Einigkeit - Europa - ist das wichtig? Oder kann das weg? - Das Magazin der NGG
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Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten | Ausgabe 1-2019 | www.ngg.net einigkeit Das Magazin der NGG Europa – ist das wichtig? Oder kann das weg?
EDITORIAL Welches Europa wollen wir? Am 26. Mai ist Europawahl. Ein Tag, an dem wir mit unserer Stimme nicht nur über die Stärke der Fraktionen im Europäischen Parlament, sondern vor allem über die Zukunft der europäischen Idee entschei- den. „Wir zuerst und uns das Meiste!“ So tönt es immer lauter: Euro- pas Nationalisten und Rechtspopulisten sind auf dem Vormarsch. Von Skandinavien bis Italien haben sie sich inzwischen fast überall auf dem Kontinent mindestens als relevante politische Kräfte etab- liert und machen ihren Einfluss auch auf europäischer Ebene gel- tend. Gleichgültig, ob es den rechten Kräften darum geht, „nur“ den Foto: Stephan Pramme Euro abzuwickeln oder gleich das ganze europäische Haus zum Ein- sturz zu bringen: Sie sind eine bitterernstzunehmende Gefahr für die Gemeinschaft, die uns seit mehr als 70 Jahren den Frieden sichert. Deshalb haben wir Europa das ganze Heft gewidmet! Denn am 26. Mai entscheidet jeder und jede Einzelne von uns, in welchem Europa er oder sie leben möchte. Dass sich ein großer Teil der Jugend bereits für ein freies, gerechtes und soziales Europa entschieden hat, das zeigen wir ab Seite 6. Vieles stünde auf dem Spiel, würden wir die europäische Idee aufge- ben. Nicht zuletzt auch der größte einheitliche Markt der industriali- sierten Welt. Die europäische Wirtschaft ist eng verflochten – umso schwieriger, wenn einer der Gemeinschaft den Rücken kehren will: Mit Großbritannien wird erstmals ein Land die EU und den Binnen- markt verlassen. Mit bislang unabsehbaren Folgen. In den Unterneh- men herrscht Unsicherheit und Schweigen. Mehr ab Seite 20. Was Europa Tag für Tag für den Einzelnen bedeutet, das spüren ganz besonders die sogenannten Grenzgänger. Sie arbeiten in Deutsch- land und haben ihren Wohnsitz in einem Nachbarland. Ab Seite 26 berichten wir von einer Tour entlang der deutschen Grenze. Vor Euch liegen viele Seiten Europa. Am 26. Mai entscheidet Ihr – Wählt ein soziales Europa! Guido Zeitler Vorsitzender der NGG einigkeit 1-2019 3
Foto: Kai-Uwe Knoth Foto: Privat 6 FOKUS | EUROPA Flüchtlingsdrama, Brexit und Rechtspopulismus: An Herausforderungen man- 18 MENSCHEN | PORTRÄT Hermann Soggeberg ist Euro-Be- gelt es der EU vor der Europawahl am 26. Mai 2019 nicht. Wohin wird die Reise triebsrat bei Unilever. Ein Europa der gehen für das Bündnis, das uns mehr als 70 Jahre Frieden gebracht hat? Nationalstaaten ist für ihn undenkbar FOKUS | EUROPA MENSCHEN 6 Europa – ist das wichtig? 14 Eine starke Gemeinschaft 18 Porträt Oder kann das weg? Keinesfalls, 705 Sitze gilt es, im Mai neu zu Genau mein Ding: Hermann sagt die Jugend, die Europa in verteilen. Wer mit entscheiden will, Soggeberg hat seinen Platz vollen Zügen genießt muss wissen, wie es geht und wer gefunden zur Wahl steht 10 Maximale Krümmung 24 Jubilare Die lustigsten und dümmsten Witze 15 Das geht uns alle an Wir gratulieren werden über die EU-Regulierungs- Die Politik muss die Menschen wut gemacht, meint Peter Zudeick in den Mittelpunkt stellen, fordert der NGG-Vorsitzende 13 So muss Europa sein! Das „Europäische Kollektiv Mitbe- 16 Geh‘ ich oder geh‘ ich nicht? stimmung – European Collective“ Eines ist sicher: Wer nicht wählt, steht für ein soziales Europa der stärkt die Falschen 4 einigkeit 1-2019
IN DIESER AUSGABE Foto: Uwe Völkner/Fotoagentur FOX Foto: Uwe Völkner/Fotoagentur FOX 20 BRANCHE Europäischer Binnenmarkt: Auch 26 NGG VOR ORT Die EU-Gesetze sollten für alle gleich sein: 12.000 französische Grenzgänger, hier der Hannoveraner Kekshersteller Betriebsräte von Ludwig Schokolade, haben sich organisiert und suchen die Nähe Bahlsen produziert im Ausland zur NGG im Saarland BRANCHE NGG VOR ORT KURZ NOTIERT 20 Marktplatz Europa 26 Grenzgänger – 34 Rechtstipp Branchenweit profitieren große und Das Beste aus zwei Welten Mehr Geld für Teilzeitbeschäftigte kleine deutsche Unternehmen vom Für mehr als 1,2 Millionen Be- in der Systemgastronomie zollfreien Marktplatz Europa. Der schäftigte führt der tägliche Weg drohende Brexit hat für alle spür- zur Arbeit über eine EU-Bin- 34 Ausblick bare Folgen nengrenze Mensch vor Marge 35 Impressum NGG AKTIV 17 Für gute Arbeitsbedingungen 33 und gegen Profitgier „einigkeit“ in der App Das Magazin digital auf Tablet oder Smartphone lesen. In der „einigkeit”-App gibt es zusätzliche Features: Bildergalerien, Videos und weiterführende Infos. Wähl' die App! einigkeit 1-2019 5
6 tu decides! einigkeit 1-2019 tiddeċiediint! do chinneadhsa! Ta décision! ¡Tú decides! Sei tu a decidere! Europa ti odlučuješ! ti odločaš! Du beslutter! Ty rozhoduješ! Du entscheidest! Tu Du bestämmer! Jij beslist! you decide! sinä päätät! Tu hotărăști! ти решаваш! Ty rozhodneš! Ty decydujesz! izlem! Sina otsustad! Εσύ αποφασίζεις! tu sprendi! Te döntesz!
FOKUS | EUROPA Europa – ist das wichtig? Oder kann das weg? Du entscheidest! Vom 23. bis 26. Mai 2019 finden in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Rund 400 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, an den Wahlurnen über die künftige Zusammensetzung des Europäischen Parlaments mit seinen 705 Abgeordneten abzustimmen. Finanzkrise und Flüchtlingsdrama, Brexit- Mitgliedsländer gehen? Es liegt nicht zuletzt der gerade sein Abitur nachholt, hat im Dilemma und rechtspopulistische Wahlsie- an jedem Einzelnen, lautstark entworfenen Nestlé-Konzern Süßwarentechnologe gelernt. ger: An Herausforderungen mangelt es der Feindbildern Offenheit und gesellschaftli- Heute arbeitet der ehemalige Jugend- und Europäischen Union kurz vor der Europa- chen Dialog entgegenzusetzen. Die anste- Auszubildendenvertreter ehrenamtlich in wahl am 26. Mai 2019 wahrlich nicht – auch hende Wahl ist die beste Gelegenheit, mitzu- den Jugendausschüssen der Region und im nicht an mahnenden Worten von allen Seiten. bestimmen und sich klar zu positionieren ... Landesbezirk mit. „Europa ist für mich nur für Europa. positiv besetzt“, sagt er und erzählt von ei- Es ist Zeit, grundlegende Reformen auf den nem Aufenthalt im britischen York im Rah- Weg zu bringen und die EU durch eine ge- Das ist das Coole an uns men seiner Ausbildung. „Ich habe dort ein meinsame Wirtschafts-, Außen- und Sicher- Dabei ist ein gemeinsames Europa für das Praktikum in der Forschungs- und Entwick- heitspolitik zu festigen. Doch noch ist keines- Gros der jungen Europäer alternativlos. lungsabteilung von Nestlé gemacht. Interna- falls sicher, ob es der Politik gelingen wird, Selbst in Großbritannien stimmten 73 Pro- tional zu arbeiten, ist natürlich super. Da ent- zu versöhnen statt zu spalten. Wird die Eu- zent der unter 25-Jährigen für einen Verbleib stehen nochmal ganz andere Kontakte als ro-Zone also aus den Fugen geraten? Und in der EU. „Ich bin Europäer!“, sagt auch beim Reisen.“ wird der vielbeschworene Ruck durch die Tornino Deniz aus Hamburg. Der 22-Jährige, „Meine Generation denkt nicht in Ost und West und sieht das gemeinsame Europa als feste Größe an.“ Tornino Deniz, gelernter Süßwarentechnologe Foto: Cordula Kropke einigkeit 1-2019 7
„Europa bietet uns so viele Möglichkeiten, zusammenzuarbeiten und gemeinsam etwas Gutes für alle zu erreichen.“ Celine Koop Foto: Cordula Kropke Europa sollte sich künftig mehr auf seine Programm verfügt über ein Budget von 14,7 Was bringt Europa Stärken konzentrieren, findet der Hambur- Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2020. für Beschäftigte? ger. Vor allem, wenn es gegen Rechts oder Für die nächste Programmgeneration hat die gegen eine Aufweichung der Arbeitszeiten – Kommission sogar eine Verdopplung des Bud- 1. Die EU hat Ansprüche auf Ruhezeiten, wie sie derzeit in Österreich stattfindet – gets auf 30 Milliarden Euro vorgeschlagen. bezahlten Urlaub und Schutzmaßnah- gehe. „Gemeinsam könnten wir so vieles er- Erasmus bietet unter anderem Stipendien und men für Nachtarbeit ausgebaut. Rufbe- reitschaftszeiten gelten als Arbeitszeit. reichen: zum Beispiel einen europäischen Praktika für Schülerinnen und Schüler, Stu- 2. Wirst Du in einem anderen EU-Land Mindestlohn und eine bessere Integration denten und Auszubildende. Und diese ma- eingesetzt, musst Du ab 2020 zum von Geflüchteten.“ chen gern davon Gebrauch. gleichen Tarif- bzw. Mindestlohn be- zahlt werden wie einheimische Arbeits- Die Wahlen zum Europäischen Parlament Auch Tornino Deniz‘ Praktikum in York wur- kräfte. Diese „Entsendung“ ist auf höchstens zwölf Monate begrenzt. sind für Tornino Deniz genauso wichtig wie de von Erasmus gefördert. Fremdsprachen 3. EU-Bürger müssen nur in einem Mit- die Bundestagswahl. Schließlich will er we- erlernen, fremde Kulturen erleben, neue gliedstaat Sozialversicherungsbeiträge der in Berlin noch in Straßburg rechte Popu- Kontakte knüpfen: Ein Auslandsaufenthalt zahlen. Beitragszeiten in anderen listen im Parlament sehen. Eines allerdings ist nach der Schulzeit eine willkommene Ge- EU-Staaten zählen mit. macht ihn besonders stolz: „Meine Generati- legenheit, internationale Erfahrungen zu 4. Wird Dein Betrieb aufgekauft, muss Dein neuer Arbeitgeber ein Jahr lang on denkt nicht in Ost und West und sieht das sammeln. Immer mehr junge Deutsche ent- die Arbeitsbedingungen, Verträge und gemeinsame Europa als feste Größe an: Das scheiden sich, gleich ihr Studium im Aus- Löhne weiterführen. ist das Coole an uns!“ land zu absolvieren. 2014 waren laut Statis- 5. In Unternehmen mit Niederlassungen tischem Bundesamt gut 137.000 deutsche in mindestens zwei EU-Staaten können Erasmus und Co. Studenten an ausländischen Hochschulen Europäische Betriebsräte auch Deine Interessen vertreten. Die Jugend als Fundament einer gemeinsa- eingeschrieben. Tendenz steigend. Spitzen- men Zukunft in Freiheit. Dieser Gedanke liegt reiter mit knapp 20 Prozent war dabei Öster- Mehr Infos: www.dgb.de/europawahl auch dem großen EU-Programm für Bildung, reich, gefolgt von den Niederlanden, Groß- Jugend und Sport, Erasmus+, zugrunde. Das britannien und der Schweiz. 8 einigkeit 1-2019
FOKUS | EUROPA Erasmus und der Europäische Freiwilligen- MEP teil, dennoch werden hier die Schüle- EU-Mitgliedsländer starten, dürfen maximal dienst (EF) unterstützen zudem das von der rinnen und Schüler auf die anstehende Wahl 30 Tage unterwegs sein und können dabei EU-Kommission 2016 ins Leben gerufene vorbereitet. Mit Bedauern blickt Celine in bis zu vier EU-Länder bereisen. Europäische Solidaritätskorps (ESK). Seine Richtung Großbritannien. „Im Brexit kann 18- bis 30-jährigen Teilnehmer helfen bei ich keinen Sinn sehen“, sagt die junge NGG- Maarten Hoffmeyer ist mit seinem kostenlo- Notlagen in Ländern der EU, in der Flücht- lerin. „Europa bietet uns doch so viele Mög- sen Zugticket im Juli 2018 fast einmal um lingshilfe oder im Umweltschutz. lichkeiten, zusammenzuarbeiten und ge- Deutschland herumgefahren. Berlin, Prag, meinsam etwas Gutes für alle zu erreichen.“ Linz, Salzburg, Basel, Straßburg, Luxemburg Die „Reiseratte“ und der Föderalist Für Celine bedeutet Europa aber vor allem und Brüssel waren die Stationen seiner Rei- Früh in Kontakt mit der europäischen Idee Freiheit. „Als Reiseratte fühlt sich der Konti- se. „Die Freiheit, die wir haben, spürt man kommen Schüler und Schülerinnen an den nent für mich eher an wie ein großes Land!“ auf so einem Reisetrip natürlich so richtig“, Schulen, die sich bundesweit – ebenfalls un- berichtet er. Auf seinem blog.maarten-hoff- terstützt von Erasmus – an der Simulation So stellt sich auch Maarten Hoffmeyer die meyer.de berichtet er als #discoverEU-Bot- des Europäischen Parlaments (MEP) beteili- Zukunft vor: Europa als Föderation. Ohne schafter ausführlich. gen. Sie lernen, in Ausschüssen zu arbeiten Grenzen. Ohne Nationalstaaten. Der 19-jäh- und Resolutionen zu aktuellen Themen zu rige Abiturient aus Osnabrück hat eines der Voneinander profitieren verfassen. „Ich finde es gut, dass wir in der 15.000 Interrail-Tickets gewonnen, die die Freiheit leben und auch andere daran teilha- Schule immer mehr darüber lernen, wie Eu- EU-Kommission 2018 erstmals verlost hat. ben lassen, dafür setzt sich Magdalena Krü- ropa funktioniert“, sagt Celine Koop. Die #discoverEU heißt die Aktion. Dieser Pers- ger ein. Die 24-jährige Studentin ist Stipendi- 17-Jährige ist Erstwählerin in Sachen Euro- pektivwechsel wird mit einem Budget von 12 atin der Hans-Böckler-Stiftung. pa. Bei Kommunal- und Landtagswahlen Millionen Euro gefördert und soll den euro- durfte sie schon ihre Stimme abgeben. Jetzt päischen Zusammenhalt stärken, indem er In München studiert sie Wirtschaftspädagogik freut sie sich über die Möglichkeit, sich ein- jungen Menschen das Gefühl einer europäi- und Deutsch als Fremdsprache. Während ih- zubringen und etwas zu verändern. Ihre schen Identität näherbringt. Die 18-jährigen rer Ausbildung zur Hotelfachfrau im Hilton Elmshorner Schule nimmt zwar nicht am Gewinner müssen ihre Reise in einem der 28 Munich City ist Magda zur NGG gekommen. „Die Freiheit, die wir haben, spürt man auf einem Reisetrip natürlich so richtig. Ich finde, Europa sollte ein Land sein.“ Maarten Hoffmeyer, Abiturient Foto: Privat einigkeit 1-2019 9
Maximale Krümmung von Peter Zudeick Über den größten Nutzen Europas kann es unter verständi- ein Stück, das die nationalen Handelsorganisationen ge- gen Menschen eigentlich keinen Streit geben: Das Thema schrieben haben. Das war den Eurokraten irgendwann mal ist ein zuverlässiger Quell von Heiterkeit. Nicht nur die so peinlich, dass sie die Handelsklassenverordnung 2009 lustigsten und dümmsten, auch die ältesten Witze werden aufgehoben haben. Gegen den Protest von 16 Mitglied- über die Regulierungswut der Brüsseler gemacht. Nach staaten, von Bauernverbänden, Handelsverbänden. dem Muster: „Die Zehn Gebote enthalten 279 Wörter, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 300, die Verord- Genutzt hat die Aufhebung wenig: Weil die Normierung so nung der Europäischen Gemeinschaft über den Import von praktisch ist, wird weiter nach ihr verfahren. Und die Witze- Karamellbonbons aber exakt 25.911!“ Als Franz Josef reißer haben die Gurkenkrümmung immer noch im Reper- Strauß 1986 diesen Satz sprach, war er schon ziemlich toire. Man kann eben auf Europa nicht verzichten, auch gebräuchlich, und er wurde seither noch häufiger zitiert, wenn manches wirklich ärgerlich ist, was da aus Brüssel obwohl daran fast nichts stimmt: Die Zehn Gebote haben kommt. Das Verbot der Glühlampen zum Beispiel – auf 292 Wörter, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung Druck des deutschen Umweltministers Sigmar Gabriel. 1300 und die Karamellbonbon-Verordnung gar keins. Es gibt sie nämlich nicht. Macht aber nichts, der Witz hält Andererseits kann man auch verstehen, dass viele Men- sich. Und jetzt mal ehrlich: Wollen wir auf diese spezifi- schen in Europa allmählich genug von Europa haben. Die sche Art Humor wirklich verzichten? Rechtspopulisten in Italien zum Beispiel, die es leid sind, dass Brüssel dafür sorgt, dass Parmaschinken nur aus der Wollen wir nicht. Auf den Krümmungsgrad der Gurke Gegend von Parma so heißen darf. Die Reaktionäre in Rom schon mal gar nicht. Der hat es zu einiger Berühmtheit wollen darauf lieber verzichten. Und den Gelbwesten in gebracht, ja, er gilt bis heute als Inbegriff der Brüsseler Frankreich geht auch viel zu weit, was der Herr Macron mit Regelungswut. Verankert in der Verordnung 1677/88 mit Europa vorhat. Weg damit und weg mit ihm. Allerdings soll dem Titel „Handelsklassenverordnung“. Darin steht, dass vorher noch eins geregelt werden: Lkw-Fahrer unter den in der Handelsklasse 1 („Extra“) Äpfel glatt und nicht Gelbwesten präsentieren bei Protesten an deutsch-franzö- schrumpelig und mindestens 50 Millimeter dick sein müs- sischen Grenzübergängen gerne ihren französischen und sen, Erdbeeren mindestens 25 Millimeter im Durchmesser ihren deutschen Führerschein. Sie brauchen nämlich bei- Foto: Jolanta Mayerberg/Fotolia.com und schön gleichfarbig und Salatgurken eben „gut geformt de. Also das muss noch schnell harmonisiert werden, aber und praktisch gerade“. Was heißt „praktisch gerade“? dann weg mit Europa. „Maximale Krümmung: 10 Millimeter auf 10 Zentimeter Länge“. Wer kommt bloß auf solch blühenden Unsinn? Nun ja: Händler, Supermärkte, Spediteure. Denn die Gur- Peter Zudeick ist freier politischer Korrespondent für mehrere ken sollen in Kisten mit bestimmten Abmessungen pas- ARD-Anstalten und Autor des „Satirischen Wochenrückblicks“, der sen. Das heißt: Das Brüsseler Kasperletheater spielt hier unter anderem bei NDR Info zu hören ist. 10 einigkeit 1-2019
FOKUS | EUROPA Heute arbeitet sie hier in Teilzeit neben chen Arbeitsplatz losgelöst. Da war es inter- dem Studium. „Europa bedeutet für mich essant zu sehen, was die anderen Gewerk- die Freiheit, sich zwischen den Kulturen zu schafter und Gewerkschafterinnen so pla- bewegen, zu reisen und auch, voneinander nen. Wie weit sind wir auf dieser grenzüber- zu profitieren.“ Drei- bis fünfmal pro Woche greifenden Ebene wirklich?“ hat Magdalena Krüger im Rahmen eines Praktikums Deutschunterricht für Geflüchte- Aber die Freiheit in Europa hat manchmal te gegeben. Noch heute ist sie Teil des Hel- auch Grenzen, zum Beispiel, wenn es um ferkreises und unterstützt zum Beispiel bei bürokratische Hürden geht. „Viele Auszubil- Kochabenden. dende in der Hotellerie würden sich mehr Austausch in Europa wünschen. Aber häufig Grenzenlos digital ist das wegen des bürokratischen Aufwan- Auch in ihrer Gewerkschaft NGG ist die jun- des schwierig umzusetzen.“ ge Münchnerin in Sachen Europa aktiv: Initi- Forderungen des DGB iert von der Arbeiterkammer Wien hat sie Die Hilton Hotels organisieren einen Blick zur Europawahl bereits zweimal in der österreichischen über den Tellerrand im Rahmen des Wettbe- Hauptstadt zum Thema „Digitaler Wandel“ werbs, „Hilton Azubi Adventures“. Die Aus- 1. Europaweit arbeiten. Jetzt aber fair! 2. Gleiche Chancen für Frauen gemeinsam mit jungen Gewerkschaftern aus zubildenden sind eingeladen, zu einer von in Europa. Jetzt aber echt! acht EU-Staaten gearbeitet. „Wir müssen zwei angebotenen Aufgabenstellungen ihre 3. Investitionen in Europa. uns stärker vernetzen und nicht so sehr un- eigenen Ideen zu entwickeln und diese vor Jetzt aber für die Menschen! ser nationales Süppchen kochen“, sagt Mag- einer Jury zu präsentieren. Die zwölf nationa- 4. Der Euro als gemeinsame Währung. dalena Krüger. „Die Unternehmen sind uns len Gewinner verbringen dann eine Woche Jetzt aber sicher machen! 5. Frieden in Europa und weltweit. da zu weit voraus. Durch die Digitalisierung gemeinsam in einer Metropole. Jetzt aber mit mehr Engagement! wird die Arbeit ja immer stärker vom eigentli- 6. Europa in der globalisierten Welt. Jetzt aber gerecht! „Wir müssen uns stärker vernetzen und nicht so sehr unser nationales Süppchen kochen.“ Magdalena Krüger, Hotelfachfrau Foto: Privat einigkeit 1-2019 11
Kommission Regierung Betriebsrat Mitgliedstaaten Frieden Freizügigkeit Freiheit Europäische Wahlen Union Demokratie Brexit grenzenlos Transparenz Reisen Eurozone Mitbestimmung Erasmus Parlament Meinung Politik Europa Gleichbehandlung Vernetzung Jugend Foto: artjazz / Fotolia.com 12 einigkeit 1-2019
FOKUS | EUROPA So muss Europa sein! Was sie verbindet, ist nicht nur, dass sie jung sind und in verschiedenen europäischen Ländern mit einem Stipendium der Hans-Böck- ler-Stiftung (HBS) studieren oder studiert haben, sondern auch, dass sie ein soziales Europa aktiv mitgestalten wollen: als Mitglieder des „Europäischen Kollektivs Mitbestimmung – European Collective“. „Wir wollen eine eigene, junge Version von Europa!“ Foto: Europäisches Kollektiv Tim Kappelt, Stipendiat Unter dem Motto „March for a New Europe” gingen am 23. Juni 2018 vor allem junge Menschen in Ber- lin auf die Straße, um für ein neues, solidarisches Europa zu demonstrieren. Unter ihnen auch das Euro- päische Kollektiv Mitbestimmung – European Collective. Tim Kappelt ist Teil des Kollektivs. Er studiert und demokratischen Europa entwerfen. Es Daraus soll danach ein Film entstehen, der in Wien Internationale Entwicklung und gab zwar auch viele andere Initiativen, aber unter anderem auf dem Böckler-Seminar schreibt derzeit in Bonn seine Masterarbeit irgendwie kamen die Gewerkschaften nicht „Europäisches Gespräch“ gezeigt werden über „Die Rolle der Gewerkschaften in den vor. Deshalb haben wir unser Kollektiv ge- soll. Und im „European May“ will das Kollek- Verhandlungen zur Europäischen Gemein- gründet.“ tiv zusammen mit anderen Initiativen weitere schaft für Kohle und Stahl“: „Wir sind ein Events in Europa organisieren. Netzwerk von 25 Stipendiaten. Wir haben im Mit dem „Bulli” durch Europa Studium gemerkt, dass es schwer ist, vor Ort Sie kommunizieren meist online miteinan- Das Europäische Kollektiv ist ein gutes Bei- gewerkschaftliche Strukturen zu finden, wo der, skypen alle zwei Wochen, tragen alles spiel dafür, wie Europa sein kann und sollte: wir mitmachen können. zusammen, was mit Europa und Arbeitneh- Die Studierenden treffen sich, freunden sich merrechten zu tun hat und veröffentlichen an und diskutieren miteinander. Tim: „Neu- Wir wollen etwas tun es auf www.facebook.com/europeancollecti- lich haben wir uns bei einem Erasmus-Stu- Als wir uns 2015 mit der Frage beschäftigt ve . In der analogen Welt treffen sich die Ak- denten in Marseille getroffen. Das war eine haben, was schiefläuft in Europa – sei es nun tivisten auf Veranstaltungen oder bieten ei- WG mit Franzosen. Und auf der großen der Brexit, die Sparpolitik, die Abschottung gene Workshops und Seminare an. Vor der Dachterrasse haben wir die Sonne, das Mit- gegen Geflüchtete, die Zuwächse bei rechts- Europawahl stehen gleich zwei Projekte an: einander und die Sprachenvielfalt genossen, populistischen Parteien – wollten wir etwas Auf dem EuroTrip im März geht es mit einem aber eben auch gemeinsam eine Veranstal- tun. Wir als Gewerkschaftsjugend, die in Eu- „Bulli“ auf eine von der HBS geförderte Inter- tung vorbereitet: So muss Europa sein!“. ropa aufgewachsen und zuhause ist, wollten viewreise durch Belgien, die Niederlande, eine eigene, junge Vision von einem neuen Frankreich, Spanien, Italien und Österreich. einigkeit 1-2019 13
Foto: bizoo_n/Fotolia Geh‘ ich oder geh‘ ich nicht? In diesem Wahljahr steht für Europa viel auf dem Spiel. Wer die Union erhalten will, hat keine andere Wahl als wählen zu gehen. Denn Europa wird nicht besser, wenn die, die wählen können, zu Hause bleiben. Ob per Briefwahl oder im Wahllokal, jede Stimme kann ent- scheidend dafür sein, wie die Gemeinschaft gestaltet wird. Wählen ist ein Bürgerrecht: Oft werden wir Aber dennoch: Wer nicht wählt, protestiert stören. Eine Gemeinschaft wird nicht besser, alle diesen Satz in den kommenden Wochen nicht, sondern stärkt die, die er oder sie wenn jedes Mitglied nur für die Vorteile noch hören. Und ebenso wird es heißen, möglicherweise nie hat wählen wollen. und die nationalen Interessen seines Landes dass es in diesem Jahr um eine „Schicksals- kämpft, aber die zwingende Solidarität mit wahl“ geht. Aber es stimmt tatsächlich. In diesem Wahljahr kommt dazu, dass sich den anderen vermissen lässt. Noch nie stand das geeinte, friedliche Euro- Rechtspopulisten, EU-Skeptiker und -Feinde pa so auf der Kippe wie zurzeit. wählen lassen wollen, um Europa nicht bes- Die Gewerkschaften sind davon überzeugt, ser, sondern kaputt zu machen. In Ungarn, dass Europa gut ist – und besser und gerech- Die kritische Haltung hat Gründe. Nicht al- Polen, Italien, Frankreich oder auch ter werden kann. Aber nicht mit Verweige- les, was in Europa entschieden wird, scheint Deutschland: Viele sind unterwegs, um auf rung – weder als Nichtwähler noch mit einer sinnvoll. Vieles fehlt noch an der Umsetzung ihrem Platz im EU-Parlament nicht für ein Stimme für diejenigen, die Europa zu einem von Versprechen, die vor fünf Jahren schon soziales friedliches Miteinander zu streiten, nationalstaatlichen Selbstbedienungsladen gemacht wurden. sondern im schlimmsten Fall Europa zu zer- machen oder ganz abschaffen wollen. 14 einigkeit 1-2019
FOKUS | EUROPA Das geht uns alle an Ein Interview mit Guido Zeitler Zu bürokratisch, die reinste Geldverschwendung: Die EU- Warum ist die Europa-Wahl am 26. Mai besonders Politik und, ganz pauschal, „die EU“ werden von vielen wichtig? kritisiert. Ist die Kritik berechtigt? Wenn die Populisten und Europa-Gegner gewinnen, steht die Ja, das ist sie in Teilen. Auch wir haben Entscheidungen des Idee des vereinten, friedlichen Europas tatsächlich in Frage. EU-Parlaments und der europäischen Institutionen in der Nicht erst die knappe Entscheidung der Wählerinnen und Vergangenheit scharf kritisiert. Zum Beispiel war der Um- Wähler in Großbritannien für den Brexit sollte aber deutlich gang mit dem hochverschuldeten Griechenland falsch. Die gemacht haben, dass jetzt gehandelt werden muss. Das Mot- knallharte Sparpolitik ging allein zu Lasten der Bevölkerung to muss heißen: Ja zu Europa – aber richtig! und hat Menschen schuldlos in Armut getrieben. Auch wur- de die extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen Das klingt so, als stünde das "Projekt Europa" an einem EU-Ländern stiefmütterlich behandelt. Wirklich wichtige Scheideweg? Themen wurden falsch – nämlich im Sinne der Konzerne Ja, das Projekt, das uns die längste Friedensphase überhaupt und Banken und nicht der Menschen – oder gar nicht ange- verschafft hat, droht zu scheitern. Ich hoffe, Parlamentarier gangen. So hat sich der Eindruck eingestellt, dass sich und Wählerinnen haben den Warnschuss Brexit gehört und EU-Politik vor allem um die Krümmung von Gurken oder handeln entsprechend: Europäische Politik muss die Men- Öl-Kännchen auf Restauranttischen kümmert. Kein Wunder, schen in den Mittelpunkt stellen. Ein geeintes Europa kann dass viele Menschen unzufrieden sind. nur als ein soziales, gerechtes und solidarisches Europa funk- tionieren. Zu oft hat „die EU“ für Politikerinnen und Politiker Um was kümmern sich denn die EU-Politikerinnen und – auch aus Deutschland – als Sündenbock hergehalten. Die Politiker tatsächlich? Schuld für eigene Fehler oder unbeliebte Tatsachen auf das Auf EU-Ebene wird vieles entschieden, das uns ganz direkt ferne Straßburg oder Brüssel zu schieben, das ist zu billig. angeht. Zum Beispiel, ob wir in Europa unkompliziert reisen Stattdessen muss der Wert Europas herausgestellt und in die und bezahlen können. Oder, noch konkreter, dass wir im gemeinsame friedliche Zukunft investiert werden. Es ist viel EU-Ausland seit 2017 keine horrenden Preise mehr für die Vertrauen zerstört worden, das gilt es zurückzuerobern. Ein Handynutzung zahlen müssen. Wir alle sollten also unser starkes geeintes Europa ist heute auch aus wirtschaftlicher Foto: Stephan Pramme demokratisches Recht wahrnehmen und darüber abstim- Sicht wichtiger denn je. Im von US-Präsident Donald Trump men, wer uns vertritt. Bei der Wahl 2014 haben europaweit angezettelten weltweiten Handelskrieg kann sich kein euro- nur rund 43 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab- päisches Land alleine behaupten. Auch Klimawandel und gegeben – zu wenig angesichts der Bedeutung. Für die kom- Digitalisierung machen an keiner Staatsgrenze halt. Deshalb mende EU-Wahl gilt das sogar in einem besonderen Maße. muss die EU gestärkt und weiterentwickelt werden. einigkeit 1-2019 15
FOKUS | EUROPA Eine starke Gemeinschaft Rund 400 Millionen Menschen in den 27 Staaten der Europäischen Union wählen im Mai das neue Parlament. In den vergangenen Jahren hat es immer mehr Rechte erhalten. Seine Entscheidungen bestimmen auch über Dein Leben und Deine Arbeit. 96 der insgesamt 705 Abgeordneten werden aus Deutschland kommen. Die Europawahlen sind – sieht man die Wahl- populisten mit ihren europafeindlichen Plä- SPD gehört, sind die zweitstärkste Gruppe. Foto: bizoo_n / Fotolia.com beteiligung in der Vergangenheit – ein eher nen an Gewicht. Die Wahl im Mai heißt Die deutschen Liberalen gehören der ALDE vernachlässigtes demokratisches Recht. Da- deshalb: Wollen wir weiterhin in Frieden an, Bündnis 90/Die Grünen den europäi- bei wird es immer wichtiger, mit zu entschei- miteinander leben und als starker Wirt- schen Grünen (EGP). Die Linken gehören den, wer in Europa das Sagen hat. Zuneh- schaftsmarkt auch Einfluss auf die globale zur EL, der Fraktion der europäischen Lin- mend gewinnen national-orientierte Rechts- Entwicklung nehmen? ken. Die AfD hat derzeit nur ein Mandat und gehört zur EFDD, der Fraktion, in der sich Das Europäische Parlament hat in den ver- die EU-Skeptiker aus den populistisch aus- gangenen Jahren zunehmend mehr Rechte gerichteten Parteien zusammengeschlossen Die Kommissare erhalten. Die Parlamentarier, die sich in haben. Die Rechtspopulisten sitzen derzeit Fraktionen zusammenschließen, entschei- in der ENF. Es ist absehbar, dass die Rech- Die 26 Kommissare und ihr derzeitiger den über jede Gesetzesvorlage sowie Rechts- ten sich nach der Wahl neu ordnen werden. Präsident Jean-Claude Juncker sind vorschriften und müssen den Haushalt der Vor allem, wenn sie den Wahlprognosen ent- jeweils für ein Fachgebiet zuständig, wie die Ministerien in den Nationalstaaten. EU genehmigen. sprechend erheblich mehr Abgeordnete stel- Die Kommission schlägt neue Richtlinien len werden. und Verordnungen vor und überwacht Die 705 Abgeordneten des EU-Parlaments die Umsetzung der EU-Vorgaben in den sind eine festgeschriebene Größe. Die Zahl Die Wählerinnen und Wähler entscheiden einzelnen Staaten. der Parlamentarier wird nach einem Schlüs- also mit, ob sie denen eine Stimme geben, Die Regierungen sel auf die einzelnen Mitgliedstaaten verteilt. die die EU letztlich abschaffen wollen – wie Das Parlament ist das Kontrollorgan der die AfD mit ihrem „Dexit“-Beschluss. In der Im Europäischen Rat sind die Regierun- EU-Kommission und des Europäischen Ra- Europäischen Union entscheidet zwar nicht gen der EU-Mitgliedstaaten vertreten, tes. Es kann zwar keine Gesetze einbringen, allein das Parlament, aber eine starke Frakti- außerdem der Rats- und der Kommissions- aber es wird auch kein Gesetz ohne die Zu- on aus Rechtspopulisten und Gegnern kann präsident. Der Rat formuliert die politi- schen Ziele. Die Entscheidungen müssen stimmung des Parlaments umgesetzt. In 20 aus einer weitgehenden Erfolgsgeschichte einstimmig oder mit so genannter qualifi- Fach- und zwei Unterausschüssen werden ein Desaster machen. zierter Mehrheit getroffen werden. die unterschiedlichen Politikfelder beraten. Dabei gibt es fraglos berechtigte Kritik an Mehr Infos unter: Aktuell gibt es acht Fraktionen. Die Konser- den europäischen Entscheidungen. Wer also www.bpb.de/internationales/ europa/europaeische-union/ vativen, in Deutschland also CDU und CSU, ein sozialeres, friedliches Europa will, der haben zur Zeit in ihrer EVP-Fraktion die sollte sich die Wahlprogramme der Parteien www.diesmalwaehleich.eu/ meisten Abgeordneten. Die europäischen sehr genau anschauen. Sozialdemokraten (PES), zu denen auch die 16 einigkeit 1-2019
NGG AKTIV Rider sind Fighter Rider sind „Fighter”: Sie kämpfen für ihre Rechte. Das haben die Fahrerinnen und Fahrer der Essenslieferdienste Deliveroo, Foodora und Lieferando Anfang Februar auf dem 2. „Riders Day Germany” in Hamburg deutlich gemacht. Sie haben ganz konkrete Forderungen an ihre Arbeitgeber: Vergütung ihrer privaten Arbeitsmittel wie Fahrrad und Foto: Peter Bisping Handy, unbefristete Verträge und die Aner- kennung von Betriebsräten. Mehr Informationen online Sie sind bereit, für ihre Rechte zu kämpfen, so die klare Botschaft der Fahrer von www.ngg.net/RidersDay Deliveroo, Foodora und Lieferando auf dem 2. „Riders Day Germany” in Hamburg. Die Mauer muss weg! Um die Arbeitsbedingungen in der System- gastronomie ging es Ende Januar auf dem „1. Fast Food Workers Congress“ der NGG-Landesbezirke Bayern und Südwest in Ulm. Auf einem Aktionstag rissen die Be- schäftigten von McDonald´s, Burger King, Starbucks, Nordsee, Kentucky Fried Chi- Foto: Daniel Schreiber cken und Co. symbolisch die sich immer weiter auftürmende Mauer aus Problemen ein. Es geht insbesondere um Überstunden, Abrufbereitschaft, Eingruppierung und Dienstplangestaltung. Es ist an der Zeit, In der Ulmer Innenstadt haben am 29. Januar 2019 die „Fast Food Workers“ dass sich die „Fast Food Workers“ verstärkt symbolisch und lautstark die Problem-Mauer eingerissen. organisieren und gemeinsam mit der NGG für mehr Fairness, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Mitbestimmung, eine Mehr Informationen online höhere Bezahlung und gute Aufstiegschancen kämpfen. www.ngg.net/ Fastfood Von Menschen und Margen Um noch höhere Gewinne einzufahren, sollten beim welt- sen: Nach einer zermürbenden, fünf Jahre dauernden größten Nahrungsmittelhersteller Nestlé hunderte Arbeits- Auseinandersetzung, während der sie Tag für Tag in eine plätze wegfallen. Dagegen haben sich die Beschäftigten „Geister-Fabrik“ ohne Arbeit gingen, können nun alle un- unter dem Motto „Mensch vor Marge“ gewehrt: Kurz vor ter 58 Jahren innerhalb der nächsten zwei Jahre in eine Weihnachten 2018 hat die NGG den Konzernumbau tarif- neu zu errichtende Fabrik nahe Madrid zurückkehren. lich geregelt: Es gibt Abfindungen für langjährige Beschäf- Und es gibt Vorruhestandsregelungen und Freistellungen tigte, Regelungen zur Altersteilzeit für Beschäftigte ab 57 mit Gehaltsfortzahlung sowie einen Sozialplan. Juan Car- Jahren, finanzielle Unterstützung für individuelle Aus- und los Asenjo, Betriebsratsvorsitzender: „Das gibt all jenen Weiterbildung und Transfergesellschaften. Hoffnung, die sich Ungerechtigkeit am Mehr Informationen online Einen besonders langen Atem haben die Beschäftigten Arbeitsplatz wider- www.ngg.net/Fuenlabrada der Coca-Cola-Fabrik im spanischen Fuenlabrada bewie- setzen." einigkeit 1-2019 17
Genau mein Ding Hermann Soggeberg ist keiner, der hinschmeißt, wenn´s brenzlig wird. In jüngster Zeit braucht der Gesamtbe- triebsratsvorsitzende von Unilever jede Menge Stehvermögen: Soggeberg und seine Kolleginnen und Kollegen kämp- fen – im Schulterschluss mit den Nestlé-Betriebsräten und Beschäftigten – gegen das Rendite-Ziel von 20 Prozent. Seit 28 Jahren ist der gelernte Bäcker Hermann Sogge- ten. Weltweit will der Konzern bis 2020 sechs Milliarden berg schon im britisch-niederländischen Unilever-Kon- Euro einsparen. Trotz satter Gewinne droht nun auch in zern beschäftigt. „Ich bin im Qualitätsmanagement ein- Deutschland Arbeitsplatzabbau, unter anderem in der gestiegen. Betriebsrat ist für mich nach wie vor einer der Hamburger Zentrale. Vorstandschef Alan Jope macht interessantesten Jobs im Unternehmen. Man kommt derzeit keine Anstalten, vom Rendite-Ziel abzurücken. rum, erfährt vieles. Und man denkt sich oft genug, hier Dafür wurde die traditionsreiche Margarine-Sparte (Rama oder da könnte man schon etwas besser machen.“ und Becel) im vergangenen Jahr bereits an den Finanzin- vestor KKR verkauft. „Dann mach´s doch!“ Einem wie Hermann Soggeberg muss man das nicht zweimal sagen. Vielmehr war es für Echte Mitbestimmung ihn der einzig gangbare Weg sich einzubringen, selbst Doch der Widerstand wächst. Unter dem Motto „Mensch etwas zu verändern, unermüdlich auf Achse zu sein. An vor Marge“ mobilisiert die NGG gemeinsam mit Hermann den Wochenenden privat mit der Familie, beruflich quasi Soggeberg und Andreas Zorn (Konzernbetriebsrat bei immer. „Das ist bis heute genau mein Ding“, sagt er. „Für Nestlé) die Beschäftigten gegen ein solches Gebaren. mich bedeutet das Freiheit: Im Rahmen des gesetzlich „Ein Profit von 20 Prozent mit Produkten des täglichen Machbaren die vielen Gestaltungsmöglichkeiten auszu- Bedarfs ist maßlos“, sagt Soggeberg. „Statt Arbeitsplatz- schöpfen, um die Arbeitsbedingungen für die Kollegin- abbau brauchen wir zum Beispiel Qualifizierung, damit nen und Kollegen zu verbessern.“ wir in puncto Digitalisierung nicht ins Hintertreffen gera- ten“, so der 51-Jährige, der seit mehr als acht Jahren Nichts ist mehr, wie es war auch Europäischer Betriebsrat bei Unilever ist. Der Euro- Unilever ist mit einem Umsatz von 53,7 Milliarden Euro päische Betriebsrat (UEWC) von Unilever wurde übrigens (2017) und 161.000 Beschäftigten der weltweit viertgröß- 2013 für sein anhaltendes Engagement um die Gestal- te Lebensmittelkonzern hinter Nestlé, Coca-Cola und tung der Mitbestimmungsrechte im Unilever-Konzern mit Pepsi Cola. Nach Unternehmensinformationen besitzen dem Deutschen Betriebsräte-Preis in der Kategorie „Eu- sieben von zehn Haushalten mindestens ein Unile- ropa mitbestimmen“ ausgezeichnet. ver-Produkt. Doch seit der Hersteller von Knorr-Suppen und Langnese-Eis 2017 die Übernahme durch den Ein Thema, das dem NGG-Hauptvorstandsmitglied am US-Konzern Kraft Heinz abwenden konnte, ist laut Sog- Herzen liegt: „Ein Europa der Nationalstaaten? Unvor- geberg bei Unilever „nichts mehr, wie es war“. Um sich stellbar. Ein vereintes Europa steht für mich für Frieden. vor neuen At- Das ist mir das Wichtigste. Was die Mitbestimmung an- Zur Person tacken abzu- geht, so brauchen wir endlich auch auf europäischer be- sichern, wer- ziehungsweise globaler Ebene Regelungen, echte Mitbe- Hermann Soggeberg, 51 Jahre, geboren den die Akti- stimmung, mit der wir auch etwas durchsetzen können. in Dorsten (NRW), gelernter Bäcker, onäre mit Schließlich werden in den multinationalen Konzernen die seit 28 Jahren bei Unilever, hohen Divi- Entscheidungen auch international getroffen!“ Sagt´s, lä- Gesamtbetriebsratsvorsitzender und Europäischer Betriebsrat denden bei chelt und entschwindet zum nächsten Termin irgendwo Laune gehal- in Europa. 18 einigkeit 1-2019
MENSCHEN | PORTRÄT » Unterschiedliche Kulturen und der manchmal lange Weg zum Konsens: Das macht die Arbeit in Europa spannend. « Hermann Soggeberg, Gesamtbetriebsratsvorsitzender Unilever Foto: Kai-Uwe Knoth einigkeit 1-2019 19
MEIN ARBEITSPLATZ Foto: zhu difeng/Fotolia.com Exportnation Deutschland: Wie kein zweites Land in Europa profitieren wir vom zollfreien EU-Binnenmarkt. Zu den Gewinnern gehören nicht nur die Konzerne. Marktplatz Europa Wer von Freiheit in Europa spricht, der denkt vor allem an Reisen ohne lästige Grenzkontrollen. Doch die EU ist auch eine große Welthandelsmacht, stärker als die Wirtschaft der USA. Vom zollfreien Marktplatz Europa pro- fitieren nicht nur Konzerne; ein „Nein“ zur Gemeinschaft hat für alle spürbare Folgen. Mit fast 500 Millionen Verbraucherinnen und Verbrau- Deutsche Autos, Maschinen, Medikamente oder Elektro- chern und einer Wirtschaftsleistung von rund 17 Billio- nik sind gefragt. Aber auch für die heimischen Lebens- nen Euro in 2017 ist der europäische Binnenmarkt der mittelerzeuger macht der Export ein Drittel des Bran- größte einheitliche Markt der industrialisierten Welt. Da- chenumsatzes aus. Die exportstärksten Branchen sind bei sind die bislang 28 Mitgliedstaaten sehr unterschied- die Fleisch- und die Fleisch verarbeitende Industrie so- lich aufgestellt: Die deutsche Wirtschaft mit einem sehr wie die Milch- und die Süßwarenindustrie – hier geht hohen Industrieanteil profitiert am stärksten vom zollfrei- durchschnittlich jede zweite produzierte Tonne in den en Binnenmarkt. Hinter den USA liegt denn auch der europäischen Export. europäische Nachbar Frankreich auf Rang zwei der wichtigsten Abnehmerländer für deutsche Waren (105,7 Süßes made in Germany Milliarden Euro). Großbritannien lag 2017 mit 85 Milliar- 2017 wurden Lebensmittel im Wert von 59,8 Milliarden den Euro auf Rang vier. Euro exportiert – und das zu fast 80 Prozent in den 20 einigkeit 1-2019
MEIN ARBEITSPLATZ BRANCHE Internationale Exportmärkte der deutschen Ernährungsindustrie Die Zahlen in den Kreisen zeigen den Anteil der jeweiligen Region an der Gesamtausfuhr im Jahr 2017: Europa ist der wichtigste Abnehmer für deutsche Nahrungsmittel. EU 47,0 Mrd. € Nicht-EU 3,7 Mrd.€ Niederlande 8,1 Schweiz 1,6 Frankreich 5,4 Italien 4,9 78,6 % Russland 0,8 Amerika 2,5 Mrd. € Norwegen 0,4 UK 4,2 6,2 % Türkei 0,3 USA 1,7 Österreich 4,1 Kanada 0,3 Polen 3,9 Brasilien 0,1 Asien 5,2 Mrd. € China 2,0 4,2 % 59,8 Mrd. € 8,6 % Südkorea 0,6 Quelle: Statistisches Bundesamt, BVE Japan 0,4 Saudi-Arabien 0,2 1,6 % 0,2 % Afrika 0,9 Mrd. € Südafrika 0,2 Kreuzfahrtschiffe und Nigeria 0,2 Ozeanien 0,4 Mrd. € 0,5 % Fluglinien 0,1 Mrd. € Marokko 0,1 Australien 0,3 EU-Binnenmarkt. Das heißt, Deutschland ohne den Bin- NO – und nun? nenmarkt wäre um einiges ärmer, viele Arbeitsplätze Bei Bahlsen bereitet man sich auf unterschiedliche Bre- würde es gar nicht geben. Dabei profitieren nicht allein xit-Szenarien vor: „Die derzeitige Unsicherheit macht dies die großen, international aufgestellten Konzerne, son- nicht leicht! Die Vorbereitungen umfassen kurzfristige ope- dern auch Mittelständler und Familienbetriebe vom zoll- rative Themen – im Wesentlichen, wie man das Geschäft freien Handel auf dem Kontinent. Die Freiheit der Märkte am Laufen hält – genauso wie die Sicherstellung der Liefer- hat aber auch Schattenseiten. So kann zwar jeder Euro- fähigkeit, die Gewährleistung der Lagerhaltung, den Auf- päer in jedem Mitgliedstaat arbeiten und leben, aber die bau von Bestandspuffern, aber auch mögliche Auswirkun- Unternehmen können auch ihre Standorte frei wählen. gen wie Zollfragen oder Änderungen von Marketingslogans Unterschiedliche Gesetzgebung, Steuern und Lohnkos- auf Packungen“, so Deike. ten haben zu vielen Standortverlagerungen geführt. Während noch niemand genau zu wissen scheint, wie Auch der Hannoveraner Kekshersteller Bahlsen produ- sich der Ausstieg Großbritanniens auf die einzelnen Ge- ziert im Ausland: Neben den vier deutschen Standorten schäftsbilanzen auswirken wird, macht er sich in der Barsinghausen, Berlin, Schneverdingen und Varel gibt Süßwarenbranche bereits bemerkbar: Mit dem ersten es zwei Werke in Polen. Derzeit wächst das Familienun- NO zu Europa verlor das Pfund an Wert, Importartikel ternehmen, das 2018 rund 559 Millionen Euro erlöste wurden teurer, der UK-Umsatz der gesamten Branche und 2800 Beschäftigte hat, überdurchschnittlich. In 55 ging 2017 um sieben Prozent zurück. Ländern ist Bahlsen bereits aktiv. Weiteres Wachstum im In- und Ausland ist geplant. Nach wie vor soll dabei auch der Markt auf der britischen Insel (UK) eine starke Rolle spielen. „Auch Großbritannien ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Fokusmarkt für Bahlsen ge- worden. Wir haben das Geschäft in UK deutlich ausge- baut und sind voll auf Kurs, um es bis Ende 2020 zu verdoppeln“, berichtet Unternehmenssprecherin Ker- stin Deike. Foro: Mondelez Das Königreich ist ein wichtiger Exportmarkt für Süßes aus Deutschland. Etwa fünf Prozent der deutschen Süß- warenproduktion – Waren im Wert von rund 800 Millio- nen Euro – werden auf die Insel exportiert. Geschmäcker in Europa variieren: Mondelez-Frischkäseproduktion. einigkeit 1-2019 21
Foto: Uwe Völkner/Fotoagentur FOX Foto: DMK Der Städtetourismus boomt. Verunsichert sieht die Branche dem Brexit entge- Von 32,7 Millionen Tonnen Milch, die von deutschen Molkereien verarbeitet gen: Hierzulande könnte die Zahl der britischen Gäste zurückgehen, auf der werden, geht jede zweite Tonne in den Export, vor allem nach Europa. Auch Insel wird eine neue Einwanderungspolitik den Fachkräftemangel verschärfen. bei DMK laufen die Brexit-Vorbereitungen auf Hochtouren. Warten an den Grenzen Deutschen Milchkontor DMK nicht. Auch der norddeut- Es geht dabei nicht ausschließlich um den Export. Auch sche Marktführer exportiert auf die Insel: „Die Produkte die Zulieferung von Waren und Rohstoffen aus den unterscheiden sich zum Teil im Geschmack und auch in EU-Ländern wäre betroffen. Und letztlich vielleicht auch der Verpackung. Zum Beispiel ist der für UK produzierte die Arbeitsplätze in Deutschland. In der Lebensmittel- Pudding viel süßer“, so Eckhoff. Die deutsche Milchwirt- branche herrscht Unsicherheit – und Schweigen. schaft sieht einem „harten Brexit“ mit großer Sorge ent- gegen: Drittlandzölle für EU-Milcherzeugnisse und zeit- So auch bei Mondelez International. Der Lebensmittelrie- aufwändige Veterinärkontrollen an den Grenzen könnten se setzte 2018 knapp 23 Milliarden Euro um und ist da- die Folgen sein. „Bei einem ungeordneten Brexit werden mit der sechstgrößte Lieferant des Lebensmittelhandels Arbeitsplätze betroffen sein. Dies ist aber abhängig vom weltweit. Zu den wichtigsten Marken des Konzerns gehö- Standort und den dort produzierten Waren“, ist man sich ren unter anderem Milka, Oreo, Cadbury Schokolade, bei der DMK Group sicher. Der Konzern hat in Deutsch- Philadelphia und Miracel Whip. In Deutschland hat Mon- land 20 produzierende Standorte sowie acht weitere im delez rund 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an fünf europäischen Ausland. Standorten. „Europa steht für 38 Prozent unseres welt- weiten Umsatzes“, so Unternehmenssprecherin Heike Weniger Übernachtungen Hauerken. Mondelez beschäftigt europaweit etwa 28.000 Auch in Hotellerie und Gastgewerbe sieht man dem Bre- Menschen an unterschiedlichsten Standorten. Im briti- xit – und damit sinkenden Übernachtungszahlen in schen Bournville wird Cadbury Schokolade produziert. deutschen Metropolen – mit Sorge entgegen. Thomas Zum Thema Brexit äußert sich der Konzern nicht. Klein arbeitet im Maritim Hotel in Köln. Er ist Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats in dem familiengeführten Unter- „Bei uns gibt es Worst-Case-Szenarien für einen unge- nehmen. „Bei uns arbeiten Menschen aus 36 Nationen“, ordneten Brexit“, berichtet Udo Eckhoff. Wie diese aus- erzählt er. Gefragt danach, was ihm als Erstes zu Europa sehen, sagt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende beim einfällt, nennt er den Brexit. „Natürlich hat das Auswir- 22 einigkeit 1-2019
BRANCHE kungen auf uns. Von insgesamt rund 2,2 Millionen Gäs- uns stärker, auch wenn wir es noch intensiver nutzen ten kamen 2018 rund 104.000 aus Großbritannien.“ müssen. Ohne die EU gäbe es das nicht.“ Wenn diese Gäste wegbleiben, wird sich das auf die Be- schäftigten auswirken, ist sich der Gewerkschafter si- Das Thema ist auch bei Bahlsen auf dem Tisch, wie die cher. „Der Ausstieg Großbritanniens ist eine Katastrophe Gesamtbetriebsratsvorsitzende Manuela Haase berich- und gefährdet die gesamte Konst- tet. „Unsere Standorte in Deutsch- ruktion EU.“ Das Maritim sei ver- „Mit Europäischen Betriebs- land sind sehr gut vernetzt. Hier glichen mit anderen Ketten in Eu- wird niemand gegeneinander aus- ropa noch nicht so groß vertreten, räten können wir länder- gespielt, das ist nicht die Kultur aber das ändert sich schrittweise. übergreifend Solidarität von Bahlsen. Aber auf europäi- Derzeit gibt es Häuser auf Tenerif- organisieren.“ scher Ebene ist der Austausch fa und Malta. In diesem Jahr kom- schleppend. Es gab schon einmal Peter Schmidt men Hotels in Polen und Bulgari- einen Europäischen Betriebsrat, en dazu, im Jahr 2021 soll eines in Amsterdam folgen. heute sind wir gemeinsam mit dem Arbeitgeber wieder „Aber einen Europäischen Betriebsrat haben wir noch an dem Thema dran“, so Haase. Bei DMK fehlt eben- nicht“, erzählt Klein, „das finde ich schade.“ falls ein europäisches Gremium. Die Kolleginnen und Kollegen aus den Niederlanden nehmen aber regelmä- Vernetzung in Europa ßig an den Sitzungen des Gesamtbetriebsrates teil. Während die Unternehmen grenzüberschreitend agieren, Standorte verlegen und Arbeitsplätze verlagern, steckt die Beim Milka-Produzenten Mondelez hingegen tagt der Mitbestimmung auf europäischer Ebene noch in den Kin- EBR einmal im Jahr. „Das hat mehr den Charakter eines derschuhen. Dabei spielen Europäische Betriebsräte Informations- und Erfahrungsaustausches“, sagt (EBR) eine wichtige Rolle. Sie sorgen für europaweite EBR-Mitglied Klaus Schmidt. „Von echter Mitbestim- grenzüberschreitende Arbeitnehmervertretung. Rechtli- mung kann da nicht die Rede sein. Da müssen Lösun- che Grundlage hierfür ist die EBR-Richtlinie der EU. Sie gen her, auf europäischer Ebene.“ Auf die Frage, welche wurde mittlerweile in 30 Ländern Europas in nationales Konsequenzen der Brexit für die Kolleginnen und Kolle- Recht umgesetzt. gen habe, hebt Schmidt die Achseln: „Keiner weiß, was kommen wird!“ Aus Sicht von Peter Schmidt, bei der NGG zuständig für Europa, ist sie eine große Errungenschaft: „Die EBR- Richtlinie gibt uns Gewerkschaften und Arbeitnehmern EFFAT – Sprachrohr die Möglichkeit, und das ist einzigartig in der Welt, länder- für Millionen übergreifend Solidarität zu organisieren, weil wir eben Die Gewerkschaft NGG ist Mitglied der nicht nur auf lokaler und nationaler Ebene, sondern auch europäischen Gewerkschaftsföderation auf europäischer Ebene Betriebsräte haben. Die Unter- EFFAT (European Federation of Food, nehmen stellen sich immer mehr international auf. Mit Agriculture and Tourism Trade Unions). dem EBR haben wir die Möglichkeit, hierauf adäquat zu Als europäische Dachorganisation der reagieren und uns europaweit zu vernetzen. Das macht Lebensmittel-, Landwirtschafts- und Tourismusgewerkschaften ist EFFAT gegenüber europäischen Institutionen, Verbänden und Unternehmensleitungen das Sprachrohr von 22 Millionen Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmern aus 120 Gewerkschaften in 35 Ländern. EFFAT ist eine „Regionalorganisation“ der IUL (www.iuf.org) und hat ihren Sitz in Brüssel. Präsidentin der EFFAT ist Malin Ackholt aus Schweden, Foto: Frank Pusch Generalsekretär Harald Wiedenhofer aus Deutschland. Mehr Infos unter: „Keiner weiß, was kommen wird!“ Klaus Schmidt, stellvertreten- www.effat.org der Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Mondelez International, sieht einem harten Brexit mit Sorge entgegen. einigkeit 1-2019 23
Herzlichen Dank für Eure Treue! In dieser Ausgabe gratulieren wir Mitgliedern, die im ersten Quartal der Jahre 1949 (vor 70 Jahren) und 1969 (vor 50 Jahren) in die Gewerkschaft NGG eingetreten sind. Seit mehr als 150 Jahren sind es die Mitglieder, die unsere Organisation zu dem machen, was sie ist und bleibt: eine starke und lebendige Gewerkschaft, die ihren Mitgliedern zur Seite steht. Wir sind dankbar und sehr stolz, dass uns so viele von Euch über Jahrzehnte ihr Ver- trauen schenken. Seit 70 Jahren Mitglied Allgäu: Rolf Huettenrauch Bielefeld-Herford: Reinhold Reinhard Gottschewski, Berlin-Brandenburg: Joachim Fleischer Horst Mazurkiewiecz Darmstadt und Mainz: Hans Marquard Bremen-Weser-Elbe: Hans Knuth, Alfred Gerken Detmold-Paderborn: Konrad Sarrazin Bünde-Lübbecke-Minden: Horst-H. Hundertmark Hannover: Wilhelm Behling Darmstadt und Mainz: Andreas Wolf, Erich Boneberg Hamburg-Elmshorn: Bernhard Umland Detmold-Paderborn: Hans Greiff Leipzig-Halle-Dessau: Hedwig Völkel, Dortmund: Heinrich Gaertner, Manfred Ulber, Hans-Juergen Andert Günter Szkudlarek Lüneburg: Dietrich Karohl Dresden-Chemnitz: Ingrid Schlegel, Gerlinde Döring, Mannheim-Heidelberg: Helmut Berwanger Marita Herrmann Mecklenburg-Vorpommern: Erwin Dietze Düsseldorf-Wuppertal: Anton Deibler, Gerhard Meyer, Niederbayern: Josef Frisch Johann Dölle Nord-Mittelhessen: Hans Becker Hannover: Klaus Alten, Wilfried Schröder, Bernd Bettermann, Kurt-Rainer Wengerek Nordrhein: Heinz Jr Angenend Heilbronn: Kurt Walter, Barbara Ebner-Müller Oberfranken: Alfred Raps, Hans Fröba Saar: Horst Dillschneider Hamburg-Elmshorn: Paul Schmelz, Alois Fehrholz, Inge Krafft, Edith Wischnowski, Jürgen Zinger, Schwaben: Karl Weissenböck Günter Fieken, Werner Henne, Dieter Witt Schwarzwald-Hochrhein: Heinz Schlempp Köln: Heinz Klenner, Heinz Schmitz, Cilli Beckers Stuttgart: Horst Bühler Krefeld-Neuss: Angelika Schonz, Robert Schröder, Südwestfalen: Wolfgang Ostholt Helmut Verhagen, Gerhard Wondrak Leipzig-Halle-Dessau: Ilona Gay, Kurt Pachulski Seit 50 Jahren Mitglied Aachen: Marija Cacic, Rosemarie Colling, Lübeck: Uwe Guetschow, Heinz Wendt, Othmar Hart, Gertrud Vergöls Roland Heidrich Allgäu: Bonifaz Mohr, Karl Kornes Lüneburg: Christel Dietrich, Frido Ehbrecht, Reinhold Duetsch Baden-Württemberg-Süd: Eleonore Binder, Mannheim-Heidelberg: Rudolf Maier, Karl Becher, Gerhard Honegger, Hedwig Klopfer, Oskar Rohr, Vladislav Drechsler Erich Schoch, Luzinda Knorr, Klaus Grimmel Mecklenburg-Vorpommern: Michael Eschert, Berlin-Brandenbug: Gerd Brandt, Peter Fiedel, Jutta Wolfgramm, Renate Jantzen Edda Goß, Gerhard Huschke, Rosemarie Jacob, Dieter Jauch, Elken Weber, Marianne Grude, Mittelbaden-Nordschwarzwald: Hans Großmann, Bernd Köding, Monika Wahl, Martin Wappler Rudolf Huber 24 einigkeit 1-2019
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