Bundestagung 2014 Grußworte zur Bundestagung - BDH Bundesverband Rehabilitation
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66. Jahrgang ∙ 9/10 2014 Kurier Informationszeitschrift des BDH Bundestagung 2014 Grußworte zur Bundestagung Seite 4 26. bis 27. September 2014 Leonardo Royal Hotel Köln Studie: Essen wir uns krank? Seite17 Pflegereform unter der Lupe Seite 11
Aus dem Inhalt Grußwort Liebe Mitglieder und Freunde des BDH, Grußworte die diesjährige Bundestagung führt Delegierte unserer zur Bundestagung 3 Kreisverbände aus dem gesamten Bundesgebiet in der rheinischen Metropole Köln zusammen. Gemeinsam werden wir an der Weiterentwicklung unseres Sozialverbandes arbeiten und das Profil des BDH als Stütze zahlreicher Menschen in ihrem Alltag schärfen. Es muss unser Ziel sein, die traditionsreiche Funktion des BDH als Sozialverband auf sämtlichen Ebenen unserer Gesellschaft zum Wohle von Menschen mit Behinderung publik zu machen und an Strategien zu arbeiten, immer besser zu werden. Gerade in Krisenzeiten offenbaren sich das soziale Fundament einer Gesellschaft, die Solidarität der Menschen und die Fähigkeit zur politischen Umsetzung unserer Werte von Gerechtigkeit und Toleranz. Mit Blick auf die nach wie vor ungelösten Krisen Südeuropas, der beschämenden Situation afrikanischer und syrischer Flüchtlinge an den Grenzen Europas, fordere ich die europäischen Staaten auf, ernst gemeinte Solidarität zu üben und endlich mit einer Stimme zu sprechen Aktuelles und an der Lösung dieses Dramas mitzuwirken. Die zahlreichen Krisenherde offenbaren erhebliche Defizite der europäischen Integration – das Haus Europa BDH-Vorstand muss weiterentwickelt werden. Und zwar auf der Basis der unverzichtbaren Werte stellt neue Satzung vor 9 von Gerechtigkeit, Offenheit und Freiheit. Doch unsere Erfahrung zeigt, dass sich ungezählte menschliche Dramen und Hartz mit Arbeitsmarktreform 12 schwere Schicksale auch bei uns, in unmittelbarer Nachbarschaft, abspielen. Lassen Sie uns gemeinsam an unserem sozialen Netzwerk arbeiten, um ●●● unserer Gesellschaft einen wichtigen Impuls zur Steigerung der Lebensqualität behinderter, bedürftiger und zurückgelassener Menschen zu geben. Gesundheits-News 14 Es grüßt Sie herzlich Ihre ●●● Klinik-News 15 Ilse Müller ●●● Bundesvorsitzende des BDH Bundesverband Rehabilitation Jugendseite 16 ●●● Redaktion und Anzeigenschaltung: Thomas Kolbe Sitz: 53119 Bonn, Eifelstraße 7, Panorama Telefon: 0228/96984-0, Telefax: 0228/96984-99, Essen wir uns krank? 17 E-Mail: t.kolbe@bdh-bonn.de, www.bdh-reha.de Satz, Druck und Vertrieb: Rehabilitationszentrum der BDH-Klinik Vallendar ●●● 56179 Vallendar/Rhein, Heerstraße 54a, E-mail: gerd.thomas@bdh-klinik-vallendar.de Impressum Erscheinungsweise: Sechsmal im Jahr BDH - Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt Fotonachweis: BDH Bundesverband Rehabilitation, BDH-Klinik Elzach, (Chefredaktion): Land und Leute 21 BDH Bundesverband Rehabilitation Bundesagentur für Arbeit, Bundesregierung/Henning Sitz: 53119 Bonn, Eifelstraße 7, Schacht, Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e.V., Feng Telefon: 0228/96984-0, Telefax: 0228/96984-99, Yu – Fotolia.com, Gehörlosenverband Niedersachsen E-Mail: info@bdh-reha.de, www.bdh-reha.de e.V., KÖLNTOURIST Personenschiffahrt am Dom GmbH, Kzenon, RAMESH AMRUTH, Techniker Krankenkasse Bankverbindungen: Bank für Sozialwirtschaft Der Kurier als Bundesorgan des BDH wird allen Mitgliedern Konto-Nr. 1180800, BLZ 37020500 im Rahmen der Mitgliedschaft ohne Erhebung einer besonderen Bezugsgebühr geliefert (kostenloser Bezug des IBAN DE44370205000001180800 BDH-Kuriers ist im entrichteten Mitgliedsbeitrag enthalten – BIC BFSWDE33XXX (»mittelbarer Bezugspreis«). Die mit Namen gezeichneten Sparkasse KölnBonn Artikel geben nicht immer die Auffassung des Bundes- Kto.-Nr. 14850069, (BLZ 37050198) vorstandes wieder. Unverlangt eingesandte Manuskripte IBAN DE15370501980014850069 werden zurückgesandt, sofern Porto beiliegt. Titelbild: Köln ist in diesem Jahr Ort BIC COLSDE33 Die Chefredaktion behält sich Änderungen und Kürzungen der Manuskripte, Briefe u. ä. auch der aus den Landesver- Bank für Sozialwirtschaft der Bundestagung des BDH. Spendenkonto-Nr. 250 250, BLZ 37020500 bänden zugestellten Beiträge, vor. (Foto: KÖLNTOURIST IBAN DE51370205000000250250 Redaktionsschluss: BIC BFSWDE33XXX jeweils der 10. eines geraden Monats Personenschiffahrt am Dom GmbH)
Donnerstag, 25. September 2014 Bundestagung Programm zur 14.00–18.00 Uhr Sitzung des erweiterten Bundesvor- standes (Hierzu werden die Mitglieder des erweiterten Bundesvorstandes zeitge- recht eingeladen) Freitag, 26. September 2014 10.00–12.30 Uhr Öffentliche Veranstaltung Moderation: Josef Bauer, stellv. Bundesvorsitzender Begrüßung: Theo Bahr, stellv. Bundesvorsitzender Grußworte: Gäste Verleihung des BDH-Rehapreises an den Bundestagung Deutschen Feuerwehrverband in Köln durch Ilse Müller, vom 25. bis 27. September 2014 Bundesvorsitzende des BDH Umgang mit Exoskeletonsystem „ReWalk“ zum Thema: „Behinderung re(h)alistisch sehen. Der BDH bewegt!“ Schlusswort: BDH-Bundestagung 25.-27. Sept. 2014 in Köln Lothar Lehmler, Bundesschriftführer Die Bundestagung steht unter dem Motto: 15.30–18.00 Uhr Bundesdelegiertentagung Behinderung re(h)alistisch sehen – Der BDH berwegt! 20.00 Uhr Bunter Abend Die Veranstaltungen finden statt im Sonnabend, 27. September 2014 Leonardo Royal Hotel Köln - Am Stadtwald 9.00 Uhr Fortführung der Dürener Straße 287 Bundesdelegiertentagung 50935 Köln BDH-Kurier 9/10 2014 3
Liebe BDH-Mitglieder und Rehabilitation vermag den Weg Freunde unseres Verbandes, zurück in ein eigenständigeres Bundestagung Grußworte zur Leben zu erleichtern. Daran ich heiße Sie alle und mitzuwirken, ist eine schöne und selbstverständlich auch unsere erfüllende, aber auch verantwor- Gäste, die wir anlässlich tungsreiche und anspruchsvolle unseres öffentlichen Forums in Aufgabe. Gute Rehabilitation Köln begrüßen dürfen, herzlich erfordert profunde Fachkenntnis willkommen in der Domstadt. und viel Erfahrung – so wie sie der Die diesjährige Bundestagung BDH auf sich vereint. Als gemein- bietet eine gute Gelegenheit, das Thema Behinderung nütziger Klinikträger mit jährlich etwa 10.000 Behandlungen wieder einmal offen anzusprechen und eine ehrliche und Therapien in deutschlandweit sieben Einrichtungen ist Debatte über unseren Umgang mit dem „Anderssein“ der Verband ein wichtiger Pfeiler der Rehabilitation. Er setzt anzustoßen. Wie hält es unsere Gesellschaft mit der Maßstäbe im Umgang mit neurologischen Erkrankungen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention? und Beeinträchtigungen. Hinzu kommt sein Wirken als Führen wir tatsächlich eine offene und ehrliche Debatte Selbsthilfeorganisation, die vielen tausend Patientinnen und über unseren Umgang mit behinderten Mitbürgerinnen Patienten beratend zur Seite steht. und Mitbürgern? Vieles mag noch im Argen liegen, aber Mit diesem Aufgabenspektrum ist der BDH ein kompetenter unsere Gesellschaft bewegt sich. Die Lektüre der folgenden Vertreter einer Zukunftsbranche. Denn angesichts des de- Grußworte namhafter Politiker wird Ihnen zeigen, dass sich mografischen Wandels erfährt Rehabilitation einen immer selbst in den höchsten Etagen unserer Politik ein spürbares höheren Stellenwert. Mit wachsender Anzahl Älterer und Problembewusstsein für die Umsetzung ernst gemeinter Hochbetagter steigen das Krankheitsrisiko und damit auch Inklusion geformt hat und dass es unserem Verband die Nachfrage nach Angeboten, die helfen, mit weitrei- gelungen ist, in die traditionsreiche „1. Liga“ deutscher chenden Folgen einer Erkrankung zurechtzukommen. Die Sozialverbände aufzusteigen. Das verdanken wir vor Bundesregierung stellt sich ihrer Verantwortung, die aus allem der Arbeit unserer, leider nur allzu oft ungenannten, dem wachsenden Bedarf resultiert. Im Rahmen unseres ehrenamtlichen Mitstreiter. Ihnen danke ich an dieser Stelle Rentenpakets erhöhen wir das Reha-Budget. Davon profitie- im Namen des BDH für Ihren unverzichtbaren Einsatz. ren alle Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung, Gemeinsam mit den Teams unserer Kliniken und den die während ihres Erwerbslebens Leistungen zur medizini- hauptamtlichen Mitarbeitern unseres Verbandes formen Sie schen und beruflichen Rehabilitation beziehen. alle eine schlagkräftige Solidargemeinschaft, die sich dem Dienst an unseren PatientInnen und Mitgliedern verpflichtet Allen, die sich ehrenamtlich oder hauptberuflich für fühlt. Rehabilitation und mehr Lebensqualität Betroffener stark machen, kann ich nur Dank und Anerkennung aussprechen. Ich freue mich auf die Begegnungen mit Ihnen in Köln und Unter dem Motto „Behinderung re(h)alistisch sehen - Der wünsche Ihnen allen eine angenehme Anreise und eine BDH bewegt!“ diskutieren Sie auf Ihrer Bundestagung bewegende Tagung. über künftige Herausforderungen und Perspektiven Ihres Verbandes. Dies nehme ich gern zum Anlass, Sie herzlich zu grüßen und Ihnen einen gewinnbringenden Gedanken- und Ihre Erfahrungsaustausch zu wünschen – zum Wohle aller, denen Rehabilitation neue Chancen im alltäglichen Leben eröffnet. Ilse Müller Bundesvorsitzende des BDH Bundesverband Rehabilitation Dr. Angela Merkel Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland 4 BDH-Kurier 9/10 2014
Im Namen der So- Seit über Der Bun- zialdemokratischen 90 Jahren desverband Bundestagung Grußworte zur Partei Deutschlands kümmert sich Rehabilitation grüße ich die Teil- der Bundes- (BDH) setzt nehmerinnen und verband sich mit gro- Teilnehmer der Rehabilitation ßem Enga- Bundeskonferenz als gemein- gement und des BDH Bundes- nützige Organi- Fachwissen verband Rehabilita- sation mit für Menschen tion herzlich. einem dicht ein, die durch geknüpften Schädigun- Der BDH kümmert sich seit 1920 um die me- Netz von Landes- und Kreisverbänden gen des zentralen Nervensystems oder dizinischen, sozialen und rechtlichen Belange um die Bedürfnisse von Menschen mit neurologische Erkrankungen mit oft schweren von Menschen mit neurologischen Erkrankun- Behinderung. Betroffene und ihre Familien gesundheitlichen Funktionseinschränkungen gen und Verletzungen. Er hat in Deutschland bekommen hier Hilfe und Beratung und leben müssen. nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet finden sicherlich manches Mal auch Trost. Dafür verdienen Ihre haupt- und ehrenamtlich der neurologischen Rehabilitation Pionierarbeit Dies gilt umso mehr, als der BDH einen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Dank geleistet und Einrichtungen gegründet, die bis Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die und Wertschätzung. Zur Bundestagung des heute Maßstäbe setzen. stationäre neurologische Rehabilitation BDH in Köln übersende ich allen Teilnehmerin- Aus dem einstigen „Kriegerverein“ ist längst setzt, um Menschen nach einem Unfall nen und Teilnehmern meine herzlichsten Grüße. eine moderne Selbsthilfeorganisation gewor- oder bei neurologischer oder geriatrischer den. Die stationäre neurologische Rehabilitati- Damit Patientinnen und Patienten nach folgen- Erkrankungen den Weg zurück in ein on nimmt einen wichtigen Stellenwert innerhalb reichen Schicksalsschlägen am wirtschaftlichen möglichst normales Leben zu ermöglichen. des Leistungsangebotes des BDH ein, um und gesellschaftlichen Leben so selbstbestimmt Menschen nach einem Unfall oder sonstiger Die Weichen dafür werden in fünf und normal wie möglich teilhaben können, bietet neurologischer und geriatrischer Krankheit Neurologischen Kliniken gestellt, die der BDH in seinen Neurologischen Kliniken und Unterstützung auf dem Weg zurück ins Leben bundesweit in Trägerschaft des BDH seinem Rehabilitationszentrum für Jugendliche zu bieten. stehen und deren Behandlungsqualität zielgerichtete und umfassende medizinische sowohl bei den Patientinnen und Patienten Behandlung und rehabilitative Versorgung. Dazu Das Ziel, allen Menschen gleichermaßen die als auch bei sämtlichen Leistungsträgern zählen neben passgenauen physiotherapeuti- umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Le- einen guten Ruf genießt. Weitere schen Leistungen auch die psychologische und ben zu ermöglichen, findet die volle Unterstüt- Einrichtungen mit speziellen Angeboten soziale Begleitung und Betreuung der Betrof- zung der SPD. Solidarität, soziale Gerechtigkeit ergänzen die Palette an Hilfsmöglichkeiten. fenen. Deren Angehörige werden einbezogen und die Achtung des Mitmenschen sind Werte, und beraten, um einen optimalen Verlauf und von denen die SPD seit über 150 Jahren getra- Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Erfolg der Rehabilitationsmaßnahmen zu ge- gen wird. der diesjährigen Bundestagung des BDH währleisten. Hierbei spielen die anerkannt hohe Die Menschen werden älter und arbeiten immer wünsche ich schöne, spannende und Qualifikation und die langjährigen praktischen länger. Unsere Gesellschaft ist vom demogra- anregende Tage in der größten Stadt Erfahrungen der Beschäftigten in den BDH- phischen Wandel und zunehmender Vielfalt, Nordrhein-Westfalens. Einrichtungen eine bedeutende Rolle. aber von einem stetig wachsenden Leistungs- Im gesamten Rehabilitationsprozess ist das druck am Arbeitsmarkt geprägt. Die Sicherstel- vertrauensvolle Miteinander von Menschen mit lung umfassender Teilhabe für alle, die Vermei- und ohne Behinderung ganz selbstverständlich. dung von Krankheit und die Wiederherstellung Hannelore Kraft Sie füllen so die Zielvorstellungen der Behin- von Gesundheit sind von zentraler Bedeutung. Ministerpräsidentin dertenrechtskonvention der Vereinten Nationen Deshalb werden Prävention und Rehabilitation des Landes Nordrhein-Westfalen mit Leben und helfen mit, dass das Bild von immer wichtiger. Mittlerweile versorgen in Menschen mit Behinderungen nicht länger von Deutschland rund 120.000 Beschäftigte in über Mitleid oder möglichen Defiziten geprägt ist, 1.200 Rehabilitationseinrichtungen jährlich rund sondern die Stärken und Fähigkeiten im Fokus 2 Millionen Patientinnen und Patienten. stehen. Nur so lässt sich der Inklusionsgedanke Ich bin sicher, dass sich der BDH an den umsetzen. Ich lade Sie herzlich ein, auch in kommenden Debatten und Beratungen für Zukunft tatkräftig daran mitzuarbeiten, dass Rehabilitation und ein modernes Teilhaberecht Inklusion in allen Lebensbereichen eine Selbst- für Menschen mit Behinderungen aktiv und verständlichkeit wird. Dafür sage ich Danke und konstruktiv beteiligen wird. wünsche der BDH-Bundestagung 2014 einen In diesem Sinne wünsche ich der Bundesta- guten Verlauf. gung des BDH Bundestagung Rehabilitation einen guten Verlauf. Andrea Nahles Bundesministerin für Arbeit und Soziales Sigmar Gabriel Bundesminister für Wirtschaft und Energie BDH-Kurier 9/10 2014 5
Sehr geehrte Sehr geehrte Leserinnen Frau Vorsitzende Müller, und Leser, Bundestagung Grußworte zur sehr geehrte Damen und Herren als Oberbürgermeister freue Mitglieder und Gäste des BDH, ich mich, dass die Stadt Köln zu Ihrer Bundestagung unter dem gastgebende Stadt für die Bun- Motto „Behinderung re(h)alistisch destagung des BDH Bundes- sehen. – Der BDH bewegt!“ sende ich verband Rehabilitation ist. So Ihnen als Vorsitzender der Christlich- ist er doch bundesweit einer der Sozialen Union, aber auch persönlich, größten Fachverbände auf dem die besten Grüße. Unser Umgang Gebiet der Rehabilitation und mit den Anliegen behinderter Menschen und ihrer Angehörigen verfügt über fünf Neurologische sagt viel über unsere Gesellschaft aus. Denn wir leben in Kliniken, einem Rehabilitationszentrum für Jugendliche unserer Gesellschaft auch von der Menschlichkeit, die wir den und einem Therapiezentrum. Insbesondere im Bereich Schwächeren entgegenbringen. der stationären neurologischen Rehabilitation hat sich der Dies gilt im persönlichen Umgang eines jeden Einzelnen BHD hervorgetan, um Menschen, die Hirnschäden erlit- mit seinen Mitmenschen, wie aber auch im Hinblick auf die ten haben, auf ihrem Weg zurück ins Leben unterstützen Unterstützungsleistungen, die eine soziale Politik ermöglicht. zu können. Dieser Aufgabe sieht sich die CSU als Partei, die das Christliche Dabei sind vor allem Schädel-Hirn-Verletzungen ein wie das Soziale in Namen und Programm führt, besonders Thema von hoher Brisanz. Solch eine Verletzung kann verpflichtet. Deshalb ist unser Ziel ganz klar: Menschen mit uns alle ganz unvorhergesehen treffen. Laut der ZNS Behinderungen gehören nicht ins soziale Abseits, sondern Hannelore-Kohl-Stiftung für Verletzte mit Schäden des müssen nach allen Möglichkeiten aktiv am Leben unserer Zentralen Nervensystems werden in Deutschland jährlich Gesellschaft beteiligt werden. Dies gilt nicht nur für die bei Unfällen im Straßenverkehr mehr als 350.000 Men- Betroffenen selbst, sondern ebenso für ihre Angehörigen und schen verletzt. 70.200 von ihnen erleiden eine Schädel- auch diejenigen, die sich ehrenamtlich für behinderte Menschen Hirn-Verletzung. einsetzen. Eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung kann massive Deshalb haben wir in der Koalitionsvereinbarung im Bund Folgen nach sich ziehen. Ziel der Behandlung ist es, das verankert: Ausmaß der Hirnschädigung zu begrenzen. Im Anschluss „Leitidee der Politik der neuen Bundesregierung für an die Akutversorgung und medizinischen Behandlung Menschen mit Behinderung ist die inklusive Gesellschaft. sollte daher so früh wie möglich eine Rehabilitation Menschen mit und ohne Behinderung sollen zusammen starten, damit gezielt Fähigkeiten aufgebaut, spielen, lernen, leben, arbeiten und wohnen. In allen wiederhergestellt und trainiert werden können. Auch hier Bereichen des Lebens sollen Menschen mit Behinderung wurde vom BHD Pionierarbeit geleistet. So war die BDH- selbstverständlich dazugehören – und zwar von Anfang an. Klinik Hessisch Oldendorf eine der ersten Einrichtungen Menschen mit Behinderung sind Experten in eigener Sache, für Frührehabilitation in Deutschland. ihre Beteiligung an den Entscheidungsprozessen wollen wir Darüber hinaus versteht sich der BHD als Selbsthilfe- besonders berücksichtigen – nach dem Motto „Nichts über organisation für Menschen mit Behinderungen und ihre uns ohne uns“. Angehörigen und setzt sich für deren Interessen ein. Bei der Umsetzung der zahlreichen konkreten Maßnahmen, die Dazu gehören Forderungen nach Inklusion und nach Be- die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen und ihrer dingungen, die ein selbstbestimmtes Leben und soziale Angehörigen verbessern werden – vom Bundesteilhabegesetz Teilhabe auch mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung bis zur Inklusion in der Berufsausbildung, von der Barrierefreiheit ermöglichen und erleichtern. im öffentlichen Raum bis zur Fortentwicklung des Reha-Budgets Ich bin mir sicher, dass Sie, liebe Teilnehmerinnen und in der Rentenversicherung – kommt der Rehabilitation eine Teilnehmer, viele gute Impulse, Ideen und Anregungen besondere Bedeutung zu. Dabei bedarf es selbstverständlich für ihre alltägliche Arbeit vor Ort mit nach Hause auch der anerkannten Expertise der Fachverbände wie des nehmen werden. Ihnen allen wünsche ich interessante BDH. In diesem Sinne danke ich dem BDH Bundesverband und fruchtbare Diskussionen und einen erfolgreichen Rehabilitation und allen in ihm engagierten Frauen und Kongressverlauf. Diese Wünsche verbinde ich mit der Männern für ihre wertvolle Arbeit, im Sinne eines menschlichen Hoffnung, dass Sie neben Ihrem wissenschaftlichen Miteinanders in der Gesellschaft und wünsche Ihrer Informations- und Erfahrungsaustausch noch Bundestagung viel Erfolg! genügend Zeit für Kölns touristische und kulturelle Sehenswürdigkeiten finden werden. Ihr Ihr Horst Seehofer Ministerpräsident des Freistaates Bayern Jürgen Roters Oberbürgermeister der Stadt Köln 6 BDH-Kurier 9/10 2014
Sehr geehrte In mehr als 90 Jahren hat sich Damen und Herren, der BDH Bundesverband Rehabi- Bundestagung Grußworte zur Deutschland befindet sich litation vom einstigen „Kriegerver- auf dem Weg, eine inklusive ein“ zu einem modernen Selbst- Gesellschaft zu werden. hilfeverband entwickelt, der sich Eine Gesellschaft, in der konsequent für die Interessen alle Menschen in all ihrer von Menschen mit Behinderung Vielfalt als Normalität und und von Behinderung bedrohter Selbstverständlichkeit Menschen sowie ihrer Angehöri- wahrgenommen werden. Mit gen einsetzt. der Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention Der BDH, seine Mitarbeiter und seine vielen ehrenamtlichen hat sich Deutschland vor 5 Jahren verpflichtet, die Helferinnen und Helfer machen unsere Gesellschaft dank ge- hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. lebter Solidarität jeden Tag ein Stück weit menschlicher. Durch Vieles ist seitdem passiert. Und es gibt noch ihr großes Engagement werden Teilhabechancen für Menschen mindestens genauso viel zu tun. mit Behinderung geschaffen und Selbsthilfepotentiale gestärkt. Rehabilitation ist ein wichtiger Bestandteil dieses Das ist auch ein Kernanliegen meiner Fraktion. Prozesses. Nur, wenn sie qualifiziert gewährleistet In der Großen Koalition kann die SPD-Bundestagsfraktion nun ist und wenn Menschen mit Behinderung genau die den unter Rot-Grün eingeschlagenen Weg fortsetzen. Bereits Unterstützung und die Maßnahmen bekommen, die unter der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder sie benötigen, können sie auch selbstbestimmt an wurde ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik von der Gesellschaft teilhaben. Das gilt für Menschen mit der Fürsorge zur Teilhabe eingeleitet. Diesen Weg werden angeborener Behinderung, aber insbesondere auch wir nun weiter beschreiten, bis hin zur vollständigen Inklusi- für Menschen, die z.B. aufgrund eines Schlaganfalls on und gleichberechtigten sowie selbstbestimmten Teilhabe im Laufe des Lebens behindert werden. Gerade für aller Menschen mit und ohne Behinderung im Sinne der UN- letztere ist eine schnelle, qualifizierte Unterstützung Behindertenrechtskonvention. Ein Meilenstein auf diesem Weg und Beratung notwendig. Unzumutbar sind dagegen ist die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe zu einem undurchsichtige Prozesse, bürokratische Hindernisse modernen Teilhaberecht durch das Bundesteilhabegesetz. Wir und fehlende Aufklärung. In der Praxis sieht es wollen mit Unterstützung der Menschen mit Behinderung dafür leider manchmal nach wie vor anders aus. Hier sorgen, dass der mit dem Bundesteilhabegesetz einzulösende flächendeckend und dauerhaft etwas zu verändern ist Anspruch auf Selbstbestimmung und Teilhabe nicht erst in der keine kleine Aufgabe. Aber eine Aufgabe, der wir uns kommenden Legislatur, sondern bereits 2016 umgesetzt wird. stellen müssen, wenn wir eine Gesellschaft werden Der BDH Bundesverband Rehabilitation trägt bereits heute wollen, in der es sich für alle gut leben lässt. durch seine tägliche Arbeit zur Verwirklichung dieses Anliegens Der BDH bewegt, entnehme ich dem Titel ihrer bei und ist als wichtiger Mitstreiter für unsere gemeinsamen diesjährigen Bundestagung. Meine Amtszeit habe ich Ziele unverzichtbar. So hat er gemeinsam mit anderen Organi- unter das Motto „Inklusion bewegt“ gestellt. Lassen sationen und Verbänden in den letzten Jahren beharrlich den Sie uns gemeinsam etwas bewegen - hin zu einer Finger in die Wunde gelegt und thematisiert, dass das Budget inklusiven Gesellschaft! In diesem Sinne wünsche der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen zur Teilha- ich Ihnen eine gelungene Bundestagung mit vielen be angehoben werden muss. Mit der im Rentenpaket veranker- interessanten Gesprächen und Eindrücken! ten Anhebung des Reha-Budgets haben wir angesichts einer alternden Gesellschaft sichergestellt, dass die notwendigen Viele Grüße Leistungen erbracht werden können. Ihre Getreu dem Motto der diesjährigen Bundestagung bin ich da- Verena Bentele von überzeugt, dass wir in dieser Legislatur für Menschen mit Beauftragten der Bundesregierung Behinderung gemeinsam etwas bewegen werden! In diesem für die Belange behinderter Menschen Sinne wünsche ich allen Teilnehmenden und Gästen anregende Diskussionen und einen guten Tagungsverlauf. Mit freundlichen Grüßen Thomas Oppermann Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion BDH-Kurier 9/10 2014 7
Sehr geehrte Frau Müller, Der demographische Wandel führt dazu, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir alle – glücklicherweise – immer älter Bundestagung Grußworte zur man kann das Gefühl bekommen, dass werden. Zugleich trägt der medizinische Fort- sich in den vergangenen Jahren die schritt dazu bei, dass immer mehr Menschen Situation für Menschen mit Behinderung schwere Krankheiten oder Unfälle überleben. in unserem Land enorm verbessert Damit verbunden ist aber auch ein steigender hat. Inklusion, Barrierefreiheit und Bedarf an Rehabilitation, damit Menschen Teilhabe sind zu festen Bestandteilen möglichst lange umfassend sowohl am Er- politischer Entscheidungen und lokaler werbsleben wie am gesellschaftlichen Leben Konzepte und Strategien geworden. In teilhaben können. Ziel muss es sein, dass den vergangenen Jahren wurde viel dafür getan, dass Menschen verunfallte oder ältere Menschen gesund mit Behinderung ein zunehmend selbstbestimmtes Leben führen und leistungsfähig ihren Beruf ausüben können. Dazu gehört einerseits können und überall Strukturen finden, die sie medizinisch und ein besseres präventives betriebliches Gesundheitsmanagement und sozial in dem Maß unterstützen, in dem sie es brauchen. So andererseits eine schnelle, wirkungsvolle Behandlung zur Vermeidung zumindest der erste Eindruck. Sobald man jedoch ganz konkret chronischer Krankheiten oder Behinderungen. Vor diesem Hintergrund einen Menschen mit Behinderung in seinem alltäglichen Leben hat der Bundestag schon zu Beginn dieser Wahlperiode Ende Mai 2014 begleitet, werden all die Barrieren sichtbar, die nach wie vor im Rahmen des sog. Rentenpaketes beschlossen, das Reha-Budget eine volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verhindern. demographiefest auszugestalten. Das Reha-Budget wurde unter Berück- „Behinderung realistisch sehen“ – das Thema Ihres diesjährigen sichtigung des demographischen Wandels bedarfsgerecht angepasst, Bundeskongresses weist auf diesen Konflikt hin. Es geht eben damit auch in Zukunft die erforderlichen Rehabilitations- und Präventi- nicht nur darum, allgemeine, strukturelle Bedingungen im System onsleistungen erbracht werden können. zu verändern, sondern es muss um das Leben des und der Uneingeschränkt unterstützen kann ich auch die Leitidee der inklusiven Einzelnen gehen, mit seinen und ihren ganz realen täglichen Gesellschaft, welche sich die neue Bundesregierung hinsichtlich ihrer Einschränkungen. Dafür bedarf es einer besonderen Nähe zum Politik für Menschen mit Behinderungen zu Eigen gemacht hat. Dies ent- Menschen, denn nur in diesem persönlichen Kontakt, in der spricht zugleich dem Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik, wie täglichen Begleitung werden die persönlichen Bedürfnisse sichtbar. er mit der am 4. Dezember 2008 vom Bundestag einstimmig ratifizierten Für diesen direkten, persönlichen Kontakt mit Menschen mit UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen Behinderungen sind Selbsthilfeorganisationen und Fachverbände eingeleitet wurde. Demnach ist inzwischen von einem Verständnis von wie der Bundesverband Rehabilitation unersetzbar. Sie Behinderung auszugehen, das jede Form körperlicher, seelischer, geisti- unterstützen und begleiten Menschen besonders nach Unfällen ger oder Sinnesbeeinträchtigung als normalen Bestandteil menschlichen auf dem Weg in ihre veränderte Normalität. Durch Ihre große Lebens und menschlicher Gesellschaft ausdrücklich bejaht und darüber fachliche Kompetenz und die Nähe zu den Menschen können hinaus im Sinne der Vielfalt als Quelle möglicher kultureller Bereicherung Sie Veränderungen im Leben Einzelner bewirken, die durch die wertschätzt. Daraus resultiert auch, dass Menschen mit Behinderungen Politik in gewisser Weise unerreichbar sind. Und weil für Sie selbstverständlich mit solchen ohne Behinderung zusammenleben sol- Rehabilitation nicht an der Kliniktür aufhört, können Sie den len. Zudem sollen sie in allen Bereichen des Lebens ohne Einschränkun- ganzen Menschen, sein Umfeld, seine Angehörigen, seine Träume gen dazugehören. und Enttäuschungen in den Blick nehmen, anstatt ihn auf seine Die UN-Behindertenkonvention bildet zwar eine ganz wesentliche Grund- Behinderung zu reduzieren. lage und Richtschnur für die Weiterentwicklung der Behindertenpolitik, Und schließlich: nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern sie umzusetzen bleibt jedoch eine der ganz großen politischen und auch die Politik ist auf Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen gesellschaftlichen Herausforderungen. Neben vielen anderen Projekten, angewiesen: was brauchen Menschen mit Behinderungen? die angegangen werden müssen, möchte ich auf ein Vorhaben dabei Was fehlt in den bestehenden Strukturen? Sind die rechtlichen besonders hinweisen, nämlich die Reform der Eingliederungshilfe. Nach Rahmenbedingungen wirklich unterstützend und verständlich? Jahren der Diskussion ist es endlich an der Zeit, Menschen, die aufgrund Welches Verständnis von Pflege brauchen wir, um Menschen gut einer Behinderung nur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe am pflegen und in der Pflege unterstützen zu können? Sie sind das Leben in der Gemeinschaft haben, aus dem bisherigen „Fürsorgesy- Sprachrohr derer, die für sich alleine ihre Rechte und Bedürfnisse stem“ herauszuführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen nicht einfordern können. Für die Bundestagsfraktion von Bündnis Teilhaberecht weiterzuentwickeln. Im Sinne der UN-Konvention müssen 90/Die Grünen ist die Selbstbestimmung von Menschen mit auch hier Wunsch- und Wahlrechte der Menschen mit Behinderungen Behinderungen von Anfang an eine grundlegende Forderung und berücksichtigt und Leistungen personenzentriert und am persönlichen Perspektive. Durch Ihre sozialpolitische Interessenvertretung Bedarf ausgerichtet bereitgestellt werden. Ich bin mir sicher, dass wir in erhalten wir in unseren politischen Prozessen ein realistisches dieser Wahlperiode diesbezüglich mit entscheidenden Schritten voran- Bild derer, die durch Gesetze und Regulierungen unterstützt und kommen. geschützt werden sollen. Politische Maßnahmen sind allerdings nur eine Seite. Gerade in diesem Ich danke Ihnen deshalb für Ihr haupt- und ehrenamtliches Bereich kommt es auch maßgeblich darauf an, dass sich Bewusstsein Engagement für die Rehabilitation, Inklusion und selbstbestimmte und Einstellungen vieler in der Gesellschaft handelnder Akteure in po- gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung. „Der sitivem Sinne verändern. Hierzu beizutragen ist auch eine wesentliche Bundesverband Rehabilitation bewegt“ – ich wünsche Ihnen für Aufgabe der Verbände und der Betroffenen. In diesem Sinne wünsche Ihren Kongress gutes Gelingen, konstruktive Gespräche und ich Ihrem Verband und Ihrer Bundestagung viel Erfolg. ermutigende Begegnungen, damit Sie auch in Zukunft Menschen, die Gesellschaft und die Politik in Bewegung setzen. Katrin Göring-Eckardt Kerstin Griese, MdB Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales 8 BDH-Kurier 9/10 2014
Vorstand präsentiert neue Strategie ••• Ilse Müller: „BDH soll Aktuelles schlagkräftiger Sozialverband werden“ Mit einer Informationskampagne über die zukünftige formale Struktur des BDH und einer Satzungsreform im Gepäck bereiste der BDH-Vorstand in den zurückliegenden Wochen die Landesverbände. Ziel war es, BDH-Funktionsträger und Mitglieder in die Neuausrichtung des Sozialverbandes einzubinden. Dabei wurden bereits im Vorfeld Anregungen und Vor- schläge aus den Gliederungen des Verbandes aufgenommen. „Wir müssen Antworten auf die Ver- beit in den Kreisverbänden zu stär- müssen aus dem Vorsitzenden und änderungen unserer Gesellschaft ken und die Mitgliederbetreuung zu einem Stellvertreter bestehen. Zu- finden. Unser Auftrag lautet, mit Hil- optimieren. dem können bis zu sieben weitere fe einer Satzungsreform wichtige Vorstandsmitglieder gewählt wer- Schritte für die Zukunft einzuleiten“, l „Mittlere Verwaltungsebene den. Wie bisher zieht er die Mit- erläutert Bundesvorsitzende Ilse muss zum regionalen Dienst- gliedsbeiträge ein und rechnet sie Müller den Plan des Vorstands, der leister werden“ mit der Bundeskasse ab. Er kann darauf abzielt, den Verband so um- Der Vorstand setzt in der Zukunft diese Aufgabe aber auch an die zubauen, dass er sich nahtlos in die auf flache Hierarchien, die letztlich Bundeskasse delegieren. Vertiefen- gesellschaftlichen Umwälzungen dem gegenwärtigen, allgemeinen de Details der Reformvorschläge einfügen kann. Zahlreiche Regio- Aufbau unserer Gesellschaft, im liegen bereits vor und werden an- nen Deutschlands sind von Bevöl- Besonderen der Städtelandschaft, lässlich der Bundestagung zur Dis- kerungsrückgang betroffen. Hier entsprechen. Landesverbände kön- kussion gestellt. muss eine Strukturreform unseres nen die regionalen, demografisch Verbandes ansetzen. Die Sat- bedingten Verwerfungen zungskommission hat deshalb eine nicht mehr adäquat abbil- neue Satzung erarbeitet, die auf der den, weshalb wir mehr Ver- Bundesdelegiertentagung vorge- antwortung auf die Ebene legt wird und zum 1. Januar 2016 in der Kreisverbände verla- Kraft treten soll. Dazu die Ver- gern wollen“, so Ilse Müller. bandsvorsitzende: „Landesver- Ziel ist es, alle Beteiligten in bandsstrukturen aufrechtzuerhal- diesem Veränderungspro- ten, macht nur dann Sinn, wenn zess mitzunehmen. Daher Menschen räumlich gleichermaßen hat der Vorstand beschlos- betreut werden können. Das ist aus sen, die Strategie bereits demografischen Gründen längst vor der Bundestagung zur nicht mehr in allen Bundesländern Diskussion zu stellen. Der möglich. Wir werden daher sowohl BDH wird so ausgerichtet, auf die Landesverbände und damit dass das einzelne Mitglied auch auf den erweiterten Bundes- im Mittelpunkt steht und ei- vorstand verzichten und die Lei- ne optimale Betreuung mit tungsorgane des BDH auf den Bun- einer effektiven mittleren desvorstand, den Beirat, den Verwaltungsebene garan- Schlichtungsausschuss und die tiert werden kann. Regio- Bundesdelegiertentagung reduzie- nalbeauftragte sollen die ren.“ Der längst fällige Reformpro- Betreuung der Kreisver- Bundesschriftführer Lothar Lehmler und Ilse Müller stellten die zess der Verbandsstrukturen schaf- bände leisten. Künftige Konzeption zum Umbau der Verbandsstruktur in Mönchenglad- fe die nötigen Spielräume, die Ar- Kreisverbandsvorstände bach vor Vertretern der regionalen Kreisverbände zur Diskussion. BDH-Kurier 9/10 2014 9
Aktuelles Der Bundesrat entschied im Juni über eine Erhöhung der Rentenbezüge. Rentenpolitik ••• Bundesrat beschließt Rentenerhöhung Im Juni beschlossen, im Juli bereits umgesetzt: Zur Jahresmitte erhöhten sich die Renten- bezüge in Ost und West. Der Bundesrat gab dazu am 13. Juni Grünes Licht. Allerdings wirft die Europäische Zentralbank einen dunklen Schatten auf den Kapitalmarkt und begrenzt die Spielräume zur privaten Altersvorsorge. Mit gleich zwei guten Nachrichten zulande empfindlich auf die Kauf- l Wie geht es weiter? für Seniorinnen und Senioren war- kraft der Menschen auswirkt. Kann man heute rückblickend sa- tete der Juni in diesem Jahr auf: gen: Gut gemeint, ist längst nicht Zum einen reduzierte sich die Teue- l EZB beschädigt gut gemacht? Ist die von der Politik rungsrate in Deutschland in den private Altersvorsorge Mantra-artig vorgebrachte „Zweite ersten Monaten des Jahres spürbar Ein anderes Problem ergibt sich Säule“ der Altersvorsorge damit an und liegt jetzt unter der Marke von dieser Tage für all jene, die auf An- ihre Grenzen gestoßen? Wir sollten einem Prozent. Das meldete das raten der Politik in den vergange- auch in der Zukunft auf einen syste- Statistische Bundesamt im Juni. nen Jahren konsequent auf private mischen Mix setzen, der beides Zum anderen beschlossen die Mit- Altersvorsorge gesetzt haben. Ihre umschließt, die gesetzliche wie glieder des Bundesrates Mitte Juni Investitionen in Lebensversicherun- auch die private Vorsorge. Gerade eine Rentenerhöhung für die etwa gen, Immobilienfonds und festver- die umlagefinanzierte, auf Genera- 20,5 Millionen Rentnerinnen und zinsliche Wertpapiere werden der- tionenausgleich und Solidarität Rentner, die in den neuen Bundes- zeit ungefähr so schnell pulverisiert bauende Sozialsystematik hat sich ländern ein Plus von 2,53 Prozent wie die Glaubwürdigkeit der euro- in schwerster Krisenzeit bewährt. und in den alten Ländern von 1,67 päischen Geldpolitik schwindet, die Es braucht einige Anpassungen: Prozent vorsieht. 2013 erhielten die mit einer nie dagewesenen Niedrig- Beamte und Selbstständige sollten Rentner im Osten eine Erhöhung zinspolitik der grotesken Strategie in den Rententopf einzahlen, medi- von 3,29 Prozent, die im Westen anheimfällt, einer Krise des billigen zinische Reha sollte als Präventi- von 0,25 Prozent. Sollte die Preis- Geldes mit einem gigantischen Li- onsstrategie zur Verlängerung der entwicklung in den kommenden quiditäts-Tsunami zu begegnen. So Lebensarbeitszeit stärkere Berück- Monaten keine neue Dynamik auf- sind vor allem die Sparer diejeni- sichtigung finden. Unsere Gesell- nehmen, bliebe unterm Strich tat- gen, die mit realen Vermögensver- schaft muss sich der abenteuerli- sächlich ein realer Kaufkraftgewinn lusten eine aller Wahrscheinlichkeit chen EZB-Strategie entgegenstel- im Portemonnaie. Allerdings nach wirkungslose Politik mitfinan- len und konsequent auf den erprob- braucht es eine verbraucherfreund- zieren, die sich weder positiv auf ten Generationenvertrag setzen. liche Reform des Erneuerbare- die Realwirtschaft Südeuropas aus- Denn Solidarität, Zusammenhalt Energien-Gesetzes (EEG), um der wirken wird, noch dazu beitragen der Menschen untereinander, be- Energiekostenexplosion entgegen- kann, die sozialen Verwerfungen deutet Krisenbewältigung! zuwirken, die sich besonders hier- der Region abzumildern. 10 BDH-Kurier 9/10 2014
Pflegereform ••• Erste Änderungen greifen Aktuelles zum Jahreswechsel Ein nur allzu gern benutztes Bonmot beschreibt, was die letzten GesundheitsministerInnen eint, wenn es um die Pflege ging: „Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet!“ Nun darf sich Hermann Gröhe (CDU) an einer der großen Reformbaustellen versuchen. Milli- onen Betroffene, Angehörige und Pflegende blicken nach Berlin und erwarten politisches Handeln. Dort liegt nun der Kabinettsentwurf einer Pflegereform vor. Es kommt Bewegung in die Sache: Vertrauen und Akzep- Ab 2015 können Pflegebedürftige tanz. Menschen, die auf mit einer Leistungsanhebung von Karrierechancen verzich- vier Prozent rechnen. Fünf Pflege- ten, Einkommensverlus- grade werden ab 2017 bessere Dif- te hinnehmen und die ferenzierung der Pflegebedürftig- Pflegeversicherung um keit ermöglichen. Zudem soll die hohe Summen entlasten, „Minuten-Pflege“ ab 2017 einem haben mehr als einen Katalog ganzheitlicher Kriterien kalten Handschlag ver- weichen, ein neuer Pflegebedürftig- dient. Es muss mehr keitsbegriff soll am Ende der Legis- Geld in die stationäre, laturperiode die Reform krönen – sowie die ambulante unverzichtbar für die mehr als 1,4 Pflege fließen. Bis 2050 Millionen Demenzkranken, die seit wird sich die Zahl Pflege- jeher zu den Verlierern der Pflege- bedürftiger verdoppeln politik zählten. Skepsis scheint an- und bei 5 Millionen ein- gesichts des Vorsorgefonds ange- pendeln. Dies wird sich bracht, der mit einem jährlichen Be- auch auf den Arbeits- trag von einer Milliarde Euro die markt auswirken, denn Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe wird nicht müde, Pflegeversicherung stabilisieren 70 Prozent der Menschen werden seine Reformbemühungen zu erläutern. soll – eine Farce, angesichts der daheim gepflegt. Den Löwenanteil Pflege-Realität! Finanziert wird die der Pflege leisten Angehörige, die Reform über eine Anhebung des dann in den Firmen fehlen. Der Ruf heute fehlen zehntausende Pflege- Pflegebeitragssatzes um 0,3 Punk- nach Vereinbarkeit von Pflege und fachkräfte. In summa verstärkt sich te im kommenden Jahr und eine Beruf bindet damit sowohl das Fa- der Eindruck, der demografische weitere Anhebung um 0,2 Punkte milien-, als auch das Arbeitsressort Wandel hinterließe nur Verlierer. 2016 auf 2,55 Prozent. mit in ein Pflege-Gesamtkonzept Ganz sicher wäre eine offensive ein. Nie war es wichtiger, Modelle Politik zur Stärkung der medizini- l Handlungsspielraum zur Familienpflegezeit zu finden, als schen Reha eine sinnvolle Flankie- jetzt nutzen heute. rung des Reformprozesses, der Be- troffene und Einrichtungen besser Alles drängt auf einen Paradigmen- l Umlagefinanzierung stärken integrieren würde. Längere Er- wechsel, der pflegende Angehörige werbszeiten würden die Beitrags- ein Stück weit aus der Verantwor- Der Pflegeversicherung droht der summe zur Sozialversicherung er- tung entlässt. Eine Pflegepolitik, die Kollaps, wenn sich das Reformtem- höhen, die Pflegeversicherung wä- Pflegeeinsatz der Familien still- po nicht erhöht: Es wird sich nicht re erheblich entlastet – nur der schweigend und nahezu unvergütet nur die Zahl der Leistungsempfän- Reha-Deckel passt da nicht mehr in als gegeben hinnimmt, verspielt ger dramatisch erhöhen. Auch die die Landschaft. Zahl der Beitragszahler wird sich um ein Drittel reduzieren. Schon BDH-Kurier 9/10 2014 11
Jugendarbeitslosigkeit ••• Peter Hartz Aktuelles präsentiert Jobstrategie Dem politischen Europa fehlt die Fantasie. Zerstritten im Kleinklein der Institutionen ist es ausgerechnet der Eurokritiker Nummer Eins, Englands Premierminister David Cameron, der Strukturreformen einfordert. Zu Recht, denn Millionen arbeitsloser Jugendlicher stehen derweil im Regen. Noch zur Jahrtausendwende be- deutete Europa ein Versprechen. Es ging um Wachstum, Wohlstand und Friedenssicherung. Der Frie- den ist mithin sicher, das Wohl- standsversprechen hingegen lässt mancherorts auf sich warten – vor allem für 5,5 Millionen Europäer unter 25 Jahren, die ohne Jobper- spektive leben und wie ein Damo- klesschwert den Himmel über Eu- ropas Zukunft verdunkeln. Und der Mangel an Strategien im Kampf ge- gen diese soziale Zeitbombe lässt wenig Grund zur Hoffnung. Nun brachte ausgerechnet der Mann Deutsche Jobcenter arbeiten heute näher am Markt. Frühe berufliche Orientierung erhö- eine europäische Gesamtstrategie hen die persönlichen Berufschancen. (Foto: Bundesagentur für Arbeit) ins Gespräch, dessen Name wie kein anderer derart vergesellschaf- könnten die treibenden Faktoren Milliarden Euro. Europa sei reich, tet wurde und der zum personifi- gewesen sein, sich noch einmal die Mittel müssten nun zum Ein- zierten Sozialabbau mutierte wie dem Arbeitsmarkt und seiner spe- satz kommen. Das Programm mit dieser: Peter Hartz. zifischen Tücken zuzuwenden. dem Titel „Europatriates“ setzt auf Seinerzeit traf der globalisierte En- das Zaubermittel berufliche Bildung l SHS Foundation ergiemarkt das Saarland und seine und fordert die Einrichtung eines als neues Projekt Hütten hart. Arbeitsplatzabbau und öffentlichen Fonds (der auch durch Abwanderung waren die Folgen. private Mittel gespeist werden soll), Zurückgezogen ließ Hartz in den Hartz ist willens, seinem Déja Vu der Unternehmen und Azubis dabei vergangenen Jahren den von ihm entgegenzutreten. unterstützt, Standorte zu wechseln, als „Tsunami“ bezeichneten Me- Sprachkurse zu finanzieren und Bil- diensturm an sich vorüberziehen, l Zukunft für Europa dungsschritte einzuleiten. Parallel gründete in dieser Zeit seine eigene sollen Förderbanken die Rahmen- Stiftung, die SHS Foundation. Der Im Kern geht es darum, alle Eu- bedingungen in den Krisenländern gebürtige Saarländer, bodenstän- ropäer in die Verantwortung zu verbessern, in Infrastruktur investie- dig und seiner Heimat treu verbun- nehmen, jungen Menschen Jobs ren und den dann zurückkehrenden den, wirbt als Stiftungsvorstand seit und Ausbildungsplätze dort zu ver- jungen Menschen einen besseren Jahren für das kulturelle Erbe des mitteln, wo es besser läuft, notfalls Start in die Berufswelt, vielleicht Saarlands. Ende Juni trat Hartz vor auch im Ausland. „215 Milliarden als Unternehmer, ermöglichen. Im- die Öffentlichkeit und präsentierte Euro brauchen Sie, um 5,5 Millio- merhin bringt der europaweite Aus- ein komplexes Konzept zur Über- nen jugendlichen Arbeitslosen zu tausch neue Geschäftskontakte windung der Jugendarbeitslosigkeit helfen“, so Hartz gegenüber dem und Ideen – ein gutes Fundament in Europa. Seine persönlichen Er- „Handelsblatt“, der sich ein größe- für clevere Köpfe. fahrungen mit dem Niedergang der res Engagement wünscht, als die saarländischen Montanindustrie von der EU vorgesehenen sechs 12 BDH-Kurier 9/10 2014
Zahlen, Daten, Fakten Kurz notiert Jeder Fünfte in NRW Sozialstudie 2014 Niederlande im Rentenalter Ritualisierter Alarmismus oder notwendi- mit Rentenreform Nordrhein-Westfalen altert so schnell wie ge Kritik: Alljährlich publizieren Sozialver- Das Rentensystem unseres westlichen kein anderes der alten Bundesländer. bände und ökonomische Institute ihre Nachbarn Niederlande funktioniert als Nach Angaben des statistischen Landes- Sozialstudien. Die entscheidende Kenn- Umlagesystem wie das deutsche. Hier amtes in NRW (IT.NRW) war Ende des ziffer, die sog. Armutsquote, steht dabei wie dort wird die Zahl Erwerbstätiger auf vergangenen Jahres jeder fünfte (20,4 stets im Mittelpunkt öffentlicher Debat- lange Sicht sinken, die Gesellschaft er- Prozent) der 17,55 Millionen Einwohner ten. Die Quote hat sich inzwischen bei ei- heblich altern. Neben der gesetzlichen Nordrhein-Westfalens 65 Jahre oder äl- nem Wert von 15,2 Prozent eingepen- Rente leisten die Beitragszahler, ähnlich ter. Nur jeder sechste Einwohner des delt. Mit anderen Worten: Etwa jeder wie es bei uns der Fall ist, private Alters- größten Bundeslandes (16,7 Prozent) sechste Deutsche ist arm, verfügt also vorsorge, die allerdings nicht hinreicht, war noch im jugendlichen Alter (unter 18 über weniger als 40 Prozent des durch- das Umlagesystem generationen- und Jahre). Fast zwei Drittel (62,9 Prozent) schnittlichen deutschen Netto-Einkom- demografiefest zu machen. Die Regie- befinden sich im erwerbsfähigen Alter mens. „Gute“ Arbeit scheint zu einem sel- rung aus Rechtsliberalen und Sozialde- zwischen 18 und 65 Jahren. Im Jahre teneren Gut zu werden. Auch das Deut- mokraten erhöht nun das Renteneintritts- 1987 war jeder Siebte im Rentenalter sche Institut für Wirtschaftsforschung alter bis 2021 auf 67 Jahre (aktuell: 65 (14,8 Prozent), 1961 gerade einmal jeder (DIW) beklagt ein Auseinanderdriften der Jahre). Sollte die durchschnittliche Le- zehnte Einwohner NRWs. Damals lag Gesellschaft und hat zu Jahresbeginn benserwartung der Niederländer wie er- der Anteil von Kindern und Jugendlichen darauf hingewiesen, dass das Problem wartet weiter steigen, ist geplant, das noch bei 25 Prozent. ökonomischer Ungleichheit in Deutsch- Renteneintrittsalter weiter anzuheben, land einen Höhepunkt erreicht habe. zur Not bis zum 72. Lebensjahr. Gut ausgebildete deutsche Frauen Vereinbarkeit von Kritik an Pflegereform Es ist mehr als eine Binsenweisheit: Bil- Familie und Beruf Prinzipiell herrscht Einigkeit darüber, dung schafft Perspektiven. Eine Bil- Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. dass für Demenzkranke und pflegende dungspolitik, die alle Ebenen der Gesell- Etwa 69 Prozent erwerbstätiger deut- Angehörige mehr getan werden muss. schaft durchdringt, ist die wirksamste Zu- scher Mütter gehen einer Teilzeitbe- Experten diskutieren seit Jahren über die kunftspolitik in einer Wissensgesellschaft schäftigung in der ersten Erziehungspha- Neufassung eines entsprechenden Pfle- wie der europäischen. Gerade in Zeiten se des Nachwuchses nach. Das meldet gebedürftigkeitsbegriffs, der allerdings des Fachkräftemangels wird es darauf das Statistische Bundesamt (Destatis) eine breitere finanzielle Basis der Pflege- ankommen, den Anteil gut ausgebildeter auf Basis der 2012 gewonnen Daten des versicherung notwendig machen würde. Frauen in der Wirtschaft zu erhöhen und letzten Mikrozensus. Historisch gewach- Die paritätische Finanzierung eines sol- die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sen, ergibt sich nach wie vor allerdings chen Schritts durch Arbeitnehmer und Ar- zu fördern. In Deutschland lag nach In- ein erheblicher Unterschied zwischen beitgeber wird zu einer Erhöhung des formationen der EU-Statistikbehörde Eu- dem Erwerbsverhalten Ost- und West- Beitragssatzes zur Pflegeversicherung in rostat der Anteil 30- bis 34-jähriger Frau- deutschlands: In den neuen Bundeslän- Höhe von 0,5 Prozent führen. Dies koste en mit tertiärem Bildungsabschluss bei dern liegt die Quote teilzeittätiger Mütter bis zu sechs Milliarden Euro im Jahr und 54,9 Prozent und damit knapp über dem bei 44 Prozent, in den alten Ländern mit sei damit nach Ansicht der Deutschen Ar- EU-Durchschnitt. Bei den gleichaltrigen 75 Prozent markant höher. Bei den Män- beitgeberverbände (BDA) zu kostspielig. Männern ergab sich ein anderes Bild: Da nern der entsprechenden Gruppe liegt Die Arbeitgeber raten im Umkehrschluss lag Deutschland mit 33,1 Prozent unter der Anteil bei gerade einmal fünf Pro- zur Entbürokratisierung und einer Ver- dem Richtwert der EU von 36,8 Prozent. zent. waltungsreform der Pflegeversicherung. BDH-Kurier 9/10 2014 13
Schock-Diagnose für Guido Westerwelle BDH-Klinik Greifswald Gesundheits- ••• Ex-Außenminister Besuch News an akuter Leukämie erkrankt Eher zufällig diagnostizierten Ärzte im Juni siven Verlauf schwerer heilbar ist. Ein akuter aus dem eine akute Leukämie bei Ex-Außenminister Guido Westerwelle. Eine Blutuntersuchung Verlauf, wie im Falle des ehemaligen Außenmi- nisters, grenzt sich von der chronischen Erkran- Landtag vor einer geplanten Knie-OP führte zur Schock- kung durch ihre Geschwindigkeit und das unver- Diagnose. Aussehen und Zahlenverhältnis der mittelte Auftreten einer ganzen Reihe von Symp- Auf ihrer jährlichen Som- Blutzellen zueinander wiesen extreme Auffällig- tomen ab. Dennoch besteht eine nicht unbe- mertour durch verschie- keiten auf, eine Untersuchung folgte. 11.500 gründete Hoffnung auf Überwindung der Krank- dene Institutionen aus Menschen erkrankten im vergangenen Jahr in heit: Zwei Drittel der Erkrankten unter 65 werden dem Gesundheits- und Deutschland an Leukämie. Generell stellen Ex- geheilt. Allerdings sinkt die Heilungsquote bei Sozialbereich besuchten perten dabei fest, dass die Erkrankung vielfach über 65-Jährigen auf fünfzig Prozent. zu spät erkannt wird und damit in ihrem progres- Mitglieder des Arbeits- kreises für Gesundheit und Soziales der CDU- Zurückhaltung bei Antibiotikaforschung Landtagsfraktion am 25. ••• Gefährliche Keime drohen Juli 2014 die BDH-Klinik Greifswald. unkontrollierbar zu werden Die Teilnehmer nahmen Experten der Weltgesundheitsorganisation gegen resistente Keime wieder aufzunehmen. sich zwei Stunden Zeit und (WHO) schlagen Alarm: Unsere Hauptwaffe im Längst vergessene Krankheiten kehren zurück ließen sich von Therapielei- Kampf gegen Infektionen, das Antibiotikum, und es bestehe die Gefahr, dass Mediziner terin Mareile Otto und Pfle- droht zu einem stumpfen Schwert zu werden. schon bald kleinsten Wundinfektionen machtlos gedienstleiterin Petra Krien- Als Grund nannten die Experten eine jahrzehn- gegenüberstehen. Das US-amerikanische Ge- ke den Klinikalltag und die telange Investitionszurückhaltung der Pharma- sundheitsministerium investiert jetzt 200 Millio- besonderen Behandlungs- zeutischen Industrie bei der Weiterentwicklung nen Dollar in die Entwicklung neuer Resistenz- möglichkeiten erläutern. der Wirkstoffe. Das Problem: Der Preisverfall auf brecher, die durch den Pharmakonzern GlaxoS- Frau Otto unterwies die dem Antibiotikamarkt steigerte die Attraktivität mithKline erforscht werden sollen. Auch die Eu- Gäste in Therapiemöglich- der Erforschung neuer Wirkstoffe in anderen Be- ropäische Union (EU) antwortet mit ihrem Pro- keiten wie Musik, Heilpäda- reichen wie Herz- und Kreislauferkrankungen. gramm „New Drugs for Bad Bugs“ auf die wach- gogik und Orthoptik, die in Nun muss umgesteuert werden, um den Kampf senden Sorgen der Mediziner. anderen Rehabilitationsein- richtungen nicht angeboten werden. Anschließend fand Wege zur Pflegegesellschaft ein Gespräch mit der Klinik- ••• Sachverständige überreichen leitung, vertreten durch den ärztlichen Direktor und Gesamtgutachten Chefarzt Prof. Platz, dem stellvertretenden Ge- Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe stützung. Vor allem die pflegerische Langzeit- schaftsführer Tom Schwiet- (CDU) war in diesem Jahr erstmals Adressat versorgung sei „stark gefährdet“ und die zer, Frau Krienke und Frau des Gutachtens des Sachverständigenrats für Schritte der Regierung „zu begrenzt“, um dem Otto statt. Hier wurde u.a. das Gesundheitswesen. Die beratenden Ex- Fachkräftemangel in der Pflege entgegenzu- der geplante Erweiterungs- perten schrieben dem Minister vor allem die wirken. Hauptaugenmerk solle auf die Ab- bau der BDH-Klinik Greifs- Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs wärtsspirale in ländlichen Regionen gelegt wald vorgestellt und die Si- ins Stammbuch, eigentlich ein Job für Staats- werden. Pflegezentren nach internationalem tuation der Klinik im Allge- sekretär Karl-Josef Laumann (CDU), der sich Vorbild könnten die drohende Unterversor- meinen erörtert. als Pflegebeauftragter der Regierung der kom- gung medizinischer Leistungen stoppen. Zu- plexen Materie gegenübersieht. 1,2 Millionen dem müsse dem Prinzip „Reha vor Rente“ Demenzkranke warten seit Jahren auf eine Geltung verschafft werden, so die Experten. echte Reform und bessere finanzielle Unter- 14 BDH-Kurier 9/10 2014
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