Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO

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Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO
3/2005

PRO   SCHWEIZERISCHE GESELLSCHAFT FÜR TIERSCHUTZ

      Sinnlose Versuche –
            Affen leiden!
Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO
Impressum                                                                 Inhalt
    Zeitschrift der Schweizerischen             Wir geben Tieren ein Zuhause                                          4
    Gesellschaft für Tierschutz/ProTier,        Stopp dem Katzenelend!                                                6
    Zürich
                                                Indien will seine letzten Tiger retten                                9
    Nr. 3 September 2005
    33. Jahrgang                                Depressionsforschung mit Affen                                       10
    Erscheint 4x jährlich                       Tiere beweisen es: Die Homöopathie wirkt                             14
    Abonnement                                  Biber und Otter als Botschafter                                      16
    Mitglieder erhalten die Zeitschrift         Jäger zwischen Buchdeckeln                                           19
    kostenlos                                   Meister Petz kehrt zurück                                            20
    Jahresbeitrag                    Fr. 30.–
                                                Zäune schützen Tiere – und Menschen                                  22
    Jugendmitglieder (bis 18 Jahre) Fr. 20.–
    Einzelnummer                     Fr. 6.–    Neues Tierschutzgesetz – halbherzige Verbesserungen                  23
    Jahresabonnement                 Fr. 20.–   Lebende Hunde als Haiköder                                           24
    Redaktion:                                  Haifischflossensuppe aus Speisekarte gestrichen!                     25
    Rita H. Dubois (rd)                         Gorilla-Zwillingsgeburt im Nationalpark Kahuzi-Biega.                26
    Ständige Mitarbeiter:                       Auch Tiere können zweifeln                                           27
    Nathalie Dubois (nd)                        Zahnlose Riesen                                                      28
    Ulrich Karlowski (uk)                       Nur mit Ihrer Hilfe können wir helfen!                               29
    Ulrike Kirsch (uki)
                                                Madagascar – Film ignoriert bitteres Drama                           30
    Mitarbeit an dieser Ausgabe:                Chamäleon: Wenig erforschte Zeugen aus der Saurierzeit               31
    R. A. Attinger
                                                Buchbesprechungen/CD-Bestellungen                                    32
    Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der       Kurznachrichten                                                      34
    Weiterverwendung der Artikel und Bilder
                                                Projekte + Kampagnen: So können Sie helfen                           38
    nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Ge-
    nehmigung der Redaktion.                    Patenschaften                                                        39

    Die Beiträge decken sich nicht unbedingt
    mit der Meinung der Redaktion und des                  Katzenelend                    Depressionsforschung
    Vorstandes

    Titelbild:
    Affe
    Foto: Wegner/Arco

    Layout:
    proVista –
    concept, prepress, publishing, design
    Urs Widmer, 4123 Allschwil

    Druck:
                                                                                                                 10
    Fotorotar AG, 8132 Egg
                                                                                         Bär zurück in der Schweiz
                                                                                 6
    SCHWEIZERISCHE
    GESELLSCHAFT                                   Biber und Otter im Sihlwald
    FÜR TIERSCHUTZ

    Alfred-Escher-Strasse 76
    CH-8002 Zürich
    Telefon:    044 201 25 03
    Telefax:    044 201 26 23
    Postcheck: 80-37221-2
    E-Mail:     tierschutz@protier.ch
    URL:        www.protier.ch
                                                                             16                                  20

2                                                                                                             ProTier 3/05
Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO
Editorial
Liebe Tierfreunde

                                                                                          Foto: Martin Siegenthaler
S
        eit Ende Mai verkünden die
        Aushänge der Tageszei-
        tungen     immer       neue
schreckliche Übergriffe auf Weide-
tiere. Aber auch Katzen und Kanin-
chen wurden Opfer des perversen
Tierquälers. Mittlerweile sind es
gegen 50 Tiere, die massiv gequält
und zum Teil schwer verstümmelt
wurden. Einige sind an den ihnen
zugefügten Verletzungen gestor-        antwortlicher Weise. Bären sind im-   Bei der Hochwasserkatastrophe im
ben. Tierschützer und Private haben    posante Tiere, aber sie sind keine    August fiel auf, dass das Schicksal
für Hinweise, die zur Verhaftung       Schmusetiere. Obwohl Menschen         der Tiere in den betroffenen Gebie-
des Täters führen, 26 000 Franken      meist nichts zu befürchten haben,     ten den Medien keine Zeile wert
ausgesetzt. Zwangsläufig stellt sich   wenn sie ihnen mit dem nötigen Re-    war. Nicht ein Journalist wagte sich
die Frage, wie würden Behörden         spekt begegnen, kann ein in die       zu fragen, wie viele Tiere in den Flu-
und Polizei vorgehen, wenn nicht       Enge getriebener, sich bedroht füh-   ten umgekommen waren. Anschei-
Tiere, sondern Menschen die Opfer      lender Bär zum Angriff übergehen.     nend gilt diese Frage angesichts
wären? Arbeitet die Polizei der be-    Die Hoteliers des Münstertals wit-    des Menschenleids für pietätlos,
troffenen Kantone in der Nordwest-
                                       terten sofort das grosse Geschäft     obwohl Tiere empfindungsfähige
schweiz wirklich effizient genug?
                                       und förderten mit ihren «Bärenme-     Geschöpfe sind, die ebenfalls lei-
                                       nus» den Bärentourismus.              den, wenn sie in den Fluten ertrin-
Was erwartet den Täter, wenn er
                                                                             ken oder in den Schlammmassen
gefasst wird? Nach Tierschutzge-
                                       Im Moment hat sich Meister Petz       ersticken. Ich verschliesse mich
setz wären eine Höchststrafe von
                                       wieder über die Grenze zurückge-      nicht dem menschlichen Leid,
drei Jahren Gefängnis und eine
                                       zogen. Bleibt zu hoffen, dass eine    schäme mich aber nicht, dabei auch
Busse von 40 000 Franken möglich.
                                       eventuelle Rückkehr von weniger       mitfühlend an die Tiere zu denken.
Eine solch hohe Strafe wurde indes-
                                       reisserischem Medienrummel be-
sen noch nie verhängt. Meist kom-
                                       gleitet sein wird. Denn, geschieht    Bis zum nächsten Mal
men Tierquäler mit einer lächerli-
                                       durch Dummheit und Ignoranz des       Ihre
chen Geldstrafe davon, oder das
                                       Menschen ein Zwischenfall, wird
Verfahren wird sogar ganz einge-
                                       ihn der Bär mit dem Leben bezah-
stellt. Aus dem Statthalteramt Lies-
                                       len.
tal war zu vernehmen, dass in die-
sem Fall die Strafe wohl «empfind-
lich» ausfallen werde. Im Klartext
                                                                             Rita Dubois
heisst das 5000 bis 10 000 Franken.
                                                                             Geschäftsführerin
Dass das Verhältnis Mensch – Tier
massiv gestört ist, hat sich auch
beim Auftauchen des Bären im Kan-
ton Graubünden gezeigt. Unzähli-
ge Touristen machten sich auf, den
Bären zu besichtigen, und näherten      Für mehr Informationen über unsere Tätigkeit besuchen
sich dabei dem Wildtier in unver-           Sie uns bitte im Internet unter: www.protier.ch

ProTier 3/05                                                                                                          3
Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO
Wir geben Tieren
                                                                                         Polek hatte bis jetzt zweimal Glück in seinem Leben.

                                                                 Foto: Nathalie Dubois
                                                                                         Einmal als er von einer Tierfreundin vor dem Metzger
                                                                                         gerettet wurde und das zweite Mal als er sein neues
                                                                                         Zuhause gefunden hatte. Polek hat sich in der Familie
                                                                                         schnell eingelebt. Auch seine neue Freundin hat sich
                                                                                         schnell an den Neuling gewöhnt und gemerkt, dass
                                                                                         Spaziergänge zu zweit viel mehr Spass machen. Da-
                                                                                         für nimmt sie sogar in Kauf, dass es im Hundekorb nur
                                                                                         noch halb so viel Platz hat.
                            o b lem                          e
                      e P r
               Privat
    Tango, 5-jährig. Der Labrador-Mischling verlor sein
                                                                                                                            ilz
    Zuhause aus traurigen Gründen. Obwohl seine Besit-
    zerin ihn über alles liebte, war es für sie aus gesund-
                                                                                                                  Glücksp
    heitlichen und persönlichen Gründen nicht mehr mög-
    lich, ihren treuen Begleiter zu behalten. So wurde sein
    Aufenthalt im Tierheim, ursprünglich nur wegen Feri-
    en geplant, zur endgültigen Lösung. Tango ist sehr

                                                                                                                                                  Foto: Fam. Bonomo
    selbstbewusst im Umgang mit anderen Hunden. Er ist
    aber weder ein Raufer noch böse. Der Rüde ist gut er-
    zogen und unkompliziert. Seine neuen Besitzer sollten
    dennoch Hundeerfahrung haben.

                                        Tequilla, 5-jährig.
                                        Nach dem Ende
                                        einer Beziehung
                                        blieb der Rüde zu-
                                        sammen mit einer
                                        Rottweilerhündin
                                        beim       Besitzer.
                                        Doch dieser war
                                        mit den beiden
                                        Hunden überfor-
                                        dert, was immer
                   te
           Schlechng
                                        mehr zu einer re-
                                        gelrechten Ver-
            Haltu                       nachlässigung der
                                                                                                                    o n t r o l lierter
                                                                                         Foto: Nathalie Dubois

                                        beiden Tiere führ-                                                       Unk hwuchs
                                        te. Sie waren im
                                                                                                                   Nac
                                     Foto: Nathalie Dubois

                                        Keller unterge-
                                        bracht und wur-
                                        den schlecht ge-                                 Junge Katzen. Zurzeit suchen wir für mehrere Kätz-
                                        füttert. Die ehema-                              chen ein Zuhause. Sie stammen von Bauernhofmüt-
    lige Besitzerin konnte die Hündin zu sich nehmen. Te-                                tern, mussten von uns eingefangen werden oder wur-
    quillas letzte Chance war das Tierheim. Er braucht ei-                               den auf der Strasse gefunden. Sie werden nur zu zweit
    nen Platz, wo man bereits Erfahrung mit dieser an-                                   oder als Zweitkatze abgegeben. Gerade junge Katzen
    spruchsvollen Hunderasse hat. Er ist folgsam braucht                                 brauchen unbedingt eine Artgenossin als Sozialpart-
    aber eine konsequente Hand. Er wird nicht als Schutz-                                ner, um zu spielen, gemeinsam die Welt zu entdecken
    oder Wachhund abgegeben.                                                             und Wichtiges fürs Katzenleben zu lernen.

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Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO
ein Zuhause

                                                                                                                  Foto: H. Schläpfer
   Foto: Nathalie Dubois

                                      n       scht
                               Unerwü                                                Glücksp
                                                                                             i   lze

                                                            Fiona und Siri (ehemals Fleur und Heera). Die beiden
                                                            ehemaligen Findelkatzen fühlen sich rundum wohl in
  Mia, 1-jährig. Nur knapp dem Tod entronnen sind Mia
                                                            ihrem neuen Zuhause. Während Siri sich schnell ein-
  und ihre Geschwister. Ein Mitarbeiter des Tierheims
                                                            gelebt hatte, brauchte Fiona etwas länger, um Vertrau-
  entdeckte sie bei einem Ausflug auf einem Bauernhof.
                                                            en zu fassen. Inzwischen holt aber auch sie sich selbst-
  Der Bauer erzählte ihm, er habe jetzt genug von den
                                                            bewusst ihre Streicheleinheiten. Obwohl die beiden
  vielen Katzen, er werde sie nun alle erschlagen. Als er
                                                            den Anschein erwecken, als könnten sie kein Wässer-
  ihm anbot, die Katzen mitzunehmen, sagte der Besit-
                                                            chen trüben, fliegen doch manchmal ganz schön die
  zer, den Hund könne er auch gleich mitnehmen, den
                                                            Fetzen. Hinterher gemeinsam zu kuscheln, ist dafür
  wolle er auch nicht mehr. Mia ist auf einem Auge blind.
                                                            dann umso schöner.
  Sie kommt mit ihrer Behinderung jedoch bestens zu-
  recht und ist in ihrer Lebensfreude in keiner Weise be-
  einträchtigt. Sie braucht etwas Geduld, um sich an
                                                            Foto: J. Eberle

  neue Leute zu gewöhnen. An einem guten Platz mit
  Freilauf und evtl. einer Zweitkatze wird sie sich aber
  schnell wohl fühlen.
   Foto: Nathalie Dubois

                                                                                     n   scht
                                                                              Unerwü

                                                            Lea, 1-jährig. Sie ist die Mutigste von allen. Auch sie
                                                            sucht einen Platz mit viel Liebe und Gesellschaft, wenn
                                                            möglich mit Freilauf.

                                  ns    cht
                           Unerwü
                                                                                  Unser Spendenkonto

                                                                                PC: 80-37221-2
  Vamp und Mina, 1-jährig. Vom selben Bauernhof                                  Vermerk: Findeltiere
  stammen Vamp und Mina. Vamp macht ihrem Name
  alle Ehre. Sie ist nicht leicht zu zähmen. Auch Mina
                                                                              Schweizerische Gesellschaft
  braucht viel Zeit und Geduld. Der ideale Platz wäre für                            für Tierschutz
  die beiden auf einem Bauernhof, wo sie gefüttert und                         Alfred-Escher-Strasse 76,
  liebevoll betreut werden, ansonsten aber ihres Weges
  gehen können.                                                                     CH-8002 Zürich

 ProTier 3/05                                                                                                                          5
Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO
Stopp dem
       Katzenelend!

                                                                                                                    Foto: Nathalie Dubois
                                  Tierschützer machen seit Jahren immer wieder darauf aufmerksam, dass
                                     Katzenbesitzer ihre eigenen oder zugelaufenen Tiere kastrieren lassen
                                       sollen. Uneinsichtigen und Besserwissern ist es zu verdanken, dass
      Katzenfalle                   dennoch jedes Jahr unzählige unerwünschte Katzenbabys auf die Welt
                                  kommen. Nach dem grossen «Jöö!» folgt das grosse «Oje: Wohin damit?»

        M          anche Leute rufen verzweifelt an, andere
                     beinahe schon vorwurfsvoll: «Warum sam-
                     melt DER Tierschutz nicht schon lange die
                     vielen jungen Katzen ein? Das sind ja keine
                     Zustände. DER Tierschutz darf nicht länger
                     einfach zuschauen, sondern muss da doch
                                                                   mals sind es nicht die Katzenbesitzer oder
                                                                   -betreuer (vielen gehören die Katzen selbst-
                                                                   verständlich nicht – sie füttern sie nur jah-
                                                                   relang…!) selber, die Hilfe suchen, sondern
                                                                   Bekannte oder Nachbarn, die nicht länger
                                                                   zusehen mögen. Und so stossen wir
                     endlich etwas machen!» Doch Schuld an         manchmal auch auf Abwehr, wenn wir an-
                     der Misere ist nicht der Tierschutz. Und es   rufen, oder zumindest grosses Erstaunen.
                     ist auch nicht so, dass nichts gegen die      Die Leute haben Angst, wir wollen ihnen
                     sinnlose Katzenvermehrung unternommen         die lieb gewonnenen Tiere wegnehmen
                     wird. Dass vielmehr Unvernunft und falsch     und töten. Erst nach längerem Reden ge-
                     verstandene Tierliebe gewisser Leute der      ben sie zu, dass die Situation ausser Kon-
                     Grund für das Übel sind, ist vielen nicht     trolle geraten ist und sie selbst überfordert
                     bewusst. Tierschützer können aufklären,       sind. Es ist nicht immer böser Wille, son-
                     sich an den Kastrationskosten beteiligen,     dern meist falsch verstandene Tierliebe, die
                     immer wieder überzählige und uner-            zum Katzenelend führt. Einige selbst er-
                     wünschte Katzen einfangen und versuchen       nannte Katzenmütter und -väter sind dar-
                     an gute Plätze weiterzuvermitteln – doch      um auch erleichtert, wenn wir kommen und
                     diese Arbeit ist ein Fass ohne Boden. So-     die Tiere einfangen. Dass die sich munter
                     lange unvernünftige Menschen ihre eige-       vermehrenden Tiere langsam zum Problem
                     nen oder zugelaufenen Tiere nicht kastrie-    wurden, haben sie selber gemerkt, nur
               Von   ren und damit nicht verhindern, dass sich     wollten sie es nicht wahr haben oder wus-
    Nathalie Dubois  die Katzen unkontrolliert vermehren. Oft-     sten nicht, wo Hilfe finden.

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Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO
Mitleid alleine hilft nicht                                               die Jungen einer wilden Katze erst einmal
                                                                          auf der Welt, kommt man kaum mehr an
Oft füttern Leute aus Mitleid gedankenlos                                 sie heran, und sie lernen von ihrer Mutter
wilde Katzen. Natürlich bringt es kein Tier-                              von klein auf das abweisende Verhalten ge-
freund übers Herz, die abgemagerte und                                    genüber Menschen. Sie einzufangen wird
seit Tagen vor dem Haus kläglich maun-                                    mit zunehmendem Alter immer schwieri-
zende Katze einfach sich selbst zu überlas-                               ger, und kaum sind sie geschlechtsreif, be-
sen. Beim Füttern einer zugelaufenen Kat-                                 ginnt der unausweichliche Teufelskreis.
ze sollte man jedoch vorsichtig sein. Üp-                                 Dass einmal Junge geworfen werden, ist
pig gefüllte Futterschälchen und Dauerfut-                                manchmal nicht zu verhindern, da wie er-
terplätze ziehen auch andere Katzen aus der                               wähnt nicht rechtzeitig festgestellt werden
Umgebung an. Es ist deshalb wichtig, sich                                 konnte, ob das Tier noch unkastriert ist be-
zu vergewissern, ob es sich wirklich um ein                               ziehungsweise vielleicht bei seinem Auftau-
herrenloses Tier handelt und man nicht je-                                chen bereits trächtig war. Doch man muss
mandem sein Tier «abfüttert». Es gibt näm-                                unverzüglich handeln und darf nicht war-
lich auch Katzen, die sich gerne an dem Ort                               ten, bis aus einer Katze ein ganzer Clan ge-

                                                                                                                            Foto: Martin Siegenthaler
mit dem grössten Nahrungsangebot nie-                                     worden ist. Sobald die Jungen zirka 10 Wo-                                    Im Tierheim
derlassen, obwohl sie ein Zuhause haben.                                  chen alt sind, muss die Mutter kastriert wer-                                 erstmals in
Stellt sich heraus, dass das Tier wirklich nie-                           den. Die Jungen im Alter von 6 Monaten,                                       Sicherheit
mandem gehört, ist gegen das Füttern an                                   unabhängig davon, ob sie weiterplatziert
sich nichts einzuwenden, vorausgesetzt                                    werden oder am Ort bleiben können. Dies
man ist bereit, die volle Verantwortung für                               ist ein weiterer wichtiger Punkt, der oft nicht
das Tier zu übernehmen. Dies bedeutet, sei-                               beachtet wird. Im Herbst bekommen wir
nen Gesundheitszustand im Auge zu behal-                                  immer wieder Anrufe von Leuten mit
ten und dafür besorgt zu sein, dass nicht                                 Schrebergärten oder von Campingplätzen.
laufend Junge zur Welt kommen.                                            Den Sommer durch erfreute man sich an
                                                                          den herzigen Büsi, aber nun wo der Winter

                                                                                                                            Foto: Nathalie Dubois
                                                                          vor der Türe steht und man selber wieder
«… und plötzlich waren
                                                                          vermehrt in der warmen Stube sitzt, sind                                      Ob mich
Junge da»
                                                                          die Tiere plötzlich sich selber überlassen.                                   jemand will ?
Ja, doch man habe schon gemerkt, dass die                                 Man sollte sich also frühzeitig Gedanken
Katze immer dicker und der Bauch immer
grösser wurde. Aber was soll man denn
machen? Dass der alte Nachbarskater da-
hinterstecken könnte, nein, das hätte man                                    Ausschau auf ein
nie gedacht. Der hat doch immer nur faul                                     neues Zuhause.
in der Sonne gelegen. Oder dass der eige-
ne Sohn, eines Tages die Mutter oder
Schwestern decken könnte: «Was das gibt
es?» Auch hier stecken Unwissenheit und
Naivität dahinter. Natürlich ist es nicht ein-
fach, festzustellen, ob eine weibliche Katze
bereits kastriert ist oder nicht. Gerade bei
wilden Katzen, die sich nicht anfassen las-
sen, ist dies fast nicht möglich (bei Katern
ist die Sache schon wesentlich einfacher
und auf den ersten Blick erkennbar). Der
grösste Fehler ist, darauf zu vertrauen, dass
sie es ist. Setzen Sie sich möglichst früh
mit einem Tierarzt oder dem Tierschutzver-
ein in der Nähe in Verbindung. Dort kann
man Sie beraten und allenfalls auch hel-
fen, das Tier einzufangen, um es gesund-
heitlich zu untersuchen und nötigenfalls zu
kastrieren. Handeln Sie aber auf jeden Fall,
                                                  Foto: Nathalie Dubois

sobald Sie den Verdacht haben, die Katze
könnte trächtig sein! Es ist enorm wichtig,
ein trächtiges Tier vor der Geburt der Jun-
gen in Obhut nehmen zu können. Denn sind

ProTier 3/05                                                                                                                                                            7
Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO
eingeschläfert werden, weil ihr
                                                                                                             gesundheitlicher Zustand sehr
                                                                                                             schlecht ist. Gerade bei jahrelanger
                                                                                                             Inzucht haben die Tiere oft degene-
                                                                                                             rativ bedingte, gesundheitliche
                                                                                                             Schäden wie zum Beispiel ein un-
                                                                                                             genügend funktionierendes Im-
                                                                                                             munsystem. Katzenschnupfen und
                                                                                                             andere Krankheiten verbreiten sich
                                                                                                             schlagartig. Bei einem Einsatz die-
                                                                                                             sen Sommer retteten wir unter an-
                                                                                                             derem junge 8 bis 10 Wochen alte
                                                                                                             Kätzchen, die unter schweren Infek-
                                                                                                             tionen litten. Beim einen konnte das
                                                                                                             Augenlicht gerade noch gerettet
                                                                                                             werden. Ein anderes hatte ein Auge
                                                                                                             bereits verloren und ist auf dem
                                                                                                             zweiten fast blind. Auch tote Junge

                                                                                 Foto: Martin Siegenthaler
                                                                                                             haben wir schon angetroffen.
Was uns die Zukunft
wohl bringen mag ?
                                                                                                             Kastrationgutscheine
                                                                                                             Um Leute, die sich um streunende
                                                                                                             Katzen kümmern, bei ihrer Freiwil-
machen, ob die Katzen überhaupt         Angst und Stress für die Tiere. Die                                  ligenarbeit zu unterstützen oder
längerfristig in der Umgebung blei-     «Katzeneltern» haben grosse Mühe,                                    Bauern für die Kastration ihrer Tie-
ben können. Und ob man bereit ist,      den Katzen ein, zwei Tage vor einer                                  re zu motivieren, geben ProTier
die Tiere über Jahre hin zu betreu-     Einfangaktion kein Futter mehr hin-                                  und verschiedene Sektionen des
en und wie viele Tiere vernünftig       zustellen. Dies ist jedoch eine wich-                                Schweizer Tierschutzes STS Kastra-
sind. Es ist nicht tiergerecht 20 und   tige Voraussetzung, die Tiere müs-                                   tionsgutscheine ab. Das heisst, sie
mehr Katzen zu horten, auch nicht,      sen hungrig sein, sonst gehen sie                                    beteiligen sich an den Kosten für
wenn sie draussen leben.                nicht in die Falle. Die Betreuer haben                               den Eingriff. Einige Tierärzte ge-
                                        dann grosses Mitleid beim Anblick                                    währen bei herrenlosen Tieren im
                                        eines völlig verschreckten Tieres in                                 Sinne eines persönlichen Beitrages
Stress und Krankheiten                  der Falle, haben die Tiere aber meist                                an den Tierschutz Spezialtarife oder
Eine zu grosse Katzenpopulation         Jahre lang verwahrlosen und ver-                                     kastrieren gar kostenlos. Mit den
bedeutet Stress und gesundheitli-       mehren lassen – ein Widerspruch,                                     von ProTier im letzten Jahr abgege-
che Risiken für die Tiere. Vielfach     der uns immer wieder auffällt.                                       benen Gutscheinen konnten rund
verliert der Betreuer die Übersicht        Sind die Katzen eingefangen, hat                                  700 unerwünschte Katzenbabys
und erkennt Krankheiten oft erst im     sich für die «Tierfreunde» das The-                                  verhindert werden. Entgegen der,
bereits fortgeschrittenen Stadium       ma meist schnell erledigt. Nicht                                     leider immer wieder auch unter ein-
oder wenn sich bereits mehrere Tie-     aber für uns, denn die grosse Fra-                                   zelnen Tierärzten verbreiteten Mei-
re angesteckt haben. Auch sind die      ge bleibt: «Wohin mit den Tieren?»                                   nung, es genüge nur, die Weibchen
finanziellen Kosten nicht zu unter-     Sind die Katzen einigermassen                                        zu kastrieren, plädiert ProTier auch
schätzen. Dies ist mit ein Grund,       zahm und gut sozialisiert, wird für                                  für die Kastration von Katern. Mit
warum viele Tiere nicht kastriert und   sie mittelfristig meist ein Platz ge-                                der Kastration von weiblichen Kat-
medizinisch versorgt werden, weil       funden. Sind sie aber wild und                                       zen ist nämlich nur das halbe Pro-
es bei grösseren Beständen schnell      scheu, sind sie praktisch unvermit-                                  blem gelöst. Es bringt unserer An-
einmal ins Geld geht. Viele Leute       telbar. Ein Leben im Tierheim ist für                                sicht nichts, nur die Weibchen zu
sind auch der Meinung, wenn sie         solche Tiere keine Lösung. Bei er-                                   kastrieren, denn Kater wandern
schon das Geld fürs Futter aufbrin-     wachsenen Tieren probieren wir,                                      dann einfach ab und treffen mit
gen, seien sie nicht auch noch ver-     wenn immer möglich, die für sie                                      grosser Wahrscheinlichkeit früher
pflicht, den Tierarzt zu bezahlen.      stressfreiste Lösung umzusetzen:                                     oder später an einem anderen Ort
Dies ist jedoch ein Irrtum. Denn sich   Sie werden kastriert und in ihrer                                    wieder auf unkastrierte Kätzinnen.
wilder Katzen annehmen, bedeutet,       angestammten Umgebung wieder                                         Das Problem wird dadurch also
wie bereits erwähnt, nicht einfach      freigelassen. Dies bedingt jedoch,                                   nicht konsequent gelöst, sondern
nur füttern, sondern auch Verant-       dass ihre Betreuung und Fütterung                                    nur verschoben. ProTier gibt des-
wortung übernehmen. Das Fangen          weiterhin gewährleistet ist. Immer                                   halb Kastrationsgutscheine für Tie-
mit der Falle bedeutet leider auch      wieder müssen Tiere leider auch                                      re beiderlei Geschlechts ab.       ■

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Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO
Indien will seine
                         letzten Tiger retten
Foto: Ulrike Kirsch

                      VON ULRIKE KIRSCH                      Jahres, dass der gesamte Tiger-                             50000 US-Dollar auf dem interna-
                                                             bestand im Sariska-Nationalpark                             tionalen Schwarzmarkt.

                      M
                                 it einer neuen Strategie    von Wilderern ausgelöscht wurde.                               Während offizielle Angaben den
                                 will Indien seine letzten   Naturschützer sprechen von einem                            Bestand in Indien mit etwa 3700
                                 Tiger retten: Ehemalige     Blutbad und befürchten, dass es                             Tigern beziffern, gehen Naturschüt-
                      Wilderer werden zu Wildhütern          in anderen der insgesamt 28 Tiger-                          zer von nur noch 2000 aus.       ■
                      ausgebildet. Ein regelmässiges,        reservate in Indien ähnlich düster
                      gutes Einkommen soll den Schutz        aussieht. Parkhüter und Antiwilde-
                      der Raubkatze für die Mitglieder des   rereinheiten sind miserabel aus-
                      Mannan-Stammes attraktiver als         gerüstet, sie besitzen weder Funk-
                      die Wilderei machen. Die etwa 500      geräte noch Jeeps oder geeignete
                      Mannan-Familien wurden am Ran-         Waffen, ganz zu schweigen von der
                      de des Tigerreservats Periyar ange-    schlechten Bezahlung. Fehlende
                      siedelt, um die Tiere zu schützen.     Koordination und Organisation,
                      Schon an die 150 Wilderer konnten      durchlässige Grenzen zu den Nach-
                      mit Hilfe der neuen Ranger dingfest    barstaaten sowie kaum abschre-
                      gemacht werden.                        ckende Strafen erschweren den
                          Doch angesichts der internatio-    Kampf gegen das lukrative Ge-
                      nal organisierten und mit moderns-     schäft. Ein einziger Tiger, dessen
                      ter Technik ausgerüsteten Wilderer-    Körperteile für die traditionelle asia-
                                                                                                       Foto: PT Archiv

                      banden erscheint dies nur als Trop-    tische Medizin, aber auch als
                      fen auf den heissen Stein. So ent-     Glücksbringer oder Luxusartikel
                      deckte man im Frühjahr dieses          verwendet werden, erzielt bis zu

                      ProTier 3/05                                                                                                                        9
Sinnlose Versuche-Affen leiden! - PRO
Tierschützer sind empört

             Depressions-

forschung
10
      mit Affen            ProTier 3/05
Von
                                                                         Petra Wessalowski

                                     A       n der ETH Zürich werden Weissbüscheläffchen
                                                 in derDepressionsforschung eingesetzt.
                                                 Tierschützer und Wissenschaftler kritisieren
                                                 das Projekt, bei dem Affenbabys im ersten
                                                 Lebensmonat immer wieder ihren Müttern
                                                 weggenommen werden. «Die Äffchen ste-
                                                 hen bei jeder Trennung Todesängste aus»,
                                                 sagt Susanne Scheiwiller von der Stiftung
                                                 Fonds für versuchstierfreie Forschung. Die
                                                 Tiere litten noch Monate später unter er-
                                                 höhtem Blutdruck und psychischen Verhal-
                                                 tensstörungen. Auch Beat Sitter-Liver, Mit-
                                                 glied der Primaten-Arbeitsgruppe, hält das
                                                 Projekt «für nicht vertretbar» (siehe Inter-
                                                 view). Bei der Untersuchung des Labors für
                                                 Verhaltensneurobiologie geht es um
                                                 Grundlagenforschung; der konkrete Nutzen
                                                 ist nicht klar. Was die Tierversuchsgegne-
                                                 rin Katharina Büttiker von Animal Trust be-
                                                 sonders empört: «Die Tiere leiden stark –
                                                 für nichts.» Die Studie wird mit Steuergel-
                                                 dern unterstützt; der Schweizerische Natio-
                                                 nalfonds (SNF) zahlt 335000 Franken an das
                                                 drei Jahre lang laufende Projekt. «Im Na-
                                                 men der Forschung werden Steuergelder
                                                 für fragwürdige Tierquälereien eingesetzt»,
                                                 sagt Norma Schenkel vom Schweizer Tier-
                                                 schutz. Seit Monaten verlangen der Tier-
                                                 schutz und die Ärzte für Tierschutz Auskunft
                                                 über die SNF-Projekte mit Tierversuchen.
                                                 Auf eine Anfrage der «SonntagsZeitung»
                                                 hiess es beim SNF, dass man diese Zahlen
                                                 nicht auf Anhieb nennen könne und eine
                                                 Aufstellung einige Zeit beanspruchen wür-
                                                 de. Zugeknöpft gibt sich auch der zuständi-
                                                 ge ETH-Institutsleiter Joram Feldon: Telefo-
                                              Foto: Pete Oxford/Arco

                       Der ETH-Versuch mit       nisch könne er keine Auskünfte über den
                                                 Versuch erteilen. Publik gemacht hat das
                Weissbüscheläffchen stösst       umstrittene Experiment letzte Woche der
               weitherum auf Unverständnis       «Tages-Anzeiger».

ProTier 3/05                                                                              11
Leiden noch Monate nach der
                                                                                                                       Trennung von der Mutter an
                                                                                                                           psychischen Störungen:
                                                                                                                              Weissbüscheläffchen

                                                                                                                                                           Foto: Wegner/Arco
                                                                         Der Gesuchsteller muss einverstan-      Für den Tierrechtsanwalt Antoine F.
                                                                         den sein – auch mit der Wahl des        Goetschel kommt ein weiteres Pro-
                                                                         Experten. «Hier wird es für mich zur    blem hinzu: «Ob ein Versuch tat-
                                                                         Farce, da in diesen Fällen mit Gefäl-   sächlich unerlässlich ist, beurteilt
                                                                         ligkeitsgutachten gerechnet werden      nur die Kommission, nicht aber ein
                                                                         muss», sagte Trachsel in einem In-      Gericht.» Die Belastung der Tierver-
                                        Foto: Dr. Dr. michael Schwibbe

                                                                         terview in einer Broschüre der Ver-     suchskommissionen wird immer
                                                                         einigung Ärzte gegen Tierversuche.      grösser. Wie die Statistik zeigt (sie-

                                                                                                        Tierversuche in der Schweiz

«Mit Gefälligkeitsgut-
achten muss gerechnet
werden»

Beim SNF ist die wissenschaftliche
Qualität des Affenprojekts unbestrit-
ten. Projekte mit Tierversuchen
werden nur unterstützt, wenn eine
Tierversuchsbewilligung vorliegt.
Die wird vom Kantonalen Veterinär-
amt erteilt, nach Begutachtung
durch die Tierversuchskommission.
Wie schwierig deren Arbeit ist,
zeigen Aussagen von Bernhard
Trachsel, Geschäftsführer des Zür-
cher Tierschutzes und ehemaliges
Kommissionsmitglied. Wegen des
Amtsgeheimnisses könnten vor der
Bewilligung eines Experiments nicht
einfach Fachleute angefragt werden.

12                                                                                                                                          ProTier 3/05
he Grafik), nimmt die Zahl der be-                                              Tierversuche 2004: Statistik ist falsch!
willigungspflichtigen Tierversuche
seit dem Jahr 2000 stetig zu, insbe-                               Im vergangenen Jahr wurden weit mehr Tierversuche durchgeführt, als in der
sondere die schwerstbelastenden.                                   offiziellen Statistik des Bundes aufgeführt sind. Die Kantonstierärztin des Kan-
An den Hochschulen und Spitälern                                   tons Zürich, Regula Vogel, hat allein für ihren Kanton eine Abweichung von
haben die Tierexperimente letztes                                  einigen Tausend Tieren, die in der Statistik nicht ausgewiesen sind, festgestellt.
Jahr um knapp zehn Prozent zuge-                                   Eine Nachkontrolle beim Luzerner Veterinäramt ergab ebenfalls eine Abwei-
legt. «Die Gentechnologie eröffnet                                 chung von den gemeldeten Daten. Einige Kantone geben ihre Daten nach Bern
neue Forschungsgebiete und macht                                   weiter, ohne selbst Statistiken zu erstellen, was eine nachträgliche Überprü-
den Tierversuch auch für neue Wis-                                 fung durch die kantonalen Veterinärämter erschwert oder gar verunmöglicht.
senschaftszweige interessant», sagt                                Seit 2000 werden jedes Jahr mehr Tiere in Versuchen eingesetzt. Es stellt sich
Markus Tinner, wissenschaftlicher                                  nun die Frage, wurde in Bern einfach geschlampt, oder ist die Anzahl der Ver-
Mitarbeiter des Zürcher Tieranwalts.                               suchstiere bewusst gefälscht worden? Eine Antwort ist das Bundesamt für Ver-
Weiteres Tierleid droht durch einen                                terinärwesen noch schuldig. Der zuständige Beamte weilte in den Ferien.
EU-Beschluss, der auch die Schweiz                                 Für Aussenstehende ist eine Überprüfung der kantonalen Zahlen nicht mög-
betrifft. 30000 bereits zugelassene                                lich. Mit Ausnahme des Kantons Basel-Stadt, der die Zahlen im Internet publi-
Stoffe müssen in den nächsten Jah-                                 ziert, macht kein Kanton die Zahlen öffentlich einsehbar.
ren getestet werden.              ■

«Dieser Versuch ist nicht vertretbar»
Philosoph Beat Sitter-Liver über                                   Der Wissenschaftler argumentiert,         und Bonobos, sollen nicht mehr
den Wissensgewinn durch die                                        dass er Grundlagenforschung               zulässig sein. Die Verwandtschaft
                                                                   macht und die Erkenntnisse nicht          zum Menschen ist zu gross.
Schädigung anderer.
                                                                   voraussehbar sind.
                                                                   Das ist das Wesen der Grundlagen-         Werden Ihre Empfehlungen auch
                                                                   forschung, und das wird ihr auch          die Projektvergabe des Schweizeri-
Das umstrittene Affenexperiment                                    zugestanden. Doch wenn man an-            schen Nationalfonds (SNF) beein-
hat dazu geführt, dass auf Bundes-                                 dere schädigen muss, um ans Ziel          flussen?
ebene eine Arbeitsgruppe Empfeh-                                   zu gelangen, gilt der Grundsatz,          Es wäre wünschenswert, wenn un-
lungen für die künftige Forschung                                  dass man auf den Wissensgewinn            sere Überlegungen im Umgang mit
mit Primaten ausarbeitet. Mitglied                                 verzichten muss. Dahinter steckt ein      Primaten berücksichtigt würden.
ist auch Beat Sitter-Liver. Er ist Pro-                            Prinzip: Schaden zu vermeiden, hat        Doch bereits bei der Stammzellen-
fessor für praktische Philosophie                                  Vorrang vor dem Willen, Gutes zu          diskussion sagte der SNF klar: Die
an der Universität Freiburg i.Ü.                                   tun.                                      Forschung ist schneller als die Po-
und sitzt in der Eidgenössischen                                                                             litik. Das ist problematisch, weil sie
Ethikkommission für die Biotech-                                   Sie sind beteiligt an der Ausarbei-       sich damit der öffentlichen ethi-
nologie im Ausserhumanbereich                                      tung ethischer Überlegungen für           schen und politischen Auseinander-
(EKAH). Er kennt das ETH-Affen-                                    Tierversuche mit Primaten. Was            setzung entzieht.
projekt genau.                                                     empfehlen Sie?
                                                                                                             Interview: Petra Wessalowski
                                                                   Belastende und schädigende Versu-
Herr Sitter, wieso kritisieren Sie die                             che mit Menschenaffen, also Goril-         Abdruck Artikel und Interview mit Ge-
ETH-Affenstudie?                                                   las, Schimpansen, Orang-Utans              nehmigung der «SonntagsZeitung».
Beim Projekt geht es um das kom-
plexe Phänomen der Depression.
Aus der Studienanlage geht nicht
hervor, ob ein wichtiger therapeu-
tischer Erfolg für Menschen resul-
tiert. Weissbüscheläffchen sind
empfindsame Tiere, und sie werden
schwer geschädigt – lebenslang. In
dieser Unsicherheit ist bei einer
                                          Foto: Raimond Spekking

Güterabwägung das Gewicht ein-
deutig auf der Seite des betroffenen
Tieres. Deshalb ist das Projekt nicht
vertretbar.

ProTier 3/05                                                                                                                                       13
Alternativmedizin

Tiere beweisen es:
Die Homöopathie wirkt
Ist die Wirkung der Homöopathie Einbildung oder nicht? Beim
Menschen mag sich die Frage noch stellen. Beim Tier nicht:
Homöopathie wirkt. Sonst würden sie nicht unzählige Tierärzte
und Tierhalter erfolgreich anwenden.

VON HANS P ETER ROTH                 Fragen zur Behandlung ihrer Tiere.
                                     Die meisten von ihnen haben Vor-

D
       en Telefonhörer zwischen      träge besucht und besitzen eine von
       Schulter und Kopf einge-      Homöopharm extra zusammenge-
       klemmt, den Blick auf den     stellte Tierapotheke. Diese enthält
Bildschirm. So sitzt André Acker-    die 40 wichtigsten homöopathi-
mann, seit 1997 Inhaber der Ho-      schen Mittel für Tiere, die aber glei-
möopharm AG in Oensingen, im         chermassen auch zur Behandlung
Büro. «Seit wann verhält sich Ihr    von Menschen einsetzbar sind.
Kalb unruhig? … Welche Verände-          Als Drogist und gleichzeitig
rungen stellen Sie noch fest? …      gelernter Landwirt spricht André
Und welche äusseren Einflüsse ver-   Ackermann «die Sprache der Bau-            André Ackermann, Geschäftsführer
schlimmern die Symptome?» Seit       ern». Das erleichtert die Beratung.           der Homöopharm AG, stellt die
er in den Wintermonaten landes-      «Dieser Teil der Arbeit rentiert we-            hauseigene Tierapotheke vor.
weit Seminare für Landwirte zum      der für mich noch für die Firma»,
Thema Homöopathie gibt, rufen        sagt er. «Da ist einfach Herzensblut
täglich Menschen an. Sie haben       dabei. Die Freude am Tier, an der        Sie wurde zu einem wissenschaft-
                                     Landwirtschaft und der Respekt für       lich begründeten Heilsystem mit
                                     alle, die sich für gesunden Landbau      streng verbindlichen Vorschriften
                                     einsetzen. Denn die Gesundheit ei-       für ihre Anwendung, mit uneinge-
                                     nes Landes ist abhängig von der          schränkter Gültigkeit bis heute. Das
                                     Gesundheit des Volkes. Und für ein       durch Samuel Hahnemann wieder-
                                     gesundes Volk ist eine gesunde           entdeckte Heilprinzip lautet: «Ähn-
                                     Landwirtschaft ganz wichtig.»            liches werde durch Ähnliches ge-
                                                                              heilt» – auf lateinisch: «Similia si-
                                                                              milibus curentur.»
                                     Ähnliches heilt Ähnliches
                                                                                  Durch die Verabreichung des
                                     Was ist Homöopathie? Mit Hilfe           passenden homöopathischen Heil-
                                     mutiger Selbstversuche entwickel-        mittels beim kranken Menschen,
                                     te der deutsche Priesterarzt und         Tier oder einer Pflanze werden die
                                     Rosenkreuzer Dr. Samuel Hahne-           Lebensgeister geweckt; der innere
                                     mann (1755 – 1843) vor über 200          und äussere Heilungsprozess
                                     Jahren die moderne Homöopathie.          kommt in Gang. Doch warum und
                                                                              wie genau die Homöopathie wirkt,
                                                                              ist bis heute umstritten. Selbst füh-
                                                                              rende Homöopathiehersteller und
                                                                              Dozenten für Homöopathie prokla-
                                     Biobäuerin Erika Saurer setzt            mieren immer wieder, die Wir-
                                     bei ihren Tieren häufig                  kungsweise der Homöopathie sei
                                     homöopathische Mittel ein.               unbekannt.

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Tiere sprechen                                            Wirkungsweise der Homöopathie
extrem gut an
Warum reagieren Tiere besonders
                                                            «Die Menge machts»
gut auf die Behandlung mit Homöo-       Dieser Lehrsatz stammt vom Schweizer Priesterarzt und Magier Paracelsus. Er
pathika? Tiere haben ja bekanntlich     formulierte auch den Satz «Similia similibus currentur». Die Menge ist also ebenso
keinen «Glauben», der sie eventu-       von Bedeutung, ob etwas heilsam, neutral oder krankmachend wirkt. Das haben
ell placebo-mässig heilen könnte        ernsthafte Heilmittelhersteller erkannt und stets beachtet. Dabei erkannten sie,
(«Placebo» = die Macht des Glau-        dass eine geringe Dosierung oft eine höhere Heilwirkung erzielte, als eine hohe
bens beim Menschen!). Trotzdem          Dosierung. Ähnliches stellt übrigens die Schulwissenschaft bezüglich der Hor-
wenden unzählige Tierärzte und          mone fest. Die Homöopathen gingen noch weiter: Sie verdünnten Heilmittel über
private Tierhalter Homöopathie mit      die Grenze der molekularen Nachweisbarkeit hinaus – und stellten eine noch-
Überzeugung an. Die Praxis bestä-       mals erhöhte Wirksamkeit fest. Allerdings nur, wenn die entsprechenden Heil-
tigt jedoch eindeutig ihre Wirksam-     mittel zuvor «potenziert» wurden. Potenzieren bedeutet, durch «Erschlagen» der
keit (siehe Kasten).                    Ursubstanz, die «Wesensart» der Ursubstanz rein energetisch-informativ in ei-
    «Wenn die Homöopathie auch          nen neutralen Träger, zum Beispiel ein Wasser-Alkohol-Gemisch, zu übertragen.
bei Tieren und Pflanzen wirkt, so ist   Dort wirkt sie dann – bar aller Ursubstanz – nicht mehr giftig, sondern heilsam.
dies ein direkter Wirkungsnach-         Von diesen Potenzen muss naturgemäss nur wenig verwendet werden, um einen
weis», erklärt der Priesterarzt Felix   Heilprozess auszulösen. Die Wesensart dieser Heilmittel regt die Selbstheilungs-
Gastpar. «Auch wenn viele Schul-        kräfte in Mensch, Tier usw. an und weckt also die Lebensgeister wieder. (ak)
wissenschaftler solche Tatsachen
hartnäckig anderen Umständen zu-
schreiben, welche die Heilung an-       sie weder schädliche Substanzen,           scher Erfahrungswert. Seit gerau-
geblich bewirkt hätten.» Deshalb ist    noch Nebenwirkungen hinterlas-             mer Zeit ist für sie die Anwendung
aus seiner Sicht die Behandlung         sen. Denn was nützen tierische Bio-        der Homöopathie fester Bestandteil
von Tieren, Pflanzen für die Homöo-     Produkte, wenn die Tiere mit che-          im Umgang mit Tieren: «Immer
pathie, oft eine dankbarere Sache,      mischen Mitteln behandelt werden,          wieder bin ich erstaunt über die
als die Behandlung evolutionsun-        deren Rückstände sich in Milch,            Wirkung homöopathischer Heilmit-
williger Menschen.                      Fleisch, usw. anreichern? Daher un-        tel. Seit anderthalb Jahren brau-
                                        terstehen homöopathische Heilmit-          chen wir keinen Tierarzt mehr,
                                        tel auch nicht der seit 1. Juli in Kraft   wenn bei den Kälbern eine Nabel-
Neue Tierarzneimittel-
                                        gesetzten Tierarzneimittel-Verein-         entzündung auftritt. Wir behandeln
Vereinbarung
                                        barung. Diese schreibt vor, «dass          die Kälber mit Arnica C30, und das
Am Beispiel der biologischen Land-      alle Medikamente mit Einfluss auf          nützt. Wichtig ist, dass wir unsere
wirtschaft wird der Nutzen der Ho-      die Genusstauglichkeit von Fleisch,        Tiere gut kennen und beobachten.»
möopathie besonders deutlich, weil      Milch, Eiern (Antibiotika, Medizinal-      Erst so finde man das richtige Heil-
                                        konzentrate wie z. B Cas 45K, die          mittel für ein erkranktes Tier heraus.
                                        meisten Euterpräparate, Beruhi-            Ihr Fachwissen erwarb Erika bei ei-
                                        gungs- und Entwurmungsmittel so-           nem Kurs von André Ackermann.
                                        wie alle anderen TAM mit Absetz-           Durch Fachliteratur bildet sie sich
                                        fristen) nur noch nach einem Be-           aber stets weiter. «Ausgelernt hat
                                        triebsbesuch oder bei Kenntnis des         man nie», sagt sie. Dies gilt für alle,
                                        Gesundheitszustandes der zu be-            die sich auf den Weg der Homöo-
                                        handelnden Tiere oder Tiergruppen          pathie begeben.                      ■
                                        abgegeben werden dürfen.» Alle
                                        Bauern müssen somit die verab-
                                        reichten Medikamente notieren und            Weitere Infos:
                                        dürfen gewisse Mittel nur nach ei-           • Ratgeber «Homöopathie für
                                        ner Voruntersuchung eines Tierarz-             Tiere»: bestellbar bei Homöo-
                                        tes einsetzen – ausser Homöopa-                pharm,
                                        thika.                                         Werkhofstr. 13, 4702 Oensingen,
                                                                                       Tel. 062 388 32 20.
                                                                                       Siehe auch unter
                                        Praktische Erfahrung
                                                                                       www.homoeopharm.ch
                                        Dass der Einsatz homöopathischer             • Buch «Wesen und Signatur der
                                        Heilmittel die Lebensgeister weckt             Heilpflanzen», von Roger Kalb-
 Rosemarie Herren gibt Hündin Farah     und die Krankheit letztlich der Ge-            ermatten (Ceres Heilmittel AG,
   Silicea, ein homöopathisches Auf-    sundheit weichen muss, ist auch für            Kesswil), AT-Verlag, Baden,
                           baumittel    Bio-Bäuerin Erika Saurer prakti-               2003

ProTier 3/05                                                                                                            15
Biber und Otter
als Botschafter

Fischotter
                                                                                                             Biber

                                            Seit Ende Mai ist die Biber- und Fischotteranlage im Naturzentrum
                                            Sihlwald eröffnet. Die Anlage unterstreicht die Zusammengehörig-
                                                  keit von Sihlwald und Wildpark Langenberg. Sie steht für den
                                              Beginn einer gemeinsamen Entwicklung zu einem national aner-
                                              kannten Naturerlebnispark. Vor allem aber soll sie das Bewusst-
                                              sein der Bevölkerung für den Lebensraum Wasser vertiefen, der
                                                 Aufklärung und dem besseren Verständnis gegenüber seinen
Foto: Daniel Hubacher
                                                                          verschiedensten Bewohnern dienen.

                   G leich zwei einheimische Säugetiere erhalten
                         mit der naturnahen Anlage die Möglichkeit,
                         das Interesse der Bevölkerung auf sich zu
                         ziehen und für ihre Artgenossen in freier
                         Wildbahn zu werben. Der in der Schweiz
                         ausgestorbene Fischotter steht für die Be-
                                                                       milienverband normal. Für Fischotter ist
                                                                       dies eher ungewöhnlich, sie leben nur zu
                                                                       zweit und ausserhalb der Paarungszeit sind
                                                                       sie eher Einzelgänger. Weil mehr als ein
                                                                       Paar im Gehege gehalten werden kann, ist
                                                                       eine bessere Beobachtbarkeit gewährlei-
                         drohung einer Tierart, der Biber als Land-    stet. Die Anlage gliedert sich in zwei Teile.
                         schaftsgestalter vor allem für ursprüngli-    Der Teil für die Fischotter ist direkt mit der
                         che Dynamik. Die fünfköpfige Familie des      Sihl verbunden. Durch einen Sickerdamm
                         Europäischen Bibers stammt aus dem Tier-      wird er mit Sihlwasser gespeist. Der Teil
                         garten Nürnberg. Die vier Fischotter lebten   für die Biber liegt oberhalb. Das Wasser für
                 von     zuvor im Wildpark Schorfheide nördlich        die Biberanlage wird aus dem unteren An-
      Nathalie Dubois    von Berlin. Bei Bibern ist das Leben im Fa-   lageteil hoch gepumpt. Die gesamte Anla-

16                                                                                                        ProTier 3/05
ge hat eine Fläche von 2665 m2, davon ste-
                        hen den Bibern 1134 m2 und den Fischot-
                        tern 1531 m2 zur Verfügung.

                        Spannende Suche
                        Wer die Tiere beobachten will, braucht al-
                        lerdings etwas Geduld. Da die Fischotter
                        über den ganzen Tag immer wieder aktiv
                        sind, bekommt man mit etwas Glück schon
                        bald den einen oder anderen zu Gesicht.

                                                                       Foto: Wildpark Langenberg
                        Faszinierend sind dabei vor allem die Ele-
                        ganz, mit der sie sich im Wasser bewegen
                        und ihre unglaubliche Wendigkeit. Die Bi-                                    Biber
                        ber dagegen sind bei warmen Temperatu-
                        ren hauptsächlich in den Randstunden zu
                        beobachten, am besten in der Abenddäm-
                        merung. Derweil hat man Zeit, den oberen                                   schätzt man seinen Bestand auf etwa 500
                        Teil der Biberburg, welcher zur Tarnung der                                Tiere. Verschiedene Informationstafeln er-
                        eigentlichen «Wohnung» dient, ausführlich                                  klären, was zur Ausrottung dieser beiden                                I N F O
                        zu studieren. Wer findet den Eingang zum                                   Tierarten führte. Zum einen stand die Jagd                              Öffnungszeiten
                        Biberbau? Erst nach längerem Hinsehen                                      auf die begehrten Pelze im Vordergrund.                                 Naturzentrum Sihlwald
                        kann man ihn erkennen: Er befindet sich                                    Aber auch das Konkurrenzdenken in Bezug                                 (Ausstellung):
                        nämlich unter Wasser. Und schon ist man                                    auf Fischfang hinterliess blutige Spuren.                               21. März bis
                                                                                                                                                                           Ende Oktober
                        auf den Trick hereingefallen, den sich der                                 Dies traf vor allem den Fischotter, aber auch
                                                                                                                                                                           • Dienstag bis Samstag
                        Biber zum Schutz vor Feinden hat einfallen                                 der Biber wurde nicht geschont, obwohl er                                  12.00–17.30 Uhr
                        lassen.                                                                    Vegetarier (!) ist. Auch die, lange von Aber-                           • Sonntag
                                                                                                   glauben beeinflusste, Medizin hat ihren Teil                               9.00–17.30 Uhr
                                                                                                   zur Dezimierung der Tierbestände beigetra-                              • Montag geschlossen
                        Wissenswertes übersichtlich
                                                                                                   gen. Nicht zu unterschätzen ist zudem der
                        vermittelt                                                                                                                                         Die Aussenanlagen sind
                                                                                                   Einfluss von Umweltverschmutzung sowie
                        Der Fischotter gilt in der Schweiz seit 1989                               der Verlust und die Zerstückelung von Le-                               das ganze Jahr über
                                                                                                                                                                           zugänglich.
                        als ausgestorben. Der Biber verschwand                                     bensraum. Wer sein Wissen vertiefen
                        Anfang des 19. Jahrhunderts von der Bild-                                  möchte, hat im Naturzentrum die Gelegen-
                        fläche. Seit seiner Wiederansiedlung                                       heit dazu. Die begleitende Ausstellung ver-
                                                                                                                                                   Foto: Nathalie Dubois
Foto: Nathalie Dubois

                                                                                                                                                                                      Unverkennbare
                                                                                                                      Biberanlage im Sihlwald                                         Biberspuren

                        ProTier 3/05                                                                                                                                                           17
mittelt umfangreiches Wissen über die Ei-
                                                                        genheiten und die Lebensweise von Biber
                                                                        und Fischotter im Jahreszyklus.
                                                                            Die Realisierung dieses Naturprojektes
                                                                        ist dem Einsatz einer breiten Trägerschaft
                                                                        zu verdanken: Vereinigung Pro Sihltal, Stif-
                                                                        tung Naturlandschaft Sihlwald, Standortför-
                                                                        derung Zimmerberg-Sihltal, Pro Natura
                                                                        Zürich, Gesellschaft zur Förderung des Wild-
                                                                        parks Langenberg, Grün Stadt Zürich sowie
                                                                        private Donatoren haben sich an der Finan-
                                                                        zierung beteiligt. Dank dem Engagement
                                                                        und dem Sponsoring dieser Institutionen,
                                                                        deren gemeinsames Ziel die Erhaltung und
                                                                        Förderung der Umweltqualität ist, konnte
                                   Fischotter                           dieses Projekt verwirklicht werden.       ■

                                   Otter                                                       Fühlt sich wohl in
                                                                                               der neuen Anlage
Foto: Naturzentrum Sihlwald

                                   Infotafel im Naturzentrum Sihlwald
Foto: Nathalie Dubois

                              18                                                                         ProTier 3/05
Bücherskorpion

Jäger zwischen
Buchdeckeln
Skorpione, die mit ihren Zangen          tet. Obwohl im Aussehen den Skor-
                                         pionen ähnlich, besteht scheinbar                          Bücherskorpion
zwischen Buchseiten auf Beute
                                         keine nähere Verwandtschaft zu ih-
lauern? In der Schweiz? Das              nen. Pseudoskorpione sind eine
gibts. Und zwar bei weitem nicht         Ordnung der Kieferklauenträger
nur in Harry-Potter-Büchern!             und zugleich der Spinnentiere.
                                         Weltweit sind rund 3000 Arten be-       Von hier stürzt das Tierchen in den
                                         kannt, davon leben etwa 100 Arten       Abgrund … Einen Meter tiefer, auf
ANANDA KUNZ                              im europäischen Raum.                   dem Holzboden, flieht es blitz-
                                         Wie sein Name besagt, lebt der          schnell in den nächsten Spalt. Da-

E
       ndlich gefunden. Das alte         Bücherskorpion in Menschennähe,         bei kommt ihm seine flache Körper-
       Heilkräuterbuch. Zuhinterst       vornehmlich zwischen alten Bü-          form zugute. Wer den Bücherskor-
       in der Dachkammer, verges-        chern. Dort findet das 2,5 bis 5 Mil-   pion aus nächster Nähe beobach-
sen, verstaubt. Spannung. Ist noch       limeter kleine «Raubtier» seine         ten will, muss nicht unbedingt in
lesbar, was einst niedergeschrie-        Lieblingsbeute, die Staublaus. Im       alten Büchern schmökern. Man fin-
ben? Doch beim Aufschlagen offen-        Notfall begnügt er sich auch mit        det ihn auch auf Abfall- und Kom-
bart das über 70-jährige Buch ein        anderen winzigen Insekten und           posthaufen oder zwischen Spalten
ganz eigenes Geheimnis: Plötzlich        Spinntieren, zum Beispiel Hausmil-      und Ritzen.
krabbelt ein kleines, flaches, braun-    ben. Die Beute wird mit zwei so
gefärbtes Tierchen über eine Buch-       genannten Pedipalpen – Scheren –
                                                                                 Skorpione in der
seite. Dies mag ja noch nicht un-        gepackt. In die Scherenspitze mün-
                                                                                 Schweiz
gewöhnlich sein. Kommt man dem           den Giftdrüsen, mit deren Hilfe der
4,5 mm kleinen Tierchen jedoch           kleine Jäger die Opfer tötet. Für den   Gemäss de Lessert’s Catalogue des
nahe, geht es in Drohstellung, wie       Menschen ist der Bücherskorpion         Invertébrés de la Suisse, sind in der
ein Krebs – oder wie ein Skorpion!       völlig harmlos.                         Schweiz drei echte Skorpionarten
Auf acht Beinchen bäumt es sich                                                  heimisch:
auf, verteidigt sich kühn mit zwei an-                                           • der Italienische (Euscorpius Ita-
                                         Flucht in den Abgrund
sehnlichen Klemmscheren und ver-                                                    licus),
sucht seitwärts auszuweichen. Statt      Nach einigem Imponiergehabe             • der Deutsche (Euscorpius Ger-
Lektüre eine handfeste Begegnung         wechselt unser Bücherskorpion die          manus) und –
mit einem Skorpion, in der kühlen        Taktik. Der Buchrand ist nicht weit.    • der Caporiacco-Skorpion (Eu-
Deutschschweiz? Das kommt un-                                                       scorpius. alpha di Caporiacco).
erwartet. Einziger äusserlicher Un-                                              Die echten Schweizer Skorpione,
terschied zu herkömmlich bekann-                                                 deren Stich sehr schmerzhaft aber
ten Skorpionen ist der fehlende Gift-                                            nicht lebensgefährlich ist, be-
stachel und die Grösse.                                                          schränken sich auf die warmen
                                                                                 Südtäler im Tessin, Bündnerland
                                                                                 und Wallis. Einige ihrer Lebensräu-
Kein Fabeltier
                                                                                 me in der Schweiz sind bedroht
Im Gegensatz zum Bücherwurm ist                                                  durch zunehmende Überwachsung
der Bücherskorpion (lat. Chelifer                                                und durch menschliche Bautätig-
cancroides) kein Fabeltier. Der in                                               keit. (hpr)                        ■
Mitteleuropa bekannteste Vertreter
der so genannten Pseudoskorpio-
ne ist in der Schweiz weit verbrei-                           Pseudoskorpion      Infos: www.arachnodata.ch

ProTier 3/05                                                                                                       19
Braunbär in der Schweiz

Meister Petz kehrt
zurück

Er ist willkommen in der Schweiz. Doch der erste
Einwanderer aus Norditalien wurde Ende Juli
von Touristen und Journalisten regelrecht
bedrängt und verfolg. Mit solchem Verhalten
leisten die Gaffer sich und dem Wildtier einen
Bärendienst.

20                                                 ProTier 3/05
VON HANS P ETER ROTH

B
        ärenstark. «Schweiz im Bä-
        renfieber.» «Gut gemacht,
        Bär.» «Bündner Braunbär
füllt die Gästebetten.» Oder: «Wir
sind wieder Bär.» Dies einige der
reisserischen Schlagzeilen über den
neuen «Lieblingsimmigranten», der
Ende Juli die halbe Schweiz in Auf-
ruhr versetzte. Das Erfreuliche:
Wildlebende Braunbären sind in
der Schweiz offensichtlich wieder
willkommen – sogar obwohl der
erste zottige Einwanderer, kaum in
der Schweiz angekommen, schon
mal ein Kalb riss. Das war nicht
immer so. Noch vor wenigen Jahr-
zehnten wären wilde Bären in der
                                       «Während mehrerer Tage hielt er           Jagdinspektor Georg Brosi aus re-
Schweiz kaum geduldet worden. Im
                                       sich in der Nähe der Passstrasse          lativ grobem Plastikschrot, ähnlich
18. und 19. Jahrhundert wurde
                                       auf. Das ist sehr untypisch für ei-       dem Material, das die Polizei bis-
Meister Petz in der Schweiz als
                                       nen wilden Bären, dersich norma-          weilen gegen Demonstranten ver-
«Schädling» erbarmungslos gejagt.
                                       lerweise von Menschen fern hält.          wendet.
1904 wurde der letzte Bär in Scarl
                                       Durch die zahlreichen Schaulusti-             Hatte der pelzige Einwanderer
GR erlegt. Gut 100 Jahre später ist
                                       gen gewöhne sich der Bär mögli-           etwas von der Absicht geahnt?
nun der erste wilde Braunbär wie-
                                       cherweise noch stärker an die Men-        Jedenfalls blieb er einige Tage
der im Bündnerland angekommen.
                                       schen, gibt Roth zu bedenken. «Es         unsichtbar. Danach wurde er im
                                       wird nicht einfach für ihn, hier zu       Münstertal weit ab von Häusern
Getrübte Freude                        leben.»                                   und Strassen gesehen. Bleibt die
                                                                                 Hoffnung, dass sich nach den Som-
Doch die Freude an seiner Rückkehr
                                                                                 merferien der Rummel legt und sich
wurde schon in den ersten Tagen        Wo steckt er jetzt?
                                                                                 das Tier in Ruhe einen Platz für sei-
getrübt. «Nachdem sie vom Bären
                                       Schliesslich beschlossen die Bünd-        nen Winterschlaf suchen kann. Ob
gehört haben, besuchten viele Men-
                                       ner Jagdbehörden, dem Rummel              er diesen in der Schweiz hält, ist al-
schen den Nationalpark, in der Hoff-
                                       um den Bären ein Ende setzen. Mit         lerdings ungewiss.                  ■
nung das Tier zu sehen. Im Müns-
                                       Gummischrot sollte er aus der
tertal waren alle Hotels ausge-
                                       Nähe von Menschen vertrieben
bucht», sagt Peter Roth, Wildhüter                                               ProTier heisst Meister Petz in der
                                       werden. Internationale Bärenspe-
des Nationalparks im Engadin. Die                                                Schweiz willkommen und wünscht
                                       zialisten hätten zu einer so genann-
Besucherzahlen des Nationalparks                                                 ihm weder durch Jagdbehörden,
                                       ten Vergrämungsaktion geraten.
schnellten Anfang August um 20                                                   aufdringliche Touristen, noch durch
                                       Die Munition, die dafür verwendet
Prozent in die Höhe. Das allein mag                                              unbedachte Menschen Ungemach.
                                       wird, besteht laut dem Bündner
ja in Ordnung sein. Doch es konnte
nicht anders kommen: Unvorsich-
tige Touristen näherten sich dem
Bären immer wieder in völlig unver-                         Slowenischer Einwanderer?
antwortlicher Weise. Damit beläs-
tigten sie nicht nur das wilde Tier,   In den Trentiner Alpen unweit der Schweizer Grenze haben die letzten ursprüng-
sondern brachten auch sich selbst      lichen Braunbären überlebt. Der Bestand war aber zu klein, um selbständig über-
in Gefahr, zum Ärger der Mitarbei-     leben zu können. Deshalb wurden zwischen 1999 und 2002 zehn Braunbären
ter des Amts für Jagd und Fische-      aus Slowenien im Naturpark Adamello Brenta angesiedelt. Die Strecke zwischen
rei Graubünden.                        dem Trentino und der Schweizer Grenze (Bündner Alpen) ist kurz und für einen
Besonderes Kopfzerbrechen berei-       Bären in wenigen Nächten zu schaffen. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit,
tete der Umstand, dass der Bär, der    bis sich der erste Bär in Richtung Schweiz auf den Weg macht. In der Schweiz ist
erstmals am Ofenpass im Gebiet         der Bär geschützt. Allfällige Schäden würden von Bund und Kantonen vergütet.
des Nationalparks im Münstertal        Studien zeigen: In der Schweiz gibt es durchaus günstigen Lebensraum für Meis-
gesichtet worden war, wenig Scheu      ter Petz. Letztmals wurde ein Bär in der Schweiz im Jahre 1923 im Nationalpark
vor Menschen zeigte. «Das ist aus-     kurz gesichtet. In den österreichischen Alpen leben bereits wieder gegen 30 Braun-
sergewöhnlich», sagt Peter Roth.       bären. (hpr)

ProTier 3/05                                                                                                          21
Autobahnen

Zäune schützen
Tiere – und Menschen

Zäune pferchen Tiere nicht nur ein. Sie können
sie auch schützen. Zum Beispiel davor, sich auf
die Autobahn zu verirren. In der Schweiz sind
Wildschutzzäune eine Erfolgsgeschichte – mit
Vorbildwirkung für die USA.

HANS PETER ROTH                          den auch massive Schäden an Fahr-
                                         zeugen sowie verletzte und tote

M
           it einigem Grauen berich-     Menschen.
           tet Markus Bütikofer über
           das, was er auf der Feri-
                                         Zäune für 2,3 Millionen
enreise in Florida erlebte. Unzähli-
ge überfahrene Tiere auf und ent-        In der Schweiz sind Wildschutzzäu-     dem wandern können, sind an ei-
lang der grosszügig angelegten           ne entlang der Autobahnen seit         nigen Autobahnabschnitten mittler-
Autobahnen des südlichen US-             über 30 Jahren buchstäblich gesetz-    weile Wildwechselbrücken errichtet
Bundesstaates. Tote Waschbären,          lich verankert. Beschädigte oder       worden.
Füchse, Stinktiere, Biber, Beuteltie-    löchrig gewordene Zäune werden
re, viele Reptilien, aber auch Katzen,   regelmässig ersetzt. Rund 40 Kilo-
                                                                                Vorbild für die USA
Hunde und andere Haustiere. Nicht        meter Maschendrahtzaun, Metall-
selten auch grosse Wildtiere wie         zaunpfosten und Amphibienschutz-       Heute sind die westeuropäischen
Rehe. Mehr und mehr zerschneiden         gitter werden derzeit entlang der A6   Autobahnen zum grossen Teil ein-
Highways und andere Bauten die           und A12 erneuert, für insgesamt 2,3    gezäunt. Die USA sind noch nicht
natürlichen Lebensräume im wald-         Millionen Franken. Ist es das wert?    so weit. Doch hat man nun im Land
und sumpfreichen Sonnenstaat.            «Auf jeden Fall», betont Claudio       der unbegrenzten Möglichkeiten da-
Weil die Strassen die Wanderrou-         Stöckenius, Werkhofchef des Auto-      mit begonnen, Zehntausende von
ten der Tiere kreuzen, kommt es zu       bahnwerkhofs Bern: «Gute Schutz-       Autobahnkilometern mit Zäunen zu
den unvermeidlichen Kollisionen.         zäune haben eine ganz wichtige         schützen. Denn auch in den USA hat
Für das Tier enden sie meist töd-        Funktion. Sie verhindern, dass Rehe    sich mittlerweile die Erkenntnis
lich.                                    und andere Tiere auf die Fahrbahn      durchgesetzt, dass Zäune nicht nur
Die schrecklichen Zusammenstös-          gelangen.» In den 60er Jahren, als     Tiere vor den Autos schützten, son-
se könnten durchaus vermieden            die Schweizer Autobahnen noch          dern auch umgekehrt. Wichtig sind
werden. Doch in den USA schützen         nicht eingezäunt waren, kam es         für die amerikanischen Highway-
Zäune die Tiere vor den Autos – und      immer wieder zu schweren – teil-       Zaunbauer dabei die Erfahrungen
umgekehrt erst entlang weniger           weise auch für Autolenker tödlichen    der Schweizer. So steht Claudio
Fernstrassen. Erstaunlich im Land        – Unfällen. Die Statistik beweist:     Stöckenius in engem Erfahrungs-
der Produktehaftpflicht und milliar-     Dank den Zäunen ist die Zahl von       austausch mit einem amerikani-
denschweren Klagen. Die Zäune            Unfällen wegen grösseren Tieren        schen Professor, der zu diesem The-
könnten nicht nur das Leben unzäh-       auf der Autobahn stark zurückge-       ma in den USA Forschungsarbeiten
liger Tiere retten, vermieden wür-       gangen. Damit die Wildtiere trotz-     leitet.                          ■

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