Bildung 2020 Die Österreichische Volkshochschule - Gelungenes Sprachenlernen Erwachsenenbildung - Die Österreichische Volkshochschule

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Bildung 2020 Die Österreichische Volkshochschule - Gelungenes Sprachenlernen Erwachsenenbildung - Die Österreichische Volkshochschule
Die Österreichische
 Volkshochschule
 MAGAZIN FÜR ERWACHSENENBILDUNG

 61. JG. | NR. 238 | DEZEMBER 2010

Bildung 2020

Deutsch                       Gelungenes       Kritische
im Park                       Sprachenlernen   Erwachsenenbildung
Bildung 2020 Die Österreichische Volkshochschule - Gelungenes Sprachenlernen Erwachsenenbildung - Die Österreichische Volkshochschule
inhalt
                                                                     Willi Filla – Stichworte                                                  Seite 1
 Die Österreichische
 Volkshochschule                                                     Arthur Schneeberger – Bildung 2020                                        Seite 2
  MAGAZIN FÜR ERWACHSENENBILDUNG

  61. JG. | NR. 238 | DEZEMBER 2010
                                                                     Martin Klemenjak – Weiterbildung von kommunalen
                                                                     Lehrlingsausbildner/innen in Kärnten                                      Seite 9

                                                                     KEBÖ-Jahrestagung 2010                                                   Seite 11
 Bildung 2020
                                                                     Michael Sturm – KEBÖ-Tätigkeitsbericht                                   Seite 12

                                                                     Ludo-Hartmann-Preis 2011                                                 Seite 15

                                                                     Sandra Inzko – Gelungenes Fremdsprachenlernen                            Seite 16

                                                                     Daniela Holzer, Walter Schuster – Kritische Erwachsenenbildung tut Not   Seite 20

                                                                     qualitätssicherung
Deutsch                        Gelungenes       Erwachsenenbildung
im Park                        Sprachenlernen   in der Slowakei
                                                                     Elisabeth Feigl-Bogenreiter, Yasmin El-Hariri –
Eine von vielen zukünftigen Möglichkeiten der Er-                    Qualitätssicherung im Sprachunterricht                                   Seite 21
wachsenenbildung: Bildung im Park.

                                                                     aus der praxis
                                                                     Uli Zimmermann – Deutsch im Park                                         Seite 23

                                                                     Lisa Lenz – Deutsch im Park: Ein alternatives Kursangebot                Seite 24

                                                                     Abschluss SAPA-Lehrgang                                                  Seite 27

                                                                     Zum Praxistest im Englischkurs                                           Seite 27

                                                                     Radiopreis der EB an Ö1, FM4, Radio Orange und Radiofabrik               Seite 28

                                                                     AK fordert bessere Basisbildung                                          Seite 28

                                                                     Vorarlberger Volkshochschulen im Radio                                   Seite 29

                                                                     KV für private Bildungseinrichtungen verpflichtend                        Seite 29

                                                                     internationales
                                                                     Ergebnisse der DIE-Trendanalyse 2010 online verfügbar                    Seite 30

                                                                     Mehr Transparenz und Vergleichbarkeit in der EB                          Seite 30

                                                                     Alphabetisierung von Erwachsenen                                         Seite 30

                                                                     Impressum                                                                 Seite 8
                                                                     VHS-Zitate                                                               Seite 19
                                                                     Reaktionen                                                               Seite 22
                                                                     Für dieses Heft schrieben                                                Seite 23
                                                                     Personalia                                                               Seite 31
                                                                     Bücher                                                                         U3
Bildung 2020 Die Österreichische Volkshochschule - Gelungenes Sprachenlernen Erwachsenenbildung - Die Österreichische Volkshochschule
stichworte
D         ie Fachliteratur zur Erwachsenenbildung ist beinahe unübersehbar. Allerdings ist die Fra-
          ge zu stellen, ob mit ihr auch immer relevante Themen berührt werden – relevant für die
          Praxis und/oder die Wissenschaft. In einem Verlagsprospekt „Erwachsenenbildung“ sind für
2010 Neuerscheinungen angekündigt wie „Der erfolgreiche Idealist. Idealismus auf neuen Wegen“ und
„Mensch und Wald“. Dafür gibt es bereits seit Jahrzehnten keine relevante Publikation zu „Drop-outs“
in der Erwachsenenbildung, um ein relevantes Einzelthema beispielhaft für viele andere zu nennen.
Der Weiterbildungsexperte Peter Schlögl hat bei einer Tagung des VÖV unwidersprochen die Bemer-
kung gemacht, „unser Wissen von der Volkshochschule endet vor der Tür zum Kurs- und Veran-
staltungsraum“. Wie sich das Lehr- und Lerngeschehen innerhalb von Veranstaltungsräumlichkeiten
in der gesamten Erwachsenenbildung abspielt, entzieht sich weitgehend der empirischen Kenntnis.
Darüber wird kaum geforscht und publiziert.
   Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung und im Lichte mancher Wahlergebnisse ist die               Willi Filla
Frage zu stellen, wie im Kontext von Erwachsenenbildung gesellschaftlich brennende Probleme in
der Erwachsenenbildungsliteratur thematisiert werden? Ein solches Thema wäre beispielsweise – in
erwachsenenbildnerischen Sonntagsreden wird das auch immer wieder angesprochen – gesellschaft-
liche Solidarität mit all ihren Voraussetzungen. Dazu hat das Autorenteam Martin Allespach, Hilbert
Meyer, Lothar Wentzel in dem Buch „Politische Erwachsenenbildung“, Marburg 2009, ein fünfstufiges
„Kompetenzmodell für ‚Solidarisierungsfähigkeit‘ “ entworfen. Das Buch und dieses Modell ist zwar
für die gewerkschaftliche Bildungstätigkeit gedacht, ist aber prinzipiell auch für Volkshochschulen
von großem Interesse. Bedeutsam ist dieses Modell für Weiterbildungsforschung, die sich gesellschaft-
lich wichtiger Themen annimmt, und aktuelle Großdiskussionen beeinflussen möchte. Solidarität ist,
wie manches inhaltlich andere auch, in der europaweiten Kompetenzdiskussion kein nennenswertes
Thema. Dabei ist Solidarisierungsfähigkeit mit Kreativität und Selbstregulationsfähigkeit nicht nur
vereinbar, sondern sogar verknüpft.
   Mit diesem Beispiel lässt sich eine Perspektive für eine gesellschaftlich relevante Erwachsenen-
bildung im Allgemeinen und die Volkshochschule im Besonderen eröffnen. Sie wäre geeignet, den
Stellenwert von Erwachsenenbildung und Volkshochschule zu steigern und vor allem ins öffentliche
Bewusstsein zu rücken. Die Bildungsdiskussionen der letzten Monate in Österreich zeigen nämlich
deutlich, dass Erwachsenenbildung dazu nicht Stellung nimmt, so als ob allein Schule und Universität
– und neuerdings endlich auch Vorschulerziehung – bedeutsam sind.
   Für die nähere und weitere Zukunft sollte es überdies darum gehen, dass die Erwachsenenbildung
selbst mehr Weiterbildungsforschung leistet und anregt, um auf diese Weise der Schule und Uni-
versität das Monopol auf Bildungsforschung streitig zu machen und sich selbst am Forschungssektor
nachhaltig zu positionieren. Nur wenn es gelingt, selbst forschungsbasiert zu agieren, wird es auch
gelingen, mit den anderen Sektoren „auf Augenhöhe“ zu kooperieren, die Eigenständigkeit von Er-
wachsenenbildung zu betonen und auf dieser Basis die anderen Sektoren substanziell zu beeinflussen.
Die Erwachsenenbildung ist im Hinblick auf die Zahl der Teilnahmen der größte Bildungssektor und
die Volkshochschule ist die größte Erwachsenenbildungseinrichtung. Schon von daher ist besonders
die Volkshochschule aufgerufen, ihren Einfluss umfassend geltend zu machen.

   In dieser Ausgabe der ÖVH steht ein empirisch fundierter Beitrag des Bildungsforschers Arthur
Schneeberger zu „Bildung 2020“ im Mittelpunkt. Er wird ergänzt und gleichsam präzisiert durch Bei-
träge zur Qualitätsdiskussion im Sprachenunterricht und neuen Angebotsformen wie „Bildung im
Park“. Informiert wird überdies über die ausgezeichneten Produktionen und die Preisträger/innen beim
13. Radiopreis der Erwachsenenbildung, der am 27. Jänner 2011 im Radiokulturhaus in sechs Sparten
überreicht wird. Eine Nachlese der KEBÖ-Jahrestagung sowie ein Beitrag zum Spezialthema „Weiter-
bildung von kommunalen Lehrlingsausbildner/innen“ ergänzen diese Ausgabe der ÖVH.

                                                                                        04-2010 | nr. 238   Die Österreichische Volkshochschule   1
Bildung 2020 Die Österreichische Volkshochschule - Gelungenes Sprachenlernen Erwachsenenbildung - Die Österreichische Volkshochschule
bildungsthe m e n

       Bildung 2020
       EU-Benchmarks und reale
       Trends als Herausforderungen
                                           Im Rahmen der jährlichen Enquete der Arbeitsgemeinschaft Vorarlberger
                                           Erwachsenenbildung hielt der Bildungssoziologe Arthur Schneeberger am
                                           23. September 2010 in Bregenz einen viel beachteten Vortrag zur Entwicklung
                                           des Bildungssystems, den er der ÖVH zur Veröffentlichung zur Verfügung stellte.

       Arthur Schneeberger

       Thema                                           Die aktuellen europäischen „Strukturin-         gem Lernen und Mobilität“ (Kernlegitima-
                                                       dikatoren“ belegen1 die Leistungsfähigkeit      tion der Europäischen Union im Bildungs-

       B         ildungspolitik war traditionell
                 Domäne der Nationalstaaten. Bil-
                 dungspolitik wird heute durch sup-
       ranationale Organisationen (UNESCO,
       OECD, EU) als Hebel für Ziele der Wirt-
                                                       unseres Bildungssystems anhand volks-
                                                       wirtschaftlicher Outcomes (hohes BIP pro
                                                       Kopf, geringe Arbeitslosigkeit, hohe Be-
                                                       schäftigungsquote und relativ geringe Ar-
                                                       mutsgefährdungsquote), zeigen aber auch
                                                                                                       bereich). Für den Zeitraum 2010 bis 2020
                                                                                                       wurden die abgeleiteten strategischen Ziele
                                                                                                       mit statistisch ermittelten Benchmarks
                                                                                                       versehen, um die Zielerreichung in den
                                                                                                       Mitgliedsländern „auf europäischer Ebene
       schafts- und Gesellschaftspolitik sowie der     Probleme auf, wie etwa den Fokus auf frühe      zu messen und das Erreichte aufzuzeigen“
       Integrationspolitik angesichts weltweiter       Qualifi zierung und die – international völ-     (Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Mai
       Migrationen angetrieben. Bildungspolitik        lig unübliche – Einschränkung des tertiären     2009, C 119/3).
       ist daher heute von Argumenten durch-           Bildungssystem auf die Universitäten oder          Die EU-Benchmarks für den Zeitraum
       setzt, die ihre Grundlage in internationalen    akademische Bildung. Hierdurch kommt            2010 bis 2020 bilden jedenfalls eine her-
       Vergleichen haben. Verwiesen sei nur auf        es beispielsweise zu einer Unterschätzung       vorragende Gelegenheit dazu, das österrei-
       die Diskussionen über Akademikerquoten          des technisch-naturwissenschafltichen Hu-        chische Bildungssystem im internationalen
       oder über Grundkompetenzen im Sinne von         mankapitals der Wirtschaft.                     Kontext zu untersuchen und den Verände-
       PISA. Rankings bestimmen die öffentliche            Europa soll sich durch eine wissenschaft-   rungsbedarf aufzuzeigen.
       Bildungsdiskussion. Realer Hintergrund die-     lich fundierte „Strategie zum lebenslan-
       ser Entwicklungen ist die Internationalisie-    gen Lernen (LLL-Strategie)“ im globalen         Globale Trends als Auslöser
       rung der Wirtschaft und der Gesellschaft.       Wettbewerb behaupten. Die Europäische
           Mit der bildungspolitischen Leitfunktion    Union respektive ihre Thinktanks haben
                                                                                                       der LLL-Strategie
       supranationaler Zusammenschlüsse sind sup-      die einschlägigen Ideen und Empfehlungen           Die Internationalisierung der Wirt-
       ranationale Erhebungen und Publikationen        im Kontext der Lissabon-Strategie (2000         schaft, die Computerdurchdringung des
       (zum Beispiel PISA, Akademikerquotenver-        und Neustart 2005) entwickelt, in dem es        beruflichen und außerberuflichen Handelns
       gleiche) verbunden, in deren Auswertung         bekanntlich darum gehen soll, den euro-         sowie die wachsende Beschäftigung im
       und mediale Verbreitung erhebliche Mittel       päischen Staatenbund zum wettbewerbsfä-         Dienstleistungssektor sind jene Trends, die
       und Arbeitskraft investiert werden. Die Emi-    higsten und dynamischsten wissensbasierten      Anpassungen im Bildungssystem erfordern.
       nenz der Ergebnisse im öffentlichen Diskurs     Wirtschaftsraum der Welt zum machen und         Die Industrie wird immer produktiver und
       von Bildungs- und Bildungsreformfragen          dabei mehr Arbeitsplätze und größeren sozi-     global arbeitsteiliger, daher können immer
       ist auch in Österreich offensichtlich. Leider   alen Zusammenhalt zu schaffen. Die globale      mehr Menschen im Dienstleistungssektor
       gehört die unkritische Ableitung von „Ka-       Ausrichtung und weitreichende Hoffnungen        erwerbstätig werden.
       tastrophenmeldungen“ zum österreichischen       der Bildungspolitik sind dabei evident.            Internationalisierung der Bildung bedeutet
       Bildungssystem aus dem internationalen              In Ermangelung einer direkten Zustän-       immer zumindest zweierlei: Förderung der Fä-
       Vergleich zum Standardrepertoire medialer       digkeit für Bildungspolitik setzt die „euro-    higkeit im interkulturellen Handeln kompe-
       Berichterstattung. Wir brauchen eine kri-       päische Zusammenarbeit“ – als „offene           tent zu agieren (Sprachkenntnisse, Beachtung
       tische und zukunftsorientierte Auseinander-     Koordinierungsmethode“ – bezüglich der          kultureller Unterschiede), und Abschlüsse des
       setzung mit den internationalen Befunden.       allgemeinen und beruflichen Bildung an ge-       Bildungssystems (Zeugnisse und Diplome), die
       Das heißt, dass eine rückwärtsgewandte,         meinsam formulierten Zielen an. Diese Ziele     international verstanden werden (können).
       affirmative Einstellung zur Internationali-     werden sehr breit und umfassend defi niert       Probleme des Vergleichs und der Einstufung
       sierung ebenso wenig wie die üblichen Ka-       und betreffen die Förderung                     nationalstaatlicher Qualifikationsnachweise
       tastrophenmeldungen angebracht sind. Um         – von individueller Entwicklung,                bilden daher ein anhaltendes Problem der In-
       gut zu bleiben, müssen wir internationale       – von wirtschaftlichem Wohlstand und            ternationalisierung der Bildung.
       Gegebenheiten beachten und daraus die           – sozialem Zusammenhalt                            Internationalisierung ist keine Einbahn-
       richtigen Schlussfolgerungen ziehen.            durch die „Verwirklichung von lebenslan-        straße, sondern ein komplexes Phänomen.

2   Die Österreichische Volkshochschule   nr. 238 | 04-2010
Bildung 2020 Die Österreichische Volkshochschule - Gelungenes Sprachenlernen Erwachsenenbildung - Die Österreichische Volkshochschule
bildungsthe me n

                                                                                  so werden Kommuni-            grundlegend sind. Das hierbei entwickelte
                                                                                  kations- und Team-            Konzept der Schlüsselqualifikationen kann
                                                                                  f ä h i g keit , S p r ach-   als neues Konzept der Allgemeinbildung
                                                                                  ken nt n i s s e, s ol ide    verstanden werden:
                                                                                  Pflichtschulkenntnisse            „Kompetenzen sind hier definiert als eine
                                                                                  oder elementare Com-          Kombination aus Wissen, Fähigkeiten und
                                                                                  puterkompetenzen vo-          Einstellungen, die an das jeweilige Umfeld
                                                                                  rausgesetzt. Obgleich es      angepasst sind. Schlüsselkompetenzen sind
                                                                                  Jobs für Personen ohne        diejenigen Kompetenzen, die alle Menschen
                                                                                  Berufsausbildung gibt,        für ihre persönliche Entfaltung, soziale In-
                                                                                  bleiben diese mit Ab-         tegration, Bürgersinn und Beschäftigung
                                                                                  stand häufiger arbeits-        benötigen. (…)
                                                                                  los als Personen mit             Die Schlüsselkompetenzen werden alle
                                                                                  Abschluss einer dualen        als gleich bedeutend betrachtet, da jede von
Wolfgang Türtscher, Stefan Fischnaller, LRin Andrea Kaufmann, Arthur oder schulischen Aus-                      ihnen zu einem erfolgreichen Leben in einer
Schneeberger, Rainer Gögele (v. l. n. r.) beim Treffen der Arbeitsgemeinschaft bildung (vgl. Statistik          Wissensgesellschaft beitragen kann. Viele
Vorarlberger Erwachsenenbildung.                              Foto: Schweinberger Austria 2010, S. 53). Es      der Kompetenzen überschneiden sich be-
                                                                                  fehlt in der Regel nicht      ziehungsweise greifen ineinander: wichtige
Sie umfasst nicht nur ausländische Unter-               nur am Ausbildungsabschluss, sondern an so-             Aspekte in einem Bereich unterstützen die
nehmen in Österreich, die hohe Beschäf-                 liden Pflichtschulkenntnissen. Die Sicherung             Kompetenzen in einem anderen Bereich.
tigungsrelevanz haben (19 Prozent der                   der Grundkompetenzen in der Pflichtschule                Kompetenzen in den wichtigsten Grundfer-
un selbst ständig Beschäftigten im Produk-              hat für die arbeitsmarktbezogene und sozio-             tigkeiten – Sprechen, Lesen und Schreiben,
tions- und Dienstleistungssektor), und ös-              kulturelle Integration höchste Priorität.               Rechnen und Informations- und Kommu-
terreichische Unternehmen im Ausland, 2                     Ein Aspekt der Internationalisierung sind           nikationstechnologie (IKT) – sind eine
sondern ebenso österreichische Erwerbs-                 die weltweiten Wanderungsbewegungen.                    wichtige Grundlage für das Lernen, und die
personen, die ins Ausland gehen, sowie                  Globale Wanderungsbewegungen und kul-                   Lernkompetenz fördert alle Lernaktivitäten.
ausländische Erwerbspersonen, die sich am               turelle Vielfalt in den Lebensverhältnissen             Eine Reihe von Begriffen taucht immer wie-
Arbeitsmarkt bewerben. In all diesen Fällen             erfordern solide Grundbildung für alle, um              der im Referenzrahmen auf: kritisches Den-
geht es um interkulturelle Handlungskom-                gesellschaftliche Ausgrenzung zu bekämp-                ken, Kreativität, Initiative, Problemlösung,
petenz und adäquate Bewertung von Quali-                fen. In Österreich weisen – laut Mikrozen-              Risikobewertung, Entscheidungsfindung
fikationsnachweisen.                                     sus-Arbeitskräfteerhebung 2009 – knapp 18               und konstruktiver Umgang mit Gefühlen
   Die Unternehmen sind fast durchgängig                Prozent der rund 8,26 Millionen Einwohner               spielen für alle acht Schlüsselkompetenzen
informatisiert.3 Computer- und Internetnut-             Migrationshintergrund der ersten oder zwei-             eine Rolle.“ (ABL, 2006, S. 13 f.)
zung in der alltäglichen und/oder beruflichen            ten Zuwanderergeneration auf; in Vorarl-                   Acht Schlüsselkompetenzen werden in
Praxis ist bei drei Viertel der Bevölkerung             berg sind es mit 21 Prozent etwas mehr und              der „Empfehlung des Europäischen Parla-
Standard, wobei eine deutliche Differenz mit            in Wien mit 36 Prozent deutlich mehr.6                  ments und des Rates vom 18. Dezember
dem Lebensalter zu konstatieren ist.4 Com-                  Die mittlere Lebenserwartung ist in                 2006 zu Schlüsselkompetenzen für lebens-
puterkompetenz für alle, um die Spaltung des            Vorarlberg bei Männern von 68,5 auf 78,3                begleitendes Lernen“ genannt (ABL, 2006):
Informationszugangs, der Lernchancen und                Jahre zwischen 1970 und 2007 gestiegen                  1. Muttersprachliche Kompetenz
der Gesellschaft zu vermeiden, ist daher nach           (Österreich gesamt: von 66,5 auf 77,3 Jahre             2. Fremdsprachliche Kompetenz
wie vor Aufgabe der Erwachsenenbildung.                 im gleichen Zeitraum); bei den Frauen be-               3. Mathematische Kompetenz und grundle-
   Rund 70 Prozent der Erwerbstätigen wa-               lief sich die Zunahme in Vorarlberg von 75,2               gende naturwissenschaftlich-technische
ren in der ersten Jahreshälfte 2010 im Dienst-          auf 83,8 Jahre (im österreichischen Durch-                 Kompetenz
leistungssektor in Österreich beschäftigt (bei          schnitt von 73,4 auf 82,9 Jahre).7 Verlänger-           4. Computerkompetenz
den Männern 58 Prozent, bei den Frauen 83               te Lebenserwartung der Bevölkerungen in                 5. Lernkompetenz
Prozent). Vor dreißig Jahren war es erst rund           den frühindustrialisierten Staaten sind ein             6. Soziale Kompetenz und Bürgerkom-
die Hälfte der Erwerbstätigen. Der Struk-               Faktum mit weitreichender Bedeutung: Ak-                   petenz
turwandel in Richtung Dienstleistungen                  tiv Altern ist auch eine Herausforderung der            7. Eigeninitiative und unternehmerische
hat das „Minimum level“ für Erwerbs- und                Erwachsenenbildung, um Lebensqualität zu                   Kompetenz
Ausbildungsfähigkeit erhöht. Hier gibt es               sichern.                                                8. Kulturbewusstsein und kulturelle Aus-
häufig Missverständnisse. Das Dienst leis-                  Mit dem Wandel in Wirtschaft und Ge-                   drucksfähigkeit
tungswachstum bedeutet keineswegs, dass                 sellschaft hängen rasche Veränderungen der                 Das klingt nach einer Maximalvariante
die Beschäftigungschancen in einfachen                  Lebensverhältnisse zusammen. Bildung „auf               eines erneuerten Konzepts humanistischer
und mittleren Berufen in Zukunft gering                 Vorrat“ oder Erstausbildung reichen nicht               Allgemeinbildung. So ist das Konzept der
wären. Auch in Zukunft werden zumindest                 mehr aus, um Skills und Orientierung dau-               Schlüsselqualifikationen aber nicht gedacht.
70 Prozent der Erwerbstätigen mittlere und              erhaft zu sichern, der Bildungsschwerpunkt              Es geht um die gestufte Entwicklung und
einfache Berufe ausüben und entsprechende               wird daher zunehmend auf Schlüsselquali-                Bewertung, also nicht um Nominalskalen,
Qualifikationen brauchen, wie die aktuelle               fikationen und laufende Erwachsenenbil-                 sondern um Intervallskalen. Darum geht
Prognose des europäischen Forschungsins-                dungsbeteiligung gelegt werden müssen.                  es bei den Benchmarks 2020 8 und bei der
tituts CEDEFOP belegt (CEDEFOP 2010,                                                                            Beobachtung von Fortschritten.
S. 92). Im Unterschied zur Vergangenheit                Schlüsselqualifikationen als
(großer Agrar- und Industriesektor mit                                                                          Benchmarks im Überblick
Hilfskräftebedarf) sind aber die einfachen
                                                        Allgemeinbildungskonzept
Berufe heute in der Regel auch nicht mehr                   Die „LLL-Strategie“ impliziert einen                   Die Benchmarks der EU für die Ent-
„ganz so einfach“.                                      hohen Stellenwert für übergreifende Quali-              wicklung der Bildungssysteme 2010 bis 2020
   Auch wenn in der Job-Deskription keine               fi kationen, die im Beruf und im Alltag für              gelten als „Europäische Durchschnittsbe-
spezialisierte Berufsausbildung gefordert wird,         die Informations- und Wissensgesellschaft               zugswerte“. Sie bilden die Messlatte, an der

                                                                                                        04-2010 | nr. 238    Die Österreichische Volkshochschule   3
bildungsthe m e n

       nationale Bildungspolitik bewertet wird. Eine               Tabelle 2: Hochschulabsolventenquote (Tertiärquote) der 30- bis 34-Jährigen in der EU,
       kritische Würdigung dieser wissenschaftlich                            2008 und Variante inklusive BHS und Diplomkrankenpflege für Österreich
       fundierten Konstrukte bewahrt vor Dogma-
                                                                    Land (Auswahl)                                       Anteil in %            ISCED 5A/B, 6+4A, 4B
       tismus und fördert das Verständnis der eu-
       ropäischen Bildungsstrategie zur Förderung                   Zypern                                                   47,1
       des lebenslangen Lernens und der Schlüssel-                  Irland                                                   46,1
       kompetenzen aller Bürger und Bürgerinnen,                    Finnland                                                 45,7
       die das Herzstück der Bildungspolitik der                    Belgien                                                  42,9
       EU ausmacht. Die fünf Benchmarks der Bil-                    Frankreich                                               41,3
       dungspolitik für den Zeitraum 2010 bis 2020                  Spanien                                                  39,8
       lassen sich – wie alle EU-Empfehlungen zum                   Vereinigtes Königreich                                   39,7
       Bildungssektor – am Modell des lebenslan-                    EU-27                                                    31,1
       gen Lernens festmachen.                                      Deutschland                                              27,7
          Drei der fünf Benchmarks beziehen sich                    Ungarn                                                   22,4
       auf die Kindheits- und Jugendphase, zwei                     Österreich                                               22,2                        36,1
       auf Erwachsenen- beziehungsweise Hoch-                       Italien                                                  19,2
       schulbildung. Letztere sind in vielen Län-                   Tschechische Republik                                    15,4
       dern stärker als in Österreich miteinander
       verzahnt. Vier der fünf Benchmarks für die                  Quelle: Eurostat – UOE; Commission 2009, S. 62; eigene Berechnungen.
       Messung der Zielerreichung bis 2020 kom-
       men ohne nähere strukturelle Bezugnahmen                    PISA-Benchmarks ungewiss: Vorlaufzeiten                   Aus- und Weiterbildung: Bis 2020 sollten
       auf Bildungssysteme oder Bildungsniveaus                    von Reformmaßnahmen und Ausmaß des                        mindestes 40 Prozent der 30- bis 34-Jäh-
       aus, der 5. Benchmark (Hochschulabsol-                      späten Familiennachzugs sind von Einfluss.                 rigen einen Hochschulabschluss10 besitzen.“
       ventenquote) nicht. Hier werden die natio-                  Ein eklatanter statistischer Rückstand                    (Amtsblatt der EU, C 119/7)
       nalen Bildungstraditionen in Ländern ohne                   ist aktuell nur beim Erwerb von Hoch-                        Aufgrund der Besonderheiten des ös-
       Bachelor-Tradition herausgefordert.                         schulabschlüssen zu verzeichnen. Dieser                   terreichischen Bildungssystems entsteht
          Die dabei formulierten fünf Benchmarks                   ist einerseits ein klassifi kationsbedingtes               ein klassifikationsbedingter Rückstand
       der Bildungspolitik für den Zeitraum 2010                   Phänomen, andererseits aber ein Beleg für                 im internationalen Vergleich, der bei ge-
       bis 2020 reichen von der Sicherung der                      die starke Segmentierung von Erwachse-                    nauerer Analyse ein Strukturproblem
       Vorschulbildung (95 Prozent Teilnahme),                     nenbildung und Hochschulbildung in Ös-                    beziehungsweise einen Modernisierungs-
       der Reduktion des Anteils der Schüler mit                   terreich.                                                 bedarf des tertiären Bildungsbereichs zum
       schlechten Leistungen bei den Grundkom-                                                                               Ausdruck bringt (vgl. Schneeberger 2010).
       petenzen, insbesondere in Lesen, Mathe-                     Vertiefung 1:                                             Wenn wir tatsächlich im Bildungsstand
       matik und Naturwissenschaften (unter 15                                                                               substanziell rückständig wären, wäre der
       Prozent) und der Vermeidung frühzeitiger
                                                                   Benchmark „Erwerb von                                     volkswirtschaftliche Erfolg Österreichs,
       Schul- und Ausbildungsabgänger (unter                       Hochschulabschlüssen“                                     zum Beispiel gemessen am BIP pro Kopf,
       10 Prozent) bis zur stärkeren Beteiligung                      Am meisten Aufmerksamkeit hat der                      an der Exportquote oder an der relativ
       Erwachsener am lebenslangen Lernen,                         Benchmark über zumindest 40 Prozent                       geringen Arbeitslosigkeit, nicht erklärbar.
       insbesondere jener mit niedrigem Ausbil-                    Hochschulabsolventen in der Bevölkerung                   Bildungsökonomische Theorien (wie die
       dungsstand (15 Prozent der 25- bis 64-Jäh-                  im Alter von Anfang 30 in Österreich ge-                  Humankapitaltheorie) wären dann falsifi-
       rigen innerhalb von vier Wochen vor der                     funden. Bei näherer Analyse zeigt dieser                  ziert. Tatsächlich handelt es sich aber um
       Erhebung) und last, but not least: Bis 2020                 Benchmark ein semantisches und ein struk-                 ein Defi nitionsproblem. So wird von den
       sollten mindestes 40 Prozent der 30- bis                    turelles Problem bezüglich der Definition des              österreichischen Abschlüssen zwar die
       34-Jährigen einen Hochschulabschluss be-                    Hochschulbegriffs. In der englisches Version              Werkmeisterschule oder die Bauhandwer-
       sitzen.9                                                    wird auch nur von „tertiären“ Abschlüssen                 kerschule als „Tertiär“ eingestuft, weil sie
          Im Überblick wird zunächst erkennbar,                    im Sinne der ISCED gesprochen.                            einen Lehrabschluss voraussetzt, nicht aber
       dass Österreich bei vier der fünf Bench-                       Benchmark 2020: „Angesichts der zu-                    die HTL-Hauptform oder die HTL für Be-
       marks in etwa im Mittelfeld oder darüber                    nehmenden Nachfrage nach Hochschulab-                     rufstätige. Auch die im Ingenieurtitel ent-
       (lebenslanges Lernen Erwachsener) liegt.                    schlüssen und unter Berücksichtigung der                  haltene Qualifikation wird, da sie von Ös-
       Die Zielerreichung ist vor allem bei den                    gleichwertigen Bedeutung der beruflichen                  terreich nicht als Bildungsgrad dargestellt
                                                                                                                             wird, nicht berücksichtigt.
       Tabelle 1: Fünf Benchmarks im Überblick 2008 (gerundete Werte in Prozent)                                                Nach dem ersten Schock über diesen
                                                                                                                             Benchmark hat die österreichische Bil-
        Benchmarks                                           2020         EU 2007      Österreich     Beste Länder           dungspolitik in Brüssel reagiert und eine
        Kinder ab vier Jahren in Vorschulbildung (2007)       95             91             89            F, BE, I           Anmerkung eingebracht. Würden wir BHS
                                                                                                                             und Diplomkrankenpf lege, zu den „hö-
        Schüler mit schlechten Grundkompetenzen                                                                              heren“ Qualifikationen zählen, wäre der
        (15-Järhige) PISA 2006                                                                                               Rückstand aufgelöst (siehe Tabelle 2). Da-
           Schlechte Lesekompetenz
bildungsthe me n

Übersicht 1: Österreichische Hochschultradition und internationale Levelstruktur                                       Benchmark erreichbar sein: 2009 wurde ein
             tertiärer Bildung                                                                                         LLL-Strukturindikator von 13,8 Prozent für
                                                                                                                       Österreich ausgewiesen.
 ISCED-97-              EQF-European                    Österreichische              Neuerungen durch
                                                                                                                          In allen Ländern gibt es einen Rückgang
 Einstufung       Qualifications Framework             Hochschultradition          den Bologna-Prozess**
                                                                                                                       der Bildungsbeteiligung ab dem 50. Lebens-
       6                         8                          Doktorat                         PhD                       jahr. Auffällig ist, dass dieser Rückgang
      5A                         7                      Diplom (UNI, FH)*                Master degree                 in Österreich relativer stärker als im EU-
      5A                         6                           Bachelor                   Bachelor degree                Durchschnitt ist und deutlich stärker als in
      5B                         5                     Kolleg; Werkmeister,             Short cycle***                 den Ländern mit der höchster Bildungsbetei-
                                                       Bauhandwerker usw.                                              ligung insgesamt. Die Hintergründe dieses
       4                         4                                                                                     Umstandes sind vielfältig, nicht zuletzt
       3                         3                                                                                     spielt hier die relativ geringe Erwerbsbeteili-
       2                         3                                                                                     gung bei den über 55-Jährigen in Österreich
       1                         1                                                                                     eine Rolle. Längere Erwerbsbeteiligung ist
* Fachhochschuldiplom seit 1994
                                                                                                                       jedenfalls mit längerer Bildungsbeteiligung
** Unterzeichnung der Bologna-Erklärung 1999                                                                           und mehr flexibler und teilzeitlicher Arbeit
*** In Österreich verdrängter Aspekt des Bologna-Prozesses                                                             im späten Erwerbsalter verbunden.
ISCED = International Standard Classification of Education                                                                Es gibt auch publizierte Daten, welche
Quelle: Eigene Darstellung                                                                                             die Bildungsbeteiligung nach Bundeslän-
                                                                                                                       dern aufzeigen. Vorarlberg liegt dabei nach
im Sinne einer international kompatiblen                     vor der Erhebung am lebenslangen Lernen                   der Universitäts- und Hauptstadt Wien
Struktur.                                                    teilnehmen11“. (Amtsblatt der Europäischen                (17,7 Prozent) mit 14,3 Prozent schon
   Der Problematik unterschiedlicher ver-                    Union, 28. Mai 2009, C 119/7)                             ziemlich nahe am Benchmark für 2020,
tikaler Qualifikationssysteme soll durch                        Der Bezugswert von 15 Prozent Bildungs-                die Frauen haben ihn bereits erreicht.
einen übergreifenden gemeinsamen Be-                         beteiligung der Bevölkerung im Haupter-                   Der Vorsprung Wiens beim Strukturindi-
zugsrahmen begegnet werden. Eingebettet                      werbsalter innerhalb von vier Wochen vor                  kator „Lebenslanges Lernen“ beruht auf
werden sollen die „nationalen Strategien für                 der Befragung würde für Europa insgesamt                  dem formalen Lernen (Hochschule usw.),
lebenslanges Lernen und Mobilität“ daher                     einen Zuwachs von 5,5 Prozentpunkten ge-                  da beim Kursbesuch insgesamt von Statis-
in die Empfehlung für einen „Europäischen                    genüber 2008 bedeuten, das wäre eine Erhö-                tik Austria kein höherer Wert für Wien
Qualifi kationsrahmen“ (EQR): Dieser soll                     hung um mehr als die Hälfte des Wertes von                als für Vorarlberg ermittelt wurde (siehe
„alle nationalen Qualifi kationssysteme bis                   2008 (9,5 Prozent). Für Österreich sollte der             Tabelle 4).
2010 mit dem EQR verbinden und einen
an Lernergebnissen orientierten Ansatz                       Tabelle 3: Strukturindikator: Beteiligung am lebenslangen Lernen
für Standards und Qualifikationen, Bewer-                                nach Altersgruppen, 2008, in %
tungs- und Validierungsverfahren, Übertra-
gung von Studienleistungen, Lehrpläne und                                                                      Strukturindikator lebenslanges Lernen
Qualitätssicherung förden“ (Amtsblatt der                    Land (Auswahl)                        25 bis 64         25 bis 49        50 bis 64      Über 50-J.
EU, C 119/9).                                                                                       Jahre              Jahre           Jahre        zu unter 50-J.
                                                             Dänemark                                30,2              33,7             24,3               0,72
Vertiefung 2: Benchmark                                      Vereinigtes Königreich                  19,9              22,3             15,3               0,69
„Beteiligung Erwachsener                                     Österreich                              13,2              16,1              7,1               0,44
                                                             EU-Durchschnitt                          9,5              11,6              5,7               0,49
am lebenslangen Lernen“                                      Deutschland                              7,9              10,0              3,9               0,39
   Im Hinblick auf die Beteiligung Erwach-                   Italien                                  6,3               8,0              2,9               0,36
sener im Haupterwerbsalter hat die Euro-                     Ungarn                                   3,1               4,6              0,5               0,11
päische Union einen „Strukturindikator“
                                                             Quelle: Commission 2009, S. 142.
zum lebenslangen Lernen entwickelt, der
umfassender als die üblicherweise ver-
wendeten Kategorien zur Beteiligung an
                                                             Tabelle 4: Strukturindikator „Lebenslangen Lernen“* in % nach Bundesland,
Weiterbildung ist. Der Strukturindikator                                Jahresdurchschnitt 2009
umfasst alle organisierten Bildungsaktivi-
täten von Hochschulstudien bis zu Kursen                                           Strukturindikator „Lebenslanges Lernen“1       Anteil Kursbuch
in Erwachsenenbildungseinrichtungen oder                     Bundesland                 Gesamt      Männer     Frauen       Gesamt    Männer    Frauen
Schulungen in Firmen. In der EU-Bildungs-
                                                             Wien                           17,7            15,4        19,9           11,2         9,6        12,6
terminologie umfasst dies „formales“ und
                                                             Vorarlberg                     14,3            13,6        15,0           11,2        10,6        11,9
„non-formales“ Lernen, ohne dabei zwi-
                                                             Salzburg                       13,5            11,5        15,5           10,0         8,9        10,9
schen berufsbezogenem oder allgemeinem
                                                             Steiermark                     13,5            13,0        13,9            9,1         8,6         9,6
Lernen zu unterscheiden. Die Daten beru-
                                                             Oberösterreich                 13,2            12,9        13,5            9,9         9,6        10,3
hen auf den nationalen Arbeitskräfteerhe-
                                                             Tirol                          13,1            12,8        13,4            9,0         8,8         9,2
bungen (Mikrozensus) nach Vorgaben von
                                                             Niederösterreich               11,9            11,4        12,5            8,7         8,2         9,1
Eurostat.
                                                             Kärnten                        11,3            10,2        12,3            7,7         7,4         8,3
   Benchmark 2020: „Im Hinblick auf eine
                                                             Burgenland                     10,3             9,6        11,0            7,5         7,2         7,7
stärkere Beteiligung von Erwachsenen, ins-
                                                             Österreich                     13,8            12,8        14,7            9,6         8,9        10,2
besondere jener mit niedrigem Ausbildungs-
stand, am lebenslangen Lernen: Bis 2020                      * Anteil der an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmenden Bevölkerung (exklusive Personen, die
sollten durchschnittlich 15 Prozent der 25-                    auf Grund von Ferien den Schul-/Hochschulbesuch unterbrechen) im Alter von 25 bis 64 Jahren.
bis 64-Jährigen innerhalb von 4 Wochen                       Quelle: Statistik Austria: Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung (Durchschnitt aller Wochen eines Jahres).

                                                                                                               04-2010 | nr. 238     Die Österreichische Volkshochschule   5
bildungsthe m e n

       Förderung der Erwachsenen-                                  Tabelle 6: Teilnahme an nicht-formalen Bildungsaktivitäten in 2006/2007 nach Gründen;
                                                                              Teilnehmende nach Altersgruppen im Haupterwerbsalter, in %
       bildungsbeteiligung
                                                                   Ausgewählte Gründe                       25–34         35–44        45–54        55–64          Gesamt*
          Bildungsteilnahme möglichst ein Leben                    für die Kursteilnahme                   434.100       645.700      502.800      232.300        1,815.000*
       lang ist ein Schlüssel für die bessere Bewäl-               (Mehrfachangaben waren möglich)
       tigung berufl icher und privater Lebensauf-
       gaben. Sie bringt nicht nur ökonomische,                    Um den Beruf besser ausüben zu
       sondern auch soziale und persönliche Vor-                   können bzw. um Karriereaussichten
       teile – bis hin zu mehr Bürgerbeteiligung                   zu verbessern                                71,1       71,0          69,9         42,7           67,1
       und höherem Wohlbefinden.                                    Bessere Möglichkeiten, einen Arbeits-
          Der Adult Education Survey (AES) von                     platz zu finden oder einen Berufs-
       2007 bietet eine Fülle empirischer Daten                    wechsel vorzunehmen                          24,6       18,2          10,8          (6,4)         16,2
       zu Fragen der Erwachsenenbildungsbe-                        Erlangung von im Alltag nützlichem
       teiligung. Seine Ergebnisse stellen eine                    Wissen und Fertigkeiten                      56,4       59,6          57,1         51,6           57,1
       gute Gelegenheit dar, Ansatzpunkte für                      Erweiterung von Wissen und Fertig-
       die Erhöhung der Beteiligung an Erwach-                     keiten über einen interessanten
       senenbildung herauszuarbeiten und zur                       Gegenstand                                 58,1         56,2         57,3          59,2           57,4
       Diskussion zu stellen. Die Erhebung bezog                   Verpflichtung zur Teilnahme                20,8         23,1         28,0          21,5           23,7
       sich auf Aktivitäten zwölf Monate vor der                   Um ein Zeugnis zu bekommen                 15,8          9,3          9,7           7,2           10,7
       Erhebung (in Unterschied zum Strukturin-                    Um Leute kennen zu lernen, aus Spaß        24,1         18,9         18,1          26,5           20,9
       dikator, der auf vier Wochen bezogen ist),                  Zusammen (Mehrfachnennungen)              270,9        256,3        250,9         215,1          253,1
       also 2006/2007.                                             * Teilnehmende in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung (AES: Adult Education Survey).
          Neben der Beteiligung an formaler Bil-                   ( ) Werte in Klammern beruhen auf weniger als 20 Beobachtungen.
       dung (zum Beispiel Zweiter Bildungsweg)                     Quelle: Statistik Austria, AES.
       umfasst Erwachsenenbildung vor allem
       Kurse und Schulungen (sogenanntes nicht-
       formales Lernen); neuerdings wird auch                      weiblich: rund 38 Prozent) und – wie die               Bildungsbeteiligung im Erwachsenenalter
       versucht, „informelles Lernen“ als Erwach-                  multivariate Analyse zeigt – auf andere                auf breiter empirischer Evidenz (siehe Statis-
       senenbildung zu thematisieren, wobei es                     Faktoren zurückführen. Sofern Frauen er-               tik Austria 2009, S. 108 f.).
       allerdings noch Definitionsprobleme gibt.                   werbstätig sind und den gleichen formalen                 Die berufl iche Motivation ist bei allen
       Der Konnex von formaler Bildung und Al-                     Bildungsstand aufweisen, nehmen sie etwas              Altersgruppen im Haupterwerbsalter hoch;
       ter als Einflussfaktoren für die kursförmige                 häufiger an nicht-formaler Bildung als Män-             bis 54 Jahre ist sie die mit Abstand am
       Bildungsteilnahme ist evident. Die Art                      ner teil (vgl. Statistik Austria 2009, S. 35).         häufigsten genannte Begründung für die
       der Ausbildung beeinflusst auch die einge-                                                                          Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme
       wöhnten Lernformen. So finden sich unter                     Motive, Inhalte und                                    im Jahr 2006/07 (12 Monate vor der Er-
       höher Gebildeten mehr Personen mit kurs-                    Hinderungsgründe:                                      hebung). Bei den über 54-Jährigen ist das
       förmigem Lernen, während Personen mit                       Erwachsenenbildungsbeteiligung                         Interesse am Gegenstand das häufigste Mo-
       Lehrabschluss häufiger an Arbeitsplatzschu-                     Ein Ansatzpunkt zur Erhöhung der Bil-               tiv. Das Zeugnismotiv ist bei den älteren
       lungen teilnehmen. Deutlich abgeschlagen                    dungsbeteiligung insgesamt, bei den gering             Teilnehmenden ab 55 Jahren unterdurch-
       sind die Mitbürger/innen ohne formale Aus-                  Qualifizierten und bei den älteren Personen,            schnittlich, bei den unter 35-Jährigen mit
       bildung.                                                    könnte die Einsicht in die Motive sein. Der            rund 16 Prozent mit Abstand am höchs-
          Die Unterschiede nach dem Geschlecht                     Adult Education Survey 2007 für Österreich             ten ausgeprägt. Beim Vergesellungsmotiv
       sind gering (männlich: rund 42 Prozent;                     belegt die multi-faktorielle Bedingtheit der           gaben die unter 35-Jährigen und die über
                                                                                                                          54-Jahrigen überdurchschnittlich häufig
       Tabelle 5: Struktur der Teilnahme an nicht-formaler Bildung sowie Lernformen dabei,                                zustimmende Antworten.
                  2006/2007, in %                                                                                            Die Motivanalyse zeigt, dass Erwach-
                                                                                                                          senenbildung weit über berufliche Moti-
                                                                                    Darunter:                             vation hinausgeht. Alltägliche Nützlich-
                                   Alle Personen          Nicht-      Kurse,       Seminare Ausbildung am                 keit und Interesse am Gegenstand sind
                                       (25 bis           formale     Vorträge         und     Arbeitsplatz                relevant. Alle Altersgruppen zwischen
                                      64 Jahre)          Bildung       usw.        Workshops unter Anleitung
                                                                                                                          25 und 64 Jahren gaben mehrheitlich als
        Alter in Jahren                                                                                                   Teilnahmebegründung die Erlangung von
        25 bis 34                        1,079.900        40,2           73,4          48,5              31,0             Wissen und Fertigkeiten, die im Alltag
        35 bis 44                        1,377.100        46,9           68,8          53,2              27,3             nützlich sind oder interessante Gegenstän-
        45 bis 54                        1,182.200        42,5           67,0          56,5              25,4             de betreffen.
        55 bis 64                          922.600        25,2           78,5          47,0               9,0                Ein anderer Ansatzpunkt zur Förderung
                                                                                                                          der Bildungsbeteiligung der über 55-Jäh-
        Bildung                                                                                                           rigen können die Inhalte der non-formalen
        Pflichtschule                      853.500        17,2           72,2          28,4             (14,1)            Bildungsaktivitäten sein. Abgesehen davon,
        Lehre                            1,842.300        33,5           69,5          43,8              30,8             dass wirtschaftliche Inhalte in allen Alters-
        BMS                                630.100        44,0           71,9          47,7              22,5             gruppen den höchsten Anteil haben, fällt bei
        Höhere Schule                      657.400        55,5           67,5          57,5              23,7             den über 55-Jährigen der überdurchschnitt-
        Hochschule und                                                                                                    liche hohe Stellenwert von in Beruf und
        verwandte Ausbildung               578.600        70,6           67,5          57,5              23,7             Alltag nützlichen Schlüsselqualifi kationen
        Gesamt                           4,561.800        39,8           70,7          52,2              25,3             (Querschnittsqualifi kationen), wie Fremd-
       * In den letzten zwölf Monaten vor der Befragung an nicht-formalen Bildungsaktivitäten Teilnehmende.               sprachen und EDV, auf. Im Weiteren fällt
       Quelle: Statistik Austria, AES.                                                                                    der relativ hohe Stellenwert allgemeinbil-

6   Die Österreichische Volkshochschule              nr. 238 | 04-2010
bildungsthe me n

Tabelle 7: Inhalte der nicht-formalen Bildungsaktivitäten im Jahr 2007                                                Schlussfolgerungen
           nach Altersgruppen im Haupterwerbsalter, in %
                                                                                                                      für 2020 und danach
Inhalte der Erwachsenenbildung             25–34          35–44        45–54         55–64       Gesamt*
                                                                                                                         Ziel der Ausführungen war, anhand der
Wirtschaft und Recht, inklusive                                                                                       fünf Benchmarks für 2020 der EU-Bildungs-
Sozialwissenschaften12                  21,8               27,0          26,2          20,4          24,8             strategie zum lebenslangen Lernen abzuklä-
Gesundheit und soziale Dienste          14,2               10,9          13,4           8,1          12,1             ren, wo wir heute in etwa stehen und wel-
Dienstleistungen                        12,7               11,4           9,1           9,2          10,8             che Ziele wir uns langfristig setzen sollten,
Computerbedienung                         6,3               7,8           9,1          10,3           8,1             um die in der Vergangenheit zweifellos
Fremdsprachen                             7,2               7,0           6,3          11,4           7,4             gegebenen großen Qualitäten des österrei-
Ingenieurwesen, Herstellung und                                                                                       chischen Aus- und Weiterbildungssystems
Baugewerbe                                8,8               7,9             5,8         6,1              7,3          auch langfristig im globalen Kontext zu ge-
Allgemeine Bildungsgänge                  5,5               7,2             7,3         8,6              6,9          währleisten, der zunehmende und komplexe
Pädagogik                                 4,2               6,0             7,0         6,5              5,9          Anforderungen an die berufliche und außer-
Unbekannt                                 7,2               4,5             4,6         4,0              5,1          berufl iche Existenz stellt. Hier kann keine
Humanistische Bildung, Kunst,                                                                                         ausführliche Erörterung geboten werden,
Religion, Muttersprache                   4,7               4,7             3,6         6,5              4,6          nur stichwortartige Hinweise.
Biologie, Chemie, Umweltkunde, Physik,                                                                                – Weitreichende Reformen der Pf licht-
Geografie, Mathematik, Statistik,                                                                                     schulbildung (Vorschule, ganztägige För-
Agrarwesen, Veterinärwesen               (3,4)             2,7           4,1           6,4           3,7              derung etwa bis 6. Schulstufe, Dauer der
Informatik                                4,1              3,1           3,4          (2,5)          3,4              Pfl ichtschulzeit), um eine „funktionsfähige
Gesamt                                 100,1             100,2          99,9         100,0         100,1              Plattform“ für das lebenslange Lernen in
In Absolutzahlen                     832.800           1,200.400      985.500       388.900      3,407.600            der breiten Bevölkerung zu sichern, sollten
                                                                                                                      an erster Stelle der Zukunftsdiskussion zur
* Alle nicht-formalen Bildungsaktivitäten von 25- bis 64-Jährigen in den letzten zwölf Monaten vor der
                                                                                                                      Bildung stehen. Ein hohes Grundbildungs-
  Befragung (AES: Adult Education Survey).
                                                                                                                      niveau für alle ist die beste Voraussetzung
                                                                                                                      dafür, Spitzenkräfte hervorzubringen.
dender geistes- und naturwissenschaftlicher               Sowohl die Motivanalyse der Beteiligung                     – Auch die obere Sekundarstufe, ein-
Inhalte bei den Erwachsenenbildungsaktivi-                als auch die der Barrieren verweist darauf,                 schließlich der dualen Ausbildung und der
täten der 55- bis 64-Jährigen auf.                        dass Erwachsenenbildung dann zum Life-                      „Bildungsgarantie“ sollten im Sinne des
   Im AES wurde differenziert nach Grün-                  style nach der Lebensmitte wird, wenn                       EQF (Levels 2 bis 4 + 5 für die Diplomstu-
den gefragt, warum jemand nicht mehr oder                 übergreifendes Interesse, Geselligkeit                      fe des 8-stufigen EQF-European Qualifica-
warum jemand überhaupt nicht an Bildung                   und Erlebnischarakter und indirekt auch                     tions Framework) und von ECVET13 (Ein-
im Jahr 2007 teilgenommen hat. Gänzliche                  Wohlbefinden und Gesundheit angespro-                       teilung der Qualifikationen in validierbare
Weiterbildungsabstinenz wird ab dem 45.                   chen werden. Gesundheitsfragen sollten                      „Units“ zur Überwindung des „Holismus“)
Lebensjahr vor allem mit zwei Argumenten                  bei 55+ noch kein Hinderungsgrund                           reformiert werden. Holismus bedeutet, das
begründet: „Hätte für den Job nichts ge-                  sein, etwas dazuzulernen, sondern Motiv                     Ausbildungen oder Studien nur als Gan-
bracht“ (höher bei den 45- bis 54-Jährigen)               für altersadäquate Bildungsteilnahme.                       zes abgeschlossen und zertifiziert werden
und „Alter, Gesundheit“ als Hinderungsmo-                 Wie relevant in der Informationsgesellschaft                können. Wer zum Beispiel in der 4. Klasse
tiv, das von 33 Prozent der 55- bis 64-Jäh-               Zugangsprobleme aufgrund mangelnder                         BHS aussteigt, fällt formal auf ein Pfl icht-
rigen genannt wurde (Statistik Austria                    Schlüsselkompetenzen sind, kann das Er-                     schulzeugnis zurück, obgleich drei Jahre
2009, S. 144 f.).                                         gebnis zum informellen Lernen aufzeigen.                    erfolgreich bewältigt wurden. Ein weiteres

Tabelle 8: Struktur der Teilnahme am informellen Lernen*, 2006/07, in %

Merkmale                      Gesamt         Von Familien-        Lesen von Mit Hilfe des Über Fernsehen,    Bei Führungen      In Bibliotheken
                              in 1.000        angehörigen,         Büchern,   Computers     Radio oder      durch Museen,      oder Lernzentren
                                              Feundinnen/         Fachzeit- (z. B. CD, DVD, Videofilme    historische Stätten, (z. B. öffentliche
                                             Freunden oder         schriften    Internet)                  Naturschauplätze,      Büchereien)
                                              Kolleginnen/           usw.                                   oder Industrie-
                                                Kollegen                                                         stätten
25 bis 34                      1.079,9             49,9              62,9             52,9                     37,9               25,9                 15,1
35 bis 44                      1.377,1             47,9              64,9             48,9                     38,3               31,6                 15,2
45 bis 54                      1.182,2             42,0              62,2             40,3                     37,9               34,2                 13,5
55 bis 64                        922,6             34,4              55,0             26,7                     39,8               34,4                 13,6
Bildung
Pflichtschule                    853,5             33,5              39,1             20,1                     35,6               16,9                  6,8
Lehre                          1.842,3             40,1              55,9             38,3                     36,0               27,2                  8,8
BMS                              630,1             48,3              70,6             41,3                     41,0               34,8                 13,5
Höhere Schule (AHS/BHS)          657,4             50,2              77,4             63,5                     40,2               41,9                 22,1
Hochschule und
vw. Ausbildung                   578,6             61,1              86,0             71,6                     45,4               51,1                 35,9
Gesamt                         4.561,8             44,1              61,7             43,1                     38,4               31,5                 14,4
Männlich                       2. 272,5            43,2              61,4             48,4                     36,9               29,5                 11,8
Weiblich                       2.289,3             45,0              62,1             37,9                     39,9               33,4                 17,0
* 25 bis 64 Jahre alte Wohnbevölkerung.
Quelle: Statistik Austria, AES.

                                                                                                           04-2010 | nr. 238       Die Österreichische Volkshochschule   7
bildungsthe m e n

       Beispiel: Jemand studiert fünf Jahre an der                     schaft in allen Lebensbereichen relevant:                         wachsenenbildung sind im Gefolge gesell-
       TU, erwirbt viele „Scheine“, aber letztlich                     aufbauende Bildung und lebenslange Ak-                            schaftlichen Wandels (breiter Wohlstand)
       keinen Diplomabschluss. Das bringt eine                         tivierung sollten als Leitlinie fungieren.                        gefordert. Interessante Themen und ge-
       „Va banque“-Haltung zum Ausdruck, und                           Weiterbildungsförderung kann sich daher,                          meinsame Aktivitäten kennzeichnen den
       widerspricht dem Prinzip der Aufbaufähig-                       will sie zukunftsbezogen wirken, nicht auf                        bereits sichtbaren Trend. Wir sind nicht nur
       keit und Akkumulation von Lernleistungen.                       beruflich-fachliche Themen beschränken.                            eine Informationsgesellschaft, sondern auch
       Viele Länder kennen zwei- oder dreijährige                      – Jeder weiß es eigentlich: Was uns im                            eine Erlebnisgesellschaft.
       Hochschulbildungsgänge.                                         Erwerbsleben stärkt, stärkt auch in der Be-
       – Abschlussbezogene Weiterbildungsan-                           wältigung der persönlichen Existenz. Zu                           Anmkerungen
       gebote sind besonders für die unter 35-Jäh-                     nennen sind dabei Kommunikationsfähig-                            1
                                                                                                                                              Siehe dazu Statistik Austria, Statistisches Jahrbuch 2010,
       rigen ein Weiterbildungsmotiv, aber auch                        keit, Teamfähigkeit, Computerkompetenz,                                S. 517 ff.
                                                                                                                                         2
                                                                                                                                              Siehe dazu im Internet: http://www.statistik.at/web_de/
       noch bei den Älteren. Auf baufähigkeit                          Sprachen, Technikverständnis, Umgang mit                               statistiken/unternehmen_arbeitsstaetten/auslandsunter-
       und Durchlässigkeit der Bildungsangebote                        Diversität oder Geschäftssinn.                                         nehmenseinheiten/index.html (19. September 2010).
                                                                       – Verlängerung der Bildungsbeteiligung im
                                                                                                                                         3
                                                                                                                                              Siehe dazu im Internet: http://www.statistik.at/web_de/
       im Erwachsenenalter könnten EQF und                                                                                                    statistiken/informationsgesellschaft/ikt-einsatz_in_
       ECVET verbessert werden. Vor allem wä-                          Lebenszyklus als Form aktiven Alterns ist                              unternehmen_e-commerce/index.html (19. September
       ren dazu Partnerschaften zwischen Hoch-                         Gebot der verlängerten Lebenserwartung.                                2010).
                                                                                                                                         4
                                                                                                                                              Siehe dazu im Internet: http://www.statistik.at/web_de/
       schulen, BMHS und Erwachsenenbildung                            Innerhalb von etwas mehr als einer Genera-                             statistiken/informationsgesellschaft/ikt-einsatz_in_
       wichtig, um europäische tertiäre Strukturen                     tion ist die Lebenserwartung in Vorarlberg                             haushalten/index.html (19. September 2010).
                                                                                                                                         5
       aufzubauen (Level 5 und 6 des 8-stufigen                        zum Beispiel um acht bis zehn Jahre gestie-                            Statistik Austria: Arbeitsmarktstatistik 2. Quartal 2010.
                                                                                                                                              Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung, Schnellbericht,
       EQF). Dies betrifft 2-jährige und 3-jährige                     gen. Wohlbefinden erfordert geistige und                               Wien 2010, S. 30.
       Studien. Der Grund für die hohen Hoch-                          physische Bewegung und Vergesellung. Das                          6
                                                                                                                                              Im Internet: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/
                                                                                                                                              bevoelkerung/bevoelkerungsstruktur/bevoelkerung_
       schulabsolventenquoten liegt international                      kann Erwachsenenbildung fördern. Kultu-                                nach_migrationshintergrund/index.html (19. September
       in kurzen und vielfach berufsbegleitenden                       relle und politische Teilhabe der älteren Be-                          2010).
                                                                                                                                         7
       Studien.                                                        völkerung sind ohne Bildungsaktivitäten im                             Im Internet: http://www.statistik.at/web_de/suchergeb-
                                                                                                                                              nisse/index.html (19. September 2010).
       – Breite Grundbildung und Schlüsselqua-                         weiteren Sinne des Begriffs kaum denkbar.                         8
                                                                                                                                              The official website of the European Union: Europäische
       lifikationen sind in der Informationsgesell-                     – Neue Partizipationsformen in der Er-                                 Benchmarks für die allgemeine und berufl iche Bildung.
                                                                                                                                              Im Internet: http://europa.eu/legislation_summaries/
                                                                                                                                              education_training_youth/general_framework/c11064_
       Literatur                                                                                                                              de.htm (21. Oktober 2009).
                                                                                                                                         9
       Amtsblatt der Europäischen Union: Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zu                        Siehe: Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen
          Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen (2006/962/EG), L 394/10 http://www.bmukk.gv.at/medienpool/15538/                 des Rates vom 12. Mai 2009 zu einem strategischen Rah-
          eu_amtsblatt_schlkomp.pdf (18. September 2010).                                                                                     men für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet
       CEDEFOP: Skills supply and demand in Europe: medium-term forecast up to 2020, Thessaloniki 2010.                                       der allgemeinen und berufl ichen Bildung („ET 2020“).
       COUNCIL OF THE EUROPEAN UNION: Council Conclusions on a strategic framework for European cooperation in                                In: Amtblatt der Europäischen Union 28. Mai 2009
          education and training („ET 2020“), 2941th Education, Youth and Culture Council meeting Brussels, 12 May 2009, S. 9. Im             (2009/C 119/02). Im Internet: http://eur-lex.europa.eu/
          Internet: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/educ/107622.pdf (20. Mai 2009).                          LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2009:119:0002:
       Commission of the European Communities: Progress towards the Lisbon Objectives in Education and Training. Indicators                   0010:DE:PDF (21. Oktober 2009).
                                                                                                                                         10
          and Benchmarks 2009. This publication is based on document SEC(2009)1616. Im Internet: http://ec.europa.eu/education/               Gemeint ist der prozentuale Anteil der 30- bis 34-Jäh-
          lifelong-learning-policy/doc/report09/report_en.pdf (12. Juli 2010).                                                                rigen, die erfolgreich eine tertiäre Ausbildung abge-
                                                                                                                                              schlossen haben (ISCED Niveaus 5 und 6) (Eurostat,
       Commission of the European Communities: Commission staff working document. Progress towards the Lisbon objectives
                                                                                                                                              UOE).
          in Education and Training. Indicators and benchmarks 2009. This publication is based on document SEC(2009)1616. Im             11
                                                                                                                                              Gemeint ist der Prozentsatz der 25- bis 64-Jährigen, die
          Internet: http://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-policy/doc/joint10/sec1598_en.pdf (3. September 2010).
                                                                                                                                              in den vier Wochen vor der Erhebung (Eurostat/Arbeits-
       European Union: Recommendation of the European Parliament and of the Council on the establishment of                                   kräfteerhebung) an Maßnahmen der allgemeinen und
          the European Qualifications Framework for lifelong learning, Brussels, 29 January 2008, PE-CONS 3662/07.                            berufl ichen Bildung teilgenommen haben. Ferner kön-
       Rat der Europäischen Union: Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Mai 2009 zu einem strategischen Rahmen für die                        nen die im Rahmen der Erhebung über die Erwachsenen-
          europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung („ET 2020“). In: Amtblatt der                     bildung erhaltenen Informationen über das lebenslange
          Europäischen Union 28. Mai 2009 (2009/C 119/02). Internet: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:                Lernen von Erwachsenen genutzt werden.
          C:2009:119:0002:0010:DE:PDF (21. Oktober 2009).                                                                                12
                                                                                                                                              Die Kategorie heißt „Sozialwissenschaften, Wirtschaft
       Arthur Schneeberger: Internationale Einstufung der österreichischen Berufsbildung. Adäquate ISCED-Positionierung als                   und Recht“ und stammt aus dem „Handbuch der Bil-
          bildungspolitische Herausforderung. ibw-Forschungsbericht Nr. 156, Wien 2010.                                                       dungs- und Ausbildungsfelder“ von Eurostat (1999). Die
       Statistik Austria: Erwachsenenbildung 2007. Ergebnisse des Adult Education Survey (AES), Wien 2009.                                    Umformulierung soll Plausibilität und Verständlichkeit
       Statistik Austria: Statistisches Jahrbuch 2010, Wien 2010.                                                                             erhöhen.
       Statistik Austria: Arbeitsmarktstatistik, 2. Quartal 2010. Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung. Schnellbericht 5. 8, Wien           13
                                                                                                                                              ECVET = European Credit Transfer System for Vocatio-
          2010.                                                                                                                               nal Education and Training.

          impressum
       DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE (ÖVH)                                                       HERSTELLER: Grasl Druck & Neue Medien, A-2540 Bad Vöslau
       Magazin für Erwachsenenbildung.
                                                                                                       Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich, fallweise als Doppelnummer.
       Dezember 2010, Heft 238/61. Jg.
                                                                                                       BEZUGSGEBÜHREN:
       REDAKTION: Univ.-Doz. Dr. Wilhelm Filla, Telefon +43-1-216 42 26, Fax +43-1-214 38 91,          im Abonnement jährlich € 13,–, Mitgliederabonnement € 7,–, Einzelhefte € 4,50
       E-Mail: voev@vhs.or.at, Internet: www.vhs.or.at                                                 Zahlungen auf das Konto Nr. 0947-31007/00, Bank Austria, Am Hof 2

       REDAKTIONSAUSSCHUSS: Dr. Silvia Caramelle (Innsbruck), Dr. Elisabeth Deinhofer                  Für unverlangte Rezensionsstücke und Beiträge übernimmt die Redaktion keine Haftung.
       (Eisenstadt), Mag. Hubert Hummer (Linz)                                                         Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung der Autor/innen wieder und müssen
                                                                                                       sich nicht mit jener der Redaktion decken.
       REDAKTIONSSEKRETARIAT: Brigitte Eggenweber, Christine Rafetseder
                                                                                                       ISSN 047-5662
       FÜR DEN INHALT VERANTWORTLICH: Univ.-Doz. Dr. Wilhelm Filla
                                                                                                       Gefördert durch das Bundesministerium
       Verband Österreichischer Volkshochschulen, Weintraubengasse 13, A-1020 Wien                     für Unterricht, Kunst und Kultur

8   Die Österreichische Volkshochschule            nr. 238 | 04-2010
bildungsthe me n

Weiterbildung
von kommunalen
Lehrlingsausbildner/innen
in Kärnten
In Österreich gibt es aktuell 2.357 Gemeinden, davon 132 in Kärnten. Von diesen
wiederum bilden derzeit 39 Gemeindeämter und -betriebe 104 Lehrlinge aus. In
diesem Beitrag wird daher der Frage nachgegangen, wie die Weiterbildung der
dort tätigen Lehrlingsausbildner/innen aus erwachsenenpädagogischer Perspektive
angelegt sein kann. Ein praktisches Beispiel aus Kärnten zeigt, wie die Umsetzung
erfolgen kann.
                                                                                                                          Martin Klemenjak

Wie alles begann?                                 Für die Praxis bedeutet dies, dass der über-    Aus der Vielzahl an Kompetenz-Definiti-
                                                  wiegende Teil der kommunalen Lehrlings-         onen wird an dieser Stelle jene ausgewählt,

I  m Sommer 2004 wurde das Kärntner
   Gemeinde-Lehrlingsnetzwerk ins Leben
   gerufen. Dabei handelt es sich um eine Be-
ratungs- und Serviceeinrichtung für Kärnt-
ner Gemeindeämter und -betriebe in Sachen
                                                  ausbildner/innen in den kaufmännischen
                                                  Lehrberufen Bürokaufmann/-frau bezie-
                                                  hungsweise Verwaltungsassistent/in von der
                                                  Ablegung der Ausbildnerprüfung „befreit“
                                                  ist, da diese eine entsprechende Dienstprü-
                                                                                                  die 2005 von der OECD publiziert wurde:
                                                                                                  „Eine Kompetenz ist mehr als nur Wissen
                                                                                                  und kognitive Fähigkeiten. Es geht um die
                                                                                                  Fähigkeit der Bewältigung komplexer Anfor-
                                                                                                  derungen, indem in einem bestimmten Kon-
Lehrlingsausbildung. Weiters werden primär        fung erfolgreich abgelegt haben. Somit ver-     text psychosoziale Ressourcen (einschließ-
Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen            fügt dieser Personenkreis über die gesetzlich   lich kognitive Fähigkeiten, Einstellungen
für kommunale Lehrlinge konzipiert, organi-       vorgeschriebene Qualifikation, um zum/zur        und Verhaltensweisen) herangezogen und
siert, durchgeführt und evaluiert. Zusätzlich     Lehrlingsausbildner/in bestellt zu werden,      eingesetzt werden. So ist beispielsweise die
wurde im Jahr 2005 die Idee geboren, Wei-         um in weiterer Folge Lehrlinge auszubilden.     Kommunikationsfähigkeit eine Kompetenz,
terbildungsveranstaltungen für kommunale          Für Christiane Schiersmann (2007, S. 46)        die sich auf Sprachkenntnisse, praktische
Lehrlingsausbildner/innen anzubieten.             handelt es sich bei Qualifikationen „(…) um      IT-Fähigkeiten einer Person und deren Ein-
                                                  Kenntnisse und Fähigkeiten, die u.a. den        stellungen gegenüber den Kommunikations-
Definition der Zielgruppe                         Zugang zum Erwerbssystem regeln, häufig         partnern abstützen kann.“ (OECD 2005; n.
                                                  auch durch Zertifi kate. Unter Qualifi kati-      Schiersmann 2007, S. 53)
   Um zum/zur Lehrlingsausbildner/in be-          onen werden Fertigkeiten, Fähigkeiten und          In diesem Kontext stellt sich somit die
stellt werden zu können, ist es laut Berufsaus-   Wissensbestände im Hinblick auf ihre Ver-       Frage, welche Kompetenzen bei kommu-
bildungsgesetz (BGBl. Nr. 142/1969, zuletzt       wertbarkeit gefasst.“                           nalen Lehrlingsausbildner/innen gefördert
geändert durch das BGBl. I Nr. 40/2010) un-                                                       werden sollen? Folgen wir John Erpenbeck
ter anderem erforderlich, eine Ausbildner-        Welche Kompetenzen                              und Volker Heyse (1999, S. 157), so kann
prüfung (§ 29a BAG) – das Gesetz kennt                                                            zwischen Fach-, Methoden-, Sozial- und
nur die männliche Form – abzulegen oder
                                                  sollen gefördert werden?                        personalen Kompetenzen unterschieden
einen Ausbildnerkurs mit abschließendem              Aufgrund der sich laufend ändernden ge-      werden. Diese gemeinsam bilden wiederum
Fachgespräch (§ 29g BAG) zu absolvieren.          sellschaftlichen und wirtschaftlichen Rah-      die Handlungskompetenzen (vgl. Schmidt
In der „Verordnung des Bundesministers für        menbedingungen ist es erforderlich, dass        2005, S. 161).
wirtschaftliche Angelegenheiten über die          ein Hauptaugenmerk auf die Weiterbildung           Was bedeutet das für die Praxis? Meines
Gleichhaltung von Prüfungen mit der Aus-          von kommunalen Lehrlingsausbildner/in-          Erachtens sollen Lehrlingsausbildner/innen
bilderprüfung und über die Gleichhaltung          nen gelegt wird. Während die erforderlichen     beispielsweise mit den für die Ausbildung
von Ausbildungen mit dem Ausbilderkurs“           Qualifikationen – normiert in Gesetzen und       relevanten rechtlichen Bestimmungen und
(BGBl. II Nr. 262/1998, zuletzt geändert          Verordnungen – den Zugang zu bestimmten         deren Novellen vertraut sein, über ihre
durch das BGBl. II Nr. 478/2005) ist bei-         Funktionen wie jener des Lehrlingsausbild-      eigene Rolle und jene der Berufsschule in-
spielsweise geregelt (§ 1), dass die Dienst-      ners/der Lehrlingsausbildnerin regeln, be-      formiert sein, adäquate Methoden zur Aus-
prüfung für Beamte der Gemeinden für die          tont der Kompetenzbegriff – wie es Horst        bildungsplanung anwenden können oder in
Verwendungsgruppen A, B oder C oder für           Siebert (2006, S. 223), Rolf Arnold und Phi-    herausfordernden Situationen (zum Beispiel
die Verwendungsgruppen A1, A2 oder A3             lipp Gonon (2006, S. 95) sowie Christiane       Konflikte zwischen Lehrlingen, Drogenkon-
sowie die entsprechenden Dienstprüfungen          Schiersmann (2007, S. 51) treffend formu-       sum von Jugendlichen) wissen, wie sie damit
für Vertragsbedienstete der Gemeinden,            lieren – die „Subjektseite“, die „subjektbe-    umgehen. Das heißt nicht, dass Lehrlings-
der Ausbildnerprüfung gemäß § 29a BAG             zogene Kategorie“, die „subjektive Seite des    ausbildner/innen in allen relevanten Fragen
gleichgehalten sind.                              Lernenden“.                                     über Expert/innenwissen verfügen müssen.

                                                                                           04-2010 | nr. 238   Die Österreichische Volkshochschule   9
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