Forum Ausgabe 6 2011 - Strategien gegen Burnout - Prävention
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80168 Forum Fachzeitschrift für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung Ausgabe 6 • 2011 Strategien gegen Burnout Prävention Fukushima – Auswirkungen auf deutsche Firmen? 49. Verkehrsgerichtstag LKW – Motor der Wirtschaft oder rollende Bombe?
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, „Was ist Ihr größter Fehler?“ Diese Frage ist Standard in Bewerbungsgesprächen. Ratgeber empfehlen häu- fig, sie mit einem Wort zu beantworten: Perfektionis- mus. Gut möglich, dass diese Antwort eigentlich ein Fehler ist. Denn was nach einer positiven Eigenschaft klingt, könnte sich im Berufsalltag als Krankmacher erweisen. Wer beim Streben nach der besten Lösung die eigenen Grenzen ständig überschreitet, läuft Gefahr auszubrennen. Ein Burnout droht. Das Burnout-Syndrom bringt die Ambivalenz der Tugenden zutage, auf denen die moderne Arbeitswelt beruht. Um es deutlich zu sagen: Ohne leistungsbe- Foto: DGUV reite, belastbare und engagierte Mitarbeiter kann kein Unternehmen erfolgreich sein. Und nicht jeder, der mit Freude bei der Arbeit ist, wird davon krank. Es ist vielmehr das Zusammenwirken übersteigerter Ansprüche an sich selbst, man- gelnder Erholung und eines belastenden Arbeitsumfeldes, „Das Burnout-Syndrom bringt das auf die Dauer die Gesundheit untergräbt. die Ambivalenz der Tugenden zutage, auf denen die moderne Für Führungskräfte und für den Arbeitsschutz ist diese Kon- stellation eine besondere Herausforderung. Wer psychische Arbeitswelt beruht.“ Fehlbeanspruchung und in letzter Konsequenz einen Burnout verhindern will, muss die Frage beantworten, welchen Anteil die Arbeit an der Entstehung eben dieser Fehlbeanspruchung hat und wo im Einzel- fall persönliche Faktoren eine Rolle spielen. Das ist nicht einfach, reicht diese Frage doch in einen sehr emotionalen Bereich. Wo das Selbstwertgefühl eng mit dem Stolz auf die eigene Leistungsfähigkeit verbunden ist, fällt es schwer, sich einzugestehen, dass der Erfolg möglicherweise auf Kosten der eigenen Gesundheit erreicht wurde. Hier sind Führungskräfte gefragt, ihre Mitarbeiter vor ständiger Überlastung zu schützen. Das Thema auf die Seite zu schieben, ist keine Lösung. Zu hoch sind die möglichen Folgekosten, wenn ein ausgebrannter Mitarbeiter weniger leistet oder vielleicht ganz ausfällt. Prävention tut Not und ist auch möglich, wie zum Beispiel die Angebote der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen zeigen. Der erste Schritt ist sicherlich, sich klar zu machen, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Perfektionismus alles andere als perfekt ist. Mit den besten Grüßen Ihr Dr. Joachim Breuer Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung 2 · DGUV Forum 6/11
Inhalt > Editorial / Inhalt >>> 2–3 > Aktuelles >>> 4–9 > Titelthema >>> 10 – 27 Burnout 10 Leer – erschöpft – ausgebrannt Matthias Burisch Diagnose Burnout – Ein Fallbeispiel 14 „Ich konnte tageweise nicht mehr arbeiten“ Interview Präventionsangebot der VBG 16 „Burnout – erkennen, verstehen, bekämpfen“ 10 Susanne Roscher Ein integrativer bedingungsbezogener Ansatz 18 Arbeitsstrukturelle Ursachen von Burnout Gabriele Buruck Präventionsprogramm der BGW 21 Praxistaugliches Baukastensystem Sabine Gregersen Burnout bei Sicherheitsfachkräften 24 Von Allem zu viel Nadine Mölling, Reiner Stefan Pilotprojekt 26 Burnout-Prävention in der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen Sven Hollmann „Stark für jede Stunde“ 28 Unfallkasse Rheinland-Pfalz wappnet Lehrkräfte für Stresssituationen Sabine Laskus 38 > Prävention >>> 30 – 33 Aus der Forschung 30 Puffer gegen Burnout Marlen Hupke, Klaus-Helmut Schmidt > Unfallversicherung >>> 38 – 40 KKW-Havarie in Japan 32 Auswirkungen für deutsche Firmen? 49. Verkehrsgerichtstag Goslar 38 Thomas Ludwig LKW: Motor der Wirtschaft oder „rollende Bombe“ Walter Eichendorf > Rehabilitation >>> 34 – 37 > Aus der Rechtsprechung >>> 41 Aktivitätstest zur Mobilität im Rollstuhl 34 Teilhabe durch Mobilität Volker Anneken, Sven Hirschfeld, Peter Richarz, > Medien / Impressum >>> 42 Tanja Scheuer, Roland Thietje DGUV Forum 6/11 · 3
Aktuelles Europaweiter Fotowettbewerb Ein Imker bei der Arbeit. zum Thema Risikoprävention Das Gewinnerfoto des ersten Fotowettbewerbs Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz aus dem Jahr 2009. Der am Arbeitsplatz (EU-OSHA) ruft zu einem zweiten Fotowettbe- Fotograf ist Christopher werb auf. Ziel ist es, das Bewusstsein für Sicherheit und Gesund- Azzopardi aus Malta. heitsschutz bei der Arbeit zu fördern. Im Mittelpunkt steht in diesem Jahr das Thema Risikoprävention. Es soll gezeigt werden, wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam zur Verhinderung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten beitragen können. Eine internationale Jury aus Profifotografen und Experten für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wird die besten Beiträge auswählen; der erste Preis ist mit 3.000 Euro dotiert. Die Gewinner des zweiten und dritten Preises erhalten 2.000 Euro beziehungsweise 1.000 Euro. In diesem Jahr wird zum ersten Mal ein Jugendpreis in Höhe von 1.000 Euro für den bes- ten Teilnehmer unter 21 Jahren verliehen. Die Gewinner werden im September 2011 ausgewählt und auf der Abschlussveranstal- Foto: Christopher Azzopardi tung der Kampagne für gesunde Arbeitsplätze bekanntgegeben, die im November 2011 in Bilbao stattfindet. ! Berufs- und Hobbyfotografen sind eingeladen, ihre Beiträge bis zum 31. August 2011 einzureichen unter: www.osha-photocompetition.eu Altersgemischte Teams müssen gut geführt werden Die Altersspanne der Beschäftigten und damit die Zusammen- gleiche Zahl denkt, dass solch ein Team mehr leistet und auch arbeit von verschiedenen Generationen in einem Team wer- das Klima unter den Kollegen besser sei. den durch den demografischen Wandel zunehmen. Im aktuel- len iga-Barometer, einer repräsentativen Umfrage unter 2.000 Den Vorgesetzten wird insgesamt ein gutes Zeugnis ausgestellt. Beschäftigten, geben fast zwei Drittel an, dass sie schon heu- Aber es sind auch einige negative Ergebnisse zu nennen. So te zu einer altersgemischten Arbeitsgruppe gehören. Etwa die geben acht Prozent der Befragten an, dass ältere Beschäftigte in ihrem Unternehmen nicht die gleichen Weiterbildungsmög- lichkeiten wie jüngere haben. 14 Prozent sagen (und damit fast Foto: Wolfgang Bellwinkel / DGUV jeder Siebte), dass jüngere Arbeitnehmer bei der Einführung neuer Arbeitsmittel, Aktivitäten und Arbeitsmethoden bevor- zugt werden. Führt man die Ergebnisse zusammen, zeigen sich negative Auswirkungen auf die Gesundheit genau bei den Be- schäftigten, die Altersunterschiede im Team stark wahrnehmen und Diskriminierung erleben. Wenn die Führungskraft jedoch dafür sorgt, dass die Kompe- tenzen aller Altersgruppen wertgeschätzt werden, kommt das dem Unternehmen doppelt zugute: durch gesündere Mitarbei- ter und leistungsfähigere Teams. Denn weitere Forschungser- gebnisse zeigen, dass altersgemischte Teams komplexe Aufga- ben besser lösen als gleichaltrige Gruppen. ! iga-Barometer zum Download: www.iga-info.de 4 · DGUV Forum 6/11
Aktuelles Berlin „GOes AHEAD“ Schulwettbewerb startet in Berlin Rund 1.000 Schülerunfälle im Straßenverkehr in Berlin geschichten, Songtexte, Fotostorys oder Videoclips einzurei- belegen es: Eine nachhaltige Verkehrserziehung in der Schu- chen. Auf der Website www.go-ahead-wettbewerb.de bietet le ist unerlässlich. Mit der Ausschreibung des Wettbewerbs die Unfallkasse Berlin kostenfrei fachspezifische Informatio- „Go Ahead“ möchte die Unfallkasse Berlin, in Zusammenar- nen und Unterrichtshilfen an. Zugeschnitten auf verschiede- beit mit der ZNS-Hannelore Kohl Stiftung, ihren Beitrag leis- ne Fächer und Unterrichtsformen eignet sich der Wettbewerb ten, um Unfälle zu reduzieren. Für die besten Einsendungen besonders für die Fächer Deutsch, Kunst und Musik. Auch im hat die Unfallkasse Berlin Preisgelder im Gesamtwert von Rahmen einer Multimedia-AG oder einer Projektwoche lässt 1.200 Euro ausgeschrieben. sich das Thema gut bearbeiten. Einsendeschluss für die Bei- träge ist der 20. Juli 2011. Der Wettbewerb richtet sich an Schüler und ihre Lehrkräfte an Berliner Gymnasien, Integrierten Sekundarschulen, För- ! Weitere Informationen unter: www.go-ahead-wettbewerb.de der- und Berufsschulen. Die Schüler sind aufgefordert, Kurz- Bergmannsheil und BGU Duisburg sind Teil des neuen Traumanetzwerks Ruhrgebiet Am 8. April 2011 fiel in Bochum der Start- Thomas Armin Schildhauer, Direktor der 20 lokale Traumazentren von Duisburg schuss für das Traumanetzwerk Ruhr- Chirurgischen Klinik des Berufsgenossen- bis Dortmund. Nach den Vorgaben des gebiet. Mit einem Festakt leiteten Unfall- schaftlichen Universitätsklinikums Berg- „Weißbuches“ der Deutschen Gesellschaft chirurgen aus der Region den offiziellen mannsheil. Zusammen mit dem Universi- für Unfallchirurgie verfügen alle beteilig- Start für ein Netzwerk zur Behandlung tätsklinikum Knappschaftskrankenhaus ten Kliniken über eine selbständige Abtei- von Unfallopfern ein. „Schnelles und ziel- Bochum bildet das Bergmannsheil ebenso lung für Unfallchirurgie. Im Rahmen der genaues Handeln ist ein entscheidender wie die Berufsgenossenschaftliche Unfall- Vernetzung arbeiten die lokalen und re- Faktor, um Patienten nach einem schwe- klinik in Duisburg eines von vier überre- gionalen Traumazentren künftig sehr eng ren Unfall erfolgreich helfen zu können: gionalen Traumazentren innerhalb des mit den vier überregionalen Traumazent- Durch das Traumanetzwerk stärken wir Netzwerks. ren zusammen. die Versorgungsstrukturen in unserer Region und gewährleisten dadurch ei- An dem Traumanetzwerk beteiligt – dem ! Weitere Infos unter www.bergmannsheil.de ne noch schnellere qualifzierte Behand- größten in Deutschland – sind insgesamt sowie www.bgu-duisburg.de lung von Unfallopfern“, sagte Professor vier überregionale, sechs regionale und Rettungshubschrauber über dem Bergmannsheil Foto: Daum / Bergmannsheil DGUV Forum 6/11 · 5
Aktuelles Foto: BG RCI Stellvertretend für alle Sieger: Der branchenübergreifende Förderpreis für die innovativste Umsetzung der Präventionskampagne „Risiko raus“! ging an Dr. Bernd Diener, Daniel Vogel und Anja Kreuzinger von Evonik Goldschmidt in Essen. Der Preis wurde über- reicht von Dr. Uwe Müller (r.), dem Vorsitzenden der Präventionsausschüsse der BG RCI. BG RCI vergibt Förderpreis Arbeit – Sicherheit – Gesundheit 2011 16 Preisträger wurden am 1. April die- rund um die betriebliche Arbeitssicherheit die innovativste betriebliche Umsetzung ses Jahres in Kassel mit dem Förderpreis und den Gesundheitsschutz belohnt. Mit der Präventionskampagne „Risiko raus!“ „Arbeit – Sicherheit – Gesundheit 2011“ ge- einer Gesamtgewinnsumme von 100.000 vergeben. Preisgekrönt wurden so unter- ehrt. „Sie haben sich mit Ihrer Kreativität Euro ist er der höchst dotierte Preis für schiedliche Ansatzpunkte wie eine von und Initiative nicht nur für mehr ‚Huma- Arbeitssicherheit in Deutschland. Azubis für Azubis entwickelte Sicherheits- nitas am Arbeitsplatz‘, sondern vielmehr unterweisung zum Thema Alkohol und ein um das Gemeinwohl verdient gemacht“, An dem Ideenwettbewerb 2011 hatten sich innovatives Lärmschutzsystem. würdigte Laudator Dr. Joachim Gauck die 991 Männer und Frauen mit 445 Beiträ- Preisträger. Bereits zum 14. Mal wurden mit gen beteiligt. 40 dieser Teilnehmer erhiel- dem „Arbeitssicherheits-Oscar“ der Berufs- ten für ihre kreative Arbeit 15 Sonder- und ! Weitere Informationen: genossenschaft Rohstoffe und chemische Förderpreise. Darüber hinaus wurde ein www.bgrci-foerderpreis.de Industrie (BG RCI) wegweisende Ideen branchenübergreifender Förderpreis für VBG bietet Zertifizierung zum „Präventionsberater Sport“ Die Verwaltungsberufsgenossenschaft Mehr als 100 Vereinsmitglieder deutsch- sagt Füllenbach rückblickend. „Im Semi- (VBG) bietet allen Sportvereinen die Mög- landweit haben mittlerweile schon mit der nar der VBG habe ich erkannt, dass sich lichkeit, Trainer, Übungsleiter oder ande- Ausbildung begonnen. Unter ihnen auch Unfälle im Verein auch mit einfachen Mit- re Funktionsträger offiziell zu Sicherheits- Martin Füllenbach, Geschäftsführer des teln verhindern lassen.“ experten schulen zu lassen. Die Kosten für Sport-Clubs Vier- und Marschlande von die dreiteilige Seminarreihe zum „Präven- 1899 e. V. (SCVM) im Süden Hamburgs. tionsberater Sport“, die an Wochenenden „Wir haben uns in der Vergangenheit ! Weitere Informationen zum stattfindet, samt Unterkunft und Verpfle- als Sportverein mit mehr als 3.000 Mit- Seminarangebot: www.vbg.de; gung sind im VBG-Mitgliedsbeitrag inbe- gliedern viel zu wenig mit der Thematik Suchwort „Präventionsberater“ griffen. ‚Sicherheit im Sport‘ auseinandergesetzt“, 6 · DGUV Forum 6/11
Aktuelles GDA führt Qualitätsbarometer ein In Sachen Arbeitsschutz wird es in Deutschland künftig ein Regelwerks sowie durch eine stärker koordinierte Beratungs- Qualitätsbarometer geben: Dazu befragen die zuständigen In- und Überwachungstätigkeit wollen wir nachhaltig für sichere stitutionen in den kommenden Monaten insgesamt circa 5.000 und gesündere Arbeitsplätze sorgen.“ Beschäftigte und rund 6.500 Verantwortliche in den Betrieben zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Die Umfrage wird Nicht zuletzt der PCB-Skandal in Dortmund hat die Frage auf- vom Meinungsforschungsinstitut Infratest durchgeführt und geworfen, wie wirksam der Gesundheitsschutz in den Betrie- soll regelmäßig wiederholt werden. ben wirklich ist. Daher haben die mit der Arbeitsschutzauf- sicht betrauten Institutionen und das Bundesministerium für „Bund, Länder und gesetzliche Unfallversicherung bündeln Arbeit und Soziales im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen zunehmend ihre Kompetenzen, um den Arbeitsschutz noch ef- Arbeitsschutzstrategie (GDA) das Qualitätsbarometer beschlos- fizienter und schlagkräftiger zu machen“, sagt Steffen Rödde- sen. Hierzu werden neben der Befragung der Betroffenen auch cke, Vorsitzender der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz. „Mit statistische Daten, zum Beispiel zu Arbeitsunfällen und Erkran- gemeinsamen Programmen zu ausgewählten Brennpunkten im kungen, ausgewertet. Erste Zwischenergebnisse werden noch Arbeitsschutz, durch größere Praxisnähe des Vorschriften- und diesen Herbst erwartet. Kinofilmprojekt GOLD erfolgreich gestartet Unter dem Motto „Du kannst mehr als Du denkst“ ist das Doku- Schwimmerin mentarfilm-Projekt GOLD in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt Kirsten Bruhn und worden. Damit fiel der offizielle Startschuss zu der Produktion Marathonläufer einer internationalen Kinodokumentation über drei Spitzen- Henry Wanyoike sportler der Paralympics. Die Kamera wird die drei Athleten in während der ihrem Alltag und im sportlichen Wettkampf begleiten und so bei- Pressekonferenz spielhaft zeigen, was Menschen zu leisten im Stande sind. Dazu Produzent Andreas F. Schneider: „Die Zeit ist gekommen, dass unsere Gesellschaft die inspirierende Kraft des Paralympischen Sports und seiner Athleten erkennt und für sich selbst nutzt.“ Der Film porträtiert die querschnittgelähmte deutsche Schwim- merin Kirsten Bruhn, den blinden kenianischen Marathonläu- fer Henry Wanyoike und den australischen Rennrollstuhlfahrer Kurt Fearnley und begleitet die drei auf dem Weg zu und bei den Paralympics 2012. GOLD erzählt die persönlichen Dramen der Athleten, ihren Kampf gegen Verzweiflung und Vorurteil sowie ihren Aufstieg zu Spitzenathleten und Vorbildern. Für Gregor Doepke, Kommunikationschef der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und Initia- tor des Projekts, ist der Kinofilm ein wichtiges Si- gnal: „Durch dieses Engagement will die DGUV mit emotionalen und beeindruckenden Bildern auf die Relevanz des Sports für die Rehabilitation und die erfolgreiche berufliche und soziale Wie- dereingliederung von Menschen, die einen Unfall hatten, aufmerksam machen.“ ! Weitere Informationen: www.du-bist-gold.de Foto: Olaf Ballnus DGUV Forum 6/11 · 7
Aktuelles „Paralympic Post“ präsentiert sich in der britischen Botschaft Nicht nur in London laufen die Vorberei- Foto: Thilo Rückeis/Der Tagesspiegel tungen auf die Olympischen Spiele 2012 auf Hochtouren. Auch die „Paralympics Zeitung / Paralympic Post“, ein von der DGUV gefördertes, preisgekröntes Schü- ler-Zeitungsprojekt, präsentierte sich An- fang Mai in der britischen Botschaft in Berlin der Öffentlichkeit. In London wer- den Schüler aus mehreren europäischen Ländern über die paralympischen Spiele berichten. Einige paralympische Athleten würdigten an diesem Abend die Bedeu- tung dieser Berichterstattung für die Wahr- nehmung ihres Sports. Die Auflage der Paralympics Zeitung / Pa- Tischtennis auf der Mini-Platte: Der stellvertretende britische Botschafter Andrew ralympic Post wird sich in London auf Noble spielt gegen Paralympics-Gewinner Holger Nikelis. fünf Millionen Exemplar steigern. Denn die Artikel werden im Tagesspiegel, dem ben einen guten Weg gefunden, um mit Teilhabe von Menschen mit Behinderun- Projektpartner der DGUV, erscheinen, in dem gemeinsamen Projekt von Deutscher gen an. Das ist nicht nur ein Thema für der Zeit, dem Handelsblatt und wahr- Gesetzlicher Unfallversicherung und Ta- die Bundesregierung und die deutsche scheinlich im britischen Guardian. Dr. Jo- gesspiegel die Sichtbarkeit und Wahr- Bevölkerung, sondern für jedes Land in achim Breuer, Hauptgeschäftsführer der nehmung für den Behindertensport zu Europa und sogar für die Europäische DGUV, sagte dazu: „Ich denke, wir ha- erhöhen. Die Paralympic Post spricht die Union selbst.“ Frauenfußball-WM: Bergmannsheil leistet medizinischen Support Das Berufsgenossenschaft- Als international anerkann- liche Universitätsklinikum te Klinik der Maximalversor- Bergmannsheil ist bei der Fuß- gung mit traumatologischem ballweltmeisterschaft 2011 An- Schwerpunkt hält das Berg- laufstelle für die Versorgung mannsheil alle erforderlichen von Spielerinnen und Be - Diagnose- und Therapiever- treuerstäben in Bochum. Da- fahren vor, um Sport- und Un- rauf haben sich der medizi- fallverletzte schnell und qua- nische Koordinator der WM, lifiziert versorgen zu können. Dr. Ulrich Schneider und Uwe Die Chirurgische Klinik und Foto: Bergmannsheil Brockmann vom Bergmanns- ihre Abteilung für Neurotrau- heil verständigt. matologie und Rückenmark- verletzte, die Neurologische „Wir haben hier in Bochum Klinik und die Klinik für Pneu- eine erstklassige medizini- mologie, Allergologie, Schlaf- sche Versorgungslage: Darauf Dr. Ulrich Schneider, Dr. Jessica Kammler-Marx und und Beatmungsmedizin ste- können sich die Spielerinnen, Uwe Brockmann (v.l.n.r.) beim Abstimmungsgespräch hen mit ihren eingespielten Betreuer und die FIFA-Offizi- Behandlungsteams bei Ver- ellen verlassen“, sagte Dr. Schneider an- entspannte und packende Spiele freuen – letzungen und Erkrankungen bereit. Im lässlich der Vereinbarung mit dem Berg- und auch für den ‚Fall der Fälle‘ gut vor- Bedarfsfall werden Notärzte der Chirurgi- mannsheil. Brockmann ergänzte: „Wir bereitet sein: Diesem Ziel dient unsere Ko- schen Klinik auch während der Spiele im wollen uns gemeinsam mit den Fans auf operation.“ Stadion sein. 8 · DGUV Forum 6/11
Aktuelles Mobbing im Fokus eines Films der Unfallkasse Rheinland-Pfalz Immer häufiger werden Jugendliche an und überfordert, seine Lehrerinnen und Schulen zu Mobbingopfern, werden ge- Lehrer teils unsensibel und überlastet. Berichtigung hänselt, ausgegrenzt, psychisch miss- Auch andere Schülerinnen und Schüler In der Meldung „Mehr Mini- handelt. Um dem entgegenzusteuern berichten in „Alle Tage wieder“ von be- jobber bei der Gesetzlichen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern für drückenden Erfahrungen, die sie als Mob- Unfallversicherung ange- das Thema Mobbing an Schulen stär- bingopfer gemacht haben. meldet“ (Ausgabe 5 / 2011, ker zu sensibilisieren, geht die Unfall- Seite 7) heißt es, dass bei kasse Rheinland-Pfalz neue Wege. Sie ! Einkünften bis 400 Euro die hat ein Filmprojekt initiiert: von jungen Weitere Informationen: Anmeldung zur Unfallversi- Menschen mit jungen Menschen für jun- www.ukrlp.de / index.php?id=822 cherung von der Knapp- ge Menschen – gemeinsam mit der The- schaft übernommen wird. atergruppe Nibelungenhorde und dem Diese Aussage trifft nur für Landesministerium für Bildung, Wissen- Minijobber in Privathaus- schaft, Jugend und Kultur. halten zu, die über das Haushaltsscheckverfahren Im Wormser Lincoln-Theater hieß es jetzt gemeldet werden. Das Ent- „Vorhang auf“ für den Film „Alle Tage gelt von Minijobbern im ge- wieder“. Dieser soll ab dem nächsten werblichen Bereich ist wie Schuljahr landesweit an weiterführenden bei sonstigen Beschäftig- Schulen als Unterrichtsgrundlage dienen. Foto: UK RLP ten direkt an den zuständi- Eindrucksvoll und unter die Haut gehend gen Unfallversicherungsträ- vermittelt der Film, wie der junge „Mo“ ger zu melden. von seinen Mitschülern gemobbt wird und Kurze Kontrolle des Drehs an der Kamera darunter leidet. Seine Eltern sind hilflos durch die Schauspieler Anz_Lex_V13_drittel_RZ_Layout 1 14.04.11 14:51 Seite 2 Anzeige Zuverlässige Antworten können nur Experten geben! www.universum.de/lexikon Lexikon Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Testen Sie jetzt online Mehr als 50 Experten aus Arbeitsschutz, Gesundheit Kostenlos und unverbindlich unter und angrenzenden Bereichen geben Antworten in www.universum.de/lexikon ca. 1.000 Fachartikeln. Außerdem finden Sie die Antworten in über 500 Abbildungen, Gesetzen, Verordnungen und EU-Richtlinien. Universum Verlag GmbH · Taunusstraße 54 · 65183 Wiesbaden · Telefon 0611 90 30-501 · Fax: 0611 90 30-277/-181 · Internet: www.universum.de E-Mail: vertrieb@universum.de · Registriert beim Amtsgericht Wiesbaden, HRB 2208 · Geschäftsführer: Siegfried Pabst, Frank-Ivo Lube DGUV Forum 6/11 · 9
Titelthema Burnout Leer – erschöpft – ausgebrannt Burnout kann prinzipiell jeden treffen. Neben individuellen Faktoren spielen die Arbeits- bedingungen und die Unternehmenskultur eine Rolle bei der Entstehung des Syndroms. Betriebe können einiges tun, um das Burnout-Risiko zu mindern. W er heutzutage von Neuras- Burnout — Gibt’s das überhaupt? Angesichts dieser Schwammigkeit mehren thenie, Freud’schen „Kom- Unbestritten ist das Syndrom nicht rand- sich im deutschen Sprachraum die Stim- plexen“ oder der Midlife Cri- scharf abgegrenzt. Es existieren Dutzende men, die den Begriff Burnout für überflüs- sis spricht, erntet eher Heiterkeit; zu von Definitionsversuchen, aber selbst der sig erklären und meistens unter Depres- weit haben diese Begriffe den Zenit ih- umfassendste (Schaufeli & Enzmann 1998, sion subsumieren möchten. Dabei wird rer „Karriere“ überschritten. Burnout, S. 36) befriedigt nicht. Eine Übersicht lis- verkannt, dass die etablierten Diagnose- erst seit 1974 weiteren Kreisen bekannt tet mehr als 130 in der Literatur genann- schlüssel — vor allem die International geworden, ist etwa seit Mitte des ver- te Symptome auf (Burisch 2010, S. 25 f). Classification of Diseases (ICD10) der Welt- gangenen Jahrzehnts konstant im Fokus Als Kernsymptome haben sich emotiona- gesundheitsorganisation — nur scheinbar deutschsprachiger Medien. Alle großen le Erschöpfung („ich kann nicht mehr“), präzisere Definitionen für Begriffe wie De- Magazine widme- reduzierte Zufrie- pression oder Anpassungsstörung enthal- te n d e m T h e m a „Das Endstadium eines denheit mit der ei- ten. Für die Diagnose „Depressive Episode“ Titelgeschichten Burnout-Prozesses ist vom ge n e n Le i s t u n g ist eine bestimmte Minimalzahl von Sym- oder Extra-Hefte. Vollbild einer Depression („ich schaff ’s nicht ptomen erforderlich, die mindestens zwei E s ve rge h t ke i n nicht mehr zu unterscheiden.“ mehr“), Dehuma- Wochen angehalten haben. Warum nun ge- Ta g , o h n e d a s s nisierung („ich will rade diese Minimalzahl und gerade diese mindestens eine niemanden mehr Minimaldauer? Antwort: Das war mal der Zeitung über Burnout berichtet. Auf ei- sehen“) und Überdruss gegenüber der Ar- Konsensus internationaler Experten; hoch- ner Schweizer Website haben seit April beit („ich will nicht mehr“) eingebürgert gradig willkürlich ... 2006 weit mehr als 200.000 Nutzer einen — das aber hauptsächlich deshalb, weil es Burnout-Fragebogen ausgefüllt. Im In- für diese Merkmale (technisch unzuläng- Wenn sich der gegenwärtige Trend zu ei- ternet tummeln sich unzählige Anbieter liche) Fragebögen gibt. Zu nennen ist hier ner Biologisierung der Psychiatrie durch- von Therapien unterschiedlichster Art, vor allem das sogenannte Maslach Burn- setzt, kann er durchaus zum Ende der die Heilung versprechen. Was ist dran out Inventory (einzige autorisierte deut- Schlüsselverzeichnisse führen. Zurzeit an der Sache? sche Übersetzung: Büssing & Perrar 1992). regeln sie noch, welche Therapie mit den Krankenkassen abrechenbar ist. Depressi- on geht, Burnout nicht. Das gilt übrigens nicht für die Berufsunfähigkeit. Hier spra- Beobachtbare Frühwarnzeichen chen Richter in mindestens einem rechts- Leistungsabfälle Nachlassendes Engagement kräftigen Urteil eine Rente zu, obwohl die • Konzentrationsstörungen • Dienst nach Vorschrift Ursache offensichtlich in der Persönlich- • Flüchtigkeitsfehler • Negativismus, Sarkasmus keit des Klägers lag. • Verlegen von Gegenständen • Verzettelung in Kleinigkeiten Verminderte Emotionskontrolle Symptome • Unnötige Überstunden • Reizbarkeit Nicht alle Symptome sind von außen gut • Tränenausbrüche beobachtbar, zumal Betroffene sich meist Gehetztheit • Pokerface-Mimik zu tarnen versuchen, bis ein unüberseh- • Nervosität barer Zusammenbruch unausweichlich • Chronische Anspannung Krankheitsanfälligkeit wird. Für betriebliche Praktiker kann • Fehlzeiten, zum Beispiel wegen die Liste der Frühwarnsymptome hilf- Sozialer Rückzug Infektionskrankheiten reich sein, um mögliche Anzeichen von • Kontaktmeidung Burnout bei Mitarbeitern zu erkennen • Schwierigkeiten beim Zuhören (siehe Kasten „Beobachtbare Frühwarn- zeichen“). ▸ 10 · DGUV Forum 6/11
Burnout Foto: iStock/Artmann Witte DGUV Forum 6/11 · 11
Titelthema Globale Ebene llschaftliche Ebene Gese utionelle Ebene „An der richtigen, nämlich der obersten Instit Stelle müsste die Entschlossenheit vorhanden sein, die Rede von ‚den enmenschliche Eb Zw isch ene Mitarbeitern als unserem wertvollsten Quelle: Matthias Burisch Kapital‘ mit Leben zu füllen.“ Individuelle Ebene Abbildung 1: Das Zwiebelmodell von Burnout Solche Symptome können Anlass für Ge- Ursachen Präventionsmaßnahmen sprächsangebote sein. Da Leser(innen) Burnout ist die Folge von Dauerstress in Bevor von Präventionsmöglichkeiten die möglicherweise auch persönlich an Fallen-Situationen. Dabei kann die Falle in Rede sein soll, ist es wichtig, sich klar dem Thema interessiert sind, sei auf ein Form unrealistischer Ansprüche (zum Bei- zu machen, dass Burnout zwar ein in- weiteres Alarmsignal hingewiesen, das spiel Perfektionismus) nur im eigenen Kopf nerpsychisches Phänomen ist, zugleich unauffälliger daherkommt: die zuneh- existieren. Sie kann auch aus subjektiv un- aber in eine zwischenmenschliche, insti- mende Unfähigkeit, von der Arbeit „ab- erträglichen Lebensumständen bestehen, tutionelle, gesellschaftliche und globale zuschalten“. Wo sie länger anhält, kann die gleichwohl ausgehalten werden müssen, Umgebung eingebettet ist (sogenanntes sie über die ausbleibende Erholung in ei- weil eine Flucht zu riskant wäre, wirtschaft- Zwiebelmodell; siehe Abbildung 1). nem Teufelskreis münden. Oder über das lich oder für die Selbstachtung. Ein Beispiel: rezeptfrei erhältliche Schnellabschalt- Eine hochengagierte Mitarbeiterin, beruf- Individuelle Ebene Mittel Nummer 1: Alkohol. lich bis an ihre Grenzen ausgelastet, erlebt Was man selbst tun kann, um die eigene einen Zusammenbruch, als zusätzlich auch „Resilienz“ oder Stress-Toleranz zu stär- Je weiter der Prozess voranschreitet, des- noch ihre Eltern pflegebedürftig werden. ken, dazu gibt es eine unüberschaubare to schwieriger wird es, ihn ohne fremde Ratgeber-Literatur sowohl im Internet als Hilfe zu stoppen. Spätestens wenn ernst- Niemand sollte sich vor Burnout sicher auch in Buchform. (Einiges dazu auch in haftere psychosomatische Erkrankun- fühlen. Dennoch lassen sich persönliche der Broschüre „Burnout erkennen, verste- gen hinzukommen, ist eine stationäre Dispositionen benennen, die die Vulnera- hen, bekämpfen“, abrufbar auf der Websi- Behandlung meist unumgänglich. Das bilität erhöhen. Dazu gehört eine mangel- te www.cconsult.info der VBG.) Dabei fehlt Endstadium eines Burnout-Prozesses hafte Abgrenzungsfähigkeit („nicht Nein selbstverständlich nicht der übliche Tipp, ist vom Vollbild einer Depression nicht sagen können“) sowie die Bereitschaft, „gesund“ zu leben, also das Augenmerk auf mehr zu unterscheiden; vielleicht rührt für Ziele eigene Grenzen lang dauernd zu Ernährung, Bewegung und Schlaf zu rich- auch daher die Verwechslung der bei- überschreiten, Bedürfnisse zu verleugnen ten. Der Rat ist nicht falsch, erreicht aber den Einheiten. In früheren Stadien hel- und Krisensymptome zu verdrängen. Die Gefährdete und Betroffene wahrscheinlich fen die folgenden Faustregeln bei der Un- oft behauptete größere Gefährdung von nur selten. Zielführender dürften Empfeh- terscheidung: Frauen lässt sich, jedenfalls mittels Fra- lungen sein, regelmäßige Selbstprüfungen gebögen, nicht schlüssig belegen. (zum Beispiel in Form eines Tagebuchs) • Kernemotionen bei Burnout sind Wut und Angst, bei Depression Trauer beziehungsweise Melancholie. • Ausbrenner überschätzen ihre Kräfte, Burisch, M.: Das Burnout-Syndrom, 4. Auflage, Springer-Verlag, Berlin 2010. Depressive unterschätzen sie. Kliniken Büssing, A.; Perrar, K.-M.: Die Messung von Burnout, Diagnostica 1992, 38, 328 – 353. richten meist getrennte Therapie- Krause, A.; Dorsemagen, C.; Peters, K.: Interessierte Selbstgefährdung – Nebenwirkungen gruppen ein, weil Burnout-Patienten moderner Managementkonzepte. In: Wirtschaftspsychologie aktuell, Heft 2 / 2010, 33 – 35. möglichst rasch wieder ins Erwerbs- Peters, K.: Indirekte Steuerung und interessierte Selbstgefährdung. Eine 180-Grad-Wende leben zurück wollen und Pausen bei der betrieblichen Gesundheitsförderung. In: Kratzer, N.; Dunkel, W.; Becker, K.; Hinrichs, ungern akzeptieren. S. (Hrsg.): Arbeit und Gesundheit im Konflikt, edition sigma, Berlin 2011 [Im Druck]. • Ausbrenner kämpfen gegen benenn- Schaufeli, W. B.; Enzmann, D.: The burnout companion to study and practice, bare Probleme an, Depressive leiden Taylor & Francis, London 1998. an Unabänderlichem. 12 · DGUV Forum 6/11
Burnout den. Denn für Mitarbeitergespräche sollte Exkurs: Die innere Stechuhr immer die Tür offen stehen, ob nun die In- Unter der etwas kryptischen Bezeichnung „interessierte Selbstgefährdung“ itiative vom Mitarbeiter ausgeht oder von gerät zunehmend ein verhältnismäßig neues Phänomen in die Diskussion (Krause, der sensibilisierten Führungskraft. Dafür Dorsemagen & Peters 2010; Peters 2011). Damit ist gemeint, dass Mitarbeiter aller und in allen Bedarfsfällen sollte Vorgesetz- Hierarchieebenen vorgegebene Ziele derart verinnerlichen, dass sie Maßnahmen ten ein Coaching angeboten werden. und Regelungen, die ihrem Schutz dienen sollen, unterlaufen oder aktiv sabotie- ren — und so die eigene Gesundheit untergraben. Die „interessierte Selbstgefähr- Darüber hinaus sollten regelmäßige, in dung“ ist die Folge sogenannter „indirekter Führung“ (management by objectives) nicht zu großen Abständen stattfindende und, jedenfalls anfangs, freiwillig. Die psychologischen Hintergründe sind noch Arbeitstreffen für jedes Team Teil der Or- unerforscht, und selbst die Gewerkschaften finden nur schwer eine klare Position ganisationskultur werden. In diesen Tref- dazu. Das Phänomen ist in der Tat eine neue Herausforderung für die betriebliche fen geht es ausschließlich um das „Wie“, Gesundheitsförderung. nicht um das „Was“ der Arbeit. Ergänzend ist es außerordentlich emp- fehlenswert, ein sogenanntes Employee einzuführen, statt Warnzeichen zu igno- Aktionären. Diese aber honorieren vor al- Assistance Program (EAP; „Mitarbeiter- rieren, mit Problemen nicht allein zu blei- lem Personalabbau mit nachfolgender Ar- Unterstützungs-Programm“) aufzulegen. ben, sondern früh (auch professionelle) beitsverdichtung mit steigenden Aktien- Dazu schließt das Unternehmen einen Hilfe zu suchen und Abgrenzung zu kulti- kursen. Das Dilemma stellt sich auch für Vertrag mit einem externen Institut, wel- vieren. Damit sei eine Richtung angedeu- inhabergeführte Unternehmen, aber nicht ches eine mehr oder weniger umfassen- tet. Es herrscht kein Mangel an Rezepten. mit derselben Schärfe. de Beratungspalette für die gesamte Be- Leider ist auch deren Durchschlagskraft in legschaft anbietet und absolut diskret den Frühstadien zweifelhaft. Konkrete betriebliche Schritte vorgeht. Nicht jede(r) mag sich mit per- Wenn eine Organisation sich aufmachen sönlichen Problemen seiner Führungs- Globale und gesellschaftliche Ebene will, Burnout zu bekämpfen, ist ein mög- kraft anvertrauen, die ja auch in der Re- Die verbreitete Angst vor wirtschaftli- licher erster Schritt eine Bestandsaufnah- gel überfordert wäre. Ein EAP ist hier die chem und sozialem Abstieg, vor Erwerbs- me in Form einer Mitarbeiterbefragung. Lösung — wenn nicht auf diese Weise die losigkeit und Altersarmut bereiten einen Dafür gibt es erprobte Fragebögen. Er- Mitmenschlichkeit „outgesourct“ wird. fruchtbaren Nährboden für Burnout-Pro- gänzend sollten von neutraler Stelle In- zesse. Menschen verharren an Arbeits- terviews geführt werden. Wichtig ist aller- Fazit plätzen, die sie unter Bedingungen von dings: Die Ergebnisse müssen offen gelegt Es lässt sich eine Menge ausrichten — Vollbeschäftigung längst verlassen hät- werden, und es müssen Maßnahmen fol- wenn nicht die, die es tun sollen, selbst ten. Die Zusammenhänge mit Burnout gen. Nichts ist kontraproduktiver als ein am Rand ihrer Kräfte sind. Freilich: Keine sind hier einigermaßen deutlich, aber In- Bericht, der in der Schublade oder gar im Organisation wird Burnout ganz verhin- terventionen müssten auf politischer und Safe der Geschäftsleitung verschwindet. dern können. Damit muss man leben. ● (welt)wirtschaftlicher Ebene ansetzen. Parallel muss das Thema Burnout — oder Institutionelle und allgemeiner: psychische Belastungen — Autor zwischenmenschliche Ebene enttabuisiert werden. Gerade konserva- Dies ist die Ebene, auf der beispielsweise tivere oder technisch dominierte Organi- Unternehmen ansetzen könnten. Aller- sationen tun sich oft schwer damit, hier dings kann man sich des Eindrucks einer die Diskussion frei zu geben. Geschehen gewissen Ratlosigkeit schwer entziehen. kann das über gut sichtbare Beiträge in Dabei gibt es auch hier reichlich Rezep- der Mitarbeiterzeitschrift oder über Infor- te. Nur müsste an der richtigen, nämlich mationsveranstaltungen, zu denen die Foto: Volker Wenzlawski der obersten Stelle die Entschlossenheit gesamte Belegschaft eingeladen wird. In vorhanden sein, die Rede von „den Mit- Betrieben, in denen es einen Arbeitskreis arbeitern als unserem wertvollsten Kapi- Gesundheit gibt, kann dieser (mit Rücken- tal“ mit Leben zu füllen. Dieses Ziel muss deckung von ganz oben) die Organisation mit großem Ernst nachhaltig betrieben übernehmen. Wo es ihn nicht gibt, kann werden, und es ist nicht gratis zu haben. man ihn gründen. Prof. Dr. Matthias Burisch Es sei nicht verkannt, dass selbst der Vor- Leiter des BURNOUT-INSTITUT standsvorsitzende eines Großkonzerns In einem zweiten oder dritten Schritt soll- NORDDEUTSCHLAND (BIND) nicht nur seinem Aufsichtsrat verantwort- ten Vorgesetzte aller Ebenen in Früherken- E-Mail: info@burnout-institut.eu lich ist, sondern in der Regel auch seinen nung und Gesprächsführung geschult wer- DGUV Forum 6/11 · 13
Titelthema Diagnose Burnout – Ein Fallbeispiel „Ich konnte tageweise nicht mehr arbeiten“ Klaus Kramer 1 arbeitet für ein internationales Großunternehmen in Deutschland im Bereich Prozessoptimierung. Im Herbst 2008 wurde bei ihm ein Burnout-Syndrom diagnostiziert. Im Interview gab Herr Kramer dem DGUV Forum einen Einblick in die Entstehung, die Symptome und den Umgang mit der Erkrankung. Herr Kramer, wie haben sich die Be- Wie viel Zeit verging zwischen den ersten speziell wenn es verschiedene gleichzei- schwerden bei Ihnen entwickelt? Symptomen und dem Zeitpunkt, zu dem tig sind oder wenn sie schlimmer wer- Seit dem Sommer 2008 litt ich verstärkt Sie Hilfe suchten? den. Und man sollte sich selbst fragen, unter Schlafstörungen. Nach dem Som- Ich konnte tageweise nicht mehr arbei- ob vielleicht Anspannung der Auslöser merurlaub hatte sich das massiv verstärkt. ten. Schließlich überwand ich mich und sein kann. Ich schreckte nachts hoch, war schweiß- ging etwa vier Wochen nach Beginn der gebadet, fand keine Erholung mehr. Ich akuten Symptome zum Betriebsarzt, bei Wie gestaltete sich die Behandlung seit- hatte das Gefühlt, dass sich meine Batte- dem ich sehr gute Hilfe fand. Er stellte dem? rie durch nichts mehr aufladen ließ. Al- die Diagnose. Mit seiner Hilfe stellte ich Mit viel Glück und mit Hilfe des Betriebs- les strengte mich unverhältnismäßig an, fest, dass vermutlich auch schon Rücken- und meines Hausarztes habe ich schon um ein Stockwerk zu überwinden, nahm beschwerden und eine plötzlich auftre- nach etwa vier Wochen einen stationä- ich den Fahrstuhl. Etwas aus dem Gefrier- tende Nahrungsmittelunverträglichkeit ren Platz in einer Psychosomatischen Foto: Shutterstock / liubomir schrank im Keller zu holen, erschien mir zu Beginn des Jahres 2008 die ersten Vor- Klinik bekommen. Normalerweise sind als schier unüberwindbare Hürde. Das boten der Stresserkrankung waren. Das die Wartezeiten deutlich länger, aber es kann sich ein normaler Mensch gar nicht war mir gar nicht in den Sinn gekommen. hatte offenbar jemand abgesagt. Dort vorstellen. Am Schreibtisch konnte ich Ich kann nur raten, rechtzeitig zum Arzt verbrachte ich sechs Wochen und lernte mich immer weniger konzentrieren und zu gehen, wenn plötzlich irgendwelche Entspannungstechniken, Wahrnehmung ich wurde rauer gegenüber den Kollegen. ungewöhnlichen Symptome auftreten, („Achtsamkeit“), Ausgleichsaktivitäten „Persönliche Risikofaktoren sind sicherlich ein gewisser Hang zum Perfektionismus, hoher Ehrgeiz und ein hoher Anspruch an sich selbst. Dadurch macht man zu viel und manchmal auch besser als nötig und das kostet Kraft.“ 14 · DGUV Forum 6/11
Interview und viel über die Zusammenhänge der Gibt es persönliche Faktoren oder Merk- Welche Hilfestellungen von Seiten des Erkrankung. Sofort nach den sechs Wo- male Ihrer Arbeitstätigkeit, in denen Sie Arbeitgebers sind für Sie bei der Wieder- chen begann ich eine betriebliche Wie- vor allem Ursachen für die Entwicklung eingliederung besonders wichtig? dereingliederung, die über ein Viertel- des Burnout-Syndroms bei Ihnen sehen? Mein Arbeitgeber stellt seit einiger Zeit jahr dauerte. Gleich wieder anzufangen Persönliche Risikofaktoren sind sicher- ein Beratungsangebot für Stress und war sehr anstrengend. Ich kam nach lich ein gewisser Hang zum Perfektio- sonstige Probleme bereit, das die Mitar- Hause und verschlief die Nachmittage. nismus, hoher Ehrgeiz und ein hoher beiter nutzen können. Das ist gut, aber Trotzdem war es sehr gut, sich schnells- Anspruch an sich selbst. Dadurch macht es beseitigt nicht die Ursachen. Für mich tens wieder in einen geregelten Tagesab- man zu viel und manchmal auch besser selbst war das Verständnis meiner Kolle- lauf zu begeben. Währenddessen habe als nötig und das kostet Kraft. Zudem gen, meines Vorgesetzten und auch der ich ambulante Sitzungen mit einer nie- bin ich eher sicherheitsliebend, was Personalleitung unglaublich hilfreich. dergelassenen Psychologin gehabt. Hier meinem Arbeitsumfeld deutlich wider- Die Erwartungen an meine Leistung wur- fing die Therapie eigentlich erst richtig sprach. Der Job war geprägt durch viel den präzisiert und es wurden mir besse- an. In der Klinik war ja eher eine Stabi- Zeitdruck, unklare Strukturen, unkla- re Perspektiven aufgezeigt. Besonders lisierung erfolgt. Die Therapie ist wich- re Erwartungen und ein hohes Arbeit- wichtig ist, denke ich, der Faktor, dass tig, weil man dort im Genesungsprozess spensum bei schlecht abgegrenztem der Mitarbeiter sich zumindest aus dem neutral beurteilt und beraten wird. Das Aufgabenfeld und ohne Aussicht auf Grund der Erkrankung keine Sorgen um gab mir Sicherheit. Sonst sieht man Ge- Besserung. Meinen Vorgesetzten war den Arbeitsplatz zu machen braucht. spenster oder entwickelt irgendwelche oft nicht klar, wie viel Aufwand hinter Niemand bekommt freiwillig ein Burn- dauerhaften „Macken“. Der ganze Pro- manchem stand, weil viele Dinge noch out, sondern weil er sich stark engagiert zess erstreckt sich also über einen relativ nie zuvor jemand angepackt hatte. Viel- hat (wovon der Arbeitgeber in der Regel langen Zeitraum. Ich würde sagen, dass mehr stand immer das Ziel im Raum, profitiert hat)! die Behandlung insgesamt etwa genauso die Belegschaft zu verkleinern, also in lange gedauert hat wie die Entwicklung gewisser Weise auch die Angst vor Job- Im Rückblick verstehe ich, dass ein Burn- der Erkrankung. verlust. Das waren sicher Faktoren, die out von vielen Fachleuten als lebensbe- zur Entstehung der Erkrankung beige- drohliche Erkrankung bezeichnet wird. tragen haben. Und genau wie bei anderen lebensbe- drohlichen Krankheiten muss dies ak- Wie versuchen Sie derzeit zu vermeiden, zeptiert und eingesehen werden und die dass die Symptome wieder auftreten? Ursachen müssen beseitigt werden. Auch Ich versuche die Dinge lockerer zu sehen, vom Arbeitgeber. nicht zu weit in die Zukunft zu planen und mich nicht in Gedankenketten zu verlie- Wie würden Sie Ihr derzeitiges berufliches ren, die in einer „Katastrophisierung“ en- Leistungsvermögen im Vergleich zu der den. Ich habe mein soziales Umfeld belebt Zeit vor dem Auftreten der Beschwerden und erweitert, nachdem ich es schon zu einschätzen? Beginn der Erkrankung viel zu sehr ver- Man behält auf jeden Fall etwas zurück. nachlässigt hatte. Soziale Kontakte sind Man geht vorsichtiger mit sich um und sehr wichtig und helfen, ohne dass man erreicht auch nicht mehr ganz die Leis- merkt, wie dies geschieht! Zudem versu- tungsfähigkeit von vorher. Dabei muss che ich mehr zu genießen, auch vielfach man aber bedenken, dass ich zuvor bei Kleinigkeiten wie gutes Essen, Gesell- der Arbeit wahrscheinlich 120 oder 130 schaft, frische Luft. Das ist ein Ergebnis Prozent gegeben habe, während mein der „Achtsamkeitsübungen“ aus der The- Leistungsniveau jetzt wohl eher normal rapie. Und es hilft. Ich lese auch wesent- ist. lich mehr Bücher zur Entspannung. Mir *1 Name geändert ist klar, dass das nicht jeder kann, zum Beispiel wenn Kinder zu versorgen sind, Vielen Dank für das Gespräch! ● aber man muss es versuchen. Das Interview führte Marlen Hupke, IAG DGUV Forum 6/11 · 15
Titelthema Präventionsangebot der VBG „Burnout – erkennen, verstehen, bekämpfen“ Auch für die VBG ist Burnout ein Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Berufsgenossenschaft entwickelt daher Beratungsangebote und Informationsmedien für ihre Mitgliedsunternehmen. D as Thema psychische Belastun- Die beschriebene Problematik macht es gen und Stress am Arbeitsplatz für Unfallversicherungsträger notwen- gewinnt in der Präventionsarbeit dig, neue und innovative Lösungsansät- der Unfallversicherungsträger an Bedeu- ze zu erarbeiten, um sichere und gesunde tung. Die immer stärker dienstleistungs- Arbeitsplätze auch in Bezug auf psychi- orientierte und globalisierte Arbeitswelt sche Belastungen zu gewährleisten. Die ruft zunehmend andere Formen der ar- VBG nimmt sich dieser Herausforderung beitsbedingten Belastungen und Anfor- an und entwickelt Beratungsangebote derungen an den Mitarbeiter hervor. Sie sowie Informationsmedien für ihre Mit- ist geprägt durch wachsenden Leistungs- gliedsunternehmen. Speziell zum The- und Konkurrenzdruck, Arbeitsverdich- ma Burnout-Prävention und Umgang mit tung und den Umgang mit Unsicherhei- Burnout-Erkrankungen wurde ein großer ten. Berichte der Krankenkassen weisen Bedarf erkannt. personen im betrieblichen Gesundheits- seit Jahren einen stetigen Anstieg von geschehen direkt anzusprechen, ihre eige- Arbeitsunfähigkeiten unter der Diagnose Führungskräfte als wichtige ne Gesundheitskompetenz zu fördern und von psychischen Erkrankungen aus. Dies Zielgruppe ihren Einfluss auf die konkrete Arbeitsge- wird zumindest als Hinweis auf eine stei- Eine wichtige Zielgruppe der VBG zum staltung in den Unternehmen für die Prä- gende psychische Belastung am Arbeits- Thema Burnout sind Führungskräfte. ventionsarbeit zu nutzen. platz interpretiert. Ziel ist es, Führungskräfte als Schlüssel- Führungskräfte sind aus verschiedenen Gründen besonders wichtig: • Sie wirken als Multiplikatoren. Sie kön- nen gesundheitsförderliche Unterneh- Dies sind die konkreten Inhalte der Broschüre: menswerte leben und verstärken sowie Kapitel 1: Burnout erkennen – Was ist eigentlich Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ein Burnout-Syndrom? In diesem Kapitel werden aktiv unterstützen. Definition, Anzeichen, Verlauf und Häufigkeit von • Sie üben eine Vorbildfunktion aus, so- Burnout beschrieben. wohl in Bezug auf soziale Unterstüt- zung und positives Sozialklima als Kapitel 2: Burnout verstehen – Wie entsteht Burnout? auch in Bezug auf Gesundheitsverhal- In diesem Kapitel wird ein Modell vorgestellt, das ten (zum Beispiel Pausengestaltung, Quelle: VBG die Entstehung von Burnout erklärt, sowie der Ablauf Ernährung usw.). eines Burnout-Prozesses erläutert. • Sie können durch ihren Führungs- stil die Beanspruchungsbilanz ihrer Kapitel 3: Burnout bekämpfen – Was kann man gegen Burnout tun? In diesem Mitarbeiter positiv beeinflussen. Sie Kapitel wird beschrieben, was Führungskräfte für sich selbst, für ihre Mitarbeiter beeinflussen über die Gestaltung der sowie im Team gegen Burnout tun können. Darüber hinaus werden Empfehlungen Arbeitsbedingungen (zum Beispiel gegeben, welche Prozesse, Strukturen und Maßnahmen auf organisationaler Aufgabentransparenz, Feedback, Ebene Burnout vorbeugen können. Wertschätzung) wesentlich das Wohl- Download und Bestellung der Broschüre unter www.cconsult.info befinden und die Gesundheit der Mit- arbeiter. 16 · DGUV Forum 6/11
Präventionsangebot der VBG ! Foto: VBG Weitere Informationen der VBG zum Thema Burnout, wie zum Beispiel einen Burnout-Selbsttest, finden Sie unter www.cconsult.info Pilotprojekt 2011 führt die VBG ein Pilotprojekt zum Thema Burnout durch. Mit der Expertise von Prof. Matthias Burisch wird ein Pro- gramm für Führungskräfte und Manage- ment zur Burnout-Prävention konzipiert und in Mitgliedsunternehmen der VBG durchgeführt und evaluiert. Es sieht einen dreistufigen Ablauf vor: In der ersten Stu- fe werden die teilnehmenden Führungs- kräfte grundlegend zum Thema Burnout und Stress informiert und für die Proble- matik sensibilisiert. Hierzu wird die vor- gestellte Broschüre als Vorabinformation der Teilnehmer genutzt. Aufbauend wer- den in einem Vertiefungs-Workshop prak- tische Kompetenzen aufgebaut. Es werden Übungen, zum Beispiel zu Gesprächsfüh- rung, durchgeführt und der Transfer in den Berufsalltag gefördert. Im Abstand • Das Kommunikationsverhalten der Füh- te Informationen über Anzeichen, Entste- von circa einem halben Jahr wird dann rungskräfte („Gesundheit als Thema“) hung und Verlauf von Burnout-Prozes- abschließend ein „Refresher“-Workshop spielt eine wichtige Rolle bei der Schaf- sen. Darüber hinaus liefert sie Ideen und durchgeführt, in dem Bilanz in Form eines fung einer Präventionskultur im Unter- Handlungsempfehlungen, was konkret ge- Erfahrungsaustauschs gezogen und das nehmen. gen Burnout getan werden kann. Hierbei gelernte Wissen aufgefrischt wird. Zur- werden verschiedene Ebenen berücksich- zeit läuft das Programm bei einem großen Über das Label „CConsult“ bietet die VBG tigt. Was kann jeder einzelne selbst gegen deutschen Versicherungsunternehmen. ● Führungskräften Information und Hand- Burnout tun? Wie kann eine Führungskraft lungshilfen zu den folgenden Fragestel- in ihrer Rolle Burnout bei Kollegen und lungen: Mitarbeitern vorbeugen bzw. was kann sie • Wie können Führungskräfte ihre in einem konkreten Burnout-Fall tun? Und Autorin Führungsaufgabe erfüllen und dabei welche Maßnahmen kann ein Unterneh- selbst gesund bleiben? men zur Burnout-Prävention durchführen? • Wie können Führungskräfte ihre Füh- rung so gestalten, dass ihre Mitarbeiter In erster Linie unterstützt die vorgestellte gesund und leistungsfähig bleiben? VBG-Broschüre durch ihre umfassende Information und übersichtliche Gestal- Im Rahmen des Labels entstand auch eine tung eine Sensibilisierung in Bezug auf Broschüre zum Thema Burnout. das Thema Burnout. Sie findet Einsatz im Rahmen von betrieblicher Gesundheits- Die Broschüre „Burnout – erkennen, förderung / betrieblichem Gesundheits- Foto: VBG verstehen, bekämpfen“ management, aber auch bei Aufklärungs- Die VBG stellt mit der Broschüre „Burn- kampagnen in Unternehmen, die sich des out – erkennen, verstehen, bekämpfen“ Themas annehmen und ihre Führungskräfte Dr. Susanne Roscher ihren Mitgliedsunternehmen eine umfas- dahingehend qualifizieren wollen. Die Beraterin für Arbeits- und sende Einführung in das Thema zur Verfü- Broschüre kann darüber hinaus sehr gut Gesundheitspsychologie, gung. Sie wurde in Kooperation mit Prof. flankierend zu konkreten Maßnahmen ge- Präventionsstab, VBG Matthias Burisch als Experten für Burnout gen Burnout, wie zum Beispiel in Work- E-Mail: susanne.roscher@vbg.de erarbeitet. Die Broschüre enthält fundier- shops und Seminaren angewendet werden. DGUV Forum 6/11 · 17
Titelthema Ein integrativer bedingungsbezogener Ansatz Arbeitsstrukturelle Ursachen von Burnout Bisher dominierte der Gedanke, dass die Ursachen von Burnout überwiegend nur auf Seiten der betroffenen Person zu finden seien. Nun aber gilt ergänzend, dass die fehlende Überein- stimmung zwischen den Merkmalen der Arbeit und der Person ebenfalls als eine Vorbedingung für die Entstehung von Burnout betrachtet werden muss. D er sich schnell wandelnde Ar- Metapher Gruppenburnout es sich hierbei nicht eher um eine Erosion beitsmarkt stellt neue Herausfor- Für die Individualebene liegt von Matthias der Gruppe handelt. Die kann unter derungen an die Beschäftigten. Burisch (1994, 2006) eine etablierte theo- risikoreichen Arbeitsbedingungen jegli- Stressresistenz wird dabei oft erwartet, retische Beschreibung des Phasenverlaufs che Formen der sozialen Unterstützung jedoch kaum präventiv zur Arbeitstätig- von Burnout von. Darüber hinaus wird verlieren. Soziale Bedingungen sind es keit in Bezug gesetzt. Die Folge ist Burn- immer öfter das Phänomen des Gruppen- jedoch erst, welche Gruppenbildung im out als arbeitsbedingte Stressreaktion. burnouts beschrieben (siehe Tabelle 1), Sinne der erfolgreichen Zielerreichung Der hier vorgestellte Lernansatz soll dabei welches insbesondere bei Projekt- und attraktiv machen (Moldaschl, 2010). helfen, vor dem Hintergrund der Kennt- Arbeitsteams mit engen zeitlichen Vorga- nis psychischer Belastungen gezielt ben in Kombination mit hohem Leistungs- Die Betrachtung dieser Phasen in Orga- die Arbeitsbedingungen zu identifizieren, druck und fehlenden sozialen Ressourcen nisationen führt zwangsläufig zu der Fra- die mit einem erhöhten Burnoutrisiko in theoretisch angenommen wird. Kritisch ge, ob die Mitglieder eines Teams als Per- Zusammenhang stehen. muss an dieser Stelle geprüft werden, ob son ein Risikofaktor für das Auftreten von Burnout darstellen oder ob es eher Maß- nahmen der Organisations- und Personal- Tabelle 1: Phasenverlauf für Gruppenburnout entwicklung (zum Beispiel Gesundheits- Phase Merkmale Ergebnis Intervention zirkel, Supervision, Coaching) sind, die geeignete Instrumente zur Vermeidung Enthusiasmus Zahlreiche Ideen, Vereinbarung sind Anerkennung aufbau- des Gruppenburnouts bewirken. Zusätz- Idealismus, Visionen nicht vorhanden en, Visionen zulassen lich können sicher individuellen Faktoren Überforderung Keine Abstimmung Methoden- und Vertrauensklima wie die Neigung zu hoher Leistungsbereit- untereinander, Grundsatzdiskussion schaffen schaft, Hang zu Perfektionismus und ho- übersteigerte Ver- ausgabungsneigung, he Wettbewerbsorientierung verstärkend Selbstausbeutung auf der Personenebene wirken. Bezogen auf die aktuelle Wertigkeit von Erwerbs- Schuldsuche Auseinandersetzung Keine Bereitschaft Arbeit auf mit der inneren zur „Innenschau“ Beziehungsebene, arbeit sind dies jedoch genau die Eigen- Beschaffenheit der erste Supervisions- schaften, die in den vergangenen Jahren Gruppe vermieden angebote durch Unternehmen gefördert wurden. Angestrengtheit Probleme beim Teile der Arbeits- Übernahme von „Kundenkontakt“, gruppe realisieren Verantwortung Aspekte des Berufslebens – Depersonalisation das Scheitern ein strukturierter Rahmen Quelle: Gabriele Buruck, Adaption nach Sanz, 2008 und Zynismus (Individualburnout) Zur näheren Erforschung der drei Burn- Misserfolg Arbeitsfähigkeit be- Mobbing, Konfliktmanagement outkomponenten (Erschöpfung, Zynis- droht, Qualitäts- und Spaltung in mus, Ineffektivität) identifizierten Leiter & Quantitätsverluste Subgruppen Maslach (2004) sechs Aspekte des Berufs- Hilflosigkeit Gruppe wirkt kraftlos, Fluktuation oder Keine Individual- lebens, die als zentrale Einflussgrößen für Servicequalität auf ein innere Kündigung lösungen, die Entwicklung von Burnout angesehen Minimum gesunken Gruppenarbeit werden können (siehe Abbildung 1). Die Erschöpfung Keine Gruppe mehr Umstrukturierung Stabilisierung Aspekte Arbeitsmenge und -intensität, vorhanden oder Auflösung der von außen, Spielräume / Kontrolle, Anerkennung, Gruppe Aufgaben auslagern Gemeinschaftsgefühl, Gerechtigkeit / Fair- 18 · DGUV Forum 6/11
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