Bundestagung 2014 Grußworte zur Bundestagung - BDH Bundesverband Rehabilitation

 
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Bundestagung 2014 Grußworte zur Bundestagung - BDH Bundesverband Rehabilitation
66. Jahrgang ∙ 9/10 2014

Kurier
  Informationszeitschrift des BDH

  Bundestagung 2014
                                            Grußworte
                                                   zur
                                         Bundestagung
                                                         Seite 4

  26. bis 27. September 2014
  Leonardo Royal Hotel Köln

Studie:
Essen wir
uns krank?
Seite17

                                            Pflegereform
                                                    unter
                                                der Lupe
                                                        Seite 11
Bundestagung 2014 Grußworte zur Bundestagung - BDH Bundesverband Rehabilitation
Aus dem Inhalt                                    Grußwort
                                                  Liebe Mitglieder und Freunde des BDH,
Grußworte                                         die diesjährige Bundestagung führt Delegierte unserer
zur Bundestagung                              3   Kreisverbände aus dem gesamten Bundesgebiet
                                                  in der rheinischen Metropole Köln zusammen.
                                                  Gemeinsam werden wir an der Weiterentwicklung
                                                  unseres Sozialverbandes arbeiten und das Profil des
                                                  BDH als Stütze zahlreicher Menschen in ihrem Alltag
                                                  schärfen. Es muss unser Ziel sein, die traditionsreiche
                                                  Funktion des BDH als Sozialverband auf sämtlichen Ebenen unserer Gesellschaft
                                                  zum Wohle von Menschen mit Behinderung publik zu machen und an Strategien
                                                  zu arbeiten, immer besser zu werden.
                                                  Gerade in Krisenzeiten offenbaren sich das soziale Fundament einer Gesellschaft,
                                                  die Solidarität der Menschen und die Fähigkeit zur politischen Umsetzung unserer
                                                  Werte von Gerechtigkeit und Toleranz. Mit Blick auf die nach wie vor ungelösten
                                                  Krisen Südeuropas, der beschämenden Situation afrikanischer und syrischer
                                                  Flüchtlinge an den Grenzen Europas, fordere ich die europäischen Staaten auf,
                                                  ernst gemeinte Solidarität zu üben und endlich mit einer Stimme zu sprechen
Aktuelles                                         und an der Lösung dieses Dramas mitzuwirken. Die zahlreichen Krisenherde
                                                  offenbaren erhebliche Defizite der europäischen Integration – das Haus Europa
BDH-Vorstand                                      muss weiterentwickelt werden. Und zwar auf der Basis der unverzichtbaren Werte
stellt neue Satzung vor                       9   von Gerechtigkeit, Offenheit und Freiheit.
                                                  Doch unsere Erfahrung zeigt, dass sich ungezählte menschliche Dramen und
Hartz mit Arbeitsmarktreform              12      schwere Schicksale auch bei uns, in unmittelbarer Nachbarschaft, abspielen.
                                                  Lassen Sie uns gemeinsam an unserem sozialen Netzwerk arbeiten, um
●●●                                               unserer Gesellschaft einen wichtigen Impuls zur Steigerung der Lebensqualität
                                                  behinderter, bedürftiger und zurückgelassener Menschen zu geben.
Gesundheits-News                          14      Es grüßt Sie herzlich
                                                  Ihre
●●●

Klinik-News                               15
                                                  Ilse Müller
●●●                                               Bundesvorsitzende des BDH Bundesverband Rehabilitation

Jugendseite                               16
●●●                                                                                                        Redaktion und Anzeigenschaltung:
                                                                                                           Thomas Kolbe
                                                                                                           Sitz: 53119 Bonn, Eifelstraße 7,
Panorama                                                                                                   Telefon: 0228/96984-0, Telefax: 0228/96984-99,

Essen wir uns krank?                      17                                                               E-Mail: t.kolbe@bdh-bonn.de, www.bdh-reha.de
                                                                                                           Satz, Druck und Vertrieb:
                                                                                                           Rehabilitationszentrum der BDH-Klinik Vallendar
●●●                                                                                                        56179 Vallendar/Rhein, Heerstraße 54a,
                                                                                                           E-mail: gerd.thomas@bdh-klinik-vallendar.de
                                                           Impressum                                       Erscheinungsweise: Sechsmal im Jahr
BDH -                                                     Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt    Fotonachweis:
                                                                                                           BDH Bundesverband Rehabilitation, BDH-Klinik Elzach,
                                                          (Chefredaktion):
Land und Leute                           21               BDH Bundesverband Rehabilitation                 Bundesagentur für Arbeit, Bundesregierung/Henning
                                                          Sitz: 53119 Bonn, Eifelstraße 7,                 Schacht, Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e.V., Feng
                                                          Telefon: 0228/96984-0, Telefax: 0228/96984-99,   Yu – Fotolia.com, Gehörlosenverband Niedersachsen
                                                          E-Mail: info@bdh-reha.de, www.bdh-reha.de        e.V., KÖLNTOURIST Personenschiffahrt am Dom GmbH,
                                                                                                           Kzenon, RAMESH AMRUTH, Techniker Krankenkasse
                                                          Bankverbindungen:
                                                          Bank für Sozialwirtschaft                        Der Kurier als Bundesorgan des BDH wird allen Mitgliedern
                                                          Konto-Nr. 1180800, BLZ 37020500                  im Rahmen der Mitgliedschaft ohne Erhebung einer
                                                                                                           besonderen Bezugsgebühr geliefert (kostenloser Bezug des
                                                          IBAN DE44370205000001180800                      BDH-Kuriers ist im entrichteten Mitgliedsbeitrag enthalten –
                                                          BIC BFSWDE33XXX                                  (»mittelbarer Bezugspreis«). Die mit Namen gezeichneten
                                                          Sparkasse KölnBonn                               Artikel geben nicht immer die Auffassung des Bundes-
                                                          Kto.-Nr. 14850069, (BLZ 37050198)                vorstandes wieder. Unverlangt eingesandte Manuskripte
                                                          IBAN DE15370501980014850069                      werden zurückgesandt, sofern Porto beiliegt.

Titelbild: Köln ist in diesem Jahr Ort                    BIC COLSDE33                                     Die Chefredaktion behält sich Änderungen und Kürzungen
                                                                                                           der Manuskripte, Briefe u. ä. auch der aus den Landesver-
                                                          Bank für Sozialwirtschaft
der Bundestagung des BDH.                                 Spendenkonto-Nr. 250 250, BLZ 37020500           bänden zugestellten Beiträge, vor.
(Foto: KÖLNTOURIST                                        IBAN DE51370205000000250250                      Redaktionsschluss:
                                                          BIC BFSWDE33XXX                                  jeweils der 10. eines geraden Monats
Personenschiffahrt am Dom GmbH)
Bundestagung 2014 Grußworte zur Bundestagung - BDH Bundesverband Rehabilitation
Donnerstag, 25. September 2014

                                                                                                     Bundestagung
                                                                                                     Programm zur
14.00–18.00 Uhr Sitzung des erweiterten Bundesvor-
                standes
                (Hierzu werden die Mitglieder des
                erweiterten Bundesvorstandes zeitge-
                recht eingeladen)

Freitag, 26. September 2014
10.00–12.30 Uhr Öffentliche Veranstaltung
                       Moderation:
                       Josef Bauer,
                       stellv. Bundesvorsitzender
                       Begrüßung:
                       Theo Bahr,
                       stellv. Bundesvorsitzender
                       Grußworte:
                       Gäste
                       Verleihung des BDH-Rehapreises an
                       den
                                                           Bundestagung
                       Deutschen Feuerwehrverband          in Köln
                       durch Ilse Müller,
                                                           vom 25. bis 27. September 2014
                       Bundesvorsitzende des BDH
                       Umgang mit Exoskeletonsystem
                       „ReWalk“
                       zum Thema:
                         „Behinderung
                         re(h)alistisch sehen.
                         Der BDH bewegt!“
                       Schlusswort:                                             BDH-Bundestagung
                                                                                25.-27. Sept. 2014 in Köln
                         Lothar Lehmler,
                         Bundesschriftführer               Die Bundestagung steht unter dem Motto:
15.30–18.00 Uhr Bundesdelegiertentagung                    Behinderung re(h)alistisch sehen –
                                                           Der BDH berwegt!
20.00 Uhr              Bunter Abend
                                                           Die Veranstaltungen finden statt im
Sonnabend, 27. September 2014                              Leonardo Royal Hotel Köln -
                                                           Am Stadtwald
9.00 Uhr               Fortführung der                     Dürener Straße 287
                       Bundesdelegiertentagung             50935 Köln

BDH-Kurier 9/10 2014                                                                                3
Bundestagung 2014 Grußworte zur Bundestagung - BDH Bundesverband Rehabilitation
Liebe BDH-Mitglieder und                                          Rehabilitation vermag den Weg
                                             Freunde unseres Verbandes,                                        zurück in ein eigenständigeres
Bundestagung
Grußworte zur

                                                                                                               Leben zu erleichtern. Daran
                                             ich heiße Sie alle und
                                                                                                               mitzuwirken, ist eine schöne und
                                             selbstverständlich auch unsere
                                                                                                               erfüllende, aber auch verantwor-
                                             Gäste, die wir anlässlich
                                                                                                               tungsreiche und anspruchsvolle
                                             unseres öffentlichen Forums in
                                                                                                               Aufgabe. Gute Rehabilitation
                                             Köln begrüßen dürfen, herzlich
                                                                                                               erfordert profunde Fachkenntnis
                                             willkommen in der Domstadt.
                                                                                                               und viel Erfahrung – so wie sie der
                                                 Die diesjährige Bundestagung                                  BDH auf sich vereint. Als gemein-
                    bietet eine gute Gelegenheit, das Thema Behinderung            nütziger Klinikträger mit jährlich etwa 10.000 Behandlungen
                    wieder einmal offen anzusprechen und eine ehrliche             und Therapien in deutschlandweit sieben Einrichtungen ist
                    Debatte über unseren Umgang mit dem „Anderssein“               der Verband ein wichtiger Pfeiler der Rehabilitation. Er setzt
                    anzustoßen. Wie hält es unsere Gesellschaft mit der            Maßstäbe im Umgang mit neurologischen Erkrankungen
                    Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention?                  und Beeinträchtigungen. Hinzu kommt sein Wirken als
                    Führen wir tatsächlich eine offene und ehrliche Debatte        Selbsthilfeorganisation, die vielen tausend Patientinnen und
                    über unseren Umgang mit behinderten Mitbürgerinnen             Patienten beratend zur Seite steht.
                    und Mitbürgern? Vieles mag noch im Argen liegen, aber
                                                                                   Mit diesem Aufgabenspektrum ist der BDH ein kompetenter
                    unsere Gesellschaft bewegt sich. Die Lektüre der folgenden
                                                                                   Vertreter einer Zukunftsbranche. Denn angesichts des de-
                    Grußworte namhafter Politiker wird Ihnen zeigen, dass sich
                                                                                   mografischen Wandels erfährt Rehabilitation einen immer
                    selbst in den höchsten Etagen unserer Politik ein spürbares
                                                                                   höheren Stellenwert. Mit wachsender Anzahl Älterer und
                    Problembewusstsein für die Umsetzung ernst gemeinter
                                                                                   Hochbetagter steigen das Krankheitsrisiko und damit auch
                    Inklusion geformt hat und dass es unserem Verband
                                                                                   die Nachfrage nach Angeboten, die helfen, mit weitrei-
                    gelungen ist, in die traditionsreiche „1. Liga“ deutscher
                                                                                   chenden Folgen einer Erkrankung zurechtzukommen. Die
                    Sozialverbände aufzusteigen. Das verdanken wir vor
                                                                                   Bundesregierung stellt sich ihrer Verantwortung, die aus
                    allem der Arbeit unserer, leider nur allzu oft ungenannten,
                                                                                   dem wachsenden Bedarf resultiert. Im Rahmen unseres
                    ehrenamtlichen Mitstreiter. Ihnen danke ich an dieser Stelle
                                                                                   Rentenpakets erhöhen wir das Reha-Budget. Davon profitie-
                    im Namen des BDH für Ihren unverzichtbaren Einsatz.
                                                                                   ren alle Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung,
                    Gemeinsam mit den Teams unserer Kliniken und den
                                                                                   die während ihres Erwerbslebens Leistungen zur medizini-
                    hauptamtlichen Mitarbeitern unseres Verbandes formen Sie
                                                                                   schen und beruflichen Rehabilitation beziehen.
                    alle eine schlagkräftige Solidargemeinschaft, die sich dem
                    Dienst an unseren PatientInnen und Mitgliedern verpflichtet    Allen, die sich ehrenamtlich oder hauptberuflich für
                    fühlt.                                                         Rehabilitation und mehr Lebensqualität Betroffener stark
                                                                                   machen, kann ich nur Dank und Anerkennung aussprechen.
                    Ich freue mich auf die Begegnungen mit Ihnen in Köln und
                                                                                   Unter dem Motto „Behinderung re(h)alistisch sehen - Der
                    wünsche Ihnen allen eine angenehme Anreise und eine
                                                                                   BDH bewegt!“ diskutieren Sie auf Ihrer Bundestagung
                    bewegende Tagung.
                                                                                   über künftige Herausforderungen und Perspektiven Ihres
                                                                                   Verbandes. Dies nehme ich gern zum Anlass, Sie herzlich zu
                                                                                   grüßen und Ihnen einen gewinnbringenden Gedanken- und
                    Ihre
                                                                                   Erfahrungsaustausch zu wünschen – zum Wohle aller, denen
                                                                                   Rehabilitation neue Chancen im alltäglichen Leben eröffnet.

                    Ilse Müller
                    Bundesvorsitzende des BDH Bundesverband
                    Rehabilitation                                                 Dr. Angela Merkel
                                                                                   Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

                4                                                                                                          BDH-Kurier 9/10 2014
Bundestagung 2014 Grußworte zur Bundestagung - BDH Bundesverband Rehabilitation
Im Namen der So-                                   Seit über                                    Der Bun-
                           zialdemokratischen                                 90 Jahren                                    desverband

                                                                                                                                               Bundestagung
                                                                                                                                               Grußworte zur
                           Partei Deutschlands                                kümmert sich                                 Rehabilitation
                           grüße ich die Teil-                                der Bundes-                                  (BDH) setzt
                           nehmerinnen und                                    verband                                      sich mit gro-
                           Teilnehmer der                                     Rehabilitation                               ßem Enga-
                           Bundeskonferenz                                    als gemein-                                  gement und
                           des BDH Bundes-                                    nützige Organi-                              Fachwissen
                           verband Rehabilita-                                sation mit                                   für Menschen
                           tion herzlich.                                     einem dicht                                  ein, die durch
                                                                              geknüpften                                   Schädigun-
Der BDH kümmert sich seit 1920 um die me-
                                                   Netz von Landes- und Kreisverbänden           gen des zentralen Nervensystems oder
dizinischen, sozialen und rechtlichen Belange
                                                   um die Bedürfnisse von Menschen mit           neurologische Erkrankungen mit oft schweren
von Menschen mit neurologischen Erkrankun-
                                                   Behinderung. Betroffene und ihre Familien     gesundheitlichen Funktionseinschränkungen
gen und Verletzungen. Er hat in Deutschland
                                                   bekommen hier Hilfe und Beratung und          leben müssen.
nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet
                                                   finden sicherlich manches Mal auch Trost.     Dafür verdienen Ihre haupt- und ehrenamtlich
der neurologischen Rehabilitation Pionierarbeit
                                                   Dies gilt umso mehr, als der BDH einen        tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Dank
geleistet und Einrichtungen gegründet, die bis
                                                   Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die          und Wertschätzung. Zur Bundestagung des
heute Maßstäbe setzen.
                                                   stationäre neurologische Rehabilitation       BDH in Köln übersende ich allen Teilnehmerin-
Aus dem einstigen „Kriegerverein“ ist längst       setzt, um Menschen nach einem Unfall          nen und Teilnehmern meine herzlichsten Grüße.
eine moderne Selbsthilfeorganisation gewor-        oder bei neurologischer oder geriatrischer
den. Die stationäre neurologische Rehabilitati-                                                  Damit Patientinnen und Patienten nach folgen-
                                                   Erkrankungen den Weg zurück in ein
on nimmt einen wichtigen Stellenwert innerhalb                                                   reichen Schicksalsschlägen am wirtschaftlichen
                                                   möglichst normales Leben zu ermöglichen.
des Leistungsangebotes des BDH ein, um                                                           und gesellschaftlichen Leben so selbstbestimmt
Menschen nach einem Unfall oder sonstiger          Die Weichen dafür werden in fünf              und normal wie möglich teilhaben können, bietet
neurologischer und geriatrischer Krankheit         Neurologischen Kliniken gestellt, die         der BDH in seinen Neurologischen Kliniken und
Unterstützung auf dem Weg zurück ins Leben         bundesweit in Trägerschaft des BDH            seinem Rehabilitationszentrum für Jugendliche
zu bieten.                                         stehen und deren Behandlungsqualität          zielgerichtete und umfassende medizinische
                                                   sowohl bei den Patientinnen und Patienten     Behandlung und rehabilitative Versorgung. Dazu
Das Ziel, allen Menschen gleichermaßen die
                                                   als auch bei sämtlichen Leistungsträgern      zählen neben passgenauen physiotherapeuti-
umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Le-
                                                   einen guten Ruf genießt. Weitere              schen Leistungen auch die psychologische und
ben zu ermöglichen, findet die volle Unterstüt-
                                                   Einrichtungen mit speziellen Angeboten        soziale Begleitung und Betreuung der Betrof-
zung der SPD. Solidarität, soziale Gerechtigkeit
                                                   ergänzen die Palette an Hilfsmöglichkeiten.   fenen. Deren Angehörige werden einbezogen
und die Achtung des Mitmenschen sind Werte,
                                                                                                 und beraten, um einen optimalen Verlauf und
von denen die SPD seit über 150 Jahren getra-      Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern
                                                                                                 Erfolg der Rehabilitationsmaßnahmen zu ge-
gen wird.                                          der diesjährigen Bundestagung des BDH
                                                                                                 währleisten. Hierbei spielen die anerkannt hohe
Die Menschen werden älter und arbeiten immer       wünsche ich schöne, spannende und
                                                                                                 Qualifikation und die langjährigen praktischen
länger. Unsere Gesellschaft ist vom demogra-       anregende Tage in der größten Stadt
                                                                                                 Erfahrungen der Beschäftigten in den BDH-
phischen Wandel und zunehmender Vielfalt,          Nordrhein-Westfalens.
                                                                                                 Einrichtungen eine bedeutende Rolle.
aber von einem stetig wachsenden Leistungs-
                                                                                                 Im gesamten Rehabilitationsprozess ist das
druck am Arbeitsmarkt geprägt. Die Sicherstel-
                                                                                                 vertrauensvolle Miteinander von Menschen mit
lung umfassender Teilhabe für alle, die Vermei-
                                                                                                 und ohne Behinderung ganz selbstverständlich.
dung von Krankheit und die Wiederherstellung       Hannelore Kraft                               Sie füllen so die Zielvorstellungen der Behin-
von Gesundheit sind von zentraler Bedeutung.       Ministerpräsidentin                           dertenrechtskonvention der Vereinten Nationen
Deshalb werden Prävention und Rehabilitation       des Landes Nordrhein-Westfalen                mit Leben und helfen mit, dass das Bild von
immer wichtiger. Mittlerweile versorgen in
                                                                                                 Menschen mit Behinderungen nicht länger von
Deutschland rund 120.000 Beschäftigte in über
                                                                                                 Mitleid oder möglichen Defiziten geprägt ist,
1.200 Rehabilitationseinrichtungen jährlich rund
                                                                                                 sondern die Stärken und Fähigkeiten im Fokus
2 Millionen Patientinnen und Patienten.
                                                                                                 stehen. Nur so lässt sich der Inklusionsgedanke
Ich bin sicher, dass sich der BDH an den                                                         umsetzen. Ich lade Sie herzlich ein, auch in
kommenden Debatten und Beratungen für                                                            Zukunft tatkräftig daran mitzuarbeiten, dass
Rehabilitation und ein modernes Teilhaberecht                                                    Inklusion in allen Lebensbereichen eine Selbst-
für Menschen mit Behinderungen aktiv und                                                         verständlichkeit wird. Dafür sage ich Danke und
konstruktiv beteiligen wird.                                                                     wünsche der BDH-Bundestagung 2014 einen
In diesem Sinne wünsche ich der Bundesta-                                                        guten Verlauf.
gung des BDH Bundestagung Rehabilitation
einen guten Verlauf.                                                                             Andrea Nahles
                                                                                                 Bundesministerin für Arbeit und Soziales

Sigmar Gabriel
Bundesminister für Wirtschaft und Energie

BDH-Kurier 9/10 2014                                                                                                                           5
Sehr geehrte                                                           Sehr geehrte Leserinnen
                                                Frau Vorsitzende Müller,                                               und Leser,
Bundestagung
Grußworte zur

                                                sehr geehrte Damen und Herren                                          als Oberbürgermeister freue
                                                Mitglieder und Gäste des BDH,                                          ich mich, dass die Stadt Köln
                                                zu Ihrer Bundestagung unter dem                                        gastgebende Stadt für die Bun-
                                                Motto „Behinderung re(h)alistisch                                      destagung des BDH Bundes-
                                                sehen. – Der BDH bewegt!“ sende ich                                    verband Rehabilitation ist. So
                                                Ihnen als Vorsitzender der Christlich-                                 ist er doch bundesweit einer der
                                                Sozialen Union, aber auch persönlich,                                  größten Fachverbände auf dem
                                                die besten Grüße. Unser Umgang                                         Gebiet der Rehabilitation und
                    mit den Anliegen behinderter Menschen und ihrer Angehörigen                                        verfügt über fünf Neurologische
                    sagt viel über unsere Gesellschaft aus. Denn wir leben in             Kliniken, einem Rehabilitationszentrum für Jugendliche
                    unserer Gesellschaft auch von der Menschlichkeit, die wir den         und einem Therapiezentrum. Insbesondere im Bereich
                    Schwächeren entgegenbringen.                                          der stationären neurologischen Rehabilitation hat sich der
                    Dies gilt im persönlichen Umgang eines jeden Einzelnen                BHD hervorgetan, um Menschen, die Hirnschäden erlit-
                    mit seinen Mitmenschen, wie aber auch im Hinblick auf die             ten haben, auf ihrem Weg zurück ins Leben unterstützen
                    Unterstützungsleistungen, die eine soziale Politik ermöglicht.        zu können.
                    Dieser Aufgabe sieht sich die CSU als Partei, die das Christliche     Dabei sind vor allem Schädel-Hirn-Verletzungen ein
                    wie das Soziale in Namen und Programm führt, besonders                Thema von hoher Brisanz. Solch eine Verletzung kann
                    verpflichtet. Deshalb ist unser Ziel ganz klar: Menschen mit          uns alle ganz unvorhergesehen treffen. Laut der ZNS
                    Behinderungen gehören nicht ins soziale Abseits, sondern              Hannelore-Kohl-Stiftung für Verletzte mit Schäden des
                    müssen nach allen Möglichkeiten aktiv am Leben unserer                Zentralen Nervensystems werden in Deutschland jährlich
                    Gesellschaft beteiligt werden. Dies gilt nicht nur für die            bei Unfällen im Straßenverkehr mehr als 350.000 Men-
                    Betroffenen selbst, sondern ebenso für ihre Angehörigen und           schen verletzt. 70.200 von ihnen erleiden eine Schädel-
                    auch diejenigen, die sich ehrenamtlich für behinderte Menschen        Hirn-Verletzung.
                    einsetzen.                                                            Eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung kann massive
                    Deshalb haben wir in der Koalitionsvereinbarung im Bund               Folgen nach sich ziehen. Ziel der Behandlung ist es, das
                    verankert:                                                            Ausmaß der Hirnschädigung zu begrenzen. Im Anschluss
                        „Leitidee der Politik der neuen Bundesregierung für               an die Akutversorgung und medizinischen Behandlung
                        Menschen mit Behinderung ist die inklusive Gesellschaft.          sollte daher so früh wie möglich eine Rehabilitation
                        Menschen mit und ohne Behinderung sollen zusammen                 starten, damit gezielt Fähigkeiten aufgebaut,
                        spielen, lernen, leben, arbeiten und wohnen. In allen             wiederhergestellt und trainiert werden können. Auch hier
                        Bereichen des Lebens sollen Menschen mit Behinderung              wurde vom BHD Pionierarbeit geleistet. So war die BDH-
                        selbstverständlich dazugehören – und zwar von Anfang an.          Klinik Hessisch Oldendorf eine der ersten Einrichtungen
                        Menschen mit Behinderung sind Experten in eigener Sache,          für Frührehabilitation in Deutschland.
                        ihre Beteiligung an den Entscheidungsprozessen wollen wir         Darüber hinaus versteht sich der BHD als Selbsthilfe-
                        besonders berücksichtigen – nach dem Motto „Nichts über           organisation für Menschen mit Behinderungen und ihre
                        uns ohne uns“.                                                    Angehörigen und setzt sich für deren Interessen ein.
                    Bei der Umsetzung der zahlreichen konkreten Maßnahmen, die            Dazu gehören Forderungen nach Inklusion und nach Be-
                    die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen und ihrer           dingungen, die ein selbstbestimmtes Leben und soziale
                    Angehörigen verbessern werden – vom Bundesteilhabegesetz              Teilhabe auch mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung
                    bis zur Inklusion in der Berufsausbildung, von der Barrierefreiheit   ermöglichen und erleichtern.
                    im öffentlichen Raum bis zur Fortentwicklung des Reha-Budgets         Ich bin mir sicher, dass Sie, liebe Teilnehmerinnen und
                    in der Rentenversicherung – kommt der Rehabilitation eine             Teilnehmer, viele gute Impulse, Ideen und Anregungen
                    besondere Bedeutung zu. Dabei bedarf es selbstverständlich            für ihre alltägliche Arbeit vor Ort mit nach Hause
                    auch der anerkannten Expertise der Fachverbände wie des               nehmen werden. Ihnen allen wünsche ich interessante
                    BDH. In diesem Sinne danke ich dem BDH Bundesverband                  und fruchtbare Diskussionen und einen erfolgreichen
                    Rehabilitation und allen in ihm engagierten Frauen und                Kongressverlauf. Diese Wünsche verbinde ich mit der
                    Männern für ihre wertvolle Arbeit, im Sinne eines menschlichen        Hoffnung, dass Sie neben Ihrem wissenschaftlichen
                    Miteinanders in der Gesellschaft und wünsche Ihrer                    Informations- und Erfahrungsaustausch noch
                    Bundestagung viel Erfolg!                                             genügend Zeit für Kölns touristische und kulturelle
                                                                                          Sehenswürdigkeiten finden werden.
                    Ihr
                                                                                          Ihr

                    Horst Seehofer
                    Ministerpräsident des Freistaates Bayern                              Jürgen Roters
                                                                                          Oberbürgermeister der Stadt Köln

                6                                                                                                           BDH-Kurier 9/10 2014
Sehr geehrte                                                     In mehr als 90 Jahren hat sich
                          Damen und Herren,                                                der BDH Bundesverband Rehabi-

                                                                                                                                 Bundestagung
                                                                                                                                 Grußworte zur
                          Deutschland befindet sich                                        litation vom einstigen „Kriegerver-
                          auf dem Weg, eine inklusive                                      ein“ zu einem modernen Selbst-
                          Gesellschaft zu werden.                                          hilfeverband entwickelt, der sich
                          Eine Gesellschaft, in der                                        konsequent für die Interessen
                          alle Menschen in all ihrer                                       von Menschen mit Behinderung
                          Vielfalt als Normalität und                                      und von Behinderung bedrohter
                          Selbstverständlichkeit                                           Menschen sowie ihrer Angehöri-
                          wahrgenommen werden. Mit                                         gen einsetzt.
der Ratifikation der UN-Behindertenrechtskonvention       Der BDH, seine Mitarbeiter und seine vielen ehrenamtlichen
hat sich Deutschland vor 5 Jahren verpflichtet, die       Helferinnen und Helfer machen unsere Gesellschaft dank ge-
hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.          lebter Solidarität jeden Tag ein Stück weit menschlicher. Durch
Vieles ist seitdem passiert. Und es gibt noch             ihr großes Engagement werden Teilhabechancen für Menschen
mindestens genauso viel zu tun.                           mit Behinderung geschaffen und Selbsthilfepotentiale gestärkt.
Rehabilitation ist ein wichtiger Bestandteil dieses       Das ist auch ein Kernanliegen meiner Fraktion.
Prozesses. Nur, wenn sie qualifiziert gewährleistet       In der Großen Koalition kann die SPD-Bundestagsfraktion nun
ist und wenn Menschen mit Behinderung genau die           den unter Rot-Grün eingeschlagenen Weg fortsetzen. Bereits
Unterstützung und die Maßnahmen bekommen, die             unter der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder
sie benötigen, können sie auch selbstbestimmt an          wurde ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik von
der Gesellschaft teilhaben. Das gilt für Menschen mit     der Fürsorge zur Teilhabe eingeleitet. Diesen Weg werden
angeborener Behinderung, aber insbesondere auch           wir nun weiter beschreiten, bis hin zur vollständigen Inklusi-
für Menschen, die z.B. aufgrund eines Schlaganfalls       on und gleichberechtigten sowie selbstbestimmten Teilhabe
im Laufe des Lebens behindert werden. Gerade für          aller Menschen mit und ohne Behinderung im Sinne der UN-
letztere ist eine schnelle, qualifizierte Unterstützung   Behindertenrechtskonvention. Ein Meilenstein auf diesem Weg
und Beratung notwendig. Unzumutbar sind dagegen           ist die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe zu einem
undurchsichtige Prozesse, bürokratische Hindernisse       modernen Teilhaberecht durch das Bundesteilhabegesetz. Wir
und fehlende Aufklärung. In der Praxis sieht es           wollen mit Unterstützung der Menschen mit Behinderung dafür
leider manchmal nach wie vor anders aus. Hier             sorgen, dass der mit dem Bundesteilhabegesetz einzulösende
flächendeckend und dauerhaft etwas zu verändern ist       Anspruch auf Selbstbestimmung und Teilhabe nicht erst in der
keine kleine Aufgabe. Aber eine Aufgabe, der wir uns      kommenden Legislatur, sondern bereits 2016 umgesetzt wird.
stellen müssen, wenn wir eine Gesellschaft werden         Der BDH Bundesverband Rehabilitation trägt bereits heute
wollen, in der es sich für alle gut leben lässt.          durch seine tägliche Arbeit zur Verwirklichung dieses Anliegens
Der BDH bewegt, entnehme ich dem Titel ihrer              bei und ist als wichtiger Mitstreiter für unsere gemeinsamen
diesjährigen Bundestagung. Meine Amtszeit habe ich        Ziele unverzichtbar. So hat er gemeinsam mit anderen Organi-
unter das Motto „Inklusion bewegt“ gestellt. Lassen       sationen und Verbänden in den letzten Jahren beharrlich den
Sie uns gemeinsam etwas bewegen - hin zu einer            Finger in die Wunde gelegt und thematisiert, dass das Budget
inklusiven Gesellschaft! In diesem Sinne wünsche          der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen zur Teilha-
ich Ihnen eine gelungene Bundestagung mit vielen          be angehoben werden muss. Mit der im Rentenpaket veranker-
interessanten Gesprächen und Eindrücken!                  ten Anhebung des Reha-Budgets haben wir angesichts einer
                                                          alternden Gesellschaft sichergestellt, dass die notwendigen
Viele Grüße                                               Leistungen erbracht werden können.
Ihre
                                                          Getreu dem Motto der diesjährigen Bundestagung bin ich da-
Verena Bentele
                                                          von überzeugt, dass wir in dieser Legislatur für Menschen mit
Beauftragten der Bundesregierung
                                                          Behinderung gemeinsam etwas bewegen werden! In diesem
für die Belange behinderter Menschen
                                                          Sinne wünsche ich allen Teilnehmenden und Gästen anregende
                                                          Diskussionen und einen guten Tagungsverlauf.

                                                          Mit freundlichen Grüßen
                                                          Thomas Oppermann
                                                          Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion

BDH-Kurier 9/10 2014                                                                                                             7
Sehr geehrte Frau Müller,                                             Der demographische Wandel führt dazu,
                                               sehr geehrte Damen und Herren,                                        dass wir alle – glücklicherweise – immer älter
Bundestagung
Grußworte zur

                                                man kann das Gefühl bekommen, dass                                   werden. Zugleich trägt der medizinische Fort-
                                                sich in den vergangenen Jahren die                                   schritt dazu bei, dass immer mehr Menschen
                                                Situation für Menschen mit Behinderung                               schwere Krankheiten oder Unfälle überleben.
                                                in unserem Land enorm verbessert                                     Damit verbunden ist aber auch ein steigender
                                                hat. Inklusion, Barrierefreiheit und                                 Bedarf an Rehabilitation, damit Menschen
                                                Teilhabe sind zu festen Bestandteilen                                möglichst lange umfassend sowohl am Er-
                                                politischer Entscheidungen und lokaler                               werbsleben wie am gesellschaftlichen Leben
                                                Konzepte und Strategien geworden. In                                 teilhaben können. Ziel muss es sein, dass
                    den vergangenen Jahren wurde viel dafür getan, dass Menschen                                     verunfallte oder ältere Menschen gesund
                    mit Behinderung ein zunehmend selbstbestimmtes Leben führen          und leistungsfähig ihren Beruf ausüben können. Dazu gehört einerseits
                    können und überall Strukturen finden, die sie medizinisch und        ein besseres präventives betriebliches Gesundheitsmanagement und
                    sozial in dem Maß unterstützen, in dem sie es brauchen. So           andererseits eine schnelle, wirkungsvolle Behandlung zur Vermeidung
                    zumindest der erste Eindruck. Sobald man jedoch ganz konkret         chronischer Krankheiten oder Behinderungen. Vor diesem Hintergrund
                    einen Menschen mit Behinderung in seinem alltäglichen Leben          hat der Bundestag schon zu Beginn dieser Wahlperiode Ende Mai 2014
                    begleitet, werden all die Barrieren sichtbar, die nach wie vor       im Rahmen des sog. Rentenpaketes beschlossen, das Reha-Budget
                    eine volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verhindern.          demographiefest auszugestalten. Das Reha-Budget wurde unter Berück-
                    „Behinderung realistisch sehen“ – das Thema Ihres diesjährigen       sichtigung des demographischen Wandels bedarfsgerecht angepasst,
                    Bundeskongresses weist auf diesen Konflikt hin. Es geht eben         damit auch in Zukunft die erforderlichen Rehabilitations- und Präventi-
                    nicht nur darum, allgemeine, strukturelle Bedingungen im System      onsleistungen erbracht werden können.
                    zu verändern, sondern es muss um das Leben des und der               Uneingeschränkt unterstützen kann ich auch die Leitidee der inklusiven
                    Einzelnen gehen, mit seinen und ihren ganz realen täglichen          Gesellschaft, welche sich die neue Bundesregierung hinsichtlich ihrer
                    Einschränkungen. Dafür bedarf es einer besonderen Nähe zum           Politik für Menschen mit Behinderungen zu Eigen gemacht hat. Dies ent-
                    Menschen, denn nur in diesem persönlichen Kontakt, in der            spricht zugleich dem Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik, wie
                    täglichen Begleitung werden die persönlichen Bedürfnisse sichtbar.   er mit der am 4. Dezember 2008 vom Bundestag einstimmig ratifizierten
                    Für diesen direkten, persönlichen Kontakt mit Menschen mit           UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen
                    Behinderungen sind Selbsthilfeorganisationen und Fachverbände        eingeleitet wurde. Demnach ist inzwischen von einem Verständnis von
                    wie der Bundesverband Rehabilitation unersetzbar. Sie                Behinderung auszugehen, das jede Form körperlicher, seelischer, geisti-
                    unterstützen und begleiten Menschen besonders nach Unfällen          ger oder Sinnesbeeinträchtigung als normalen Bestandteil menschlichen
                    auf dem Weg in ihre veränderte Normalität. Durch Ihre große          Lebens und menschlicher Gesellschaft ausdrücklich bejaht und darüber
                    fachliche Kompetenz und die Nähe zu den Menschen können              hinaus im Sinne der Vielfalt als Quelle möglicher kultureller Bereicherung
                    Sie Veränderungen im Leben Einzelner bewirken, die durch die         wertschätzt. Daraus resultiert auch, dass Menschen mit Behinderungen
                    Politik in gewisser Weise unerreichbar sind. Und weil für Sie        selbstverständlich mit solchen ohne Behinderung zusammenleben sol-
                    Rehabilitation nicht an der Kliniktür aufhört, können Sie den        len. Zudem sollen sie in allen Bereichen des Lebens ohne Einschränkun-
                    ganzen Menschen, sein Umfeld, seine Angehörigen, seine Träume        gen dazugehören.
                    und Enttäuschungen in den Blick nehmen, anstatt ihn auf seine        Die UN-Behindertenkonvention bildet zwar eine ganz wesentliche Grund-
                    Behinderung zu reduzieren.                                           lage und Richtschnur für die Weiterentwicklung der Behindertenpolitik,
                    Und schließlich: nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern         sie umzusetzen bleibt jedoch eine der ganz großen politischen und
                    auch die Politik ist auf Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen             gesellschaftlichen Herausforderungen. Neben vielen anderen Projekten,
                    angewiesen: was brauchen Menschen mit Behinderungen?                 die angegangen werden müssen, möchte ich auf ein Vorhaben dabei
                    Was fehlt in den bestehenden Strukturen? Sind die rechtlichen        besonders hinweisen, nämlich die Reform der Eingliederungshilfe. Nach
                    Rahmenbedingungen wirklich unterstützend und verständlich?           Jahren der Diskussion ist es endlich an der Zeit, Menschen, die aufgrund
                    Welches Verständnis von Pflege brauchen wir, um Menschen gut         einer Behinderung nur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe am
                    pflegen und in der Pflege unterstützen zu können? Sie sind das       Leben in der Gemeinschaft haben, aus dem bisherigen „Fürsorgesy-
                    Sprachrohr derer, die für sich alleine ihre Rechte und Bedürfnisse   stem“ herauszuführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen
                    nicht einfordern können. Für die Bundestagsfraktion von Bündnis      Teilhaberecht weiterzuentwickeln. Im Sinne der UN-Konvention müssen
                    90/Die Grünen ist die Selbstbestimmung von Menschen mit              auch hier Wunsch- und Wahlrechte der Menschen mit Behinderungen
                    Behinderungen von Anfang an eine grundlegende Forderung und          berücksichtigt und Leistungen personenzentriert und am persönlichen
                    Perspektive. Durch Ihre sozialpolitische Interessenvertretung        Bedarf ausgerichtet bereitgestellt werden. Ich bin mir sicher, dass wir in
                    erhalten wir in unseren politischen Prozessen ein realistisches      dieser Wahlperiode diesbezüglich mit entscheidenden Schritten voran-
                    Bild derer, die durch Gesetze und Regulierungen unterstützt und      kommen.
                    geschützt werden sollen.                                             Politische Maßnahmen sind allerdings nur eine Seite. Gerade in diesem
                    Ich danke Ihnen deshalb für Ihr haupt- und ehrenamtliches            Bereich kommt es auch maßgeblich darauf an, dass sich Bewusstsein
                    Engagement für die Rehabilitation, Inklusion und selbstbestimmte     und Einstellungen vieler in der Gesellschaft handelnder Akteure in po-
                    gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung. „Der        sitivem Sinne verändern. Hierzu beizutragen ist auch eine wesentliche
                    Bundesverband Rehabilitation bewegt“ – ich wünsche Ihnen für         Aufgabe der Verbände und der Betroffenen. In diesem Sinne wünsche
                    Ihren Kongress gutes Gelingen, konstruktive Gespräche und            ich Ihrem Verband und Ihrer Bundestagung viel Erfolg.
                    ermutigende Begegnungen, damit Sie auch in Zukunft Menschen,
                    die Gesellschaft und die Politik in Bewegung setzen.
                    Katrin Göring-Eckardt                                                Kerstin Griese, MdB
                    Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen             Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales

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Vorstand präsentiert neue Strategie

••• Ilse Müller: „BDH soll

                                                                                                                                       Aktuelles
               schlagkräftiger
               Sozialverband werden“
               Mit einer Informationskampagne über die zukünftige formale Struktur des BDH und einer
               Satzungsreform im Gepäck bereiste der BDH-Vorstand in den zurückliegenden Wochen die
               Landesverbände. Ziel war es, BDH-Funktionsträger und Mitglieder in die Neuausrichtung
               des Sozialverbandes einzubinden. Dabei wurden bereits im Vorfeld Anregungen und Vor-
               schläge aus den Gliederungen des Verbandes aufgenommen.

„Wir müssen Antworten auf die Ver-       beit in den Kreisverbänden zu stär-     müssen aus dem Vorsitzenden und
änderungen unserer Gesellschaft          ken und die Mitgliederbetreuung zu      einem Stellvertreter bestehen. Zu-
finden. Unser Auftrag lautet, mit Hil-   optimieren.                             dem können bis zu sieben weitere
fe einer Satzungsreform wichtige                                                 Vorstandsmitglieder gewählt wer-
Schritte für die Zukunft einzuleiten“,   l „Mittlere Verwaltungsebene            den. Wie bisher zieht er die Mit-
erläutert Bundesvorsitzende Ilse            muss zum regionalen Dienst-          gliedsbeiträge ein und rechnet sie
Müller den Plan des Vorstands, der          leister werden“                      mit der Bundeskasse ab. Er kann
darauf abzielt, den Verband so um-       Der Vorstand setzt in der Zukunft       diese Aufgabe aber auch an die
zubauen, dass er sich nahtlos in die     auf flache Hierarchien, die letztlich   Bundeskasse delegieren. Vertiefen-
gesellschaftlichen Umwälzungen           dem gegenwärtigen, allgemeinen          de Details der Reformvorschläge
einfügen kann. Zahlreiche Regio-         Aufbau unserer Gesellschaft, im         liegen bereits vor und werden an-
nen Deutschlands sind von Bevöl-         Besonderen der Städtelandschaft,        lässlich der Bundestagung zur Dis-
kerungsrückgang betroffen. Hier          entsprechen. Landesverbände kön-        kussion gestellt.
muss eine Strukturreform unseres         nen die regionalen, demografisch
Verbandes ansetzen. Die Sat-             bedingten Verwerfungen
zungskommission hat deshalb eine         nicht mehr adäquat abbil-
neue Satzung erarbeitet, die auf der     den, weshalb wir mehr Ver-
Bundesdelegiertentagung vorge-           antwortung auf die Ebene
legt wird und zum 1. Januar 2016 in      der Kreisverbände verla-
Kraft treten soll. Dazu die Ver-         gern wollen“, so Ilse Müller.
bandsvorsitzende:        „Landesver-     Ziel ist es, alle Beteiligten in
bandsstrukturen aufrechtzuerhal-         diesem Veränderungspro-
ten, macht nur dann Sinn, wenn           zess mitzunehmen. Daher
Menschen räumlich gleichermaßen          hat der Vorstand beschlos-
betreut werden können. Das ist aus       sen, die Strategie bereits
demografischen Gründen längst            vor der Bundestagung zur
nicht mehr in allen Bundesländern        Diskussion zu stellen. Der
möglich. Wir werden daher sowohl         BDH wird so ausgerichtet,
auf die Landesverbände und damit         dass das einzelne Mitglied
auch auf den erweiterten Bundes-         im Mittelpunkt steht und ei-
vorstand verzichten und die Lei-         ne optimale Betreuung mit
tungsorgane des BDH auf den Bun-         einer effektiven mittleren
desvorstand, den Beirat, den             Verwaltungsebene garan-
Schlichtungsausschuss und die            tiert werden kann. Regio-
Bundesdelegiertentagung reduzie-         nalbeauftragte sollen die
ren.“ Der längst fällige Reformpro-      Betreuung der Kreisver- Bundesschriftführer Lothar Lehmler und Ilse Müller stellten die
zess der Verbandsstrukturen schaf-       bände leisten. Künftige Konzeption zum Umbau der Verbandsstruktur in Mönchenglad-
fe die nötigen Spielräume, die Ar-       Kreisverbandsvorstände bach vor Vertretern der regionalen Kreisverbände zur Diskussion.

BDH-Kurier 9/10 2014                                                                                                               9
Aktuelles

                                                                       Der Bundesrat entschied im Juni über eine Erhöhung der Rentenbezüge.
                                Rentenpolitik

                 ••• Bundesrat beschließt
                               Rentenerhöhung
                                Im Juni beschlossen, im Juli bereits umgesetzt: Zur Jahresmitte erhöhten sich die Renten-
                                bezüge in Ost und West. Der Bundesrat gab dazu am 13. Juni Grünes Licht. Allerdings wirft
                                die Europäische Zentralbank einen dunklen Schatten auf den Kapitalmarkt und begrenzt die
                                Spielräume zur privaten Altersvorsorge.
                 Mit gleich zwei guten Nachrichten      zulande empfindlich auf die Kauf-         l Wie geht es weiter?
                 für Seniorinnen und Senioren war-      kraft der Menschen auswirkt.              Kann man heute rückblickend sa-
                 tete der Juni in diesem Jahr auf:                                                gen: Gut gemeint, ist längst nicht
                 Zum einen reduzierte sich die Teue-    l EZB beschädigt                          gut gemacht? Ist die von der Politik
                 rungsrate in Deutschland in den           private Altersvorsorge                 Mantra-artig vorgebrachte „Zweite
                 ersten Monaten des Jahres spürbar      Ein anderes Problem ergibt sich           Säule“ der Altersvorsorge damit an
                 und liegt jetzt unter der Marke von    dieser Tage für all jene, die auf An-     ihre Grenzen gestoßen? Wir sollten
                 einem Prozent. Das meldete das         raten der Politik in den vergange-        auch in der Zukunft auf einen syste-
                 Statistische Bundesamt im Juni.        nen Jahren konsequent auf private         mischen Mix setzen, der beides
                 Zum anderen beschlossen die Mit-       Altersvorsorge gesetzt haben. Ihre        umschließt, die gesetzliche wie
                 glieder des Bundesrates Mitte Juni     Investitionen in Lebensversicherun-       auch die private Vorsorge. Gerade
                 eine Rentenerhöhung für die etwa       gen, Immobilienfonds und festver-         die umlagefinanzierte, auf Genera-
                 20,5 Millionen Rentnerinnen und        zinsliche Wertpapiere werden der-         tionenausgleich und Solidarität
                 Rentner, die in den neuen Bundes-      zeit ungefähr so schnell pulverisiert     bauende Sozialsystematik hat sich
                 ländern ein Plus von 2,53 Prozent      wie die Glaubwürdigkeit der euro-         in schwerster Krisenzeit bewährt.
                 und in den alten Ländern von 1,67      päischen Geldpolitik schwindet, die       Es braucht einige Anpassungen:
                 Prozent vorsieht. 2013 erhielten die   mit einer nie dagewesenen Niedrig-        Beamte und Selbstständige sollten
                 Rentner im Osten eine Erhöhung         zinspolitik der grotesken Strategie       in den Rententopf einzahlen, medi-
                 von 3,29 Prozent, die im Westen        anheimfällt, einer Krise des billigen     zinische Reha sollte als Präventi-
                 von 0,25 Prozent. Sollte die Preis-    Geldes mit einem gigantischen Li-         onsstrategie zur Verlängerung der
                 entwicklung in den kommenden           quiditäts-Tsunami zu begegnen. So         Lebensarbeitszeit stärkere Berück-
                 Monaten keine neue Dynamik auf-        sind vor allem die Sparer diejeni-        sichtigung finden. Unsere Gesell-
                 nehmen, bliebe unterm Strich tat-      gen, die mit realen Vermögensver-         schaft muss sich der abenteuerli-
                 sächlich ein realer Kaufkraftgewinn    lusten eine aller Wahrscheinlichkeit      chen EZB-Strategie entgegenstel-
                 im      Portemonnaie.     Allerdings   nach wirkungslose Politik mitfinan-       len und konsequent auf den erprob-
                 braucht es eine verbraucherfreund-     zieren, die sich weder positiv auf        ten Generationenvertrag setzen.
                 liche Reform des Erneuerbare-          die Realwirtschaft Südeuropas aus-        Denn Solidarität, Zusammenhalt
                 Energien-Gesetzes (EEG), um der        wirken wird, noch dazu beitragen          der Menschen untereinander, be-
                 Energiekostenexplosion entgegen-       kann, die sozialen Verwerfungen           deutet Krisenbewältigung!
                 zuwirken, die sich besonders hier-     der Region abzumildern.

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Pflegereform

••• Erste Änderungen greifen

                                                                                                                                            Aktuelles
               zum Jahreswechsel
               Ein nur allzu gern benutztes Bonmot beschreibt, was die letzten GesundheitsministerInnen
               eint, wenn es um die Pflege ging: „Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet!“ Nun
               darf sich Hermann Gröhe (CDU) an einer der großen Reformbaustellen versuchen. Milli-
               onen Betroffene, Angehörige und Pflegende blicken nach Berlin und erwarten politisches
               Handeln. Dort liegt nun der Kabinettsentwurf einer Pflegereform vor.
Es kommt Bewegung in die Sache:          Vertrauen und Akzep-
Ab 2015 können Pflegebedürftige          tanz. Menschen, die auf
mit einer Leistungsanhebung von          Karrierechancen verzich-
vier Prozent rechnen. Fünf Pflege-       ten, Einkommensverlus-
grade werden ab 2017 bessere Dif-        te hinnehmen und die
ferenzierung der Pflegebedürftig-        Pflegeversicherung um
keit ermöglichen. Zudem soll die         hohe Summen entlasten,
„Minuten-Pflege“ ab 2017 einem           haben mehr als einen
Katalog ganzheitlicher Kriterien         kalten Handschlag ver-
weichen, ein neuer Pflegebedürftig-      dient. Es muss mehr
keitsbegriff soll am Ende der Legis-     Geld in die stationäre,
laturperiode die Reform krönen –         sowie die ambulante
unverzichtbar für die mehr als 1,4       Pflege fließen. Bis 2050
Millionen Demenzkranken, die seit        wird sich die Zahl Pflege-
jeher zu den Verlierern der Pflege-      bedürftiger verdoppeln
politik zählten. Skepsis scheint an-     und bei 5 Millionen ein-
gesichts des Vorsorgefonds ange-         pendeln. Dies wird sich
bracht, der mit einem jährlichen Be-     auch auf den Arbeits-
trag von einer Milliarde Euro die        markt auswirken, denn                   Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe wird nicht müde,
Pflegeversicherung      stabilisieren    70 Prozent der Menschen werden          seine Reformbemühungen zu erläutern.
soll – eine Farce, angesichts der        daheim gepflegt. Den Löwenanteil
Pflege-Realität! Finanziert wird die     der Pflege leisten Angehörige, die
Reform über eine Anhebung des            dann in den Firmen fehlen. Der Ruf      heute fehlen zehntausende Pflege-
Pflegebeitragssatzes um 0,3 Punk-        nach Vereinbarkeit von Pflege und       fachkräfte. In summa verstärkt sich
te im kommenden Jahr und eine            Beruf bindet damit sowohl das Fa-       der Eindruck, der demografische
weitere Anhebung um 0,2 Punkte           milien-, als auch das Arbeitsressort    Wandel hinterließe nur Verlierer.
2016 auf 2,55 Prozent.                   mit in ein Pflege-Gesamtkonzept         Ganz sicher wäre eine offensive
                                         ein. Nie war es wichtiger, Modelle      Politik zur Stärkung der medizini-
l Handlungsspielraum                     zur Familienpflegezeit zu finden, als   schen Reha eine sinnvolle Flankie-
  jetzt nutzen                           heute.                                  rung des Reformprozesses, der Be-
                                                                                 troffene und Einrichtungen besser
Alles drängt auf einen Paradigmen-       l Umlagefinanzierung stärken            integrieren würde. Längere Er-
wechsel, der pflegende Angehörige                                                werbszeiten würden die Beitrags-
ein Stück weit aus der Verantwor-        Der Pflegeversicherung droht der        summe zur Sozialversicherung er-
tung entlässt. Eine Pflegepolitik, die   Kollaps, wenn sich das Reformtem-       höhen, die Pflegeversicherung wä-
Pflegeeinsatz der Familien still-        po nicht erhöht: Es wird sich nicht     re erheblich entlastet – nur der
schweigend und nahezu unvergütet         nur die Zahl der Leistungsempfän-       Reha-Deckel passt da nicht mehr in
als gegeben hinnimmt, verspielt          ger dramatisch erhöhen. Auch die        die Landschaft.
                                         Zahl der Beitragszahler wird sich
                                         um ein Drittel reduzieren. Schon

BDH-Kurier 9/10 2014                                                                                                                  11
Jugendarbeitslosigkeit

                 ••• Peter Hartz
Aktuelles

                               präsentiert Jobstrategie
                                Dem politischen Europa fehlt die Fantasie. Zerstritten im Kleinklein der Institutionen ist es
                                ausgerechnet der Eurokritiker Nummer Eins, Englands Premierminister David Cameron,
                                der Strukturreformen einfordert. Zu Recht, denn Millionen arbeitsloser Jugendlicher stehen
                                derweil im Regen.
                 Noch zur Jahrtausendwende be-
                 deutete Europa ein Versprechen.
                 Es ging um Wachstum, Wohlstand
                 und Friedenssicherung. Der Frie-
                 den ist mithin sicher, das Wohl-
                 standsversprechen hingegen lässt
                 mancherorts auf sich warten – vor
                 allem für 5,5 Millionen Europäer
                 unter 25 Jahren, die ohne Jobper-
                 spektive leben und wie ein Damo-
                 klesschwert den Himmel über Eu-
                 ropas Zukunft verdunkeln. Und der
                 Mangel an Strategien im Kampf ge-
                 gen diese soziale Zeitbombe lässt
                 wenig Grund zur Hoffnung. Nun
                 brachte ausgerechnet der Mann           Deutsche Jobcenter arbeiten heute näher am Markt. Frühe berufliche Orientierung erhö-
                 eine europäische Gesamtstrategie        hen die persönlichen Berufschancen. (Foto: Bundesagentur für Arbeit)
                 ins Gespräch, dessen Name wie
                 kein anderer derart vergesellschaf-     könnten die treibenden Faktoren               Milliarden Euro. Europa sei reich,
                 tet wurde und der zum personifi-        gewesen sein, sich noch einmal                die Mittel müssten nun zum Ein-
                 zierten Sozialabbau mutierte wie        dem Arbeitsmarkt und seiner spe-              satz kommen. Das Programm mit
                 dieser: Peter Hartz.                    zifischen Tücken zuzuwenden.                  dem Titel „Europatriates“ setzt auf
                                                         Seinerzeit traf der globalisierte En-         das Zaubermittel berufliche Bildung
                 l SHS Foundation                        ergiemarkt das Saarland und seine             und fordert die Einrichtung eines
                   als neues Projekt                     Hütten hart. Arbeitsplatzabbau und            öffentlichen Fonds (der auch durch
                                                         Abwanderung waren die Folgen.                 private Mittel gespeist werden soll),
                 Zurückgezogen ließ Hartz in den         Hartz ist willens, seinem Déja Vu             der Unternehmen und Azubis dabei
                 vergangenen Jahren den von ihm          entgegenzutreten.                             unterstützt, Standorte zu wechseln,
                 als „Tsunami“ bezeichneten Me-                                                        Sprachkurse zu finanzieren und Bil-
                 diensturm an sich vorüberziehen,        l Zukunft für Europa                          dungsschritte einzuleiten. Parallel
                 gründete in dieser Zeit seine eigene                                                  sollen Förderbanken die Rahmen-
                 Stiftung, die SHS Foundation. Der       Im Kern geht es darum, alle Eu-               bedingungen in den Krisenländern
                 gebürtige Saarländer, bodenstän-        ropäer in die Verantwortung zu                verbessern, in Infrastruktur investie-
                 dig und seiner Heimat treu verbun-      nehmen, jungen Menschen Jobs                  ren und den dann zurückkehrenden
                 den, wirbt als Stiftungsvorstand seit   und Ausbildungsplätze dort zu ver-            jungen Menschen einen besseren
                 Jahren für das kulturelle Erbe des      mitteln, wo es besser läuft, notfalls         Start in die Berufswelt, vielleicht
                 Saarlands. Ende Juni trat Hartz vor     auch im Ausland. „215 Milliarden              als Unternehmer, ermöglichen. Im-
                 die Öffentlichkeit und präsentierte     Euro brauchen Sie, um 5,5 Millio-             merhin bringt der europaweite Aus-
                 ein komplexes Konzept zur Über-         nen jugendlichen Arbeitslosen zu              tausch neue Geschäftskontakte
                 windung der Jugendarbeitslosigkeit      helfen“, so Hartz gegenüber dem               und Ideen – ein gutes Fundament
                 in Europa. Seine persönlichen Er-       „Handelsblatt“, der sich ein größe-           für clevere Köpfe.
                 fahrungen mit dem Niedergang der        res Engagement wünscht, als die
                 saarländischen       Montanindustrie    von der EU vorgesehenen sechs

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Zahlen, Daten, Fakten

   Kurz notiert

Jeder Fünfte in NRW                           Sozialstudie 2014                               Niederlande
im Rentenalter                                Ritualisierter Alarmismus oder notwendi-        mit Rentenreform
Nordrhein-Westfalen altert so schnell wie     ge Kritik: Alljährlich publizieren Sozialver-   Das Rentensystem unseres westlichen
kein anderes der alten Bundesländer.          bände und ökonomische Institute ihre            Nachbarn Niederlande funktioniert als
Nach Angaben des statistischen Landes-        Sozialstudien. Die entscheidende Kenn-          Umlagesystem wie das deutsche. Hier
amtes in NRW (IT.NRW) war Ende des            ziffer, die sog. Armutsquote, steht dabei       wie dort wird die Zahl Erwerbstätiger auf
vergangenen Jahres jeder fünfte (20,4         stets im Mittelpunkt öffentlicher Debat-        lange Sicht sinken, die Gesellschaft er-
Prozent) der 17,55 Millionen Einwohner        ten. Die Quote hat sich inzwischen bei ei-      heblich altern. Neben der gesetzlichen
Nordrhein-Westfalens 65 Jahre oder äl-        nem Wert von 15,2 Prozent eingepen-             Rente leisten die Beitragszahler, ähnlich
ter. Nur jeder sechste Einwohner des          delt. Mit anderen Worten: Etwa jeder            wie es bei uns der Fall ist, private Alters-
größten Bundeslandes (16,7 Prozent)           sechste Deutsche ist arm, verfügt also          vorsorge, die allerdings nicht hinreicht,
war noch im jugendlichen Alter (unter 18      über weniger als 40 Prozent des durch-          das Umlagesystem generationen- und
Jahre). Fast zwei Drittel (62,9 Prozent)      schnittlichen deutschen Netto-Einkom-           demografiefest zu machen. Die Regie-
befinden sich im erwerbsfähigen Alter         mens. „Gute“ Arbeit scheint zu einem sel-       rung aus Rechtsliberalen und Sozialde-
zwischen 18 und 65 Jahren. Im Jahre           teneren Gut zu werden. Auch das Deut-           mokraten erhöht nun das Renteneintritts-
1987 war jeder Siebte im Rentenalter          sche Institut für Wirtschaftsforschung          alter bis 2021 auf 67 Jahre (aktuell: 65
(14,8 Prozent), 1961 gerade einmal jeder      (DIW) beklagt ein Auseinanderdriften der        Jahre). Sollte die durchschnittliche Le-
zehnte Einwohner NRWs. Damals lag             Gesellschaft und hat zu Jahresbeginn            benserwartung der Niederländer wie er-
der Anteil von Kindern und Jugendlichen       darauf hingewiesen, dass das Problem            wartet weiter steigen, ist geplant, das
noch bei 25 Prozent.                          ökonomischer Ungleichheit in Deutsch-           Renteneintrittsalter weiter anzuheben,
                                              land einen Höhepunkt erreicht habe.             zur Not bis zum 72. Lebensjahr.
Gut ausgebildete
deutsche Frauen                               Vereinbarkeit von                               Kritik an Pflegereform
Es ist mehr als eine Binsenweisheit: Bil-     Familie und Beruf                               Prinzipiell herrscht Einigkeit darüber,
dung schafft Perspektiven. Eine Bil-          Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel.        dass für Demenzkranke und pflegende
dungspolitik, die alle Ebenen der Gesell-     Etwa 69 Prozent erwerbstätiger deut-            Angehörige mehr getan werden muss.
schaft durchdringt, ist die wirksamste Zu-    scher Mütter gehen einer Teilzeitbe-            Experten diskutieren seit Jahren über die
kunftspolitik in einer Wissensgesellschaft    schäftigung in der ersten Erziehungspha-        Neufassung eines entsprechenden Pfle-
wie der europäischen. Gerade in Zeiten        se des Nachwuchses nach. Das meldet             gebedürftigkeitsbegriffs, der allerdings
des Fachkräftemangels wird es darauf          das Statistische Bundesamt (Destatis)           eine breitere finanzielle Basis der Pflege-
ankommen, den Anteil gut ausgebildeter        auf Basis der 2012 gewonnen Daten des           versicherung notwendig machen würde.
Frauen in der Wirtschaft zu erhöhen und       letzten Mikrozensus. Historisch gewach-         Die paritätische Finanzierung eines sol-
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf       sen, ergibt sich nach wie vor allerdings        chen Schritts durch Arbeitnehmer und Ar-
zu fördern. In Deutschland lag nach In-       ein erheblicher Unterschied zwischen            beitgeber wird zu einer Erhöhung des
formationen der EU-Statistikbehörde Eu-       dem Erwerbsverhalten Ost- und West-             Beitragssatzes zur Pflegeversicherung in
rostat der Anteil 30- bis 34-jähriger Frau-   deutschlands: In den neuen Bundeslän-           Höhe von 0,5 Prozent führen. Dies koste
en mit tertiärem Bildungsabschluss bei        dern liegt die Quote teilzeittätiger Mütter     bis zu sechs Milliarden Euro im Jahr und
54,9 Prozent und damit knapp über dem         bei 44 Prozent, in den alten Ländern mit        sei damit nach Ansicht der Deutschen Ar-
EU-Durchschnitt. Bei den gleichaltrigen       75 Prozent markant höher. Bei den Män-          beitgeberverbände (BDA) zu kostspielig.
Männern ergab sich ein anderes Bild: Da       nern der entsprechenden Gruppe liegt            Die Arbeitgeber raten im Umkehrschluss
lag Deutschland mit 33,1 Prozent unter        der Anteil bei gerade einmal fünf Pro-          zur Entbürokratisierung und einer Ver-
dem Richtwert der EU von 36,8 Prozent.        zent.                                           waltungsreform der Pflegeversicherung.

BDH-Kurier 9/10 2014                                                                                                                  13
Schock-Diagnose für Guido Westerwelle                                                       BDH-Klinik
                                                                                                                    Greifswald
Gesundheits-

                 ••• Ex-Außenminister                                                                               Besuch
   News

                              an akuter Leukämie erkrankt
                 Eher zufällig diagnostizierten Ärzte im Juni   siven Verlauf schwerer heilbar ist. Ein akuter
                                                                                                                    aus dem
                eine akute Leukämie bei Ex-Außenminister
             Guido Westerwelle. Eine Blutuntersuchung
                                                                Verlauf, wie im Falle des ehemaligen Außenmi-
                                                                nisters, grenzt sich von der chronischen Erkran-    Landtag
           vor einer geplanten Knie-OP führte zur Schock-       kung durch ihre Geschwindigkeit und das unver-
           Diagnose. Aussehen und Zahlenverhältnis der          mittelte Auftreten einer ganzen Reihe von Symp-     Auf ihrer jährlichen Som-
           Blutzellen zueinander wiesen extreme Auffällig-      tomen ab. Dennoch besteht eine nicht unbe-          mertour durch verschie-
           keiten auf, eine Untersuchung folgte. 11.500         gründete Hoffnung auf Überwindung der Krank-        dene Institutionen aus
           Menschen erkrankten im vergangenen Jahr in           heit: Zwei Drittel der Erkrankten unter 65 werden   dem Gesundheits- und
           Deutschland an Leukämie. Generell stellen Ex-        geheilt. Allerdings sinkt die Heilungsquote bei     Sozialbereich besuchten
           perten dabei fest, dass die Erkrankung vielfach      über 65-Jährigen auf fünfzig Prozent.
           zu spät erkannt wird und damit in ihrem progres-                                                         Mitglieder des Arbeits-
                                                                                                                    kreises für Gesundheit
                                                                                                                    und Soziales der CDU-
                        Zurückhaltung bei Antibiotikaforschung                                                      Landtagsfraktion am 25.

           ••• Gefährliche Keime drohen                                                                             Juli 2014 die BDH-Klinik
                                                                                                                    Greifswald.
                        unkontrollierbar zu werden                                                                  Die Teilnehmer nahmen
           Experten der Weltgesundheitsorganisation             gegen resistente Keime wieder aufzunehmen.          sich zwei Stunden Zeit und
           (WHO) schlagen Alarm: Unsere Hauptwaffe im           Längst vergessene Krankheiten kehren zurück         ließen sich von Therapielei-
           Kampf gegen Infektionen, das Antibiotikum,           und es bestehe die Gefahr, dass Mediziner           terin Mareile Otto und Pfle-
           droht zu einem stumpfen Schwert zu werden.           schon bald kleinsten Wundinfektionen machtlos       gedienstleiterin Petra Krien-
           Als Grund nannten die Experten eine jahrzehn-        gegenüberstehen. Das US-amerikanische Ge-           ke den Klinikalltag und die
           telange Investitionszurückhaltung der Pharma-        sundheitsministerium investiert jetzt 200 Millio-   besonderen Behandlungs-
           zeutischen Industrie bei der Weiterentwicklung       nen Dollar in die Entwicklung neuer Resistenz-      möglichkeiten       erläutern.
           der Wirkstoffe. Das Problem: Der Preisverfall auf    brecher, die durch den Pharmakonzern GlaxoS-        Frau Otto unterwies die
           dem Antibiotikamarkt steigerte die Attraktivität     mithKline erforscht werden sollen. Auch die Eu-     Gäste in Therapiemöglich-
           der Erforschung neuer Wirkstoffe in anderen Be-      ropäische Union (EU) antwortet mit ihrem Pro-       keiten wie Musik, Heilpäda-
           reichen wie Herz- und Kreislauferkrankungen.         gramm „New Drugs for Bad Bugs“ auf die wach-        gogik und Orthoptik, die in
           Nun muss umgesteuert werden, um den Kampf            senden Sorgen der Mediziner.                        anderen Rehabilitationsein-
                                                                                                                    richtungen nicht angeboten
                                                                                                                    werden. Anschließend fand
                        Wege zur Pflegegesellschaft                                                                 ein Gespräch mit der Klinik-

           ••• Sachverständige überreichen                                                                          leitung, vertreten durch den
                                                                                                                    ärztlichen Direktor und

                        Gesamtgutachten
                                                                                                                    Chefarzt Prof. Platz, dem
                                                                                                                    stellvertretenden         Ge-
           Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe              stützung. Vor allem die pflegerische Langzeit-      schaftsführer Tom Schwiet-
           (CDU) war in diesem Jahr erstmals Adressat           versorgung sei „stark gefährdet“ und die            zer, Frau Krienke und Frau
           des Gutachtens des Sachverständigenrats für          Schritte der Regierung „zu begrenzt“, um dem        Otto statt. Hier wurde u.a.
           das Gesundheitswesen. Die beratenden Ex-             Fachkräftemangel in der Pflege entgegenzu-          der geplante Erweiterungs-
           perten schrieben dem Minister vor allem die          wirken. Hauptaugenmerk solle auf die Ab-            bau der BDH-Klinik Greifs-
           Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs       wärtsspirale in ländlichen Regionen gelegt          wald vorgestellt und die Si-
           ins Stammbuch, eigentlich ein Job für Staats-        werden. Pflegezentren nach internationalem          tuation der Klinik im Allge-
           sekretär Karl-Josef Laumann (CDU), der sich          Vorbild könnten die drohende Unterversor-           meinen erörtert.
           als Pflegebeauftragter der Regierung der kom-        gung medizinischer Leistungen stoppen. Zu-
           plexen Materie gegenübersieht. 1,2 Millionen         dem müsse dem Prinzip „Reha vor Rente“
           Demenzkranke warten seit Jahren auf eine             Geltung verschafft werden, so die Experten.
           echte Reform und bessere finanzielle Unter-

          14                                                                                                                BDH-Kurier 9/10 2014
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