der Ziele

In Paris wurde vereinbart, alle fünf Jahre zu überprüfen, wie weit die Weltge­
meinschaft in der Erreichung der globalen Ziele des Paris-Abkommens ge­
kommen ist und inwiefern die nationalen Beiträge nachgeschärft werden
müssen. Die sogenannte globale Bestandsaufnahme (engl. global stocktake,
GST) ist das Kernstück dieses Ambitionsmechanismus im Pariser Klimaab­
kommen. Sie hat zum Ziel, eine gemeinsame Bewertung der bisherigen glo­
balen Maßnahmen zu Klimaschutz, Anpassung und Unterstützung im Lichte
der Paris-Ziele zur Begrenzung des Temperaturanstiegs, zu Resilienz und der

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Ausrichtung der Finanzflüsse zu überprüfen. Die globale Bestandsaufnahme
wurde in Katowice mit ausreichend robusten Regeln ausgestattet: Sie wird die
kollektiven Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft unter Be­
rücksichtigung von Gerechtigkeit überprüfen und erlaubt auch eine (einge­
schränkte) Rolle für nichtstaatliche Akteure.

Klimafinanzierung

Die Beschlüsse zur Klimafinanzierung sind in der Summe eher als gut zu
bewerten. Zentral sind die oben genannten Vereinbarungen zur Transparenz
der Klimafinanzierung. Außerdem wurde die Zukunft des Anpassungsfonds
unter dem Paris-Abkommen durch einen Beschluss in Katowice gesichert.
Der Fonds soll zukünftig über eine Abgabe auf den internationalen Emissi­
onshandel sowie öffentliche und private Quellen gespeist werden. Auch für
die Festlegung eines neuen langfristigen Ziels für Klimafinanzierung ab
2025 konnte ein Prozess eingerichtet werden, der 2020 beginnt. Dabei muss
nun sichergestellt werden, dass das Ziel durch konkrete Unterziele so präzise
wie möglich festgelegt wird, um möglichen Interpretationsspielraum zu mi­
nimieren.

Darüber hinaus wurden dem Finanzausschuss der Klimarahmenkonvention
wichtige Arbeitsmandate gegeben, deren Ergebnisse für die weitere Debatte,
auch im Rahmen der globalen Bestandsaufnahme, als wichtiger Input dienen
können. Dazu gehörten ein regelmäßiger Bericht zur Ermittlung der Bedürf­
nisse von Entwicklungsländern zur Umsetzung des Paris-Abkommens sowie
eine regelmäßige Bestandsanalyse darüber, wie globale Finanzflüsse umge­
lenkt werden.

Die Regeln und Institutionen zur Klimafinanzierung wurden gestärkt – aber
jetzt ist auch mehr Geld notwendig. Für den Anpassungsfonds wurden auf der
COP24 über 129 Millionen US-Dollar zugesagt, das ist ein neuer Rekord. Da
es sich dabei aber um einmalige freiwillige Beiträge handelt, wird es in den
nächsten Jahren darauf ankommen, dem Anpassungsfonds stabilere Finanz­
quellen zu sichern. 2019 steht außerdem die Wiederauffüllung des Grünen
Klimafonds (Green Climate Fund, GCF) an. Mit Ankündigungen zur Verdopp­
lung der Beiträge für den Grünen Klimafonds haben Deutschland und Norwe­
gen vorgelegt; auch die anderen reichen Länder müssen kommendes Jahr ihre
Beiträge verdoppeln.

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Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten

Das Thema klimabedingte Schäden und Verluste konnte unter der globalen
Bestandsaufnahme verankert werden – dies ist eine klare Aufwertung gegen­
über Texten, die hierzu zwischenzeitlich auf der COP24 vorlagen. Dies ist ein
richtiger Schritt, der widerspiegelt, dass die Wichtigkeit des Themas – also wie
mit Schäden und Verlusten durch den Klimawandel, die nicht verhindert wer­
den können, umgegangen wird – durch einen eigenen Artikel im Paris-Ab­
kommen anerkannt wurde. Allerdings ist immer noch kein Prozess
vorgesehen, der klärt, wie Finanzierung für klimabedingte Schäden und Ver­
luste sichergestellt werden kann. Damit reichen die Beschlüsse von Katowice
insgesamt nicht, um die am stärksten vom Klimawandel Betroffenen zu
schützen. Sie leiden heute schon unter den Folgen von Extremwetterereignis­
sen wie Stürmen oder Dürren, die durch den Klimawandel intensiver und
häufiger werden. In Zukunft wird aber auch der Umgang mit langsam einset­
zenden Ereignissen, wie dem Anstieg des Meeresspiegels oder die Versalzung
der Böden, zunehmend wichtig. Oftmals sind es die Ärmsten, die am meisten
verletzlich gegen die Auswirkungen dieser Ereignisse sind und deshalb unbe­
dingt Unterstützung benötigen.

Marktmechanismen

Im Artikel 6 des Paris-Abkommens sind Mechanismen für internationalen
Emissionshandel vorgesehen, mit denen Länder sich Klimaschutzmaßnahmen
in anderen Ländern auf eigene Klimaziele anrechnen lassen können. Wenn
hierbei keine Vorsorge gegen doppelte Anrechnung getroffen wird, können
dadurch große Schlupflöcher entstehen, die die Integrität des gesamten Paris-
Abkommens bedrohen würden. Insbesondere Brasilien hat bis in die letzten
Stunden der Konferenz erbitterten Widerstand gegen Regeln geleistet, die sol­
che Doppelanrechnung ausschließen sollen – sowohl in den Umsetzungsre­
geln zum Artikel 6 als auch im Transparenzrahmenwerk. Im Ergebnis wurden
alle Entscheidungen zu Marktmechanismen auf die Konferenz im Dezember
2019 (COP25) vertagt. Es ist sehr zu begrüßen, dass die anderen Länder hier
dem brasilianischen Druck nicht nachgegeben haben. Marktmechanismen
sind hochkomplex und können ohne stringente Regeln mehr Schaden als
Nutzen anrichten. Dass die Verhandler*innen sich hier ein weiteres Jahr gege­
ben haben, um diese Regeln zu entwickeln, ist richtig.

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