China in Bewegung Herausforderungen für deutsch-chinesische Partnerschaften - Sabine Ferenschild, Tobias Schäfer - Südwind-Institut
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China in Bewegung Herausforderungen für deutsch-chinesische Partnerschaften Sabine Ferenschild, Tobias Schäfer
▸ Impressum | Inhalt Impressum Inhalt Erscheinungsort und Datum: Abkürzungsverzeichnis 3 Siegburg, März 2012 Einführung 4 Herausgeber: SÜDWIND e.V. – 1. China-Partnerschaften in Deutschland: Institut für Ökonomie und Ökumene mehr als Türöffner für Unternehmen? 6 Lindenstr. 58–60 53721 Siegburg 1.1 Deutsch-chinesische Partnerschaften – ein Überblick 6 Tel.: +49 (0)2241-5 36 17 1.1.1 Bayern – Shandong: Fax: +49 (0)2241-5 13 08 eine „beispiellose deutsch-chinesische Erfolgsgeschichte“!? 8 E-Mail: info@suedwind-institut.de 1.1.2 NRW – Sichuan: Schlüsselrolle bei der Entwicklung West-Chinas 10 Website: www.suedwind-institut.de 1.1.3 RLP – Fujian: „Türöffner für den Mittelstand“ 12 Bankverbindung: Der Tibet-Konflikt und die Provinz Sichuan 14 KD-Bank 1.2 Chinesische Städte im Netzwerk internationaler Konto-Nr.: 99 88 77 Städtepartnerschaften 14 BLZ: 350 601 90 1.2.1 Trier – Xiamen: Der Karl-Marx-Bonus 17 IBAN: DE45 3506 0190 0000 9988 77 1.2.2 Regensburg – Qingdao: Wirtschaft und Wissenschaft 19 BIC: GENODED1DKD 1.2.3 Bonn – Chengdu: Vom Kultur- zum Umweltschwerpunkt 20 1.3 China-Partnerschaften und Zivilgesellschaft 21 AutorIn: Sabine Ferenschild, Tobias Schäfer 2. „Die größte Menschenbewegung zu Friedenszeiten“ – Redaktion und Korrektur: WanderarbeiterInnen in China 25 Lena Evenschor, Julia Ferenschild, Ka- thrin Henneberger, Vera Schumacher 2.1 In der Stadt arbeiten – aber nicht dort bleiben. V.i.S.d.P.: Martina Schaub Wanderarbeit in China 25 Gestaltung und Satz: 2.2 Viel Arbeit, wenig Lohn, schlechte soziale Sicherung 32 Frank Zander, Berlin 2.3 „Lauter, fordernder und militanter!“ – Druck und Verarbeitung: Die zweite Generation der WanderarbeiterInnen 36 Druckerei u. Verlag Brandt GmbH, Bonn Gedruckt auf Recycling-Papier 3. „Wir wollen nur etwas Gerechtigkeit!“ Titelfoto: Arbeitskämpfe, Gewerkschaften und Arbeitsrecht 37 Ende der Mittagspause: Beschäftige der Erke-Sportschuhfabrik in Fujian, 3.1 Zwischen Fürsorge und Interessenvertretung. Foto: Fritz Hofmann Der chinesische Gewerkschaftsbund im Wandel 39 3.2 Arbeitsrecht und Mindestlöhne 41 ISBN: 978-3-929704-62-4 3.3 Internationale Arbeitsnormen und soziale Unternehmensverantwortung 44 Mit finanzieller Unterstützung des BMZ. 4. Der Bildungssektor: Ein Standbein deutsch-chinesischer Partnerschaften 46 4.1 Das chinesische Bildungssystem 46 Diese Publikation wurde vom Evan- 4.2 Sichuan: Ungleichheit trotz Bildungsoffensive 51 gelischen Entwicklungsdienst (EED), 4.3 Fujian: Bildungschancen der ‚zurückgelassenen Kinder‘ 53 dem Evangelischen Kirchenverband 4.4 Shandong: Kostenfreie Bildung zwischen Anspruch und Wirklichkeit 55 Köln und Region, der Evangelisch- 4.5 Schlussbetrachtung 57 Lutherischen Kirche in Bayern und der Stiftung Menschenwürde und 5. Zusammenfassung und Ausblick 59 Arbeitswelt gefördert. Literatur 60 2 China in Bewegung
▸ Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ACGB All-Chinesischer Gewerkschaftsbund AFW Asia Floor Wage Alliance/ Asiatisches Grundlohnbündnis AGF Trier Arbeitsgemeinschaft Frieden e.V. Trier BNE Bruttonationaleinkommen CANGO China Association for NGO Cooperation/ Chinesische Vereinigung für NGO-Kooperation CKF Trier China Kooperationsforum Trier e.V. CLB China Labour Bulletin CSR Corporate Social Responsibility/ Soziale Unternehmensverantwortung CULS China Urban Labour Survey DCJWB Deutsch-chinesisches Jahr der Wissenschaft und Bildung DGA Deutsche Gesellschaft für Asienkunde DGB Deutscher Gewerkschaftsbund EU Europäische Union GB Großbritannien GDCF Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft GONGO Governmental Organised Non-Governmental Organisation/ Von der Regierung organisierte Nichtregierungsorganisation HH Haushalte ILO International Labour Organisation/ Internationale Arbeitsorganisation InWEnt Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH ITUC International Trade Union Confederation/ Internationaler Gewerkschaftsbund KMK Kultusministerkonferenz NGO Non Governmental Organisation/ Nichtregierungsorganisation NL Niederlande NRW Nordrhein-Westfalen OWYTU Ole Wolff Yantai Trade Union/ Ole Wolff Yantai Betriebsgewerkschaft RLP Rheinland-Pfalz SACOM Students and Scholars against corporate Misbehaviour/ StudentInnen und SchülerInnen gegen Fehlverhalten von Unternehmen SPD Sozialdemokratische Partei Deutschland SVG Social Insurance Law/ Sozialversicherungsgesetz UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization/ Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur USA Vereinigte Staaten von Amerika VR China Volksrepublik China WA WanderarbeiterInnen Herausforderungen für deutsch-chinesische Partnerschaften 3
▸ Einführung Einführung China taucht in den deutschen Medien häufig im Zu- (NRW) – Sichu- sammenhang mit Standortkonkurrenz, politischer an, Rheinland- Verfolgung, schlechten Arbeitsbedingungen, Um- Pfalz (RLP) welt- oder Lebensmittelskandalen auf. Als Partner wird – Fujian). In- China seltener wahrgenommen – obwohl es auf den nerhalb dieser verschiedensten Ebenen (Bundesländer, Städte, Uni- Partnerschaf- versitäten, Schulen) Partnerschaften mit China gibt. ten betrachten Diese Partnerschaften blicken zum Teil auf eine jahr- wir jeweils eine zehntelange Geschichte zurück, sind aber (noch) wenig Städtepartner- in der Zivilgesellschaft verankert. schaft etwas ge- nauer. Da internationale Partnerschaften ein wichtiges Instru- ment der internationalen Völkerverständigung und da- Im Jahr 2010 mit auch der Entwicklungszusammenarbeit sowie der veröffentlichte entwicklungspolitischen Bildungsarbeit sein können, SÜDWIND die bergen auch die Partnerschaften mit China die Chance erste Studie, die zu einem partnerschaftlichen Austausch über soziale, sich mit China- politische und ökonomische Entwicklungen in China, Partnerschaften Deutschland und der Welt. Diese Broschüre möchte beschäftigte: Diese konzentrierte sich auf die Arbeits- einen Beitrag dazu leisten, dass sich dieses Potenzial bedingungen in Zulieferbetrieben bzw. einer Niederlas- entfalten kann. Um dies zu erreichen, greifen wir drei sung dreier deutscher Konzerne (Adidas, Aldi, Metro) partnerschaftliche Beziehungen zwischen deutschen in den chinesischen Partnerprovinzen deutscher Bun- Bundesländern und chinesischen Provinzen exempla- desländer (NRW, RLP). Mit der nun vorliegenden Studie risch heraus (Bayern – Shandong, Nordrhein-Westfalen und dem begleitenden Aktionsleitfaden will SÜDWIND den Partnerschaftsengagierten weitere Informationen zum Lebens- und Arbeitsalltag in den chinesischen Partnerprovinzen zur Verfügung stellen. Dafür haben wir – nach einem Überblick über deutsche China-Part- nerschaften und die Entwicklung der Partnerschaf- ten zu Shandong, Fujian und Sichuan (Kapitel 1) – drei Schwerpunkte ausgewählt, die für das Verständnis aktueller Entwicklungen in China wichtig sind und zu- gleich auch in Deutschland für politische Diskussionen sorgen: Das Wirtschaftswachstum Chinas wäre ohne die vie- len Millionen WanderarbeiterInnen, die innerhalb Chinas migrieren und zu einem großen Teil in den Exportfabriken die zahllosen Alltagsprodukte für den Weltmarkt herstellen, nicht denkbar. An der wachsenden Zahl der WanderarbeiterInnen und ih- ren Lebens- und Arbeitsbedingungen lässt sich zum einen der enorme soziale Wandel Chinas in den letz- ten Jahrzehnten verdeutlichen; zum anderen sind diese Lebens- und Arbeitsbedingungen mit denen der irregulär in Deutschland lebenden MigrantIn- nen vergleichbar. Beide Gruppen sind in ihren politi- schen und sozialen Rechten eingeschränkt und einer Situation sozialer und ökonomischer Unsicherheit ausgesetzt (Kapitel 2). In den letzten Jahren hat die Zahl der Arbeitskämp- fe und Proteste gegen niedrige oder vorenthaltene 4 China in Bewegung
▸ Einführung Löhne, überlange Arbeitszeiten etc. in ganz China nach den Perspektiven von SchulabgängerInnen. drastisch zugenommen. Die WanderarbeiterInnen Angesichts wachsenden Schuldrucks in Deutschland fühlen sich durch das staatlich kontrollierte Gewerk- durch die Verkürzung der gymnasialen Oberstu- schaftssystem nicht vertreten. Die Frage der Inter- fe, durch die hohe Jugendarbeitslosigkeit sowie die essenvertretung und der Rolle der Gewerkschaften Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen ergeben wird deshalb in China neu diskutiert und befindet sich auch im Bildungsbereich viele Parallelen zum sich im Wandel. Hat dieser Wandel auch die hier Leben junger Menschen in den chinesischen Partner- betrachteten Partnerprovinzen erreicht? Entste- provinzen (Kapitel 4). hen durch diese Veränderungen in China neue Ge- sprächs- und Kooperationsmöglichkeiten mit deut- In Vorbereitung auf die vorliegende Studie hat SÜD- schen AkteurInnen, die wiederum in Deutschland WIND eine Umfrage unter verschiedenen Partner- mit zunehmenden informellen Beschäftigungsfor- schaftsakteurInnen in Bayern, RLP und NRW (die men, einem wachsenden Niedriglohnsektor und Dis- zuständigen Ministerien, die jeweiligen Oberbürger- kussionen um einen flächendeckenden Mindestlohn meister, die DGB-Regionen, Schulleitungen sowie je konfrontiert sind (Kapitel 3)? eine zivilgesellschaftliche Organisation) durchge- führt. Einschätzungen und Kommentare aus den Ant- Aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich sind es vor worten, die SÜDWIND erreichten, sind in diese Stu- allem Schulen und Universitäten, die sich in die Chi- die eingeflossen. Die Umfrage diente auch dazu, das na-Partnerschaften einbringen. Deshalb beschäftigt Erscheinen dieser Studie bekannt zu machen – in der sich ein Kapitel mit dem Schul- und Bildungsalltag in Hoffnung, dass sie genutzt wird, um die unbekannten China, fragt nach dem Zugang der Kinder von Wan- Seiten der chinesischen Partnerprovinzen und -städte derarbeiterInnen zum staatlichen Schulsystem und kennenzulernen. Herausforderungen für deutsch-chinesische Partnerschaften 5
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? Kasten 1: Fujian, Shandong und Sichuan im Vergleich FUJIAN SHANDONG SICHUAN Hauptstadt Fuzhou Jinan Chengdu Gouverneur Huang Xiaojing Jiang Daming Jiang Jufeng Fläche 121.400 km² 156.700 km² 485.000 km² (Anteil an Gesamtfläche: 1,26 %) (Anteil an Gesamtfläche: 1,63 %) (Anteil an Gesamtfläche: 5,05 %) Bevölkerung 36,27 Mio. 95,79 Mio. 81,85 Mio. Einwohnerstruktur 51,4 % Stadtbevölkerung 48 % Stadtbevölkerung 38,7 % Stadtbevölkerung 0–14 Jahre: 17 % 0–14 Jahre: 15,7 % 0–14 Jahre: 17,2 % 15–64 Jahre: 73% 15–64 Jahre: 74,6 % 15–64 Jahre: 70,6 % 65 Jahre und älter: 10 % 65 Jahre und älter: 9,7 % 65 Jahre und älter: 12,2 % Ethnien Han (98,34 %), She (1,1 %), Hui Han (99,3 %), Hui (0,6 %), Mand- Han (95 %), Yi (2,6 %), Tibeter (0,32 %), Tujia, Miao, Zhuang, Mand- schu u.a. (1,5%), Qiang, Naxi u.a. (> 1 %) schu, Mongolen u.a. (jew. > 0,1 %); AnalphabetInnen 8,47 % 7,5 % 9,17 % (Männer: 3,91 %; Frauen: 12,9 %) (Männer: 3,7 %; Frauen: 11,26 %) (Männer: 4,92 %; Frauen: 13,36 %) Arbeitslosigkeit 3,9 % (2009, Stadt) 3,4 % (2009, Stadt) 4,3 % (2009, Stadt) HDI* (2008) 0.807 (Rang 12 von 31 Provinzen) 0.828 (Rang 8 von 31) 0.763 (Rang 24 von 31) GINI** 0,47 (China) 0,47 (China) 0,47 (China) Beschäftigung Primär: 29,4 % Primär: 36,6 % Primär: 43,6 % nach Sektor Sekundär: 35,8 % Sekundär: 31,9 % Sekundär: 22,4 % Tertiär: 34,8 % Tertiär: 31,5 % Tertiär: 33,9 % BIP pro Kopf 39.432 Yuan (+13,0 %) 35.894 Yuan (+ 12,2 %) 19.202 Yuan (+15,1%) Ärzte/1.000 EW Stadt: 2,15; Land: 0,97 Stadt: 2,38; Land: 1,2 Stadt: 2,31; Land: 1,09 Hauptindustrie Petrochemie, Elektronik, Chemie- und Petrochemie, Textilien, Leicht- und Schwerindustrie, Che- Maschinen, Baugewerbe, Stahl, Energie, Lebens- und Genuss- mieproduktion, IT, Medizin und Forstwirtschaft, Fischerei, mittel, Pharmazeutika, Baumateria- Automobilbau Hydrokultur, Textilsektor lien, Maschinen Anteil am Landwirtschaft 9,5% Landwirtschaft: 9,5 % Landwirtschaft: 15,8 % Brutto-Regional- Industrie 51,3% Industrie: 55,8 % Industrie: 47,4 % Einkommen Dienstleistungen 39,2% Dienstleistungen: 34,7 % Dienstleistungen: 36,7 % Handel (2009) Import: 26.3 Import: 59.6 Import: 10 in Mrd. USD Export: 53.3 Export: 79.5 Export: 14.2 Deutsche Etwa 58 Unternehmen, u.a. Thyssen- Etwa 131 Unternehmen, u.a. Würth, Etwa 86 Unternehmen, u.a. Bayer, Unternehmen Krupp, Linde, Hapag Lloyd, Daimler Hapag Lloyd, Schenker, BASF SAP, Siemens, ThyssenKrupp, DHL Internationale u.a. Liege (Belgien), Region u.a. Bretagne (Frankreich), Marken u.a. Midi-Pyrénées (Frankreich), Partnerschaften Basse-Normandie (Frankreich) (Italien), Vastmanland (Schweden), Leicestershire (UK), Piemont und Rheinland-Pfalz Nordholland (Niederlande), Oberös- (Italien), Tolna County (Ungarn), terreich (Österreich) und Bayern Valencianische Gemeinschaft (Spa- nien), Region Brüssel-Hauptstadt (Belgien), Friesland (Niederlande) und Nordrhein-Westfalen Quellen http://www.kanton.diplo.de/conte http://www.bayern-shandong.com. http://www.chengdu.diplo.de/Ver- ntblob/1884326/Daten/1343260/ cn/de/location.asp; tretung/chengdu/de/03/Sichuan/Sei- wi_info_FJ_downloaddatei.pdf http://en.sdfao.gov.cn te__Provinz__Sichuan.html#topic8 Statistical Yearbook 2010; UNDP China Human Development Report 2009/10; german-company-directory.com * HDI = Human Development Index (Index menschlicher Entwicklung), von den Vereinten Nationen entwickeltes Konzept, das sich aus Lebenserwartung, Bildungsniveau und dem Bruttonationaleinkommen zusammensetzt. Je höher der Wert, desto höher der Wohlstand; Deutschland belegt mit 0,905 den weltweit 9. Platz (2011). ** Gini-Index oder –Koeffizient, benannt nach dem Statistiker Corrado Gini, ist ein Maßstab, mit dem Ungleichheiten dargestellt werden können. Auf einer Skala von 0 bis 1 (alternativ: 0 bis 100) gibt der Gini-Index Auskunft über den Grad der Ungleichverteilung des nationalen Einkommens in einem Land. Je niedriger der Wert, desto gleicher ist die Verteilung. In Deutschland lag der Gini-Index 2007 bei 0,28. Ein Wert über 0,4 bedeutet sehr starke Ungleichheit. 6 China in Bewegung
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? „China wird in Zukunft Europa so nah sein wie nie zuvor in unserer Geschichte – welches Chinabild wird Deutschland und Europa dann wohl prägen – ein kooperatives oder ein konfrontatives?“ Web-Blog von Andreas Lehrfeld und Elisa Limbacher, Briefe aus Xiamen http://xiamen.blog.volksfreund.de/vorspann/ Anlässlich der Unterzeichnung der Städtepartnerschaft ministers Martin Zeil, der Bayern „über 22 Jahre hervor- zwischen dem rheinland-pfälzischen Trier und der Me- ragende Wirtschaftsbeziehungen zu Shandong“ (Bay- tropole Xiamen in der chinesischen Provinz Fujian am erische Staatsregierung 2009) bescheinigte. Zwischen 11. November 2010 äußerte der Trierer Oberbürger- gesellschaftlichem Dialog und Konzentration auf meister Klaus Jensen die Hoffnung auf einen „Dialog Wirtschaftsinteressen – ist das der Spannungsbogen, über die Grundlagen der gesellschaftlichen Entwick- in dem die China-Partnerschaften stehen? Am Beispiel lung und über die Entwicklung der Menschenrechte“ ausgewählter Partnerschaften wird im Folgenden der (Stadt Trier 2010) als Teil der Städtepartnerschaft. Ganz Ist-Zustand deutscher Partnerschaften zu chinesischen anders klingt die Aussage des bayerischen Wirtschafts- Provinzen, Städten und Schulen beleuchtet. ▸ 1.1 Deutsch-chinesische Partnerschaften – ein Überblick Mit Ausnahme von Brandenburg, Mecklenburg-Vor- Tabelle 1: pommern und Sachsen-Anhalt unterhalten alle deut- Partnerschaften deutscher Bundesländer mit schen Bundesländer auf Regierungsebene eigene Be- chinesischen Provinzen u. Städten ziehungen mit chinesischen Regierungsstellen sowie Partnerschaften mit chinesischen Provinzen. Darüber Beginn der hinaus unterstützen die Bundesländer verschiedene Partnerschaft Bundesland Provinz Aktivitäten von Kommunen, Städten, Vereinen, Schu- len und Universitäten. Hierbei werden zwar auch Ziele 1984 Niedersachsen Anhui im humanitären Bereich sowie im Umwelt- und Bil- 1984 Baden-Württemberg Jiangsu dungssektor verfolgt. Das Gros des partnerschaftlichen 1984 Nordrhein-Westfalen Shanxi Engagements der Bundesländer bezieht sich aber auf 1985 Hessen Jiangxi wirtschaftliche Interessen und unternehmerische Ak- 1985 Hessen Hunan tivitäten.1 Da von den insgesamt 20 Partnerschaften 1985 Bremen Dalian (Liaoning) der größte Teil in den 1980er Jahren abgeschlossen 1986 Schleswig-Holstein Zhejiang wurde und diese damit im Kontext der ökonomischen 1986 Hamburg Shanghai Öffnung Chinas für den Weltmarkt stehen, ist dies 1986 Baden-Württemberg Liaoning auch nicht verwunderlich (vgl. Tabelle 1). 1986 Nordrhein-Westfalen Jiangsu 1987 Bayern Shandong Grundlage aller Partnerschaften ist der Vertrag über 1988 Nordrhein-Westfalen Sichuan die gegenseitige Anerkennung zwischen der Bundes- 1989 Rheinland-Pfalz Fujian republik Deutschland und der Volksrepublik China, 1994 Berlin Beijing der am 11. Oktober 1972 unterzeichnet wurde (vgl. 1994 Saarland Tianjin www.kanton.diplo.de). 1997 Thüringen Shaanxi 2002 Baden-Württemberg Shanghai 2004 Bayern Guangdong 2004 Bremen Guangdong (ruhend) 2007 Sachsen Hubei Quellen: Held/Merkle 2008, S. 25; Land Sachsen 2012. Herausforderungen für deutsch-chinesische Partnerschaften 7
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? Shandong Die bayerische Partnerprovinz Shandong liegt im mittleren Bereich der Ostküste, 250 km südlich von Chinas Hauptstadt Bei- jing (Peking). Ein Teil der Provinz ragt als Halbinsel ins Gelbe Meer, das auf der ge- genüberliegenden Seite an Korea grenzt. Shandong ist nach Henan die bevölke- rungsreichste Provinz Chinas und gleich- zeitig eine der stärksten Wirtschaftsregi- onen des Landes. Shandong verfügt über begehrte Rohstoffe wie Öl, Gold und Baum- wolle, insbesondere aber auch über große Industriestandorte mit Produktion von Nahrungsmitteln, Haushaltsgeräten, Tex- tilien und Maschinen. 1.1.1 Bayern – Shandong: eine „bei- dong, so: „Als Wirtschaftsministerium verfolgen wir spiellose deutsch-chinesische mit der Partnerschaft primär wirtschaftliche Ziele. Wir wollen die wirtschaftlichen Beziehungen in beide Rich- Erfolgsgeschichte“!? tungen vertiefen und den gegenseitigen Handel aus- Bayern schloss bereits im Jahr 1987 nach langjährigem bauen. Ich bin davon überzeugt: Mit einer Ausweitung Kontaktaufbau durch den damaligen bayerischen Mi- der Handelsströme und der gegenseitigen Investitions- nisterpräsidenten Franz-Josef Strauß eine erste Partner- tätigkeit wird auch die politische Idee der freiheitlich schaft mit der chinesischen Provinz Shandong. Erst im demokratischen Grundordnung und die wirtschaftliche Jahr 2004 folgte eine weitere Partnerschaft mit der Pro- Idee der Sozialen Marktwirtschaft mehr und mehr in den vinz Guangdong, die seit vielen Jahren die wirtschafts- Köpfen unserer chinesischen Partner verankert werden. stärksten Provinzen Chinas anführt. Aufgrund der län- Auch hier gilt das Motto ‚Wandel durch Annäherung‘.“ geren Partnerschaftsgeschichte und der im Vergleich zu (Schreiben vom 21. November 2011) Guangdong größeren Unbekanntheit der Provinz Shan- dong in Deutschland, wird im Folgenden schwerpunkt- Aufgrund des Interesses Shandongs an der dualen mäßig die Shandong-Partnerschaft Bayerns betrachtet. Ausbildung in Deutschland liegt ein Kooperations- schwerpunkt auf Projekten der beruflichen Bildung Bayern versteht seine langjährige Partnerschaft zu (z.B. Berufsbildungszentrum für landwirtschaftliche Shandong als „Musterbeispiel für die deutsch-chinesi- Berufe und Landtechnik in Pingdu / Shandong, Förder- schen Beziehungen“.2 Die Wahl Shandongs als Partner- zentrum für Metallberufe in Weifang / Shandong, Bil- provinz hängt mit der im Jahr 1984 erfolgten Öffnung dungs- und Forschungszentrum für Flurneuordnung von insgesamt 14 chinesischen Küstenstädten für aus- und Landentwicklung in Qingzhou / Shandong, jeweils ländische Investitionen zusammen. Zwei dieser Küs- in Trägerschaft der Hanns-Seidel-Stiftung). Neben tenstädte, Qingdao und Yantai, lagen in Shandong und Shandong unterhält Bayern zu folgenden Regionen au- machten diese Provinz und ihr ökonomisches Potenzi- ßerhalb Europas Partnerschaften: Québec (Kanada, seit al interessant. Im Laufe der 25- jährigen Partnerschaft 1989); Westkap (Südafrika, seit 1995); Gauteng (Südaf- reisten regelmäßig Regierungsdelegationen in Beglei- rika, seit 1995); São Paulo (Brasilien, seit 1997); Guang- tung von UnternehmensvertreterInnen nach Shan- dong. Die bayerische Repräsentanz in Qingdao unter- stützt insbesondere den Markteintritt mittelständischer Unternehmen. In seiner Antwort auf die Frage von SÜD- WIND nach den Perspektiven der Partnerschaft äußerte sich Manuel Rimkus, Chefrepräsentant Bayerns in Shan- 8 China in Bewegung
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? Stationen der Partnerschaft 1980 Hanns-Seidel-Stiftung beginnt Tätigkeit in China und spielt beim Aufbau der Bayern- Partnerschaft zu Shandong eine wichtige Rolle 1985 Gegenseitige Absichtserklärung zur wirt- schaftlichen und technischen Zusammen- arbeit zwischen der Provinz Shandong und dem Freistaat Bayern 1985 Ministerpräsident Strauß eröffnet in Qing- dao die Ausstellung „Wirtschaftspartner Bayern“: 400 bayerische Unternehmen stel- len sich und ihre Produkte vor, darunter die Firmen Audi, Bayerische Vereinsbank, BMW, Hanns-Seidel-Stiftung in Qingzhou, Shan- Dywidag, Faun, Kneipp-Werke, Knorr Brem- dong se, KraussMaffei, Löwenbräu, MAN, MBB, 1999 Kooperation zwischen Bayerischem Staatsmi- Rohde & Schwarz, Staedtler nisterium für Landesentwicklung und Um- 1987 Gemeinsame Erklärung zur Herstellung weltfragen und dem Umweltschutzamt Shan- freundschaftlicher Beziehungen zwischen dong der Provinz Shandong in der Volksrepublik 2002 Regelmäßige Regierungschefkonferenzen China und dem Freistaat Bayern der Partnerregionen Bayern, Oberösterreich, 1990 Von Bayern gefördertes Programm zur Québec, São Paulo, Shandong und Westkap zu Dorferneuerung in Shandong, von der Umwelt- und Entwicklungsthemen Hanns-Seidel-Stiftung mitgetragen 2004 „Bildungs- und Forschungszentrum für Flur- 1990 Gründung des „Förderzentrums für Metall- neuordnung und Landentwicklung“ (BFL) in berufe“, heute Berufsbildungszentrum (BBZ) Qingzhou durch Hanns-Seidel-Stiftung in Ko- in Weifang, getragen von der Hanns-Seidel- operation mit der TU München Stiftung 2005 Kooperationsvereinbarung zur Einrichtung 1992 Eröffnung des Verbindungsbüros China eines Umweltindustrieparks zwischen Bayern Shandong Co. Ltd. in München (Schließung und Qingdao / Jaonan 1998, Neueröffnung als „Wirtschafts- und 2005 Kooperationsvertrag zwischen den Flughäfen Handelsverbindungsbüro der Provinz Shan- Qingdao und München dong“) 2007 70 deutsche Unternehmen arbeiten in Shan- 1993 Gemeinsamer Projektrat Bildung zur Koordi- dong, darunter 20 bayerische: Siemens nierung des Hochschulaustauschs: 1. Phase: (Transformatorenwerk), Liebherr, Krones, Aufbau eines Studiengangs Deutsch an der der Industriewaagenhersteller Pfister, die Universität Qingdao unter Beteiligung der Strumpffabrik Kunert, der Kanalreinigungs- Universität Bayreuth, Fachbereiche Biologie, spezialist Wiedemann & Reichhardt, die Gra- Chemie und Wirtschaftswissenschaften phit Kropfmühl AG (Qingdao Kropfmühl 1997 Eröffnung einer bayerischen Repräsentanz Graphite, 100% Tochter), der Nutzfahrzeuge- in Jinan zulieferer SAF-ALKO, die Fa. Sauer u.a. 1997 Eröffnung eines chinesischen Generalkonsu- 2010 Unterzeichnung eines Strategischen Part- lats in München, das die Partnerschaft unter- nerschaftsabkommens zwischen Bayern und stützt, eingeweiht anlässlich der 10-Jahres- Shandong in München, das regelmäßige Tref- Feier der Partnerschaft fen und intensive Kooperation in Wirtschaft, 1998 Stipendien der Staatskanzlei für chinesische Wissenschaft, Bildung, Umweltschutz und Studierende am Sprachen- und Dolmetsch- Kultur vereinbart institut München 1998 Gründung des nationalen „Berufspädago- (Quellen:http://www.bayern.de/Fotoreihen-.1589.10355547/index. gischen Forschungszentrums“ durch die htm; http://www.bayern.de/Videos-.1460.10314031/index.htm) Herausforderungen für deutsch-chinesische Partnerschaften 9
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? dong (VR China, seit 2004); Georgia (USA, seit 2007); Fragen nachhaltiger Entwicklung und Umweltschutz Karnataka (Indien, seit 2007). Diese Partnerschaften befassen. Andererseits siedelt Bayern die außereuropä- mit „starken außereuropäischen Regionen“ verortet ischen Partnerschaften – explizit in Bezug auf Afrika – Bayern einerseits im Kontext bayerischer Interessen im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit und der als „Hochtechnologie- und Exportland“, und vernetzt Verantwortung Bayerns „für die Eine Welt“ an. Dieser sie im Rahmen der zweijährlich stattfindenden Regie- entwicklungspolitische Bezug hat sich in der Partner- rungschefkonferenz der Partnerregionen, die sich mit schaft zu Shandong bisher nicht durchgesetzt. Sichuan Die NRW-Partnerregion Sichuan gehört flächenmäßig zu den größten Provinzen Chinas. Über 90 % des Territoriums beste- hen aus Mittel- und Hochgebirgen, die im Westen an die autonome Region Tibet grenzen. Im Osten erstreckt sich das frucht- bare und flussreiche Sichuan-Becken. Die Provinz verfügt über boomende Wirt- schaftssektoren in der Lebensmittelpro- duktion und im Bergbau, ist aber in Bezug auf seine Entwicklung zwischen den urba- nen Zentren im Osten und den westlichen Gebirgsregionen gespalten. 1.1.2 NRW – Sichuan: Schlüsselrolle 1. Aktivitäten der Landesregierung: Politische Delega- bei der Entwicklung West-Chinas tionen „bieten Unternehmen eine Plattform, Kon- takte zu ausgewählten Entscheidungsträgern zu NRW unterhält seit dem Jahr 1984 Beziehungen zu der knüpfen. Diese politische und fachliche Begleitung Bergbauregion Shanxi, seit dem Jahr 1986 zu der Küs- zahlt sich für beide Seiten aus.“ * tenprovinz Jiangsu und seit dem Jahr 1988 eine Part- 2. Städtepartnerschaften, die zum kulturellen und nerschaft zur Provinz Sichuan, die sich in den letzten wirtschaftlichen Austausch genutzt werden Jahren u.a. zu einem wichtigen Standort für die Auto- 3. Schulpartnerschaften und Hochschulkooperationen mobilindustrie entwickelt hat. Für die vorliegende Stu- (vgl. Kapitel 4) die wurde schwerpunktmäßig die NRW-Partnerschaft 4. Wirtschaftskooperationen, die u.a. von der NRW. zu Sichuan ausgewählt, weil Sichuan mit seiner Lage INVEST GmbH, der NRW.International GmbH und im Westen Chinas lange Zeit von der wirtschaftlichen der Schwerpunkt-IHK Köln unterstützt werden, und Entwicklung relativ abgekoppelt war und deshalb zu schließlich einer wichtigen Herkunftsprovinz von Wanderarbeite- 5. Provinzpartnerschaften, zu denen die Partnerschaft rInnen wurde, die auf der Suche nach Arbeit in die chi- zwischen NRW und Sichuan gehört. nesischen Küstenprovinzen aufbrachen. Neben mehrfachen Reisen von Unternehmensdelega- Die NRW-Partnerschaft zu Sichuan ist Teil eines inten- tionen wurden bereits seit den 1980er Jahren Stipen- siven Engagements NRWs zu China. Das NRW-Minis- dienprogramme durchgeführt, in denen chinesische terium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Fach- und Führungskräfte Deutsch lernen und eine Verkehr mit der politischen Federführung differenziert „fachpraktische Fortbildung in nordrhein-westfäli- das China-Engagement in: 10 China in Bewegung
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? schen Unternehmen“ erhalten. Begleitend zum Sti- pendienprogramm lagen die ersten Schwerpunkte der Beziehungen zu Sichuan in der Landwirtschaft, der Le- bensmittelherstellung und der Forstwirtschaft. Bereits im Jahr 1987 wurden die Beziehungen um den Aspekt Umweltschutz erweitert, bevor Sichuan und NRW an- lässlich einer China-Reise des damaligen Ministerpräsi- denten Johannes Rau offiziell Partner wurden (s. Kasten: Stationen der Partnerschaft). Erst 21 Jahre später reiste mit Jürgen Rüttgers wieder ein NRW-Ministerpräsident nach China, u.a. in die Partnerprovinz Sichuan. Beglei- tet von einer 50-köpfigen Unternehmensdelegation warb der Ministerpräsident für den Wirtschaftsstand- ort NRW und erneuerte die Partnerschaft mit Sichuan. Durch die Schlüsselrolle Sichuans bei der wirtschaftli- chen Entwicklung West-Chinas und die zunehmende Bedeutung der dortigen Hightech-Industrie wird diese bisher zu den ärmeren Gegenden zählende Provinz zu einem für NRW wirtschaftlich interessanten Partner. Die jüngsten Partnerschaftsaktivitäten deuten darauf hin, dass diese Partnerschaft durch die neue ökonomi- sche Bedeutung Sichuans und insbesondere Chengdus, schwerpunkt als in der Vergangenheit erhalten wird. der Provinzhauptstadt, einen deutlicheren Wirtschafts- (Quellen: www.nrw-china-portal.org, Ruhe 1995: 204) Stationen der Partnerschaft me von NRW-Unternehmen am deutschen Pavillon auf der west-chinesischen internatio- 1984 Stipendienprogramm der NRW-Regierung nalen Wirtschaftsmesse in Chengdu für Fach- und Führungskräfte der Provinz Si- 2007 Delegation aus dem NRW-Landwirtschaftsmi- chuan nisterium und NRW-Unternehmen reist zur 1987 Erklärung über freundschaftliche Zusammen- EU-China-Wirtschaftskooperationsbörse für arbeit zwischen der Regierung des Landes Unternehmen der Agrar- und Lebensmittel- NRW und der Regierung der Provinz Sichuan wirtschaft nach Sichuan 1988 Erklärung über die Erweiterung der Zusam- 2008 Humanitäre Soforthilfe NRWs für die vom menarbeit und den Ausbau der freundschaft- Erdbeben im Mai 2008 zerstörten Gebiete in lichen Beziehungen zwischen dem Land Sichuan Nordrhein-Westfalen und der Provinz Sichu- 2009 Unterzeichnung einer Erklärung zur Fortent- an wicklung der Partnerschaft durch Minister- 1994 „Protokoll über den freundschaftlichen Aus- präsident Jürgen Rüttgers und Gouverneur Ju- tausch und die Zusammenarbeit zwischen der feng Jiang Regierung des Landes NRW und der Regie- 2011 Unterzeichnung der Wirtschaftskoopera- rung der Provinz Sichuan“, das den gegensei- tion der chinesischen Provinz Sichuan und tigen Willen zur Verstärkung der wirtschaftli- des deutschen Landes Nordrhein-Westfalen chen und kulturellen Kooperation bekräftigte durch Gouverneur Jufeng Jiang und Staatsse- 1994 Gründung der China Central Consultants kretär Günther Horzetzky in Düsseldorf GmbH; Repräsentanz und Kontaktbüro der Provinz Sichuan in NRW, Düsseldorf (Quellen: www.nrw-china-portal.org, http://www.mbem. 2001 Kooperationsvereinbarung des NRW-Wissen- nrw.de/unsere-themen-von-a-z/sichuan-32.html; http:// schaftsministeriums und der Kommission für www.nrw.de/presse/ministerpraesident-juergen-ruett- Wissenschaft und Technologie der Provinz Si- gers-startet-china-reise-8069/; http://www.nrw-inter- chuan über eine Vertiefung des wissenschaft- national.de/veranstaltungen/veranstaltungen-der-nrw- lich-technologischen Austauschs partnerprovinzen-shanxi-und-sichuan-im-april-in-nrw-1/; 2005 Beginn der jährlichen Förderung der Teilnah- http://de.china-central-consultants.com/ueber_uns) Herausforderungen für deutsch-chinesische Partnerschaften 11
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? Fujian Die rheinland-pfälzische Partnerprovinz Fujian liegt an der chinesischen Küste ge- genüber der Insel Taiwan. Mehr als 60 % der Fläche sind mit Wald bedeckt. Mit 36 Mio. EinwohnerInnen und einer Fläche von 121.400 km² gehört Fujian zu den kleineren Provinzen Chinas. Der internationale Han- del und Export spielt seit Einrichtung der Sonderwirtschaftszone in Xiamen zu Be- ginn der 1980er Jahre eine große Rolle. Der Schwerpunkt liegt dabei auf arbeitsinten- siven Gütern der Bekleidungs-, Spielzeug- und Elektroindustrie. Um in den Fabriken Arbeit zu finden, migrieren viele Wander- arbeiterInnen aus den westlichen Provin- zen nach Fujian. Gleichzeitig ziehen viele EinwohnerInnen Fujians in die wirtschafts- starken Nachbarprovinzen Guangdong, Zhejiang oder Jiangsu, um dort attraktive- ren Arbeitsangeboten nachzugehen. 1.1.3 RLP – Fujian: nommen. Auf der Seite Fujians liegt die Zuständig- „Türöffner für den Mittelstand“ keit bei der Regierungsabteilung für Handels- und Wirtschaftskooperationen der Provinz Fujian. Im Jahr Rheinland-Pfalz (RLP) unterzeichnete im Mai 1989 eine 2010 benannten RLP und Fujian in einer „Gemein- Partnerschaftsvereinbarung mit der Provinz Fujian (s. samen Erklärung“ als Schwerpunktbereiche für die Kasten Stationen der Partnerschaft). Damit war RLP das künftige Zusammenarbeit: 1. Wirtschaft; 2. Umwelt-, letzte Bundesland, das in der Euphorie der 1980er Jahre Energie- und Technologiekooperationen; 3. Bildung, über die Potenziale des chinesischen Marktes eine Part- Schule, Berufsschule und Hochschule; 4. Gesellschaft- nerschaft mit einer chinesischen Provinz einging. Die liche Kontakte (Kultur, Kunst, Tourismus, Sport). Die kurz darauf erfolgte Niederschlagung der Proteste auf Erklärung wurde anlässlich einer Fujian-Reise von dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking durch Ministerpräsident Kurt Beck unterzeichnet, bei der er die chinesische Regierung führte zu einer vorüberge- sich als „Türöffner für den Mittelstand“3 in Fujian prä- henden „Eiszeit“ in den politischen Beziehungen zu sentierte. China, die sich sowohl auf bestehende als auch auf den Abschluss neuer Partnerschaften auswirkte. Im Jahr 2004 wurde die Rheinland-pfälzische Fujian- Gesellschaft e.V. gegründet, die am Ostasieninstitut RLP wählte die Provinz Fujian für eine Partnerschaft aus, weil sie zu den boomenden chinesischen Küsten- provinzen zählte, die als erste für ausländische Investi- tionen geöffnet wurden: Durch die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone in der Hafenstadt Xiamen zu Beginn der 1980er Jahre entwickelte sich Xiamen zum wichtigsten Wirtschaftsstandort in Fujian. Die Part- nerschaft liegt auf rheinland-pfälzischer Seite in der Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums in Mainz und wird dort vom Beauftragten für internationale Zusammenarbeit Prof. Dr. Siegfried Englert wahrge- 12 China in Bewegung
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? der Fachhochschule Ludwigshafen angesiedelt ist. Ih- ren Vorsitzenden Detolf Graf v. Borries ernannte die Provinz Fujian zum zweiten rheinland-pfälzischen Eh- renbürger Fujians (nach Ministerpräsident Kurt Beck). Bereits seit 1989 ist Monika Gräfin v. Borries die Vorsit- zende des Landesverbandes der Chinagesellschaften Rheinland-Pfalz e.V. Neben der Provinz Fujian unterhält RLP nur noch zu South Carolina / USA, der Präfektur Iwate / Japan und zu Ruanda eine Partnerschaft außerhalb Europas. Die Part- nerschaft zu Ruanda ist als Graswurzel-Partnerschaft, die dezentral, bürgernah und grundbedürfnisorien- tiert zahlreiche Initiativen, Schulen und Gemeinden einbindet, in der rheinland-pfälzischen Öffentlichkeit breit verankert (vgl. www.rlp-ruanda.de). Auf den Un- terschied zwischen der entwicklungsorientierten Part- nerschaft zu Ruanda und der wirtschaftsorientierten Partnerschaft zu Fujian macht das Bündnis „Keine Part- nerschaft ohne Sozialstandards“ (www.ak-rlp-fujian. de) aufmerksam – mit dem Ziel, einen Austausch über soziale Realitäten in China und Deutschland mit den PartnerInnen in Fujian aufzubauen. Ob die seit dem Jahr 2011 im Amt befindliche rot-grüne Landesregierung die Partnerschaft mit Fujian für zi- vilgesellschaftliche Beteiligung stärker öffnen wird – worauf das im Jahr 2012 beginnende Fachkraftprojekt zur Förderung bürgergesellschaftlichen Engagements hindeuten könnte – ist derzeit noch offen. Stationen der Partnerschaft 1989 Gemeinsame Erklärung über die „Aufnahme Provinz Fujian und der Regierung von RLP so- freundschaftlicher Beziehungen und Zusam- wie der Siemens AG (Geschäftsgebiet Automa- menarbeit zwischen RLP und Fujian“ tion and Drives) über die Einrichtung eines In- 1994 Kooperationsvertrag zwischen RLP und der novationszentrum für berufliche Fortbildung Unternehmensberatung Far Eastern Limited / und Beratung in der Provinz Fujian Ludwigshafen, der letztere mit ihrem Büro in 2004 Gründung der Rheinland-pfälzischen Fujian- Xiamen als Kontaktstelle des Landes in Fujian Gesellschaft benennt 2004 Einrichtung der Rheinland-Pfalz-Fujian-Aka- 1999 Unterzeichnung einer „Vereinbarung zur demie an der Universität Fuzhou, Fujian in Vertiefung der freundschaftlichen Zusam- Trägerschaft der Rheinland-Pfälzischen Fuji- menarbeit zwischen der Provinz Fujian und an-Gesellschaft dem Land Rheinland-Pfalz“ 2010 Gemeinsame Erklärung über den Ausbau der 2002 Gründung eines Kooperationskomitees zur Zusammenarbeit zwischen RLP und Fujian Stärkung der Handels- und Wirtschaftskoope- 2012 Projekt zur Förderung bürgergesellschaft- ration Fujian – RLP lichen Engagements für Umwelt- und Kli- 2002 Unterzeichnung einer „Erklärung über eine maschutz mit deutschen und chinesischen Zusammenarbeit im Umweltschutz“ Umweltverbänden, gefördert durch die RLP- 2004 Gemeinsame Erklärung der Regierung der Ministerien Umwelt und Wirtschaft Herausforderungen für deutsch-chinesische Partnerschaften 13
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? Der Tibet-Konflikt und die Provinz Sichuan Die Provinz Sichuan ist unmittelbar vom Konflikt um nach Gründung der Volksrepublik China, besetzte die Tibet betroffen: Die autonome Provinz Tibet wurde chinesische Armee weite Teile Tibets und setzte ein 1965 als Verwaltungseinheit der Volksrepublik Chi- 17-Punkte-Abkommen durch, das die Souveränität na gegründet (1,3 Mio. km²). Die Provinz macht nur Chinas bei gleichzeitiger Anerkennung der regiona- die Hälfte des Gebietes der Kulturregion Tibetisches len Autonomie festlegen sollte. Hochland aus (2,5 Mio. km²), das sich nördlich von Ne- pal und dem Himalaya bis weit in die chinesische Pro- Weil das Abkommen sehr umstritten war und China vinz Qinghai erstreckt, im Westen an Indien grenzt seine Kompetenzen immer weiter ausbaute, kam es und im Osten noch Teile der Provinz Sichuan umfasst. 1959 zu einer Revolte der TibeterInnen, die jedoch von den Truppen Mao Zedongs niedergeschlagen Von 1911 bis 1949 war Tibet aufgrund der kolonialen wurde. Mehrere Tausend Menschen sind dabei umge- Situation und der Unruhen in Ost- und Südasien de kommen, wichtige Kulturgüter wurden zerstört, der facto unabhängig. In dem buddhistischen Land war Dalai Lama und ca. 80.000 TibeterInnen flohen nach der Dalai Lama zugleich religiöses als auch politisches Indien. Oberhaupt (Theokratie). Im Zeitraum 1950/51, kurz Heute ist die Situation Tibets international und völkerrechtlich umstritten. Die tibe- tische Exilregierung unter Führung des Dalai Lama bezeichnet den Eingriff Chinas als Verstoß gegen internationales Recht und verweist auf das Recht zur Selbstbe- stimmung. Die chinesische Regierung argumentiert mit einer historischen Zu- gehörigkeit Tibets zu China und erkennt die Exilregierung nicht an. Immer wieder kommt es – u.a. in Sichuan – zu Protestak- tionen wie Selbstverbrennungen insbeson- dere von tibetischen Mönchen, die ihre Re- ligion nicht frei ausüben können, inhaftiert und misshandelt werden (OpenPR 2011: n.p.). (Quellen: Kupfer 2011: n.p., Hartmann 2006: 30 ff., OpenPR 2011) ▸ 1.2 Chinesische Städte im Netzwerk internationaler Städtepartnerschaften Deutsche Kommunen und Städte unterhalten eigen- ständigung und der Versöhnungsgedanke. Auch zi- ständige Beziehungen und Freundschaften mit Part- vilgesellschaftliche Organisationen und insbesondere nern in aller Welt. Die ältesten und meisten Verbin- Kirchen waren maßgeblich an diesen Beziehungen be- dungen existieren zu Gemeinden und Städten der teiligt, wie beispielsweise das weltweite Netzwerk der europäischen Staaten, allen voran Frankreich, Polen, Coventry-Nagelkreuz Gemeinden zeigt.5 Italien und Großbritannien.4 Hintergrund der Aufnah- me freundschaftlicher Beziehungen innerhalb Europas waren nach dem Zweiten Weltkrieg die Völkerver- 14 China in Bewegung
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? Tabelle 2: als Partnerland zunehmend interessant. Thematische Internationale Städtepartnerschaften Schwerpunkte von Kommunalbeziehungen bestehen und -freundschaften in (aufgelistet nach Bedeutung) Wirtschaft und Han- del, Kunst und Kultur, Bildung, Stadtentwicklung und Insgesamt China Verwaltung, Wissenschaft und Forschung, Gesundheit und zuletzt Umwelt (vgl. Held/Merkle 2008: 53). Deutschland 7025 83 Bayern 1165 11 Als große Hürden bzw. Hinderungsgründe von Partner- NRW 1025 22 schaftsabschlüssen mit China gelten die große Entfer- RLP 579 4 nung, Sprachbarrieren sowie schwer durchschaubare Strukturen und Hierarchien auf chinesischer Seite (vgl. Angaben nach www.rgre.de. Held/Merkle 2008: 24). Zwar wird der zentralistische Staatsaufbau aufgrund von Dezentralisierungsprozes- sen und Aufgabenteilung in bestimmten Sachgebieten mittlerweile durchbrochen, allerdings haben hierar- Im Zuge der Globalisierung und weltweiten Vernetzung chische Strukturen und Parteikader nach wie vor gro- entstanden immer mehr Verbindungen zu Kommunen ßen Einfluss auf die Kommunalebene. auch in weit entlegenen Ländern und Kontinenten. In Partnerschaften zu Städten in Entwicklungsländern Nach Angaben einer Studie über deutsch-chinesische standen sowohl der Entwicklungs- als auch der Solida- Kommunalbeziehungen von 2008 gibt es deutschland- ritätsgedanke im Vordergrund. Beispiele hierfür sind weit 68 Städte, 19 Landkreise und eine Gemeinde mit die Partnerschaften im Rahmen der Nicaragua-Solida- Kommunalbeziehungen nach China (vgl. Held/Merkle rität6 oder der West-Papua-Partnerschaftsarbeit7, aber 2008: 19, vgl. auch Tabelle 2). Intensität und Qualität auch die zahlreichen kommunalen Beziehungen, die der Partnerschaften können dabei sehr unterschiedlich im Rahmen der Ruanda-Partnerschaft des Landes RLP ausfallen. So unterscheidet der Rat der Gemeinden und entstanden.8 Kennzeichnend für diese Partnerschaften Regionen Europas in seiner Datenbank zu Kooperati- und Freundschaften waren und sind eine intensive zi- onen von deutschen mit internationalen Gemeinden vilgesellschaftliche Beteiligung. zwischen „Partnerschaften“, die auf einem Partner- Verbindungen deutscher Kommunen Tabelle 3: nach China bestehen seit den frühen China-Partnerschaften bayerischer Kommunen 1980er Jahren. Infolge der außen- und wirtschaftspolitischen Öffnung Chinas Gemeindename Partnergemeinde Provinz Jahr Art nahm deren Zahl zunächst zu, stagnierte jedoch nach 1989, dem Jahr der Nieder- Ansbach Jingjiang Provinz Jiangsu 2004 k schlagung der Demokratiebewegung Augsburg Jinan Provinz Shandong 2004 p auf dem Tian‘anmen-Platz. Seit 1992 Bamberg Qufu Provinz Shandong 2010 p steigt sie immer weiter an (vgl. Held/ Erlangen Shenzhen Provinz Guangdong 1997 p Merkle 2008: 45). Da China heute ein Feuchtwangen weltweit gewichtiger politischer und Jingjiang Provinz Jiangsu 2004 k Freising (Kreis) wirtschaftlicher Akteur ist, ist es auch (Freising, Stadt) Weifang Provinz Shandong 2000 p Freising Welfang Provinz Shandong 1987 p Nürnberg Shenzhen Provinz Guangdong 1997 p Passau Liuzhou Autonomes Gebiet Guangxi 2001 p Regensburg Qingdao Provinz Shandong 2006 k Regensburg Qingdao Provinz Shandong 2009 p Rieneck Wuxian-Suzhou Provinz Jiangsu 1999 p Rothenburg Jingjiang Provinz Jiangsu 2004 k ob der Tauber (p=Partnerschaft, f=Freundschaft, k=Kontakt) Quelle: www.rgre.de; www.bayern-shandong.com.cn. Herausforderungen für deutsch-chinesische Partnerschaften 15
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? Tabelle 4: China-Partnerschaften nordrhein-westfälischer Kommunen Gemeindename Partnergemeinde Provinz Jahr Art funktion der Politik angewiesen (vgl. Held/Merkle 2008: 26). Aachen Ningbo Provinz Zhejiang 1986 P Bocholt Wuxi Provinz Jiangsu 1985 f Es entsteht der Eindruck, dass deutsch-chinesische Bochum Xuzhou Provinz Jiangsu 1994 p Kommunalpartnerschaften primär auf wirtschaft- Bonn Chengdu Provinz Sichuan 2000 P lichen Nutzen ausgerichtet sind. Held und Merkle Dortmund Xi`an Provinz Shaanxi 1991 p sprechen in diesem Zusammenhang von „komple- Duisburg Qingdao Provinz Shandong 2008 f mentären Egoismen“ (Held/Merkle 2008: 52). Der Duisburg Wuhan Provinz Hubei 1982 p Verweis allerdings, dass Wirtschafts- und Kultur- Düren Jinhua Provinz Zhejiang 2002 P austausch als zwei Seiten derselben Medaille ange- Düsseldorf Guangzhou Provinz Guangdong 2006 f sehen werden, hat den etwas faden Beigeschmack, Düsseldorf Shenyang Provinz Liaoning 1984 f dass kulturelle Aspekte für Wirtschaftsinteressen Düsseldorf Chongqing bis 1997 Provinz Sichuan, 2004 p funktionalisiert werden bzw. sich diesen unterzu- seitdem regierungs- ordnen haben. Folgerichtig bleiben heikle Themen unmittelbar wie etwa Sozialstandards, Rechtsstaatlichkeit und Gladbeck Fushun Provinz Liaoning 1988 p Pressefreiheit zumeist ausgespart. Hagen Yenchang Provinz Shanxi 2005 k Hagen Haining Provinz Zhejiang 2005 K Die Wahl der jeweiligen Partnerstadt wird durch be- Köln Peking 1987 p stehende Partnerschaften auf Länder-Provinzebene Leverkusen Wuxi Provinz Jiangsu 2005 f beeinflusst: Sechs der elf bayerischen Städtepartner- Marl Changzhi Provinz Shanxi 1993 k schaften, neun der 22 nordrhein-westfälischen und Ratingen Huishan Provinz Jiangsu 2007 p zwei der vier rheinland-pfälzischen Städtepartner- Rhein-Kreis Neuss Wuxi Provinz Jiangsu 2000 f schaften bestehen zu Städten in den jeweiligen Part- Siegen-Wittgen- nerprovinzen. Im Unterschied zu den für diese Bro- stein (Kreis) De Yang Provinz Sichuan 2000 p schüre ausgewählten Partnerschaften von Bayern, (Siegen, Stadt) Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind die Sprockhövel Zaozhuang Provinz Shandong 1987 f drei Städtepartnerschaften, die hier betrachtet wer- Troisdorf Nantong Provinz Jiangsu 2004 p den sollen, noch relativ jung: Bonn unterhält seit (p=Partnerschaft, f=Freundschaft, k=Kontakt) dem Jahr 2000 im Rahmen der NRW-Partnerschaft zu Sichuan eine Partnerschaft zur Stadt Chengdu, Quelle: www.rgre.de. der Hauptstadt der Provinz Sichuan (vgl. Kapitel 1.2.3, S. 20), Regensburg schloss nach mehrjährigen freundschaftlichen Kontakten im Jahr 2009 eine schaftsvertrag beruhen, „Freundschaften“, die zeitlich Partnerschaft mit der in der Provinz Shandong gelege- begrenzt sind oder sich auf bestimmte Projekte kon- nen Küstenstadt Qingdao (vgl. Kapitel 1.2.2, S. 19) und zentrieren, und „Kontakten“ als mehr oder weniger Trier unterzeichnete Ende 2010, ebenfalls nach einem formlosen Verbindungen (www.rgre.de). Unter den mehrjährigen Vorlauf, eine Partnerschaftsvereinba- deutschen Partnerkommunen befinden sich viele Lan- rung mit der Metropole Xiamen in der Provinz Fujian deshauptstädte und Stadtstaaten, außerdem mehrere (vgl. Kapitel 1.2.1, S. 17). Hafenstädte, Schwerindustrie- und Chemiestandorte sowie touristisch Tabelle 5: attraktive Regionen. Es erscheint China-Partnerschaften rheinland-pfälzischer Kommunen klar, dass diese Städteprofile auf beidseitige wirtschaftspolitische Gemeindename Partnergemeinde Provinz Jahr Art Partnerschaftsinteressen zurück- zuführen sind. Held und Merkle Kaiserslautern Peking 2004 f zufolge stehen dabei Bemühungen Kaiserslautern Chaoyang/Peking 2005 k um Handelspartner für den „expan- Neustadt an der Weinstraße Quanzhou Provinz Fujian 1995 p sionsfähigen Mittelstand“ sowie Trier Xiamen Provinz Fujian 2010 p um chinesische InvestorInnen und (p=Partnerschaft, f=Freundschaft, k=Kontakt) TouristInnen im Vordergrund. Mul- tinationale Unternehmen sind hin- Quelle: www.rgre.de. gegen nicht auf die Vermittlungs- 16 China in Bewegung
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? Kasten 2: Xiamen und Trier im Vergleich Xiamen Trier Gründungsjahr 1387 (seit 282 v. Chr. 17 v. Chr. Teil von Tong‘an County) EinwohnerInnen 2,50 Mio. (1,802,100 Mio. registrierte 104.587 BewohnerInnen, ca. 700.000 WanderarbeiterInnen, die mehr als ein halbes Jahr in Xiamen leben) Fläche Gesamt 1565 km² 117,13 km² EinwohnerInnen pro km² 1602 (Gesamtfläche) 892 9371 (Xiamen Insel) Bevölkerungsentwicklung 2002–2007 + 4,26 % +3,6 % Arbeitslose 4,01 % 2.910 bzw. 5,5 % (Dezember 2010) Wirtschaftsstruktur: Primär 1,1 % 0,6 % Sekundär 50 % 21,6 % Tertiär 48,9 % 77,8 % Lebenserwartung 78,9 Jahre Frauen: 82,4 Jahre Männer: 75,6 Jahre Partnerschaften Cardiff (GB); Sasebo (Japan), Cebu Ascoli Piceno (Italien); Metz (Frankreich); (Philippinen), Baltimore (USA); Pula (Kroatien); Hertogenbosch (NL); Wellington (Neuseeland); Gloucester (GB); Fort Worth (USA); Weimar; Penang (Malaysia); Trier Nagaoka (Japan); Xiamen Quellen: Trier: http://cms.trier.de/stadt-trier/Integrale?MODULE=Frontend&ACTION=ViewPageView&Filter.EvaluationMode=standard &PageView.PK=15&Document.PK=28538; http://www.meinestadt.de/trier/statistik; Xiamen: http://de.wikipedia.org/wiki/Xiamen; http://english.xm.gov.cn/xiamenoverview/population/; http://www.hktdc.com/ info/mi/a/mpcn/en/1X073N7W/1/Profiles-of-China-Provinces--Cities-and-Industrial-Parks/Xiamen---Fujian---City-Information.htm. 1.2.1 Trier – Xiamen: eine eigene Geschäftsstelle in Xiamen und entwickel- Der Karl-Marx-Bonus te das sog. „Trierer Modell“, das Mittelständlern den Markteintritt in China erleichtern sollte. Als Geburtsstadt von Karl Marx gehört Trier zu den in China bekanntesten deutschen Städten. Ungefähr Auf eine Delegationsreise im November 2004, organi- 12.500 chinesische TouristInnen reisen jährlich als siert durch das CKF Trier, mit Teilnehmenden der Stadt Gruppenreisende nach Trier, um dort das Karl-Marx- Trier (Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch), mit- Haus zu besuchen.9 Eine Partnerschaft mit einer chi- telständischen Unternehmern (Heinzkill Maschinen- nesischen Stadt einzugehen, lag für die Stadt Trier von technik, Henning Orth Automobile GmbH und Co.KG daher nahe. u.a.) und unterstützt durch den Trierer Bundestagsab- geordneten Bernhard Kaster, erfolgten wechselseitige Eingebettet in die Rheinland-Pfalz-Partnerschaft zu Fu- Einladungen zu Besuchen.10 Bereits im Frühjahr 2005 jian scheint eine zentrale Wurzel der 2010 unterzeich- fand ein Gegenbesuch auf wissenschaftlicher Ebene neten Partnerschaft Triers mit der Millionenmetropole statt, 2006 unterzeichneten dann beide Städte eine Xiamen in dem 2004 gegründeten China Kooperati- gemeinsame Absichtserklärung zur Aufnahme part- onsforum Trier e.V. (CKF Trier) zu liegen. Das CKF Trier nerschaftlicher Beziehungen und 2010 schließlich die wurde als „Zusammenschluss von Unternehmern, Wis- Partnerschaftsurkunde. senschaftlern und Personen des öffentlichen Lebens“ aus der Region Trier, dem Saarland, Luxemburg, Bel- gien, Lothringen und Xiamen gegründet. Es unterhält Herausforderungen für deutsch-chinesische Partnerschaften 17
▸ 1. China-Partnerschaften in Deutschland: mehr als Türöffner für Unternehmen? Zwischen den ersten Kontakten zu Xiamen im Jahr 2004 und dem Jahr 2010, in dem die Partnerschaft unterzeichnet wurde, erfolgte in Trier ein Wechsel im Amt des Oberbürgermeisters, das seit September 2006 von Klaus Jensen, SPD, ausgeübt wird. Anfang 2008 initiierten zivilgesellschaftliche Organisationen aus Trier (Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier, Katholische Arbeitnehmerbewegung Trier und Terre des Femmes) ein Bündnis, das sich für soziale und politische Men- schenrechte einsetzt, um angesichts politischer Unter- drückung in China und der Abschiebung chinesischer AsylbewerberInnen in Trier die Anbahnung partner- schaftlicher Beziehungen zu kritisieren. In Gesprächen zwischen dem Bündnis und der Stadt änderte das Bünd- nis zwar seine Ablehnung der Partnerschaft in eine Hal- tung der ‚kritischen Begleitung‘. Allerdings besteht in dem Bündnis die Kritik an einer Vernachlässigung von Fragen sozialer und politischer Menschenrechte in der Partnerschaft fort. In die Partnerschaftsaktivitäten sind verschiedene Ak- teure eingebunden:11 Zwei Trierer Gymnasien unterrichten in Arbeitsge- meinschaften Chinesisch – teils vom Konfuzius-In- stitut Trier unterstützt. Für 2012 ist ein erster Schü- leraustausch mit Unterstützung der Stadt und eines Jugendzentrums geplant. Die jeweiligen Stadtverwaltungen können durch ei- Stationen der Partnerschaft nen Austausch einen Einblick in unterschiedliche Fachbereiche der jeweiligen Partnerkommune er- 2004 Gründung des China-Kooperationsforums halten; für 2012 ist ein erster Aufenthalt eines Gastes Trier e.V. zwecks Aufbau und Pflege „wirt- aus Xiamen für zwei Monate zum Themenfeld „Um- schaftlicher und wissenschaftlicher Bezie- welt“ angedacht. hungen“ zwischen Deutschland und China; Das Theater Trier unterhält eine Kooperation mit im November 2004 Delegationsreise nach dem Theater Xiamen. Xiamen Die Deutsch-Chinesische Gesellschaft Trier entwi- 2005 erste Kontakte zwischen dem Fachbereich Si- ckelt Pläne für einen ersten Erwachsenenaustausch nologie der Universität Trier und der Univer- im Jahr 2012 und organisiert regelmäßig Informati- sität Xiamen onsveranstaltungen zu China, zum Teil in Kooperati- 2006 Absichtserklärung zur Aufnahme partner- on mit der Universität Trier. schaftlicher Beziehungen anlässlich einer In den Austausch mit Xiamen sind auch Studierende Trierer Delegation aus Mitgliedern der Stadt, einbezogen. So studierten zwei TriererInnen ein Jahr der Universität, der Fachhochschule und der lang an der Universität Xiamen und berichteten in Wirtschaft nach Xiamen der Trierer Tageszeitung „Trierer Volksfreund“ mo- 2007 Kooperationsabkommen zwischen der Uni- natlich über ihre Erfahrungen.12 versität Trier und der Universität Xiamen 2008 Gründung eines Konfuzius-Instituts an der Bisher haben Fragen von Sozialstandards, sozialer Ent- Universität Trier wicklung und Gewerkschaften in der Partnerschaft of- 2009 Beschluss des Trierer Stadtrates zur Grün- fensichtlich keine Rolle gespielt. dung der Partnerschaft 2010 Unterzeichnung der Partnerschaftsverein- barung in Trier 18 China in Bewegung
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