PROTECTED AREAS IN-SIGHT - Unsere neue Zukunft: Wie bereit sind wir? - EUROPARC Federation
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PROTECTED AREAS IN-SIGHT DAS MAGAZINE DER FÖDERATION EUROPARC VOL. 12 Unsere neue Zukunft: Wie bereit sind wir?
Impressum Vol. 12 – 2020 Verlag: EUROPARC Federation 2020, www.europarc.org Redaktion: EUROPARC Directorate, communications@europarc.org Waffnergasse 6, 93047 Regensburg, Germany Layout: Václav Hraba Druck: Printed in FSC certified paper by Contour Mediaservices, GmbH Von der Europäischen Kommission mitfinanziert Die Erstellung dieser Publikation wurde finanziell von der Europäi- schen Kommission (General-Direktorate für Umweltund Klima- schutzmaßnahmen) unterstützt, im Rahmen der LIFE-Förderung für europäische Umwelt-NGOs. Der Inhalt dieser Publikation spie- gelt nicht die offizielle Meinung der Europäischen Union wider. Die Verantwortung für den Inhalt und die in der Veröffentlichung zum Ausdruck gebrachten Ansichten liegt ausschließlich bei den Autoren. Vielen Dank an alle, die an dieser Ausgabe mitgearbeitet haben. Titelbild: Veitenstein © Naturpark Haßberge In diesem Jahr waren wir aufgrund der COVID- 19-Pandemie gezwungen, unsere Arbeit schnell an die neue Situation anzupassen. Wir verla- gerten praktisch alle unsere Aktivitäten und Interaktionen mit Mitgliedern und Partnern in die Online-Welt. Das Design dieser Ausgabe versucht, diesen Übergang widerzuspiegeln - direkt aus der Natur in die Zoomräume. Bitte beachten Sie, dass viele der Bilder in dieser Ausgabe aufgenommen wurden, bevor die Covid19-Regelungen in Kraft traten. Weitere Informationen finden Sie auf: www.europarc.org Ruhlauber forest © Nationalpark Kellerwald-Edersee 2 Online: Protected Areas In-Sight
PROTECTED AREAS IN-SIGHT DAS MAGAZINE DER FÖDERATION EUROPARC Die Föderation EUROPARC repräsentiert Naturschutzgebiete und Regierungsorganisationen in 41 Ländern, die die natürlichen Kleinode von Europas Landschaften, Gewässern, Gebirgen, Wäldern, Flüssen und kulturellen Erbstätten verwalten. Die Natur kennt keine Grenzen – darum unterstützt EUROPARC die internationale Zusammenarbeit in allen Aspekten der Verwaltung von Naturschutzgebieten. Durch Networking, das Vorantreiben von Richtlinien und Verfahren, den Austausch von Best Practices und die Ausarbeitung neuer Lösungen für die Herausforderungen der Naturschutzgebietsverwaltung wollen wir eine „Nachhaltige, von den Menschen geschätzte Natur“ bewirken und dafür sorgen, dass der Wert von Naturschutzgebieten inmitten von Europa anerkannt wird. Protected Areas In-Sight 3
Inhalt Editorial ................................................................................................................................................. 5 Herausforderungen und Chancen für Naturschutzgebiete in der neuen Normalität .................... 6 LIFEedu – ein Jahresrückblick .............................................................................................................. 9 Für die Zukunft gerüstet? Globale Perspektiven zu den Anforderungen an Naturschutzgebiete ......................................... 12 Frischer Wind: Einrichtung eines Jugend-Parkbeirats ..................................................................... 14 Workshop-Ergebnisse ....................................................................................................................... 16 Biodiversitätsstrategie die Rolle der Naturschutzgebiete für „Mehr Raum für die Natur in unserem Leben“..................... 20 Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und ihre Bedeutung für Naturschutzgebiete ................. 22 Helfen wir der Natur, sich an den Klimawandel anzupassen, oder ist es genau anders herum? 24 Eindrücke aus den Parks: Wie passen sich die Parks an die COVID-Realität an?................................. 28 Meeresschutz: Gemeinsam auf dem Weg zur Genesung lernen................................................................ 30 Nachhaltiger Tourismus: Vorbereiten auf die Zukunft .................................................................................... 32 Healthy Parks Healthy People Europa Programm............................................................................................. 34 EUROPARC-Konferenz 2021 ....................................................................................................................................... 35 © shutterstock.com 4 Online: Protected Areas In-Sight
Ich frage mich, welche Eigenschaften und Trends Historiker für das Jahr 2020 ermit- Editorial teln werden, wenn sie irgendwann einmal darauf zurückblicken. 2020 war auf jeden Fall eines der außergewöhnlichsten Jahre unseres Lebens. Dieses „COVID-19-Jahr“ hat für uns persönlich und beruflich, also auch für unsere Parks, zahlreiche Heraus- forderungen, Chancen und Konsequenzen mit sich gebracht. Außerdem sollten wir überlegen: "Unsere neue Zukunft, Wie bereit sind wir?" Eine Entwicklung, die sich schon frühzeitig abzeichnete, waren die Schließungen. In vielen europäischen Ländern sollten oder mussten die Leute zu Hause bleiben, sodass keine Besucher in unsere Parks kamen. Unsere Parks in ganz Europa basieren darauf, die Menschen willkommen zu heißen und ihnen die Möglichkeit zu geben, die Natur „in freier Wildbahn“ zu erleben. Unsere Hoffnung ist, dass sie die Natur dadurch schätzen lernen und sie schützen und erhalten wollen. Die Schlie- Carol Ritchie ßungen und Einschränkungen verstärkten jedoch nur den Wunsch der Menschen, in die Natur einzutauchen. Ein wahres Sprichwort lautet: „Man weiß erst was man EUROPARC Geschäftsführerin hatte, wenn man es verloren hat.“ Die (wenn auch nur vorübergehende) Trennung von der Natur während des Lockdowns hat meiner Ansicht nach unser Bedürfnis, sowohl vor Ort als auch weiter draußen in und bei der Natur zu sein, verstärkt. Auf die Schließungen folgte die Rückkehr. Dieser Trend trat deutlich zutage, als sich die Menschen wieder frei bewegen durften. Diese Rückkehr in die Natur war überaus wichtig für die körperliche und seelische Gesundheit der Menschen, was auch anerkannt wurde. Durch die Sehnsucht der Menschen, wieder in die Natur zurückzukehren, boten sich unseren Parks neue Möglichkeiten, mehr Menschen aus den jeweiligen Ländern anzusprechen. Gleichzeitig wurden dadurch aber auch Inve- stitionen in die Infrastruktur und Angebote unserer Parks nötig. Das ist unerlässlich, um es den Besuchern zu ermöglichen, eine sichere und harmonische Verbindung mit der Natur einzugehen, und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Natur keinen Schaden nimmt. Eine weitere wichtige Entwicklung ist die Unsicherheit. Die Welt ist zu einem wesentlich unbeständigeren Ort geworden, und wir alle reagieren anders darauf. EUROPARC gibt sich große Mühe, um den Mitgliedern durch die Verbundenheit unseres Netzwerks Halt und Unterstützung zu vermitteln, vor allem in Anbetracht der überwältigenden Veränderungen. Doch trotz der Unsicherheit haben wir uns als widerstandsfähig und innovativ erwiesen und neue Lösungen gefunden. EUROPARC hat die Veränderungen akzeptiert und arbeitet jetzt mit neuen digitalen Tools. Außerdem ist uns bewusst geworden, dass internationale Zusammenarbeit und Kontakte und die Einbeziehung junger Menschen wichtiger denn je sind. Unsere neue virtuelle Welt wird zwar persönliche Kontakte und Beziehungen nie vollständig ersetzen können, aber die digitale Vernetzung hat zumindest bekräftigt, dass wir als Parks zusammenhalten. Veränderung war sicherlich das übergeordnete Thema 2020. Ob beim Umgang mit COVID-19 oder neuen EU-Strategien – Parks und Naturschutzgebiete müssen sich an den Diskussionen über die Zukunft der Gesellschaft beteiligen und Lösungen parat haben, um Teil eines sicheren und tragfähigen Europas zu sein. Diese zentralen Themen bildeten den Mittelpunkt der diesjährigen EUROPARC-Konferenz, und die Diskussionen spiegeln sich in dieser Ausgabe von „Protected Areas In- Sight“ wider. Der Klimawandel, neue EU-Strategien für Artenvielfalt und Landwirt- schaft und natürlich der Umgang mit COVID-19 verlangen den Naturschutzgebieten neue Kompetenzen und Fähigkeiten ab. Marta Múgica (EUROPARC Spanien) erinnerte uns daran, dass „wir in diesen Zeiten des Wandels kreativ sein müssen, wenn wir die Artenvielfalt erhalten wollen. Das gilt aber auch für allgemeine gesellschaftliche Herausforderungen.“ Oder wie Professor Christian Baum- gartner es kurz und bündig ausdrückt: „Wir leben in einer VUCA-Welt: Volatility (Volatilität) Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität), Ambiguity (Mehr- deutigkeit).“ Er glaubt aber, dass EUROPARC „die Bedeutung von VUCA umwandeln kann zu Vision, Understanding (Verständnis), Clarity (Klarheit) und Agility (Flexibilität)“. Das soll unser Vermächtnis für 2020 werden. Man kann die Zukunft nur vorhersehen und dafür bereit sein, wenn man sie mitgestaltet. Darum können und sollten wir, die Parks in Europa, die Wegbereiter der Zukunft sein – für die Zukunft unseres Klimas, unserer Artenvielfalt, die Gesundheit unserer Parks und der Menschen. Carol Ritchie Geschäftsführerin Protected Areas In-Sight 5
Von Christian Baumgartner Professor für nachhaltigen Tourismus an der Fachhochschule Herausforderungen und Graubünden (Schweiz), CEO von response & ability und Vizepräsi- dent von CIPRA International Chancen für Naturschutzge- christian.baumgartner@ responseandability.com biete in der neuen Normalität Naturschutzgebiete stehen in der aktu- Auswirkungen sind vielschichtig und Die Gesellschaft und ihre Handlungen sind ellen „neuen Normalität“ vor zahlrei- schwer zu begreifen. Entscheidungen Trends und Megatrends unterworfen. Poli- chen Herausforderungen, von denen werden auf eine Abfolge von Reaktionen tiker formulieren mithilfe dieser Trends nur die wenigsten mit COVID-19 zusam- und Gegenreaktionen reduziert, und es und der neuen großen Antriebskräfte – menhängen. Die neue Normalität ist so scheint unmöglich, DEN richtigen Weg zu Klimawandel, Globalisierung 4.0, neue kompliziert wie nie zuvor. wählen. Die Anforderungen an moderne Pandemien usw. – komplexe, anspruchs- Organisationen und ihr Management sind volle Richtlinien und Strategien wie die Bis Anfang der 2000er Jahre waren die widersprüchlicher denn je. Das Treffen von nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustai- Aufgaben von Naturschutzgebieten in der Entscheidungen erfordert Mut, Bewusst- nable Development Goals, SDGs), die Regel klar: Natur- und Umweltschutz, sein und die Bereitschaft, Fehler zu verschiedenen Klimaabkommen und die Umwelterziehung und ein bisschen Erho- machen. EU-Biodiversitätsstrategie. lung und Tourismus. Aber wenn man die Menschen heutzutage nach ihren Wenn man, so wie Naturschutzgebiete, in Diese bringen neue Anforderungen hervor, Gedanken zu den aktuellen Entwicklungen einem Entwicklungsbereich arbeitet, muss die von den Naturschutzgebieten erfüllt (innerhalb und außerhalb von Natur- man ein VUCA-Facilitator sein. Ein solcher werden müssen. In diesem Artikel sollen schutzgebieten) fragt, kommen ganz Facilitator versucht, aus der ursprünglichen die wichtigsten Herausforderungen in zehn unterschiedliche Antworten – Trends, Bedeutung von VUCA eine neue, positive Thesen zusammengefasst werden: Zwickmühlen, Veränderungen, Suche, Bedeutung zu machen: Vision, Understan- verwirrende Möglichkeiten, Alternativen ... ding (Verständnis), Clarity (Klarheit) und kurz gesagt: Wir leben in einer VUCA-Welt. Agility (Flexibilität). Eine große Aufgabe für die meist überschaubaren Verwaltungen Das Akronym VUCA – Volatility (Volatilität), und Teams von Naturschutzgebieten. Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität), Ambiguity (Mehrdeutigkeit) – wurde erstmals 1987 verwendet und beschreibt schwierige Rahmenbedingungen der Organisationsführung. Wir leben in einer Welt, die sich kontinuierlich verändert, jeden Tag instabiler wird und in der Verän- derungen immer unberechenbarer werden – gleichzeitig finden sie immer schneller und dramatischer statt. Ereignisse entfalten sich vollkommen unerwartet, und oftmals ist es kaum noch möglich, Ursache und Wirkung zu bestimmen. Probleme und ihre Branching Out Projekt Schottland © Lorne Gill/SNH 6 Online: Protected Areas In-Sight
These 3: Die Gesellschaft stellt immer höhere Erwartungen an Lösungen für den Klimawandel, wie unter anderem in der EU-Biodiversi- tätsstrategie ersichtlich wird: „Natur- basierte Lösungen wie der Schutz der biologischen Vielfalt und die Wieder- Freier Weg zum Virkkula-Vogelbeobachtungsturm © Sasa Dolinsek herstellung von Ökosystemen sind ein hervorragendes Mittel, um den Auswir- These 1: Die EU-Biodiversitätsstra- kungen des Klimawandels entgegen- tegie für 2030 „Mehr Raum für die zuwirken, und stellen eine sehr Natur in unserem Leben“ ist ein kosteneffiziente Ressourcennutzung sehr machtvolles Dokument, das dar.“ Naturschutzgebiete brauchen vorsieht, mindestens 30 Prozent der These 2: Der wirtschaftliche Druck Strategien, die an den Klimawandel Land- und Meeresflächen Europas in auf die Naturschutzgebiete steigt: angepasst werden können und die effizient geführte Naturschutzgebiete Die Rodung von Wäldern und Suche Folgen des Klimawandels an anderer umzuwandeln. Zusammen mit dem nach Bodenschätzen in den Natur- Stelle kompensieren. „Green Deal“ der EU und der UN- schutzgebieten macht diesen Druck Dekade 2021-2030 zur Wiederherstel- deutlich – von Rumänien über den lung von Ökosystemen verdeutlicht es Amazonas bis in die USA. Der die zunehmenden politischen Schutzstatus allein reicht nicht Ansprüche. Die Implementierung (überall) aus, um diese Gebiete dieser Strategien wird die Verwaltung langfristig wirksam zu schützen. von Naturschutzgebieten vor gewal- Schutzgebietsverwalter müssen tige Herausforderungen stellen. So internationale politische Solidarität werden unter anderem neue Fertig- bekunden und bessere Strategien keiten wie partizipatorische Methoden und Möglichkeiten entwickeln, um nötig sein, um die Implementierung sich gegenseitig über die Grenzen zu realisieren. hinweg zu unterstützen. Kapazitätsentwicklung 7
These 5: Der gesellschaftliche Druck nimmt nach COVID-19 zu: These 4: Der Green Deal und das Die meisten Menschen suchen These 6: Durch den Klimawandel Pariser Abkommen zielen darauf ab, „unberührte“ Gebiete auf, um dort und COVID-19 gehen nicht nachhal- dass die EU bis 2050 klimaneutral ihre Freizeit zu verbringen oder tige Formen des Tourismus wie Kreuz- sein wird, also unter dem Strich Urlaub zu machen. In Kombination fahrten oder Wintersport in den keinerlei Treibhausgase mehr mit Social Media wie Instagram Alpen ebenfalls zurück. Neue Trends ausstößt. Sogar Naturschutzgebiete bringt diese Suche unglaublich wie Gesundheitstourismus werden tragen zum Klimawandel bei und schnell immer wieder neue immer beliebter. Sie gehen über müssen all ihre Aktivitäten und „Hotspots“ hervor. Die herkömmli- einfache Urlaubsaufenthalte hinaus Infrastrukturen wie Gebäude, Mobi- chen Methoden des Besuchermana- und beinhalten zum Beispiel Anwen- lität, Versorgungsmaterialien und gements reichen nicht mehr aus. dungen in und mit der Natur. Ein Angebote überdenken. Selbst wenn Stattdessen werden neue Instru- gutes Beispiel hierfür ist das Wald- die Auswirkungen relativ gering mente benötigt, die schnell auf baden, ein Trend, der in den 1950ern sind, müssen Naturschutzgebiete neue Entwicklungen reagieren in Japan entstand und mittlerweile ein Vorbild für die Gesellschaft sein. können. ein wichtiges Gesundheitsangebot hierzulande ist. Naturschutzgebiete müssen akzeptieren, dass sie eine wichtige Rolle im Tourismus spielen, und nachhaltigen Tourismus an ihren Standorten vollständig umsetzen. These 7: Unsere Gesellschaft wird These 8: COVID-19 hat den entscheidenden zunehmend älter. Es gibt immer mehr Vorstoß für die Digitalisierung sowohl im Unter- Menschen mit Mobilitätseinschrän- richt als auch in der Freizeit geleistet. Die kungen oder anderen speziellen Umwelterziehung in den Naturschutzgebieten ist Bedürfnissen. Am unteren Ende der sehr ausbaufähig. Viele Gebiete sind noch nicht von Alterspyramide wartet eine große Inte- der Naturpädagogik zur Umsetzung der Grundsätze grationsherausforderung: Junge für Nachhaltigkeitserziehung übergegangen. Viele Menschen mit Migrationshintergrund Naturschutzgebiete richten ihre Bildungsangebote müssen an die Natur und Ökosysteme nur an Kinder und Schulen. Naturschutzgebiete herangeführt werden. Naturschutzge- spielen eine wichtige Rolle bei der Aufklärung über biete müssen irgendwie dem Anspruch Nachhaltigkeit und müssen ihre Bildungsangebote gerecht werden, dass „Nationalparks um digitale Komponenten erweitern. und Naturschutzgebiete allen Menschen offen stehen und erlebnisorientierte Angebote für verschiedene Zielgruppen bieten“. Derzeit ist das kaum zu erfüllen. These 10: Authentizität und „Regionen“ werden immer wich- tiger für große Teile der Gesell- schaft, da sie als „unverfälscht und These 9: Die EU-Strategie „Vom Hof auf den gesund“ gelten. Dieser neue Tisch“ strebt mehr Nachhaltigkeit in der Schwerpunkt sollte genutzt werden, Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie und im um Naturschutzgebieten ein Verhalten der Menschen an. Naturschutzge- beständiges Image zu verschaffen biete mit ihrem integrierten Landmanage- und ihre Ziele besser zu implemen- mentansatz haben die wichtige Aufgabe, diese tieren (und zu finanzieren). neue europäische Strategie zu unterstützen. Außerdem profitieren sie mit am stärksten von den entsprechenden EU-Strategien, - Programmen und -Maßnahmen. Naturschutzgebiete sollten und können wahre Antriebskräfte einer nachhaltigen regionalen Entwicklung, der wünschenswerten „neuen Normalität“, werden. Sonnenuntergang im Nationalpark Donau-Auen © Christian Baumgartner 8 Online: Protected Areas In-Sight
Von Neil McIntosh Projektmanager von LIFE LIFEedu e-natura2000.edu – ein Jahresrückblick In der ersten Jahreshälfte 2020 fanden Wenn es jemals eine perfekte Zeit für im Rahmen des LIFEe-Natura2000.edu- Online-Schulungen gab, war es dieser Zeit- Vorbereitungsprojektes drei Kernkom- raum! Alle drei Kurse von EUROPARC, petenzkurse statt. 78 Natura FUNGOBE und ProPark wurden erfolgreich COVID-19 2000-Manager aus 19 Ländern mit durchgeführt. Die Projektteilnehmer waren unterschiedlichen Erfahrungsniveaus ausgesprochen dankbar, dass die Kurse Ein Teilnehmer empfand das LIFEedu- und Hintergründen haben die Online- stattfinden und sie dadurch Online- Projekt als „willkommene Abwechslung“. Teile ihrer Kurse absolviert. Kontakte knüpfen konnten. Er erklärte: „Ich bin dankbar, dass die Webinare und Aufgaben mir einen neuen Zu Beginn des Jahres ahnten wir noch Die Projektpartner und -teilnehmer waren Schwerpunkt aufgezeigt und mich von der nicht, was uns bevorsteht. Innerhalb eines sich einig, dass sie von den während des starken Arbeitsbelastung und den drasti- halben Jahres änderten sich Dinge, die Projekts gesammelten Erfahrungen langfri- schen Veränderungen in Folge von COVID- bislang selbstverständlich waren, drastisch. stig profitieren werden. Online-Zusam- 19 abgelenkt haben.“ Das Leben und die Arbeit der Menschen menarbeit, -Networking und der Aufbau wurden auf den Kopf gestellt. praktischer Fähigkeiten sind für Schutzge- Die „Flexibilität und das Bedürfnis, den bietsverwalter unerlässlich und wertvoll ganzen Inhalt an die noch immer anhal- und haben gezeigt, dass integrierte Lern- tende Situation (Coronakrise) anzupassen“, angebote nicht mehr wegzudenken sind. wurden besonders geschätzt. Einige hatten jedoch Schwierigkeiten mit dem Fernun- Im Folgenden lesen Sie mehr über das terricht und litten unter Motivationspro- Feedback einiger LIFEedu-Teilnehmer. blemen. Sie bevorzugen weiterhin Präsenzschulungen, da sie sich in dieser vertrauten Umgebung wohler fühlen und ihre Fähigkeiten besser erweitern können. “Sämtliche digitale Unterlagen, Präsen- Online-Schulungen haben sich als tationen, Referenzen und Videos waren lohnenswerte Erfahrung erwiesen, vor sehr hilfreich, und ich verwende sie allem angesichts der Tatsache, dass persönliche Kontakte derzeit kaum bereits als Arbeitsmaterial für andere möglich sind. Projekte oder um andere zu unter- richten und zu informieren.“ „Durch die Schulung kann ich meinen Schülern nun ein besseres Vorbild als Lehrer sein.“ Kapazitätsentwicklung 9
Das Gelernte anwenden Die Projektteilnehmer haben die LIFEedu- Inhalte und -Lernmaterialien auch schon an ihre Kollegen weitergereicht und in anderen Projekten eingesetzt. Dadurch hat das Projekt geradezu eine Kettenreaktion ausgelöst. Mehrere Teilnehmer berichteten, dass die Kursmaterialien, Kommunikationsmodelle und Fallstudien ihre Arbeitsweise und insbesondere ihren Kommunikationsansatz bezüglich Natura 2000 verändert haben. Sie geben an, bei der Zusammenarbeit mit Kommunikationsexperten zur Unterstüt- zung des Managementteams nun wesent- lich selbstbewusster zu sein. Gleichzeitig wird das Gelernte auf die Einbeziehung von Interessenvertretern und die zur Erstellung von Verwaltungsplänen notwendigen Beratungen angewendet. Ein Teilnehmer berichtete, dass er seit dem Dreharbeiten für "Nature for People" © ProPark Foundation, Romania Kurs seine Kollegen durch seine Arbeit besser leiten und unterstützen kann. „Meine Frau hat mich schon gefragt, ob ich noch Außerdem entfalteten die Kurse einen einen Online-Master mache!“ erheblichen Multiplikatoreffekt. Ein Teil- nehmer sagt: „Unser Plan ist es, die Erkenntnisse und die ganze Erfahrung im Networking Kursinhalt – Moodle, Module Rahmen einer Präsentation und einem und Lern-Tools anschließenden Workshop mit dem Rest Ein Teilnehmer empfand es als „Privileg, meiner Kollegen (insgesamt 19) zu teilen.“ gemeinsam mit gleichgesinnten, enga- Die Kurse waren für die Teilnehmer zeit- Fast alle Teilnehmer wollten ihre Kollegen gierten Naturschützern zu lernen.“ Er habe und arbeitsintensiv, aber sie wussten sie zu und Vorgesetzten an ihren Erfahrungen vieles (neu) gelernt und viel Freude daran schätzen. Ihre Kommentare zu den Kursen, aus dem Projekt teilhaben lassen. gehabt, von unterschiedlichen Sichtweisen ihrer Strukturierung und zum Tempo: zu hören und zu profitieren. n Hervorragend organisierte Module, verständliche und benutzerfreundliche Eine andere Teilnehmerin hatte sich nicht Tools; nur für LIFEedu beworben, um ihre Fähig- n Wertvolle, nützliche Informationen, keiten zu erweitern, sondern auch, um vorgetragen von kompetenten und andere Naturschutzexperten aus ganz inspirierenden Experten und übermittelt Europa kennenzulernen. „Ich stehe noch von freundlichen, gut vorbereiteten am Anfang meiner Karriere. In der Schu- Organisatoren; lung habe ich gelernt, wie in anderen n Sehr interessant und äußerst anspruchs- Ländern Europas mit für mich noch neuen voll! Der Kurs wurde von Modul zu Themen umgegangen wird.“ Modul besser. Die größte Errungenschaft des Projekts sind vermutlich die wichtigen persönlichen Kontakte, die dabei entstanden sind. Ein Teilnehmer freute sich vor allem über die „Ich nahm jahrelang an keinen richtigen Schulungen Möglichkeit, sich mit anderen auszutau- zu meiner Arbeit teil. Ich war immer nur damit schen und voneinander zu lernen. Für viele besteht der Hauptvorteil des LIFEedu- beschäftigt, ein Projekt nach dem anderen umzu- Projekts und des LIFE-Programms darin, setzen. Es war sehr dumm, meine Kommunikations- dass sie die Möglichkeit zum Austausch kompetenzen all die Jahre zu vernachlässigen!“ und zur Bildung „einer Gemeinschaft für zukünftige Natura 2000-Projekte“ und den damit verbundenen Naturschutz- und Beteiligungsmaßnahmen bieten. 10 Online: Protected Areas In-Sight
Die Zukunft im Mittelpunkt Mehreren Teilnehmern ist durch LIFEedu bewusst geworden, dass sie sich nicht unbedingt auf „all die negativen Dinge aus der Vergangenheit, sondern vielmehr auf die zukünftigen Ziele“ konzentrieren sollten. Das trägt mit Sicherheit zu effizien- teren Problemlösungen und einer besseren Implementierung von Natura 2000 auf lokaler Ebene bei. Bei dem Projekt wurden auch andere wich- tige Aspekte der Kommunikation behan- delt. Eine Teilnehmerin erzählte, dass sie nun „Informationen besser mit einem zweckmäßigen und dem Verständnis der Interessenvertreter entsprechenden Kommunikationsinstrument verknüpfen kann.“ Das Projektteam von LIFE e-Natura2000.edu bei der Auftaktsitzung im Juni 2018 Dreharbeiten zu Nature for People © ProPark Foundation, Rumänien Kapazitätsentwicklung 11
© Agentur für Schutzgebiete in Georgien Für die Zukunft gerüstet? Globale Perspektiven zu den Anforderungen Von Mike Appleton Leiter Naturschutzgebietsverwal- an Naturschutzgebiete tung, Global Wildlife Conservation; stellvertretender Vorsitzender für Kapazitätsaufbau, IUCN-Weltkom- mission für Naturschutzgebiete Weltweit ist das Netzwerk der Schutz- die Verwaltung in gerade einmal einem gebiete auf 15 Prozent der Landflächen Drittel aller Naturschutzgebiete „gut“. und 7 Prozent der Meeresflächen Die Verwaltungen haben bei Weitem angewachsen – ein großer Erfolg für nicht so viele geschulte Experten, den Naturschutz. Die Verwaltungen Verwalter und Ranger, wie sie der Naturschutzgebiete gewinnen bräuchten. Die meisten Mitarbeiter von zunehmend an Erfahrung und Naturschutzgebieten sind zwar hoch- Führungskompetenzen. Trotzdem ist qualifiziert, aber unterbezahlt, unzurei- chend geschult und ausgestattet oder leiden unter schlechten Arbeitsbedin- gungen. In vielen Schutzgebieten ist nicht einmal die grundlegende Ausrü- stung und Infrastruktur vorhanden, damit die Mitarbeiter ihre Aufgaben erfüllen können. 12 Online: Protected Areas In-Sight
Voraussichtlich 2021 wird das Überein- Uns ist durchaus bewusst, was für eine Was zeichnet also einen fähigen Schutzge- kommen über die biologische Vielfalt als erfolgreiche Naturschutzgebietsverwaltung bietsmitarbeiter aus? In erster Linie die neues Ziel eine Flächenabdeckung von 30 nötig ist. Naturschutzgebiete brauchen Kompetenz; die Kombination aus Fähig- Prozent durch Naturschutzgebiete und einen Standort, um ihre Schutzwirkung voll keiten, Kenntnissen und Haltung, ausge- Reservate festlegen – das ist das nötige zu entfalten. Die Regierungen müssen drückt als „universelle Kompetenzen“ Minimum, damit wir die weltweite Arten- integrativ, fair und transparent sein. (siehe Bericht zum EUROPARC-Projekt LIFE vielfalt, Wildnis und die Ökosysteme Verwaltung und Überwachung müssen e-Natura2000edu auf Seite 9). bewahren können. Wenn wir jedoch nicht sorgfältig geplant und geleitet werden. bald die nötigen Fähigkeiten im Zusam- Ausreichende Investitionen sind unerläss- menhang mit einer solchen Erweiterung lich. Aber all dies wird keine langfristigen angehen, laufen wir Gefahr, eine Welt Veränderungen herbeiführen, wenn es voller Parks zu erschaffen, die nur auf dem keine fähigen, kompetenten, engagierten Papier existieren und gut ausgestatteten Mitarbeiter gibt. n Lernprogramme zu gestalten und zu bewerten, die die Mitarbeiter auf die Realität der Arbeit in Naturschutzge- bieten vorbereiten n Standards zur Leistungsverbesserung festzulegen im Unterrichtsraum oder in Schulungen – n Das Profil professioneller Mitarbeiter von erworben und anerkannt werden. Das heißt Naturschutzgebieten variabler zu also, dass jeder Mitarbeiter – unabhängig gestalten und zu schärfen, sodass die von seinem Hintergrund, seiner Bildung, Verwalter von Naturschutzgebieten eine seines Standortes oder seiner Position in ebenso große Wertschätzung erfahren einer Organisation – als kompetent bewertet wie andere Berufe im öffentlichen Dienst und zertifiziert werden kann. Wir haben das sehr ehrgeizige Ziel, 30 Das Interesse an kompetenzbasierten Prozent der Erde bis 2030 unter Naturschutz Ansätzen nimmt in Europa und auf der zu stellen. Das können wir jedoch nicht Ein Großteil der Aus- und Weiterbildung von ganzen Welt zu, vor allem, seit 2016 das erreichen, indem wir unsere bisherigen Schutzgebietsmitarbeitern findet im akade- globale IUCN WCPA-Kompetenzenver- Bemühungen einfach nur verstärken. Wir mischen Rahmen und in Crashkursen statt. zeichnis für Naturschutzgebiet-Fachleute müssen uns Gedanken über neue, andere Aber beim Aufbau von Fähigkeiten geht es mit 300 Kompetenzen für alle personellen Arten von Naturschutzgebieten und Reser- um viel mehr als nur Lernen. Lehrgänge Aspekte der Naturschutzgebietsverwaltung, vaten machen, die parallel zu „herkömmli- werden immer eine wichtige Rolle spielen, von den Leitern bis zu den Rangern, veröf- chen“ Netzwerken existieren. In Europa ist aber sie sind teuer und stehen nur wenigen fentlicht wurde. Dieses Verzeichnis und das Natura 2000-Netzwerk diesbezüglich Mitarbeitern von Naturschutzgebieten ähnliche Systeme werden zunehmend wegweisend. Wir müssen Gebiete unter der offen. Der Kompetenzansatz ist anders. Die eingesetzt, um: Leitung der Einheimischen und Gemeinden erforderlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und n Ausführliche Stellenbeschreibungen und als wesentlichen Bestandteil der Lösung die Haltung werden nicht nur von Experten Organisationsstrukturen zu verfassen, anerkennen. Und wir müssen das Berufsbild und Pädagogen, sondern auch von Prakti- sodass die Mitarbeiter genau wissen, was von Schutzgebietsmitarbeitern vielfältiger kern des Sektors festgelegt. Kompetenz von ihnen erwartet wird gestalten, sodass viele verschiedene Fach- basiert eher auf nachgewiesenen Leistungen n Auf realen Bedürfnissen basierende Prio- leute anerkannt werden können. Der als auf dem Bildungsabschluss und kann ritäten für den Aufbau von Fähigkeiten Kompetenzansatz spielt eine entscheidende somit auf verschiedene Weisen – nicht nur zu bestimmen Rolle bei diesen Veränderungen. Kapazitätsentwicklung 13
Carolina Chinese Nicola Ceschia Sprecherin des Jugend- Sprecherin des Jugend- Frischer Wind: beirats, Julian Prealps MAB (Man and Biosphere) Reservat beirats, Julian Prealps MAB (Man and Biosphere) Reservat Einrichtung eines Jugend-Parkbeirats Der Jugendbeirat des Julian Prealps Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das konti- Naturparks (Naturpark der Julischen nuierliche Lernen. Als Beirat organisieren Voralpen) wurde 2018 eingeführt. wir Konferenzen zu verschiedenen Inzwischen umfasst er 27 Jugendliche Themen, zum Beispiel zur globalen Erwär- im Alter von 16 bis 30 Jahren, die in den mung und ihren Auswirkungen auf unsere elf Städten und Gemeinden der Region Region, oder Workshops zu Bushcrafting leben. oder Steinbalance. Bei unseren Veranstal- tungen lassen wir immer Spielraum für den Unser Beirat nahm Gestalt an, nachdem Austausch von Gedanken, Erfahrungen der Kongress der Gemeinden und und Ideen. Dadurch bleiben wir offen für Regionen des Europarats am 21. Mai 2003 neue Möglichkeiten, Ideen und Inspira- die „Überarbeitete Europäische Charta über tionen. die Teilnahme junger Menschen am städti- schen und regionalen Leben“ verabschiedet Uns ist natürlich bewusst, dass unser hatte. Mehrere Monate vor dem EURO- Naturpark nur ein winziges Fleckchen Erde PARC-Jugendmanifest entstand die auf auf unserem riesigen Planeten ist. Darum denselben Werten und Beweggründen lautet unser Motto: „Global denken, lokal basierende Satzung des Jugendbeirates – handeln.“ Wir glauben, dass wir die großen eine Art Verfassung, an der wir uns bei Probleme der Zukunft nicht bewältigen unseren Tätigkeiten orientieren. Unsere können, indem wir uns in unserem kleinen Ziele und Ideen haben sich in den zwei „Paradies“ verschanzen. Die regionale, Bushcraft Workshop © Julian Prealps Jahren seit unserer Gründung nicht verän- nationale und internationale Zusammenar- dert, aber unser Einfluss wird immer beit ist ausschlaggebend, um das natür- stärker. Unser Beirat ist mit der Zeit immer liche und kulturelle Erbe nicht nur in größer geworden, weshalb wir nun ein unserer Region, sondern in ganz Europa zu offizieller Bestandteil der Geschäftsführung bewahren, erweitern und zu fördern. Unser des MAB Reservats sind. größtes Ziel als Beirat und MAB-Reservat besteht also darin, ein grenzüberschrei- Wir sind der festen Überzeugung, dass die tendes Biosphärenreservat in den Julischen Jugendlichen eine entscheidende Rolle für Alpen zu erschaffen, den ersten grenz- die zukünftigen Herausforderungen überschreitenden Jugendbeirat zu spielen und aktiv in die Geschehnisse der gründen und die Zusammenarbeit mit den ländlichen Regionen einbezogen werden Jugendlichen in Slowenien zu intensi- müssen. Ein Bürger, der mit seinem vieren. Wir haben schon bei einigen Wohnort vertraut ist, sein natürliches und Projekten mit ihnen zusammengearbeitet, kulturelles Erbe und seine Probleme kennt, zum Beispiel im Junior Ranger-Programm ist eher bereit, seine Gemeinde aktiv zu oder beim „Youth at the Top“ – eine Veran- unterstützen und zu verteidigen. Vor staltung, bei der Teilnehmer aus Natur- diesem Hintergrund sind wir dem Junior schutzgebieten in den Alpen als Zeichen Ranger-Programm von EUROPARC beige- ihres aktiven Engagements den Gipfel Teilnahme an einer Konferenz © Julia treten, das sich an Jugendliche zwischen eines Berges in ihrem Gebiet erklimmen. 12 und 18 Jahren richtet, die sich anschlie- ßend im Jugendbeirat engagieren können. 14 Online: Protected Areas In-Sight
Dieses Jahr konnten wir aufgrund der Corona- „Wir sind zuversichtlich, dass es pandemie nur sehr wenige unserer geplanten Aktivitäten durchführen. Wir nahmen jedoch noch mehr Initiativen wie die an verschiedenen Online-Workshops und unsere geben wird, denn die Webinaren teil und hatten dabei die Gelegen- jungen Menschen können und heit, von unseren Erfahrungen als Beirat zu berichten. Eines dieser Online-Meetings fand wollen etwas für ihren Planeten im Rahmen der EUROPARC Online-Konferenz tun. Wir sind bereit, für eine statt. Dabei konnten wir von unseren Erleb- gerechte, inklusive, umweltfreund- nissen mit dem Einbeziehen der Jugendlichen in das Leben und die Verwaltung von ländli- liche und nachhaltige Zukunft zu chen Regionen erzählen. kämpfen.“ Jugendbeirat Das erste Foto des Beirats bei seiner Gründung 2018 © Julian Prealps Jugendbeirat n Prealps Jugendbeirat „Youth at the Top“-Projekt © Julian Prealps Jugendbeirat Jugend 15
EUROPARC Online 2020: Ergebnisse der Konferenz-Workshops Während der EUROPARC Online-Konferenz Dieser Prozess des Lernens war besonders 2020 haben wir versucht, einen Blick in die wichtig in den interaktiven Workshops, in Zukunft der Schutzgebiete zu werfen und denen die Konferenzteilnehmer eingeladen herauszufinden, ob wir bereit sind für das, waren, eine Reihe von Themen zu diskutieren. was sie bringen wird. Ein wichtiger Aspekt Diskutiert wurden Themen die relevant sind bei der Bewältigung all der bekannten und für das Schutzgebiet Management, Natura unbekannten bevorstehenden Herausforde- 2000, Jugend, Landwirtschaft, Marine Umwelt, rungen, ist der Aufbau von Kapazitäten. nachhaltigem Tourismus und Klimawandel. In Deshalb haben wir während der diesjäh- diesem Artikel können Sie kurze Zusammen- rigen Konferenz und in dieser Ausgabe von fassungen und die wichtigsten Botschaften Protected Areas In-Sight so viel Wert darauf der Workshop-Diskussionen lesen. Vielleicht gelegt, voneinander zu lernen, unsere inspiriert es Sie sogar für die Bewältigung der Fähigkeiten, unser Wissen und neue Werk- Herausforderungen in Ihrem Schutzgebiet. zeuge zu entwickeln. Kurz gesagt, uns gemeinsam zu verbessern. Workshop 1 Wie können Naturschutzgebiete das Natura 2000-Netzwerk vervollständigen? Was erwarten wir? n Europas Naturschutzgebiete sollen in ein zusammenhängendes Netzwerk aus ökologisch miteinander verbun- Wildkatze denen Naturstätten integriert werden. © VDN/Maik Elbers n Naturfachleute, die in verschiedenen Bereichen des Naturschutzes und der Welche praktischen Kompe- Wie kann EUROPARC helfen? Schutzgebietsverwaltung tätig sind, tenzen, Tools zum Aufbau n EUROPARC kann durch Networking- sollen ihre beruflichen Fähigkeiten von Fähigkeiten und Schu- Veranstaltungen und Initiativen zum erweitern können. lungsprogramme wären für Aufbau praktischer Fähigkeiten im die Mitarbeiter von Naturs- Zusammenhang mit politischen Priori- Was können Naturschutzge- chutzgebieten hilfreich? täten dazu beitragen, die Verwaltung biete tun? n Networking-Veranstaltungen und von Naturschutzgebieten effizienter zu n Sie können kooperative und konstruk- Tools zur Unterstützung des gestalten. tive Beziehungen mit den örtlichen Wissens- und Informationsaus- n Die Fähigkeiten der Naturschutzgebiete Interessenvertretern eingehen. tauschs auf organisatorischer Ebene können n Sie können aufklären und ihre Reich- n Kommunikationsfähigkeiten, Einbe- zum Beispiel durch den Austausch von weite nutzen – zum Beispiel, indem sie ziehung von Interessenvertretern Wissen und die Anregung neuer, koope- Besuchern und Einheimischen den und Governance-Ansätze rativer Projektideen gesteigert werden. Wert von Naturschutzgebieten anhand n Praktische Unterstützung und Bera- n Und zu guter Letzt kann EUROPARC von natürlichen, kulturellen und histo- tung bei der Entwicklung, Planung neue, hochwertige Online-Networking- rischen Merkmalen vermitteln. und Verwaltung von Projekten Gelegenheiten herbeiführen. 16 Online: Protected Areas In-Sight
Workshop 2 Landwirtschaft in Parks: Wie können wir mit den Landwirten und für sie eintreten? Was erwarten wir? n Sie können langfristige, vertrauens- Welche praktischen Kompe- n Für sowohl anbau- als auch umwelt- volle, auf gegenseitigen Dialogen tenzen brauchen die Mitarbeiter freundliche Methoden sind mehr basierende Beziehungen zu den Land- von Naturschutzgebieten, um Finanzmittel und größere Landflä- wirten aufbauen und sie in die diese Prioritäten umzusetzen? chen erforderlich. Entscheidungsfindung einbeziehen. n Fachkenntnisse über Landwirtschaft n Sie können Kontakte zu den „landwirt- und Umwelt; Was können Naturschutzge- schaftlichen Beratungsdiensten“ n Die Fertigkeit, landwirtschaftliche biete tun? pflegen, um das Umweltbewusstsein Promotionsveranstaltungen zu organi- n Sie können Landwirte beim Übergang und die Kooperationsbereitschaft der sieren, an denen sowohl die Verwalter zu nachhaltigen Methoden, Werbung, Landwirte zu erhöhen. von Naturschutzgebieten als auch Instrumenten und Gerätschaften Rinderherde im Regionalen Naturpark Scarpe-Escaut Landwirte teilnehmen; unterstützen. © Samuel Dhote n Kenntnisse zur Überwachung der landwirtschaftlichen Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Wie kann EUROPARC helfen? n EUROPARC kann an die verschiedenen Bedürfnisse angepasste Instrumente zur Verfügung stellen, die den prakti- schen Gegebenheiten entsprechen und anwenderfreundlich sind. n Außerdem kann die Föderation Lobbyarbeit bei den EU-Institutionen in Brüssel betreiben und n Besuche von Mitgliedern des Europäi- schen Parlaments in Naturschutzge- bieten organisieren. Warum verdienen Meeresschutzgebiete Workshop 3 besondere Aufmerksamkeit? Was erwarten wir? tegie vorgegebene Maßnahme schützt n Schulungen für Verwalter und Interes- n Die neue Biodiversitätsstrategie erfor- bekanntermaßen migrierende Spezies. senvertreter von Meeresschutzgebieten dert Maßnahmen auf drei Ebenen: zur Konfliktbewältigung; • Ausweisung von Meeresschutzge- Welche praktischen Kompe- n Umgang mit den Erwartungen der Inter- bieten tenzen und Tools zum Fähigkeits- essenvertreter, Möglichkeiten zur • Verwaltung von Meeresschutzge- aufbau brauchen die Mitarbeiter Herbeiführung eines Dialogs; bieten von Naturschutzgebieten, um n Entwicklung von Kommunikationsinstru- • Effiziente Verwaltung von Meeres- diese Prioritäten umzusetzen? menten und aktiven Lernmethoden. schutzgebieten Unterwasserwelt © Public domain pictures/Pixabay n Weitere Gelder werden benötigt, um sofortige Durchsetzungsmaßnahmen zu ermöglichen. Was können Naturschutzge- biete tun? n Große Säugetiere und Raubtiere müssen ausgewildert werden – sie spielen eine entscheidende Rolle für funktionierende Ökosysteme, und ihre Bestände sind gesunken. n Naturschutzgebiete können ökolo- gische Korridore ausweisen und konkrete Maßnahmen und Rechts- rahmen für grenzübergreifende und ökologisch verbundene Gebiete fest- legen. Diese in der Biodiversitätsstra- Kapazitätsentwicklung 17
Workshop 4 Frischer Wind: Wie können wir gemeinsam für 2030 planen? Was erwarten wir? Was können Naturschutzgebiete Welche praktischen Kompetenzen n Der Naturschutzsektor muss für tun? und Tools zum Fähigkeitsaufbau junge Leute zugänglicher und n Sie können Jugend-/Naturinitiativen werden benötigt? attraktiver werden. auch in Städten zugänglich machen. n Nutzung der entsprechenden Kommuni- n Die Berufsbilder im Naturschutz n Sie können durch Kooperationen mit kationskanäle und die Fähigkeit, sich an müssen vielfältiger werden. lokalen Schulen und Universitäten neue Kanäle anzupassen; n Es müssen kreative Lösungen aufklären, sensibilisieren und neue n Änderung der Denkweise: Man muss erarbeitet werden – von jungen Möglichkeiten erschaffen und aufzeigen. darüber nachdenken, wie Jugendliche in Leuten für junge Leute. n Außerdem können Naturschutzgebiete Projekte/Aktivitäten einbezogen werden attraktive Outdoor-Aktivitäten für junge können, bevor diese starten, und das zu Menschen anbieten und über Influencer einem automatischen Vorgang machen. Neue Fähigkeiten erlernen beim internationalen Jugend-Camp © Federico Minozzi bewerben. Wie kann EUROPARC helfen? n EUROPARC kann bereits existierende Initiativen zum Thema Jugend und Umwelterziehung, wie die Junior Ranger, Youth+ und das Jugendmanifest, nutzen und Werbung dafür machen. n Die Föderation kann sich neue Möglich- keiten überlegen, wie man in Zeiten von COVID-19 auf junge Leute zugeht. n Außerdem kann sie (durch Umfragen oder Online-Portale) ermitteln, was die jungen Leute von den Parks erwarten und erhoffen, um besser auf ihre Bedürfnisse einzugehen. EUROPARC könnte eine einheitliche Umfrage für die Mitglieder erstellen. Nachhaltiger Tourismus: Sind wir bereit Workshop 5 für Ökotourismus als die neue Art des Reisens? Welche praktischen Kompe- Dienste vor Ort durch die Parkbe- Was muss sich an der Governance tenzen brauchen Natur- hörden mit Informationen über den und Verwaltung von Natur- schutzgebiete, um sich an die Park, da die Unternehmen über das schutzgebieten ändern? neue Situation anzupassen? gesamte Reiseziel Bescheid wissen n Die maximale Besucheranzahl muss, vor n Kreative und innovative Denkweisen müssen; allem an den Hotspots, begrenzt werden. sowohl für Besucherzentren als auch n Wissen, wie mit Menschen mit beson- n Die Kommunikation muss besser werden. Verwalter, um auf mögliche zukünf- deren Bedürfnissen umzugehen ist; n Mit zunehmenden Besucherströmen tige Krisen vorbereitet zu sein; n Darlegung der Umwelt- und Traditi- sollte die Verwaltung sich auf die Nach- n Gute Kommunikations- und Sozial- onsaspekte als Leitfaden für Unter- haltigkeit konzentrieren und ihr den kompetenzen, um die Menschen nehmen. Vorrang vor den Touristen einräumen. besser zu verstehen; Schulungen zur Pflanzaktion © Delta Polet Vermeidung zwischenmenschlicher Konflikte; Nutzung von IT, um Infor- mationen in Echtzeit zu verbreiten; n Kenntnisse über den Umgang mit neuen Zielgruppen (insbesondere Besucher aus dem Inland) und Kenntnisse ihrer Bedürfnisse. Welche Kompetenzen benö- tigen die Dienste vor Ort (meist Privatunternehmen)? n Ein anspruchsvolles Image der nach- haltigen Unternehmen und des Parks selbst – Unterstützung der 18 Online: Protected Areas In-Sight
Wie können sich Naturschutzgebiete an Workshop 6 den Klimawandel anpassen? Was muss bei der Verwaltung Welche Herausforderungen und Welche Tools zum Aufbau von von Naturschutzgebieten Chancen ergeben sich für Fähigkeiten und Schulungs- berücksichtigt werden? Naturschutzgebiete? programme wären hilfreich? n Bei der Planung sind Unsicherheiten n Der Klimawandel setzt die ohnehin n Orientierungshilfen oder Methoden als gegeben hinzunehmen. schon zerbrechlichen Ökosysteme zur Einbeziehung des Klimawandels n Globale Klimawandeltrends können zusätzlich unter Druck. in die Managementpläne von Natur- mit lokalen Besonderheiten über- n Er bringt weitere Komplikationen und schutzgebieten. Diese sollten die wunden werden. Unsicherheiten mit sich und erfordert Durchführung von Gefährdungsbe- n Die Gemeinden sollten von Anfang neue Kompetenzen. urteilungen und die Erarbeitung von an in die Planung einbezogen n Der Klimawandel bietet aber auch eine Anpassungsplänen und - werden, damit sowohl innerhalb als gemeinsame Basis für die Zusammenar- maßnahmen unterstützen; auch außerhalb eines Gebietes beit mit verschiedenen Interessenvertre- n Wissen und Fachkenntnisse über das gemeinsam Lösungen zum beidersei- tern und für eine bessere Implemen- Klima in der Vergangenheit, Gegen- tigen Vorteil entwickelt werden tierung von Naturschutzmaßnahmen in wart und Zukunft und dessen können. und um Naturschutzgebiete herum. Auswirkungen auf Schutzaspekte wie Spezies und Lebensräume; n Entwicklung von Ansätzen zur Unter- stützung und Einbeziehung anderer Schutzgebiete durch Networking- Gelegenheiten und den Austausch von Best Practices. Klimademo © Dominic Wunderlich Laden Sie die Präsentationen aus den Workshops herunter. Kapazitätsentwicklung 19
Biodiversitätsstrategie Von Humberto Delgado Rosa die Rolle der Naturschutzgebiete für Leiter der Abteilung Naturkapital, DG Umwelt, Europäische Kommission „Mehr Raum für die Natur in unserem Leben“ Naturschutzgebiete spielen in jeder Natura 2000 umfasst mittlerweile fast auf der ganzen Welt. Des Weiteren werden Strategie zum Schutz und zur Wieder- 28.000 Stätten und bedeckt damit mehr als diverse bedrohte oder endemische Spezies herstellung der Natur und Artenvielfalt 18 Prozent der europäischen Landfläche und Lebensräume in den EU-Naturschutz- eine entscheidende Rolle. Zudem tragen der EU-27 und gut 9 Prozent der Meeres- richtlinien nicht geschützt. sie, vor allem auf lokaler Ebene, zum fläche. Während Natura 2000 an Land fast Lebensunterhalt der Menschen bei. Gut lückenlos ist, gibt es auf See noch etliche Daher schlägt die Kommission in der im geführte Naturschutzgebiete bieten uns Lücken bei den ausgewiesenen Schutzge- Mai 2020 veröffentlichten Biodiversitäts- wesentliche Ökosystemdienstlei- bieten. Zwar wurden bei der Festlegung strategie für 2030 ein ehrgeiziges Ziel vor: stungen, Freizeitaktivitäten und Schutz von Schutzzielen und -maßnahmen schon Mindestens 30 Prozent der Land- und vor den Folgen von Naturkatastrophen. große Fortschritte erzielt, aber es gibt noch Meeresflächen der EU sollen unter Natur- Diese Dienstleistungen wurden für immer etliche Defizite. schutz gestellt und angemessen geführt Natura 2000, das EU-weite Netzwerk werden und eindeutige Schutzziele und - aus Naturschutzgebieten, auf bis zu 300 EU-Vorgabe für Naturschutzge- maßnahmen verfolgen. Darüber hinaus soll Milliarden Euro pro Jahr beziffert. biete nach der neuen Biodiversi- mindestens ein Drittel dieser Bereiche (also tätsstrategie 10 Prozent an Land und auf See in der EU) unter strengem Schutz stehen. Bis 2030 Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die sollen diese Naturschutzgebiete ein Natur mehr Platz benötigt, um zu zusammenhängendes, europaweites gedeihen – nicht nur in der EU, sondern Naturnetzwerk aus den Natura 2000- Die Machbarkeit der hydrologischen Wiederherstellung von sauren Mooren und Torfmooren wurde in vielen LIFE-Projekten erfolgreich demonstriert. © Frank Vassen 20 Online: Protected Areas In-Sight
Ein Buchenwald in einem Natura 2000-Gebiet in Belgien. Solche alten Wälder sind sowohl für die Artenvielfalt als auch für die Bindung und Speicherung von Kohlenstoff wichtig. © Frank Vassen Stätten und nach nationalen Regelungen Vielfalt sowie die Begrünung von Städten 30/10 Prozent für 2030 nach biogeografi- ausgewiesenen Naturschutzgebieten zu den EU-Naturschutzzielen 2030 schen Regionen und Meeresbecken aufzu- bilden. Außerdem werden die Kommission beitragen können. teilen. Außerdem weist es darauf hin, dass und die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, wir herausfinden müssen, welche der herauszufinden, wie und in welchem Das Ziel erfordert weitere Klarstellungen, gegenwärtigen nationalen Naturschutzge- Umfang weitere wirksame gebietsbezo- was für Gebiete, welche Verwaltungs- biete (zusätzlich zu Natura 2000) auf die gene Schutzmaßnahmen gemäß Definition formen und welcher rechtliche Schutz- Ziele angerechnet werden können. im Übereinkommen über die biologische status zählen und was die einzelnen Mitgliedstaaten tun müssen. Es gibt bereits Die aktuellen verfügbaren Daten zur etliche wissenschaftliche Daten wie die EU- Flächenabdeckung durch Naturschutzge- und nationalen Roten Listen der Spezies biete zeigen, dass bei den zusätzlichen und Lebensräume, Key Biodiversity Areas, Ausweisungen vor allem weitere Meeres- Important Bird Areas usw., mit deren Hilfe schutzgebiete und Gebiete unter strengem Gebiete mit einem hohen Artenvielfaltspo- Schutz im Mittelpunkt stehen sollten. tenzial, vor allem terrestrische Ökosy- Damit bei den Meeresschutzgebieten das steme, ermittelt werden können – selbst in Ziel erfüllt werden kann, muss die Erarbei- den äußersten Randlagen der EU. tung von Verzeichnissen der Meereslebe- wesen und -lebensräume unbedingt Die Kommission veröffentlichte kürzlich beschleunigt werden, um die am besten einen ersten Entwurf ihrer Leitlinien für die geeigneten Gebiete zu bestimmen. Mitgliedstaaten zu den Kriterien für zusätzliche Ausweisungen. Dieser Entwurf Die Kommission wird ihren Dialog mit den wurde beim Treffen der Expertengruppe Mitgliedstaaten und Interessenvertretern für Naturschutzrichtlinien am 22. Oktober über die Umsetzung der Ziele für Natur- 2020 mit den Mitgliedstaaten und Interes- schutzgebiete vertiefen – auch durch den senvertretern besprochen, um ihre biogeographischen Prozess der EU, bei Meinungen und Anmerkungen zu dem regelmäßig nationale und regionale sammeln und beim Erarbeiten der endgül- Behörden, NGOs und Landnutzer zusam- tigen Leitlinien 2021 zu berücksichtigen. menkommen, um über die Implementie- rung von Zielen zu sprechen und eine Die Leitlinien weisen noch einmal darauf transnationale Zusammenarbeit und hin, dass die bestehenden rechtlichen einheitliche Maßnahmen über Landes- Verpflichtungen erfüllt werden müssen, grenzen hinaus in die Wege zu leiten. indem die noch offenen Ausweisungen von Gemäß EU-Biodiversitätsstrategie wird eine Natura 2000-Stätten abgeschlossen und Peer-Review der Fortschritte im Hinblick die Verwaltungen der vorhandenen Stätten auf die Ausweisung neuer Naturschutzge- verbessert werden. Das Dokument enthält biete durchgeführt, damit die Bemü- eine erste Definition für „strengen Schutz“ hungen gesteigert und die Ziele bis 2030 und empfiehlt, die Schutzgebietsziele von erreicht werden. EU-Politik 21
Die Strategie Von Stefania Petrosillo „Vom Hof auf den Tisch“ Fachreferentin bei der Föderation EUROPARC und ihre Bedeutung für Naturschutzgebiete Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ (Farm to Fork Strategy, F2F) wurde im Die Zielsetzungen und die Implementierung der Mai 2020 von der Europäischen F2F-Strategie sind für die europäischen Naturschutz- Kommission veröffentlicht. Sie bildet gebiete von besonderem Interesse. Nachhaltige den Mittelpunkt des Green Deal der EU Landwirtschaft und Fischerei in Naturschutzge- und soll die Lebensmittelsysteme fair, bieten können als Vorbild für die Gewinnung gesund und umweltfreundlich machen sicherer, nahrhafter und hochwertiger Produkte und die gesamte Lebensmittel-Wert- dienen. Naturschutzgebiete können eine wichtige schöpfungskette einer genauen Über- Rolle bei der Umsetzung der EU-Strategie „Vom Hof prüfung unterziehen, um jeden auf den Tisch“ übernehmen. einzelnen Schritt von der Produktion bis zum Verzehr nachhaltiger zu gestalten. EUROPARC glaubt fest an eine mögliche Verbin- dung zwischen dem Erhalt der Artenvielfalt und Die F2F-Strategie wurde am gleichen Tag nachhaltiger Landwirtschaft und Fischerei zum wie die EU-Biodiversitätsstrategie veröf- beiderseitigen Vorteil. Die Unterstützung einer fentlicht und verdeutlicht die Zusammen- solchen Verbindung verbessert den Status der Land- Fes hänge zwischen Artenvielfalt und wirte und Fischer, indem ihre Bemühungen um eine t © a de Landwirtschaft. naturschutzgerechte Ausübung ihrer Tätigkeiten Pa l Br olo ov Da eda gewürdigt und lokale, wertvolle und nachhaltige Po r zzo Um ihre (in der Grafik zusammenge- Produkte beworben werden. fassten) Ziele zu erreichen, schlägt diese Strategie einige konkrete und für die Natur Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ bestätigt die sehr bedeutsame Ziele vor: untrennbaren Zusammenhänge zwischen gesunden Menschen, gesunden Gesellschaften n Der Einsatz von chemischen Pestiziden – und einem gesunden Planeten. Naturschutzgebiete und dadurch auch das damit einherge- haben vor allem die Aufgabe, gesunde Lebens- hende Risiko – soll bis 2030 insgesamt räume zu sichern, und spielen damit eine entschei- um 50 Prozent gesenkt werden, ebenso dende Rolle bei der Umsetzung der F2F-Strategie. der Einsatz von gefährlichen Pestiziden. n Mindestens 10 Prozent der Landwirt- schaftsflächen sollen wieder Land- schaften mit einer hohen Vielfalt werden. n Bis 2030 soll auf 25 Prozent der EU-Landwirtschaftsflä- chen biologischer Anbau betrieben werden. Auch die Menschen sind ein wesentlicher Bestand- teil der F2F-Strategie. Die Strategie basiert auf dem Wunsch nach einer partner- schaftlichen Zusammenar- beit zwischen allen Beteiligten, durch die vor allem der Status der Landwirte und Fischer in der Lebens- mittel-Wertschöpfungskette verbessert werden soll. 22 Online: Protected Areas In-Sight
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