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Parissa Chokrai, Immo Fritsche und Annedore Hoppe Das Ich und das Wir im Naturschutz Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Naturbewusstseinsstudie 2017 zur Förderung individuellen und kollektiven Naturschutzhandelns BfN-Skripten 620 2022
Das Ich und das Wir im Naturschutz Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Naturbewusstseinsstudie 2017 für die Förderung individuellen und kollektiven Naturschutzhandelns Ergebnisse aus dem F+E-Vorhaben „Vertiefende Analysen des Naturbewusstseins in Deutschland: Vertiefungsbericht zur Erhebung 2017 und Re-Analyse des Datenbestandes“ (FKZ 3516 81 020A) Parissa Chokrai Immo Fritsche Annedore Hoppe
Titelbild: Klimastreik (gemeinfreies Bild via unsplash.com, Fotograf: Nico Roicke, lizensiert unter Creative Commons CC0) Adressen der Autorinnen und des Autors: Parissa Chokrai Universität Leipzig Prof. Dr. Immo Fritsche Institut für Psychologie Dr. Annedore Hoppe Professur für Sozialpsychologie Neumarkt 9-19, 04109 Leipzig E-Mail: parissa.chokrai@uni-leipzig.de immo.fritsche@uni-leipzig.de annedore.hoppe@uni-leipzig.de Fachbetreuung im BfN: Dr. Andreas Wilhelm Mues Fachgebiet I 2.2 „Naturschutz, Gesellschaft und soziale Fragen“ Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) (FKZ: 3516 81 020A). Diese Veröffentlichung wird aufgenommen in die Literaturdatenbank „DNL-online“ (www.dnl-online.de). BfN-Skripten sind nicht im Buchhandel erhältlich. Eine pdf-Version dieser Ausgabe kann unter https://www.bfn.de/publikationen heruntergeladen werden. Institutioneller Herausgeber: Bundesamt für Naturschutz Konstantinstr. 110 53179 Bonn URL: www.bfn.de Der institutionelle Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständig- keit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die in den Beiträgen geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen des institutionellen Herausgebers übereinstimmen. Diese Schriftenreihe wird unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz Namens- nennung – keine Bearbeitung 4.0 International (CC BY - ND 4.0) zur Verfügung gestellt (https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/deed.de). Druck: Druckerei des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucher- schutz (BMUV). Gedruckt auf 100% Altpapier ISBN 978-3-89624-381-2 DOI 10.19217/skr620 Bonn 2022
Inhalt Zusammenfassung: Die wichtigsten Ergebnisse .............................................................. 4 Empfehlung für die Naturschutzpraxis .............................................................................. 6 Identifikation mit sozialen Gruppen .................................................................................... 7 Förderung von Naturschutzorganisationen mit Identifikationspotenzial .......................................... 8 Sichtbarmachen kollektiver Handlungsgemeinschaften in gesellschaftlichen Gruppen ................. 8 Kollektive Naturschutznormen und -ziele ........................................................................... 9 Soziale Normen als Mittel zur Verhaltensänderung ...................................................................... 10 Etablierung sozialer Normen innerhalb der Gesellschaft .............................................................. 10 Kollektive Wirksamkeit ......................................................................................................11 1 Einführung .......................................................................................................................14 Kausalfaktoren des Naturschutzhandelns .........................................................................15 Personale Faktoren ...................................................................................................................... 15 Kollektive Faktoren ....................................................................................................................... 15 Struktur des Berichts.........................................................................................................17 2 Theoretischer Hintergrund .............................................................................................18 Das Social Identity Model of Pro-Environmental Action (SIMPEA) ....................................20 3 Methoden .........................................................................................................................24 Stichprobe und Durchführung ...........................................................................................24 Messinstrumente ..............................................................................................................24 4 Ergebnisse .......................................................................................................................30 Deskriptive Statistiken.......................................................................................................30 Zwischenfazit ................................................................................................................................. 39 Unterschiede zwischen Regionalem und Globalem Naturschutz.......................................40 Unterschiedliche regionale vs. globale Problemwahrnehmungen ................................................ 41 Geringere Handlungsfähigkeit auf regionaler Ebene? ................................................................. 42 Kausalanalyse: Welche Faktoren treiben Handeln an? .....................................................42 Korrelationsanalysen ..................................................................................................................... 44 5 Interpretation und Implikation ........................................................................................49 Das Zusammenwirken kollektiver und personaler Kausalfaktoren.....................................50 Integriertes Modell ............................................................................................................51 6 Literatur............................................................................................................................53 3
Zusammenfassung: Die wichtigsten Ergebnisse Im Rahmen einer Vertiefungsanalyse der Naturbewusstseinsstudie 2017 (BMU/BfN 2018) wurden erstmalig systematisch und theoriegeleitet die psychologischen Kausalfaktoren per- sönlichen („Ich“) und gemeinschaftlichen („Wir“) Naturschutzhandelns untersucht. Zudem wur- den die Teilnehmenden der Studie zufällig einer von zwei Befragungsgruppen zugeordnet: Die eine wurde mit dem Fokus regionaler Naturschutz und die andere Gruppe mit dem Fokus weltweiter Naturschutz befragt. Die Ergebnisse bieten wichtige Erkenntnisse für die Kommu- nikations- und Bildungsarbeit sowie für die Gewinnung ehrenamtlicher und politischer Unter- stützung im Naturschutz. • Die Analyse macht deutlich, dass sowohl Faktoren des persönlich-individuellen als auch des kollektiven Denkens und Erlebens mit Naturschutzintentionen und persönlichem Han- deln in Beziehung stehen. Relevant sind hierbei einerseits persönliche Einstellungen (z. B. Kosten-Nutzen-Erwartungen), persönliches Problembewusstsein (Gefährdung der Natur) sowie ein Gefühl, persönlich verpflichtet zu sein, die Natur zu schützen. Andererseits geht erhöhtes Naturschutzhandeln damit einher, dass Menschen in ihrem selbstrelevanten so- zialen Umfeld dieses Handeln als praktiziert und erwünscht erleben. Sie nehmen wahr, gemeinschaftlich tatsächlich etwas Wirksames zum Naturschutz beitragen zu können und identifizieren sich mit eigenen Gemeinschaften, deren Natur als bedroht erscheint (z. B. die eigene Region oder die Menschheit). Diese Befunde zeigen sich sowohl in der Gruppe der Befragten, die zum Schutz der weltweiten Natur befragt wurde, als auch in der Gruppe, die zum Schutz der regionalen Natur befragt wurde. • Interessanterweise waren zahlreiche Kausalfaktoren bei jenen Personen signifikant höher ausgeprägt, die per Zufallsauswahl zum globalen Naturschutz befragt wurden als bei den Personen, die zum regionalen Naturschutz befragt wurden. Dies trifft sowohl auf persönli- che Faktoren (Problemwahrnehmung, Einstellung, persönliches Verpflichtungsgefühl) wie auch kollektive Faktoren (kollektive Wirksamkeit) zu. Dies deutet darauf hin, dass Perso- nen globale Naturschutzthemen und Handlungsbedarfe eher wahrnehmen als regionale Naturschutzthemen. Daher ist es für den Erfolg des Naturschutzes vor Ort unabdingbar, auch die Naturschutzprobleme und Naturschutzpotenziale im regionalen Nahbereich der Menschen zu kommunizieren. • In einer Teilerhebung wurde die Bereitschaft zur Vermeidung von Plastik im Haushalt un- tersucht. Diese bestätigt den Einfluss der Faktoren kollektiven Denkens. • Erstmals wurden im Rahmen der Naturbewusstseinsstudie 2017 nicht nur Intentionen na- turfreundlichen Handelns erfasst, sondern ebenfalls Indikatoren tatsächlichen Verhaltens. Die Resultate gelten für beide Variablen (regionale bzw. globale Perspektive). Sie zeigen, dass die Befragten mit stark ausgeprägten persönlichen und kollektiven naturfreundlichen 4
Kausalfaktoren sich nicht nur vornahmen, zum Naturschutz beizutragen, sondern dies in der Untersuchungssituation auch tatsächlich in verstärktem Ausmaß taten. Dies spricht für die Validität der kausalanalytischen Befunde. • Weiterführende empirische und theoretische Analysen zum Zusammenwirken personaler und kollektiver Faktoren zur Erklärung des Naturschutzhandelns legen nahe, dass gemein- schaftliche Wahrnehmungen und Einschätzungen (Normen und kollektive Wirksamkeit) Naturschutzhandeln nicht nur direkt beeinflussen, sondern auch indirekt, weil sie persönli- che Verpflichtungsgefühle, sich im Naturschutz zu engagieren, erhöhen. Durch Verände- rungen im kollektiven Denken bzw. durch den Wandel sozialer Naturschutznormen und Wirksamkeitsüberzeugungen sollten demnach auch vermeintlich ganz persönliche Natur- schutzmotivationen zunehmen. 5
Empfehlung für die Naturschutzpraxis Auf Grundlage der vertiefenden Analysen der Naturbewusstseinsstudie 2017 empfehlen wir, in der Kommunikations- und Bildungsarbeit Faktoren kollektiven Naturschutzdenkens (z. B. die entscheidende Wirkung sozialer Normen) bewusster zu berücksichtigen. Nachfolgend wer- den Hinweise gegeben, wie diese Faktoren gezielt gefördert und gestärkt werden können. In der Vergangenheit wurde das Naturschutzhandeln von Menschen häufig als individuelles Entscheidungsproblem begriffen, das im Wesentlichen durch persönliche Kosten-Nutzen- Überlegungen und persönliche Ethik bestimmt ist. Jüngere umweltpsychologische Arbeiten (Fielding & Hornsey, 2016; Fritsche et al., 2018a) und die vorliegenden Ergebnisse der Natur- bewusstseinsstudie 2017 sprechen dafür, dass diese Perspektive unvollständig und in Teilen irreführend ist. Stattdessen kann das Naturschutzverhalten Einzelner nur dann vollständig ver- standen werden, wenn es als Ausdruck kollektiven Handelns begriffen wird. Dem Handeln einzelner Menschen fehlt oft die Durchschlagskraft, Einfluss auf den großräu- migen – teils globalen – Naturzustands zu nehmen. Daraus resultierende persönliche Hilflo- sigkeitswahrnehmungen angesichts großräumig wahrgenommener Naturzerstörungen kön- nen dazu führen, persönliches Handeln zu blockieren. Erst kollektive Verhaltensänderungen oder Anstrengungen können erkennbare Spuren hinterlassen. Das eigene Handeln als Teil einer kollektiven Bewegung zu verstehen, kann dazu beitragen, persönliche Hilflosigkeit und Handlungshemmungen aufzulösen und Menschen zu motivieren, in ihrem Alltagshandeln und ihren politischen Aktivitäten zum Schutz der Natur beizutragen. Außerdem sollte das Framing kollektiven Naturschutzhandelns persönliche Befürchtungen reduzieren, dass andere nicht in gleicher Weise zum Naturschutz beitragen und die eigenen Bemühungen daher in ungerechter Weise ausnutzen könnten (Trittbrettfahren im Gemeingutdilemma). Die Naturschutzakteure sollten es deshalb Menschen ermöglichen, sich selbst als Teil eines naturfreundlichen und handlungsfähigen „Wir“ (soziale Identität) zu verstehen. Diese Perspektive eröffnet neue Möglichkeiten der Unterstützung naturschützenden Alltags- handelns und Etablierung naturfreundlicher politischer Agenden. Im Folgenden werden wir an- hand konkreter Beispiele erläutern, wie Naturschutzpraktiker*innen von den Einsichten dieses Ansatzes sozialer Identität profitieren können. Neben konkreten Anregungen zu effektiven Maßnahmen geht es hierbei ebenfalls darum, die eigenen „naiven“ Alltagsannahmen darüber, was menschliches Verhalten im Alltag lenkt, kritisch zu hinterfragen. Studien zeigen, dass Fak- toren kollektiven Denkens hier in aller Regel deutlich unterschätzt (Nolan et al., 2008) oder sogar vollständig ausgeblendet (Barth et al., 2016) werden. Beispielsweise waren Teilneh- mende einer Studie zum Stromsparen (Nolan et al., 2008) davon überzeugt, dass sich ihr per- sönliches Stromsparverhalten vor allem durch Hinweise auf persönliche finanzielle Vorteile oder mögliche Umweltschutzeffekte beeinflussen ließe. Tatsächlich jedoch war ein Hinweis 6
auf eine lokale Energiesparnorm am wirksamsten, dass nämlich die große Mehrheit der Men- schen in der Gemeinde bereits Strom einspare. In einer anderen Studie zur Nutzung von Elekt- rofahrzeugen (Barth et al., 2016) zeigte sich, dass selbst Kommunikationsprofis und Umwelt- lobbyisten die hohe Relevanz von Faktoren kollektiven Denkens für Umwelthandeln häufig fälschlicherweise ausblenden und sich darin von Laien nicht unterscheiden. Die Faktoren kol- lektiver Naturschutzmotivation mitzudenken und in Interventionshandeln zu übersetzen, ist da- her eine „kleine Revolution“ und birgt bislang ungenutzte Potenziale für die Naturschutzpraxis. Es sind insbesondere drei Faktoren, von denen die kollektive Naturschutzmotivation einzelner Menschen abhängt: a. Identifikation mit einem Kollektiv bzw. einer sozialen Eigengruppe, b. Wahrnehmung einer naturschutzfreundlichen sozialen Norm innerhalb dieser Gruppe und c. die Einschätzung, dass diese Gruppe gemeinschaftlich handlungsfähig ist. Wie auch die oben berichteten Ergebnisse zeigen, kann sich kollektive Naturschutzmotivation im Rahmen ganz unterschiedlicher Eigengruppen entwickeln. Dies können großräumige Gruppen sein, die sich nicht auf persönlicher Bekanntschaft oder face-to-face-Interaktion gründen, sondern einfach nur darauf, dass Menschen sich zugehörig fühlen und die Gruppe als wertvoll und in irgendei- ner Form handlungsfähig erleben (z. B. Menschen meiner Region, meines Landes, meiner Generation, aber auch „die Menschheit“; vgl. Fritsche et al., 2018). Eine grundsätzlich ver- gleichbare – und vielleicht sogar intensivere – Wirkung sollten naturschutzbezogene Klein- gruppen (z. B. lokale Bürgerinitiativen und Nachhaltigkeitsgruppen) für die Naturschutzmotiva- tion einzelner Mitglieder entfalten (Bamberg et al., 2015). Im Folgenden diskutieren wir entlang der drei zentralen Kausalfaktoren (kollektive Identifika- tion, Normen und Wirksamkeit), inwiefern Prozesse des kollektiven Denkens in der Natur- schutzpraxis Beachtung finden bzw. in wirksame Maßnahmen überführt werden können. Identifikation mit sozialen Gruppen Soziale Identitäten sind die Grundlage kollektiven Handelns. Wenn Menschen sich mit einer Gruppe identifizieren, steigt ihre Bereitschaft, im Sinne der Gruppe zu denken und zu handeln. Mehr noch: Kollektives Denken und Handeln wird dann zum Ausdruck des eigenen Selbst. Wenn es stimmt, dass wirksames Naturschutzhandeln in der Regel nur als kollektives Handeln vorstellbar ist, sollten Interventionsprogramme zur Stärkung des Naturschutzes immer berück- sichtigen, mit welchen Gruppen sich Zielpersonen identifizieren oder gegebenenfalls sogar die Identifikation mit bestimmten Gruppen fördern. 7
Förderung von Naturschutzorganisationen mit Identifikationspotenzial Es gibt zahlreiche Beispiele für Gruppen oder soziale Kategorien, die in direkter Weise mit Naturschutzhandeln assoziiert werden. Hierzu zählen beispielsweise die Mitglieder lokaler Na- turschutzverbände bzw. -gruppen. Menschen, die sich mit einem solchen Verband oder einer derartigen Gruppe hoch identifizieren, sollten auch in erhöhtem Maße vorhaben, die Natur zu schützen oder die Naturschutzpolitik zu befürworten. Die Förderung derartiger Zusammen- schlüsse stellt deshalb nicht nur eine nachhaltige Intervention dar, um konkrete Naturschutz- vorhaben vor Ort zu unterstützen, sondern hat gleichfalls indirekte Effekte auf die Förderung generalisierten naturfreundlichen Handelns. Diese indirekten Effekte sind zu erwarten, da Mit- glieder und Sympathisant*innen von Naturschutzverbände bzw. -gruppen verstärkt sozialen Netzwerken ausgesetzt sind, in denen Naturschutz die Norm darstellt und die Wahrnehmung kollektiver Wirksamkeit in der Regel hoch ist. Insbesondere die Förderung kleinerer, lokaler Initiativen, in denen Mitglieder von Angesicht zu Angesicht zusammenarbeiten ist hierbei zu empfehlen. Denn diese Gruppen haben in der Re- gel für einzelne Menschen höhere Bindungskraft und können von hoher Alltagsbedeutung sein. Es kommt nämlich nicht nur darauf an, in einem Naturschutzverband bzw. einer Natur- schutzgruppe Mitglied zu sein, sondern auch im Alltag häufig daran erinnert zu werden. Grup- penmitgliedschaften haben Menschen schließlich viele. Aber jeden Samstag einen innerstäd- tischen Gemeinschaftsgarten offen zu halten, nach einem vereinbarten Plan Vögel in der Nachbarschaft zu zählen oder auch freitags gemeinsam mit anderen Schülerinnen und Schü- lern öffentlich zu protestieren, erhöht deutlich die Selbstrelevanz solcher Gruppen („Ich bin Naturschützer*in!“). Sichtbarmachen kollektiver Handlungsgemeinschaften in gesellschaftlichen Gruppen Obwohl die Mitgliedschaft in lokalen Initiativen, Vereinen und Gruppen sicherlich den Königs- weg zur kollektiven Naturschutzidentität darstellt, kann es auch sinnvoll sein, auf der Ebene gesellschaftlicher Gruppen oder „sozialer Kategorien“ anzusetzen. Wenn Menschen wahrneh- men, dass sie zu einem Personenkreis gehören, der ein besonderes Interesse und auch eine hohe Wirkmacht im Naturschutz hat, hat dies ebenfalls einen förderlichen Effekt auf persönli- ches Naturschutzhandeln und die Befürwortung naturverträglicher politischer Agenden. Beispiele für solche „Großgruppen“, die im Wesentlichen aus Selbstzuordnung und Identifika- tion ihrer Mitglieder bestehen, sind Bevölkerungen von Regionen, ideologisch-politische Grup- pen, Geschlechter oder auch Generationen. Diese „sozialen Eigengruppen“ werden im Alltag insbesondere dann sichtbar, wenn Menschen sich auf Grundlage dieser sozialen Kategorien mit anderen vergleichen. So fällt die nationale Zugehörigkeit insbesondere bei internationalen Ereignissen wie Fußballweltmeisterschaften, der Berichterstattung über weltweite Vergleichs- 8
statistiken oder auch Begegnungen mit Nicht-Deutschen auf und wird psychologisch für Men- schen relevant. Eine andere Quelle von Gruppenzugehörigkeit ist hierbei das Erkennen ge- meinsamer Interessen und Handlungsweisen, die die wahrgenommene Ähnlichkeit innerhalb dieser Gruppen erhöhen und damit ihre Erkennbarkeit und Selbstrelevanz. Gleichzeitig kön- nen hierbei für Mitglieder solcher Gruppen gemeinsame Leitlinien und Ziele (soziale Normen und Handlungsfähigkeit) erkennbar werden. Naturschutzrelevant sind solche Großgruppen dann, wenn deutlich wird, dass sie in gemein- samer Weise von Naturschutzproblemen betroffen sind und sich darin von anderen Gruppen unterscheiden, d. h. „distinkt“ sind. Ebenfalls kann sich eine Relevanz dadurch ergeben, dass den Mitgliedern ins Auge fällt, dass Naturschutz zu ihrem „Markenkern“ gehört. Beispielsweise wurden in einer experimentellen Studie der Universität von Exeter im Vereinigten Königreich Menschen gebeten, anzugeben, in welchem Ausmaß Umweltschutz für sie einen wichtigen persönlichen Wert darstellt (Rabinovich et al., 2012). Interessanterweise war Umweltschutz jenen Befragten besonders wichtig, die zuvor die Aufgabe hatten, über Unterschiede zwischen den USA und Großbritannien nachzudenken. Personen, die nur über Besonderheiten Groß- britanniens oder Unterschiede zwischen Großbritannien und Schweden nachdenken sollten, fanden Umweltschutz persönlich deutlich weniger wertvoll. Faszinierenderweise veränderte diese einfache Vergleichsaufgabe auch das tatsächliche Umweltverhalten der Versuchsper- sonen im Labor: Nach dem Vergleich mit den USA nahmen die Teilnehmenden signifikant häufiger Informationsbroschüren zum Klimaschutz mit nach Hause und unterzeichneten häu- figer eine Klimaschutzpetition an ihren lokalen Parlamentsabgeordneten. Diese Befunde un- terstreichen die Rolle sozialer Kontexte, die sich – je nach Vergleichsdimension – entweder hemmend oder förderlich auf das Naturschutzverhalten auswirken. Dabei zeigt die Studie, dass bereits geringe Veränderungen (Abwärtsvergleich mit den USA) eine Verhaltensände- rung bewirken können (Rabinovich et al., 2012), indem die eigene Gruppe im Vergleich zur Fremdgruppe als naturfreundlicher dargestellt wird. Genau hier liegt ein nicht zu unterschät- zendes Potenzial, Menschen über ihre Zugehörigkeit zu einem Kollektiv und im Kollektiv (und damit äußerst wirksam), zu mehr Naturschutzengagement zu motivieren. Kollektive Naturschutznormen und -ziele Der zuvor beschriebene Vergleich mit einer weniger naturfreundlichen Gruppe (den USA) im- pliziert, dass die Identifikation mit einer Gruppe alleine nicht hinreichend ist, um Naturschutz- handeln zu fördern. Darüber hinaus müssen auch entsprechende soziale Umweltnormen in- nerhalb der Gruppe bestehen und im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Diese Annahme wird durch experimentelle Studien gestützt, in denen Studierende dann eine erhöhte Präferenz für den Kauf von Biolebensmitteln zeigten, wenn ihnen eine zuvor vorgelegte Umfrage anzeigte, 9
dass eine deutliche Mehrheit ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen ebenfalls Biolebensmit- tel bevorzugte, und sie sich sehr stark mit ihrer Eigengruppe identifizierten. Im Falle einer schwach ausgeprägten Norm für den Kauf von Biolebensmitteln war – trotz hoher Identifikation mit der Gruppe der Studierenden – die Kaufintention für diese Produkte gering (Masson & Fritsche, 2014). Soziale Normen als Mittel zur Verhaltensänderung Zu den am häufigsten angewendeten Ansätzen zur Verhaltensänderung gehören solche, bei denen soziale Normen sowohl Informationen als auch Feedback zu bestimmten Verhaltens- weisen bereitstellen (Abrahamse & Steg, 2013). Dabei sind es vor allem deskriptive Normen (was andere tatsächlich tun), die im Rahmen von Interventionen ins Bewusstsein gerufen wer- den sollten, um Menschen zu mehr Naturschutz zu motivieren. So zeigten Goldstein et al. (2008), dass das alleinige Wissen um die Bedeutung von Umweltschutz Hotelgäste weniger motivierte, ein Handtuch mehrfach zu nutzen, als wenn zusätzlich die Information gegeben wurde, dass Gäste dieses Hotels ganz generell in der Vergangenheit ihre Handtücher mehr- fach nutzten. Die Bereitschaft dazu war sogar noch höher, wenn zusätzlich mitgeteilt wurde, dass Gäste, die zuvor dasselbe Zimmer gebucht hatten, ihr Handtuch in der Regel wiederver- wendeten. Darüber hinaus konnte eine andere Interventionsstudie zeigen, dass sowohl positives indivi- duelles Feedback als auch Gruppenfeedback das Recyclingverhalten von Anwohner*innen erhöhen konnte. Zumindest gilt das für diejenigen, die ihre Abfälle zuvor kaum recycelten (Schultz, 1999). Auch subjektive Normen („Welches Verhalten erwarten wichtige Bezugsper- sonen von mir?“) können sozialen Einfluss ausüben (Ajzen & Madden, 1986). In Institutionen oder Organisationen beispielsweise, in denen Führungskräfte als Vorbilder für umweltfreund- liches Verhalten gelten (Nutzung eines Dienstrades statt -wagens, Dienstreisen mit dem Zug statt Flugzeug, etc.) kann ein entsprechender Erwartungsdruck (im besten Fall jedoch intrinsi- sche Motivation) bei den Mitarbeitenden entstehen, sich ebenfalls umweltverträglich zu ver- halten. Etablierung sozialer Normen innerhalb der Gesellschaft Das Setzen neuer Normen kann insbesondere in solchen Lebens- und Verhaltensbereichen unterstützend wirken, in denen sich noch keine (deskriptiven) Normen etablieren konnten, bei- spielsweise beim Umgang mit technologisch-ökologischen Innovationen. So fallen in Norwe- gen beim Kauf eines Elektro-Autos die Kfz- und Mehrwertsteuer weg, die Anschaffungskosten vieler E-Autos sind günstiger und Elektrofahrzeuge genießen zudem das Privileg, die Spuren von Bussen und Taxis nutzen zu dürfen. Daraus resultierte in Norwegen ein wahrnehmbarer 10
Trend zur verstärkten Nutzung von Elektomobilität als deskriptive Norm. Gleichzeitig signali- sierten diese Regeln die präskriptive Norm, „E-Autofahrer*innen haben Vorfahrt“ (Krüger, 2019). Andererseits kann auch das Einstellen von Subventionen für klimaschädliche Verhal- tensweisen und Produkte (Agrarsubventionen, Atomenergie, Kohle; UBA, 2017) sichtbare Ver- haltensänderungen sowie entsprechende Verhaltensnormen befördern. Im Rahmen von Interventionen sollte darauf geachtet werden, dass Normen klar und eindeutig kommuniziert werden. Statt festzustellen, dass öffentliche Verkehrsmittel umweltfreundlich sind, bisher aber nur von einer Minderheit genutzt werden, sollte stärker betont werden, dass zunehmend mehr Menschen öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Soziale Normen können jedoch – wie weiter oben bereits angedeutet – auch unabhängig von sozialer Identifikation Einfluss auf das Verhalten haben. So regulieren Gesetze das Verhalten von Menschen, indem unerwünschte Handlungen mit negativen Sanktionen belegt werden oder wünschenswertes Verhalten mit Privilegien belohnt wird. Das Beispiel Elektromobilität in Norwegen veranschaulicht, wie ein Staat durch positive Anreize die Bürger*innen zu alltags- relevantem pro-ökologischem Handeln motivieren kann. In Baden-Württemberg trat im De- zember 2018 ein neuer Bußgeldkatalog mit deutlich empfindlicheren Strafen für Umweltsün- den in Kraft (z. B. Wegwerfen oder Liegenlassen von Glasflaschen 800 Euro statt bisher 100 Euro). Ziel ist es, auf diesem Wege das Bewusstsein der Menschen für den Schutz der Umwelt verhaltenswirksam zu erhöhen (Pressemitteilung Ministerium für Umwelt, Klima und Energie- wirtschaft Baden-Württemberg, 30.11.2018). Soziale Normen wirken nicht nur verhaltenswirksam durch die Vermittlung von Informationen und Feedback, die Menschen eine Orientierung und Sicherheit für das eigene Verhalten ge- ben, sondern werden darüber hinaus auch als Indikatoren kollektiver Wirksamkeit der betref- fenden Gruppe wahrgenommen. Kollektive Wirksamkeit Menschen sollten vor allem dann motiviert sein, sich für Naturschutz einzusetzen, wenn sie der Überzeugung sind, dass ihr Handeln tatsächlich etwas bewirken kann. So z. B., dass durch ihre Teilnahme an einer Umweltbewegung genügend politischer Druck für eine bessere Klimapolitik ausgeübt wird oder durch einen konsequent sparsamen Lebensstil die Ressour- cen wirksam geschont werden können (Fritsche et al., 2018; Mummendey et al., 1999; van Zomeren et al., 2008). Soziale Normen und Ziele einer Gruppe sollten dementsprechend vor allem dann verfolgt wer- den, wenn die Mitglieder die Ziele auch für erreichbar halten. Je höher die Wahrnehmung, wirksam gegen die Klimakrise vorgehen zu können, desto höher sollte auch die Bereitschaft sein, sich zu engagieren. Bamberg et al. (2015) konnten außerdem nachweisen, dass der 11
Effekt wahrgenommener kollektiver Wirksamkeit teilweise über die Identifikation mit der Gruppe vermittelt wurde. Dies bedeutet, dass beispielsweise eine örtliche Naturschutzgruppe insbesondere dann größere Bindungskraft unter ihren Mitgliedern entfalten kann, wenn ihre kollektive Wirksamkeit deutlich wird. Dies kann beispielsweise durch Hinweise auf erfolgreiche gemeinschaftliche Aktionen in der Vergangenheit (ggf. auch durch ähnliche Gruppen) oder auch bereits durch die Kommunikation gemeinschaftlich geteilter Ziele geschehen. Feedback über den Erfolg persönlicher oder kollektiver Naturschutzanstrengungen spielt eine wesentliche Rolle für die Entwicklung von Wirksamkeitsüberzeugungen, weil es das Verhalten (z. B. Licht ausschalten) mit den Outcomes (z. B. Energie sparen) verbindet (Abrahamse & Steg, 2013). Auf diese Weise können auch Gefühle der Selbstwirksamkeit gefördert werden (Bandura, 1997) und zwar sowohl auf persönlicher („Ich kann etwas zum Naturschutz beitra- gen!“) als auch auf Gruppenebene („Wir können etwas zum Naturschutz beitragen!“). In einer experimentellen Studie, in der die Teilnehmenden einen Text lasen, in dem die eigene Gruppe (Generation U 30) in Bezug auf effektiven Umweltschutz entweder als handlungsfähig oder unfähig dargestellt wurde, zeigte sich, dass die Wahrnehmung von kollektiver Wirksamkeit nicht nur die Umweltintention, sondern auch die wahrgenommene persönliche Selbstwirksam- keit erhöhte (Jugert et al., 2016). Fritsche et al. (2018a) erklären diesen Effekt so, dass kollek- tive Wirksamkeitswahrnehmungen offenbar die persönliche Hilflosigkeit gegenüber Umweltkri- sen reduzieren und damit persönliches Umwelthandeln wahrscheinlicher machen. Für die politische Agenda lässt sich daraus ableiten, bei der Ankündigung zukünftiger Maß- nahmen oder im Rahmen von Interventionen, einerseits die Notwendigkeit gemeinsamen Han- delns zu betonen und dabei andererseits die Handlungswirksamkeit der eigenen Gruppe oder Gemeinschaft herauszustellen. Der Bezug auf vergangene erfolgreiche, kollektive Anstren- gungen kann das Vertrauen in die kollektive Wirksamkeit noch zusätzlich stärken. Die interna- tionalen Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht (Montrealer Protokoll) sind eine solche Er- folgsgeschichte. Wie wirksam kollektives Handeln auch für den Schutz der Natur sein kann, zeigen folgende Beispiele. Jüngst erreichte ein Volksbegehren zum Artenschutz im Freistaat Bayern mit 18,3 % Zustimmung der Wahlberechtigten (Bayerisches Landesamt für Statistik, 2019) einen bundesweit beachteten Erfolg. Der Bayerische Landtag ist inzwischen einer Emp- fehlung der Staatsregierung, das Volksbegehren zu übernehmen, gefolgt. Dadurch konnte die Regierung zwar fürs erste einen Volksentscheid verhindern. Allerdings hat die Bürgerinitiative auch gezeigt, welch enormen politischen Druck sie ausüben kann und möglicherweise auch wieder ausüben wird, sollten durch die Politik lediglich halbherzige Maßnahmen zum Arten- schutz folgen. Ein weiteres beeindruckendes Phänomen kollektiver Wirksamkeit ist die inzwischen in über 125 Staaten und auf allen sieben Kontinenten aktive Klimabewegung „Fridays For Future“, die 12
in nur wenigen Monaten ein großflächiges Bewusstsein für die akute globale Klimakrise schaf- fen konnte. Laut einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen (2019) wird der Klimawandel von der in Deutschland lebenden Bevölkerung mittlerweile (und zum ersten Mal überhaupt) als eines der dringlichsten politischen Probleme gesehen. Auch auf Verhaltensebene bewirken die Akteure Veränderungen, indem sukzessive Handlungswissen aufbereitet und weitergege- ben wird, das Einzelne befähigt, den eigenen Alltag umweltfreundlicher zu gestalten. Daneben finden weltweit regelmäßige Müllsammelaktionen statt, um die Natur auch vor der eigenen Haustür zu pflegen. Neben der Sensibilisierung der Bevölkerung für den Klimaschutz konnte „Fridays For Future“ auch zahlreiche politischer Diskurse entfachen. So wurden (kurz vor der Europawahl 2019) Themen wie eine CO2-Steuer, ein vorzeitiger Kohleausstieg oder die Pari- ser Klimaschutzziele als wichtigste Forderungen in den Wahlprogrammen vieler politischer Parteien genannt. Derartige Beispiele kollektiver Wirksamkeit können sowohl individuelles Alltagshandeln als auch (weiteres) politisch-aktivistisches Handeln und die Unterstützung naturfreundlicher poli- tischer Programme motivieren. Tatsächlich weisen Befragungsergebnisse darauf hin, dass Umwelt- und Naturschutzthemen im (politischen) Denken der deutschen Bevölkerung aktuell eine Schlüsselstellung einnehmen. Das daraus resultierende politische Potenzial für die breite Unterstützung strukturell-gesetzlicher Veränderungen könnte sich als ein „game-changer“ für den Naturschutz erweisen. 13
1 Einführung Die Bedrohung der biologischen Natur und ihrer Vielfalt ist in der jüngsten Vergangen- heit zu Recht als globales Risiko in den Fokus der öffentlichen Debatte geraten. Für die meis- ten Menschen waren Naturbedrohungen in lokalem Maßstab bereits seit Beginn der Industri- alisierung fassbar. Mittlerweile wird die Zerstörung natürlicher Lebensräume und der Arten- rückgang jedoch als systemisches Risiko für das Überleben der Menschheit als Ganze disku- tiert (FAO, 2017; Rockström et al., 2009). Dies spiegelt sich beispielsweise in der umfänglichen Berichterstattung über das Insektensterben (Dirzo et al., 2014; Hallmann et al., 2017) oder den Gefahren von Plastikmüll für Meeresbewohner wider (Gall & Thompson, 2015; Laist, 1987). Tatsächlich werden globale Natur- und Umweltprobleme katastrophalen Ausmaßes zuneh- mend im Alltag sicht- und erfahrbar. So hat die langanhaltende Trockenheit des Jahres 2018 dem globalen Klimawandel ein lokales Gesicht gegeben (Jacob, 2009), und Autofahrerinnen und Autofahrern wird anhand ihrer fliegenfreien Windschutzscheibe im Sommer das Insekten- sterben vor Augen geführt (Mayer, 2018). In Befragungen rangiert die Angst vor zunehmenden Naturkatastrophen oder dramatischen Folgen des Klimawandels unter den wichtigsten Sorgen der Deutschen (RV-Versicherung, 2018). Gleichzeitig entsteht – insbesondere durch den ak- tuellen Diskurs zum Klimawandel und die angemahnte „Große Transformation“ (WBGU, 2011) – ein neues Gefühl der Dringlichkeit. Tatsächlich könnten sich Zeitfenster zum Gegensteuern in vielen Handlungsfeldern des Natur- und Umweltschutzes in absehbarer Zeit schließen. Das Bewusstsein über den bestehenden Handlungsbedarf ist also mehrheitlich in der Bevölkerung vorhanden. Bleibt die Frage, wer eigentlich handeln sollte und worin effektives Handeln beste- hen kann. Typischerweise kommen zwei Antworten in Frage: Zum einen könnten politische bzw. kollektive Akteure, wie Regierungen, aber auch Parteien oder Bewegungen die Rahmen- bedingungen für ökologiefreundliches Handeln schaffen, beispielsweise durch Gesetzesinitia- tiven oder Verteilung öffentlicher Mittel. Zum anderen könnten Einzelne ihr alltägliches Han- deln (z. B. im Konsum- oder Verkehrsbereich) naturfreundlich ausrichten. In der Naturbewusst- seinsstudie 2017 wurde untersucht, wovon es abhängt, dass Einzelne sich sowohl in ihrem Alltagshandeln als auch im Rahmen kollektiver Bewegungen für den Schutz der Natur enga- gieren und welches die wichtigsten Treiber und Barrieren naturfreundlichen Handelns sind. Die Frage nach den Antrieben natur- und umweltfreundlichen Handelns wird seit den 1970er Jahren unablässig gestellt. Insbesondere deshalb, weil die Aktivierung der oder des Einzelnen, insbesondere in demokratischen Gesellschaften, als das notwendige Nadelöhr erscheint, das eine Veränderung von Verhaltens- und Konsummustern passieren muss. Außerdem erhoffen sich Praktikerinnen und Praktiker im Natur- und Umweltschutz zu Recht Hinweise darauf, an welchen „Stellschrauben“ menschlichen Denkens denn zu drehen ist, um ökologisches Han- deln zu fördern. Ihnen geht es hierbei sowohl um die Nutzung von Angeboten (z. B. Biolebens- 14
mittel, ökologischer Fahrradtourismus, naturnahes Gärtnern) oder das Einhalten von Richtli- nien und Verboten im Alltagshandeln (z. B. Verwendung und Entsorgung umweltschädlicher Substanzen, Verhalten in Schutzgebieten) wie auch um die politische Akzeptanz von Natur- und Umweltschutzmaßnahmen oder kollektives Engagement (z. B. in Umweltorganisationen, Bürgerbegehren, etc.). Dieser Ergebnisbericht wendet sich daher nicht nur an die interessierte Öffentlichkeit und Wissenschaft, sondern insbesondere an Praktikerinnen und Praktiker, die sich von den Ergebnissen Anhaltspunkte für ihr Interventionshandeln erhoffen. Kausalfaktoren des Naturschutzhandelns Die Naturbewusstseinsstudie 2017 bietet einen in seinem inhaltlichen Auflösungsgrad bislang einmaligen Überblick über die Kausalfaktoren des Naturschutzhandelns. Dieser besondere Fokus hebt die 2017er-Studie von den seit dem Jahr 2009 im Zweijahresabstand durchgeführ- ten Repräsentativbefragungen der deutschen Wohnbevölkerung zu Meinungen und Überzeu- gungen zu Natur und Naturschutz ab. Personale Faktoren Grundlage ist hierbei zum einen die Einsicht, dass tatsächliches Alltagshandeln im Natur- schutz in der Regel nicht nur von Wissen, Werthaltungen und Einstellungen zur Natur abhängt. Diese sog. „Einstellungs-Verhaltensdiskrepanz“ (Ajzen & Fishbein, 1977; Bamberg & Möser, 2007; Hines et al., 1987; Kraus, 1995) ist wohl die größte Enttäuschung – aber auch die inte- ressanteste Erkenntnis – der Forschung zum Umweltbewusstsein. Für das Handeln von Men- schen ist also nicht nur wichtig, ob sie etwas grundsätzlich moralisch oder aus sonstigen Na- turschutzüberlegungen für geboten halten (Klöckner, 2013). Gleichzeitig darf ein solches Han- deln anderen moralischen oder persönlichen Zielen (z. B. Geldsparen, Bequemlichkeit, Ge- sundheitsschutz) nicht entgegenstehen. Ebenso müssen Personen der Überzeugung sein, die Handlung überhaupt ausführen bzw. ihre Handlungsziele (z. B. effektiver Artenschutz) auch erreichen zu können. Fehlt diese persönliche Selbstwirksamkeit, unterbleibt nicht nur persön- liches Handeln, sondern Personen nehmen sich noch nicht einmal mehr vor, etwas zu tun. Kollektive Faktoren Betrachtet man die hohe physikalische und soziale Komplexität und Dynamik globaler Natur- und Umweltprobleme, wie das Artensterben oder den Klimawandel, ist es nachvollziehbar, dass Menschen angesichts mangelnder individueller Handlungsmöglichkeiten häufig wie pa- ralysiert sind. Beobachtbare Verbesserungen in globalen Natur- und Umweltkrisen kann eine Einzelne oder ein Einzelner faktisch nicht erreichen. Der persönliche Verzicht auf Fernreisen, auf die Schillerlocke im Brötchen oder das Pflücken geschützter Pflanzenarten hat keinen für den Handelnden beobachtbaren Effekt auf die globale Erdmitteltemperatur, die Bestandsent- wicklung des Dornhais oder die Erhaltung eines Naturschutzgebiets. Veränderungen wirken 15
stets nur im Kollektiv. Wenn aber die Bevölkerungen ganzer Regionen, Generationen oder Interessengruppen ihre Verhaltens- und Konsummuster ändern, sind – auf mittlere Sicht – durchaus Effekte auf globale Umweltindikatoren zu erwarten. Aus diesem Grund sollten Men- schen insbesondere dann motiviert sein, naturfreundlich zu handeln, wenn sie ihr individuelles Verhalten als Teil kollektiven Handelns verstehen. Tatsächlich zeigt die psychologische Forschung, dass Menschen sich über weite Strecken des Alltags durchaus im Sinne relevanter – wenngleich wechselnder – Gruppenmitgliedschaften verhalten. So verändert sich das Denken und Verhalten von Personen, wenn unterschiedliche Gruppenzugehörigkeiten im Alltag relevant werden. Man denke nur an entsprechende Verän- derungen im Denk- und Verhaltensrepertoire eines fiktiven berufstätigen Vaters, der zu Ta- gesbeginn liebevoll die Schulkinder motiviert, tagsüber bei der Arbeit Autos verkauft und abends an der Sitzung des örtlichen Naturschutzvereins teilnimmt. Würde man diese Person bei der Ausübung ihres Berufs als Autohändler auf Umweltbelange, wie den Treibstoffver- brauch eines PKW ansprechen, sähe die Reaktion mutmaßlich anders aus, als wenn das glei- che Thema bei der Sitzung des Naturschutzvereins zur Sprache käme. Während der Treib- stoffverbrauch für den Autoverkäufer nur eines unter vielen Merkmalen, und daher nicht be- sonders wichtig wäre, würde der abendliche Naturschützer im Kreise seiner Gesinnungsge- nossinnen und -genossen die Entscheidung über einen eigenen Neuwagen in viel stärkerem Maße von dessen Verbrauch abhängig machen. Ob und wann Menschen im Sinne ihrer sozi- alen Identität, also einer bestimmten Vorstellung von „Wir“ auf die Welt blicken und in der Welt handeln, sollte insbesondere von drei Merkmalen abhängen (Fritsche et al., 2018a, 2018b): • Soziale Identifikation: Wie sehr definiert sich die Person über ihre Zugehörigkeit in der Gruppe? • Kollektive Norm: Wie sehr nimmt die Person wahr, dass Naturschutzhandeln innerhalb der Gruppe eine implizite oder explizite Regel oder das Handeln der Mehrheit darstellt? • Kollektive Wirksamkeit: Wie sehr nimmt die Person wahr, dass die Gruppe wirksam zum Naturschutz beitragen kann bzw. in diesem Bereich handlungsfähig ist? In 2017 wurden im Rahmen der Studienreihe Naturbewusstsein des Bundesamtes für Natur- schutz (BfN) und des Bundesumweltministeriums (BMU) 2.065 in Deutschland lebende Per- sonen sowohl hinsichtlich personaler als auch kollektiver Kausalfaktoren des Naturschutzhan- delns untersucht. Dazu gehören zum einen das persönliche Problembewusstsein, persönliche Einstellungen und moralische Verpflichtungswahrnehmungen („persönliche Norm“) und zum anderen kollektive Identifikation, wahrgenommene kollektive Norm und kollektive Wirksamkeit. Bei der kollektiven Bezugsgruppe handelte es sich – je nach Version des Fragebogens – ent- weder um die Menschen der eigenen Region oder um die gesamte Menschheit. Im vorliegen- den Bericht untersuchen wir sowohl die Ausprägung der Kausalfaktoren als auch deren Ein- fluss auf individuelle Verhaltensintentionen und tatsächliches Verhalten. Wir betrachten dabei 16
insbesondere die kollektiven Faktoren. Die Intentionen betreffen sowohl individuelles Alltags- handeln als auch die Bereitschaft an kollektiv-aktivistischen Handlungsformen teilzunehmen. Struktur des Berichts Wir informieren im Folgenden über die wesentlichen verhaltenswissenschaftlichen Ergebnisse der Naturbewusstseinsstudie 2017 und stellen anschließend deren anwendungsorientierte Im- plikationen dar. Die Basisdatenbroschüre „Naturbewusstsein 2017“ wurde im Sommer 2018 veröffentlicht und steht im Internet unter www.bfn.de/naturbewusstsein.html zum freien Abruf bereit. Der vorliegende Bericht stellt vertiefende wissenschaftliche Auswertungen zur Natur- bewusstseinsstudie 2017 vor. Wir wenden uns in diesem Bericht jedoch nicht nur an Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern auch an die interessierte Öffentlichkeit sowie ins- besondere an Naturschutzpraktikerinnen und -praktiker. Weiterführende wissenschaftliche Auswertungen werden parallel für die Publikation in internationalen Fachzeitschriften vorbe- reitet. Zunächst geben wir einige Hinweise zu den theoretischen Hintergründen der Studie, so dass deutlich wird, aus welchen bestehenden Erklärungsmodellen wir die erfassten Konstrukte abgeleitet haben. Danach folgen Details zum Aufbau der Studie. Anschließend stellen wir die wichtigsten Ergebnisse der Studie dar. Hierbei geht es uns um die Ausprägung der Kausalfaktoren und deren Einfluss auf die erfragten Verhaltensintentionen bzw. das in der Studie gezeigte Verhalten. Auch interessiert uns die relative Bedeutsamkeit von Faktoren des personalen („Ich“) gegenüber jenen des kollektiven („Wir“) Denkens. Schließlich präsentieren wir ein integriertes Modell, in dem erstmals personale und kollektive Wirkfaktoren pro-ökologischen Handelns innerhalb eines Modells in Beziehung gesetzt wer- den. 17
2 Theoretischer Hintergrund Die umweltpsychologische Forschung hat während der letzten vier Jahrzehnte ver- schiedene Modelle zur Erklärung von individuellen umweltschützenden Handlungsintentionen und tatsächlichem Umweltschutzverhalten vorgeschlagen. Dieses Wissen ist wertvoll, um die Effizienz von Interventionen zu maximieren, die darauf zielen, Umweltschutzverhalten sowohl im persönlichen als auch im politischen Alltag zu fördern. In ihrem umfassenden Modell haben Klöckner und Blöbaum (2010) drei der innerhalb der Umweltpsychologie am häufigsten ange- wandten Theorien zusammengefasst: Die Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991; Ajzen & Madden, 1986), das Norm-Aktivations-Modell (Schwartz & Howard, 1981; Schwartz, 1977) und die Value-Belief-Norm Theorie (Stern, 2000). Nach der Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991; Ajzen & Madden, 1986) haben Ver- haltensintentionen einen direkten Einfluss auf das Verhalten. Intentionen resultieren ihrerseits aus positiven Einstellungen (verstanden als positive Bewertung gegenüber einem Verhalten im Sinne einer persönlichen Kosten-Nutzen-Rechnung), einer hohen Verhaltenskontrolle (die Fähigkeit, ein bestimmtes Verhalten ausführen zu können) und subjektiven Normen (die wahr- genommene Erwartung seitens wichtiger Bezugspersonen ein bestimmtes Verhalten (nicht) zu zeigen). Menschen, die eine positive Einstellung zum Umweltschutz haben, also einen Nut- zen darin sehen (z. B. Erhalt der Existenzgrundlage für sich und ihre Nachkommen), deren relevante Bezugspersonen umweltfreundliches Verhalten wertschätzen und die zudem glau- ben, etwas zum Schutz der Umwelt beitragen zu können (Verhaltenskontrolle oder auch per- sönliche Selbstwirksamkeit), sollten demnach motiviert sein, die Umwelt zu schützen. Das Mo- dell konnte in vielen unterschiedlichen Bereichen und Kontexten empirisch bestätigt werden, wie im Zusammenhang mit Recycling (Oreg & Katz-Gerro, 2006), oder der Wahl von ökologi- schen Produkten (Chen & Peng, 2012; Tarkiainen & Sundqvist, 2005) und Lebensmitteln (Dean et al, 2012; Paul et al., 2016). Meta-analytische Studien zeigten, dass diese drei Vari- ablen – Einstellungen, Verhaltenskontrolle und subjektive Normen – zwischen 30 und 50 % der Varianz im Umweltverhalten vorhersagen können (Armitage & Conner, 2001; Bamberg & Möser, 2007). Auch das Norm-Aktivations-Modell (Schwartz & Howard, 1981; Schwartz, 1977), ursprünglich entwickelt, um prosoziales, altruistisches Verhalten zu erklären, wurde zur Vorhersage von Umweltverhalten herangezogen (Matthies et al., 2006). Dabei wirkt die persönliche moralische Verpflichtung (oder „persönliche Norm“) als die treibende Kraft für umweltfreundliches Verhal- ten, vorausgesetzt, dass ein Problem (z. B. der Klimawandel) als solches überhaupt wahrge- nommen wird (Problembewusstsein), Menschen sich der Konsequenzen ihres Verhaltens be- wusst sind (Bewusstsein über die Handlungskonsequenzen), sich gleichzeitig (z. B. für den Schutz der Umwelt) verantwortlich fühlen (Verantwortungsbewusstsein) und zudem glauben, 18
mit ihrem Verhalten etwas zur Bekämpfung der Umweltprobleme beitragen zu können (per- sönliche Selbstwirksamkeit). Innerhalb der Forschung wurde das Modell vielfach adaptiert, um umweltfreundliches Verhalten in unterschiedlichen Kontexten zu erklären, so bei der Wahl um- weltfreundlicher Fortbewegungsmittel (Hunecke et al. 2001; Nordlund & Garvill, 2003) oder der Müllentsorgung (Van Liere & Dunlap, 1978) sowie im Rahmen sozialer Bewegungsbeteili- gung (Stern et al., 1999). Aufbauend auf den Annahmen des Norm-Aktivations-Modells ergänzte Stern (2000) in seiner Value-Belief-Norm Theorie generelle Werte und eine ökologische Weltanschauung („New En- vironmental Paradigm“, NEP; Dunlap et al., 2000) zur Vorhersage umweltfreundlichen Verhal- tens. Diese Weltanschauung beinhaltet verschiedene ökologische Überzeugungen über die Mensch-Natur-Beziehung wie beispielsweise die Gefährdung des natürlichen Gleichgewichts durch den Menschen, die Begrenztheit natürlicher Ressourcen und Grenzen industriellen Wachstums sowie die Notwendigkeit, mit der Natur in Einklang zu leben. In mehreren Studien konnten Stern und Kollegen (Stern et al., 1993; Stern et al., 1995) zeigen, dass verschiedene Werte einen Einfluss auf ökologische Überzeugungen haben. Während biosphärische Werte (Schutz der Natur um ihrer selbst willen) und altruistische Werte (Naturschutz z. B. aus Grün- den sozialer Gerechtigkeit, Erhalt der Natur für nachfolgende Generationen) Naturschutzinten- tionen eher erhöhen, stehen egoistische Werte (eigene Gesundheit) diesem Verhalten ten- denziell entgegen (Gagnon Thompson & Barton, 1994; Klöckner, 2013; Milfont et al., 2006; Poortinga et al., 2004; Schultz et al., 2005; Stern et al., 1993). Ebenso wie in der Theorie des geplanten Verhaltens und der Norm-Aktivations-Theorie ist auch hier die persönliche Norm der zentrale Prädiktor für umweltfreundliches Verhalten. Laut Stern (Stern, 2000) ist das Wer- teprofil einer Person damit verknüpft, ob Personen wahrnehmen, mit ihrem Verhalten zu Um- weltschäden beizutragen (Bewusstsein über Konsequenzen des eigenen Verhaltens) und Ver- antwortung gegenüber der Umwelt empfunden wird (Verantwortungsbewusstsein). Dies führt letztendlich zur persönlichen Verpflichtung, die Umwelt zu schützen (persönliche Norm) und sich umweltfreundlich zu verhalten. Ungeachtet ihrer Relevanz zur Vorhersage umweltfreundlichen Verhaltens können die oben vorgestellten Modelle nicht alle Verhaltensweisen gleich gut erklären. Dies gilt beispielsweise für wiederholt ausgeführtes Verhalten. Aus Verhaltensweisen, die immer wieder gezeigt wer- den und die zum gewünschten Ziel führen, entstehen im Laufe der Zeit Gewohnheiten. Ouellette und Wood (1998) fanden in ihrer Meta-Analyse, dass, je häufiger Verhalten gezeigt wird (täglich oder wöchentlich), desto automatischer wird es ausgeführt und desto weniger ist es von Einstellungen oder situativen Bedingungen beeinflusst. Dies gilt auch für Umwelthan- deln. In einer Studie zur Wahl umweltfreundlicher Transportmittel zeigten Klöckner et al. (2003), dass stark ausgeprägte Gewohnheiten einen starken Einfluss ausüben und das Gefühl 19
einer persönlichen Verpflichtung sich umweltfreundlich zu verhalten, sogar schwächen kön- nen. Dagegen hatte eine stark ausgeprägte Norm einen signifikanten Einfluss auf das Verhal- ten, wenn die Gewohnheit, z. B. mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, schwach ausgeprägt war. Weitere Studien bestätigten Gewohnheiten zur Vorhersage der Verkehrsmittelwahl (Klöckner et al., 2003; Verplanken et al., 1998) und Lebensmittelverschwendung (Russell et al., 2017) bzw. Kauf nachhaltiger Lebensmittel (Biel et al., 2005) sowie im Zusammenhang mit Recycling (Klöckner & Oppedal, 2011). Diese Befunde haben Klöckner & Blöbaum (2010) zusammen mit den drei zuvor genannten Modellen - Theorie des geplanten Verhaltens, Norm-Aktivations-Modell, Value-Belief-Norm Theorie - im Comprehensive Action Determination Modell (s. Abbildung 1) integriert und damit um den wichtigen Einflussfaktor, die Gewohnheit, ergänzt. Damit konnten die Autoren einer- seits die Komplexität umweltpsychologischer Theorien durch den Fokus auf die wirksamsten Faktoren reduzieren. Gleichzeitig wurde die Vorhersage von individuellem Umweltverhalten über eine größere Bandbreite von Kontexten ermöglicht. Zentraler Wirkfaktor ist die persönli- che Norm, die einen direkten Einfluss auf Intentionen hat und, über diese vermittelt, indirekt auf das Verhalten wirkt. Die Wirkzusammenhänge zwischen den einzelnen Variablen, konnten auch meta-analytisch bestätigt werden (Klöckner, 2013). Abbildung 1. Das Comprehensive Action Determination Model (in Anlehnung an Klöckner, 2013). Das Social Identity Model of Pro-Environmental Action (SIMPEA) Determinanten umweltfreundlichen Verhaltens werden in den beschriebenen Modellen sowie in der bisherigen umweltpsychologischen Literatur in erster Linie als persönliche Entschei- dungsprozesse verstanden (Bamberg & Möser, 2007). Umweltkrisen sind jedoch durch ein Kollektiv verursacht und können nicht von Einzelnen, sondern nur im Kollektiv bewältigt wer- den (Fritsche et al., 2018b). Entsprechend fühlen sich Menschen angesichts globaler Umwelt- krisen oft hilflos. Eine Möglichkeit diese Hilflosigkeit zu überwinden und Umweltverhalten zu 20
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