Humanité - Die Not der ältesten Generation - 3 | 2021 - Schweizerisches Rotes Kreuz
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Humanité 3 | 2021 Moldawien Die Not der ältesten Generation Resilienz Wie Kinder Schlimmes besser überstehen Ergotherapie bei Long Covid Hilfe für den langen Weg zurück in den Alltag Kampf gegen Covid-19 in Bangladesch Millionen brauchen wieder ein Einkommen
Gemeinsam für eine nachhaltige Entwicklung Das Schweizerische Rote Kreuz engagiert sich für die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, besonders für 11 dieser Ziele. Beispiele dafür finden Sie in dieser Ausgabe. Erfahren Sie mehr zu den Zielen ➔ report.redcross.ch 4 REPORT – Moldawien Die Not der ältesten Generation Impressum Hilfe für das ärmste Land Europas Humanité 3/2021 August 2021 1 2 3 10 11 ISSN 1664-1159 12 FÜR SIE DA – Ergotherapie bei Long Covid Foto Titel- und Rückseite: Chişlari Oleg Hilfe für den langen Weg zurück in den Alltag Herausgeber: Schweizerisches Rotes Kreuz, 3 4 Rainmattstrasse 10, Postfach, 3001 Bern Telefon 058 400 41 11, info@redcross.ch, www.redcross.ch 14 BLICK ZURÜCK – Jubiläum REDOG Spenden: Postkonto 30-9700-0 50 Jahre Pioniergeist IBAN CH97 0900 0000 3000 9700 0 4 Beratung für Legate: Telefon 058 400 42 83 Adressänderungen: E-Mail an spenden@redcross.ch 16 ERLEBT – Augenmedizin im Südsudan oder Telefon 058 400 44 64 Die Kinder wieder sehen – nach 13 Jahren Blindheit Redaktionsadresse: Schweizerisches 1 3 10 Rotes Kreuz, Redaktion Humanité, Postfach, 3001 Bern, humanite@redcross.ch, www.magazin-humanite.ch 18 ENGAGIERT – Integrationsangebot Mitten unter uns Redaktion: Tanja Reusser (Redaktionsleitung), Sabrina Hinder Bereichernd für uns alle (allgemeine Kommunikation), Ursula Luder (Kommunikation Gesundheit und Integration), Katharina Schindler (Kommuni- 3 10 kation Internationale Zusammenarbeit) 22 VOR ORT – Kampf gegen Covid-19 in Bangladesch Mitarbeitende dieser Ausgabe: Franziska Bundi, Sibylle Dickmann-Perrenoud, Célia Francillon, Thomas Millionen brauchen wieder ein Einkommen Heiniger, Markus Mader, Janine Michel, Marco Ratschiller, Katrin Schöni, Dagmar Wurzbacher 1 3 10 Abo-Kosten: Das Abonnement kostet CHF 6.– pro Jahr und ist für SRK-Gönnerinnen und 24 IM GESPRÄCH – Resilienz SRK-Gönner im Beitrag enthalten. Erscheinungsweise: vier Mal jährlich Wie Kinder Schlimmes besser überstehen Sprachen: Deutsch, Französisch und Italienisch 3 10 Gesamtauflage: 130 929 Bildrechte aller Fotos ohne Hinweis: Schweizerisches Rotes Kreuz 26 EINBLICK – Quarantänezentren in Laos Übersetzungen: Übersetzungsdienst SRK Das Nötigste zum Ausharren Layout, Lektorat und Druck: Vogt-Schild Druck AG, Derendingen 1 2 Nächste Ausgabe: Dezember 2021 29 KREUZ & QUER Rezept/Rätsel/Cartoon Drucksache myclimate.org/01-21-792201 Für Humanité wird ausschliesslich Recyclingpapier verwendet, das aus 100 % Altpapier hergestellt wur- de. Dies schont Ressourcen und somit die Umwelt. 2 Humanité 3/2021
E D ITOR I A L © Ruben Ung Verlässlichkeit und Menschlichkeit passen zusammen Liebe Leserin, lieber Leser Wer sich nicht selbst um die Liebsten kümmern kann, möchte wenigstens die Gewissheit, dass jemand anders gut für sie sorgt. Töchter und Söhne, die ihre be- tagten Eltern in Moldawien wegen einer Arbeit im Ausland zurücklassen müssen, haben diese Gewissheit häufig nicht. Noch gibt es in unseren Programmländern zu viele ältere, hilfsbedürftige Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen sich selbst überlassen ihren Lebensabend verbringen. Was wir in Moldawien anstreben, ist ein ähnliches Modell, wie wir es hier in der Schweiz haben: Viele Freiwillige engagieren sich mit grosser Verlässlichkeit für hochbetagte oder kranke Menschen. Ergänzt wird ihr Engagement durch profes sionelle Hauspflegedienste. Das SRK hat in der Schweiz ein Angebot zur Entlastung von pflegenden Angehöri- gen und von Familien. Die Dienstleistungen der Rotkreuz-Kantonalverbände kön- nen eine familiäre Notsituation entschärfen und die Entwicklung von betroffenen Kindern nachhaltig positiv beeinflussen. Zu diesem Thema empfehle ich Ihnen gerne den Beitrag von Seite 25. Mit herzlichen Grüssen Thomas Heiniger Präsident des Schweizerischen Roten Kreuzes PS: Kurzfristig erhalten wir aus Bangladesch den Beitrag von Seite 22. Unsere Mitarbeiterin schildert, wie sich die Armut wegen Corona dramatisch verschlim- mert. Der rechtzeitige Erfolg der Impfkampagne ist entscheidend, um eine noch gravierendere Katastrophe zu verhindern. Humanité 3/2021 3
Moldawien Die Not der ältesten Generation Mit Unterstützung des SRK-Delegierten Viorel Gorceag gelangt der 91-jährige Ion Dascal auf die Terrasse. In Moldawien leben viele ältere Menschen sich selber überlassen in extre- mer Armut. Jüngere Angehörige, die ihnen im Alltag helfen könnten, arbeiten häufig im Ausland. Das Schweizerische Rotes Kreuz (SRK) ermöglicht den Hauspflegedienst für Pfle- gebedürftige und fördert die Selbsthilfe von Seniorengruppen. TEXT: CÉLIA FRANCILLON FOTOS: CHIŞLARI OLEG Humanité 3/2021 5
R E PO RT E ugenia Jelihovschi zupft ihr Foulard zurecht und wirft einen letzten Blick in den Spiegel, bevor sie das Haus ver- lässt. Wie jede Woche begibt sich die 76-Jährige zur Seniorengruppe Roman- tica in Corpaci, einem 1000-Seelen-Dorf im Norden Moldawiens. Es regnet in Strömen, aber nichts kann ihre Energie bremsen: Sie kann es kaum erwarten, ihre Landsleute zu treffen, um der Ein- samkeit zu entfliehen. Sie will sich nütz- lich fühlen, indem sie anderen hilft. Das Leben von Eugenia Jelihovschi war nicht rosig. Vor 20 Jahren starb ihr Mann an den Folgen von Diabetes. Ihre Arbeit © Chişlari Oleg als Rumänisch- und Französischlehrerin musste sie aus gesundheitlichen Grün- den aufgeben. Sie leidet an Bluthoch- druck, Arteriosklerose und Hepatitis C. «Ich habe begonnen, auf mich acht zu berufliche Perspektiven, eine marode In- lebenden Mann gut und er kann trotz geben. Viele meiner Leiden habe ich frastruktur, tiefe Löhne – es gibt zahlrei- seines Handicaps zu Hause leben. Denn mit Heilkräutern kuriert. Dank dem In- che Gründe für diesen Exodus», erklärt er ist geistig fit und lässt den Kopf nicht ternet habe ich mein Wissen vertieft. Viorel Gorceag, SRK-Delegierter in Mol- hängen: «Mein Traum ist es, einen elek Meine Tochter hat mir gezeigt, wie ich dawien. Viele Seniorinnen und Senioren trischen Rollstuhl zu haben. Dann könn- es nutzen kann.» Jetzt ist sie aber allei- bleiben also alleine zurück, ohne Ange- te ich rund um mein Haus fahren.» ne: Ihre Tochter ist zum Arbeiten nach hörige, die sie begleiten. «Zudem hat Griechenland gezogen und ihr Sohn ist die Pandemie die Einsamkeit der Senio- Soziale Benachteiligung in Deutschland. rinnen und Senioren verstärkt und dazu Liubovi Pilipetcaia (84) arbeitete ihr Le- geführt, dass die Einkommen generell ben lang auf Kolchosen in der ehema- Abwanderung junger Menschen gesunken sind», ergänzt der Delegierte. ligen Sowjetunion. Ihr Körper trägt die Das ist die traurige Realität der älteren Viele Menschen haben ihre Stelle verlo- Spuren dieser harten Arbeit. Da sie seit Menschen in Moldawien: Die Jungen ren. Es war nicht mehr möglich, im Aus- acht Jahren verwitwet ist, erhält sie eine verlassen das Land, um in Europa oder land Arbeit zu suchen. Ältere Menschen Russland Arbeit zu suchen. «Fehlende leiden erst recht unter einer schwierigen «Die Pandemie hat die Einsam- Lebenssituation: Ihre Renten sind mager keit der Seniorinnen und und das Gesundheitssystem schwach. Senioren verstärkt und dazu Seit Victor Gașco als Dreijähriger von geführt, dass die Einkommen einem Auto angefahren wurde, leidet generell gesunken sind.» der heute 65-Jährige unter einem Mus- kelschwund an den Beinen. Er erhält bescheidene finanzielle Unterstützung monatlich 80 Euro Rente. Seit die Eltern von ihren vier Kindern. Sie sieht sie je- und der Bruder verstorben sind, lebt doch fast nie. Eine Pflegefachfrau von er allein im Elternhaus im Dorf Hitresti, CASMED besucht sie täglich. Sie ist vor zwei Stunden nördlich der Hauptstadt sechs Monaten schwer gestürzt und Chișinău. Sein Alltag mit der körperli- war lange bettlägerig. Mittlerweile geht chen Einschränkung ist unvorstellbar es ihr besser. «Alina Draganel massiert schwer. Das Haus hat weder eine Toilet- mich und macht mit mir Bewegungs- te noch fliessendes Wasser. Er kann sich übungen. Ich hoffe, dass ich mich bald nur mit grosser Mühe in seinem Haus ohne Hilfe bewegen kann.» fortbewegen, was ihn viel Zeit und Ener- Alle Rentnerinnen und Rentner Molda- gie kostet. Wenigstens kann er nun den wiens profitieren von einer Krankenver- © Chişlari Oleg Hauspflegedienst von CASMED nützen, sicherung, die durch den Staat gedeckt der vom Schweizerischen Roten Kreuz wird. Doch nur für rund 20 % der hilfs- (SRK) unterstützt wird. Mehrmals pro bedürftigen Personen zahlt die Kranken- Die Seniorengruppe ist tatkräftig und Woche hilft ihm Valentina Donighevici versicherung den dringend benötigten kreativ, um Betagte zu unterstützen im Haushalt. Der Kontakt tut dem allein- Hauspflegedienst. «Das SRK hilft älte- 6 Humanité 3/2021
REPORT Eugenia Jelihovschi beim Folkloretanz: Das vielfältige Freizeitprogramm der Seniorengruppe bewahrt die allein- lebende 76-Jährige vor Einsamkeit Die 84-jährige Liubovi Pilipetcaia ist der Pflegefach- frau von CASMED © Chişlari Oleg sehr dankbar für die Pflege, die sie nach ihrem schweren Sturz erhalten hat ren Menschen, die ohne Unterstützung nicht in Würde leben könnten», erklärt Viorel Gorceag. Zudem setzt sich das Rote Kreuz für eine gerechtere Vertei- lung der Krankenkassengelder ein. Das SRK unterstützt die lokalen Behörden dabei, Dienstleistungen aufzubauen, die auf ältere Menschen zugeschnitten sind. Zum Beispiel den wichtigen Hauspflege- dienst. Zudem setzt sich das SRK dafür ein, dass längerfristig die Finanzierung der Gesundheitsversorgung nachhaltig sichergestellt werden kann. Dies mit dem Ziel, dass CASMED finanziell unabhängig © Chişlari Oleg wird. Engagierte Seniorengruppen Ion Dascal wirkt noch immer wie ein Ohne den Hauspflegedienst könnte Victor Gașco nicht allein wohnen – er freut sich, dass Viorel Gorceag ihm heute hilft, mit dem Rollstuhl in den Garten zu gelangen schneidiger Cowboy. Doch er ist 91 und erhält keinerlei Unterstützung. Zum Glück kann er auf Eugenia Jelihovschi gagement: «Ich verbringe viel Zeit in der niorengruppen durch eine eigene Mit- zählen. Sie besucht ihn mit zwei ande- Gruppe. Wir wollen älteren Menschen telbeschaffung. ren Mitgliedern der Seniorengruppe helfen, denen es weniger gut geht als Zum Glück musste CASMED die Besuche Romantica. Die drei bringen ihm einen uns.» Zudem haben die Mitglieder in bei pflegebedürftigen Seniorinnen und Sack mit Lebensmitteln und trinken zu- den letzten Jahren realisiert, wie sie sich Senioren trotz der Corona-Pandemie sammen Tee. mit politischem und sozialem Engage- nicht einstellen. Und die Mitglieder von Seniorengruppen sorgen für soziale ment im Dorf selber helfen können. Vio- Romantica sind während der Pandemie Kontakte und setzen sich aktiv ein, um rel Gorceag freut sich darüber sichtlich: telefonisch in Kontakt geblieben. Stets die Situation der älteren Menschen in «Durch unsere Unterstützung lernen die angetrieben durch die Lebenskraft von Moldawien zu verbessern. Romantica Seniorengruppen immer besser, wie sie Eugenia Jelihovschi: «Die Pandemie hat wurde 2017 gegründet und bietet sei- ihre Bedürfnisse gegenüber den lokalen mich Gott sei Dank nicht getroffen. Ich nen Mitgliedern Tanz, Gesang, Spiele Behörden vertreten können. Zum Bei- stärke weiterhin mein Immunsystem, sowie Informationsanlässe zum Corona- spiel fordern sie, dass an einer Bushal- bekämpfe Krankheiten mit Heilkräutern virus. Die Mitglieder engagieren sich zu- testelle eine Sitzbank installiert wird.» und halte die Schutzmassnahmen ein.» dem gemeinnützig. Sie besuchen hilfs- Sinnvolle und nachhaltige Massnahmen Optimistisch meint sie: «Ich bin sicher, bedürftige Menschen wie Ion Dascal. unterstützt das SRK mit bis zu 30 %. Den dass alles gut wird!» Eugenia Jelihovschi hilft das soziale En- restlichen Aufwand finanzieren die Se- ➔ redcross.ch/moldawien Humanité 3/2021 7
R E PO RT Moldawien Hilfe für das ärmste Land Europas Die Abwanderung der Jungen ist in mehrfacher Hinsicht problematisch für das kleine ost- europäische Land. Um die Not in Moldawien zu lindern, unterstützt das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) lokale Organisationen beim Aufbau eines Haus- und Pflegedienstes, der für alle erschwinglich ist. Sie besuchen kranke und behinderte Menschen regelmässig und bieten eine medizinische Grundversorgung. TEXT: CÉLIA FRANCILLON D as Leben in Moldawien ist von Ar- mut geprägt. Auf dem Land muss das Wasser meistens beim Brunnen ge- te die Bevölkerungszahl der ehemaligen Sowjetrepublik bis 2050 auf weniger als zwei Millionen schrumpfen. 35 % der wandern die jungen Menschen ins Aus- land ab, um eine Arbeit zu suchen. Der Mangel an Fachkräften ist entsprechend holt werden, die Toiletten befinden sich gross, besonders im medizinischen Sek- auf dem Hof. Im Winter stellt das Heizen Es wird befürchtet, dass die tor. Obwohl 2004 eine obligatorische der schlecht isolierten Häuser eine He- Coronakrise eine Rezession in Krankenkasse eingeführt wurde, wird rausforderung dar. Wer krank und ge- Moldawien auslösen wird. zahlreichen hilfsbedürftigen Menschen brechlich wird, gerät rasch in grosse Not. der dringend benötigte Hauspflege- Seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 Bevölkerung Moldawiens werden dann dienst nicht bezahlt. In einem Land, in ist die Bevölkerungszahl Moldawiens von über 60 Jahre alt sein. Wegen tiefen dem verhältnismässig viele ältere Men- 4,3 Millionen auf 3,3 Millionen gesunken. Löhnen, der mangelhaften Infrastruktur schen leben, ist dies ein grosses Problem Wenn sich diese Tendenz fortsetzt, könn- und fehlenden beruflichen Perspektiven der öffentlichen Gesundheit. Von der demografischen Entwicklung betroffen ist auch das Rentensystem: Die Zahl der einzahlenden Personen nimmt ab, wäh- rend die Zahl der pensionierten Personen steigt. Zudem wird befürchtet, dass die Corona-Pandemie 2021 eine Rezession auslösen wird. Wegen der Coronakrise haben zahlreiche Moldawierinnen und Moldawier ihre Stellen im Ausland ver- loren, während andere ihr Glück im Aus- land erst gar nicht versuchen konnten. Die politische Situation in Moldawien ist zurzeit stabil, aber eine Gewalteskalation ist nicht auszuschliessen. Östlich des Flus- ses Dnjestr liegt Transnistrien, ein nach wie ein separates Gebiet, wo russische Truppen stationiert sind. Transnistrien gilt zwar als unabhängig, wurde jedoch von keinem anderen Staat anerkannt und wird weiterhin von Moldawien bean- © CASMED sprucht. Seit fast dreissig Jahren bedroht der eingefrorene Konflikt die Sicherheit Ausserhalb der Städte haben die meisten Häuser kein fliessendes Wasser – das Wasser für des Landes. den gesamten Haushalt muss wie hier mit einem Eimer aus der Tiefe geholt werden ➔ redcross.ch/moldawien 8 Humanité 3/2021
REPORT KURZ BEFRAGT Eine Mitarbeiterin vom Hauspflege- ALEXANDRA PAPIS dienst besucht Die Programmverant- ihren Klienten mit wortliche für Molda- dem Fahrrad – un- wien ist in der IZ SRK © Chişlari Oleg befestigte Strassen zuständig für den The- prägen das Dorfbild menbereich Gesund- in ländlichen Regi- heit und Alter. Sie hat onen ein MAS in Internatio- naler Gesundheit. WIESO ENGAGIERT SICH DAS SRK IN MOLDAWIEN? Es handelt sich um das ärmste Land in Europa, das mit zahlreichen Proble- men zu kämpfen hat. Eines davon ist die Abwanderung der Jungen ins Ausland, was zu einem gravierenden Fachkräftemangel führt, besonders im Mitglieder der medizinischen Bereich. Das Ziel unse- Seniorengruppe res Engagements ist eine Verbesserung verteilen die weni- der Lebenssituation von älteren Men- gen Lebensmittel schen. Das erreichen wir insbesondere, © Chişlari Oleg gerecht auf, um indem der Beruf der Pflegehelfenden sie zu den Bedürf- finanziert und organisiert wird und tigsten nach Hause durch die Anerkennung der Hauspfle- zu bringen gedienste. Das sind zwei Gebiete, auf denen das SRK Experte ist. APROPOS UNTERSTÜTZT DAS SRK DESHALB AUCH DEN BLUTSPENDEDIENST? DAS ENGAGEMENT DES SRK IN MOLDAWIEN Ja, auch hier verfügt das SRK über Ein würdevolles Leben für ältere Menschen ist das derzeitige Ziel der Kompetenzen, von denen Moldawien Arbeit des SRK. Das beinhaltet eine positive Einstellung zum Altern und direkt profitieren kann. Wir konnten die Integration von älteren Menschen in das Gesellschaftsleben. Das SRK bereits zur Ausbildung des Personals unterstützt Behörden darin, eine Altersstrategie zu entwickeln, die den und zur Modernisierung der Maschi- Bedürfnissen der älteren Generation Rechnung trägt. nen für die Blutverarbeitung beitra- gen. Zurzeit sind wir in der letzten Seit 2004: Winterhilfe Phase, die darauf abzielt, das mol- Das SRK unterstützt das Winterhilfe-Programm mit Suppenküchen des Molda- dawische Blutspendesystem auf den wischen Roten Kreuzes und verteilt Hygieneartikel und Lebensmittel, welche europäischen Standard zu bringen. durch die Aktion 2xWeihnachten gespendet werden. Seit drei Jahren werden mit dem Erlös der gespendeten Online-Pakete die Waren vor Ort eingekauft. WIE KANN ICH SICHER SEIN, DASS DIE HILFE BEI DEN 2008–2011: Basisgesundheit BEDÜRFTIGEN PERSONEN Die Kenntnisse von Fachpersonen im Gesundheitsbereich wurden verbessert und ANKOMMT? die Kompetenzen von Personen im Bereich der Gesundheitsförderung gestärkt. Unterstützung von Frauen für ein eigenes Einkommen. Zur Umsetzung des Pro- Wir arbeiten mit anerkannten und gramms in vier Bezirken hat das SRK mit der NGO focus.dh zusammengearbeitet. vertrauenswürdigen lokalen Akteuren zusammen, die mittels einer Ausschrei- 2014–2022: Blutspende bung ausgewählt wurden. CASMED Stärkung des Blutspendesystems im ganzen Land durch Ausbildung des Perso- ist die Referenz in Sachen Hauspflege- nals und einer Modernisierung der Infrastruktur für die Blutverarbeitung. dienste: Sie sind jung, motiviert und sehr vernetzt. Wir arbeiten mit Institu- 2014–2023: Gesundheit im Alter tionen auf regionaler und nationaler Das SRK arbeitet im Norden des Landes mit CASMED zusammen für Ebene zusammen. Dadurch können die Hauspflege und die Unterstützung von älteren Bevölkerungsgruppen. wir gezielt, effizient und nachhaltig Unterstützung auf nationaler Ebene bei der Institutionalisierung des Berufs handeln. Zudem ist unser Delegierter der Pflegehelfenden und Beitrag zur Verbesserung des Zugangs zu Haus vor Ort Moldawier. Er verfügt über ein pflegediensten. sehr gutes Netzwerk. Unsere Koordi- nationskosten sind gering. Das Geld 2018–2023: Unterstützung der Behörden im Gesundheitsbereich fliesst in Programme, welche direkt die Im Auftrag der Deza (Mandat) stärkt das SRK zusammen mit CASMED und Verletzlichsten erreichen. Moldawien HOMECARE zivilgesellschaftliche Organisationen wie Patientengruppen oder ist ein kleines Land: Mit wenig können den Verband der medizinischen Berufe. Damit sollen der Zugang zu den Ge- wir viel erreichen. sundheitsdiensten und deren Qualität nachhaltig verbessert werden. Humanité 3/2021 9
Teilhaben an humanitären Projekten. swisscanto.ch/redcross Mit dem Swisscanto (CH) Bond Fund Sustainable Global Aggregate Swiss Red Cross (ISIN: CH0511961432) kombinieren Sie eine nachhaltige Geldanlage mit der Unterstützung humanitärer Projekte. An Ihrem Anlageerfolg beteiligen Sie das Schweizerische Rote Kreuz. Fondsanteile können direkt bei Ihrer Hausbank gezeichnet werden. Diese Angaben dienen ausschliesslich Werbezwecken und stellen keine Anlageberatung oder Offerte dar. Alleinverbindliche Grundlage für den Erwerb von Swisscanto Fonds sind die jeweiligen veröffentlichten Dokumente (Fondsverträge, Vertragsbedingungen, Prospekte und/oder wesentliche Anleger- informationen sowie Geschäftsberichte). Diese können unter swisscanto.ch sowie in Papierform bei der Swisscanto Fondsleitung AG, Bahnhofstrasse 9, 8001 Zürich, kostenlos bezogen werden.
KU R Z & BÜ N D I G Neu im Rotkreuzrat ■ Die 27-jährige Freiburgerin Aline Mul- ler ist seit ihrem sechsten Lebensjahr en- gagierte Samariterin und übernahm in der Samariterbewegung verschiedene Nothilfe nach Vulkanausbruch im Kongo Aufgaben und Ämter. Im Rotkreuzrat will ■ Ein Vulkanausbruch im Osten der De- Regina Wenk leitet junge Freiwillige an sich die Ökonomin stark machen für eine mokratischen Republik Kongo hat mehr beim Bau von Unterkünften für ein pro- Vernetzung der Generationen, Regio- als 400 000 Menschen in die Flucht ge- visorisches Camp. Zwei Logistiker des nen und Organisationen. Sie ist bestens trieben. Viele von ihnen haben durch SRK koordinieren den Einkauf des Bau- vernetzt in der Samariterbewegung und den Lavastrom ihr Obdach verloren und holzes, vorwiegend auf lokalen Märk- in den Jugendorganisationen des SRK. werden nun vom Roten Kreuz mit dem ten. Sobald die Situation es erlaubt, keh- Aline Muller übernimmt das Amt von Nötigsten versorgt. Drei Experten des ren die betroffenen Familien an ihren Danielle Breitenbücher, die 2013 als erste SRK sind vor Ort und unterstützen die alten Wohnort zurück und bauen ihre Jugendvertreterin in den Rotkreuzrat ge- koordinierte Nothilfe der Internationa- Häuser mit Unterstützung des Roten wählt wurde. len Rotkreuz-Bewegung. Die Architektin Kreuzes wieder auf. B2Mission und B2Run: Aktive Mitarbeitende für einen guten Zweck ■ ««B2Mission B2Mission hat unseren guten Team- gagierten, sportlichen Mitarbeitenden ha- Herbst Unternehmen in Bern, Basel, Zü- geist noch verstärkt und die Mitarbeiten- ben wir mit dafür gesorgt, dass mit B2Mis- rich, St. Gallen und Zug in Bewegung. den von unserem Velokurierdienst fan- sion insgesamt 3500 Franken an Spenden Dabei wird ein Teamerlebnis geschaffen den es spannend, teilzunehmen», erzählt für das SRK zusammengekommen sind. und für einen guten Zweck gelaufen. Für Manuel Wiesner, Co-Geschäftsführer der Unsere FWG-Foundation hat dies animiert, jede Läuferin und jeden Läufer spendet Familie Wiesner Gastronomie (FWG) und zusätzliche 1000 Franken zu spenden.» B2Run einen Franken an das SRK! Teilzeit-Velokurier (links auf dem Foto). Nach B2Mission folgt B2Run B2Run!! Der ➔ b2run.ch Zum Familienunternehmen gehören in Schweizer Firmenlauf bringt diesen der Deutschschweiz mehrere Restaurants wie beispielsweise Nooch Asian Kitchen Bar. Die Restaurants lie- und Negishi Sushi Bar. fern ihre Mahlzeiten mit einem eigenen Velokurierdienst aus. Auch deshalb hat FWG entschieden, an der B2Mission Red Cross Trophy mitzumachen. Pro Kilometer zu Fuss oder per Velo haben freiwillig teil- nehmende Mitarbeitende Punkte zusam- © Familie Wiesner Gastronomie mengetragen. «Es machte richtig Spass, die eigenen Fortschritte und die Erfolge des Teams über die App mitzuverfolgen», so Joe, ein Velokurier. Manuel Wiesner, der selber auch einige Punkte mit Velofahren beigetragen hat, meint: «Dank unseren en- Humanité 3/2021 11
F Ü R SIE DA Ergotherapie bei Long Covid Hilfe für den langen Weg zurück in den Alltag Eine 41-jährige Frau leidet seit einem halben Jahr an den Spätfolgen des Coronavirus, dem sogenannten Long Covid. Ergotherapeutin Mirjam Busch vom SRK Graubünden leistet Pio- nierarbeit, um Menschen wie sie zu unterstützen. Dank ihrem ergotherapeutischen Wissen und ihrer Erfahrung erleichtert sie Betroffenen den Weg zurück ins normale Leben. TEXT: KATRIN SCHÖNI FOTOS: ZUR VERFÜGUNG GESTELLT D ie Ostschweizerin* sitzt vor dem Computer und will Zahlen von ei- nem Gutscheincode eintippen. Sie kann die Zahlen zwar lesen, aber nicht verar- beiten: Ihr Gehirn streikt. «Es ist schwie- rig zu verstehen, was da gerade mit mir passiert», sagt sie. Vor nicht einmal ei- nem halben Jahr machte sie noch Über- stunden als Digital Content Manager in einem grossen, internationalen Konzern und hatte wesentlich anspruchsvollere Aufgaben zu bewältigen. Im Dezember erkrankte sie an Covid-19 und litt an den üblichen Symptomen, welche das Coro- navirus auslöst. Nach zwei Wochen, wenn es Erkrankten meist besser geht, fühlte sie sich immer «Es ist schwierig zu verstehen, was mit meinem Körper passiert.» noch erschöpft. Im Februar 2021 wird klar: Die 41-Jährige leidet an Long Covid. «Wenn an Covid-19-Erkrankte zwölf Wochen nach einer Infektion immer noch an Beschwerden leiden, spricht man von Long Covid», erklärt Mirjam Busch, Ergotherapeutin des Schweizeri- schen Roten Kreuzes (SRK) Kanton Grau- bünden. Ergotherapie hilft nach Verletzungen oder Krankheiten, den Alltag zu bewälti- Die betroffene Patientin kann nicht mehr arbeiten und am gesellschaftlichen Leben teil- nehmen – ihre Katze hilft ihr, das Alleinsein auszuhalten gen. Sie unterstützt Menschen jeden Al- ters, mit einem veränderten Körper neu leben zu lernen. Auch dann, wenn das trächtigung bezeichnet. Einige Kanto- 21 Personen, die an Long Covid erkrankt Wahrnehmen und Denken nicht mehr nalverbände des SRK betreiben eigene sind. In einer aktuellen britischen Studie wie gewohnt funktioniert. Dies wird in Ergotherapiezentren wie das Rote Kreuz schätzen Forschende, dass ein Drittel al- der Fachsprache als kognitive Beein- in Chur. Mirjam Busch behandelt zurzeit ler Covid-Erkrankten betroffen sind. 12 Humanité 3/2021
FÜ R SIE DA Nebel im Hirn Die 47-jährige Ergotherapeutin beglei- tet bereits Menschen, die aus anderen Gründen an chronischer Müdigkeit leiden. Diese Erfahrung kann sie nun bei der Behandlung von Long-Covid- Erkrankten einsetzen. Nebst der Müdig- keit gehören Blutdruckschwankungen, «Ich vergesse ständig die einfachsten Sachen und verliere den Blick fürs Wesentliche.» Appetitlosigkeit und Schlafstörungen zu den Symptomen. Betroffene können Angst- und Panikstörungen entwickeln oder in eine Depression abrutschen. Auch das Phänomen «Brain Fog» ist ver- breitet. Der «Nebel im Hirn» raubt Betroffenen häufig die Konzentration. «Ich verges- Ergotherapeutin Mirjam Busch vom SRK Graubünden sucht mit der Patientin nach All- tagslösungen, die Körper und Geist fördern und nicht überforden se ständig die einfachsten Sachen und verliere den Blick fürs Wesentliche.» So beschreibt es die Patientin von Mirjam PEM kann beispielsweise kognitive Ein- erst dann die Einkäufe zu erledigen – Busch. Dieser «Brain Fog» ist der Grund, schränkungen, Fieber, Muskelschmerzen und zwar in einem langsamen Tempo. weshalb sie es nicht schafft, die Zahlen oder Erschöpfung hervorrufen. Deshalb «Ich bin dankbar für die Gespräche mit vom Gutschein abzutippen. müssen Betroffene schonend mit den vor- Mirjam Busch. Sie hat Ideen, auf die ich handenen Ressourcen umgehen. In der selber nicht kommen würde. Zum Bei- Stress vermeiden Therapie lernen sie, die PEM zu erkennen spiel Entspannungsmethoden oder der Die betroffene Frau ist seit April 2021 in und besser auf ihren Körper zu achten.» Tipp, mir für die Arbeiten im Haushalt Behandlung. «Wie ist es Ihnen in den eine Entlastung zu suchen», meint die letzten Wochen ergangen?», fragt die Arbeiten mit Lösungen Patientin zu den Tipps. «Hoffentlich ge- Ergotherapeutin.«Ich habe grosse Mühe, Diese Patientin ist in ihrem Alltag stark lingt es mir dadurch, dass ich in kleinen mich zu konzentrieren. Ich weiss Dinge eingeschränkt: Es wird Mittag, bis sie Schritten einem normalen Alltag näher- nicht mehr, die ich mir früher problem- aufstehen kann. Meistens schafft sie komme. Ich wünsche mir, dass ich eines los merken konnte. Das macht mir grosse es nach dem Duschen nicht mehr, die Tages wieder arbeiten kann.» Angst», erzählt die Patientin. Ob sie ein Haare zu föhnen. «Zum Glück ist Som- Beispiel machen könne, will Mirjam Busch mer, die Sonne ersetzt den Haartrock- Wissen weitergeben wissen. «Vor der Krankheit wusste ich ner und ich kann mich dabei ausruhen», Im Ergotherapiezentrum des SRK Grau- auswendig, wann welche Lebensmittel sagt die 41-Jährige mit einem Lächeln. bünden häufen sich die Anfragen für im Kühlschrank ablaufen. Jetzt muss ich Aufmerksam hört Mirjam Busch zu. Ziel eine Long-Covid-Behandlung. Mirjam die Daten jeden Tag überprüfen und ver- dieser Gespräche ist es, gemeinsam Lö- Busch will ihr Wissen weitergeben. Sie gesse sie dann doch wieder», erzählt sie sungen zu suchen, welche sich im All- erstellt ein Konzept für diese spezifische weiter. Mirjam Busch will wissen, welche tag umsetzen lassen. Zum Beispiel ist Therapie. Zusammen mit weiteren Ex- Aktivitäten ihre Patientin in den letzten pertinnen und Experten führt sie eine Tagen unternommen hat. «Das Energie- «Ich bin dankbar für die online Schulung für SRK-Ergotherapeu- level ist bei Long-Covid-Patientinnen und Gespräche mit Mirjam Busch. tinnen und Ergotherapeuten durch. Patienten eingeschränkt. Wie bei einem Sie hat Ideen, auf die ich selber «Diese Schulung stösst auf grosses In- Akku, der nie vollgeladen ist. Dieses Ener- nicht kommen würde.» teresse, denn Long Covid wird uns noch gielevel darf nicht überstrapaziert wer- lange beschäftigen», ist sich die Fachfrau den», weiss die erfahrene Ergotherapeu- es für diese Patientin wichtig, selber sicher. «Aber mit Ergotherapie können tin. «Eine Überforderung kann zu einer einkaufen zu gehen. Auch wenn sie da- wir den Betroffenen den Weg zurück ins Verschlimmerung der Symptome nach nach total erschöpft ist. Die Ergothera- normale Leben erleichtern.» einer körperlichen, geistigen, oder emo- peutin schlägt ihr vor, nach der Ankunft ➔ redcross.ch/ergotherapie tionalen Anstrengung führen. Dies nennt im Einkaufszentrum noch ein paar Mi- *Die Patientin möchte nicht namentlich man «Post Exertional Malaise» (PEM). Die nuten im Auto sitzen zu bleiben. Und genannt werden Humanité 3/2021 13
B L I C K Z URÜ CK Jubiläum REDOG 50 Jahre Pioniergeist Von einer kleinen Pionierorganisation zu einer tragenden Such- und Rettungsorganisation: 2021 blickt REDOG auf 50 Jahre Geschichte zurück. Die orange gekleideten Retterinnen und Retter mit ihren Hunden sind ein Symbol für die Ortung von verschütteten und vermissten Menschen geworden. TEXT: DAGMAR WURZBACHER FOTOS: REDOG W er den Initiator von REDOG, dem Schweizerischen Verein für Such- und Rettungshunde, noch kannte, spricht was sehr Schönes und Beeindruckendes.» Seine Augen leuchten. Er sorgte dafür, dass die Schweizer Armee Hundeführer Schweiz, Toni Frisch, ganz und gar nicht despektierlich, «haben fantastische Arbeit geleistet. Selbstverständlich in Zusammen- mit grossem Respekt von ihm: «Ohne Urs für die Katastrophenhilfe ausbildet. Noch arbeit mit allen beteiligten Teams.» Ochsenbein würde es REDOG nicht ge- heute können junge Menschen die Rek- 1981 gehörte REDOG zu den Gründungs- ben.» Ende der 1960er-Jahre entwickel- rutenschule als Milizhundeführerin oder mitgliedern der Rettungskette, 1984 ten Hundeführerinnen und Hundeführer -führer absolvieren. Nach Abschluss sind stiess REDOG als Rettungsorganisation die Vision, mit ihren Lawinenspürhunden sie Mitglied von REDOG. zum Schweizerischen Roten Kreuz (SRK). Menschen auch unter Trümmern zu orten. Hunde helfen und begleiten den Men- In seiner Gratulation zum Jubiläum sagt Der Pol in ihrer Mitte: Urs Ochsenbein, Publi- schen seit Jahrtausenden, doch als Ret- SRK-Präsident Thomas Heiniger anerken- zist und einer der profundesten Kenner der ter werden sie erst seit Beginn des 20. nend: «REDOG bringt viel Kompetenz ein Beziehung zwischen Hund und Mensch. Er Jahrhunderts eingesetzt: Der Lawinen- bei der Suche und Ortung, sei es mit Hun- konnte einen Hund rasch einschätzen. «Mit spürhund im Schnee, der Sanitätshund den oder technischem Know-how.» dem schaffst du es nie», konnte sein Urteil zum Aufspüren verwundeter Soldaten lauten. Oder das Gegenteil. Und er sollte und der Trümmerhund, der Menschen Die Pionierarbeit heute immer Recht behalten. Unermüdlich tüf- während des Zweiten Weltkriegs in zer- Die partnerschaftliche Zusammenarbeit telte die Gruppe an Trainingsmöglichkei- bombten Häusern aufspürte. wird angesichts der möglichen Folgen ten, karrte eigenhändig Schutt heran und «Es war Learning by Doing», erklärt Peter der Erderwärmung noch wichtiger. Die konstruierte Trümmerhaufen oder nutzte Kradolfer. Mit jedem Einsatz verfeinerten Bereichsleiterin der Verschüttetensuche, Hausabbrüche, um realitätsnah zu trainie- die Hundeführerinnen und Hundeführer Linda Hornisberger, hat erlebt, was dies ren. Wie aber entstand die Idee, Hunde für die Ausbildung. Peter Kradolfer stand mit bedeutet. Sie stand 2019 mit ihrem die Suche in Trümmern auszubilden? Peter Urs Ochsenbein bereits vor der Gründung Border Collie im Einsatz, nachdem ein Kradolfer, enger Wegbegleiter Ochsen- zweimal im Einsatz. Nach einem Unglück Gewitter einen lieblichen Bergbach in beins, meint bescheiden: «Vom Lawinen in der Sprengstofffabrik Dottikon und einen reissenden Fluss verwandelte, der kegel zum Trümmerberg: Für die Suchar- nach einem Fels-Lawinensturz im Wägi- zwei Menschen wegspülte. «Auf solche beit war es eigentlich kein grosser Schritt.» tal. Beiderorts witterten die Hunde Gary Naturereignisse, die zunehmen werden, und Ari Menschen unter Trümmern. «Das müssen wir uns vorbereiten.» Der Weg zur Rettungsorganisation bedeutete, wir waren auf dem richtigen Der Pioniergeist der Gründerzeit in Der heute 82-Jährige war erster Präsident Weg.» Bald schon trainierten in der gan- spiriert REDOG bis heute. Als eine der und Namensgeber des SVKA, des Schwei- zen Schweiz lokale Gruppen. Mit dem Zu- ersten Organisationen prüfte REDOG zerischen Vereins für die Katastrophen- sammenschluss im SVKA engagierten sich in den 1980er-Jahren zusätzlich zu den hunde-Ausbildung, wie REDOG bei der über die Sprachbarriere hinweg Deutsch- Hundenasen den Einsatz der modernen Gründung 1971 hiess. Peter Kradolfer war und Französischsprachige für die nationa- Technik mit Kameras und Horchgeräten leidenschaftlicher Ausbildner. Zuerst von le Rettungshundearbeit. 1974 schloss sich für die Suche in Trümmern. Seit fünf Jah- Lawinensuchhunden, später von Hunden der Kreis mit der Tessiner Gruppe. ren werden Drohnen zur Suche vermiss- für den Katastropheneinsatz. «Sicher, das 1985 gelang REDOG in Mexico City interna- ter Menschen im weitläufigen Gelände Laufen in Trümmern ist für Hunde nicht tional der Durchbruch. Beim Einsatz mit der eingesetzt. Dank Spenden kann REDOG einfach. Da hat es Balken, Mauerteile, Rettungskette Schweiz orteten die Hunde- den hohen Standard der Professionalität Armierungseisen, oft auch Glassplitter. teams neun Menschen lebend unter den und die Qualität stets den neuen Anfor- Doch wenn sie selbstständig hinaufklet- Trümmern. «Die Hündeler», und das meint derungen entsprechend ausbauen. tern und zu suchen beginnen – das ist et- der damalige Leiter der Rettungskette ➔ redog.ch/50-jahre-redog 14 Humanité 3/2021
1 6 11 2 7 12 8 3 13 4 9 5 10 14 1 E rster Einsatz 1969: Schäferhund Ari in den 6 1 979: Die Ausbildung des «Katastrophensuch- 11 Japan 2011: Linda Hornisberger (links) Trümmern der Sprengstofffabrik Dottikon hundes» wird offiziell in der Armee eingeführt leitet den REDOG Einsatz nach Erdbeben 2 Ohne ihn würde es REDOG nicht geben: Urs 7 J ugoslawien 1979: Urs Ochsenbein (links) und Tsunami Ochsenbein auf einer Aufnahme aus dem gibt letzte Anweisungen 12 Chamoson, Wallis 2019: Naturereignisse wer- Jahr 1984 8 Seit 1982 bildet REDOG auch Hundeteams den mit der Klimaerwärmung zunehmen 3 Gemeinsames Training mit Rettern: Peter für die Geländesuche aus 13 Zusammenarbeit: Immer wieder fliegen Kradolfer und Ari, ca. 1973 9 Nordjemen 1982: Erster Einsatz im Rahmen 12 REDOG und die Rega gemeinsam in den 4 Azoren 1974: Von Anfang an gehörten Frau- der Rettungskette Schweiz Einsatz (Nordjemen 1982) en selbstverständlich zu den Rettungsteams 10 M exico-City 1985: 9 Menschen werden 14 Die Technik unterstützt die Hundenase: 5 Friaul 1976: 16 Menschen werden gerettet. gerettet. Durchbruch für REDOG und die 1982 eingeführt, wurde die technische Der Erfolg geht durch die Weltpresse Rettungskette Schweiz Ortung stets moderner
E R L E BT Augenmedizin im Südsudan Die Kinder wieder sehen – nach 13 Jahren Blindheit Eine Mutter sieht zum ersten Mal ihre Kinder. 13 Jahre war sie blind, weil es keine Behandlungs- möglichkeit gab in ihrer Region. Die Operation im Augencamp gibt ihr das Augenlicht zurück. TEXT: FRANZISKA BUNDI FOTOS: TATJANA GERBER A dau Diing Maduol ist auf beiden Augen am Grauem Star erblindet. Die achtfache Mutter aus dem Südsudan chen das Augencamp: Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK), das Südsudanesische Rote Kreuz, die katholische Diözese von erinnert sich, dass es vor etwa 13 Jahren Wau, das Gesundheitsministerium und vor der Geburt ihres fünften Kindes pas- das Teaching Hospital von Wau. Ein Au- siert ist. Plötzlich spürte sie Schmerzen im gencamp macht Augenmedizin in abgele- linken Auge, als sie auf dem Feld arbei- genen Gebieten für alle zugänglich. Es er- tete. Ihre Sicht wurde schlechter, bis sie reicht Menschen wie Adau Diing Maduol, das Augenlicht ganz verlor. Das gleiche die unter einer heilbaren Augenkrankheit wiederholte sich auf dem rechten Auge. leiden. Denn auf dem Land, wo die Men- «Es ging mir miserabel», sagt sie. «Ich schen kein fliessendes Trinkwasser und konnte nichts mehr selber machen und keinen Strom haben, fehlt es auch an es tat sehr weh.» Zum Glück sprangen ihr einer Gesundheitsversorgung. Für rund Mann und ihre Söhne für sie im Haushalt Adau Diing Maduol ist seit 13 Jahren blind 14 Millionen Menschen im Südsudan gibt – sie wartet mit ihrem jüngsten Kind auf ein. Zwei der jüngeren Buben kümmerten dem Schoss auf die Voruntersuchung es zurzeit nur fünf Augenärztinnen und sich um ihre Mutter und übernahmen das -ärzte gegenüber 1080 in der Schweiz. Kochen. Dies, obschon in ihrer Kultur die gebar weitere drei Kinder, als sie bereits Frauen dafür zuständig sind. Die neun- blind war. «Sie nicht sehen zu können, Voruntersuchung an drei Orten und dreizehnjährigen Knaben gehen bis war sehr hart für mich.» Schnell hat sich herumgesprochen, dass heute nicht zur Schule. Die Bauernfami- ein Augencamp stattfindet. Um zu ver- lie lebt in sehr einfachen Verhältnissen Kaum augenmedizinische Versorgung hindern, dass Menschen mit nicht behan- auf dem Land. «Manchmal musste ich Ihr Schicksal wendet sich zum Guten im delbaren Augenkrankheiten von weit her Nachbarn um Hilfe bitten und ihnen et- Augencamp. Dieses wird rund 100 km anreisen, findet zuvor an drei Orten eine was zahlen, damit sie unsere Felder be- von ihrem Dorf entfernt in der Stadt Wau Triage statt. Der Andrang ist sehr gross. stellten», erzählt Adau Diing Maduol. Sie aufgebaut. Fünf Organisationen ermögli- Das Personal des Regionalspitals von Wau, Die Rotkreuz-Freiwilligen sorgen massgeblich für einen effizienten Be- Menschen, die an Augenkrankheiten leiden, werden vorgängig trieb des Augencamps und für das Einhalten von Schutzmassnahmen registriert, auch diese Aufgabe übernehmen Rotkreuz-Freiwillige 16 Humanité 3/2021
E R LE B T Patientinnen und Patienten sowie ihre Begleitpersonen warten Einige Erkrankte reisen mit dem Esel-Taxi zur Vorauswahl an bei über 40 Grad Celsius, bis sie an der Reihe sind Adau Diing Maduol sieht nach der erfolgreichen Ope- ration ihre jüngeren Kinder zum ersten Mal und ist über- glücklich Nach der Operation reisen die Men- schen mit einem Sammeltransport in ihre Dörfer zurück unterstützt von den Rotkreuz-Freiwilligen, Durchschnittlich operieren sie in zehn Stun- Camp in Wau. Sie hoffen, operiert und begutachtet über 1000 Personen mit Au- den pro Tag 56 Patientinnen und Patien- geheilt zu werden. Die Rotkreuz-Frei- genleiden. Einigen kann aufgrund ihrer Er- ten. Die Freiwilligen des Südsudanesischen willigen müssen viele von ihnen zurück- krankung nicht geholfen werden. Andere Roten Kreuzes kümmern sich um das Orga- weisen. Doch einige haben Glück und kommen auf eine Warteliste. Menschen, nisatorische: Sie helfen bei der Aufnahme bekommen einen frei gewordenen Platz. die wegen dem Grauen Star erblindet sind, der Erkrankten, zeigen ihnen, wo sie war- werden zuerst ausgewählt. Denn ihnen ten können und führen sie in den Operati- Grosser Erfolg hilft eine kurze Operation: Die getrübte onssaal. Sie sorgen dafür, dass alle die Co- Das Augencamp fand 2019 zum ersten Linse wird durch eine Kunstlinse ersetzt. So rona-Schmutzmassnahmen einhalten. Am Mal in Südsudan statt. Es ist eine Erfolgs- gewinnen sie ihr Augenlicht zurück. Adau Folgetag untersuchen die Augenärzte, wie geschichte, die in der guten Zusammen- Diing Maduol ist eine von 586 Erkrankten, arbeit von allen Beteiligten wurzelt: Dem die für eine Operation registriert werden. Täglich kommen zusätzlich Roten Kreuz, dem lokalen Gesundheits- Darunter waren neun Kinder. Sie kann ihr spontan über 600 Menschen personal und der katholischen Diözese Glück kaum fassen: «Ehrlich gesagt, hatte mit Augenkrankheiten unange- Wau, die verantwortlich ist für die Gesamt ich die Hoffnung verloren, je wieder sehen meldet zum Augencamp. organisation. Die Bevölkerung und die re- zu können, weil wir arm sind und kein Geld gionalen Behörden schätzen das Angebot haben.» gut die frisch Operierten sehen können. Sie sehr. Jürg Graf ist SRK-Programmverant- sind zufrieden mit dem Ergebnis: Nur bei wortlicher Südsudan. Er unterstreicht die 56 Operationen pro Tag einem Prozent der Operierten gibt es keine Bedeutung der Augencamps: «Sie sind Drei Augenärzte und medizinisches As- Besserung. Vier Wochen nach der Operati- sehr wertvoll, weil sie eine grosse Wirkung sistenzpersonal reisen aus der 600 km on erfolgt eine zweite Kontrolle. erzielen. Mit einer einfachen Operation entfernten Hauptstadt Juba ins temporär Der Bedarf an Augenmedizin ist sehr wird eine blinde Person sehend gemacht errichtete Augencamp. Zuerst überprü- gross in Südsudan. Dies bezeugt die lan- oder eine Seheinschränkung geheilt. Be- fen sie die Diagnose und die medizinische ge Warteliste von den Voruntersuchun- troffene können wieder arbeiten und am Verfassung von allen, die für eine Operati- gen. Zudem kommen täglich spontan sozialen Leben teilnehmen, was ein Mehr- on registriert sind. Während zwölf Tagen über 600 Menschen mit verschiedenen wert für die ganze Gesellschaft ist.» arbeiten sie im Regionalspital von Wau. Augenkrankheiten unangemeldet zum ➔ redcross.ch/augenmedizin Humanité 3/2021 17
E N GAGIERT «Ich nehme mir gerne Zeit für Ali, wenn er eine Frage hat oder wenn ich denke, dass wir etwas besprechen sollten» Integrationsangebot Mitten unter uns Bereichernd für uns alle Ursula Santner betreut als Freiwillige des SRK Kanton Zürich den 19-jährigen Ali aus dem Tschad. Die Mutter von 14-jährigen Zwillingen will Vorurteile abbauen und zeigen, dass ein solches Engagement auch im Alltag von Berufstätigen Platz findet. Sie berichtet ehrlich von ihren Erfahrungen und wie sehr dieser Einsatz bereichert. AUFGEZEICHNET VON TANJA REUSSER FOTOS: RUBEN UNG V or ungefähr drei Jahren habe ich be- schlossen, dass ich etwas weiterge- ben will. Ich suchte nach einem sinnstif- zeugt: Fremdsprachige Kinder oder junge Erwachsene besuchen wöchentlich eine deutschsprachige Familie oder Einzelper- Aela und Manolo waren einverstanden. Ich meldete mich umgehend beim SRK Kanton Zürich. Die SRK-Koordinatorin tenden Engagement, das in meinen Alltag son. Dies, um die Sprache zu erlernen und kennt die jeweiligen Jugendlichen und als berufstätige, damals alleinerziehende mehr über das Leben in der Schweiz zu kann somit einschätzen, wer zu einer frei- Mutter passt und meine Kinder mitein- erfahren. Es passt wunderbar zu den Wer- willig tätigen Person und dessen Umfeld bezieht. Zudem war es mir ein Anliegen, ten, die ich meinen Kindern mit auf den passt. Alles ist durchdacht. Ich fühlte mich die Vorurteile gegenüber Flüchtlingen Weg geben möchte: weltoffen und hilfs- gut durch das SRK vorbereitet. abzubauen. Damals arbeitete ich bei der bereit für andere da sein. Sie sollen durch Beim ersten Treffen war die Koordinatorin Credit Suisse und erfuhr so über die Zu- andere Lebensgeschichten erkennen, wie mit dabei und beantwortete unsere Fra- sammenarbeit mit dem SRK. Als ich über gut es uns geht und auch etwas beitra- gen, was für alle wertvoll und vertrauens- Mitten unter uns las, war ich sofort über- gen. Meine damals 11-jährigen Zwillinge bildend war. Die ersten Wochen gelten als 18 Humanité 3/2021
E N G AG I E R T unverbindliches Kennenlernen. Sowohl Schweiz. Er erzählt manchmal von früher wir als auch unser Gast können ohne und von seiner Flucht aus dem Tschad, wo weitere Begründung dem SRK melden, er sich gegen eine Ungerechtigkeit ge- wenn wir das Engagement nicht weiter- wehrt hat. Er beschreibt, wie es ist, wenn führen möchten. Obschon Ali fünf Jahre die Gesundheitsversorgung schlecht ist älter ist als Aela und Manolo, haben wir und wenn das Leben eines Einzelnen rasch den Zugang zueinander gefunden. abhängig ist vom sozialen Status. Ali ist Heute ist Ali 19 Jahre alt, die Zwillinge Moslem. Während des Ramadans erzählt sind 14. Als wir ihn kennen lernten, war er, wie es ihm geht und wie spannend das Ali seit ein paar Monaten in der Schweiz. sogenannte Fastenbrechen ist. Er wohnte in einer Einrichtung für unbe- Als Gast würde ich Ali längst nicht mehr gleitete Jugendliche aus Krisengebieten. bezeichnen, sondern als Familienmit- Erstaunlicherweise sprach und verstand glied. Die Zwillinge sind sehr wichtig für er damals schon recht gut Deutsch. Als er Ali, da es in seiner Situation nicht einfach volljährig wurde, konnte er einen Integra- ist, «echte» Freunde zu finden. Als wir tionskurs besuchen, in dem Basiswissen umgezogen sind, hat uns Ali ganz selbst- für bildungsferne Migrantinnen und Mi- verständlich dabei geholfen. An unserem granten vermittelt wird. Nun beginnt Ali Weihnachtsfest war er dabei. Da er kaum im August eine zweijährige Lehre zum Geld hat, um Geschenke zu kaufen, hat er eidgenössischen Berufsattest (EBA) als Rei- jedem von uns eine Weihnachtskarte ge- fenpraktiker. Das ist möglich, weil Ali von schrieben. Ich freue mich immer über eine ihm wohlgesinnten Menschen ermutigt WhatsApp-Nachricht von ihm. Manchmal wurde. Ich meine, wir alle brauchen Men- sendet er mir ein Foto von einem selbst ge- schen, die uns fördern und inspirieren. kochten Gericht, dass er mit uns gemein- Wenn ich nun zurückschaue, auf die sam gekocht hat und nun selbst probiert. letzten zweieinhalb Jahre, stelle ich fest, Das zeigt mir, wie sehr er uns vertraut. wie viel sich verändert hat. Ali hat zu uns Es gibt Momente, in denen ich ein ernstes ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Er Gespräch mit ihm führe. Dabei geht es bei- «Gute Stimmung beim Kochen – ich sehe immer wieder, wie stark die Freundschaft bezeichnet mich liebevoll als seine zwei- spielsweise um den Umgang mit Geld. Wir zwischen Ali und den Zwillingen gewor- te Mutter. Mein Sohn Manolo ist eine sprechen darüber, wie wichtig es ist, ein Ziel den ist, was mich sehr freut» Art «kleiner Bruder», obwohl sie schon zu haben und kurzfristig auf gewisse verlo- gleich gross sind. Auch die Verbindung ckende Anschaffungen zu verzichten. Das darf. Manchmal bin ich überrascht, wie mit meiner Tochter Aela ist von Herzlich- untermauere ich mit Beispielen aus mei- wenig sich die Personen und Ämter unter- keit geprägt. Ali ist in unsere Patchwork- nem eigenen Alltag. Vor Kurzem haben einander austauschen, die professionell Familienverhältnisse integriert. Meinen wir über Verantwortung und seine Pflich- mit der Integration von Ali beschäftigt ten bezüglich der Lehre gesprochen. Wir sind. Ansonsten gibt es keinen einzigen «Es ist mir wichtig, die Gräben haben gemeinsam erarbeitet, was wichtig negativen Aspekt. Ich würde mich sofort zu verringern, die sich in unserer sein wird, um das EBA erfolgreich abzu- wieder für diese Art der Integration ei- Gesellschaft auftun.» schliessen. Ali freut sich auf die physische nes Geflüchteten engagieren. Es ist mir Arbeit, aber es wird ihm voraussichtlich enorm wichtig, einen Beitrag zu leisten, Partner Tom kennt er von Anfang an, schwerfallen, den Schulstoff zu bewälti- um die Gräben, die sich in unserer Gesell- und wenn meine Kinder bei ihrem Vater gen. Seine schriftlichen Deutschkenntnisse schaft auftun, zu verringern und Vorurtei- Hans-Jürg sind, dann ist Ali auch dort ein sind noch nicht so gut. Darum suchen wir le abzubauen. Denn nur was man nicht gern gesehener Gast. eine Person für den Nachhilfeunterricht. kennt, macht Angst. Darum möchte ich Ali war immer schon sehr höflich, anfangs Er ist sich bewusst, welche Chance er be- alle ermutigen: Machen Sie mit! Engagie- eher schüchtern. Heute begrüsst er mich kommt. Wir haben die Zusage vom Lehr- ren Sie sich und seien Sie versichert – Sie wie ein Gentleman: «Hallo Uschi! Schön betrieb gefeiert und drücken ihm nun die bekommen sehr viel zurück! dich zu sehen. Wie geht es dir?» Dabei Daumen. Im Vorfeld habe ich Kontakt zu ➔ redcross.ch/mittenunteruns wirkt er älter als 19. Ali ist herzlich, res- seinem Lehrmeister aufgenommen. Das pektvoll und sehr ordentlich. Deshalb hat- gab ihm die Gelegenheit, mit mir über all- URSULA SANTNER Die 50-Jährige arbeitet te er zwischenzeitlich Mühe, sein Zimmer fällige Bedenken zu sprechen. als Business Managerin mit einem anderen Flüchtling zu teilen. Er Ich spüre, dass Ali unsere Gespräche zu und Coach. Sie lebt in der fühlte sich gestört beim Lernen, konnte schätzen weiss. Dabei geht es oft um Region Zürich mit ihrem nicht ausreichend schlafen und er mochte für uns ganz banale Dinge wie Wäsche Partner und den beiden Kindern, welche abwechs- es ordentlicher als sein Zimmergenosse. waschen, Zahlungen, Beziehungen oder lungsweise auch bei Ali lebt ohne Familienangehörige in der welche Geschenke man wem machen ihrem Vater leben. Humanité 3/2021 19
Sigrid Joss-Arnd hat ein nachhaltiges Zeichen gesetzt «Es ist ein gutes Gefühl, wenn alles geregelt ist – machen Sie es doch auch.» Sigrid Joss und ihr Mann waren sich einig: das Rote Kreuz hat beide ein Leben lang begleitet, es soll darüber hinaus wirken. Nebst engen Verwandten hat sie deshalb in ihrem Testament auch das SRK begünstigt – das Hilfswerk ihres Vertrauens. Setzen auch Sie ein nachhaltiges Zeichen? Danke! Für mehr Menschlichkeit Das SRK im Testament Bitte senden Sie mir kostenlos den SRK-Testamentratgeber Telefon berücksichtigen – Liebe für die Nächsten: vorsorge.redcross.ch/ Name E-Mail testament Vorname Geburtsdatum Strasse/Nr. Senden Sie diesen Coupon an Schweizerisches Rotes Kreuz, Rainmattstrasse 10, Postfach, CH-3001 Bern oder bestellen Sie PLZ/Ort den Ratgeber per E-Mail bei marianne.daetwyler@redcross.ch SRKGS20-019_Legate-Inserat_Humanite_180x270_de.indd 1 27.10.20 12:11
KU R Z & BÜ N D I G Jahresbericht 2020 ■ Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) war vergangenes Jahr aufgrund der Coro- na-Pandemie enorm gefordert. «Das SRK konnte beweisen, dass es in der Lage ist, Extremsituationen zu bewältigen – ge- meinsam mit Tausenden von Freiwilligen, die sofort bereit waren, bei der Pandemie- bewältigung mitzuhelfen», so SRK-Präsi- © Libanesisches Rotes Kreuz dent Thomas Heiniger. Von einem Tag auf den anderen benötigten viele Menschen Hilfe. Durch die Rotkreuz-Kantonalver- bände und dank grosszügigen Spenden konnte das SRK 14 400 notleidende Perso- nen mit finanzieller Soforthilfe in der Höhe von insgesamt 11,5 Millionen Franken unterstützen. Zudem wurden im Verbund Zunehmende Armut im Libanon mit den Rotkreuz-Rettungsorganisationen ■ Ein Jahr nach der verheerenden Ex- Dollar unterstützte das SRK zusammen 170 spezifische Hilfsprojekte über gesamt- plosion im Hafen von Beirut vom 4. Au- mit der Glückskette 660 Familien, die haft 7,9 Millionen Franken umgesetzt. gust 2020 ist die Situation im Libanon durch die Explosion in besonders grosse Zum Jahresbericht 2020: weiterhin äusserst schwierig. Das Land Not geraten sind. Manche hatten ihren ➔ report.redcross.ch befindet sich in einer schweren Wirt- Ernährer verloren, andere ihr Haus und schaftskrise. Immer mehr Menschen ihr gesamte Hab und Gut. «Die Beiträge rutschen in die Armut ab. Mittlerwei- halfen ihnen, wieder etwas Boden unter le leben 55 % der Bevölkerung unter die Füsse zu bekommen», sagt Laurence der Armutsgrenze. Das SRK verstärkte Perroud, die Libanon-Verantwortliche die Nothilfe des Libanesischen Roten beim SRK. Um den Menschen weiterhin Kreuzes in verschiedenen Bereichen. beizustehen, plant das SRK eine Fortset- ©Blutspende SRK Schweiz Mit monatlichen Beiträgen von 300 US- zung seines Engagements im Libanon. Rotkreuzpreis und Förderpreis 2021 ■ Der Verein Afghanistanhilfe erhält Die Jury des Schweizerischen Roten den Rotkreuzpreis 2021. Jury-Präsident Kreuzes (SRK) hat zudem einen Förder- Weltblutspendetag Daniel Biedermann zum Entscheid: preis an den Verein Sportegration aus Zü- ■ Anlässlich des Weltblutspendetages «Die Afghanistanhilfe beeindruckt uns rich vergeben. Der Verein bietet in Zürich vom 14. Juni gehen die Bundesräte Igna- insbesondere durch ihre grosse Brei- und Umgebung Sporttrainings sowie zio Cassis und Guy Parmelin mit gutem tenwirkung und die Tatsache, dass der Bildungskurse für geflüchtete Menschen Vorbild voran: Sie spenden Blut. Bundesrat Verein vollständig ehrenamtlich ge- an. Damit unterstützt der Verein die be- Cassis (Bild) sagt dazu: «Blut gibt Leben. Als führt wird.» Dank der Afghanistanhilfe rufliche und gesellschaftliche Integra- Arzt kenne ich die Unentbehrlichkeit dieser können sich Zehntausende Menschen tion von Migrantinnen und Migranten Spende – es ist gelebte Solidarität.» Viele in Afghanistan medizinisch versorgen – eines der wichtigsten Ziele des SRK. Parlamentarierinnen und Parlamentarier lassen. Die Afghanistanhilfe engagiert Der Förderpreis soll Sportegration dabei tun es ihnen gleich. Ihr Weg ist kurz, denn sich seit über 30 Jahren und wurde von unterstützen, sein Angebot auf weitere Blutspende SRK Schweiz ist auf dem Bun- der Schaffhauserin Vreni Frauenfelder Regionen in der Schweiz auszuweiten. desplatz präsent. Die Aktion steht unter gegründet. Der Verein unterhält in Af- dem Patronat des Nationalratspräsidenten ghanistan ein Spital sowie verschiede- Andreas Aebi und des Ständeratspräsiden- ne kleinere Gesundheitszentren. Die ten Alex Kuprecht. Blutspenden ist wichtig. Afghanistanhilfe engagiert sich auch in Erst recht im Sommer, wenn es schwieri- der Bildung, bekämpft die Armut und ger ist, genügend Blutspenderinnen und leistet Nothilfe. Vereinspräsident Mi- -spender zu finden. Dementsprechend chael Kunz (Mitte) nimmt den Preis von der Slogan vom Weltblutspendetag 2021: SRK-Präsident Thomas Heiniger und «Give Blood and keep the World beating.» dem Jury-Präsidenten Daniel Bieder- ➔ blutspende.ch mann entgegen. Humanité 3/2021 21
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