Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention

 
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Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention
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        Forum
         Fachzeitschrift für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung   Ausgabe 6 • 2011

                                                                Strategien gegen
                                                                Burnout

        Prävention              Fukushima – Auswirkungen auf
                                deutsche Firmen?
        49. Verkehrsgerichtstag LKW – Motor der Wirtschaft oder
                                rollende Bombe?
Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention
Editorial

                      Liebe Leserinnen,
                      liebe Leser,
                      „Was ist Ihr größter Fehler?“ Diese Frage ist Standard
                      in Bewerbungsgesprächen. Ratgeber empfehlen häu-
                      fig, sie mit einem Wort zu beantworten: Perfektionis-
                      mus. Gut möglich, dass diese Antwort eigentlich ein
                      Fehler ist. Denn was nach einer positiven Eigenschaft
                      klingt, könnte sich im Berufsalltag als Krankmacher
                      erweisen. Wer beim Streben nach der besten Lösung
                      die eigenen Grenzen ständig überschreitet, läuft
                      Gefahr auszubrennen. Ein Burnout droht.

               Das Burnout-Syndrom bringt die Ambivalenz der
               Tugenden zutage, auf denen die moderne Arbeitswelt
               beruht. Um es deutlich zu sagen: Ohne leistungsbe-

                                                                                                                Foto: DGUV
               reite, belastbare und engagierte Mitarbeiter kann
               kein Unternehmen erfolgreich sein. Und nicht jeder,
               der mit Freude bei der Arbeit ist, wird davon krank.
               Es ist vielmehr das Zusammenwirken übersteigerter Ansprüche an sich selbst, man-
                                        gelnder Erholung und eines belastenden Arbeitsumfeldes,
„Das Burnout-Syndrom bringt             das auf die Dauer die Gesundheit untergräbt.
die Ambivalenz der Tugenden
zutage, auf denen die moderne                  Für Führungskräfte und für den Arbeitsschutz ist diese Kon-
                                               stellation eine besondere Herausforderung. Wer psychische
Arbeitswelt beruht.“
                                               Fehlbeanspruchung und in letzter Konsequenz einen Burnout
                                               verhindern will, muss die Frage beantworten, welchen Anteil
                      die Arbeit an der Entstehung eben dieser Fehlbeanspruchung hat und wo im Einzel-
                      fall persönliche Faktoren eine Rolle spielen. Das ist nicht einfach, reicht diese Frage
                      doch in einen sehr emotionalen Bereich. Wo das Selbstwertgefühl eng mit dem Stolz
                      auf die eigene Leistungsfähigkeit verbunden ist, fällt es schwer, sich einzugestehen,
                      dass der Erfolg möglicherweise auf Kosten der eigenen Gesundheit erreicht wurde. Hier
                      sind Führungskräfte gefragt, ihre Mitarbeiter vor ständiger Überlastung zu schützen.

                      Das Thema auf die Seite zu schieben, ist keine Lösung. Zu hoch sind die möglichen
                      Folgekosten, wenn ein ausgebrannter Mitarbeiter weniger leistet oder vielleicht ganz
                      ausfällt. Prävention tut Not und ist auch möglich, wie zum Beispiel die Angebote der
                      Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zeigen. Der erste Schritt ist sicherlich, sich
                      klar zu machen, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Perfektionismus alles andere
                      als perfekt ist.

                      Mit den besten Grüßen
                      Ihr

                      Dr. Joachim Breuer
                      Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

2 · DGUV Forum 6/11
Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention
Inhalt

> Editorial / Inhalt >>>                            2–3

> Aktuelles >>>                                     4–9

> Titelthema >>>                                  10 – 27
Burnout                                                10
Leer – erschöpft – ausgebrannt
Matthias Burisch
Diagnose Burnout – Ein Fallbeispiel                    14
„Ich konnte tageweise nicht mehr arbeiten“
Interview
Präventionsangebot der VBG                             16
„Burnout – erkennen, verstehen, bekämpfen“

                                                             10
Susanne Roscher
Ein integrativer bedingungsbezogener Ansatz            18
Arbeitsstrukturelle Ursachen von Burnout
Gabriele Buruck
Präventionsprogramm der BGW                            21
Praxistaugliches Baukastensystem
Sabine Gregersen
Burnout bei Sicherheitsfachkräften                     24
Von Allem zu viel
Nadine Mölling, Reiner Stefan
Pilotprojekt                                           26
Burnout-Prävention in der Finanzverwaltung
Nordrhein-Westfalen
Sven Hollmann
„Stark für jede Stunde“                               28
Unfallkasse Rheinland-Pfalz wappnet Lehrkräfte
für Stresssituationen
Sabine Laskus
                                                             38
> Prävention >>>                                  30 – 33
Aus der Forschung                                      30
Puffer gegen Burnout
Marlen Hupke, Klaus-Helmut Schmidt
                                                            > Unfallversicherung >>>                           38 – 40
KKW-Havarie in Japan                                   32
Auswirkungen für deutsche Firmen?                           49. Verkehrsgerichtstag Goslar                             38
Thomas Ludwig                                               LKW: Motor der Wirtschaft oder „rollende Bombe“
                                                            Walter Eichendorf

> Rehabilitation >>>                              34 – 37
                                                            > Aus der Rechtsprechung >>>                              41
Aktivitätstest zur Mobilität im Rollstuhl              34
Teilhabe durch Mobilität
Volker Anneken, Sven Hirschfeld, Peter Richarz,             > Medien / Impressum >>>                                  42
Tanja Scheuer, Roland Thietje

                                                                                                       DGUV Forum 6/11 · 3
Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention
Aktuelles

Europaweiter Fotowettbewerb                                                                          Ein Imker bei der Arbeit.
zum Thema Risikoprävention                                                                           Das Gewinnerfoto des
                                                                                                     ersten Fotowettbewerbs
Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz                                         aus dem Jahr 2009. Der
am Arbeitsplatz (EU-OSHA) ruft zu einem zweiten Fotowettbe-                                          Fotograf ist Christopher
werb auf. Ziel ist es, das Bewusstsein für Sicherheit und Gesund-                                    Azzopardi aus Malta.
heitsschutz bei der Arbeit zu fördern. Im Mittelpunkt steht in
diesem Jahr das Thema Risikoprävention. Es soll gezeigt werden,
wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam zur Verhinderung
von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten beitragen können.

Eine internationale Jury aus Profifotografen und Experten für
Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wird die
besten Beiträge auswählen; der erste Preis ist mit 3.000 Euro
dotiert. Die Gewinner des zweiten und dritten Preises erhalten
2.000 Euro beziehungsweise 1.000 Euro. In diesem Jahr wird zum
ersten Mal ein Jugendpreis in Höhe von 1.000 Euro für den bes-
ten Teilnehmer unter 21 Jahren verliehen. Die Gewinner werden
im September 2011 ausgewählt und auf der Abschlussveranstal-

                                                                                                                                                                    Foto: Christopher Azzopardi
tung der Kampagne für gesunde Arbeitsplätze bekanntgegeben,
die im November 2011 in Bilbao stattfindet.

!                             Berufs- und Hobbyfotografen sind eingeladen, ihre Beiträge bis zum
                              31. August 2011 einzureichen unter: www.osha-photocompetition.eu

Altersgemischte Teams müssen gut geführt werden
Die Altersspanne der Beschäftigten und damit die Zusammen-                                         gleiche Zahl denkt, dass solch ein Team mehr leistet und auch
arbeit von verschiedenen Generationen in einem Team wer-                                           das Klima unter den Kollegen besser sei.
den durch den demografischen Wandel zunehmen. Im aktuel-
len iga-Barometer, einer repräsentativen Umfrage unter 2.000                                       Den Vorgesetzten wird insgesamt ein gutes Zeugnis ausgestellt.
Beschäftigten, geben fast zwei Drittel an, dass sie schon heu-                                     Aber es sind auch einige negative Ergebnisse zu nennen. So
te zu einer altersgemischten Arbeitsgruppe gehören. Etwa die                                       geben acht Prozent der Befragten an, dass ältere Beschäftigte
                                                                                                   in ihrem Unternehmen nicht die gleichen Weiterbildungsmög-
                                                                                                   lichkeiten wie jüngere haben. 14 Prozent sagen (und damit fast
 Foto: Wolfgang Bellwinkel / DGUV

                                                                                                   jeder Siebte), dass jüngere Arbeitnehmer bei der Einführung
                                                                                                   neuer Arbeitsmittel, Aktivitäten und Arbeitsmethoden bevor-
                                                                                                   zugt werden. Führt man die Ergebnisse zusammen, zeigen sich
                                                                                                   negative Auswirkungen auf die Gesundheit genau bei den Be-
                                                                                                   schäftigten, die Altersunterschiede im Team stark wahrnehmen
                                                                                                   und Diskriminierung erleben.

                                                                                                   Wenn die Führungskraft jedoch dafür sorgt, dass die Kompe-
                                                                                                   tenzen aller Altersgruppen wertgeschätzt werden, kommt das
                                                                                                   dem Unternehmen doppelt zugute: durch gesündere Mitarbei-
                                                                                                   ter und leistungsfähigere Teams. Denn weitere Forschungser-
                                                                                                   gebnisse zeigen, dass altersgemischte Teams komplexe Aufga-
                                                                                                   ben besser lösen als gleichaltrige Gruppen.

                                                                                                                !   iga-Barometer zum Download: www.iga-info.de

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Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention
Aktuelles

                               Berlin „GOes AHEAD“ Schulwettbewerb startet in Berlin
                               Rund 1.000 Schülerunfälle im Straßenverkehr in Berlin           geschichten, Songtexte, Fotostorys oder Videoclips einzurei-
                               belegen es: Eine nachhaltige Verkehrserziehung in der Schu-     chen. Auf der Website www.go-ahead-wettbewerb.de bietet
                               le ist unerlässlich. Mit der Ausschreibung des Wettbewerbs      die Unfallkasse Berlin kostenfrei fachspezifische Informatio-
                               „Go Ahead“ möchte die Unfallkasse Berlin, in Zusammenar-        nen und Unterrichtshilfen an. Zugeschnitten auf verschiede-
                               beit mit der ZNS-Hannelore Kohl Stiftung, ihren Beitrag leis-   ne Fächer und Unterrichtsformen eignet sich der Wettbewerb
                               ten, um Unfälle zu reduzieren. Für die besten Einsendungen      besonders für die Fächer Deutsch, Kunst und Musik. Auch im
                               hat die Unfallkasse Berlin Preisgelder im Gesamtwert von        Rahmen einer Multimedia-AG oder einer Projektwoche lässt
                               1.200 Euro ausgeschrieben.                                      sich das Thema gut bearbeiten. Einsendeschluss für die Bei-
                                                                                               träge ist der 20. Juli 2011.
                               Der Wettbewerb richtet sich an Schüler und ihre Lehrkräfte
                               an Berliner Gymnasien, Integrierten Sekundarschulen, För-       !   Weitere Informationen unter: www.go-ahead-wettbewerb.de
                               der- und Berufsschulen. Die Schüler sind aufgefordert, Kurz-

                             Bergmannsheil und BGU Duisburg sind Teil
                             des neuen Traumanetzwerks Ruhrgebiet
                             Am 8. April 2011 fiel in Bochum der Start-   Thomas Armin Schildhauer, Direktor der      20 lokale Traumazentren von Duisburg
                             schuss für das Traumanetzwerk Ruhr-          Chirurgischen Klinik des Berufsgenossen-    bis Dortmund. Nach den Vorgaben des
                             gebiet. Mit einem Festakt leiteten Unfall-   schaftlichen Universitätsklinikums Berg-    „Weißbuches“ der Deutschen Gesellschaft
                             chirurgen aus der Region den offiziellen       mannsheil. Zusammen mit dem Universi-       für Unfallchirurgie verfügen alle beteilig-
                             Start für ein Netzwerk zur Behandlung        tätsklinikum Knappschaftskrankenhaus        ten Kliniken über eine selbständige Abtei-
                             von Unfallopfern ein. „Schnelles und ziel-   Bochum bildet das Bergmannsheil ebenso      lung für Unfallchirurgie. Im Rahmen der
                             genaues Handeln ist ein entscheidender       wie die Berufsgenossenschaftliche Unfall-   Vernetzung arbeiten die lokalen und re-
                             Faktor, um Patienten nach einem schwe-       klinik in Duisburg eines von vier überre-   gionalen Traumazentren künftig sehr eng
                             ren Unfall erfolgreich helfen zu können:     gionalen Traumazentren innerhalb des        mit den vier überregionalen Traumazent-
                             Durch das Traumanetzwerk stärken wir         Netzwerks.                                  ren zusammen.
                             die Versorgungsstrukturen in unserer
                             Region und gewährleisten dadurch ei-         An dem Traumanetzwerk beteiligt – dem       !   Weitere Infos unter www.bergmannsheil.de
                             ne noch schnellere qualifzierte Behand-      größten in Deutschland – sind insgesamt         sowie www.bgu-duisburg.de
                             lung von Unfallopfern“, sagte Professor      vier überregionale, sechs regionale und

                             Rettungshubschrauber über
                             dem Bergmannsheil
Foto: Daum / Bergmannsheil

                                                                                                                                               DGUV Forum 6/11 · 5
Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention
Aktuelles

                                                                                                                                        Foto: BG RCI
Stellvertretend für alle Sieger: Der branchenübergreifende Förderpreis für die innovativste Umsetzung der Präventionskampagne
„Risiko raus“! ging an Dr. Bernd Diener, Daniel Vogel und Anja Kreuzinger von Evonik Goldschmidt in Essen. Der Preis wurde über-
reicht von Dr. Uwe Müller (r.), dem Vorsitzenden der Präventionsausschüsse der BG RCI.

BG RCI vergibt Förderpreis Arbeit – Sicherheit – Gesundheit 2011
16 Preisträger wurden am 1. April die-        rund um die betriebliche Arbeitssicherheit    die innovativste betriebliche Umsetzung
ses Jahres in Kassel mit dem Förderpreis      und den Gesundheitsschutz belohnt. Mit        der Präventionskampagne „Risiko raus!“
„Arbeit – Sicherheit – Gesundheit 2011“ ge-   einer Gesamtgewinnsumme von 100.000           vergeben. Preisgekrönt wurden so unter-
ehrt. „Sie haben sich mit Ihrer Kreativität   Euro ist er der höchst dotierte Preis für     schiedliche Ansatzpunkte wie eine von
und Initiative nicht nur für mehr ‚Huma-      Arbeitssicherheit in Deutschland.             Azubis für Azubis entwickelte Sicherheits-
nitas am Arbeitsplatz‘, sondern vielmehr                                                    unterweisung zum Thema Alkohol und ein
um das Gemeinwohl verdient gemacht“,          An dem Ideenwettbewerb 2011 hatten sich       innovatives Lärmschutzsystem.
würdigte Laudator Dr. Joachim Gauck die       991 Männer und Frauen mit 445 Beiträ-
Preisträger. Bereits zum 14. Mal wurden mit   gen beteiligt. 40 dieser Teilnehmer erhiel-
dem „Arbeitssicherheits-Oscar“ der Berufs-    ten für ihre kreative Arbeit 15 Sonder- und               !   Weitere Informationen:
genossenschaft Rohstoffe und chemische         Förderpreise. Darüber hinaus wurde ein
                                                                                                            www.bgrci-foerderpreis.de
Industrie (BG RCI) wegweisende Ideen          branchenübergreifender Förderpreis für

VBG bietet Zertifizierung zum „Präventionsberater Sport“
Die Verwaltungsberufsgenossenschaft           Mehr als 100 Vereinsmitglieder deutsch-       sagt Füllenbach rückblickend. „Im Semi-
(VBG) bietet allen Sportvereinen die Mög-     landweit haben mittlerweile schon mit der     nar der VBG habe ich erkannt, dass sich
lichkeit, Trainer, Übungsleiter oder ande-    Ausbildung begonnen. Unter ihnen auch         Unfälle im Verein auch mit einfachen Mit-
re Funktionsträger offiziell zu Sicherheits-    Martin Füllenbach, Geschäftsführer des        teln verhindern lassen.“
experten schulen zu lassen. Die Kosten für    Sport-Clubs Vier- und Marschlande von
die dreiteilige Seminarreihe zum „Präven-     1899 e. V. (SCVM) im Süden Hamburgs.
tionsberater Sport“, die an Wochenenden       „Wir haben uns in der Vergangenheit                   !   Weitere Informationen zum
stattfindet, samt Unterkunft und Verpfle-     als Sportverein mit mehr als 3.000 Mit-
                                                                                                        Seminarangebot: www.vbg.de;
gung sind im VBG-Mitgliedsbeitrag inbe-       gliedern viel zu wenig mit der Thematik                   Suchwort „Präventionsberater“
griffen.                                       ‚Sicherheit im Sport‘ auseinandergesetzt“,

6 · DGUV Forum 6/11
Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention
Aktuelles

                     GDA führt Qualitätsbarometer ein
                     In Sachen Arbeitsschutz wird es in Deutschland künftig ein        Regelwerks sowie durch eine stärker koordinierte Beratungs-
                     Qualitätsbarometer geben: Dazu befragen die zuständigen In-       und Überwachungstätigkeit wollen wir nachhaltig für sichere
                     stitutionen in den kommenden Monaten insgesamt circa 5.000        und gesündere Arbeitsplätze sorgen.“
                     Beschäftigte und rund 6.500 Verantwortliche in den Betrieben
                     zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Die Umfrage wird     Nicht zuletzt der PCB-Skandal in Dortmund hat die Frage auf-
                     vom Meinungsforschungsinstitut Infratest durchgeführt und         geworfen, wie wirksam der Gesundheitsschutz in den Betrie-
                     soll regelmäßig wiederholt werden.                                ben wirklich ist. Daher haben die mit der Arbeitsschutzauf-
                                                                                       sicht betrauten Institutionen und das Bundesministerium für
                      „Bund, Länder und gesetzliche Unfallversicherung bündeln         Arbeit und Soziales im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen
                     zunehmend ihre Kompetenzen, um den Arbeitsschutz noch ef-         Arbeitsschutzstrategie (GDA) das Qualitätsbarometer beschlos-
                     fizienter und schlagkräftiger zu machen“, sagt Steffen Rödde-      sen. Hierzu werden neben der Befragung der Betroffenen auch
                     cke, Vorsitzender der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz. „Mit     statistische Daten, zum Beispiel zu Arbeitsunfällen und Erkran-
                     gemeinsamen Programmen zu ausgewählten Brennpunkten im            kungen, ausgewertet. Erste Zwischenergebnisse werden noch
                     Arbeitsschutz, durch größere Praxisnähe des Vorschriften- und     diesen Herbst erwartet.

                     Kinofilmprojekt GOLD erfolgreich gestartet
                     Unter dem Motto „Du kannst mehr als Du denkst“ ist das Doku-                                                          Schwimmerin
                     mentarfilm-Projekt GOLD in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt                                                       Kirsten Bruhn und
                     worden. Damit fiel der offizielle Startschuss zu der Produktion                                                         Marathonläufer
                     einer internationalen Kinodokumentation über drei Spitzen-                                                            Henry Wanyoike
                     sportler der Paralympics. Die Kamera wird die drei Athleten in                                                        während der
                     ihrem Alltag und im sportlichen Wettkampf begleiten und so bei-                                                       Pressekonferenz
                     spielhaft zeigen, was Menschen zu leisten im Stande sind. Dazu
                     Produzent Andreas F. Schneider: „Die Zeit ist gekommen, dass
                     unsere Gesellschaft die inspirierende Kraft des Paralympischen
                     Sports und seiner Athleten erkennt und für sich selbst nutzt.“

                     Der Film porträtiert die querschnittgelähmte deutsche Schwim-
                     merin Kirsten Bruhn, den blinden kenianischen Marathonläu-
                     fer Henry Wanyoike und den australischen Rennrollstuhlfahrer
                     Kurt Fearnley und begleitet die drei auf dem Weg zu und bei den
                     Paralympics 2012. GOLD erzählt die persönlichen Dramen der
                     Athleten, ihren Kampf gegen Verzweiflung und Vorurteil sowie
                     ihren Aufstieg zu Spitzenathleten und Vorbildern.

                     Für Gregor Doepke, Kommunikationschef der Deutschen
                     Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und Initia-
                     tor des Projekts, ist der Kinofilm ein wichtiges Si-
                     gnal: „Durch dieses Engagement will die DGUV
                     mit emotionalen und beeindruckenden Bildern
                     auf die Relevanz des Sports für die Rehabilitation
                     und die erfolgreiche berufliche und soziale Wie-
                     dereingliederung von Menschen, die einen Unfall
                     hatten, aufmerksam machen.“

                     !   Weitere Informationen: www.du-bist-gold.de
Foto: Olaf Ballnus

                                                                                                                                    DGUV Forum 6/11 · 7
Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention
Aktuelles

„Paralympic Post“ präsentiert sich in der britischen Botschaft
Nicht nur in London laufen die Vorberei-

                                                                                                                                              Foto: Thilo Rückeis/Der Tagesspiegel
tungen auf die Olympischen Spiele 2012
auf Hochtouren. Auch die „Paralympics
Zeitung / Paralympic Post“, ein von der
DGUV gefördertes, preisgekröntes Schü-
ler-Zeitungsprojekt, präsentierte sich An-
fang Mai in der britischen Botschaft in
Berlin der Öffentlichkeit. In London wer-
den Schüler aus mehreren europäischen
Ländern über die paralympischen Spiele
berichten. Einige paralympische Athleten
würdigten an diesem Abend die Bedeu-
tung dieser Berichterstattung für die Wahr-
nehmung ihres Sports.

Die Auflage der Paralympics Zeitung / Pa-                Tischtennis auf der Mini-Platte: Der stellvertretende britische Botschafter Andrew
ralympic Post wird sich in London auf                    Noble spielt gegen Paralympics-Gewinner Holger Nikelis.
fünf Millionen Exemplar steigern. Denn
die Artikel werden im Tagesspiegel, dem                  ben einen guten Weg gefunden, um mit         Teilhabe von Menschen mit Behinderun-
Projektpartner der DGUV, erscheinen, in                  dem gemeinsamen Projekt von Deutscher        gen an. Das ist nicht nur ein Thema für
der Zeit, dem Handelsblatt und wahr-                     Gesetzlicher Unfallversicherung und Ta-      die Bundesregierung und die deutsche
scheinlich im britischen Guardian. Dr. Jo-               gesspiegel die Sichtbarkeit und Wahr-        Bevölkerung, sondern für jedes Land in
achim Breuer, Hauptgeschäftsführer der                   nehmung für den Behindertensport zu          Europa und sogar für die Europäische
DGUV, sagte dazu: „Ich denke, wir ha-                    erhöhen. Die Paralympic Post spricht die     Union selbst.“

Frauenfußball-WM: Bergmannsheil leistet medizinischen Support
Das Berufsgenossenschaft-                                                                                        Als international anerkann-
liche Universitätsklinikum                                                                                       te Klinik der Maximalversor-
Bergmannsheil ist bei der Fuß-                                                                                   gung mit traumatologischem
ballweltmeisterschaft 2011 An-                                                                                   Schwerpunkt hält das Berg-
laufstelle für die Versorgung                                                                                    mannsheil alle erforderlichen
von Spielerinnen und Be -                                                                                        Diagnose- und Therapiever-
treuerstäben in Bochum. Da-                                                                                      fahren vor, um Sport- und Un-
rauf haben sich der medizi-                                                                                      fallverletzte schnell und qua-
nische Koordinator der WM,                                                                                       lifiziert versorgen zu können.
Dr. Ulrich Schneider und Uwe                                                                                     Die Chirurgische Klinik und
                                   Foto: Bergmannsheil

Brockmann vom Bergmanns-                                                                                         ihre Abteilung für Neurotrau-
heil verständigt.                                                                                                matologie und Rückenmark-
                                                                                                                 verletzte, die Neurologische
„Wir haben hier in Bochum                                                                                        Klinik und die Klinik für Pneu-
eine erstklassige medizini-                                                                                      mologie, Allergologie, Schlaf-
sche Versorgungslage: Darauf Dr. Ulrich Schneider, Dr. Jessica Kammler-Marx und                                  und Beatmungsmedizin ste-
können sich die Spielerinnen, Uwe Brockmann (v.l.n.r.) beim Abstimmungsgespräch                                  hen mit ihren eingespielten
Betreuer und die FIFA-Offizi-                                                                                    Behandlungsteams bei Ver-
ellen verlassen“, sagte Dr. Schneider an- entspannte und packende Spiele freuen –                     letzungen und Erkrankungen bereit. Im
lässlich der Vereinbarung mit dem Berg- und auch für den ‚Fall der Fälle‘ gut vor-                    Bedarfsfall werden Notärzte der Chirurgi-
mannsheil. Brockmann ergänzte: „Wir bereitet sein: Diesem Ziel dient unsere Ko-                       schen Klinik auch während der Spiele im
wollen uns gemeinsam mit den Fans auf operation.“                                                     Stadion sein.

8 · DGUV Forum 6/11
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Aktuelles

             Mobbing im Fokus eines Films der Unfallkasse
             Rheinland-Pfalz
             Immer häufiger werden Jugendliche an                       und überfordert, seine Lehrerinnen und
             Schulen zu Mobbingopfern, werden ge-                       Lehrer teils unsensibel und überlastet.                                 Berichtigung
             hänselt, ausgegrenzt, psychisch miss-                      Auch andere Schülerinnen und Schüler                                    In der Meldung „Mehr Mini-
             handelt. Um dem entgegenzusteuern                          berichten in „Alle Tage wieder“ von be-                                 jobber bei der Gesetzlichen
             und Schüler, Lehrkräfte und Eltern für                     drückenden Erfahrungen, die sie als Mob-                                Unfallversicherung ange-
             das Thema Mobbing an Schulen stär-                         bingopfer gemacht haben.                                                meldet“ (Ausgabe 5 / 2011,
             ker zu sensibilisieren, geht die Unfall-                                                                                           Seite 7) heißt es, dass bei
             kasse Rheinland-Pfalz neue Wege. Sie                       !                                                                       Einkünften bis 400 Euro die
             hat ein Filmprojekt initiiert: von jungen                      Weitere Informationen:                                              Anmeldung zur Unfallversi-
             Menschen mit jungen Menschen für jun-                          www.ukrlp.de / index.php?id=822                                     cherung von der Knapp-
             ge Menschen – gemeinsam mit der The-                                                                                               schaft übernommen wird.
             atergruppe Nibelungenhorde und dem                                                                                                 Diese Aussage trifft nur für
             Landesministerium für Bildung, Wissen-                                                                                             Minijobber in Privathaus-
             schaft, Jugend und Kultur.                                                                                                         halten zu, die über das
                                                                                                                                                Haushaltsscheckverfahren
             Im Wormser Lincoln-Theater hieß es jetzt                                                                                           gemeldet werden. Das Ent-
             „Vorhang auf“ für den Film „Alle Tage                                                                                              gelt von Minijobbern im ge-
             wieder“. Dieser soll ab dem nächsten                                                                                               werblichen Bereich ist wie
             Schuljahr landesweit an weiterführenden                                                                                            bei sonstigen Beschäftig-
             Schulen als Unterrichtsgrundlage dienen.                                                                      Foto: UK RLP         ten direkt an den zuständi-
             Eindrucksvoll und unter die Haut gehend                                                                                            gen Unfallversicherungsträ-
             vermittelt der Film, wie der junge „Mo“                                                                                            ger zu melden.
             von seinen Mitschülern gemobbt wird und                    Kurze Kontrolle des Drehs an der Kamera
             darunter leidet. Seine Eltern sind hilflos                 durch die Schauspieler

Anz_Lex_V13_drittel_RZ_Layout 1 14.04.11 14:51 Seite 2                                                                                                                            Anzeige

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                                                                                                                                                            DGUV Forum 6/11 · 9
Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention
Titelthema

Burnout

Leer – erschöpft – ausgebrannt
Burnout kann prinzipiell jeden treffen. Neben individuellen Faktoren spielen die Arbeits-
bedingungen und die Unternehmenskultur eine Rolle bei der Entstehung des Syndroms.
Betriebe können einiges tun, um das Burnout-Risiko zu mindern.

W
            er heutzutage von Neuras- Burnout — Gibt’s das überhaupt?                      Angesichts dieser Schwammigkeit mehren
            thenie, Freud’schen „Kom- Unbestritten ist das Syndrom nicht rand-             sich im deutschen Sprachraum die Stim-
            plexen“ oder der Midlife Cri- scharf abgegrenzt. Es existieren Dutzende        men, die den Begriff Burnout für überflüs-
sis spricht, erntet eher Heiterkeit; zu von Definitionsversuchen, aber selbst der          sig erklären und meistens unter Depres-
weit haben diese Begriffe den Zenit ih- umfassendste (Schaufeli & Enzmann 1998,            sion subsumieren möchten. Dabei wird
rer „Karriere“ überschritten. Burnout, S. 36) befriedigt nicht. Eine Übersicht lis-        verkannt, dass die etablierten Diagnose-
erst seit 1974 weiteren Kreisen bekannt tet mehr als 130 in der Literatur genann-          schlüssel — vor allem die International
geworden, ist etwa seit Mitte des ver- te Symptome auf (Burisch 2010, S. 25 f).            Classification of Diseases (ICD10) der Welt-
gangenen Jahrzehnts konstant im Fokus Als Kernsymptome haben sich emotiona-                gesundheitsorganisation — nur scheinbar
deutschsprachiger Medien. Alle großen le Erschöpfung („ich kann nicht mehr“),              präzisere Definitionen für Begriffe wie De-
Magazine widme-                                                  reduzierte Zufrie-        pression oder Anpassungsstörung enthal-
te n d e m T h e m a „Das Endstadium eines                       denheit mit der ei-       ten. Für die Diagnose „Depressive Episode“
Titelgeschichten Burnout-Prozesses ist vom                       ge n e n Le i s t u n g   ist eine bestimmte Minimalzahl von Sym-
oder Extra-Hefte. Vollbild einer Depression                      („ich schaff ’s nicht      ptomen erforderlich, die mindestens zwei
E s ve rge h t ke i n
                       nicht mehr zu unterscheiden.“ mehr“), Dehuma-                       Wochen angehalten haben. Warum nun ge-
Ta g , o h n e d a s s                                           nisierung („ich will      rade diese Minimalzahl und gerade diese
mindestens eine                                                  niemanden mehr            Minimaldauer? Antwort: Das war mal der
Zeitung über Burnout berichtet. Auf ei- sehen“) und Überdruss gegenüber der Ar-            Konsensus internationaler Experten; hoch-
ner Schweizer Website haben seit April beit („ich will nicht mehr“) eingebürgert           gradig willkürlich ...
2006 weit mehr als 200.000 Nutzer einen — das aber hauptsächlich deshalb, weil es
Burnout-Fragebogen ausgefüllt. Im In- für diese Merkmale (technisch unzuläng-              Wenn sich der gegenwärtige Trend zu ei-
ternet tummeln sich unzählige Anbieter liche) Fragebögen gibt. Zu nennen ist hier          ner Biologisierung der Psychiatrie durch-
von Therapien unterschiedlichster Art, vor allem das sogenannte Maslach Burn-              setzt, kann er durchaus zum Ende der
die Heilung versprechen. Was ist dran out Inventory (einzige autorisierte deut-            Schlüsselverzeichnisse führen. Zurzeit
an der Sache?                             sche Übersetzung: Büssing & Perrar 1992).        regeln sie noch, welche Therapie mit den
                                                                                           Krankenkassen abrechenbar ist. Depressi-
                                                                                           on geht, Burnout nicht. Das gilt übrigens
                                                                                           nicht für die Berufsunfähigkeit. Hier spra-
   Beobachtbare Frühwarnzeichen                                                            chen Richter in mindestens einem rechts-
   Leistungsabfälle                          Nachlassendes Engagement                      kräftigen Urteil eine Rente zu, obwohl die
   • Konzentrationsstörungen                 • Dienst nach Vorschrift                      Ursache offensichtlich in der Persönlich-
   • Flüchtigkeitsfehler                     • Negativismus, Sarkasmus                     keit des Klägers lag.
   • Verlegen von Gegenständen
   • Verzettelung in Kleinigkeiten           Verminderte Emotionskontrolle                 Symptome
   • Unnötige Überstunden                    • Reizbarkeit                                 Nicht alle Symptome sind von außen gut
                                             • Tränenausbrüche                             beobachtbar, zumal Betroffene sich meist
   Gehetztheit                               • Pokerface-Mimik                             zu tarnen versuchen, bis ein unüberseh-
   • Nervosität                                                                            barer Zusammenbruch unausweichlich
   • Chronische Anspannung                   Krankheitsanfälligkeit                        wird. Für betriebliche Praktiker kann
                                             • Fehlzeiten, zum Beispiel wegen              die Liste der Frühwarnsymptome hilf-
   Sozialer Rückzug                            Infektionskrankheiten                       reich sein, um mögliche Anzeichen von
   • Kontaktmeidung                                                                        Burnout bei Mitarbeitern zu erkennen
   • Schwierigkeiten beim Zuhören                                                          (siehe Kasten „Beobachtbare Frühwarn-
                                                                                           zeichen“).                            ▸

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Burnout

                       Foto: iStock/Artmann Witte

DGUV Forum 6/11 · 11
Titelthema

                                                       Globale Ebene

                                                          llschaftliche Ebene
                                                   Gese
                                                           utionelle Ebene
                                                                                                                      „An der richtigen, nämlich der obersten
                                                     Instit                                                           Stelle müsste die Entschlossenheit
                                                                                                                      vorhanden sein, die Rede von ‚den
                                                         enmenschliche Eb
                                                  Zw
                                                    isch                  ene                                         Mitarbeitern als unserem wertvollsten
Quelle: Matthias Burisch

                                                                                                                      Kapital‘ mit Leben zu füllen.“
                                                     Individuelle Ebene

                           Abbildung 1: Das Zwiebelmodell von Burnout

                           Solche Symptome können Anlass für Ge-                Ursachen                                           Präventionsmaßnahmen
                           sprächsangebote sein. Da Leser(innen)                Burnout ist die Folge von Dauerstress in           Bevor von Präventionsmöglichkeiten die
                           möglicherweise auch persönlich an                    Fallen-Situationen. Dabei kann die Falle in        Rede sein soll, ist es wichtig, sich klar
                           dem Thema interessiert sind, sei auf ein             Form unrealistischer Ansprüche (zum Bei-           zu machen, dass Burnout zwar ein in-
                           weiteres Alarmsignal hingewiesen, das                spiel Perfektionismus) nur im eigenen Kopf         nerpsychisches Phänomen ist, zugleich
                           unauffälliger daherkommt: die zuneh-                 existieren. Sie kann auch aus subjektiv un-        aber in eine zwischenmenschliche, insti-
                           mende Unfähigkeit, von der Arbeit „ab-               erträglichen Lebensumständen bestehen,             tutionelle, gesellschaftliche und globale
                           zuschalten“. Wo sie länger anhält, kann              die gleichwohl ausgehalten werden müssen,          Umgebung eingebettet ist (sogenanntes
                           sie über die ausbleibende Erholung in ei-            weil eine Flucht zu riskant wäre, wirtschaft-      Zwiebelmodell; siehe Abbildung 1).
                           nem Teufelskreis münden. Oder über das               lich oder für die Selbstachtung. Ein Beispiel:
                           rezeptfrei erhältliche Schnellabschalt-              Eine hochengagierte Mitarbeiterin, beruf-          Individuelle Ebene
                           Mittel Nummer 1: Alkohol.                            lich bis an ihre Grenzen ausgelastet, erlebt       Was man selbst tun kann, um die eigene
                                                                                einen Zusammenbruch, als zusätzlich auch           „Resilienz“ oder Stress-Toleranz zu stär-
                           Je weiter der Prozess voranschreitet, des-           noch ihre Eltern pflegebedürftig werden.           ken, dazu gibt es eine unüberschaubare
                           to schwieriger wird es, ihn ohne fremde                                                                 Ratgeber-Literatur sowohl im Internet als
                           Hilfe zu stoppen. Spätestens wenn ernst-             Niemand sollte sich vor Burnout sicher             auch in Buchform. (Einiges dazu auch in
                           haftere psychosomatische Erkrankun-                  fühlen. Dennoch lassen sich persönliche            der Broschüre „Burnout erkennen, verste-
                           gen hinzukommen, ist eine stationäre                 Dispositionen benennen, die die Vulnera-           hen, bekämpfen“, abrufbar auf der Websi-
                           Behandlung meist unumgänglich. Das                   bilität erhöhen. Dazu gehört eine mangel-          te www.cconsult.info der VBG.) Dabei fehlt
                           Endstadium eines Burnout-Prozesses                   hafte Abgrenzungsfähigkeit („nicht Nein            selbstverständlich nicht der übliche Tipp,
                           ist vom Vollbild einer Depression nicht              sagen können“) sowie die Bereitschaft,             „gesund“ zu leben, also das Augenmerk auf
                           mehr zu unterscheiden; vielleicht rührt              für Ziele eigene Grenzen lang dauernd zu           Ernährung, Bewegung und Schlaf zu rich-
                           auch daher die Verwechslung der bei-                 überschreiten, Bedürfnisse zu verleugnen           ten. Der Rat ist nicht falsch, erreicht aber
                           den Einheiten. In früheren Stadien hel-              und Krisensymptome zu verdrängen. Die              Gefährdete und Betroffene wahrscheinlich
                           fen die folgenden Faustregeln bei der Un-            oft behauptete größere Gefährdung von              nur selten. Zielführender dürften Empfeh-
                           terscheidung:                                        Frauen lässt sich, jedenfalls mittels Fra-         lungen sein, regelmäßige Selbstprüfungen
                                                                                gebögen, nicht schlüssig belegen.                  (zum Beispiel in Form eines Tagebuchs)
                           • Kernemotionen bei Burnout sind
                             Wut und Angst, bei Depression
                             Trauer beziehungsweise Melancholie.
                           • Ausbrenner überschätzen ihre Kräfte,                  Burisch, M.: Das Burnout-Syndrom, 4. Auflage, Springer-Verlag, Berlin 2010.
                             Depressive unterschätzen sie. Kliniken                Büssing, A.; Perrar, K.-M.: Die Messung von Burnout, Diagnostica 1992, 38, 328 – 353.
                             richten meist getrennte Therapie-
                                                                                   Krause, A.; Dorsemagen, C.; Peters, K.: Interessierte Selbstgefährdung – Nebenwirkungen
                             gruppen ein, weil Burnout-Patienten                   moderner Managementkonzepte. In: Wirtschaftspsychologie aktuell, Heft 2 / 2010, 33 – 35.
                             möglichst rasch wieder ins Erwerbs-
                                                                                   Peters, K.: Indirekte Steuerung und interessierte Selbstgefährdung. Eine 180-Grad-Wende
                             leben zurück wollen und Pausen
                                                                                   bei der betrieblichen Gesundheitsförderung. In: Kratzer, N.; Dunkel, W.; Becker, K.; Hinrichs,
                             ungern akzeptieren.                                   S. (Hrsg.): Arbeit und Gesundheit im Konflikt, edition sigma, Berlin 2011 [Im Druck].
                           • Ausbrenner kämpfen gegen benenn-
                                                                                   Schaufeli, W. B.; Enzmann, D.: The burnout companion to study and practice,
                             bare Probleme an, Depressive leiden
                                                                                   Taylor & Francis, London 1998.
                             an Unabänderlichem.

                           12 · DGUV Forum 6/11
Burnout

                                                                                            den. Denn für Mitarbeitergespräche sollte
   Exkurs: Die innere Stechuhr                                                              immer die Tür offen stehen, ob nun die In-
   Unter der etwas kryptischen Bezeichnung „interessierte Selbstgefährdung“                 itiative vom Mitarbeiter ausgeht oder von
   gerät zunehmend ein verhältnismäßig neues Phänomen in die Diskussion (Krause,            der sensibilisierten Führungskraft. Dafür
   Dorsemagen & Peters 2010; Peters 2011). Damit ist gemeint, dass Mitarbeiter aller        und in allen Bedarfsfällen sollte Vorgesetz-
   Hierarchieebenen vorgegebene Ziele derart verinnerlichen, dass sie Maßnahmen             ten ein Coaching angeboten werden.
   und Regelungen, die ihrem Schutz dienen sollen, unterlaufen oder aktiv sabotie-
   ren — und so die eigene Gesundheit untergraben. Die „interessierte Selbstgefähr-         Darüber hinaus sollten regelmäßige, in
   dung“ ist die Folge sogenannter „indirekter Führung“ (management by objectives)          nicht zu großen Abständen stattfindende
   und, jedenfalls anfangs, freiwillig. Die psychologischen Hintergründe sind noch          Arbeitstreffen für jedes Team Teil der Or-
   unerforscht, und selbst die Gewerkschaften finden nur schwer eine klare Position         ganisationskultur werden. In diesen Tref-
   dazu. Das Phänomen ist in der Tat eine neue Herausforderung für die betriebliche         fen geht es ausschließlich um das „Wie“,
   Gesundheitsförderung.                                                                    nicht um das „Was“ der Arbeit.

                                                                                            Ergänzend ist es außerordentlich emp-
                                                                                            fehlenswert, ein sogenanntes Employee
einzuführen, statt Warnzeichen zu igno-       Aktionären. Diese aber honorieren vor al-     Assistance Program (EAP; „Mitarbeiter-
rieren, mit Problemen nicht allein zu blei-   lem Personalabbau mit nachfolgender Ar-       Unterstützungs-Programm“) aufzulegen.
ben, sondern früh (auch professionelle)       beitsverdichtung mit steigenden Aktien-       Dazu schließt das Unternehmen einen
Hilfe zu suchen und Abgrenzung zu kulti-      kursen. Das Dilemma stellt sich auch für      Vertrag mit einem externen Institut, wel-
vieren. Damit sei eine Richtung angedeu-      inhabergeführte Unternehmen, aber nicht       ches eine mehr oder weniger umfassen-
tet. Es herrscht kein Mangel an Rezepten.     mit derselben Schärfe.                        de Beratungspalette für die gesamte Be-
Leider ist auch deren Durchschlagskraft in                                                  legschaft anbietet und absolut diskret
den Frühstadien zweifelhaft.                  Konkrete betriebliche Schritte                vorgeht. Nicht jede(r) mag sich mit per-
                                              Wenn eine Organisation sich aufmachen         sönlichen Problemen seiner Führungs-
Globale und gesellschaftliche Ebene           will, Burnout zu bekämpfen, ist ein mög-      kraft anvertrauen, die ja auch in der Re-
Die verbreitete Angst vor wirtschaftli-       licher erster Schritt eine Bestandsaufnah-    gel überfordert wäre. Ein EAP ist hier die
chem und sozialem Abstieg, vor Erwerbs-       me in Form einer Mitarbeiterbefragung.        Lösung — wenn nicht auf diese Weise die
losigkeit und Altersarmut bereiten einen      Dafür gibt es erprobte Fragebögen. Er-        Mitmenschlichkeit „outgesourct“ wird.
fruchtbaren Nährboden für Burnout-Pro-        gänzend sollten von neutraler Stelle In-
zesse. Menschen verharren an Arbeits-         terviews geführt werden. Wichtig ist aller-   Fazit
plätzen, die sie unter Bedingungen von        dings: Die Ergebnisse müssen offen gelegt      Es lässt sich eine Menge ausrichten —
Vollbeschäftigung längst verlassen hät-       werden, und es müssen Maßnahmen fol-          wenn nicht die, die es tun sollen, selbst
ten. Die Zusammenhänge mit Burnout            gen. Nichts ist kontraproduktiver als ein     am Rand ihrer Kräfte sind. Freilich: Keine
sind hier einigermaßen deutlich, aber In-     Bericht, der in der Schublade oder gar im     Organisation wird Burnout ganz verhin-
terventionen müssten auf politischer und      Safe der Geschäftsleitung verschwindet.       dern können. Damit muss man leben. ●
(welt)wirtschaftlicher Ebene ansetzen.
                                              Parallel muss das Thema Burnout — oder
Institutionelle und                           allgemeiner: psychische Belastungen —            Autor
zwischenmenschliche Ebene                     enttabuisiert werden. Gerade konserva-
Dies ist die Ebene, auf der beispielsweise    tivere oder technisch dominierte Organi-
Unternehmen ansetzen könnten. Aller-          sationen tun sich oft schwer damit, hier
dings kann man sich des Eindrucks einer       die Diskussion frei zu geben. Geschehen
gewissen Ratlosigkeit schwer entziehen.       kann das über gut sichtbare Beiträge in
Dabei gibt es auch hier reichlich Rezep-      der Mitarbeiterzeitschrift oder über Infor-
te. Nur müsste an der richtigen, nämlich      mationsveranstaltungen, zu denen die
                                                                                                                               Foto: Volker Wenzlawski

der obersten Stelle die Entschlossenheit      gesamte Belegschaft eingeladen wird. In
vorhanden sein, die Rede von „den Mit-        Betrieben, in denen es einen Arbeitskreis
arbeitern als unserem wertvollsten Kapi-      Gesundheit gibt, kann dieser (mit Rücken-
tal“ mit Leben zu füllen. Dieses Ziel muss    deckung von ganz oben) die Organisation
mit großem Ernst nachhaltig betrieben         übernehmen. Wo es ihn nicht gibt, kann
werden, und es ist nicht gratis zu haben.     man ihn gründen.                                 Prof. Dr. Matthias Burisch
Es sei nicht verkannt, dass selbst der Vor-                                                    Leiter des BURNOUT-INSTITUT
standsvorsitzende eines Großkonzerns          In einem zweiten oder dritten Schritt soll-      NORDDEUTSCHLAND (BIND)
nicht nur seinem Aufsichtsrat verantwort-     ten Vorgesetzte aller Ebenen in Früherken-       E-Mail: info@burnout-institut.eu
lich ist, sondern in der Regel auch seinen    nung und Gesprächsführung geschult wer-

                                                                                                                    DGUV Forum 6/11 · 13
Titelthema

Diagnose Burnout – Ein Fallbeispiel

„Ich konnte tageweise nicht mehr arbeiten“
Klaus Kramer 1 arbeitet für ein internationales Großunternehmen in Deutschland im Bereich
Prozessoptimierung. Im Herbst 2008 wurde bei ihm ein Burnout-Syndrom diagnostiziert.
Im Interview gab Herr Kramer dem DGUV Forum einen Einblick in die Entstehung, die Symptome
und den Umgang mit der Erkrankung.

Herr Kramer, wie haben sich die Be-          Wie viel Zeit verging zwischen den ersten    speziell wenn es verschiedene gleichzei-
schwerden bei Ihnen entwickelt?              Symptomen und dem Zeitpunkt, zu dem          tig sind oder wenn sie schlimmer wer-
Seit dem Sommer 2008 litt ich verstärkt      Sie Hilfe suchten?                           den. Und man sollte sich selbst fragen,
unter Schlafstörungen. Nach dem Som-         Ich konnte tageweise nicht mehr arbei-       ob vielleicht Anspannung der Auslöser
merurlaub hatte sich das massiv verstärkt.   ten. Schließlich überwand ich mich und       sein kann.
Ich schreckte nachts hoch, war schweiß-      ging etwa vier Wochen nach Beginn der
gebadet, fand keine Erholung mehr. Ich       akuten Symptome zum Betriebsarzt, bei        Wie gestaltete sich die Behandlung seit-
hatte das Gefühlt, dass sich meine Batte-    dem ich sehr gute Hilfe fand. Er stellte     dem?
rie durch nichts mehr aufladen ließ. Al-     die Diagnose. Mit seiner Hilfe stellte ich   Mit viel Glück und mit Hilfe des Betriebs-
les strengte mich unverhältnismäßig an,      fest, dass vermutlich auch schon Rücken-     und meines Hausarztes habe ich schon
um ein Stockwerk zu überwinden, nahm         beschwerden und eine plötzlich auftre-       nach etwa vier Wochen einen stationä-
ich den Fahrstuhl. Etwas aus dem Gefrier-    tende Nahrungsmittelunverträglichkeit        ren Platz in einer Psychosomatischen

                                                                                                                                       Foto: Shutterstock / liubomir
schrank im Keller zu holen, erschien mir     zu Beginn des Jahres 2008 die ersten Vor-    Klinik bekommen. Normalerweise sind
als schier unüberwindbare Hürde. Das         boten der Stresserkrankung waren. Das        die Wartezeiten deutlich länger, aber es
kann sich ein normaler Mensch gar nicht      war mir gar nicht in den Sinn gekommen.      hatte offenbar jemand abgesagt. Dort
vorstellen. Am Schreibtisch konnte ich       Ich kann nur raten, rechtzeitig zum Arzt     verbrachte ich sechs Wochen und lernte
mich immer weniger konzentrieren und         zu gehen, wenn plötzlich irgendwelche        Entspannungstechniken, Wahrnehmung
ich wurde rauer gegenüber den Kollegen.      ungewöhnlichen Symptome auftreten,           („Achtsamkeit“), Ausgleichsaktivitäten

„Persönliche Risikofaktoren sind sicherlich ein
gewisser Hang zum Perfektionismus, hoher
Ehrgeiz und ein hoher Anspruch an sich selbst.
Dadurch macht man zu viel und manchmal auch
besser als nötig und das kostet Kraft.“

14 · DGUV Forum 6/11
Interview

und viel über die Zusammenhänge der           Gibt es persönliche Faktoren oder Merk-      Welche Hilfestellungen von Seiten des
Erkrankung. Sofort nach den sechs Wo-         male Ihrer Arbeitstätigkeit, in denen Sie    Arbeitgebers sind für Sie bei der Wieder-
chen begann ich eine betriebliche Wie-        vor allem Ursachen für die Entwicklung       eingliederung besonders wichtig?
dereingliederung, die über ein Viertel-       des Burnout-Syndroms bei Ihnen sehen?        Mein Arbeitgeber stellt seit einiger Zeit
jahr dauerte. Gleich wieder anzufangen        Persönliche Risikofaktoren sind sicher-      ein Beratungsangebot für Stress und
war sehr anstrengend. Ich kam nach            lich ein gewisser Hang zum Perfektio-        sonstige Probleme bereit, das die Mitar-
Hause und verschlief die Nachmittage.         nismus, hoher Ehrgeiz und ein hoher          beiter nutzen können. Das ist gut, aber
Trotzdem war es sehr gut, sich schnells-      Anspruch an sich selbst. Dadurch macht       es beseitigt nicht die Ursachen. Für mich
tens wieder in einen geregelten Tagesab-      man zu viel und manchmal auch besser         selbst war das Verständnis meiner Kolle-
lauf zu begeben. Währenddessen habe           als nötig und das kostet Kraft. Zudem        gen, meines Vorgesetzten und auch der
ich ambulante Sitzungen mit einer nie-        bin ich eher sicherheitsliebend, was         Personalleitung unglaublich hilfreich.
dergelassenen Psychologin gehabt. Hier        meinem Arbeitsumfeld deutlich wider-         Die Erwartungen an meine Leistung wur-
fing die Therapie eigentlich erst richtig     sprach. Der Job war geprägt durch viel       den präzisiert und es wurden mir besse-
an. In der Klinik war ja eher eine Stabi-     Zeitdruck, unklare Strukturen, unkla-        re Perspektiven aufgezeigt. Besonders
lisierung erfolgt. Die Therapie ist wich-     re Erwartungen und ein hohes Arbeit-         wichtig ist, denke ich, der Faktor, dass
tig, weil man dort im Genesungsprozess        spensum bei schlecht abgegrenztem            der Mitarbeiter sich zumindest aus dem
neutral beurteilt und beraten wird. Das       Aufgabenfeld und ohne Aussicht auf           Grund der Erkrankung keine Sorgen um
gab mir Sicherheit. Sonst sieht man Ge-       Besserung. Meinen Vorgesetzten war           den Arbeitsplatz zu machen braucht.
spenster oder entwickelt irgendwelche         oft nicht klar, wie viel Aufwand hinter      Niemand bekommt freiwillig ein Burn-
dauerhaften „Macken“. Der ganze Pro-          manchem stand, weil viele Dinge noch         out, sondern weil er sich stark engagiert
zess erstreckt sich also über einen relativ   nie zuvor jemand angepackt hatte. Viel-      hat (wovon der Arbeitgeber in der Regel
langen Zeitraum. Ich würde sagen, dass        mehr stand immer das Ziel im Raum,           profitiert hat)!
die Behandlung insgesamt etwa genauso         die Belegschaft zu verkleinern, also in
lange gedauert hat wie die Entwicklung        gewisser Weise auch die Angst vor Job-       Im Rückblick verstehe ich, dass ein Burn-
der Erkrankung.                               verlust. Das waren sicher Faktoren, die      out von vielen Fachleuten als lebensbe-
                                              zur Entstehung der Erkrankung beige-         drohliche Erkrankung bezeichnet wird.
                                              tragen haben.                                Und genau wie bei anderen lebensbe-
                                                                                           drohlichen Krankheiten muss dies ak-
                                              Wie versuchen Sie derzeit zu vermeiden,      zeptiert und eingesehen werden und die
                                              dass die Symptome wieder auftreten?          Ursachen müssen beseitigt werden. Auch
                                              Ich versuche die Dinge lockerer zu sehen,    vom Arbeitgeber.
                                              nicht zu weit in die Zukunft zu planen und
                                              mich nicht in Gedankenketten zu verlie-      Wie würden Sie Ihr derzeitiges berufliches
                                              ren, die in einer „Katastrophisierung“ en-   Leistungsvermögen im Vergleich zu der
                                              den. Ich habe mein soziales Umfeld belebt    Zeit vor dem Auftreten der Beschwerden
                                              und erweitert, nachdem ich es schon zu       einschätzen?
                                              Beginn der Erkrankung viel zu sehr ver-      Man behält auf jeden Fall etwas zurück.
                                              nachlässigt hatte. Soziale Kontakte sind     Man geht vorsichtiger mit sich um und
                                              sehr wichtig und helfen, ohne dass man       erreicht auch nicht mehr ganz die Leis-
                                              merkt, wie dies geschieht! Zudem versu-      tungsfähigkeit von vorher. Dabei muss
                                              che ich mehr zu genießen, auch vielfach      man aber bedenken, dass ich zuvor bei
                                              Kleinigkeiten wie gutes Essen, Gesell-       der Arbeit wahrscheinlich 120 oder 130
                                              schaft, frische Luft. Das ist ein Ergebnis   Prozent gegeben habe, während mein
                                              der „Achtsamkeitsübungen“ aus der The-       Leistungsniveau jetzt wohl eher normal
                                              rapie. Und es hilft. Ich lese auch wesent-   ist.
                                              lich mehr Bücher zur Entspannung. Mir

                   *1 Name geändert           ist klar, dass das nicht jeder kann, zum
                                              Beispiel wenn Kinder zu versorgen sind,
                                                                                           Vielen Dank für das Gespräch! ●

                                              aber man muss es versuchen.                  Das Interview führte Marlen Hupke, IAG

                                                                                                                  DGUV Forum 6/11 · 15
Titelthema

Präventionsangebot der VBG

„Burnout – erkennen,
verstehen, bekämpfen“
Auch für die VBG ist Burnout ein Thema, das zunehmend an
Bedeutung gewinnt. Die Berufsgenossenschaft entwickelt
daher Beratungsangebote und Informationsmedien für ihre
Mitgliedsunternehmen.

D
         as Thema psychische Belastun-        Die beschriebene Problematik macht es
         gen und Stress am Arbeitsplatz       für Unfallversicherungsträger notwen-
         gewinnt in der Präventionsarbeit     dig, neue und innovative Lösungsansät-
der Unfallversicherungsträger an Bedeu-       ze zu erarbeiten, um sichere und gesunde
tung. Die immer stärker dienstleistungs-      Arbeitsplätze auch in Bezug auf psychi-
orientierte und globalisierte Arbeitswelt     sche Belastungen zu gewährleisten. Die
ruft zunehmend andere Formen der ar-          VBG nimmt sich dieser Herausforderung
beitsbedingten Belastungen und Anfor-         an und entwickelt Beratungsangebote
derungen an den Mitarbeiter hervor. Sie       sowie Informationsmedien für ihre Mit-
ist geprägt durch wachsenden Leistungs-       gliedsunternehmen. Speziell zum The-
und Konkurrenzdruck, Arbeitsverdich-          ma Burnout-Prävention und Umgang mit
tung und den Umgang mit Unsicherhei-          Burnout-Erkrankungen wurde ein großer
ten. Berichte der Krankenkassen weisen        Bedarf erkannt.                                         personen im betrieblichen Gesundheits-
seit Jahren einen stetigen Anstieg von                                                                geschehen direkt anzusprechen, ihre eige-
Arbeitsunfähigkeiten unter der Diagnose       Führungskräfte als wichtige                             ne Gesundheitskompetenz zu fördern und
von psychischen Erkrankungen aus. Dies        Zielgruppe                                              ihren Einfluss auf die konkrete Arbeitsge-
wird zumindest als Hinweis auf eine stei-     Eine wichtige Zielgruppe der VBG zum                    staltung in den Unternehmen für die Prä-
gende psychische Belastung am Arbeits-        Thema Burnout sind Führungskräfte.                      ventionsarbeit zu nutzen.
platz interpretiert.                          Ziel ist es, Führungskräfte als Schlüssel-
                                                                                                      Führungskräfte sind aus verschiedenen
                                                                                                      Gründen besonders wichtig:
                                                                                                      • Sie wirken als Multiplikatoren. Sie kön-
                                                                                                        nen gesundheitsförderliche Unterneh-
   Dies sind die konkreten Inhalte der Broschüre:                                                       menswerte leben und verstärken sowie
   Kapitel 1: Burnout erkennen – Was ist eigentlich                                                     Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
   ein Burnout-Syndrom? In diesem Kapitel werden                                                        aktiv unterstützen.
   Definition, Anzeichen, Verlauf und Häufigkeit von                                                  • Sie üben eine Vorbildfunktion aus, so-
   Burnout beschrieben.                                                                                 wohl in Bezug auf soziale Unterstüt-
                                                                                                        zung und positives Sozialklima als
   Kapitel 2: Burnout verstehen – Wie entsteht Burnout?                                                 auch in Bezug auf Gesundheitsverhal-
   In diesem Kapitel wird ein Modell vorgestellt, das                                                   ten (zum Beispiel Pausengestaltung,
                                                                                        Quelle: VBG

   die Entstehung von Burnout erklärt, sowie der Ablauf                                                 Ernährung usw.).
   eines Burnout-Prozesses erläutert.                                                                 • Sie können durch ihren Führungs-
                                                                                                        stil die Beanspruchungsbilanz ihrer
   Kapitel 3: Burnout bekämpfen – Was kann man gegen Burnout tun? In diesem                             Mitarbeiter positiv beeinflussen. Sie
   Kapitel wird beschrieben, was Führungskräfte für sich selbst, für ihre Mitarbeiter                   beeinflussen über die Gestaltung der
   sowie im Team gegen Burnout tun können. Darüber hinaus werden Empfehlungen                           Arbeitsbedingungen (zum Beispiel
   gegeben, welche Prozesse, Strukturen und Maßnahmen auf organisationaler                              Aufgabentransparenz, Feedback,
   Ebene Burnout vorbeugen können.                                                                      Wertschätzung) wesentlich das Wohl-
   Download und Bestellung der Broschüre unter www.cconsult.info                                        befinden und die Gesundheit der Mit-
                                                                                                        arbeiter.

16 · DGUV Forum 6/11
Präventionsangebot der VBG

                                                                                                  !

                                                                                      Foto: VBG
                                                                                                      Weitere Informationen der VBG zum
                                                                                                      Thema Burnout, wie zum Beispiel
                                                                                                      einen Burnout-Selbsttest, finden Sie unter
                                                                                                      www.cconsult.info

                                                                                                  Pilotprojekt
                                                                                                  2011 führt die VBG ein Pilotprojekt zum
                                                                                                  Thema Burnout durch. Mit der Expertise
                                                                                                  von Prof. Matthias Burisch wird ein Pro-
                                                                                                  gramm für Führungskräfte und Manage-
                                                                                                  ment zur Burnout-Prävention konzipiert
                                                                                                  und in Mitgliedsunternehmen der VBG
                                                                                                  durchgeführt und evaluiert. Es sieht einen
                                                                                                  dreistufigen Ablauf vor: In der ersten Stu-
                                                                                                  fe werden die teilnehmenden Führungs-
                                                                                                  kräfte grundlegend zum Thema Burnout
                                                                                                  und Stress informiert und für die Proble-
                                                                                                  matik sensibilisiert. Hierzu wird die vor-
                                                                                                  gestellte Broschüre als Vorabinformation
                                                                                                  der Teilnehmer genutzt. Aufbauend wer-
                                                                                                  den in einem Vertiefungs-Workshop prak-
                                                                                                  tische Kompetenzen aufgebaut. Es werden
                                                                                                  Übungen, zum Beispiel zu Gesprächsfüh-
                                                                                                  rung, durchgeführt und der Transfer in
                                                                                                  den Berufsalltag gefördert. Im Abstand
• Das Kommunikationsverhalten der Füh-        te Informationen über Anzeichen, Entste-            von circa einem halben Jahr wird dann
  rungskräfte („Gesundheit als Thema“)        hung und Verlauf von Burnout-Prozes-                abschließend ein „Refresher“-Workshop
  spielt eine wichtige Rolle bei der Schaf-   sen. Darüber hinaus liefert sie Ideen und           durchgeführt, in dem Bilanz in Form eines
  fung einer Präventionskultur im Unter-      Handlungsempfehlungen, was konkret ge-              Erfahrungsaustauschs gezogen und das
  nehmen.                                     gen Burnout getan werden kann. Hierbei              gelernte Wissen aufgefrischt wird. Zur-
                                              werden verschiedene Ebenen berücksich-              zeit läuft das Programm bei einem großen
Über das Label „CConsult“ bietet die VBG      tigt. Was kann jeder einzelne selbst gegen          deutschen Versicherungsunternehmen. ●
Führungskräften Information und Hand-         Burnout tun? Wie kann eine Führungskraft
lungshilfen zu den folgenden Fragestel-       in ihrer Rolle Burnout bei Kollegen und
lungen:                                       Mitarbeitern vorbeugen bzw. was kann sie
• Wie können Führungskräfte ihre              in einem konkreten Burnout-Fall tun? Und                Autorin
  Führungsaufgabe erfüllen und dabei          welche Maßnahmen kann ein Unterneh-
  selbst gesund bleiben?                      men zur Burnout-Prävention durchführen?
• Wie können Führungskräfte ihre Füh-
  rung so gestalten, dass ihre Mitarbeiter    In erster Linie unterstützt die vorgestellte
  gesund und leistungsfähig bleiben?          VBG-Broschüre durch ihre umfassende
                                              Information und übersichtliche Gestal-
Im Rahmen des Labels entstand auch eine       tung eine Sensibilisierung in Bezug auf
Broschüre zum Thema Burnout.                  das Thema Burnout. Sie findet Einsatz im
                                              Rahmen von betrieblicher Gesundheits-
Die Broschüre „Burnout – erkennen,            förderung / betrieblichem Gesundheits-
                                                                                                                                        Foto: VBG

verstehen, bekämpfen“                         management, aber auch bei Aufklärungs-
Die VBG stellt mit der Broschüre „Burn-       kampagnen in Unternehmen, die sich des
out – erkennen, verstehen, bekämpfen“         Themas annehmen und ihre Führungskräfte                 Dr. Susanne Roscher
ihren Mitgliedsunternehmen eine umfas-        dahingehend qualifizieren wollen. Die                   Beraterin für Arbeits- und
sende Einführung in das Thema zur Verfü-      Broschüre kann darüber hinaus sehr gut                  Gesundheitspsychologie,
gung. Sie wurde in Kooperation mit Prof.      flankierend zu konkreten Maßnahmen ge-                  Präventionsstab, VBG
Matthias Burisch als Experten für Burnout     gen Burnout, wie zum Beispiel in Work-                  E-Mail: susanne.roscher@vbg.de
erarbeitet. Die Broschüre enthält fundier-    shops und Seminaren angewendet werden.

                                                                                                                            DGUV Forum 6/11 · 17
Titelthema

                                                    Ein integrativer bedingungsbezogener Ansatz

                                                    Arbeitsstrukturelle Ursachen
                                                    von Burnout
                                                    Bisher dominierte der Gedanke, dass die Ursachen von Burnout überwiegend nur auf Seiten
                                                    der betroffenen Person zu finden seien. Nun aber gilt ergänzend, dass die fehlende Überein-
                                                    stimmung zwischen den Merkmalen der Arbeit und der Person ebenfalls als eine Vorbedingung
                                                    für die Entstehung von Burnout betrachtet werden muss.

                                                    D
                                                             er sich schnell wandelnde Ar-           Metapher Gruppenburnout                       es sich hierbei nicht eher um eine Erosion
                                                             beitsmarkt stellt neue Herausfor-       Für die Individualebene liegt von Matthias    der Gruppe handelt. Die kann unter
                                                             derungen an die Beschäftigten.          Burisch (1994, 2006) eine etablierte theo-    risikoreichen Arbeitsbedingungen jegli-
                                                    Stressresistenz wird dabei oft erwartet,         retische Beschreibung des Phasenverlaufs      che Formen der sozialen Unterstützung
                                                    jedoch kaum präventiv zur Arbeitstätig-          von Burnout von. Darüber hinaus wird          verlieren. Soziale Bedingungen sind es
                                                    keit in Bezug gesetzt. Die Folge ist Burn-       immer öfter das Phänomen des Gruppen-         jedoch erst, welche Gruppenbildung im
                                                    out als arbeitsbedingte Stressreaktion.          burnouts beschrieben (siehe Tabelle 1),       Sinne der erfolgreichen Zielerreichung
                                                    Der hier vorgestellte Lernansatz soll dabei      welches insbesondere bei Projekt- und         attraktiv machen (Moldaschl, 2010).
                                                    helfen, vor dem Hintergrund der Kennt-           Arbeitsteams mit engen zeitlichen Vorga-
                                                    nis psychischer Belastungen gezielt              ben in Kombination mit hohem Leistungs-       Die Betrachtung dieser Phasen in Orga-
                                                    die Arbeitsbedingungen zu identifizieren,        druck und fehlenden sozialen Ressourcen       nisationen führt zwangsläufig zu der Fra-
                                                    die mit einem erhöhten Burnoutrisiko in          theoretisch angenommen wird. Kritisch         ge, ob die Mitglieder eines Teams als Per-
                                                    Zusammenhang stehen.                             muss an dieser Stelle geprüft werden, ob      son ein Risikofaktor für das Auftreten von
                                                                                                                                                   Burnout darstellen oder ob es eher Maß-
                                                                                                                                                   nahmen der Organisations- und Personal-
                                                    Tabelle 1: Phasenverlauf für Gruppenburnout                                                    entwicklung (zum Beispiel Gesundheits-
                                                     Phase                 Merkmale                  Ergebnis              Intervention            zirkel, Supervision, Coaching) sind, die
                                                                                                                                                   geeignete Instrumente zur Vermeidung
                                                     Enthusiasmus          Zahlreiche Ideen,         Vereinbarung sind     Anerkennung aufbau-     des Gruppenburnouts bewirken. Zusätz-
                                                                           Idealismus, Visionen      nicht vorhanden       en, Visionen zulassen
                                                                                                                                                   lich können sicher individuellen Faktoren
                                                     Überforderung         Keine Abstimmung          Methoden- und         Vertrauensklima         wie die Neigung zu hoher Leistungsbereit-
                                                                           untereinander,            Grundsatzdiskussion   schaffen                schaft, Hang zu Perfektionismus und ho-
                                                                           übersteigerte Ver-
                                                                           ausgabungsneigung,                                                      he Wettbewerbsorientierung verstärkend
                                                                           Selbstausbeutung                                                        auf der Personenebene wirken. Bezogen
                                                                                                                                                   auf die aktuelle Wertigkeit von Erwerbs-
                                                     Schuldsuche           Auseinandersetzung        Keine Bereitschaft    Arbeit auf
                                                                           mit der inneren           zur „Innenschau“      Beziehungsebene,        arbeit sind dies jedoch genau die Eigen-
                                                                           Beschaffenheit der                              erste Supervisions-     schaften, die in den vergangenen Jahren
                                                                           Gruppe vermieden                                angebote                durch Unternehmen gefördert wurden.
                                                     Angestrengtheit       Probleme beim             Teile der Arbeits-    Übernahme von
                                                                           „Kundenkontakt“,          gruppe realisieren    Verantwortung           Aspekte des Berufslebens –
                                                                           Depersonalisation         das Scheitern                                 ein strukturierter Rahmen
Quelle: Gabriele Buruck, Adaption nach Sanz, 2008

                                                                           und Zynismus              (Individualburnout)
                                                                                                                                                   Zur näheren Erforschung der drei Burn-
                                                     Misserfolg            Arbeitsfähigkeit be-      Mobbing,              Konfliktmanagement      outkomponenten (Erschöpfung, Zynis-
                                                                           droht, Qualitäts- und     Spaltung in                                   mus, Ineffektivität) identifizierten Leiter &
                                                                           Quantitätsverluste        Subgruppen
                                                                                                                                                   Maslach (2004) sechs Aspekte des Berufs-
                                                     Hilflosigkeit         Gruppe wirkt kraftlos,    Fluktuation oder      Keine Individual-       lebens, die als zentrale Einflussgrößen für
                                                                           Servicequalität auf ein   innere Kündigung      lösungen,               die Entwicklung von Burnout angesehen
                                                                           Minimum gesunken                                Gruppenarbeit
                                                                                                                                                   werden können (siehe Abbildung 1). Die
                                                     Erschöpfung           Keine Gruppe mehr         Umstrukturierung      Stabilisierung          Aspekte Arbeitsmenge und -intensität,
                                                                           vorhanden                 oder Auflösung der    von außen,              Spielräume / Kontrolle, Anerkennung,
                                                                                                     Gruppe                Aufgaben auslagern
                                                                                                                                                   Gemeinschaftsgefühl, Gerechtigkeit / Fair-

                                                    18 · DGUV Forum 6/11
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