DAS BANAT UND DAS RISORGIMENTO: DER SARDINISCHE KRIEG 1859 UND SEINE AUSWIRKUNGEN IM BANAT

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ANALELE BANATULUI, S.N., ARHEOLOGIE – ISTORIE, XXVIII, 2020
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         DAS BANAT UND DAS RISORGIMENTO: DER SARDINISCHE
           KRIEG 1859 UND SEINE AUSWIRKUNGEN IM BANAT

                                                                                                       Filip Krčmar*

   Stichwörter: Banat, Risorgimento, Sardinischer Krieg, Kaisertum Österreich.
   Keywords: Banat, Risorgimento, Second Italian War of Independence, Austrian Empire.

   Banat and Risorgimento: Second Italian War of Independence and its Influence in Banat
   (Abstract)
   Based on the archival holdings of Archiv of Vojvodina (F. 23 Landesverwaltung der Wojwodschaft Serbien und
   des Temesvarer Banat 1849–1861), as well as on the writing of contemporary press (Wiener Zeitung, Temesvarer
   Zeitung, Gross-Becskereker Wochenblatt, Werschetzer Gebirgsbote, Lugoser Anzeiger), the paper discusses ways and
   means in which the region of Banat was influenced by the Second Italian War of Independence of 1859. Following
   important issues have been addressed: gradual preparation of domicile population for the war by the government-
   run press; mobilisation and usage of financial, material and human ressources of Banat; war participation of Banat-
   based regiments, as well as formation of voluntary bataillons; war losses and decorations; and last but not the least
   – an utmost interesting question of the attitude of Banatians towards the war. For little less than a decade they
   have been subjected to rather unpopular and much hated neoabsolutistic policy of the Bach’s regime, that in war
   times demanded an unconditional allegiance and self-sacrifice. On the other hand, regardless of their nationality,
   they looked with sympathies at the enemy’s freedom and independence struggle. In practice, such attitude led to
   an enormous, although publicly hardly visible dissatisfaction with the war, in quite oposition to the patriotic image
   imposed and carefully nurtured by the press. Beside to formation of Italy in 1861, the unfavourable outcome of
   the war for Austria subsequently led to inner instability and dissolution of the Crown Province Voivodeship Serbia
   and Banat of Temesvar in same year. Ethnically mixed population almost unanonimously greeted such turn of
   events.

   Das Risorgimento: der Weg zum Jahr 1859                      unter der fremden, d.h. französischen, Herrschaft

   D     ie Anfänge des Risorgimento (ital. Risor-
         gimento – Wiedergeburt, Renaissance),
womit man die italienische National-, Freiheits-
                                                                (1797–1814). Zu dieser Zeit setzten die Franzosen
                                                                eine „politische Modernisierung” Italiens vollstän-
                                                                dig in Einklang mit den Leistungen ihrer 1789-
und Vereinigungsbewegung deutet, kann man                       er Revolution durch, was sich am meisten in der
bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zurückverfol-                Gesetzgebung, dann in der republikanischen und
gen1. Doch blieb Italien bis zum Ende des 18. und               später auch in der monarchistischen Staatsver-
Anfang des 19. Jahrhunderts politisch uneinheit-                fassung wiederspiegelte. In politischer Hinsicht
lich und in mehrere kleinere Staaten aufgeteilt.                wurde auch eine „Vergrößerung” durchgesetzt,
Ihre politische Einheit wurde zum ersten Mal zur                da die ganze Halbinsel sich, statt in mehrere Staa-
Zeit der napoleonischen Kriege erreicht, und zwar               ten (wie früher), damals in drei große Einheiten
                                                                gliederte, und zwar: ein Drittel befand sich unter
* Istorijski arhiv Zrenjanin, Serbien; e-mail: fkistarzr@
gmail.com.                                                      unmittelbarer französischer Herrschaft, das zweite,
1
    Einzelne Historiker verschieben diese Grenze auf das        zentrale, Drittel wurde als „Königreich Italien” ein-
Ende des 18. Jahrhunderts und das Jahr 1792. Siehe: Ekmečić     gerichtet, wobei der restliche Teil dem Königreich
2005, 101–123. Einsame Stimmen, die zur Vereinigung der         Neapel im Süden zufiel2.
politisch geteilten Apenninen-Halbinsel aufriefen, gab es           Schon in dieser Zeit erschienen die ersten
schon früher; das bemerkenswerte Beispiel dafür war der flo-
rentinische Denker Niccolo Machiavelli, der das Papsttum        Widerstandszeichen gegen die Fremdeherrschaft:
als das größte Hindernis zur Verwirklichung der politischen     1796, als die französischen Eroberungen began-
Einigung Italiens ablehnte und in seinem Werk Der Fürst für     nen, nahmen die radikalen Freimauerer mit
einen säkularen Herrscher plädierte, der dieses Ziel erreicht
hätte. Beales 1971, 23.                                         2
                                                                    Beales 1971, 35.

                                                                                                                       239
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Filippo Buonarotti (1761–1833) an der Spitze die     klerikalen (päpstlichen) Herrschaft zu befreien5.
Erschaffung einer unabhängigen, einheitlichen ita-   Wegen seiner progressiven Ideen, kam er ins
lienischen Republik in Anspruch. Zu dieser Zeit      Gefängnis, wurde aber 1831 freigelassen und ver-
gehört auch die Entstehung der Geheimbunde           bannt. Die infolge seiner Inhaftierung erworbene
„Karbonari”, deren Einfluss aber erst nach 1815      Erfahrung veranlasste ihn dazu, eine Gesellschaft
verstärkt worden ist3.                               zu gründen, deren Name Giovine Italia (dt. Junges
    Nach den Beschlüssen des Wiener Kongresses       Italien) war und deren Tätigkeit später als ein bei-
(1815) wurde Europa neu aufgeteilt, wobei die        spielgebendes Rezept für die balkanischen Völker
Apenninen-Halbinsel wieder politisch gespalten       galt, die ihre nationale Emanzipation beanspruch-
wurde, wie zur Zeit vor der französischen Erobe-     ten6. Nach dem erfolglosen Versuch, einen Auf-
rung. 1815 umfasste „Italien” insgesamt acht Staa-   stand in Norditalien auszulösen, flüchtete er 1837
ten, wovon der größte Teil mittelbar oder unmit-     nach London, und setzte dort seine Tätigkeit in
telbar von Österreich beherrscht wurde, wobei in     den kommenden Jahren fort.
den anderen Staaten die konservativen, absolu-           Man sollte jedoch nicht mehr lange bis zum
tistischen Monarchen regierten4. Jeder Gedanke       ersten großen Schritt im Vereinigungsprozess
an eine konstitutionelle Verfassung wurde streng     warten. Dieser erschien im 1848-er Frühling der
verboten und verfolgt. Besonders reaktionär und      Völker, wobei die Unruhen und Umwälzungen
repressiv waren die Regierungen in Rom (dem          sich unterschiedlich in verschiedenen Teilen Ita-
päpstlichen Kirchenstaat) und im Süden (im           liens manifestierten7. Sie wurden nicht nur von
Königreich Neapel). Deswegen spielte die repub-      der Selbstbestimmung und dem Freiheitskampf
likanische Gesinnung und Bestrebung in Hiblick       motiviert, sondern hatten auch einen wesentlichen
auf die politischen Freiheiten eine bedeutende       wirtschaftlichen Hintergrund. Die im Übrigen
Rolle in der Gestaltung des Risorgimento, denn       ökonomisch unentwickelte Halbinsel litt auch
gleichzeitig mit dem Kampf gegen die fremde          wegen der schlechten Ernteerträge 1847/1848
Herrschaft trug das Streben nach politischen Frei-   und der wirtschaftlichen Krise, die in ganz Europa
heiten wesentlich zu der Geburt der italienischen    zu verspüren war. Auf der gesamten Halbinsel for-
Nationalbewegung bei.                                derte und erwartete man allgemeine wirtschaftli-
    Bald nach der Wiedereinführung der vornapo-      che und gesellschaftliche Reformen, wobei diese
leonischen Zustände brachen die Aufstände über-      Forderungen auch mit dem Aufruf zur politischen
all auf der Apenninen-Halbinsel aus. Im Norden       Vereinigung Italiens verknüpft waren8.
verschwörte sich die Freimaurer-Bewegung Buo-            Die Unruhen, die im März 1848 in Wien und
narottis gegen Österreich, um die Unabhängigkeit     in Pest stattgefunden hatten, führten zum Umsturz
zu erlangen, obwohl das tatsächliche Endeziel der    der reaktionären Regierung und Durchsetzung der
Verschwörung die Einführung einer kommunisti-        konstitutionellen Verfassung in Österreich. Die
schen Gesellschaft war. Im Süden, im Königreich      Italiener sahen eine Chance darin, um eigene Inte-
Neapel, rebellierte der Geheimbund „Karbonari“       ressen zu erzielen, die sich von einem Staat zum
mit einem kurzlebigen Erfolg, obwohl dort eine       anderen unterschieden.
konstitutionelle Verfassung wieder eingeführt            In Rom, Piemont-Sardinien, im Königreich
wurde. Durch Intervention der europäischen           Sizilien und in Neapel und im Herzogtum Tos-
Großmächte aber wurde der Karbonari-Aufstand         kana wurden die dortigen Herrscher gezwungen,
schon anfangs 1821 erstickt. Ähnliche Umwälzun-      die Verfassungen zu proklamieren. Die italienische
gen wiederholten sich auch ein Jahrzehnt später      Bevölkerung im Königreich Lombardei-Venedig,
(1831) in Modena, Parma, Bologna usw., teilten       das damals Österreich gehörte, versuchte sich von
aber das gleiche vergebliche Schicksal.              der österreichischen Herrschaft zu befreien. In der
    In den 1830-er Jahren wurde das Risorgimento     lombardischen Hauptstadt Mailand gelang es dem
durch die Wirkung Giuseppe Mazzinis (1805–           5
                                                        Ebenda, 5.
1872) war der Hauptideologe des Risorgimento         6
                                                        Das war insbesondere der Fall mit den südungarischen
in den 30' er Jahren des 19. Jahrhunderts. Maz-      Serben, die 1866 die Vereinigte Serbische Jugend gründeten,
zini strebte danach, Italien vollständig von der     mit Giovane Italia als Vorbild. Darüber s.: Petrović 1964, 35;
österreichischen Vorherrschaft, dem fürstlichen      Bešlin 2005, 557–558; Krestić 2013, 257; Mikavica 2011,
Despotismus, den Adelsprivilegien, sowie von der     319–321; Mikavica et al. 2016, 56; Krčmar 2018, 147–163.
                                                     7
                                                        Die 1848-er Revolution wird gewöhnlich als der
                                                     Erste Italienische Unabhängigkeits- und Vereinigungskrieg
3
    Ebenda, 37.                                      betrachtet (F.K.).
4
    Gooch 1986, 1.                                   8
                                                        Popov 2014, 199.

240
dortigen Rechtsanwalt Carlo Cattaneo, einen Auf-       Staaten war das Königreich Piemont-Sardinien.
stand auszulösen (sg. Fünf Tage Mailands), der mit     Dank seiner liberalen Wirtschaftspolitik und
der Vertreibung der österreichischen Armee, Aus-       der Bewahrung einer konstitutionellen (jedoch
rufung der Unabhängigkeit und dem Anschluss            beschränkten) 1848-er Verfassung prosperierte
der Lombardei an das benachbarte Königreich            Piemont-Sardinien und erlebte eine stufenweise,
Piemont-Sardinien endete. Der Publizist Dani-          aber konstant steigende wirtschaftliche, Blütezeit
ele Manin rufte in Venedig die Republik aus. Er        in den 1850-er Jahren. Außer der stark entwickel-
meinte, dass dadurch das historische Gedächt-          ten Industrie und dem Gewerbe hatte Piemont
nis seiner Mitbürger an die ehemalige glorreiche       auch eine ziemlich gut ausgebaute Eisenbahninf-
Vergangenheit der „Lagunenstadt” wiederbelebt          rastruktur, anderen Staaten der Halbinsel weit vor-
werde. Sowohl die Lombardei als auch Vene-             ausgehend11. Es war somit kein Wunder, dass Pie-
dig suchten ein Bündnis mit Piemont-Sardinien,         mont zum unbestrittenen Leiter und Hauptträger
deren König Karl Albert darin eine Chance sah,         des Risorgimento wurde. Kein anderer Staat war
beide zu annektieren und damit seinen eigenen          ihm gewachsen. Im Gegenteil zu den anderen kon-
Staat zu vergrößern. Österreich gelang es jedoch,      servativen italienischen Regierungen war Piemont
den Aufstand niederzuschlagen: sein Feldmarschall      ein teilweise liberaler Staat12.
Radetzky gewann zwei entscheidende Schlachten,             Seine außerordentlichen wirtschaftlichen Leis-
die später als beinahe unerschöpfliche Selbstver-      tungen sind dem Grafen Camillo Benso di Cavour
trauensquelle für die kaiserliche Armee dienten:       (1810–1861) zuzuschreiben, der als Minister-Prä-
bei Custozza (am 25. Juli 1848) und Novara (am         sident Sardiniens von 1852 bis 1859, und auch
23. März 1849). Damit wurde die Revolution,            später fungierte13. Im politischen Leben des Lan-
d.h. der Erste Italienische Unabhängigkeitskrieg       des war er eine dominante Figur, und ihm war es
beendet.                                               gelungen, die Position Piemonts nicht nur innen-,
    Dem erfolglosen Versuch zufolge, sich von          sondern auch außenpolitisch zu festigen. Vollkom-
Österreich zu befreien, wurden die Italiener im        men bewusst darüber, dass die Italiener einen äuße-
nachfolgenden Jahrzehnt einer starken Repression       ren Verbündeten gegen Österreich finden müssten,
ausgesetzt. Die Apenninen-Halbinsel wurde wieder       führte Cavour das Königreich Piemont-Sardinien
politisch zerstückelt und in 7 verschiedene Staaten    in den Krimkrieg (1853–1856) ein. Dadurch
eingeteilt: das Königreich Piemont-Sardinien, mit      wurde das ansonsten in dem Krieg neutral geblie-
dem Sitz in Turin; das Königreich Lombardei-Ve-        bene Österreich diplomatisch isoliert, wobei Pie-
nedig, das seit 1815 ein Teil des Österreichischen     mont sich zuletzt an der Seite der Kriegssieger
Kaiserreiches war; das Herzogtum Parma, das Her-       befand und dadurch die Möglichkeit erhielt, damit
zogtum Moderna, das Großherzogtum Toskana,             anzufangen, die „italienische Frage” mit Hilfe der
die alle unter der mittelbaren oder unmittelbaren      anderen europäischen Großmächte zu lösen. Seit
österreichischen Kontrolle standen; der Päpstliche     dem Jahr 1856 erregte und ermunterte Cavour
Staat in Zentralitalien, das Königreich Beider Sizi-   eine kräftige und wirkungsvolle anti-österreichi-
lien, das Neapel mit der Umgebung in Süditalien
und die Insel Sizilien umfasste9. In Rom und im        11
                                                            Bis 1860 hatte Piemont 800 km der Eisenbahnstrecke,
Großherzogtum Toskana wurde die Zensur einge-          was ein Drittel gesamten Strecken auf der Apenninen-Hal-
setzt, und jede Spur von politischer Unzufrieden-      binsel darstellte (Beales 1971, 75).
                                                       12
                                                            Der Ausgangspunkt einer solchen Politik war die 1848
heit oder von Widerstand wurde breitwillig und         eingeführte und beibehaltene Verfassung, wodurch die Vor-
eifrig unterdrückt. Im Königreich Lombardei-Ve-        herrschaft des Herrschers und der Kirche bestätigt wurde,
nedig fühlte man überall die Anwesenheit der Poli-     gleichzeitig jedoch die Presse- und Vereinigungsfreiheit
zei und Armee, wobei die Revolutionsteilnehmer         ermöglicht wurde. Auch wurde ein Parlament mit gesetzge-
angegriffen, verhaftet, verbannt oder hingerichtet     benden Prärogativen vorgesehen, sowie ein (beschränktes)
                                                       Wahlstimmungsrecht garantiert (2% der erwachsenen Bevöl-
wurden; ähnlich war es auch im Königreich Beider       kerung). Diese Freiheiten ermöglichten einen wirtschaftli-
Sizilien, wo die Freidenkenden zu einer längeren       chen Aufschwung und die Umwandlung der politischen Kul-
Haftstrafe verurteilt wurden, und alle außerhalb       tur, die in starkem Kontrast zu der politischen Reaktion und
der Herrscherkontrolle stehenden kulturellen und       dem Konservativismus standen, die in anderen Gebieten der
politischen Tätigkeiten streng verboten wurden10.      Halbinsel damals vorhanden waren (Riall 2009, 28).
    Die einzige Ausnahme unter den italienischen
                                                       13
                                                            Diesen Zeitraum, der mit dem Aufschwung des Libera-
                                                       lismus im Königreich Sardinien übereinstimmt, nennt die
                                                       italienische Geschichtsschreibung gewöhnlich als eine „Vor-
9
     Beales 1971, 13, 69.                              bereitungszeitspanne”, d. h. eine Vorbereitung für die Natio-
10
     Popov 2014, 259–260.                              nalvereinigung (Riall 2009, 28).

                                                                                                               241
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sche Propaganda in den nördlichen und zentralen
Gebieten der Halbinsel. Ihm war es sogar gelun-                      Woiwodschaft Serbien und das Temescher
gen, einen Bruch der diplomatischen Beziehungen                      Banat vor dem sardinischen Krieg
mit Österreich zu provozieren. Den wichtigsten                      Wenn man im Vergleich zur Apenninen-Halb-
Bundesgenossen und internationalen Gönner der                   insel das Banat kurz vor dem 1859-er Krieg
italienischen Staatsbildung fand Cavour im franzö-              unter die Lupe nimmt, bemerkt man einen his-
sischen Kaiser Napoleon III. Im Juli 1858, beim                 torisch-geographischen Raum, der sich in die
Geheimtreffen in dem französischen Bad Plombiè-                 Gegenrichtung bewegte. Im Gegenteil zu Italien
res, schmiedeten sie gemeinsamen den Plan über                  befand sich das Banat auf dem Wege einer politi-
die Vertreibung der Habsburger aus Norditalien.                 schen Desintegration.
Als Gegenleistung für die französische Hilfe, bean-                 Zur Zeit des Ersten Italienischen Unabhängig-
spruchte Napoleon die sardinischen Provinzen                    keitskrieges (1848), wurde das Banat gleichfalls
Nizza und Savoyen, so wie die Eheschließung zwi-                politisch-administrativ wie im Jahr 1779 verwal-
schen seinem Neffe Napoleon (Spottname: „Plon-                  tet, als es dem ungarischen Königreich einverleibt
Plon”) mit der sardinischen Prinzessin Clothilde.               wurde. Sein Gebiet wurde in drei Komitate geglie-
Dabei stellte er die Kriegserklärung seitens Öster-             dert: Torontáler, Temescher und Krassoer, deren
reich als Vorbedingung für die militärische Hilfe               Sitz in Gross-Betschkerek, Temeswar und Lugo-
Frankreichs, wodurch man den Gegner in der euro-                sch war. Sie wurden den Zivilbehörden Ungarns,
päischen öffentlichen Meinung als einen Aggressor               d.h. der ungarischen Hofskanzlei untergeordnet.
vorstellen und diplomatisch isolieren wollte 14. Im             Südlich wurden die entlang der Donau liegen-
Januar 1859 wurde dieses Bündnis durch den Ehe-                 den Teile des Banats von Ungarn abgesondert; sie
vertrag zwischen dem französischen und piemon-                  bildeten den Banater Teil der Militärgrenze. Aus
tesischen Herrscherhaus gefestigt. Im Laufe der                 politisch-administrativer Sicht wurde die Banater
folgenden vier Monate unternahmen beide dieser                  Militärgrenze in drei Regimente aufgeteilt, wobei
Staaten alles, um Österreich zu provozieren, dem                jedes Regiment 10–12 Dörfer (Kompagnien)
Königreich Piemont-Sardinien den Krieg zu erklä-                umfasste. Diese Regimente wurden nach ethni-
ren: in Zentralitalien wurden Umwälzungen und                   schen Linien eingerichtet, obwohl ihre Namen
Unruhen erregt; Freiwillige wurden zum Kampf                    (12. Deutsch-Banater, 13. Rumänisch-Banater
gegen Österreich berufen; beide Herrscher ver-                  und 14. Illyrisch-Banater) nicht immer ihre ethni-
lauteten aufrührerische Äußerungen über Öster-                  sche Struktur widerspiegelten.
reich. Gerade als diese Bemühungen erfolglos und                    Auch existierte damals als besonderes sebstver-
gescheitert schienen, und Großbritannien seine                  waltetes Gebiet der sgt. Grosskikindaer Privilegier-
Vermittlung bei einer internationalen Verhand-                  ten Distrikt, der von den Torontalerkomitatsbe-
lungskonferenz angeboten hatte, stellte Österreich              hörden hauptsächlich abgetrennt wurde und zehn
dem Königreich Piemont ein Ultimatum, eine                      rein serbische Ortsgemeinden des nordwestlichen
sofortige Entwaffnung suchend. Die piemontesi-                  Banats umfasste16. Diese administrative Einteilung
sche Ablehnung dieser Forderung führte zu einem                 wurde nach der 1848-er Revolution wesentlich
unvermeidlichen Krieg, den Österreich Piemont                   verändert.
am 29. April 1859 erklärte, von den langdauernden                   Schon damals, im Jahr 1848, hatten die Bana-
Konsequenzen eines solches Aktes völlig ahnungslos15.           ter Grenzregimente die Gelegenheit, in Italien
                                                                einen Krieg zu führen. Sie nahmen daselbst an
14
     Doch unterschied sich, gemäß der Pläne von Cavour und      der Unterdrückung der Revolution teil. Jedoch
Napoleon, die künftige Auffassung der Apenninen-Halbinsel       wurde das Banat selbst ein Kriegsschauplatz, wo
von derjenigen, die später verwirklicht wurde. Piemont sollte   es zu den verwirrenden Konflikten zwischen den
die Lombardei, Venedig und den größeren Teil des Päpstlichen
Staates annektieren; es sollte ein neues Königreich von „Obe-
                                                                hiesigen Nationalitäten kam. Zum Beispiel kämpf-
ritalien” bilden, wobei Rom dem Papst überlassen wurde,         ten die Deutschen und Serben in Temeswar gegen
zusammen mit dem tröstenden Titel des „Präsident[en] der        die Ungarn; in Weisskirchen kämpften Ungarn
italienischen Konföderation”. Das Königreich Beider Sizilien    und Deutsche gegen die Serben, die von serbi-
sollte überleben. Tatsächlich sahen die beiden Staatsmänner     schen Freiwilligen aus dem Fürstentum Serbiens
das zukünftige Italien anders als die überwiegende Mehrheit     unterstützt wurden. Im Winter und Frühling
der italienischen Nationalisten. Die Halbinsel würde von der
päpstlichen und österreichischen Übermacht befreit, aber
nicht vollständig politisch vereinigt (Beales 1971, 81–82;      16
                                                                   Diese waren: Gross-Kikinda, Srpski Krstur, Melencze,
Gooch 1986, 26).                                                Mokrin, Tarasch, Karlova, Baschahid, Josefsdorf, Kumane
15
     Riall 2009, 30.                                            und Franyova (Stajić 1950).

242
1848/1849 gelang es den Serben, das ganze Toro-                 minister, de facto Regierungschef und neben dem
ntáler Komitat von den Ungarn zu erobern. Diese                 Kaiser der mächtigste Mann im Lande: Alexan-
Konflikte wurden oft von Grausamkeiten begleitet.               der von Bach, nach welchem der gesamte Zeit-
    Nach der Revolutionsunterdrückung wurden                    raum von 1849 bis zu seinem Untergang 1859 als
im ganzen Kaiserreich insgesammt 16 selbststän-                 „Bach’scher Neoabsolutismus” bezeichnet wird.
dige Kronländer geschaffen17. Wegen ihrer Unab-                 Seine Regierung berief sich auf das verzweigte Poli-
hängigkeitsbewegung und dem Sturz der Habs-                     zeisystem der Agenten, Spione und Informanten
burger wurden die Ungarn durch eine bedeutende                  (die man spöttisch als „Bach’sche Husaren” kenn-
Verletzung der Territorialintegrität ihres Königrei-            zeichnete), eine strenge Pressezensur und Unter-
ches bestraft, wobei das ungarische Staatsterrito-              drückung aller bürgerlichen Freiheiten22. Dabei
rium zerstückelt und dem Kaisertum Österreich                   wurde seitens herrschender Kreise in Wien bei
vollkommen eingegliedert wurde18.                               der Unterdrückung der Ungarn wieder eine „Ver-
    Zuerst wurden Siebenbürgen und Kroatien                     wirkungstheorie” ins Leben gerufen, weswegen
von Ungarn getrennt; drei südungarische Bana-                   die nichtungarischen Nationalitäten (größtenteils
ter Komitate (Torontál, Temesch und Krasso),                    Deutsche und verdeutschte Tschechen) öffentliche
zusammen mit dem benachbarten Bacs-Bodro-                       Ämter bekleideten23.
gher Komitat und zwei Bezirke vom Syrmischen                        Die Grenzen der Woiwodschaft waren so
Komitat wurden Ungarn weggenommen und                           gezogen, dass sie ein völkisch gemischtes Territo-
bildeten seit 1849 ein besonderes kaiserliches                  rium unfassten24. Das war im Gegenteil zu den
Kronland unter dem Namen Woiwodschaft Ser-                      Ansprüchen der hiesigen Völker, die während der
bien und Temescher Banat19. Die Militärgrenze                   1848/1849-er Unruhen vorgetreten waren und
wurde bewahrt, wobei die restlichen Teile Ungarns               eigenes, nationales unabhängiges und selbstver-
auf fünf große Kreise geteilt wurden (Ofen-Pes-                 waltetes Gebiet forderten.
ter, Grosswardeiner, Kassauer, Pressburger und                      Infolge der ersten Volkszählung, die 1850/1851
Ödenburger), jeder dieser Kreise umfasste meh-                  stattgefunden hatte, umfasste die Woiwodschaft
rere ehemalige Komitate und wurde der militäri-                 insgesammt 1.426.221 Bewohner, wovon 397.459
schen Verwaltung untergeordnet20. Das Ziel einer                zu den Rumänen, 335.080 zu den Deutschen,
solcher staatlichen Zerstückelung war sowohl die                321.110 zu den Serben, 221.845 zu den Ungarn
Verhinderung jedwelcher erneuter Aufstandsversu-                zählten und der Rest an die Slowaken und Tsche-
che ungarischerseits als auch die Errichtung eines              chen (25.607), Bulgaren (22.780), Juden (15.507),
zentralisierten und germanisierten Kaisertums mit               Zigeuner (11.440), Ruthenen (6.777) und andere
dem Staatszentrum in Wien21. Der Hauptschöp-                    abfiel25.
fer dieser Politik war der österreichische Innen-                   Die Haltung der verschiedenen hier ansäs-
                                                                sigen Nationalitäten ihrer neugeordneten Hei-
17
    Lay 2001, 176. Diese Kronländer waren: 1. Erzherzog-        mat gegenüber war äußerst enttäuschend und
tum Österreich ob und unter der Enns; 2. Herzogtum Salz-
burg; 3. Herzogtum Steiermark; 4. Königreich Illyrien (beste-   feindlich. Jedes im Banat ansässige Volk lehnte
hend aus dem Herzogtum Kärnten, dem Herzogtum Krain,
der gefürsteten Grafschaft Görz und Gradiska, der Mark-         22
                                                                    Krestić 2013, 249, 254.
grafschaft Istrien und der Stadt Triest mit ihrem Gebiete);     23
                                                                    Stevanović 2014, 25.
5. Gefürstete Grafschaft Tirol und Vorarlberg; 6. Königreich    24
                                                                    Lay 2001, 191.
Böhmen; 7. Markgrafschaft Mähren; 8. Herzogtum Ober-            25
                                                                    Für die Volkszählungsergebnisse siehe: Werni 1981,
und Niederschlesien; 9. Königreiche Galizien und Lodom-         3–4; auch bei: Krestić 2013, 245; Mikavica et al. 2016, 456;
erien mit den Herzogtümern Auschwitz und Zator und dem          Vgl. mit: Stevanović 2014, 26, wo ein bisschen unterschiedli-
Großherzogtum Krakau; 10. Herzogtum Bukowina; 11.               che Volkszählungsergebnisse angegeben sind (1.398.997
Königreiche Dalmatien, Kroatien und Slawonien mit dem           Einwohner insgesamt, davon: 398.605 Rumänen, 289.376
kroatischen Küstenlande, der Stadt Fiume und dem dazu           Serben, 339.448 Deutsche, 241.749 Ungarn, wobei der
gehörigen Gebiet; 12. Königreich Ungarn; 13. Großfürsten-       Rest auf andere Völker abfiel. Stevanović begründete seine
tum Siebenbürgen; 14. Distrikte Kövar und der Stadt Zillen-     Anführungen auf die offizielle Volkszählungsergebnisse, die
markt; 15. Königreich Lombardei-Venedig und 16. Woiwod-         in Reichs-Gesetz-Blatt veröffentlicht wurden. Im Gegenteil
schaft Serbien und das Temescher Banat (Militärgrenzgebiet      dazu, erwähnt Konrad Clewing in seiner wissenschaftlichen
nicht einberechnet).                                            Arbeit eine etwas höhere Bewohnerzahl der Woiwodschaft
18
    Stevanović 2014, 25; Rokai et al. 2001, 450.                von insgesamt 1.447.783 Bewohnern (404.909 Rumänen,
19
    Das war der offizielle Name, obwohl im alltäglichen         354.431 Deutschen, 295.922 Serben, 38.341 Bunjewatzen,
Leben auch andere Bezeichnungen benützt wurden. Siehe:          5.310 Schokatzen, 2.874 Kroaten, 7.408 Ruthenen, 28.048
Stevanović 2014, 48; Markov 2015, 7–18.                         Slowaken, 13.782 Bulgaren, 258.419 Ungarn, 13.467
20
    Rokai et al. 2001, 450.                                     Zigeunern, 18.117 Juden und 2.438 anderen) (Clewing
21
    Ebenda.                                                     2005, 270).

                                                                                                                        243
ANALELE BANATULUI, S.N., ARHEOLOGIE – ISTORIE, XXVIII, 2020

energisch die Regierung ab. Der Wiener Hof                 heiten und andere gottesgesegneten Leistungen der
wollte nicht die nationalen Besonderheiten seiner          1848-er Verfassung31. Eine geringe Zahl der unga-
Völker anerkennen, sondern strebte danach, sich            rischen Adeligen unterstützte die absolutistische
darüber hinaus zu erheben und im „übernationa-             Regierung Bachs, jedoch nur aus existenziellen
len” Geist zu herrschen, mit starker Unterstützung         Gründen und der Förderungsmöglichkeit im Rah-
der Österreich-Deutschen26.                                men der gesellschaftlichen Hierarchie; der größte
    Dem Wiener Hof zufolge wurden die Serben               Teil des ungarischen Adels hatte jedoch kein Ver-
mit der Gründung der Woiwodschaft für die in               ständnis für die absolutistische Natur der Regie-
schweren Zeiten bewiesene Kaisertreue belohnt;             rung und äußerte sein Verhalten durch Ablehnung
trotzdem waren sie mit dem neuen Kronland über-            der öffentlichen Ämter und Steuerzahlungsverwei-
haupt nicht zufrieden, da dieses ihren Nationalfor-        gerungen32. In Erwartung der Verbesserung ihrer
derungen, die im Jahr 1848 proklamiert wurden,             Lage nahmen sie eine Einstellung des passiven
nicht entsprach. Von einer geschlossenen serbi-            Widerstands. Der Hauptgrund der ungarischen
schen Einheit oder politischen Organisation, die           Unzufriedenheiten war auch das Misstrauen ande-
das serbische Volk in 1848 beanspruchte, konnte            ren Nationalitäten gegenüber und lag in der Tatsa-
keine Rede sein; stattdessen wurde ein administ-           che, dass die wirtschaftlichen Maßnahmen Wiens
rativer Körper geschaffen, an dessen Spitze tat-           nur darauf ausgerichtet wurden, den Kaiserstaat zu
sächlich nur Menschen nichtserbischer Herkunft             zentralisieren, ohne die wirtschaftlichen Interes-
standen und welcher außer dem Titel eigentlich gar         sen und historischen Besonderheiten anderer Teile
nichts Serbisches an sich gehabt hatte27. Das neue         der Monarchie (d.h. des Königreichs Ungarns) zu
Kronland war serbisch nur dem Namen nach,                  berücksichtigen33.
wobei hauptsächlich die Deutschen und Rumä-                    Im Vergleich zu den anderen Nationalitäten des
nen die Bevölkerungsmehrheit bildeten. Außer               Kronlandes, fanden sich die Banater Deutschen in
einer überwiegenden nicht-serbischen Mehrheit              einer relativ besseren Lage. Sie äußerten auch ihre
wurde Deutsch die amtliche Sprache. Statt des ser-         Nationalansprüche für ein selbstverwaltetes deut-
bischen Anspruchs auf Novi Sad, wurde Temesvár             sches Gebiet, und zwar in der sogenannten Schwa-
(die ungarische Bezeichnung, deutsch Temeswar)             benpetition vom 2. Oktober 184934. Obwohl
als Landeshauptstadt bestimmt. Dennoch war die             sich die im Antrag gestellten Ansprüche nicht
Anzahl der serbischen Beamten in der Verwaltung            verwirklichten, wurde Deutsch als Amtssprache
des Kronlandes im Vergleich zu den früheren Zei-           im ganzen Reich eingeführt, die dem Hof treuen
ten größer, und durch die Komitaten-Auflösung              Deutschen wurden in öffentlichen Ämtern favo-
fühlten die Serben eine Freiheit von der bisheri-          risiert, das deutsche Schulwesen blühte auf, wie
gen ungarischen Hegemonie; an Stelle derselben             auch die deutschen Buchdruckereien, weswegen in
wurde aber schnell die deutsche Hegemonie ein-             der donauschwäbischen Geschichtsschreibung die
gesetzt28. Die serbische Unzufriedenheit mit sol-          Zeit des Neoabsolutismus als das goldene Zeitalter
cher Missachtung ihrer Ansprüche wurde durch               für die Banater Deutschen bezeichnet wurde35.
ein kurzgefasstes Sprichwort ausgedrückt, dass,            Andererseits wurden die Deutschen, sogar in den
was die Ungarn als Strafe erhalten haben, das haben        Fällen, wenn sie die Regierung ablehnten, wegen
die Serben als Belohnung bekommen29. Diese Beloh-          ihrer Sprache oftmals mit der Regierungspolitik
nung war jedenfalls trügerisch, weil der Wiener            identifiziert, was zu einer tieferen Spaltung zwi-
Hof aufpassen musste, die zahlreichen anderen im           schen sie und anderen Nationalitäten führte36.
Banat lebenden Nationalitäten nur um die Serben                Andere Völker hatten auch eine feindliche
zu befriedigen.                                            Haltung der Woiwodschaft gegenüber. Die kai-
    Von dem Großteil der Ungarn wurde die                  sertreuen Rumänen unterbrachten eine Peti-
Bach’schen Regierung gehasst und die Bach’sche             tion in Olmütz im Februar 1849, in deren
Ära von 1849 bis 1861 als ein dunkles Zeitalter
betrachtet30, ohne politische und bürgerliche Frei-        Dynastie niemals außer Kraft gesetzt wurde (Rokai et al.
                                                           2001, 446).
26
    Rokai et al. 2001, 451.                                31
                                                              Mikavica et al. 2007, 259.
27
    Werni 1981, 54.                                        32
                                                              Rokai et al. 2001, 451–452.
28
    Stevanović 2014, 26.                                   33
                                                              Ebenda, 453–454.
29
    Lay 2001, 164; Krestić 2013, 245.                      34
                                                              Für die Schwabenpetition siehe: Petri 1963; Lay 2001,
30
    In einzelnen Teilen Ungarns wurde sogar Franz Joseph   177–189; Krčmar 2012, 259–270; Antolović 2012, 159–173.
I als ein ungesetzlicher Herrscher betrachtet, da die am   35
                                                              Senz 1987, 135–136.
14. April 1849 proklamierte Entthronung der Habsburger     36
                                                              Lay 2001, 163.

244
Acht-Punkten-Beschluss sie gegen das neue Kron-                  landeshauptstädtische Temeswarer Zeitung41, sowie
land protestierten37. Eine ähnliche Forderung                    die landesprovinziellen Blätter Gross-Betschkereker
wurde auch von den Slowaken einen Monat später                   Wochenblatt42, Weschetzer Gebirgsbote43 und Lugo-
überreicht38. Das war die Atmosphäre in der ser-                 scher Anzeiger44. Ihnen allen wurde eine strenge
bisch-banater Woiwodschaft zur Zeit des sardini-                 Regierungskontrolle, sowie die Übernahme der
schen Kriegsausbruchs39.                                         verschiedenen Nachrichten voneinander gemein.
                                                                 Hier werden die Schriften der Temeswarer Zeitung
     Die Vorbereitung des Banats für den Krieg:                  41
                                                                      Die Temeswarer Zeitung wurde am 15. Januar 1852
     Herausbildung der öffentlichen Meinung                      gegründet. Die Zeitung war in Form, Aufmachung und
   Anfangs 1859 wusste man im Banat – wie                        inhaltlicher Ausgestaltung – mit dem Doppeladler im Kopf-
übrigens im gesamten Kaiserstaat – dass der                      titel – der amtlichen Wiener Zeitung nachgebildet. Es war
Krieg gegen Frankreich und das Königreich Pie-                   das erste Blatt des Banates, das den Anforderungen der dama-
                                                                 ligen Zeit entsprach (Krischan 1969, 18). Als das Landesre-
mont-Sardinien in der Luft schwebte. Die Bewoh-                  gierungs-Amtsblatt war die Temeswarer Zeitung bestrebt, die
ner der serbisch-banater Woiwodschaft ließen                     Ideen der Wiener Regierung bei der Bevölkerung bekannt
sich darüber mittels Presse informieren. Diese                   (und beliebt) zu machen. Es ist bemerkenswert, dass die Auf-
umfasste die haupststädtische Wiener Zeitung40,                  lagenhöhe der TZ während der Kriegszeit 1100 Exemplare
                                                                 umfasste, was damals recht staatlich war (Krischan 1969,
37
     Ebenda, 176.                                                19). Von der Bedeutung der Temeswarer Zeitung während des
38
     Ebenda.                                                     Krieges spricht eine Verordnung der Landesstatthalterei deut-
39
     Obwohl die neoabsolutistische Regierung in der Woi-         lich, die am 16. Mai datiert wurde. Darin steht: (...) Sowohl
wodschaft überall unbeliebt war, muss man ihre vorwiegend        für die Behörde, als auch für die Bevölkerung wurden in der
guten Leistungen auf verschiedenen politischen, wirtschaft-      amtlichen Temeswarer Zeitung täglich die neusten authentischen
lichen und gesellschaftlichen Gebieten anerkennen. Einige        Nachrichten veröffentlicht, es wäre daher angemessen, daß die-
davon betreffen die 1848 erworbenen und beibehaltenen            ses Blatt in allen Gemeinden gelesen würde, und es kann die
Rechte, wie beispielsweise die Abschaffung der Leibeigen-        nicht bedeutende Auslage für die Pränumeration anstandslos
schaft, Einführung der allgemeinen Steuerpflicht und Gleich-     von jeder Gemeinde bestritten werden; zu dieser Gemeinde-Aus-
berechtigung vor dem Gerichtshof (Rokai et al. 2001, 452).       gabe wird hiermit allgemein die Bewilligung ertheilt (AV, F. 23
Die Gerichtsbarkeit wurde reformiert und die Gültigkeit des      LdSWudTB 1849–1861, Nr. 2232/1859). In der Einladung
österreichischen Allgemeinen Bürgergesetzbuches wurde auf        zur Pränumeration von 16. Juni 1859 steht: Den Ereignissen
das Gebiet der Woiwodschaft ausgedehnt (Rokai et al. 2001,       auf dem Kriegsschauplatze wird die größte Aufmerksamkeit
453). Zu dieser Zeit beginnt die Führung der Grundbücher;        gewidmet werden. Die der „Temeswarer Zeitung“ eingehenden
in Temeswar wurde 1850 die Handels- und Gewerbekammer            zahlreichen officiellen und privaten telegraphischen Depeschen
ins Leben gerufen, die die industriellen Interessen vertrat,     werden die Leser vor allen andern Blättern von den wichtigs-
Durchsetzung der industriellen Revolution förderte und sich      ten militärischen und politischen Ereignissen in Kenntniß set-
um die Kredite sorgte (Lay 2001, 61). Die erste Eisenbahn-       zen (Temeswarer Zeitung 136/1859). Bis Ende 1860 war die
strecke wurden damals im Banat eröffnet: von Jasenova bis        Temeswarer Zeitung das Organ der Landesregierung in Temes-
Basiasch (1854) und von Temeswar bis Szeged (1856). Zur          war und wurde von einem Statthalterei-Konzipist geleitet
Zeit des Ausbruches des 1859-er Krieges begann man mit der       (Milleker 1926, 16).
Implementierung eines neuen, fortschreitenden Gemeindege-        42
                                                                      Das Gross-Betschkereker Wochenblatt wurde 1851 gegrün-
setzes (RGBfdKÖ 58/1859).                                        det und gilt heute als das älteste deutsche Provinzblatt des
40
     1703 gegründet, gilt die Wiener Zeitung als das älteste     Banats (Milleker 1926, 19). Sein Begründer war ein Regens-
noch veröffentlichte Tagesblatt der Welt. Seine erste Ausgabe    burger, Franz Paul Pleitz, dem 1847 ein Druckprivilegium
erschien am 8. August 1703 unter dem Titel Wienerisches          verliehen wurde. Wegen der Revolution von 1848/1849
Diarium, der später zur Österreichisch Kaiserlichen privile-     wurde die Gründung dieses Wochenblattes verschoben und
gierten Wiener Zeitung umbenannt wurde. Der heutige Name         erst am 4. Januar 1851 erschien die erste Nummer (Nemet
Wiener Zeitung erschien 1780. Es war in jeder Beziehung          2007, 23–25).
das bedeutendste Blatt dieser Zeit und beispielhaft offizielle   43
                                                                      Die erste Nummer des Werschetzer Gebirgsbote[n]
Regierungsorgan; es war für die politische Entwicklung des       erschien am 31. Januar 1857 aus der Buchdruckerei Eduard
Landes und als Repertorium aller wichtigeren Ereignisse,         Kirchners, als eine periodische belletristische Druckschrift. Es
Verhandlungen, Aktenstücke usw. von unschätzbarem Wert.          umfasste der amtlichen Bewilligung nach, ein gediegenes
Der reiche sorgfältig ausgewählte Inhalt diente der gesam-       Feuilleton, erheiternde Gedichte, das Verzeichnis der in Wer-
ten Regierungspresse zum Vorbild (Krischan 1969, 12–13).         schetz Geborenen, Getrauten und Gestorbenen, die Liste der in
Von seiner Bedeutung spricht die Tatsache eindeutig, dass        Werschetz angekommenen Fremden und Anzeigen von Behörden
z. B. die offizielle Kriegserklärung an das Königreich Sardi-    und Privaten. Die politische Sphäre sollte unberührt bleiben
nien, d.h. das Kaiserliche Manifest an die Völker Österreichs,   (Milleker 1926, 21).
außer in dem Reichs-Gesetz-Blatt nur noch in seiner Ausgabe      44
                                                                      Der Lugoscher Anzeiger wurde kurz vor dem Ausbruch des
vom 29. April 1859 veröffentlicht wurde. Erst später über-       sardinischen Krieges ins Leben gerufen (5. Mai 1858). Zur
nahmen die anderen Blätter die Kriegserklärung. Die Wie-         Kriegszeit betrug seine Auflage ca. 300 Exemplare. Das war
ner Zeitung berichtete ausführlich über die Kriegsereignisse,    jedoch die Wiederbelebung eines kurzlebigen, schon früher,
Personal-Veränderungen in der k. k. Armee, sowie über die        1853, entstandenen Blattes, das im gleichen Jahr zu erschei-
offiziellen Kriegsverluste und Kriegsauszeichnungen.             nen aufgehört hat (Lay 1993, 10–12).

                                                                                                                            245
ANALELE BANATULUI, S.N., ARHEOLOGIE – ISTORIE, XXVIII, 2020

und Wiener Zeitung im Fokus stehen, mit dem                   tige dynastische Verknüpfung dieser zwei Staaten
zeitweisen Rückblick auf die Kriegsberichterstat-             lobte50. In der Temeswarer Zeitung wurden auch die
tung anderer Provinzblätter.                                  wichtigsten Klauseln des Heiratvertrags angeführt,
    Seit dem Anfang des Jahres 1859 wurde der                 wie beispielsweise die Höhe der Mitgift und der
bevorstehende Krieg alltäglich in diesem Blatt                jährlichen Apanage, die Frankreich für das neue
kommentiert. Damit wurden die Banater Monate                  Brautpaar besorgt hatte51.
im Voraus für den Krieg vorbereitet und gewöhn-                   Gleichzeitig mit den Berichten über diese Ehe,
ten sich an die Erwartung des Kriegsausbruchs.                die sich später als unglücklich herausstellte52, kom-
Der Ausgangspunkt für die endlose Serie der auf               mentierte die Temeswarer Zeitung regelmäßig das
den Krieg bezogenen Artikel war eine provozie-                Schreiben verschiedener italienischen und franzö-
rende Äußerung des französischen Kaisers Napo-                sischen Blätter über die aktuelle politische Situa-
leon III, der bei der Neujahrsfeier in Paris sein             tion. Sie zitierte die Nachricht des Turiner Blattes
Bedauern dem österreichischen Botschafter Baron               Armonia, dass der Kaiser Napoleon III. den Krieg
Hubner gegenüber aussprach, weil die Beziehungen              gegen Oesterreich will, und das Heer unterstützt ihn,
zwischen Frankreich und Österreich nicht mehr so              sowie die Revolutionären und Sozialisten, wogegen
gut wie früher sind. In den europäischen Haupt-               der Adel, die Bourgeoisie und der Handelsstand den
städten wurde diese Mitteilung offenbar viel ein-             Krieg verabscheuen; das Turiner Blatt hatte richtig
deutiger als eine inoffizielle Kriegserklärung als in         geschätzt, dass der Krieg ausbrechen werde, hatte
Wien erkannt 45. Sie war aber nur eine von zahl-              jedoch falsch vorausgesehen, denn alle Großmächte
reichen anderen, schon seit früher bestimmten                 müssen sich betheiligen, keine kann neutral bleiben,
Provokationen, die mit der Absicht ausgesprochen              denn das Schicksal Aller wird auf dem Schlachtfelde
wurde, um Österreich in den Krieg zu führen. Die              entschieden53. Auch das Turiner Opinione wurde
Temeswarer Zeitung kommentierte sie nachträglich              zitiert, an welches Blatt die Temeswarer Zeitung
sehr oft. Einige Tage später äußerte der sardinische          eine Kritik richtete: Opinione (...) bläst heute
König Viktor Emanuel II eine ähnliche Provoka-                gewaltig in die Kriegstrompete: der Krieg, an den vor
tion in seiner Thronrede46.                                   kurzem noch Viele nicht glauben wollten, ist heute
    Im Januar und anfangs Februar 1859 hatten                 die allgemeine Meinung54. Für die Pariser Zeitun-
die Banater die Gelegenheit, ausführlich über                 gen – La Presse und Siècle bemerkte man, dass sie
den Besuch des Prinzen Napoleon in Turin zu                   die Sprache der alten Constituante und der Convents
lesen, der sich dort mit der sardinischen Prinzes-            sprechen55, ferner, dass sie Frankreich in den Krieg
sin Clothilde verlobte47. Die Temeswarer Zeitung              gegen Oesterreich treiben möchten56, sowie daß man
lenkte die Aufmerksamkeit ihrer Leserschaft auf               die internationalen Verträge als nicht vorhanden
den französischen General Niel, der als einer der             betrachten soll und die Karte von Italien revidiren
berühmtesten Genie-Officiere, Adjutanten und Ver-
trauten des Kaisers galt, der die Belagerungsoperati-
                                                              50
                                                                   TZ 25/1859 a: 2.
                                                              51
                                                                   TZ 25/1859 b: 2–3.
onen von Sebastopol leitete und den Prinzen wäh-              52
                                                                   Obwohl mit drei Kindern gesegnet, war die Ehe des Prin-
rend seines Besuches begleitete48. Dazu wurde von             zen Napoleon und Clothildes unglücklich, wozu der Alter-
einem warmen Empfang berichtet, den die Turiner               sunterschied und die verschiedenen Lebensarten beigetragen
dem französischen Fürsten vorbereitet hatten, mit             hatten. Einerseits war Clothilde eine fromme, verantwortli-
den Aufrufe: Es lebe Napoleon! Es lebe der König!             che und ihren Herrscherpflichten gewidmete Frau. Anderer-
                                                              seits bevorzugte „Plon-Plon” das extravagante, playboy-artige
Es lebe Frankreich! Es lebe Italien!49. Kurz danach           Leben des französischen Hofes. Wegen einem eindeutig poli-
wurde eine kurze Begrüßungsrede des Prinzen                   tischen Ehehintergrund stimmte Clothilde nur ungern zu.
Napoleon an die Inhaber der St. Helena-Medaille               Ihr frisch gebackener Bräutigam war oft dem Ehebruch zuge-
überbracht, worin er das militärische Bündnis zwi-            neigt, weswegen die Sympathien der öffentlichen Meinung
schen Frankreich und Piemont, sowie die künf-                 ungeteilt auf der Seite Clothildes standen. Besonders betrach-
                                                              teten die Italiener, dass sie geopfert wurde, um ein dynasti-
                                                              sches Bündnis mit Frankreich zu erzielen. Den Franzosen war
45
    Allmayer-Beck – Lessing 1981, 50. Trotzdem glaubte der    andererseits die Lebensart des Prinzen schon bekannt, und
österreichische Außenminister Graf Buol-Schauenstein noch     sie bereiteten einen kalten Empfang in Paris für das neue
anfangs April nicht unbedingt an einen „großen” Krieg, auch   Ehepaar anfangs 1859 vor, nicht wegen der Geringschätzung
wenn es mit Piemont zum Kampf kommen sollte.                  der savoyischen Prinzessin, sondern wegen der Unbeliebtheit
46
    TZ 12/1859, 1.                                            ihres eigenen Prinzen (F. K.).
47
    TZ 17/1859: 1; TZ 25/1859 a: 2; TZ 25/1859 b: 2–3;        53
                                                                   TZ 17/1859, 1.
TZ 26/1859: 1; TZ 27/1859: 2.                                 54
                                                                   TZ 18/1859 a, 1.
48
    TZ 17/1859: 1.                                            55
                                                                   TZ 29/1859, 1–2.
49
    Ebenda.                                                   56
                                                                   TZ 28/1859 a, 1.

246
muß57. Das halboffizielle La Patrie wurde kriti-                   diction über sich anerkennen62. Man insistierte dar-
siert, weil es die Wohltaten des Friedens in einer                 auf, dass Frankreich und Napoleon III. das inter-
so drohenden Form besinge, dass die öffentliche                    nationale Recht verletzten, die zwischenstaatliche
Meinung viel mehr erschrocken, als beruhigt ist58.                 Vereinbarungen brachen, d.h., dass man die Ent-
Auch wurde eine interessante Anekdote aus den                      schlüsse des Wiener Kongresses revidieren wollte.
französischen Blättern wiedergegeben, über das                     Im Text unter dem Titel Kriegslärm vom 21. Januar
Vorhaben Napoleons III, einen Krieg an Öster-                      schrieb die Temeswarer Zeitung: Kaiser Napoleon
reich zu erklären. Angeblich um die Stimmung                       (...) strebt (...) nach einer Revision der Verträge von
der Departements kennen zu lernen, beauftragte                     1815 (...) So will er auch die alten Reichsgrenzen,
der französische Kaiser seinem General der Gen-                    sowie sie vor 1812 bestanden, wiederherstellen. Wenn
darmerie Declaru durch seine Gendarmen, die                        nichts, so läßt hierauf ein Artikel der halbamtlichen
mit allen Volksklassen in Berührung kamen, die                     „Patrie” schließen, welcher geradezu erklärt: Oester-
bezeichnendsten Äußerungen über die Kriegsfrage                    reich habe kein Recht auf Italien, da dies ja vor
aufzeichnen zu lassen. In weniger als acht Tagen                   1815 zu Frankreich gehörte (unterstrichen von
legte General Declaru seinen Bericht dem Kaiser                    F. K.)63. In der Rubrik Politische Uebersicht vom 9.
vor, welcher die allgemeine Abneigung der Depar-                   Februar konnte man ferner lesen: Eine Lösung der
tements gegen den Krieg festgestellt habe. Bestürzt                italienischen Frage in dem Sinne Frankreichs wäre
habe der Kaiser das Aktenstück überblickt und                      der Anfang zur vollständigen Revision der Karte
endlich ausgerufen: Frankreich weiß nicht, was es                  von Europa, ein unheilbarer Riß in die Verträge von
will, so möge es denn wollen, was ich will!59. Mehr-               1815, eine moralische Niederlage der Sieger von Leip-
mals wurden den Lesern auch die Ansichten der                      zig und Waterloo. Darin müssen alle großen Mächte
feindlichen Seite dargestellt, die sich gegen den                  Europas einig sein, daß die italienische Frage keine
Krieg äußerten, aufgrund der schlechten Lage der                   europäische sein darf; daß in den Bestimmungen,
piemontesischen Wirtschaft und unvermeidlichen                     welche die Verträge von 1815 über die italienischen
Kriegskosten60.                                                    Territorien getroffen haben, nichts geändert werden
    Die Temeswarer Zeitung lehnte energisch jede                   darf, und endlich – das ist nicht das Unwichtigste
Idee ab, die zu den internationalen Verhandlungen                  – daß die Frage der Reformen dem freien Ermessen
oder zur Konferenz führen sollte, womit die italie-                der betreffenden Regierungen anheimgestellt bleiben
nische Frage irgendwie gelöst werden sollte. Diese                 muß und keine Intervention in die inneren Angele-
Ideen, die etliche französische Blätter vorgeschla-                genheiten unabhängiger Staaten rechtfertigt. Wenn
gen hatten, befanden sich auf einmal im Fokus                      Europa diese Grundsätze gegen Frankreich geltend
der sämtlichen europäischen Diplomatie, wurden                     macht, dann ist die Gefahr der italienischen Frage
jedoch seitens Österreich kategorisch abgelehnt                    beschworen und Frankreich wird keine andere Wahl
und als ein Versuch Piemonts, Zeit zu kaufen,                      haben, als diese Frage fallen zu lassen oder Europa
interpretiert61. Oesterreich wird keine fremde Juris-              gegen sich in Waffen zu sehen, wie Rußland vor fünf
                                                                   Jahren Europa gegen sich in Waffen sah64. Von der
57
     TZ 29/1859, 1–2.                                              Kritik wurden weder die liberalen piemontesi-
58
     TZ 28/1859 a, 1.                                              schen Politiker verschont, deren Tätigkeit als ein
59
     TZ 24/1859 a, 1.                                              Wunsch nach der Zerstückelung Österreichs65, sowie
60
     TZ 28/1859 b, 3.                                              die Negation alles internationalen Rechtes und der
61
     Aber was weiter?, fragte sich die Temeswarer Zeitung. –
Conferenzen? Ein Congreß? Die französischen Journale sprechen      Umsturz aller Verträge gekennzeichnet wurde66.
sich dafür aus und das „Journal des Debats” charakterisiert die         Zwecks Verurteilung französischer Kriegs-
Lage ganz richtig mit den Worten: avant la guerre la diplomatie.   rhetorik tauchte man in die Geschichte ein und
Auch der „Siècle” will dem Kriege die diplomatischen Unter-        mahnte auf die Gefahr von Wiederbelebung
handlungen vorausgehen lassen. Werden dieselben den Krieg          der napoleonischen Pestilenz; eine Mahnung auf
verhindern? Gewiß nicht. Man sucht jetzt den Ausweg diplo-
matischer Verhandlungen nur, um Zeit zu gewinnen, weil man
                                                                   das französisch-sardinische Bündnis wurde mit
erkannt hat, daß man mit seinen Kriegsgelüsten noch etwas zu       einem Zitat Napoleons begleitet, der das pie-
früh gekommen und das „zu früh!“ kann in der Politik leicht so     montesische Königrech als ein[en] Fuß in Italien,
verhängnißvoll werden, wie das „zu spät“! Durch diplomatische
Verhandlungen hofft man eine solche Gruppierung der Mächte
herbeizuführen, welche den Krieg als ein minder waghalsiges        62
                                                                        TZ 28/1859 a, 1.
Unternehmen erscheinen ließe, als er es im jetzigen Augenblicke    63
                                                                        TZ 16/1859, 1.
wäre. (...) Die Frage ist daher unseres Bedünkens nur die, ob      64
                                                                        TZ 31/1859, 1.
wir den Krieg mit oder ohne Conferenzen haben werden? (TZ          65
                                                                        TZ 28/1859 a, 1.
24/1859 a, 1; siehe auch: TZ 28/1859 a, 1; TZ 31/1859, 1).         66
                                                                        TZ 29/1859, 1–2.

                                                                                                                      247
ANALELE BANATULUI, S.N., ARHEOLOGIE – ISTORIE, XXVIII, 2020

ein[en] unentbehrliche[n] Brückenkopf für Frank-                  im gegebenen Falle weder Preußen noch England säu-
reich nannte67. Die Temeswarer Zeitung nahm den                   men würden, an die Seite Oesterreichs sich zu stel-
Standpunkt ein, dass Italien zu keiner Zeit eine ein-             len, und in dieser letzten Hinsicht fehlt es allerdings
heitliche Nation gebildet hat; selbst unter der römi-             nicht an Thatsachen, welche den Beweis liefern, daß
schen Herrschaft war es in unabhängige Municipien                 man in Wien auf ihre Unterstützung mit Sicherheit
getheilt (...) Mailand gehört seit mehr als 150 Jahren            rechnen kann (...)71. Man rechnete besonders mit
dem Hause Österreich... Aber was hat es (dem Frank-               der Hilfe aus deutschen Ländern, und zwar nicht
reich – F. K.) jenseits der Alpen für Pflichten und wer           so viel mit denjenigen aus dem unter preußischer
hat ihm eine Mission in Italien anvertraut?68.                    Domination stehenden Norddeutschen Bund,
    Dem gleichen Blatt gemäß war das österreichi-                 sondern viel mehr aus dem Süden: Wir wissen –
sche Selbstvertrauen in einem Kriegsfall riesig. Man              schrieb die Temeswarer Zeitung – daß Staatsmänner
schöpfte dieses Vertrauen aus unserer Wehrkraft,                  nicht vorschnell ihre patriotischen Gefühle in diplo-
die bis zur festesten Ueberzeugung gestählt worden;               matischen Drohnoten spazieren gehen lassen dürfen;
ferner, aus der in Deutschland für Oesterreich herr-              wir vertrauen endlich, daß Preußens Staatslenker
schenden Sympathien, sowie aus der Liebe zu Kaiser                Deutschlands Schwert zur rechten Zeit zu ziehen und
und Vaterland, die so mächtig in ganz Oesterreich                 mit fürstlichen Schwung zu führen wissen wird (...)
emporgestammt (...) Oesterreich mit seinen 36 Milli-              Alles steht jetzt weit zurück hinter dem Drang, beim
onen Bewohnern, seinen unerschöpflichen materiellen               ersten französischen Trommelschlag Oesterreich von
Hülfsmitteln steht da, ein Fels in Meere; mögen die               ganz Deutschland vertheidigt sehen zu wollen; denn
vom Sturm bewegten Wogen seinen Fußschemel auch                   man will nicht zuerst Oesterreich sich schwächen
noch so sehr umbranden, feste steht es da, ruhig und              lassen, ehe an Preußen die sichere Reihe käme. Aus
unterschütterlich69. Das Österreichische Selbstver-               Egoismus stehen wir sicherlich nicht zu Habsburgs
trauen begründete sich auf die immer wiederho-                    Fahne; denn wenn irgend ein Theil Deutschlands von
lende Vermutung, dass ein eventueller Angriff auf                 den Franzosen schwer zu leiden haben wird, so ist
die österreichischen Gebiete in Italien und die Ein-              es Südwestdeutschland (...) Die preußische Volksver-
mischung Frankreichs unvermeidlich eine Inter-                    tretung hat schon jetzt, während der Regierung die
vention Preußens und Großbritanniens provozie-                    Staatsklugheit noch immer die Bahnen der Vermitt-
ren müsste. Damit wäre der Krieg nicht nur auf                    lung vorschreibt, eine beneidenswerthe Gelegenheit,
Frankreich und Piemont einerseits und Österreich                  als die erste politische Körperschaft Deutschlands ihr
andererseits beschränkt, sondern man hätte dann                   Gewicht in die Schale zu werfen. Die Presse wird ihr
einen paneuropäischen Krieg, den ältere Geschlechte               dann wohl folgen. Aus dem Süden werden ihr hun-
schon erfahren haben. Man wird sich aber wohl                     derttausend Herzen entgegenschlagen72.
zweimal bedenken, ehe man einen Weltbrand anzün-                      Endlich wurde auch noch immer die Erinne-
det, von welchem man zu Staub und Asche verzehrt                  rung aus den Revolutionsjahren 1848/49 lebendig
werden kann. Hierin liegt die sicherste Bürgschaft                und frisch, und man hatte die siegreichen Feldzüge
für die Erhaltung des europäischen Friedens70. Eine               Feldmarschall Radetzkys gegen die italienischen
Überzeugung Österreichs in Bezug auf das Bünd-                    Aufständischen vor den Augen. Radetzky aber
nis mit den anderen europäischen Großmächten                      starb anfangs 1858, wobei die außenpolitische
(Preußen und England) war offensichtlich, jedoch                  Lage Österreichs seit 1848 ziemlich verändert, d.h.
stellte sich diese Idee später als falsch heraus: Man             verschlechtert wurde. Dabei waren die Nachfolger
hat hier in Wien den Abschluß eines Schutz- und                   Radetzkys ihm nicht zugewachsen. Alles in allem,
Trutz-Bündnisses mit Preußen und England auch gar                 ein Erfolg beim eventuellen Krieg gegen die Itali-
nicht vorgeschlagen, weil man überzeugt war, daß                  ener wurde als selbstverständlich betrachtet. Ende
diese beiden Mächte eben so wie Oesterreich jede der-             Januar wurde eine Nachricht mitgeteilt, von der
artige Demonstration vermieden zu sehen wünschen,                 Begeisterung der österreichischen Truppen, die in
welche als eine Drohung gegen Frankreich jedenfalls               Wien stationiert wurden, und einen Befehl erhal-
ausgelegt worden wäre. Andererseits mußte man, daß                ten hatten, nach Italien zu marschieren, um die
                                                                  dortigen Garnisonen zu verstärken73.
67
     Der gleiche Artikel wiederholte alle Versprechungen über         Die sich immer mehr verschärfende Kriegsrhe-
die Freiheit, Unabhängigkeit und Nation, die Napoleon sei-        torik setzte sich bis zum Frühling fort und im April
nerzeit an die Italiener gerichtet hatte, nur um dieselben spä-   1859 stand der Krieg vor der Tür. Am 16. April
ter durch seine Regierung zu brechen. TZ 26/1859, 1.
68
    TZ 28/1859 a, 1.                                              71
                                                                       TZ 19/1859 a, 2.
69
    TZ 16/1859, 1.                                                72
                                                                       TZ 19/1859 b, 1–2.
70
    TZ 18/1859 b, 2.                                              73
                                                                       TZ 18/1859 a, 1; TZ 24/1859 b, 1.

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