Computerspiele 1. Quartal 2016 - LAG Kinder- und Jugendkultur
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1. Quartal 2016 Magazin der LAG Kinder- und Jugendkultur Hamburg Schwerpunkt Computerspiele FSJ Kultur Dahinter stehe ich Kulturagenten Wie es weiter geht Kirschkern & Compes Geschichten vom Kleiderberg WienXtra Im Kulturgemüsegarten 1
Inhalt + Impressum Seite Herausgeber 03 Computerspiele: Potenziale nutzen LAG Kinder- und Jugendkultur e.V. www.kinderundjugendkultur.info 04 Creative Gaming: Neue Levels der Kreativität Wilhelm-Strauß-Weg 2, 21109 Hamburg Telefon: 040-180 180 44 06 ComputerSpielSchule: Super Marios auf eigenen Wegen Die LAG Kinder- und Jugendkultur vernetzt die Hamburger Akteure und vertritt die Interessen Ihrer 08 FSJ Kultur: Ich mache das, wohinter ich stehe Mitglieder gegenüber Politik und Verwaltung. Leserbriefe an 10 Isabella Vértes-Schütter zur Kinder- und Jugendkultur info@kinderundjugendkultur.info Redaktionsleitung Lutz Wendler 13 News aus der Szene redaktion@kinderundjugendkultur.info Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 14 Kritik: Fluchtgeschichten aus der Kleiderkammer 12. Februar 2016; Erscheinungsdatum: März 2016 16 Kulturagenten: Das Programm in der Stadt verstetigen Der LAG-Newsletter und »kju« als PDF können hier abonniert werden: www.kinderundjugendkultur.info 18 Pro + Kontra: Computerspiele als Kulturgut? Gefördert von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg. 20 Kritik: Ideen liegen überall herum Bildnachweise 22 wienXtra-kinderinfo: Quer durch den Kulturgemüsegarten © Titel: Creative Gaming, S. 3 Lutz Wendler, S. 5 Creative Gaming, S. 7 Creative Gaming, S. 8/9 Arne Bachmann (2), S. 11: SPD-Hamburg, 24 Tipps + Termine S. 15 Nino Herrlich, S. 16/17 Iskender Kökce/Kulturagenten, S. 17 Lea Fischer, S. 18 privat, S. 19 privat, S. 21 Max Bartsch/Tanzplan, S. 23 Lutz Wendler, S. 24 Chris Lambertsen/Bücherhallen, Bonding/abge- dreht, Sava Hlavacek/Kraut_Produktion und Theater, Christina Körte/ Körber-Stiftung, Der Kurzfilmtag, UKL 2
Editorial Schwerpunkt Computerspiele Potenziale erkennen und nutzen chen Einfluss das auf die digitale Spielekultur in ihrem Facettenreichtum hat, ist unklar. Klar ist Eine Kindheit ohne Spiele? Unvorstellbar! Neben hingegen, dass es – jenseits und diesseits kom- Christiane Schwinge und Andreas Hedrich Brettspielen, Puzzles, Lego, Karten- oder Sportspie- merzieller Strömungen – eine kaum überschau- len sind digitale Spiele im 21. Jahrhundert wich- bare Vielfalt kultureller Praxen mit und rund um tiger Bestandteil des Spielerepertoires Heranwach- digitale Spiele gibt: ob Cosplay, Let’s Play, Indie Wohlgemerkt – Computerspiele bergen auch die sender. Dabei lösen sie »analoge Spiele« mitnich- Games Szene, Medienkunst, Machinima, You Gefahr des Missbrauchs. Deshalb gibt es nicht ten ab, sondern stellen vielmehr eine bedeutsame Tube Channels oder LAN Partys – digitale Spiele nur für die Spiele, sondern auch für die Spie- Ergänzung dar. Digitale Spiele prägen den All- sind Ausgangspunkt für vielerlei Artikulations- ler Regeln. Doch wer Regeln aufstellt, sollte wis- tag von Kindern und Jugendlichen, sind Bestand- formen. Gleichzeitig spielen sich viele dieser kul- sen, wovon er spricht – sonst begegnet er sei- teil ihrer Kultur und aus ihrer Lebenswelt kaum turellen Praxen für Erwachsene quasi im Verbor- nen Adressaten nicht auf dem gleichen Level. noch wegzudenken. Für die einen ist diese Ent- genen ab, weil denen der Zugang zu diesen For- Deshalb ist es notwendig, dass auch Eltern und wicklung begrüßenswert, für die anderen ein eher men der aktiven Auseinandersetzung fehlt. Dabei Lehrer wissen, in welchen virtuellen Welten ihre unausweichliches Übel. Obgleich digitale Spiele für wird, sobald man einen genaueren Blick auf das Kinder beziehungsweise Schüler unterwegs sind. viele Erwachsene ebenfalls zum Alltag gehören, Medium wirft, schnell deutlich, welche Möglich- Sie können dabei auch lernen, welche kreativen die Generation der ersten Gamer längst erwach- keiten es bietet, um sich auszudrücken, etwas zu Abenteuer dort möglich sind. Letztlich ist die- sen ist und selbst Kinder hat, gibt es insbesondere gestalten, kreativ zu werden. ses Heft ein Plädoyer, das Wissen von Kindern bei Pädagogen und Eltern im Zusammenhang mit und Jugendlichen ernst zu nehmen und vielleicht digitalen Spielen Vorbehalte, Unsicherheiten und Spätestens an dieser Stelle werden Überschnei- sogar gemeinsam mit ihnen kreative Freiräume zu Berührungsängste. Dies kann zu Konflikten zwi- dungen zur kulturellen Arbeit deutlich (egal in erobern. Denn eine Vernetzung verschiedener kul- schen Jung und Alt führen, die sich schlimmsten- welcher Kunst- oder Mediengattung), bei der ein tureller Praxen ist möglich – und wünschenswert. falls in einer (digitalen) Kluft manifestieren. zentraler Aspekt im Einnehmen neuer Perspekti- Digitale Spiele sind Kultur. Sie verbinden und ven auf scheinbar Normales beziehungsweise All- geben Impulse. Sie sind kommunikative Aus- Fernab normativer Einordnungen sind digitale tägliches liegt. Neue Sichtweisen einzunehmen gangspunkte und greifen auf, was Menschen zu Spiele Teil der Kultur beziehungsweise der per- bedeutet beim digitalen Spiel, dass man Regeln Menschen macht: das Spiel. formativen Praxis Heranwachsender. Gleichzei- bricht und somit das System (Computer-)Spiel tig wird immer wieder darauf verwiesen, dass der durchdringt, es versteht. Dieser Regelbruch führt Christiane Schwinge und Andreas Hedrich Deutsche Kulturrat im Jahr 2009 Computerspie- zur Erkenntnis, dass ein scheinbar ebenso kom- le als Kulturgut ausgelobt hat, womit vor allem plexes wie geschlossenes System aufgebrochen Die Medienpädagogin Christiane Schwin- eine wirtschaftliche Förderung von »kulturell wert- und verändert werden kann. Ein wichtiger Schritt ge (34) und der Medienpädagoge Andreas vollen« digitalen Spielen in Form des Deutschen hinsichtlich einer kompetenten und mündigen Hedrich (47) sind Mitgründer der Initiative Computerspielpreises einhergeht. Ob und wel- Mediennutzung. Creative Gaming e.V. 3
Vorgestellt Schwerpunkt Computerspiele Creative Gaming – neue Levels der Kreativität erobern Als Creative Gaming 2007 startete, war die Lernen. Also um Erkenntnisgewinn durch die Schleswig-Holstein und die Joachim-Herz-Stif- Hamburger Initiative von Medienpädagogen Förderung individueller Kreativität. Und um den tung sowie Ersparnisse des jaf e.V. und der und -künstlern ein Pionierprojekt. Heute gilt Spaß, den die Beteiligten offensichtlich hatten. Initiative. Die seriösen Partner und Locations sie als Erfolgsmodell für den konstruktiven Alles das ist Programm bei Creative Gaming. wie das Museum für Kunst und Gewerbe, das Umgang mit Computerspielen. Schon 2007 wurde die Initiative von Medienpä- Ohnsorg-Theater oder das Nachtasyl im Tha- dagogen und Medienkünstlern gegründet, die lia widerlegen das Vorurteil, bei PLAY handle es Das erste Standbild des YouTube-Videos zeigt zweierlei erkannt hatten: dass es notwendig sei, sich um eine Art Messe-Werbeveranstaltung der einen Jugendlichen auf seinem Mountainbike. mit einem Medium, das sich rasant verbreitete, Spiele-Industrie. Sobald der Play-Button gedrückt wird, ist klar, konstruktiv umzugehen; und dass die rasch ver- wohin die Reise geht – der unmittelbar einset- teufelten Computerspiele neben Gefahren des PLAY ist gewissermaßen das Schaufenster von zende elektronische Sound ist so eckig wie die Missbrauchs auch ein großes kreatives Potenzial Creative Gaming, denn das Festival zeigt in 8-Bit-Ästhetik der ersten digitalen Jump’n’Run- enthielten, das es für die Kinder- und Jugendkul- Workshops, Performances, Ausstellungen, Vor- Spiele. Und die Kamera folgt dem 13 Jahre tur zu nutzen gelte. Mit diesen Einsichten waren trägen, Podiumsdiskussionen und auf digitalen alten Ibrahim auf einem Geschicklichkeitspfad, die Gründer von Creative Gaming, die überwie- Spielplätzen das Spektrum der vielen Aktivitäten im Slalomkurs vorbei an Hindernissen oder mit- gend in Hamburg und Berlin ansässig sind, sehr und Netzwerke, die über die Jahre entwickelt ten durch einen Klötzchenturm. Punktgewinne früh dran. wurden. Ein Festival, das auch für die alltägliche und -verluste werden laufend eingeblendet. Zwi- Arbeit der Initiative wirbt. schendurch beißt Ibrahim in einen Apfel und Längst ist das rasch wachsende Netzwerk der lädt seinen Energiebalken auf, bevor er im fina- Pioniere ein Vorzeigeprojekt. Die rasante Ent- Christiane Schwinge und Andreas Hedrich, die len Wettlauf mit dem Endboss auch den letzten wicklung lässt sich gut am jährlichen Festival zur Festivalleitung von PLAY gehören, schätzen, Level bewältigt. PLAY ablesen, das es seit 2007 gibt und bei dass Creative Gaming übers Jahr verteilt 26 sehr dessen Premiere in Bonn die Macher ein über- verschiedene Angebote in Hamburg und bun- »Spät dran« heißt das Game-Video in Pixelästhe- schaubares Grüppchen bildeten – ein Jahr spä- desweit macht – »alles flach hierarchisch orga- tik, das Siebtklässler der Nelson-Mandela-Stadt- ter in Hamburg waren es schon mehr als 200 nisiert«, sagt Hedrich, der unter den zehn Grün- teilschule in Kirchdorf mit Hilfe von Medien- Schüler und etwa 30 Lehrer. Nach fünf gut dern war. Heute sind in dem losen Verbund etwa pädagogen der Initiative Creative Gaming ent- geförderten Jahren in Potsdam ist das Festival 100 Menschen bundesweit aktiv, neben Medien- worfen, gefilmt und vertont haben, als wäre es für kreatives Computerspielen seit 2013 wie- pädagogen und -künstlern auch Wissenschaftler ein Computerspiel. Okay, Ibrahim auf seinem der in Hamburg zu Hause. PLAY15 im Septem- und Spiele-Entwickler. Fahrrad ist nicht Super Mario. Aber um beson- ber hatte rund 5000 Besucher. Den Großteil des ders realistische Nachahmung gängiger digitaler Etats von 200.000 Euro trugen in diesem Jahr Das Gros ihrer Projekte ist echte Schularbeit, ein- Geschicklichkeitsspiele ging es in diesem Projekt die Bundeszentrale für politische Bildung, die gebettet in Programme wie das Bündnis für Bil- auch nicht, sondern um das quasi spielerische Stadt Hamburg, die Medienstiftung Hamburg/ dung »Kultur macht stark« oder die Kultur 4
agenten. Creative Gaming leistet Lehrerfort- zum realen Nachbau von Dingen aus digitalen bildungen und praktische Arbeit an mehreren Welten in Pappe, aus Knete und Elektroschrott Hamburger Schulen, in denen digitale Spiel- angeboten. welten zum Beispiel den Deutsch-Unterricht oder die Mathe-Stunden ergänzen und bereichern »Ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit sind – am intensivsten in einem Pilotprojekt in Wil- handlungsorientierte Projekte, bei denen die helmsburg, wo eine Mittelstufenprofilklasse über Teilnehmer zusammenarbeiten sollten und Jahre begleitet wird. Im Juni ist mit der Compu- über das Medium miteinander kommunizie- terSpielSchule Hamburg das erste offene Pro- ren. Dabei lernen sie, auf die Fähigkeiten von gramm in der Bücherhalle Holstenstraße gestar- anderen zu vertrauen. Jungs lernen von Mäd- tet, das an jedem Freitagnachmittag kosten- chen, Erwachsene von Kindern, Lehrer von frei und ohne Anmeldung besucht werden kann Schülern – und umgekehrt«, sagt Christiane (siehe Seite 7). Dort und auch in den verschie- Schwinge. Andreas Hedrich ergänzt: »Wenn denen Ferienworkshops können Spiele mit ein- wir uns mit anderen verabreden, um zu spie- fachen Werkzeugen individuell programmiert len, dann hat das soziale Konsequenzen. Man und so genutzt werden, dass »die Puppen« nicht muss gemeinsam planen und verhandeln, um auf vorgegebenen Bahnen, sondern nach den zusammenzukommen. Das sind im Grunde Wünschen des Spielers tanzen. gesellschaftlich relevante Prozesse, die hier gelernt werden. Davon kann auch die große Christiane Schwinge und Andreas Hedrich schät- Politik profitieren.« So gesehen ließe sich das zen am kreativ genutzten Computerspiel, dass es paradoxe Rezept von Creative Gaming für den grundsätzlich mit jedem Genre der Kinder- und Umgang mit digitalen Spielen auch auf andere Jugendkultur vernetzt werden kann – vom Pup- Bereiche übertragen: Feste Strukturen entzau- pentheater bis hin zum Konzert, in dem ein Sym- bern, um mit Hilfe der eigenen Fantasie auf phonieorchester Games-Music spielt. Ein beson- einen höheren Level zu kommen. derer Reiz liege in der Übersetzung des Digitalen ins Analoge und andersherum, wenn das, was Lutz Wendler sonst virtuell am Bildschirm zu erledigen ist, zur Arbeit wird, bei der man sich die Hände schmut- zig machen kann. Bei PLAY15 wurden unter dem www.hamburg.playfestival.de Wechsel von der digitalen in die analoge Welt: Ein PLAY 15-Workshop-Teilnehmer baut in Übergröße Motto »Machen« unter anderem Workshops zum das Schwert aus dem Open-World-Spiel »Minecraft« nach »Gamesbacken« unter Konditoren-Anleitung und 5
Ortstermin Schwerpunkt Computerspiele Super Marios auf eigenen Wegen Jugendliche lernen, wie sie kreativ und kri- von Spielen und Levels. Von Angeboten, die mit Liau: »Es geht zu Beginn um die grundsätzliche tisch mit einem Medium umgehen, das ihnen Computerspielen zu tun haben, fühlen sie sich Frage, was ein Spiel überhaupt ist – und darum vorgefertigte Spielabläufe anbietet. aber nur selten angesprochen«, sagt Karin Liau. zu erkennen, dass Spiele bestimmte Grundele- Die 28-Jährige ist selbst begeisterte Gamerin. mente haben müssen, um zu funktionieren. Ob Das Marketing für die eigenen Produkte macht Sie hat Waldhorn studiert und nach ihrem ers- digital oder analog macht dabei keinen Unter- den jungen Akteuren sichtlich Spaß. Die Prä- ten Abschluss an der Hamburger Hochschule schied.« sentation der Spiele, die sie gerade entworfen für Musik und Theater mit Kultur- und Medien- Nächster Schritt war die Arbeit mit Twine, einem haben, wird zur Parodie auf die Verkaufsstrate- management als Zweitstudium weitergemacht. Programm, mit dem sich anschaulich zeigen gien der Game-Industrie genutzt. Die Jugend- Beim Festival PLAY13 ist sie auf die Aktivitäten lässt, wie verzweigte Geschichten erzählt wer- lichen zeigen ihre selbst gezeichneten Cover, von Creative Gaming aufmerksam geworden den können. »Damit kann man auf einfache die so viele Text- und Bildreize enthalten, als und engagiert sich seither in der medienpäda- Weise interaktive Geschichten nach dem »Choose müssten sie sich im Überangebot eines Elektro- gogischen Arbeit der Initiative. Your Own Adventure«-Prinzip entwickeln. Darin nik-Kaufhauses behaupten. Dazu gibt es mar- Der Workshop, den sie gemeinsam mit Christi- muss der Leser eigene Entscheidungen treffen, tialische Titel wie »Mario Castle – der Move na Kutscher leitet, folgt einem bewährten Auf- die den Fortgang des Abenteuers beeinflussen. des Todes« oder Verballhornungen wie »Kevin bau. »Zunächst wollen wir bei den Teilnehmern Diese Spiele haben ihren Ursprung aber eher in 2.0«. Und bei der Live-Präsentation wird mit die Vorstellung aufbrechen, dass digitale Spie- der analogen Literatur, als in der digitalen Evo- marktschreierisch-hohlen Slogans ironisch für le eigenen digitalen Regeln folgen«, sagt Karin lution«, sagt Karin Liau. das eigene Produkt geworben: »Mario hat sich Liau. Deshalb seien am ersten Tag gewöhnli- selbst neu erfunden« und »Der Preis ist heiß, Nach zwei Tagen war also bereits ein Grundver- che Brettspiele analysiert worden. »Die Jungs aber teuer«. ständnis für Spielstrukturen entwickelt – Vor- sollten herausfinden, wie diese analogen Spiele aussetzung dafür, dass die Jugendlichen mit Oder kurz und einprägsam: »Neuer, teurer, bes- funktionieren, nach welchen Regeln sie ablau- ser.« Und als Vertreter ihres eigenen Produkts fen und was ihren Reiz ausmacht.« Am glei- Die ComputerSpielSchule Hamburg ist ein zeigen sie ihrem Publikum auch gleich noch, chen Tag folgte eine körperliche Erfahrung beim offenes, wöchentliches Angebot für Jugend- wie sie sich als Super Mario in einem selbstge- Streetgame: Der Workshop ging nach drau- liche (von 13 bis 17 Jahren) und Erwachsene stalteten Level bewegen. ßen, um einfache digitale Spiele wie das betag- zum gemeinsamen Spiel und kreativen Arbei- te Video-Tennisspiel »Pong« von Atari zu simu- 14 Jungs im Alter von elf bis 16 Jahren sind ten mit Spielen; außerhalb der Ferien frei- lieren. Ein Teilnehmer wurde zum Spielball, die Teilnehmer des fünftägigen Herbstferienwork- tags von 14 bis 18 Uhr, bis Ende 2015 in der anderen wurden als Schläger oder Bande ein- shops der ComputerSpielSchule Hamburg in Bücherhalle Holstenstraße, ab Januar für ein gesetzt. der Bücherhalle Holstenstraße. »Leider ist kein halbes Jahr in der Bücherhalle Wandsbek. Mädchen dabei. Schade, denn Mädchen haben Was nach Kleinkinderspiel klingt, soll auf sim- häufig ein besonderes Talent für das Design ple Weise Erkenntnisprozesse fördern. Karin www.computerspielschule-hamburg.de 6
Links zu Spielkritiken und Elterntipps: BIU (Bundesverband interaktive Unterhal- tungssoftware): www.biu-online.de Computerprojekt Köln: www.computerprojekt-koeln.de Computerspielemuseum Berlin: Screenshot aus einem Spiel, das ein Teilnehmer mit der Software Kodu programmiert hat www.computerspielemuseum.de simpler Programmiersoftware in einem vorge- ihrer Vermittlungsarbeit? »Wenn die Teilnehmer Initiative Creative Gaming: gebenen Rahmen eigene Spiele-Ideen umset- etwas von dem mitnehmen, was wir hier auspro- www.creative-gaming.eu zen konnten. Mit »Super Mario Maker« ließ sich biert haben. Wenn sie Freude hatten und nicht mit einer prominenten Figur erproben, wie ein das Gefühl, dass sie nur hier waren, weil sie Spielbar: Level-Design spannend gemacht werden kann. hier sein mussten, um im Auftrag der Eltern ihre www.spielbar.de Und mit dem Icon-basierten, bildhaften Pro- Freizeit sinnvoll zu nutzen. Und wenn am Ende gramm Kodu konnte der kreative Prozess im Ergebnisse präsentiert werden, die mich erstau- Spieleratgeber NRW: klassischen Gamedesign noch freier auspro- nen – spannende Ideen und Kniffe, auf die ich www.spieleratgeber-nrw.de biert werden: Als wären sie Spiele-Entwick- selbst nicht gekommen wäre.« ler hatten die Jungs das Handwerkszeug für Magazin Kulturelle Bildung, Schwerpunkt- Im besten Fall entsteht also die kreative Frei- die Erschaffung einer kleinen Welt. Sie konnten thema Digitale Medien der Bundesvereini- heit, die das Logo der ComputerSpielSchule ver- eigene Landschaften als Spielfelder und Akteu- gung kulturelle Kinder- und Jugendbildung heißt: lauter Gamepads, die wie Fledermäuse re erschaffen, deren Bewegungsmöglichkeiten (BKJ): www.bkj.de (unter Publikationen, oder Schmetterlinge aufsteigen. sie vorgaben. Magazin Nr. 13) Lutz Wendler »Learning by doing« lautet das didaktische Prin- »Games und Bonuslevel« in »Scout. Das zip, mit dem spielerisch Bewusstsein und Krea- Magazin für Medienkompetenz«: tivität der Gamer gefördert werden soll. Woran www.scout-magazin.de misst die Medienpädagogin Karin Liau den Erfolg 7
Porträt FSJ Kultur »Ich mache lieber das, wohinter ich stehe« Pauline Barnhusen absolviert ein Freiwilli- tige Entscheidung getroffen zu haben. »Ich bin ges Soziales Jahr Kultur in der Jugendbib- selbstständiger geworden und die neuen Erfah- liothek Hoeb4U in den Zeisehallen. Sascha rungen haben mir schon total geholfen in der Wiersch startete dort vor zehn Jahren die Pio- Frage, was ich später machen möchte«, sagt nierarbeit der Bücherhallen in Sachen digita- sie. Viel mit Menschen zu tun zu haben, das ist le Medien. auch ein Wunsch für die Zeit nach dem Jahr in der Bibliothek. Pauline Barnhusen ist 18 Jahre jung und hat gerade ihr Abitur geschnürt. Vor ihr liegt der Das FSJ sei ein Modell, von dem letztlich alle Sei- Lebensabschnitt, den viele Menschen als glei- ten profitierten, findet die Direktorin der Ham- chermaßen spannende wie schöne Zeit in Erin- burger Bücherhallen, Hella Schwemer-Martien- Sascha Wiersch arbeitet seit 2005 in der Jugendbibliothek Hoeb4U nerung behalten. Doch wie vermeintlich kata- ßen. Sie sagt: »Die Freiwilligen probieren sich strophal ihre Aussichten auf dem Arbeitsmarkt aus und tun dabei etwas Gutes und Sinnvolles.« mal sein werden, bekommt die junge Frau mit Resultat seien oft Projekte, für die es sonst viel- sich Mittvierziger durch den Musik-Bestand und den dunkelblonden Haaren schon seit Jahren leicht keinen Anstoß gegeben hätte. Ralf Clas- Teenager blättern in roten Sesseln liegend in zu hören. »Meiner Generation wird schon in der sen von der KinderKulturKarawane berichtet: Manga-Comics. An Wochenenden werden hier Schule oder auf Informationsveranstaltungen »Erst waren wir unsicher, ob es eine gute Ent- Workshops zu verschiedensten Themen und im eingebläut, dass wir es richtig schwer haben scheidung war, ein FSJ Kultur einzurichten. Kön- Do-it-yourself-Bereich angeboten oder ein Japa- werden«, erzählt sie. »Besonders, wenn man sich nen wir den jungen Menschen eine spannende nisch-Einführungskursus. Im Internet präsentiert wie ich eher für den kulturellen Bereich interes- Einsatzstelle bieten? Müssen wir nicht zu viel Zeit sich Hoeb4U mit einer eigenen Homepage sowie siert. Ich weiß wirklich nicht, warum man uns investieren für Anleitung und Betreuung? Jetzt auf den sozialen Netzwerken Twitter, Instagram, immer Angst macht.« sind wir begeistert über die hoch motivierten Tumblr und natürlich Facebook, wo es offenbar jungen Leute, die uns extrem wirkungsvoll unter- zu einer interessanten Schnittmenge kommt. Von Um sich gedanklich zu sortieren und prak- stützen und ein bisschen ‚frischen Wind‘ in unser den knapp 550 Personen, die dort auf »Gefällt tische Erfahrungen für ihren späteren Werde- Projekt bringen.« mir« geklickt haben, interessieren sich laut Face- gang zu sammeln, absolviert Pauline Barnhu- book viele auch für die Seite der Bücherhallen sen seit September ein Freiwilliges Soziales Jahr Die Jugendbibliothek Hoeb4U ist in den altehr- Hamburg – und die Trash-TV-Sendungen »Köln (FSJ) Kultur bei der Jugendbibliothek Hoeb4U in würdigen Zeisehallen ansässig und eine Biblio- 50667« und »Berlin – Tag & Nacht«. Ottensen. Kundenkontakt, neue Artikel in den thek der etwas anderen Art. Läuft man auf die Bestand aufnehmen – Barnhusen ist in den nor- geöffnete Eingangstür zu, fällt der erste Blick Einer der Initiatoren des Projekts ist Sascha malen Arbeitsalltag voll eingebunden und sich auf einige jüngere Jugendliche, die sich an einer Wiersch. Hamburgs erste Jugendbibliothek schon nach den ersten Monaten sicher, die rich- Playstation versuchen. Weiter hinten stöbern wurde vor zehn Jahren eröffnet, Wiersch war 8
oder reine Unterhaltung sei oder eben einen tiefgründigen Inhalt biete, »kommt immer auf Im Freiwilligen Sozialen Jahr in der Kultur das Produkt selbst an, nicht anders als bei (FSJ Kultur) engagieren sich Jugendliche und Büchern.« junge Erwachsene zwischen 16 und 26 Jah- ren für ein Jahr in verschiedenen kulturellen So etwas wie ein Paradebeispiel für pädagogisch Einrichtungen. Die Freiwilligen unterstützen verwertbare Videogames ist Minecraft. In dem das Team in den täglichen Aufgaben, brin- von einem schwedischen Programmierer entwi- gen neue Ideen ein und stellen einen guten ckelten Spiel ist der Anwender nicht an eine vor- Kontakt zur (jungen) Zielgruppe her. Durch gegebene Handlung gebunden. Unter anderem ihren Einsatz unterstützen sie nachhaltig die Pauline Barnhusen absolviert ein freiwilliges soziales Jahr im Bereich Kultur geht es darum, mit würfelartigen Blöcken etwas Arbeit der Einrichtungen. zu konstruieren. Für Minecraft gibt es Lehr- material, in den USA arbeiten Hunderte Schulen Wer sich vorstellen kann, einem jungen Men- einer der drei Festangestellten. Heute sind es bereits mit dem Spiel. schen seinen Kulturbetrieb näher zu brin- fünf Angestellte, fünf Auszubildende und Pau- gen und ihn in einer Orientierungsphase zu line Barnhusen. »Damals«, blickt Wiersch auf Wenn Pauline Barnhusen ihr FSJ beendet hat, begleiten, sollte die Gelegenheit nutzen und die Anfangszeit zurück, als er erst 24 Jahre alt möchte sie ein Studium aufnehmen – und mit seiner Einrichtung eine FSJ Kultur Ein- war, »waren wir extremst innovativ.« Das Ange- zwar allen Unkenrufen zum Trotz im kulturellen satzstelle werden. Die Kapazitäten dafür bot von Hoeb4U richtete sich explizit an 14- bis Bereich. Von der Panikmache lässt sie sich schon wachsen. Zum Jahrgang 2016/2017 werden 24-Jährige, hatte aber keinerlei Schulmaterialien lange nicht mehr beeindrucken. »Wenn ich spä- 25 neue Plätze eingerichtet. im Angebot. Nur die Hälfte des Bestands waren ter halbherzig etwas anderes studiere, nur weil Bücher, die andere Hälfte audiovisuelle Medi- dort die Berufsaussichten besser sind, macht Weitere Informationen Katrin Claussen und en bis hin zu Spielen für Playstation und X-Box. mich das doch nicht glücklich«, sagt sie. »Dann Rebekka Leibbrand 040/180 13 844 oder Computerspiele in einer Bibliothek? Damals fast mache ich lieber etwas, was ich toll finde und info@fsjk-hamburg.de. schon eine Provokation. wohinter ich stehe. Damit werde ich auch mehr Erfolg haben.« Mittlerweile gibt Wiersch Seminare mit Titeln wie »Gaming in Bibliotheken«, und immer Arne Bachmann mehr Bücherhallen in ganz Deutschland ver- leihen auch Videospiele. Wiersch, selbst seit vielen Jahren begeisterter Gamer, findet das nur logisch. Ob ein Videospiel purer Nonsens 9
Interview Im Gespräch mit Isabella Vértes-Schütter »Kinder- und Jugendkultur bleibt Querschnittsaufgabe« Immer wieder in Frage gestellt zu werden, deutlich, dass das auf viele großartige Akteu- tut uns allen gut. Die Arbeit mit Kindern und re zurückgeht, die schon lange tätig waren, Jugendlichen hat im Haus eine große Flexibi- bevor diese Themen systematisch politisch lisierung bewirkt, weil wir uns immer wieder bewegt wurden. Aber wir sind inzwischen an auf neue Gruppen von Jugendlichen mit unter- einem Punkt, an dem die strukturelle Verknüp- Welche Bedeutung hat die Kinder- und schiedlichen Bedürfnissen einstellen müssen. fung von Kultur und Schule in der Fläche wei- Jugendkultur für Sie? Die positiven Effekte werden uns besonders tergebracht werden muss. Deshalb sind sich Isabella Vértes-Schütter: Ich erlebe immer wie- bewusst, wenn zum Beispiel John Neumeier, die Koalitionspartner einig, dass ein gut ausge- der, was für eine starke Erfahrung es ist, wenn der am Ernst Deutsch Theater mit seiner »Werk- statteter Fonds Kultur und Schule auf den Weg Kinder und Jugendliche sich kreativ ausprobie- statt der Kreativität« zu Gast ist, uns sagt, dass gebracht werden muss. In der letzten Legislatur ren, die eigenen Möglichkeiten ausloten und hier alles so einfach funktioniere. Weil wir die sind 500.000 Euro zusätzlich geflossen. Ich bin Grenzen zu überschreiten versuchen. Krea Anforderungen und Wünsche der jungen Tän- aber sehr zuversichtlich, dass wir in den kom- tive Prozesse sind entscheidend für die Per- zer, die mit eigenen Choreographien, Beleuch- menden Jahren weitere Schritte machen wer- sönlichkeitsentwicklung. Es geht dabei auch tungsideen und anderen Konzepten hierher den. Wir wollen in dieser Legislatur einen sol- um Fragen der Selbstverwirklichung: Wie stel- kommen, aufnehmen und unkompliziert umset- chen Fonds kreieren. le ich mich dar, wie wirke ich auf andere, was zen. Die Arbeit mit jungen Menschen empfin- ist meine Identität? Die Künste eröffnen unter- den wir an diesem Theater nicht nur als sozi- Wie könnte der aussehen? schiedlichste Zugänge. Das Theater ist in die- al und pädagogisch wertvoll, sondern auch als Wir haben eine Fülle von hochwertigen Projek- ser Hinsicht wohl das ursprünglichste Medium, künstlerisch bereichernd. ten in der Stadt. Es wird jedoch beklagt, dass weil es aufs Spielen zurückgeht, und das ist für die Verstetigung, die strukturelle Verlässlich- jedes Kind elementar. Deshalb war es für mich Stichwort Koalitionsvertrag. Dort ist die Rede keit nicht ausreichend gegeben ist. Wir haben von Anfang an klar, dass wir am Ernst Deutsch davon, dass Hamburg die kinderfreundlichste immerhin schon erreicht, dass es in jeder Schu- Theater eine Jugendsparte aufbauen müssten. deutsche Stadt werden wolle. Wie kinderfreund- le einen Ansprechpartner für das Thema kul- Seither ist die theaterpädagogische Arbeit hier lich ist Hamburg heute? Was ist noch zu tun? turelle Bildung gibt. Ein zu schaffender Fonds so ins Zentrum gerückt, dass unser Haus gar In der letzten Legislatur haben wir zum Beispiel sollte uns ermöglichen, dass verlässliche Struk- nicht mehr ohne vorstellbar ist. ein großes Kita-Programm realisiert, auf das ich turen entstehen, damit das Angebot möglichst sehr stolz bin. Wir müssen weiter daran arbei- von allen Kindern und Jugendlichen in der Stadt Was bringt die Theaterarbeit mit Jugendlichen ten, kostenfreie Zugänge zu Bildung zu eröff- genutzt werden kann. Ihnen persönlich? nen. Was die kulturelle Bildung anbelangt, hat Sie hält mich wach und ermöglicht mir, immer eine Expertenanhörung ergeben, dass wir eine Wie sollte das organisiert werden? wieder neu hinzugucken und die Dinge nicht unglaubliche Vielfalt an Projekten haben, die So ein Fonds soll selbstverständlich behörden- für gesetzt und selbstverständlich zu halten. Kultur und Schule verbinden. Es wurde auch übergreifend sein. Er muss aber gemeinsam von 10
der Kultur-, der Schul- und der Sozialbehörde angestoßen werden. Und es müssen elementa- re Fragen geklärt werden: Wo sollte der Fonds aufgesetzt werden? Wie kann er ausgestat- tet sein? Wer würde die Mittel vergeben? Ins- titutionen wie die LAG Kinder- und Jugendkul- tur und der Verein Stadtkultur Hamburg sind für uns wichtige Partner, die in diesem Prozess ihr Expertenwissen einbringen. Wie könnte dieser Fonds ausgestattet sein? Ich weiß, dass es die Wunschvorstellung in der Szene gibt, dass es zwei Millionen Euro sein sollten. Wir haben erst einmal eine halbe Mil- lion Euro geschafft, weil die Kultur- und Tou- rismustaxe Spielräume für eine Umschichtung im Haushalt geschaffen hat. Es stellt sich jetzt die Frage, wie sich zusätzliche Mittel generie- ren lassen. Die Aufgaben der Stadt werden ja nicht kleiner ... Wichtig bleibt aber, dass wir weitere Ziele in Angriff nehmen. Und das tun Isabella Vértes-Schütter, Intendantin und SPD-Bürgerschaftsabgeordnete wir. Ich weiß jedoch aus Erfahrung, dass es kaum etwas Komplizierteres gibt als behörden- übergreifende Abstimmungsprozesse. Ich wün- nicht enthalten die Fördermittel, die im Rahmen Der Aufbau neuer Strukturen ist eine sche mir, dass wir für den Haushalt 2017/18, institutioneller Förderansätze von Kultureinrich- Sache. Wie aber sieht es mit dem Erhalt über den Ende 2016 beraten wird, etwas vor- tungen bereitgestellt werden. Hinzu kommt das bewährter Einrichtungen aus, deren Existenz liegen haben. Engagement von Schulbehörde, Sozialbehör- zuweilen prekär ist? de und Stadtentwicklungsbehörde. Verstärkte Den Koalitionspartnern ist bewusst, dass Wie viel gibt die Stadt jährlich für Kinder- Investitionen waren über den Sanierungsfonds wir wichtige Projekte verstetigen müssen, und Jugendkultur aus? 2020 möglich und neue Möglichkeiten erge- deren Finanzierung nicht gesichert ist, weil Die Kulturbehörde finanziert Kinder- und Jugend- ben sich über den Quartiersfonds. Kinder- und sonst etwas kaputtzugehen droht, was wert- kultur mit rund 2,7 Millionen Euro. Darin sind Jugendkultur bleibt Querschnittsaufgabe. voll ist. Mit Buchstart, der HipHop Academy, 11
dem Forschungstheater und KIKU in Bergedorf Wie sehr setzen Sie auf die Unterstützung nicht nur um kulturelle Leuchttürme gehen soll, möchte ich hier nur vier Projekte nennen, für der Kinder- und Jugendkultur durch Stiftungen? sondern dass Olympia in Hamburg etwas ist, an die wir behördenübergreifend Lösungen gefun- Wir waren uns schon in der vergangenen Legis- dem alle teilhaben, denn die Infrastruktur unse- den haben, um sie zu stabilisieren. Das war latur einig, dass man diese Hilfe nicht überstra- rer Stadt wird sich dadurch verändern. Das eröff- eine große Kraftanstrengung. Aber es kommt pazieren darf. Die Stadt wird durch das star- net große Chancen auch für die Kinder- und auch immer wieder Kritik aus der Szene, dass ke private Engagement in Hamburg nicht von Jugendkultur. Es muss unser Ziel sein, dass ins- nichts Neues entstehen kann, wenn die Behör- ihren Aufgaben befreit. Wenn 50 Prozent eines besondere Basisprojekte davon profitieren. den darum bemüht sind, nur das Bestehende Projekts durch private Zuwendungen geschul- finanziell abzusichern. tert werden, dann ist es notwendig, dass die Interview: Lutz Wendler Stadt die andere Hälfte gibt. Wenn Stifter Wo sehen Sie besonderen Handlungsbedarf? alleingelassen werden, lässt sich deren Bereit- Bei Fragestellungen der ganztägigen Betreuung, schaft nicht halten. der frühkindlichen Bildung, der Inklusion und der Integration von Flüchtlingen. Welche Bedeutung hat ein Projekt wie die Kulturagenten? Isabella Vértes-Schütter, Die Kultur sollte ein wesentlicher Faktor sein, Das ist sehr wichtige Vermittlungsarbeit an 24 Jahrgang 1962, ist seit 1995 in der Nach- um diesen Aufgaben gerecht werden zu kön- Stadtteilschulen, die vielfältige kulturelle Ange- folge ihres verstorbenen Ehemannes Fried- nen. Das ist auch im Bewusstsein der beteilig- bote kennenlernen. Das stärkt Kinder in den rich Schütter Intendantin des von ihm mit- ten Behörden. Gerade was die Integration von Quartieren, und auch die Arbeit der Lehrer. Das gegründeten Ernst Deutsch Theaters. Für Flüchtlingen anbelangt, kommen ganz neue ist ein Programm, das Zeit braucht, um die Mög- die SPD wurde sie 2011 und 2015 in die Fragestellungen auf den Plan. Und ich erinne- lichkeiten auszuschöpfen und zu verstetigen. Hamburgische Bürgerschaft gewählt. Sie ist re auch daran, dass die Rahmenzuweisung für Glücklicherweise wurde es ja gerade bis 2018 Fachsprecherin ihrer Fraktion für Kultur. Die die Stadtteilkultur, die ja auch viele Projekte der verlängert. Ein ähnlicher Glücksfall sind die Kul- Schauspielerin und promovierte Ärztin hat Kinder- und Jugendkultur betrifft, zuletzt 2009 turLotsen als künstlerische Begleiter an Schulen. zwei Kinder. angehoben wurde. Auch das ist eine Aufgabe, die wir bei der Aufstellung des nächsten Haus- Sollten Olympische Spiele in Hamburg ein Die Jugendsparte am Ernst Deutsch Theater halts vor uns haben. Es bringt jedoch nichts, Ereignis sein, von dem gerade Kinder und wurde 2003 gegründet. Jedes Jahr arbeiten die Mittel zu erhöhen, wenn es keine effektiven Jugendliche in der Stadt etwas haben? sechs Jugendclubs an – oft genreübergrei- Strukturen gibt. Das Gleichgewicht muss stim- Selbstverständlich. Ich finde es gut, dass die fenden – Theaterprojekten. Die Ergebnisse men. Und es ist sehr wichtig, dass wir in der Kultur in einer so frühen Phase der Diskussion werden beim mehrtägigen Plattform-Festival Fläche mit unserem Angebot weiterkommen, bereits ein Thema ist. Ich habe von Menschen vorgestellt. Außerdem ist das Ernst Deutsch also alle Kinder und Jugendlichen in Hamburg aus London gehört, dass es dort nicht so war. Theater regelmäßig an dem Programm erreichen. Es ist jedenfalls ein gutes Signal, dass es bei uns »TUSCH – Theater und Schule« beteiligt. 12
News Krieg und Katastrophen: »Seiteneinsteiger«-Lesung Kinder brauchen Kunst. Wie gehen wir mit Kindern und Familien um, die buch wurde »Herr Schnuffels« (ab 5 Jahre) von Stadt in jedem Fall nütze, auch wenn sie nicht entwurzelt und traumatisiert hier ankommen? David Wiesner ausgezeichnet, als bestes Kinder- erfolgreich sein sollte, weil die Hamburg im Pro- Was kann ein ästhetischer Handlungsansatz zur buch »Der Träumer« (ab 10 Jahre) von Pam zess darüber nachdenke, wie sie sich sehe und Verarbeitung leisten? Wo liegen die Grenzen Muñoz Ryan (Text) und Peter Sís (Illustration). wie sie wahrgenommen werden möchte. Ein sol- für nicht therapeutisch ausgebildete Kursleiter? Das beste Jugendbuch 2015 kommt aus dem cher »Kulturplan« sei in jedem Fall ein Gewinn Welche Unterstützung braucht es dazu von Sei- Carlsen Verlag, »Schneeriese« von Susan Kreller für die Stadt. Mackenzie: »Hamburg kann nur ten der Behörden/Politik? Diesen Fragen gehen (ab 12 Jahre). Außerdem erhielt die Hamburger gewinnen.« Skeptisch stimmt allerdings, dass für wir in einer Podiumsdiskussion am 18. Februar Illustratorin Sabine Friedrichson für ihr Lebens- vier Jahre kulturelle Olympiade (alle Sparten, alle um 19.30 Uhr mit Ankerland e.V., stART inter- werk den Sonderpreis der neunköpfigen Kritiker- Zielgruppen, internationale Projekte) weniger als national e.V., der LichtwarkSchule und anderen jury. Das Preisgeld pro Sparte beträgt 8000 Euro. 0,3% des Gesamtetats der Spiele – nämlich 30 nach (Ort wird noch bekannt gegeben, Eintritt 5 Der Sonderpreis ist mit 10.000 Euro dotiert. Millionen – kalkuliert wurden. Euro, um Spenden wird gebeten). www.djlp.jugendliteratur.org Am 19. Und 20. Februar folgt ein Workshop (wo: Das Lesefest »Seiteneinsteiger« ORT) zur praktisch-künstlerischen Auseinander- feierte seinen zehnten Geburtstag setzung mit Fragen zu den Themen Flucht, Hei- Londons Kulturbeauftragte lobt Was 2005 mit einem Tag im Herbst begann, an mat, Trauma, interkulturelle Kompetenz und der Olympia-Kulturdiskussion dem das Lesen gefeiert werden sollte, hat sich Bedeutung eines ästhetischen Handlungsansat- »Brillant, wie das hier läuft«, sagte Ruth MacKen- zu einem respektablen Festival mit vielseitigen zes von stART international e.V. für Einsteiger, zie kürzlich in einem Interview mit dem Hambur- Literaturveranstaltungen für Kinder und Jugend- bei ausreichender Nachfrage zusätzlich für Fort- ger Abendblatt. Die Kulturbeauftragte der Olym- liche entwickelt, das in diesem Jahr seinen zehn- geschrittene (Teilnahmegebühr 190 Euro). Der pischen Spiele in London 2012 lobte den früh ten Geburtstag feierte. Das von der Kultur- und Workshop ist eine Kooperation der LAG Kinder- angestoßenen Diskussionsprozess: »Mit den füh- der Schulbehörde geförderte Lesefest »Seitenein- und Jugendkultur mit der gemeinnützigen Licht- renden Köpfen der Kulturszene zu beginnen – steiger« ging 2015 über neun Tage und bot rund warkSchule. Weitere Infos und Anmeldung auf und dann die anderen Menschen in der Stadt 200 Veranstaltungen in Schulen und an öffentli- der LAG-Website. mitzunehmen, das ist ein guter Weg. So war es chen Orten. Das alles basierend auf dem Grund- bei uns in London leider nicht. Wir haben nicht gedanken, die reiche Vielfalt der Kinder- und www.kinderundjugendkultur.info Jahre vor dem eigentlichen Event alle Kultur- Jugendliteraturstadt Hamburg mit ihren zahlrei- schaffenden der Stadt zusammengerufen, um chen Autoren, Illustratoren und wichtigen Verla- Hamburger Verlage Nummer 1 darüber zu sprechen, was man machen könn- gen in den Fokus zu rücken. Außerdem haben bei Kinder- und Jugendliteratur te, welche Themen wir setzen wollen. Um zum die »Seiteneinsteiger«-Gründerinnen Nina Kuhn Vier von sechs Preisen bei der Verleihung der Beispiel sicherzustellen, welches Vermächtnis (Leitung) und Stefanie Ericke (Programm) 2009 Jugendliteraturpreise 2015 auf der Frankfurter wir uns für unsere Bevölkerung, unsere Stadt, mit dem Lesenetz Hamburg ein Forum initiiert, Buchmesse gingen nach Hamburg. Doppelt unsere Kulturszene, unsere Künstler wünschen.« das die Akteure der außerschulischen Leseförde- erfolgreich war der Aladin Verlag: Als bestes Bilder- MacKenzie sagte auch, dass eine Bewerbung der rung zusammenbringt. 13
Kritik »Kirschkern & Compes« Fluchtgeschichten aus der Kleiderkammer Kirschkern & Compes bringen Joke van Leeu- bare Vorlage. Die niederländische Autorin und die Erwachsenen im raschen Wechsel von einer wens Kinderbuch »Als mein Vater ein Busch Illustratorin hat Krieg, Vertreibung und Flucht schrillen Rolle zur anderen (insgesamt 14 Figu- wurde und ich meinen Namen verlor« in einer aus der Perspektive eines etwa zehn Jahre ren) so spielt, wie Toda sie wahrnimmt: immer virtuosen Bearbeitung auf die Bühne. alten Mädchens beschrieben – als unterhalt- ein bisschen verschroben, oft unverständlich same und spannende Geschichte, mit vielen und manchmal gefährlich seltsam. Die verschie- Es ist ein Bild, das bleibt. Der Berg aus alten skurrilen (erwachsenen) Figuren und oft gro- denen Spielarten des Verrücktseins der Erwach- Kleidern auf der Bühne des Fundus-Theaters tesk wirkenden Situationen, in denen es einiges senen in den Zeiten des Krieges sind sozusagen wirkt als Überhöhung, die sich den Betrachtern zum Lachen gibt, aber Ängste und Schrecken die unterhaltsame Begleitmelodie des Stücks. unmittelbar erschließt. Ganz konkret ist er in als Subtext stets präsent sind. Diese zwischen der neuesten Produktion von Kirschkern & Com- Unterhaltung, Information und einem unter- Kirschkern & Compes profitieren von Joke van pes »Als mein Vater ein Busch wurde und ich schwelligen Gefühl ständiger Bedrohung chan- Leeuwens besonderer Gabe, komplexe Zusam- meinen Namen verlor« wandlungsfähiges Büh- gierende Atmosphäre ins Theater zu übertra- menhänge in Szenen zu übersetzen, die Kin- nenbild und Kostümfundus, doch zugleich steht gen, ist trotz der virtuos gebauten Vorlage kein der begreifen. Wenn das Mädchen Toda zum der Berg als Symbol für die instabile und impro- Selbstgänger. Kirschkern & Compes aber haben Beispiel mit anderen geflüchteten Kindern im visationsbedürftige Situation von Flüchtlingen. es geschafft, die vielfarbige Stationengeschich- Haus Gemeinwohl landet und mit Geschenken te überzeugend in ihren kleinen Bühnenmaß- beglückt werden soll, die sie nicht haben will, Judith Compes und Sabine Dahlhaus haben stab zu übertragen (Text: Marie Stolze, Regie: und am Ende für ihre Undankbarkeit beschimpft ein gutes Händchen dafür, in Kinderbüchern Luisa Taraz). wird, dann ahnt man, wie anstrengend es sein geeignete Stoffe für die Bühne zu entdecken. kann, auf Mildtätigkeit angewiesen zu sein. Viel Ihre Umsetzung der Vorlage ist stets so origi- Ein Coup ist die überraschende Rollenvertei- spontanes Gelächter gibt es für Todas Versuche, nell, dass etwas Eigenes entsteht, das typisch lung. Judith Compes, die Ältere der beiden, die Sprachbarriere zu überwinden. Das Verstän- ist für die Arbeit von Kirschkern & Compes. Die spielt Toda, das Mädchen, das allein auf die digungsproblem wird zur komischen Nummer, Ergebnisse sollen aber nicht Markenzeichen Reise ins Nachbarland geschickt wird, weil in wenn Toda sich mit Vokabeln wie Misselie und sein, sondern Versuchsanordnungen mit offe- der Heimat ein Krieg herrscht. Sabine Dahlhaus Junselie (Mädchen und Junge), Törsel und Fan- nem Ergebnis – denn das Kinder- und Jugend dagegen wechselt oft die Kleider und schlüpft strel (Tür und Fenster) oder der Konjugation von theater-Duo scheint kontinuierlich einer künst- vor den Augen des Publikums von einer »hubsele« (haben) plagt: ö hubsel, dö hubsel ... lerischen Maxime zu folgen: risikobereit blei- Erwachsenen-Rolle in die nächste und baut Herzstück der Inszenierung ist aber der Kleider- ben, sich selbst und das Publikum immer wie- dabei nach und nach den Kleiderberg ab. berg, der so wandlungsfähig ist, wie es Men- der neu überraschen. Aus dieser Aufteilung entsteht eine interessan- schen auf der Flucht sein müssen. Er dient den Das 2012 erschienene Kinderbuch »Als mein te Konstellation. Compes erzählt unaufgeregt Darstellerinnen als Kleiderkammer, als Haus Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen aus der Sicht des Mädchens Toda eine aben- und Höhle, als Versteck. Nach und nach wer- verlor« von Joke van Leeuwen ist eine dank- teuerliche Fluchtgeschichte, während Dahlhaus den die Kleidungsstücke abgetragen, so dass 14
Judith Compes und Sabine Dahlhaus gründeten 1998 ihr mobiles Kindertheater Kirschkern & Compes. Seither haben die bei- den 16 Produktionen herausgebracht: Mär- chenadaptionen (»Schneewitte«, »La Frosch- könig«), eine Gedichtrevue (»Ottos Mops«), Kinderbuch-Bearbeitungen (»Anton und die Mädchen«, »Dr. Brumm kommt in Fahrt«), eine preisgekrönte Kasperletheater-Variation (»Tri Tra Trullala – Kasperl, Melchior Baltha- sar«) und Jugendtheater-Stoffe (»Ihr Lieben, viel zu weit entfernten«, »Jinx. Verhext.«). Für Dr. Brumm wurden Kirschkern & Com- pes kürzlich mit dem 2. Hamburger Kin- dertheaterpreis ausgezeichnet. In Hamburg sind die beiden das nächste Mal vom 16. bis 20. Dezember im Fundus-Theater mit dem ebenfalls prämierten »Tri Tra Trullala« zu sehen. Buchungen über www.kirschkern- compes.de. Joke van Leeuwens Kinderbuch »Als mein Judith Compes (l.) und Sabine Dahlhaus auf dem Kleiderberg, der im Zentrum ihrer neuen Inszenierung steht Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor« ist mit den Illustrationen der ein Skelett von Paletten sichtbar wird, die wie- Kirschkern & Compes haben sich mit ihrer neu- Autorin in deutscher Übersetzung von Hanni derum zu Häusern und Schaltern für die inqui- esten Produktion wieder selbst übertroffen. Ehlers 2012 im Gerstenberg Verlag erschie- sitorische Passkontrolle umfunktioniert werden. Dusseldödu – Danke schön. nen (6,99 Euro, Altersempfehlung 10-12 Julia Berndt (Bühne/Kostüm) gelingt ein kleines Jahre). Gesamtkunstwerk, indem sie das Thema in ein Lutz Wendler für sich sprechendes Bühnenbild übersetzt. 15
Schule & Kita KWB und die Kulturagenten Das Programm in der Stadt verstetigen Christine Reinhold, Projektleiterin der KWB, äußerte sich einige Wochen später gegenüber Das Modellprogramm »Kulturagenten für kre- dem Magazin »kju« zur künftigen Arbeit. ative Schulen« startete zum Schuljahr 2011/12 Man könnte sagen, dass es durchaus Signalwir- in den fünf Bundesländern Baden-Württem- kung habe, dass die KWB im »Haus der Wirt- berg, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen schaft« in Hamburgs City-Nord beheimatet ist und Thüringen an insgesamt 138 Schulen mit – auch für die Kulturagenten. Künftig soll in 46 Kulturagenten. In Hamburg leisteten seither dem Programm die Schnittstelle von Schule, Kul- acht Kulturagenten an jeweils drei Stadtteilschu- tur und Wirtschaft mehr in den Fokus rücken. len wertvolle Arbeit, somit kamen 24 Hamburger »Diese Schnittstelle wird ja bereits von uns bear- Schulen in den Genuss der gezielten Vermittlung beitet. Berufsorientierung, eine Zusammenar- von Kunst und Kultur. Für die Kulturagenten ging beit mit Unternehmen und der Bezug zur Wirt- es in erster Linie darum, gemeinsam mit Schülern, schaft wurden in den vergangenen vier Jahren Lehrern, Eltern, Künstlern und Kulturinstitutionen bei den Kulturagenten nicht so stark behandelt, ein fächerübergreifendes Angebot an kultureller aber genau das ist unsere Expertise«, sagt Chris- vom Know-how und den künstlerischen Netz- Bildung aufzubauen, das auch nach dem Ende tine Reinhold. werken aller Kulturagenten profitieren würden. des Programms bestehen kann und eine langfris- tige Versorgung der Schulen mit Kunst und Kultur Alle acht Kulturagenten der vergangenen vier Bisher hatte die KWB zwar noch kein Programm gewährleistet. Jahre wurden neu eingestellt, arbeiten nun mit mit ausschließlich kultureller Ausrichtung unter einer deutlich engeren Anbindung an die Ham- ihrem Dach, doch es gab durchaus Berührungs- Die erste Phase endete 2015, und im Sommer burger Landestelle KWB. Dort treffen sie sich punkte mit Kultur innerhalb der hauseigenen wurden die Weichen für die kommenden vier regelmäßig und tauschen sich über Inhalte aus. Angebote. Auf einer ersten Informations-Veran- Jahre gestellt. Auf der Grundlage eines Bewer- Da die KWB nun direkter Arbeitgeber ist, fällt staltung im laufenden Schuljahr erfuhren die 24 bungsverfahrens wurde die »Koordinierungs- Verwaltungsarbeit der Agenten weg, die bislang Stadtteilschulen, die bisher am Programm teil- stelle Weiterbildung und Beschäftigung e.V. noch für die vorherige, in Berlin ansässige Koor- genommen hatten, dass sie weiterhin dabei sein (KWB)« ab September mit der Organisation dinierungsstelle zu leisten war. werden und wie es weitergeht. Und es wurde eine der Hamburger Kulturagenten von der Behör- Erweiterung in Aussicht gestellt: Das Programm de betraut. KWB hat organisatorische Kompe- Die Netzwerke sollen künftig flexibler struktu- könnte sich für weitere Stadtteilschulen öffnen. tenzen und wird diese für den Bereich kultu- riert werden, also nicht mehr nur nach Stadttei- relle Bildung zur Verfügung stellen. Bei einem len organisiert, sondern an Themen ausgerichtet 24 Schulen bilden ungefähr die Hälfte aller Ham- gemeinsamen Termin von Schulbehörde, Kultur- sein. Dann könnte es zum Beispiel ein Netzwerk burger Stadtteilschulen. Zwei weitere haben Inter- behörde, KWB und LAG wurde über die Perspek- zum Theater geben und eines zur Bildenden esse angemeldet, und diese beiden könnten noch tiven des Programms gesprochen. Kunst, so dass künftig alle beteiligten Schulen im laufenden Schuljahr ins Programm aufgenom- 16
Um das Kulturagenten-Programm in Hamburg aber dauerhaft zu etablieren, wird es nötig sein, es breiter und stabil aufzustellen. Chris- tine Reinhold ist zuversichtlich, was die nach- haltige Neustrukturierung betrifft: »Wir haben zusammen mit der Hamburger Kultur- und der Schulbehörde ein Finanzierungskonzept erar- beitet. Planmäßig wird die Stiftung nach und nach die Verantwortung an die Bundesländer übergeben. Zukünftig werden wir zehn Pro- zent des Gesamtetats erwirtschaften müssen, entweder durch Gewinnung neuer Stiftun- Szene aus dem Video »The Farmsen Fashion Week« an der Erich-Kästner-Stadtteilschule gen oder durch Fundraising oder Sponsoren – die Verantwortung liegt bei uns und der Stadt men werden, sagt Christine Reinhold. »Uns ist Christine Reinhold: »Je mehr Zuspruch wir von Hamburg.« wichtig, dass das Kulturagenten-Programm ein den Schulen bekommen, desto mehr Zuspruch Hamburg-Label bekommt und in der Stadt ver- wird auch von weiteren Institutionen kommen, Dagmar Ellen Fischer stetigt wird.« die das Potenzial erkennen und es sowohl ideell als auch finanziell unterstützen.« Das von der KWB eingereichte Konzept wurde KWB – 1990 auf Anregung des Hamburger von der Behörde für gut befunden und ausge- In den vergangenen vier Jahren standen für den Senats und der Agentur für Arbeit gegrün- wählt. Christine Reinhold räumt ein, dass es Start des Modellprogramms in den fünf Bundes- det – hat sich als oberstes Ziel gesetzt, die Punkte gebe, die erst noch entwickelt werden ländern insgesamt rund 22,8 Millionen Euro zur Beschäftigung zu fördern und zu diesem müssten: »So wollen wir zum Beispiel Veranstal- Verfügung – eine finanziell sehr gute Ausstattung. Zweck innovative Strategien zu entwickeln. tungsformate erarbeiten. Mit unserem Know- Hauptgeldgeber waren die Kulturstiftung des Bun- Christine Reinhold ist Projektleiterin der how und den Erfahrungen der Kulturagenten der des und die Stiftung Mercator mit jeweils zehn Mil- »Kulturagenten für kreative Schulen«. Sie vergangenen vier Jahre haben wir einen ganz lionen Euro, die beteiligten Bundesländer übernah- arbeitet seit mehr als vier Jahren für die besonderen und wertvollen Erfahrungsschatz.« men die Kofinanzierung. Nun aber wird das Pro- KWB. Sie studierte Germanistik, Linguis- gramm in die Zuständigkeit der einzelnen Länder tik und Philosophie, absolvierte eine Aus- Mehr Schulen in das Modellprogramm aufzu- überführt. Klar ist, dass die Länder in der zweiten bildung zur Medienkauffrau und arbeitete nehmen, ist Voraussetzung dafür, dass die »Kul- Phase mehr Verantwortung übernehmen, organi- bereits in den Bereichen Projekt-Manage- turagenten an kreativen Schulen« zu einem Fak- satorisch und finanziell. Mit der Folge, dass weni- ment, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. tor werden, den niemand mehr missen möchte. ger Geld als in der Startphase zur Verfügung steht. www.kwb.de 17
Pro + Kontra Pro Computerspiele als Kulturgut Das spannendste Medium unserer Zeit Digitale Spiele sind heute unumstrittener Bestand- telt einen künstlerischen Umgang mit ihrem All- teil der Jugendkultur. Sie sind für die Heranwach- tagsmedium. Dabei wird das digitale Spiel zum senden zum Raum für soziale Begegnungen, Werkzeug oder Sandkasten für neue Kulturpro- virtuelle Wettkämpfe und das Erproben neuer dukte: als Kulisse für den eigenen Animations- Vera Marie Rodewald Kultur- und Inszenierungspraktiken geworden. film, als Setting für die digitale Landschaftsfoto- Knapp die Hälfte aller Jugendlichen ab zwölf Jah- grafie, als Vorlage für die Reproduktion lebens- eigenen Lebenswelt. Deshalb muss ihren ganz ren spielt mehrmals die Woche oder sogar täglich großer Computerspielfiguren. Die Jugendlichen eigenen kulturellen bzw. ästhetischen Wahrneh- auf der Konsole, dem Computer, online oder auf lernen dabei, die typische Ästhetik und charakte- mungen und Gestaltungsstrategien Raum gege- dem Handy (Medienpädagogischer Forschungs- ristischen Bestandteile digitaler Spiele zu benen- ben werden. Kulturelle Bildung entsteht dabei im verband Südwest: Jugend, Information, (Multi-) nen und mit ihrer konkreten Wirklichkeit in Bezie- Wechselspiel von Rezeption und Produktion, indi- Media, 2014). Sie schlüpfen in vertraute oder hung zu setzen. Vor allem erkennen sie durch die viduellem und gemeinschaftlichem Lernen, ästhe- bisher unbekannte Rollen, bewegen sich ohne gestalterische Auseinandersetzung aber, dass sich tischer Wahrnehmung, Erkenntnis und künstle- Scheu in fiktiven Umgebungen und erzählen dort Grenzen überschreiten und Regeln in Compu- rischem Handeln« (Empfehlung der Kultusminis- ihre eigenen Geschichten. So werden die digita- terspielen brechen lassen. Der Regelbruch eröff- terkonferenz zur kulturellen Kinder- und Jugend- len Spielewelten zum Experimentierfeld für das net neue Ausdrucksmöglichkeiten für die kultu- bildung, 2013). Ein medienkritisches Bewusstsein eigene Probehandeln. Trial and Error, Scheitern relle Teilhabe. lässt sich folglich erst dann aneignen, wenn ein und Neuanfang. Denn Computerspiele weisen Wechsel der Perspektive vorgenommen wurde. ein besonderes Merkmal auf: Sie eröffnen alter- Das digitale Spiel zeigt sich also als das womög- Um Spielregeln zu brechen und die digitale Spiel- native Erlebnisräume, in denen das eigene Han- lich spannendste Medium unserer Zeit. Weil es kultur für den Erwerb kognitiver und kreativer deln nur scheinbar durch programmatische Gren- interaktiv ist, kommt es ohne die Spielenden nicht Kompetenzen nutzen zu können, ist das Spielen zen bestimmt wird. Damit bilden sie die Grundla- aus. Diese entscheiden über den Verlauf und unerlässlich. ge für eine kreative Freiheit, die sich insbesondere das Ende des Spiels, sie bringen die Geschich- beim zweckfreien Spielen entfalten kann. Das Als- te des Spiels voran und bestimmen so nicht nur, ob des Virtuellen birgt ein ungeheures Potenzial was sie erleben, sondern auch wie sie es erleben für neue Perspektiven, kreative Umdeutung und wollen. Spielen fördert selbstbestimmtes Han- Vera Marie Rodewald (28) künstlerische Ausdrucksformen. deln und ist damit Grundbedingung für die sub- arbeitet als Medienpädagogin und wissen- versive Annäherung an das Kulturgut. Demzufol- schaftliche Mitarbeiterin an der Hochschu- Diesen Ansatz zu fördern, hat sich nicht zuletzt ge trägt der kreative Umgang mit digitalen Spie- le für angewandte Wissenschaften in Ham- auch die kulturelle Praxis zur Aufgabe gemacht. len im Sinne einer kulturellen Bildung zur Persön- burg. Sie gehört zur künstlerischen Leitung In Workshops und Projekten in schulischen und lichkeitsbildung junger Menschen bei. Der Ein- des Festivals PLAY und hat als Initiatorin der außerschulischen Kontexten wird auf digitalen satz von Computerspielen in formalen und infor- Initiative Creative Gaming zahlreiche Work- Spielplätzen gebastelt, gelötet, programmiert und mellen Bildungskontexten darf deshalb nicht als shops und Projekte, auch im Rahmen der gefilmt. Kreatives Computerspielen knüpft an das reine Spielerei zum Selbstzweck verkannt werden. ComputerSpielSchule Hamburg, konzipiert Expertenwissen der Jugendlichen an und vermit- Denn »Kinder und Jugendliche sind Experten ihrer und geleitet. 18
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