DAS BANAT UND DAS RISORGIMENTO: DER SARDINISCHE KRIEG 1859 UND SEINE AUSWIRKUNGEN IM BANAT
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ANALELE BANATULUI, S.N., ARHEOLOGIE – ISTORIE, XXVIII, 2020 http://analelebanatului.ro/aparitii-issues/analele-banatului-xxviii-2020/ DAS BANAT UND DAS RISORGIMENTO: DER SARDINISCHE KRIEG 1859 UND SEINE AUSWIRKUNGEN IM BANAT Filip Krčmar* Stichwörter: Banat, Risorgimento, Sardinischer Krieg, Kaisertum Österreich. Keywords: Banat, Risorgimento, Second Italian War of Independence, Austrian Empire. Banat and Risorgimento: Second Italian War of Independence and its Influence in Banat (Abstract) Based on the archival holdings of Archiv of Vojvodina (F. 23 Landesverwaltung der Wojwodschaft Serbien und des Temesvarer Banat 1849–1861), as well as on the writing of contemporary press (Wiener Zeitung, Temesvarer Zeitung, Gross-Becskereker Wochenblatt, Werschetzer Gebirgsbote, Lugoser Anzeiger), the paper discusses ways and means in which the region of Banat was influenced by the Second Italian War of Independence of 1859. Following important issues have been addressed: gradual preparation of domicile population for the war by the government- run press; mobilisation and usage of financial, material and human ressources of Banat; war participation of Banat- based regiments, as well as formation of voluntary bataillons; war losses and decorations; and last but not the least – an utmost interesting question of the attitude of Banatians towards the war. For little less than a decade they have been subjected to rather unpopular and much hated neoabsolutistic policy of the Bach’s regime, that in war times demanded an unconditional allegiance and self-sacrifice. On the other hand, regardless of their nationality, they looked with sympathies at the enemy’s freedom and independence struggle. In practice, such attitude led to an enormous, although publicly hardly visible dissatisfaction with the war, in quite oposition to the patriotic image imposed and carefully nurtured by the press. Beside to formation of Italy in 1861, the unfavourable outcome of the war for Austria subsequently led to inner instability and dissolution of the Crown Province Voivodeship Serbia and Banat of Temesvar in same year. Ethnically mixed population almost unanonimously greeted such turn of events. Das Risorgimento: der Weg zum Jahr 1859 unter der fremden, d.h. französischen, Herrschaft D ie Anfänge des Risorgimento (ital. Risor- gimento – Wiedergeburt, Renaissance), womit man die italienische National-, Freiheits- (1797–1814). Zu dieser Zeit setzten die Franzosen eine „politische Modernisierung” Italiens vollstän- dig in Einklang mit den Leistungen ihrer 1789- und Vereinigungsbewegung deutet, kann man er Revolution durch, was sich am meisten in der bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zurückverfol- Gesetzgebung, dann in der republikanischen und gen1. Doch blieb Italien bis zum Ende des 18. und später auch in der monarchistischen Staatsver- Anfang des 19. Jahrhunderts politisch uneinheit- fassung wiederspiegelte. In politischer Hinsicht lich und in mehrere kleinere Staaten aufgeteilt. wurde auch eine „Vergrößerung” durchgesetzt, Ihre politische Einheit wurde zum ersten Mal zur da die ganze Halbinsel sich, statt in mehrere Staa- Zeit der napoleonischen Kriege erreicht, und zwar ten (wie früher), damals in drei große Einheiten gliederte, und zwar: ein Drittel befand sich unter * Istorijski arhiv Zrenjanin, Serbien; e-mail: fkistarzr@ gmail.com. unmittelbarer französischer Herrschaft, das zweite, 1 Einzelne Historiker verschieben diese Grenze auf das zentrale, Drittel wurde als „Königreich Italien” ein- Ende des 18. Jahrhunderts und das Jahr 1792. Siehe: Ekmečić gerichtet, wobei der restliche Teil dem Königreich 2005, 101–123. Einsame Stimmen, die zur Vereinigung der Neapel im Süden zufiel2. politisch geteilten Apenninen-Halbinsel aufriefen, gab es Schon in dieser Zeit erschienen die ersten schon früher; das bemerkenswerte Beispiel dafür war der flo- rentinische Denker Niccolo Machiavelli, der das Papsttum Widerstandszeichen gegen die Fremdeherrschaft: als das größte Hindernis zur Verwirklichung der politischen 1796, als die französischen Eroberungen began- Einigung Italiens ablehnte und in seinem Werk Der Fürst für nen, nahmen die radikalen Freimauerer mit einen säkularen Herrscher plädierte, der dieses Ziel erreicht hätte. Beales 1971, 23. 2 Beales 1971, 35. 239
ANALELE BANATULUI, S.N., ARHEOLOGIE – ISTORIE, XXVIII, 2020 Filippo Buonarotti (1761–1833) an der Spitze die klerikalen (päpstlichen) Herrschaft zu befreien5. Erschaffung einer unabhängigen, einheitlichen ita- Wegen seiner progressiven Ideen, kam er ins lienischen Republik in Anspruch. Zu dieser Zeit Gefängnis, wurde aber 1831 freigelassen und ver- gehört auch die Entstehung der Geheimbunde bannt. Die infolge seiner Inhaftierung erworbene „Karbonari”, deren Einfluss aber erst nach 1815 Erfahrung veranlasste ihn dazu, eine Gesellschaft verstärkt worden ist3. zu gründen, deren Name Giovine Italia (dt. Junges Nach den Beschlüssen des Wiener Kongresses Italien) war und deren Tätigkeit später als ein bei- (1815) wurde Europa neu aufgeteilt, wobei die spielgebendes Rezept für die balkanischen Völker Apenninen-Halbinsel wieder politisch gespalten galt, die ihre nationale Emanzipation beanspruch- wurde, wie zur Zeit vor der französischen Erobe- ten6. Nach dem erfolglosen Versuch, einen Auf- rung. 1815 umfasste „Italien” insgesamt acht Staa- stand in Norditalien auszulösen, flüchtete er 1837 ten, wovon der größte Teil mittelbar oder unmit- nach London, und setzte dort seine Tätigkeit in telbar von Österreich beherrscht wurde, wobei in den kommenden Jahren fort. den anderen Staaten die konservativen, absolu- Man sollte jedoch nicht mehr lange bis zum tistischen Monarchen regierten4. Jeder Gedanke ersten großen Schritt im Vereinigungsprozess an eine konstitutionelle Verfassung wurde streng warten. Dieser erschien im 1848-er Frühling der verboten und verfolgt. Besonders reaktionär und Völker, wobei die Unruhen und Umwälzungen repressiv waren die Regierungen in Rom (dem sich unterschiedlich in verschiedenen Teilen Ita- päpstlichen Kirchenstaat) und im Süden (im liens manifestierten7. Sie wurden nicht nur von Königreich Neapel). Deswegen spielte die repub- der Selbstbestimmung und dem Freiheitskampf likanische Gesinnung und Bestrebung in Hiblick motiviert, sondern hatten auch einen wesentlichen auf die politischen Freiheiten eine bedeutende wirtschaftlichen Hintergrund. Die im Übrigen Rolle in der Gestaltung des Risorgimento, denn ökonomisch unentwickelte Halbinsel litt auch gleichzeitig mit dem Kampf gegen die fremde wegen der schlechten Ernteerträge 1847/1848 Herrschaft trug das Streben nach politischen Frei- und der wirtschaftlichen Krise, die in ganz Europa heiten wesentlich zu der Geburt der italienischen zu verspüren war. Auf der gesamten Halbinsel for- Nationalbewegung bei. derte und erwartete man allgemeine wirtschaftli- Bald nach der Wiedereinführung der vornapo- che und gesellschaftliche Reformen, wobei diese leonischen Zustände brachen die Aufstände über- Forderungen auch mit dem Aufruf zur politischen all auf der Apenninen-Halbinsel aus. Im Norden Vereinigung Italiens verknüpft waren8. verschwörte sich die Freimaurer-Bewegung Buo- Die Unruhen, die im März 1848 in Wien und narottis gegen Österreich, um die Unabhängigkeit in Pest stattgefunden hatten, führten zum Umsturz zu erlangen, obwohl das tatsächliche Endeziel der der reaktionären Regierung und Durchsetzung der Verschwörung die Einführung einer kommunisti- konstitutionellen Verfassung in Österreich. Die schen Gesellschaft war. Im Süden, im Königreich Italiener sahen eine Chance darin, um eigene Inte- Neapel, rebellierte der Geheimbund „Karbonari“ ressen zu erzielen, die sich von einem Staat zum mit einem kurzlebigen Erfolg, obwohl dort eine anderen unterschieden. konstitutionelle Verfassung wieder eingeführt In Rom, Piemont-Sardinien, im Königreich wurde. Durch Intervention der europäischen Sizilien und in Neapel und im Herzogtum Tos- Großmächte aber wurde der Karbonari-Aufstand kana wurden die dortigen Herrscher gezwungen, schon anfangs 1821 erstickt. Ähnliche Umwälzun- die Verfassungen zu proklamieren. Die italienische gen wiederholten sich auch ein Jahrzehnt später Bevölkerung im Königreich Lombardei-Venedig, (1831) in Modena, Parma, Bologna usw., teilten das damals Österreich gehörte, versuchte sich von aber das gleiche vergebliche Schicksal. der österreichischen Herrschaft zu befreien. In der In den 1830-er Jahren wurde das Risorgimento lombardischen Hauptstadt Mailand gelang es dem durch die Wirkung Giuseppe Mazzinis (1805– 5 Ebenda, 5. 1872) war der Hauptideologe des Risorgimento 6 Das war insbesondere der Fall mit den südungarischen in den 30' er Jahren des 19. Jahrhunderts. Maz- Serben, die 1866 die Vereinigte Serbische Jugend gründeten, zini strebte danach, Italien vollständig von der mit Giovane Italia als Vorbild. Darüber s.: Petrović 1964, 35; österreichischen Vorherrschaft, dem fürstlichen Bešlin 2005, 557–558; Krestić 2013, 257; Mikavica 2011, Despotismus, den Adelsprivilegien, sowie von der 319–321; Mikavica et al. 2016, 56; Krčmar 2018, 147–163. 7 Die 1848-er Revolution wird gewöhnlich als der Erste Italienische Unabhängigkeits- und Vereinigungskrieg 3 Ebenda, 37. betrachtet (F.K.). 4 Gooch 1986, 1. 8 Popov 2014, 199. 240
dortigen Rechtsanwalt Carlo Cattaneo, einen Auf- Staaten war das Königreich Piemont-Sardinien. stand auszulösen (sg. Fünf Tage Mailands), der mit Dank seiner liberalen Wirtschaftspolitik und der Vertreibung der österreichischen Armee, Aus- der Bewahrung einer konstitutionellen (jedoch rufung der Unabhängigkeit und dem Anschluss beschränkten) 1848-er Verfassung prosperierte der Lombardei an das benachbarte Königreich Piemont-Sardinien und erlebte eine stufenweise, Piemont-Sardinien endete. Der Publizist Dani- aber konstant steigende wirtschaftliche, Blütezeit ele Manin rufte in Venedig die Republik aus. Er in den 1850-er Jahren. Außer der stark entwickel- meinte, dass dadurch das historische Gedächt- ten Industrie und dem Gewerbe hatte Piemont nis seiner Mitbürger an die ehemalige glorreiche auch eine ziemlich gut ausgebaute Eisenbahninf- Vergangenheit der „Lagunenstadt” wiederbelebt rastruktur, anderen Staaten der Halbinsel weit vor- werde. Sowohl die Lombardei als auch Vene- ausgehend11. Es war somit kein Wunder, dass Pie- dig suchten ein Bündnis mit Piemont-Sardinien, mont zum unbestrittenen Leiter und Hauptträger deren König Karl Albert darin eine Chance sah, des Risorgimento wurde. Kein anderer Staat war beide zu annektieren und damit seinen eigenen ihm gewachsen. Im Gegenteil zu den anderen kon- Staat zu vergrößern. Österreich gelang es jedoch, servativen italienischen Regierungen war Piemont den Aufstand niederzuschlagen: sein Feldmarschall ein teilweise liberaler Staat12. Radetzky gewann zwei entscheidende Schlachten, Seine außerordentlichen wirtschaftlichen Leis- die später als beinahe unerschöpfliche Selbstver- tungen sind dem Grafen Camillo Benso di Cavour trauensquelle für die kaiserliche Armee dienten: (1810–1861) zuzuschreiben, der als Minister-Prä- bei Custozza (am 25. Juli 1848) und Novara (am sident Sardiniens von 1852 bis 1859, und auch 23. März 1849). Damit wurde die Revolution, später fungierte13. Im politischen Leben des Lan- d.h. der Erste Italienische Unabhängigkeitskrieg des war er eine dominante Figur, und ihm war es beendet. gelungen, die Position Piemonts nicht nur innen-, Dem erfolglosen Versuch zufolge, sich von sondern auch außenpolitisch zu festigen. Vollkom- Österreich zu befreien, wurden die Italiener im men bewusst darüber, dass die Italiener einen äuße- nachfolgenden Jahrzehnt einer starken Repression ren Verbündeten gegen Österreich finden müssten, ausgesetzt. Die Apenninen-Halbinsel wurde wieder führte Cavour das Königreich Piemont-Sardinien politisch zerstückelt und in 7 verschiedene Staaten in den Krimkrieg (1853–1856) ein. Dadurch eingeteilt: das Königreich Piemont-Sardinien, mit wurde das ansonsten in dem Krieg neutral geblie- dem Sitz in Turin; das Königreich Lombardei-Ve- bene Österreich diplomatisch isoliert, wobei Pie- nedig, das seit 1815 ein Teil des Österreichischen mont sich zuletzt an der Seite der Kriegssieger Kaiserreiches war; das Herzogtum Parma, das Her- befand und dadurch die Möglichkeit erhielt, damit zogtum Moderna, das Großherzogtum Toskana, anzufangen, die „italienische Frage” mit Hilfe der die alle unter der mittelbaren oder unmittelbaren anderen europäischen Großmächte zu lösen. Seit österreichischen Kontrolle standen; der Päpstliche dem Jahr 1856 erregte und ermunterte Cavour Staat in Zentralitalien, das Königreich Beider Sizi- eine kräftige und wirkungsvolle anti-österreichi- lien, das Neapel mit der Umgebung in Süditalien und die Insel Sizilien umfasste9. In Rom und im 11 Bis 1860 hatte Piemont 800 km der Eisenbahnstrecke, Großherzogtum Toskana wurde die Zensur einge- was ein Drittel gesamten Strecken auf der Apenninen-Hal- setzt, und jede Spur von politischer Unzufrieden- binsel darstellte (Beales 1971, 75). 12 Der Ausgangspunkt einer solchen Politik war die 1848 heit oder von Widerstand wurde breitwillig und eingeführte und beibehaltene Verfassung, wodurch die Vor- eifrig unterdrückt. Im Königreich Lombardei-Ve- herrschaft des Herrschers und der Kirche bestätigt wurde, nedig fühlte man überall die Anwesenheit der Poli- gleichzeitig jedoch die Presse- und Vereinigungsfreiheit zei und Armee, wobei die Revolutionsteilnehmer ermöglicht wurde. Auch wurde ein Parlament mit gesetzge- angegriffen, verhaftet, verbannt oder hingerichtet benden Prärogativen vorgesehen, sowie ein (beschränktes) Wahlstimmungsrecht garantiert (2% der erwachsenen Bevöl- wurden; ähnlich war es auch im Königreich Beider kerung). Diese Freiheiten ermöglichten einen wirtschaftli- Sizilien, wo die Freidenkenden zu einer längeren chen Aufschwung und die Umwandlung der politischen Kul- Haftstrafe verurteilt wurden, und alle außerhalb tur, die in starkem Kontrast zu der politischen Reaktion und der Herrscherkontrolle stehenden kulturellen und dem Konservativismus standen, die in anderen Gebieten der politischen Tätigkeiten streng verboten wurden10. Halbinsel damals vorhanden waren (Riall 2009, 28). Die einzige Ausnahme unter den italienischen 13 Diesen Zeitraum, der mit dem Aufschwung des Libera- lismus im Königreich Sardinien übereinstimmt, nennt die italienische Geschichtsschreibung gewöhnlich als eine „Vor- 9 Beales 1971, 13, 69. bereitungszeitspanne”, d. h. eine Vorbereitung für die Natio- 10 Popov 2014, 259–260. nalvereinigung (Riall 2009, 28). 241
ANALELE BANATULUI, S.N., ARHEOLOGIE – ISTORIE, XXVIII, 2020 sche Propaganda in den nördlichen und zentralen Gebieten der Halbinsel. Ihm war es sogar gelun- Woiwodschaft Serbien und das Temescher gen, einen Bruch der diplomatischen Beziehungen Banat vor dem sardinischen Krieg mit Österreich zu provozieren. Den wichtigsten Wenn man im Vergleich zur Apenninen-Halb- Bundesgenossen und internationalen Gönner der insel das Banat kurz vor dem 1859-er Krieg italienischen Staatsbildung fand Cavour im franzö- unter die Lupe nimmt, bemerkt man einen his- sischen Kaiser Napoleon III. Im Juli 1858, beim torisch-geographischen Raum, der sich in die Geheimtreffen in dem französischen Bad Plombiè- Gegenrichtung bewegte. Im Gegenteil zu Italien res, schmiedeten sie gemeinsamen den Plan über befand sich das Banat auf dem Wege einer politi- die Vertreibung der Habsburger aus Norditalien. schen Desintegration. Als Gegenleistung für die französische Hilfe, bean- Zur Zeit des Ersten Italienischen Unabhängig- spruchte Napoleon die sardinischen Provinzen keitskrieges (1848), wurde das Banat gleichfalls Nizza und Savoyen, so wie die Eheschließung zwi- politisch-administrativ wie im Jahr 1779 verwal- schen seinem Neffe Napoleon (Spottname: „Plon- tet, als es dem ungarischen Königreich einverleibt Plon”) mit der sardinischen Prinzessin Clothilde. wurde. Sein Gebiet wurde in drei Komitate geglie- Dabei stellte er die Kriegserklärung seitens Öster- dert: Torontáler, Temescher und Krassoer, deren reich als Vorbedingung für die militärische Hilfe Sitz in Gross-Betschkerek, Temeswar und Lugo- Frankreichs, wodurch man den Gegner in der euro- sch war. Sie wurden den Zivilbehörden Ungarns, päischen öffentlichen Meinung als einen Aggressor d.h. der ungarischen Hofskanzlei untergeordnet. vorstellen und diplomatisch isolieren wollte 14. Im Südlich wurden die entlang der Donau liegen- Januar 1859 wurde dieses Bündnis durch den Ehe- den Teile des Banats von Ungarn abgesondert; sie vertrag zwischen dem französischen und piemon- bildeten den Banater Teil der Militärgrenze. Aus tesischen Herrscherhaus gefestigt. Im Laufe der politisch-administrativer Sicht wurde die Banater folgenden vier Monate unternahmen beide dieser Militärgrenze in drei Regimente aufgeteilt, wobei Staaten alles, um Österreich zu provozieren, dem jedes Regiment 10–12 Dörfer (Kompagnien) Königreich Piemont-Sardinien den Krieg zu erklä- umfasste. Diese Regimente wurden nach ethni- ren: in Zentralitalien wurden Umwälzungen und schen Linien eingerichtet, obwohl ihre Namen Unruhen erregt; Freiwillige wurden zum Kampf (12. Deutsch-Banater, 13. Rumänisch-Banater gegen Österreich berufen; beide Herrscher ver- und 14. Illyrisch-Banater) nicht immer ihre ethni- lauteten aufrührerische Äußerungen über Öster- sche Struktur widerspiegelten. reich. Gerade als diese Bemühungen erfolglos und Auch existierte damals als besonderes sebstver- gescheitert schienen, und Großbritannien seine waltetes Gebiet der sgt. Grosskikindaer Privilegier- Vermittlung bei einer internationalen Verhand- ten Distrikt, der von den Torontalerkomitatsbe- lungskonferenz angeboten hatte, stellte Österreich hörden hauptsächlich abgetrennt wurde und zehn dem Königreich Piemont ein Ultimatum, eine rein serbische Ortsgemeinden des nordwestlichen sofortige Entwaffnung suchend. Die piemontesi- Banats umfasste16. Diese administrative Einteilung sche Ablehnung dieser Forderung führte zu einem wurde nach der 1848-er Revolution wesentlich unvermeidlichen Krieg, den Österreich Piemont verändert. am 29. April 1859 erklärte, von den langdauernden Schon damals, im Jahr 1848, hatten die Bana- Konsequenzen eines solches Aktes völlig ahnungslos15. ter Grenzregimente die Gelegenheit, in Italien einen Krieg zu führen. Sie nahmen daselbst an 14 Doch unterschied sich, gemäß der Pläne von Cavour und der Unterdrückung der Revolution teil. Jedoch Napoleon, die künftige Auffassung der Apenninen-Halbinsel wurde das Banat selbst ein Kriegsschauplatz, wo von derjenigen, die später verwirklicht wurde. Piemont sollte es zu den verwirrenden Konflikten zwischen den die Lombardei, Venedig und den größeren Teil des Päpstlichen Staates annektieren; es sollte ein neues Königreich von „Obe- hiesigen Nationalitäten kam. Zum Beispiel kämpf- ritalien” bilden, wobei Rom dem Papst überlassen wurde, ten die Deutschen und Serben in Temeswar gegen zusammen mit dem tröstenden Titel des „Präsident[en] der die Ungarn; in Weisskirchen kämpften Ungarn italienischen Konföderation”. Das Königreich Beider Sizilien und Deutsche gegen die Serben, die von serbi- sollte überleben. Tatsächlich sahen die beiden Staatsmänner schen Freiwilligen aus dem Fürstentum Serbiens das zukünftige Italien anders als die überwiegende Mehrheit unterstützt wurden. Im Winter und Frühling der italienischen Nationalisten. Die Halbinsel würde von der päpstlichen und österreichischen Übermacht befreit, aber nicht vollständig politisch vereinigt (Beales 1971, 81–82; 16 Diese waren: Gross-Kikinda, Srpski Krstur, Melencze, Gooch 1986, 26). Mokrin, Tarasch, Karlova, Baschahid, Josefsdorf, Kumane 15 Riall 2009, 30. und Franyova (Stajić 1950). 242
1848/1849 gelang es den Serben, das ganze Toro- minister, de facto Regierungschef und neben dem ntáler Komitat von den Ungarn zu erobern. Diese Kaiser der mächtigste Mann im Lande: Alexan- Konflikte wurden oft von Grausamkeiten begleitet. der von Bach, nach welchem der gesamte Zeit- Nach der Revolutionsunterdrückung wurden raum von 1849 bis zu seinem Untergang 1859 als im ganzen Kaiserreich insgesammt 16 selbststän- „Bach’scher Neoabsolutismus” bezeichnet wird. dige Kronländer geschaffen17. Wegen ihrer Unab- Seine Regierung berief sich auf das verzweigte Poli- hängigkeitsbewegung und dem Sturz der Habs- zeisystem der Agenten, Spione und Informanten burger wurden die Ungarn durch eine bedeutende (die man spöttisch als „Bach’sche Husaren” kenn- Verletzung der Territorialintegrität ihres Königrei- zeichnete), eine strenge Pressezensur und Unter- ches bestraft, wobei das ungarische Staatsterrito- drückung aller bürgerlichen Freiheiten22. Dabei rium zerstückelt und dem Kaisertum Österreich wurde seitens herrschender Kreise in Wien bei vollkommen eingegliedert wurde18. der Unterdrückung der Ungarn wieder eine „Ver- Zuerst wurden Siebenbürgen und Kroatien wirkungstheorie” ins Leben gerufen, weswegen von Ungarn getrennt; drei südungarische Bana- die nichtungarischen Nationalitäten (größtenteils ter Komitate (Torontál, Temesch und Krasso), Deutsche und verdeutschte Tschechen) öffentliche zusammen mit dem benachbarten Bacs-Bodro- Ämter bekleideten23. gher Komitat und zwei Bezirke vom Syrmischen Die Grenzen der Woiwodschaft waren so Komitat wurden Ungarn weggenommen und gezogen, dass sie ein völkisch gemischtes Territo- bildeten seit 1849 ein besonderes kaiserliches rium unfassten24. Das war im Gegenteil zu den Kronland unter dem Namen Woiwodschaft Ser- Ansprüchen der hiesigen Völker, die während der bien und Temescher Banat19. Die Militärgrenze 1848/1849-er Unruhen vorgetreten waren und wurde bewahrt, wobei die restlichen Teile Ungarns eigenes, nationales unabhängiges und selbstver- auf fünf große Kreise geteilt wurden (Ofen-Pes- waltetes Gebiet forderten. ter, Grosswardeiner, Kassauer, Pressburger und Infolge der ersten Volkszählung, die 1850/1851 Ödenburger), jeder dieser Kreise umfasste meh- stattgefunden hatte, umfasste die Woiwodschaft rere ehemalige Komitate und wurde der militäri- insgesammt 1.426.221 Bewohner, wovon 397.459 schen Verwaltung untergeordnet20. Das Ziel einer zu den Rumänen, 335.080 zu den Deutschen, solcher staatlichen Zerstückelung war sowohl die 321.110 zu den Serben, 221.845 zu den Ungarn Verhinderung jedwelcher erneuter Aufstandsversu- zählten und der Rest an die Slowaken und Tsche- che ungarischerseits als auch die Errichtung eines chen (25.607), Bulgaren (22.780), Juden (15.507), zentralisierten und germanisierten Kaisertums mit Zigeuner (11.440), Ruthenen (6.777) und andere dem Staatszentrum in Wien21. Der Hauptschöp- abfiel25. fer dieser Politik war der österreichische Innen- Die Haltung der verschiedenen hier ansäs- sigen Nationalitäten ihrer neugeordneten Hei- 17 Lay 2001, 176. Diese Kronländer waren: 1. Erzherzog- mat gegenüber war äußerst enttäuschend und tum Österreich ob und unter der Enns; 2. Herzogtum Salz- burg; 3. Herzogtum Steiermark; 4. Königreich Illyrien (beste- feindlich. Jedes im Banat ansässige Volk lehnte hend aus dem Herzogtum Kärnten, dem Herzogtum Krain, der gefürsteten Grafschaft Görz und Gradiska, der Mark- 22 Krestić 2013, 249, 254. grafschaft Istrien und der Stadt Triest mit ihrem Gebiete); 23 Stevanović 2014, 25. 5. Gefürstete Grafschaft Tirol und Vorarlberg; 6. Königreich 24 Lay 2001, 191. Böhmen; 7. Markgrafschaft Mähren; 8. Herzogtum Ober- 25 Für die Volkszählungsergebnisse siehe: Werni 1981, und Niederschlesien; 9. Königreiche Galizien und Lodom- 3–4; auch bei: Krestić 2013, 245; Mikavica et al. 2016, 456; erien mit den Herzogtümern Auschwitz und Zator und dem Vgl. mit: Stevanović 2014, 26, wo ein bisschen unterschiedli- Großherzogtum Krakau; 10. Herzogtum Bukowina; 11. che Volkszählungsergebnisse angegeben sind (1.398.997 Königreiche Dalmatien, Kroatien und Slawonien mit dem Einwohner insgesamt, davon: 398.605 Rumänen, 289.376 kroatischen Küstenlande, der Stadt Fiume und dem dazu Serben, 339.448 Deutsche, 241.749 Ungarn, wobei der gehörigen Gebiet; 12. Königreich Ungarn; 13. Großfürsten- Rest auf andere Völker abfiel. Stevanović begründete seine tum Siebenbürgen; 14. Distrikte Kövar und der Stadt Zillen- Anführungen auf die offizielle Volkszählungsergebnisse, die markt; 15. Königreich Lombardei-Venedig und 16. Woiwod- in Reichs-Gesetz-Blatt veröffentlicht wurden. Im Gegenteil schaft Serbien und das Temescher Banat (Militärgrenzgebiet dazu, erwähnt Konrad Clewing in seiner wissenschaftlichen nicht einberechnet). Arbeit eine etwas höhere Bewohnerzahl der Woiwodschaft 18 Stevanović 2014, 25; Rokai et al. 2001, 450. von insgesamt 1.447.783 Bewohnern (404.909 Rumänen, 19 Das war der offizielle Name, obwohl im alltäglichen 354.431 Deutschen, 295.922 Serben, 38.341 Bunjewatzen, Leben auch andere Bezeichnungen benützt wurden. Siehe: 5.310 Schokatzen, 2.874 Kroaten, 7.408 Ruthenen, 28.048 Stevanović 2014, 48; Markov 2015, 7–18. Slowaken, 13.782 Bulgaren, 258.419 Ungarn, 13.467 20 Rokai et al. 2001, 450. Zigeunern, 18.117 Juden und 2.438 anderen) (Clewing 21 Ebenda. 2005, 270). 243
ANALELE BANATULUI, S.N., ARHEOLOGIE – ISTORIE, XXVIII, 2020 energisch die Regierung ab. Der Wiener Hof heiten und andere gottesgesegneten Leistungen der wollte nicht die nationalen Besonderheiten seiner 1848-er Verfassung31. Eine geringe Zahl der unga- Völker anerkennen, sondern strebte danach, sich rischen Adeligen unterstützte die absolutistische darüber hinaus zu erheben und im „übernationa- Regierung Bachs, jedoch nur aus existenziellen len” Geist zu herrschen, mit starker Unterstützung Gründen und der Förderungsmöglichkeit im Rah- der Österreich-Deutschen26. men der gesellschaftlichen Hierarchie; der größte Dem Wiener Hof zufolge wurden die Serben Teil des ungarischen Adels hatte jedoch kein Ver- mit der Gründung der Woiwodschaft für die in ständnis für die absolutistische Natur der Regie- schweren Zeiten bewiesene Kaisertreue belohnt; rung und äußerte sein Verhalten durch Ablehnung trotzdem waren sie mit dem neuen Kronland über- der öffentlichen Ämter und Steuerzahlungsverwei- haupt nicht zufrieden, da dieses ihren Nationalfor- gerungen32. In Erwartung der Verbesserung ihrer derungen, die im Jahr 1848 proklamiert wurden, Lage nahmen sie eine Einstellung des passiven nicht entsprach. Von einer geschlossenen serbi- Widerstands. Der Hauptgrund der ungarischen schen Einheit oder politischen Organisation, die Unzufriedenheiten war auch das Misstrauen ande- das serbische Volk in 1848 beanspruchte, konnte ren Nationalitäten gegenüber und lag in der Tatsa- keine Rede sein; stattdessen wurde ein administ- che, dass die wirtschaftlichen Maßnahmen Wiens rativer Körper geschaffen, an dessen Spitze tat- nur darauf ausgerichtet wurden, den Kaiserstaat zu sächlich nur Menschen nichtserbischer Herkunft zentralisieren, ohne die wirtschaftlichen Interes- standen und welcher außer dem Titel eigentlich gar sen und historischen Besonderheiten anderer Teile nichts Serbisches an sich gehabt hatte27. Das neue der Monarchie (d.h. des Königreichs Ungarns) zu Kronland war serbisch nur dem Namen nach, berücksichtigen33. wobei hauptsächlich die Deutschen und Rumä- Im Vergleich zu den anderen Nationalitäten des nen die Bevölkerungsmehrheit bildeten. Außer Kronlandes, fanden sich die Banater Deutschen in einer überwiegenden nicht-serbischen Mehrheit einer relativ besseren Lage. Sie äußerten auch ihre wurde Deutsch die amtliche Sprache. Statt des ser- Nationalansprüche für ein selbstverwaltetes deut- bischen Anspruchs auf Novi Sad, wurde Temesvár sches Gebiet, und zwar in der sogenannten Schwa- (die ungarische Bezeichnung, deutsch Temeswar) benpetition vom 2. Oktober 184934. Obwohl als Landeshauptstadt bestimmt. Dennoch war die sich die im Antrag gestellten Ansprüche nicht Anzahl der serbischen Beamten in der Verwaltung verwirklichten, wurde Deutsch als Amtssprache des Kronlandes im Vergleich zu den früheren Zei- im ganzen Reich eingeführt, die dem Hof treuen ten größer, und durch die Komitaten-Auflösung Deutschen wurden in öffentlichen Ämtern favo- fühlten die Serben eine Freiheit von der bisheri- risiert, das deutsche Schulwesen blühte auf, wie gen ungarischen Hegemonie; an Stelle derselben auch die deutschen Buchdruckereien, weswegen in wurde aber schnell die deutsche Hegemonie ein- der donauschwäbischen Geschichtsschreibung die gesetzt28. Die serbische Unzufriedenheit mit sol- Zeit des Neoabsolutismus als das goldene Zeitalter cher Missachtung ihrer Ansprüche wurde durch für die Banater Deutschen bezeichnet wurde35. ein kurzgefasstes Sprichwort ausgedrückt, dass, Andererseits wurden die Deutschen, sogar in den was die Ungarn als Strafe erhalten haben, das haben Fällen, wenn sie die Regierung ablehnten, wegen die Serben als Belohnung bekommen29. Diese Beloh- ihrer Sprache oftmals mit der Regierungspolitik nung war jedenfalls trügerisch, weil der Wiener identifiziert, was zu einer tieferen Spaltung zwi- Hof aufpassen musste, die zahlreichen anderen im schen sie und anderen Nationalitäten führte36. Banat lebenden Nationalitäten nur um die Serben Andere Völker hatten auch eine feindliche zu befriedigen. Haltung der Woiwodschaft gegenüber. Die kai- Von dem Großteil der Ungarn wurde die sertreuen Rumänen unterbrachten eine Peti- Bach’schen Regierung gehasst und die Bach’sche tion in Olmütz im Februar 1849, in deren Ära von 1849 bis 1861 als ein dunkles Zeitalter betrachtet30, ohne politische und bürgerliche Frei- Dynastie niemals außer Kraft gesetzt wurde (Rokai et al. 2001, 446). 26 Rokai et al. 2001, 451. 31 Mikavica et al. 2007, 259. 27 Werni 1981, 54. 32 Rokai et al. 2001, 451–452. 28 Stevanović 2014, 26. 33 Ebenda, 453–454. 29 Lay 2001, 164; Krestić 2013, 245. 34 Für die Schwabenpetition siehe: Petri 1963; Lay 2001, 30 In einzelnen Teilen Ungarns wurde sogar Franz Joseph 177–189; Krčmar 2012, 259–270; Antolović 2012, 159–173. I als ein ungesetzlicher Herrscher betrachtet, da die am 35 Senz 1987, 135–136. 14. April 1849 proklamierte Entthronung der Habsburger 36 Lay 2001, 163. 244
Acht-Punkten-Beschluss sie gegen das neue Kron- landeshauptstädtische Temeswarer Zeitung41, sowie land protestierten37. Eine ähnliche Forderung die landesprovinziellen Blätter Gross-Betschkereker wurde auch von den Slowaken einen Monat später Wochenblatt42, Weschetzer Gebirgsbote43 und Lugo- überreicht38. Das war die Atmosphäre in der ser- scher Anzeiger44. Ihnen allen wurde eine strenge bisch-banater Woiwodschaft zur Zeit des sardini- Regierungskontrolle, sowie die Übernahme der schen Kriegsausbruchs39. verschiedenen Nachrichten voneinander gemein. Hier werden die Schriften der Temeswarer Zeitung Die Vorbereitung des Banats für den Krieg: 41 Die Temeswarer Zeitung wurde am 15. Januar 1852 Herausbildung der öffentlichen Meinung gegründet. Die Zeitung war in Form, Aufmachung und Anfangs 1859 wusste man im Banat – wie inhaltlicher Ausgestaltung – mit dem Doppeladler im Kopf- übrigens im gesamten Kaiserstaat – dass der titel – der amtlichen Wiener Zeitung nachgebildet. Es war Krieg gegen Frankreich und das Königreich Pie- das erste Blatt des Banates, das den Anforderungen der dama- ligen Zeit entsprach (Krischan 1969, 18). Als das Landesre- mont-Sardinien in der Luft schwebte. Die Bewoh- gierungs-Amtsblatt war die Temeswarer Zeitung bestrebt, die ner der serbisch-banater Woiwodschaft ließen Ideen der Wiener Regierung bei der Bevölkerung bekannt sich darüber mittels Presse informieren. Diese (und beliebt) zu machen. Es ist bemerkenswert, dass die Auf- umfasste die haupststädtische Wiener Zeitung40, lagenhöhe der TZ während der Kriegszeit 1100 Exemplare umfasste, was damals recht staatlich war (Krischan 1969, 37 Ebenda, 176. 19). Von der Bedeutung der Temeswarer Zeitung während des 38 Ebenda. Krieges spricht eine Verordnung der Landesstatthalterei deut- 39 Obwohl die neoabsolutistische Regierung in der Woi- lich, die am 16. Mai datiert wurde. Darin steht: (...) Sowohl wodschaft überall unbeliebt war, muss man ihre vorwiegend für die Behörde, als auch für die Bevölkerung wurden in der guten Leistungen auf verschiedenen politischen, wirtschaft- amtlichen Temeswarer Zeitung täglich die neusten authentischen lichen und gesellschaftlichen Gebieten anerkennen. Einige Nachrichten veröffentlicht, es wäre daher angemessen, daß die- davon betreffen die 1848 erworbenen und beibehaltenen ses Blatt in allen Gemeinden gelesen würde, und es kann die Rechte, wie beispielsweise die Abschaffung der Leibeigen- nicht bedeutende Auslage für die Pränumeration anstandslos schaft, Einführung der allgemeinen Steuerpflicht und Gleich- von jeder Gemeinde bestritten werden; zu dieser Gemeinde-Aus- berechtigung vor dem Gerichtshof (Rokai et al. 2001, 452). gabe wird hiermit allgemein die Bewilligung ertheilt (AV, F. 23 Die Gerichtsbarkeit wurde reformiert und die Gültigkeit des LdSWudTB 1849–1861, Nr. 2232/1859). In der Einladung österreichischen Allgemeinen Bürgergesetzbuches wurde auf zur Pränumeration von 16. Juni 1859 steht: Den Ereignissen das Gebiet der Woiwodschaft ausgedehnt (Rokai et al. 2001, auf dem Kriegsschauplatze wird die größte Aufmerksamkeit 453). Zu dieser Zeit beginnt die Führung der Grundbücher; gewidmet werden. Die der „Temeswarer Zeitung“ eingehenden in Temeswar wurde 1850 die Handels- und Gewerbekammer zahlreichen officiellen und privaten telegraphischen Depeschen ins Leben gerufen, die die industriellen Interessen vertrat, werden die Leser vor allen andern Blättern von den wichtigs- Durchsetzung der industriellen Revolution förderte und sich ten militärischen und politischen Ereignissen in Kenntniß set- um die Kredite sorgte (Lay 2001, 61). Die erste Eisenbahn- zen (Temeswarer Zeitung 136/1859). Bis Ende 1860 war die strecke wurden damals im Banat eröffnet: von Jasenova bis Temeswarer Zeitung das Organ der Landesregierung in Temes- Basiasch (1854) und von Temeswar bis Szeged (1856). Zur war und wurde von einem Statthalterei-Konzipist geleitet Zeit des Ausbruches des 1859-er Krieges begann man mit der (Milleker 1926, 16). Implementierung eines neuen, fortschreitenden Gemeindege- 42 Das Gross-Betschkereker Wochenblatt wurde 1851 gegrün- setzes (RGBfdKÖ 58/1859). det und gilt heute als das älteste deutsche Provinzblatt des 40 1703 gegründet, gilt die Wiener Zeitung als das älteste Banats (Milleker 1926, 19). Sein Begründer war ein Regens- noch veröffentlichte Tagesblatt der Welt. Seine erste Ausgabe burger, Franz Paul Pleitz, dem 1847 ein Druckprivilegium erschien am 8. August 1703 unter dem Titel Wienerisches verliehen wurde. Wegen der Revolution von 1848/1849 Diarium, der später zur Österreichisch Kaiserlichen privile- wurde die Gründung dieses Wochenblattes verschoben und gierten Wiener Zeitung umbenannt wurde. Der heutige Name erst am 4. Januar 1851 erschien die erste Nummer (Nemet Wiener Zeitung erschien 1780. Es war in jeder Beziehung 2007, 23–25). das bedeutendste Blatt dieser Zeit und beispielhaft offizielle 43 Die erste Nummer des Werschetzer Gebirgsbote[n] Regierungsorgan; es war für die politische Entwicklung des erschien am 31. Januar 1857 aus der Buchdruckerei Eduard Landes und als Repertorium aller wichtigeren Ereignisse, Kirchners, als eine periodische belletristische Druckschrift. Es Verhandlungen, Aktenstücke usw. von unschätzbarem Wert. umfasste der amtlichen Bewilligung nach, ein gediegenes Der reiche sorgfältig ausgewählte Inhalt diente der gesam- Feuilleton, erheiternde Gedichte, das Verzeichnis der in Wer- ten Regierungspresse zum Vorbild (Krischan 1969, 12–13). schetz Geborenen, Getrauten und Gestorbenen, die Liste der in Von seiner Bedeutung spricht die Tatsache eindeutig, dass Werschetz angekommenen Fremden und Anzeigen von Behörden z. B. die offizielle Kriegserklärung an das Königreich Sardi- und Privaten. Die politische Sphäre sollte unberührt bleiben nien, d.h. das Kaiserliche Manifest an die Völker Österreichs, (Milleker 1926, 21). außer in dem Reichs-Gesetz-Blatt nur noch in seiner Ausgabe 44 Der Lugoscher Anzeiger wurde kurz vor dem Ausbruch des vom 29. April 1859 veröffentlicht wurde. Erst später über- sardinischen Krieges ins Leben gerufen (5. Mai 1858). Zur nahmen die anderen Blätter die Kriegserklärung. Die Wie- Kriegszeit betrug seine Auflage ca. 300 Exemplare. Das war ner Zeitung berichtete ausführlich über die Kriegsereignisse, jedoch die Wiederbelebung eines kurzlebigen, schon früher, Personal-Veränderungen in der k. k. Armee, sowie über die 1853, entstandenen Blattes, das im gleichen Jahr zu erschei- offiziellen Kriegsverluste und Kriegsauszeichnungen. nen aufgehört hat (Lay 1993, 10–12). 245
ANALELE BANATULUI, S.N., ARHEOLOGIE – ISTORIE, XXVIII, 2020 und Wiener Zeitung im Fokus stehen, mit dem tige dynastische Verknüpfung dieser zwei Staaten zeitweisen Rückblick auf die Kriegsberichterstat- lobte50. In der Temeswarer Zeitung wurden auch die tung anderer Provinzblätter. wichtigsten Klauseln des Heiratvertrags angeführt, Seit dem Anfang des Jahres 1859 wurde der wie beispielsweise die Höhe der Mitgift und der bevorstehende Krieg alltäglich in diesem Blatt jährlichen Apanage, die Frankreich für das neue kommentiert. Damit wurden die Banater Monate Brautpaar besorgt hatte51. im Voraus für den Krieg vorbereitet und gewöhn- Gleichzeitig mit den Berichten über diese Ehe, ten sich an die Erwartung des Kriegsausbruchs. die sich später als unglücklich herausstellte52, kom- Der Ausgangspunkt für die endlose Serie der auf mentierte die Temeswarer Zeitung regelmäßig das den Krieg bezogenen Artikel war eine provozie- Schreiben verschiedener italienischen und franzö- rende Äußerung des französischen Kaisers Napo- sischen Blätter über die aktuelle politische Situa- leon III, der bei der Neujahrsfeier in Paris sein tion. Sie zitierte die Nachricht des Turiner Blattes Bedauern dem österreichischen Botschafter Baron Armonia, dass der Kaiser Napoleon III. den Krieg Hubner gegenüber aussprach, weil die Beziehungen gegen Oesterreich will, und das Heer unterstützt ihn, zwischen Frankreich und Österreich nicht mehr so sowie die Revolutionären und Sozialisten, wogegen gut wie früher sind. In den europäischen Haupt- der Adel, die Bourgeoisie und der Handelsstand den städten wurde diese Mitteilung offenbar viel ein- Krieg verabscheuen; das Turiner Blatt hatte richtig deutiger als eine inoffizielle Kriegserklärung als in geschätzt, dass der Krieg ausbrechen werde, hatte Wien erkannt 45. Sie war aber nur eine von zahl- jedoch falsch vorausgesehen, denn alle Großmächte reichen anderen, schon seit früher bestimmten müssen sich betheiligen, keine kann neutral bleiben, Provokationen, die mit der Absicht ausgesprochen denn das Schicksal Aller wird auf dem Schlachtfelde wurde, um Österreich in den Krieg zu führen. Die entschieden53. Auch das Turiner Opinione wurde Temeswarer Zeitung kommentierte sie nachträglich zitiert, an welches Blatt die Temeswarer Zeitung sehr oft. Einige Tage später äußerte der sardinische eine Kritik richtete: Opinione (...) bläst heute König Viktor Emanuel II eine ähnliche Provoka- gewaltig in die Kriegstrompete: der Krieg, an den vor tion in seiner Thronrede46. kurzem noch Viele nicht glauben wollten, ist heute Im Januar und anfangs Februar 1859 hatten die allgemeine Meinung54. Für die Pariser Zeitun- die Banater die Gelegenheit, ausführlich über gen – La Presse und Siècle bemerkte man, dass sie den Besuch des Prinzen Napoleon in Turin zu die Sprache der alten Constituante und der Convents lesen, der sich dort mit der sardinischen Prinzes- sprechen55, ferner, dass sie Frankreich in den Krieg sin Clothilde verlobte47. Die Temeswarer Zeitung gegen Oesterreich treiben möchten56, sowie daß man lenkte die Aufmerksamkeit ihrer Leserschaft auf die internationalen Verträge als nicht vorhanden den französischen General Niel, der als einer der betrachten soll und die Karte von Italien revidiren berühmtesten Genie-Officiere, Adjutanten und Ver- trauten des Kaisers galt, der die Belagerungsoperati- 50 TZ 25/1859 a: 2. 51 TZ 25/1859 b: 2–3. onen von Sebastopol leitete und den Prinzen wäh- 52 Obwohl mit drei Kindern gesegnet, war die Ehe des Prin- rend seines Besuches begleitete48. Dazu wurde von zen Napoleon und Clothildes unglücklich, wozu der Alter- einem warmen Empfang berichtet, den die Turiner sunterschied und die verschiedenen Lebensarten beigetragen dem französischen Fürsten vorbereitet hatten, mit hatten. Einerseits war Clothilde eine fromme, verantwortli- den Aufrufe: Es lebe Napoleon! Es lebe der König! che und ihren Herrscherpflichten gewidmete Frau. Anderer- seits bevorzugte „Plon-Plon” das extravagante, playboy-artige Es lebe Frankreich! Es lebe Italien!49. Kurz danach Leben des französischen Hofes. Wegen einem eindeutig poli- wurde eine kurze Begrüßungsrede des Prinzen tischen Ehehintergrund stimmte Clothilde nur ungern zu. Napoleon an die Inhaber der St. Helena-Medaille Ihr frisch gebackener Bräutigam war oft dem Ehebruch zuge- überbracht, worin er das militärische Bündnis zwi- neigt, weswegen die Sympathien der öffentlichen Meinung schen Frankreich und Piemont, sowie die künf- ungeteilt auf der Seite Clothildes standen. Besonders betrach- teten die Italiener, dass sie geopfert wurde, um ein dynasti- sches Bündnis mit Frankreich zu erzielen. Den Franzosen war 45 Allmayer-Beck – Lessing 1981, 50. Trotzdem glaubte der andererseits die Lebensart des Prinzen schon bekannt, und österreichische Außenminister Graf Buol-Schauenstein noch sie bereiteten einen kalten Empfang in Paris für das neue anfangs April nicht unbedingt an einen „großen” Krieg, auch Ehepaar anfangs 1859 vor, nicht wegen der Geringschätzung wenn es mit Piemont zum Kampf kommen sollte. der savoyischen Prinzessin, sondern wegen der Unbeliebtheit 46 TZ 12/1859, 1. ihres eigenen Prinzen (F. K.). 47 TZ 17/1859: 1; TZ 25/1859 a: 2; TZ 25/1859 b: 2–3; 53 TZ 17/1859, 1. TZ 26/1859: 1; TZ 27/1859: 2. 54 TZ 18/1859 a, 1. 48 TZ 17/1859: 1. 55 TZ 29/1859, 1–2. 49 Ebenda. 56 TZ 28/1859 a, 1. 246
muß57. Das halboffizielle La Patrie wurde kriti- diction über sich anerkennen62. Man insistierte dar- siert, weil es die Wohltaten des Friedens in einer auf, dass Frankreich und Napoleon III. das inter- so drohenden Form besinge, dass die öffentliche nationale Recht verletzten, die zwischenstaatliche Meinung viel mehr erschrocken, als beruhigt ist58. Vereinbarungen brachen, d.h., dass man die Ent- Auch wurde eine interessante Anekdote aus den schlüsse des Wiener Kongresses revidieren wollte. französischen Blättern wiedergegeben, über das Im Text unter dem Titel Kriegslärm vom 21. Januar Vorhaben Napoleons III, einen Krieg an Öster- schrieb die Temeswarer Zeitung: Kaiser Napoleon reich zu erklären. Angeblich um die Stimmung (...) strebt (...) nach einer Revision der Verträge von der Departements kennen zu lernen, beauftragte 1815 (...) So will er auch die alten Reichsgrenzen, der französische Kaiser seinem General der Gen- sowie sie vor 1812 bestanden, wiederherstellen. Wenn darmerie Declaru durch seine Gendarmen, die nichts, so läßt hierauf ein Artikel der halbamtlichen mit allen Volksklassen in Berührung kamen, die „Patrie” schließen, welcher geradezu erklärt: Oester- bezeichnendsten Äußerungen über die Kriegsfrage reich habe kein Recht auf Italien, da dies ja vor aufzeichnen zu lassen. In weniger als acht Tagen 1815 zu Frankreich gehörte (unterstrichen von legte General Declaru seinen Bericht dem Kaiser F. K.)63. In der Rubrik Politische Uebersicht vom 9. vor, welcher die allgemeine Abneigung der Depar- Februar konnte man ferner lesen: Eine Lösung der tements gegen den Krieg festgestellt habe. Bestürzt italienischen Frage in dem Sinne Frankreichs wäre habe der Kaiser das Aktenstück überblickt und der Anfang zur vollständigen Revision der Karte endlich ausgerufen: Frankreich weiß nicht, was es von Europa, ein unheilbarer Riß in die Verträge von will, so möge es denn wollen, was ich will!59. Mehr- 1815, eine moralische Niederlage der Sieger von Leip- mals wurden den Lesern auch die Ansichten der zig und Waterloo. Darin müssen alle großen Mächte feindlichen Seite dargestellt, die sich gegen den Europas einig sein, daß die italienische Frage keine Krieg äußerten, aufgrund der schlechten Lage der europäische sein darf; daß in den Bestimmungen, piemontesischen Wirtschaft und unvermeidlichen welche die Verträge von 1815 über die italienischen Kriegskosten60. Territorien getroffen haben, nichts geändert werden Die Temeswarer Zeitung lehnte energisch jede darf, und endlich – das ist nicht das Unwichtigste Idee ab, die zu den internationalen Verhandlungen – daß die Frage der Reformen dem freien Ermessen oder zur Konferenz führen sollte, womit die italie- der betreffenden Regierungen anheimgestellt bleiben nische Frage irgendwie gelöst werden sollte. Diese muß und keine Intervention in die inneren Angele- Ideen, die etliche französische Blätter vorgeschla- genheiten unabhängiger Staaten rechtfertigt. Wenn gen hatten, befanden sich auf einmal im Fokus Europa diese Grundsätze gegen Frankreich geltend der sämtlichen europäischen Diplomatie, wurden macht, dann ist die Gefahr der italienischen Frage jedoch seitens Österreich kategorisch abgelehnt beschworen und Frankreich wird keine andere Wahl und als ein Versuch Piemonts, Zeit zu kaufen, haben, als diese Frage fallen zu lassen oder Europa interpretiert61. Oesterreich wird keine fremde Juris- gegen sich in Waffen zu sehen, wie Rußland vor fünf Jahren Europa gegen sich in Waffen sah64. Von der 57 TZ 29/1859, 1–2. Kritik wurden weder die liberalen piemontesi- 58 TZ 28/1859 a, 1. schen Politiker verschont, deren Tätigkeit als ein 59 TZ 24/1859 a, 1. Wunsch nach der Zerstückelung Österreichs65, sowie 60 TZ 28/1859 b, 3. die Negation alles internationalen Rechtes und der 61 Aber was weiter?, fragte sich die Temeswarer Zeitung. – Conferenzen? Ein Congreß? Die französischen Journale sprechen Umsturz aller Verträge gekennzeichnet wurde66. sich dafür aus und das „Journal des Debats” charakterisiert die Zwecks Verurteilung französischer Kriegs- Lage ganz richtig mit den Worten: avant la guerre la diplomatie. rhetorik tauchte man in die Geschichte ein und Auch der „Siècle” will dem Kriege die diplomatischen Unter- mahnte auf die Gefahr von Wiederbelebung handlungen vorausgehen lassen. Werden dieselben den Krieg der napoleonischen Pestilenz; eine Mahnung auf verhindern? Gewiß nicht. Man sucht jetzt den Ausweg diplo- matischer Verhandlungen nur, um Zeit zu gewinnen, weil man das französisch-sardinische Bündnis wurde mit erkannt hat, daß man mit seinen Kriegsgelüsten noch etwas zu einem Zitat Napoleons begleitet, der das pie- früh gekommen und das „zu früh!“ kann in der Politik leicht so montesische Königrech als ein[en] Fuß in Italien, verhängnißvoll werden, wie das „zu spät“! Durch diplomatische Verhandlungen hofft man eine solche Gruppierung der Mächte herbeizuführen, welche den Krieg als ein minder waghalsiges 62 TZ 28/1859 a, 1. Unternehmen erscheinen ließe, als er es im jetzigen Augenblicke 63 TZ 16/1859, 1. wäre. (...) Die Frage ist daher unseres Bedünkens nur die, ob 64 TZ 31/1859, 1. wir den Krieg mit oder ohne Conferenzen haben werden? (TZ 65 TZ 28/1859 a, 1. 24/1859 a, 1; siehe auch: TZ 28/1859 a, 1; TZ 31/1859, 1). 66 TZ 29/1859, 1–2. 247
ANALELE BANATULUI, S.N., ARHEOLOGIE – ISTORIE, XXVIII, 2020 ein[en] unentbehrliche[n] Brückenkopf für Frank- im gegebenen Falle weder Preußen noch England säu- reich nannte67. Die Temeswarer Zeitung nahm den men würden, an die Seite Oesterreichs sich zu stel- Standpunkt ein, dass Italien zu keiner Zeit eine ein- len, und in dieser letzten Hinsicht fehlt es allerdings heitliche Nation gebildet hat; selbst unter der römi- nicht an Thatsachen, welche den Beweis liefern, daß schen Herrschaft war es in unabhängige Municipien man in Wien auf ihre Unterstützung mit Sicherheit getheilt (...) Mailand gehört seit mehr als 150 Jahren rechnen kann (...)71. Man rechnete besonders mit dem Hause Österreich... Aber was hat es (dem Frank- der Hilfe aus deutschen Ländern, und zwar nicht reich – F. K.) jenseits der Alpen für Pflichten und wer so viel mit denjenigen aus dem unter preußischer hat ihm eine Mission in Italien anvertraut?68. Domination stehenden Norddeutschen Bund, Dem gleichen Blatt gemäß war das österreichi- sondern viel mehr aus dem Süden: Wir wissen – sche Selbstvertrauen in einem Kriegsfall riesig. Man schrieb die Temeswarer Zeitung – daß Staatsmänner schöpfte dieses Vertrauen aus unserer Wehrkraft, nicht vorschnell ihre patriotischen Gefühle in diplo- die bis zur festesten Ueberzeugung gestählt worden; matischen Drohnoten spazieren gehen lassen dürfen; ferner, aus der in Deutschland für Oesterreich herr- wir vertrauen endlich, daß Preußens Staatslenker schenden Sympathien, sowie aus der Liebe zu Kaiser Deutschlands Schwert zur rechten Zeit zu ziehen und und Vaterland, die so mächtig in ganz Oesterreich mit fürstlichen Schwung zu führen wissen wird (...) emporgestammt (...) Oesterreich mit seinen 36 Milli- Alles steht jetzt weit zurück hinter dem Drang, beim onen Bewohnern, seinen unerschöpflichen materiellen ersten französischen Trommelschlag Oesterreich von Hülfsmitteln steht da, ein Fels in Meere; mögen die ganz Deutschland vertheidigt sehen zu wollen; denn vom Sturm bewegten Wogen seinen Fußschemel auch man will nicht zuerst Oesterreich sich schwächen noch so sehr umbranden, feste steht es da, ruhig und lassen, ehe an Preußen die sichere Reihe käme. Aus unterschütterlich69. Das Österreichische Selbstver- Egoismus stehen wir sicherlich nicht zu Habsburgs trauen begründete sich auf die immer wiederho- Fahne; denn wenn irgend ein Theil Deutschlands von lende Vermutung, dass ein eventueller Angriff auf den Franzosen schwer zu leiden haben wird, so ist die österreichischen Gebiete in Italien und die Ein- es Südwestdeutschland (...) Die preußische Volksver- mischung Frankreichs unvermeidlich eine Inter- tretung hat schon jetzt, während der Regierung die vention Preußens und Großbritanniens provozie- Staatsklugheit noch immer die Bahnen der Vermitt- ren müsste. Damit wäre der Krieg nicht nur auf lung vorschreibt, eine beneidenswerthe Gelegenheit, Frankreich und Piemont einerseits und Österreich als die erste politische Körperschaft Deutschlands ihr andererseits beschränkt, sondern man hätte dann Gewicht in die Schale zu werfen. Die Presse wird ihr einen paneuropäischen Krieg, den ältere Geschlechte dann wohl folgen. Aus dem Süden werden ihr hun- schon erfahren haben. Man wird sich aber wohl derttausend Herzen entgegenschlagen72. zweimal bedenken, ehe man einen Weltbrand anzün- Endlich wurde auch noch immer die Erinne- det, von welchem man zu Staub und Asche verzehrt rung aus den Revolutionsjahren 1848/49 lebendig werden kann. Hierin liegt die sicherste Bürgschaft und frisch, und man hatte die siegreichen Feldzüge für die Erhaltung des europäischen Friedens70. Eine Feldmarschall Radetzkys gegen die italienischen Überzeugung Österreichs in Bezug auf das Bünd- Aufständischen vor den Augen. Radetzky aber nis mit den anderen europäischen Großmächten starb anfangs 1858, wobei die außenpolitische (Preußen und England) war offensichtlich, jedoch Lage Österreichs seit 1848 ziemlich verändert, d.h. stellte sich diese Idee später als falsch heraus: Man verschlechtert wurde. Dabei waren die Nachfolger hat hier in Wien den Abschluß eines Schutz- und Radetzkys ihm nicht zugewachsen. Alles in allem, Trutz-Bündnisses mit Preußen und England auch gar ein Erfolg beim eventuellen Krieg gegen die Itali- nicht vorgeschlagen, weil man überzeugt war, daß ener wurde als selbstverständlich betrachtet. Ende diese beiden Mächte eben so wie Oesterreich jede der- Januar wurde eine Nachricht mitgeteilt, von der artige Demonstration vermieden zu sehen wünschen, Begeisterung der österreichischen Truppen, die in welche als eine Drohung gegen Frankreich jedenfalls Wien stationiert wurden, und einen Befehl erhal- ausgelegt worden wäre. Andererseits mußte man, daß ten hatten, nach Italien zu marschieren, um die dortigen Garnisonen zu verstärken73. 67 Der gleiche Artikel wiederholte alle Versprechungen über Die sich immer mehr verschärfende Kriegsrhe- die Freiheit, Unabhängigkeit und Nation, die Napoleon sei- torik setzte sich bis zum Frühling fort und im April nerzeit an die Italiener gerichtet hatte, nur um dieselben spä- 1859 stand der Krieg vor der Tür. Am 16. April ter durch seine Regierung zu brechen. TZ 26/1859, 1. 68 TZ 28/1859 a, 1. 71 TZ 19/1859 a, 2. 69 TZ 16/1859, 1. 72 TZ 19/1859 b, 1–2. 70 TZ 18/1859 b, 2. 73 TZ 18/1859 a, 1; TZ 24/1859 b, 1. 248
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