Das Monster vor der Tür: Der Corona-Kapitalismus - Wiki der ...

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Das Monster vor der Tür: Der Corona-Kapitalismus - Wiki der ...
15.9.2021                              Das Monster vor der Tür: Der Corona-Kapitalismus » LabourNet Germany

        Das Monster vor der Tür: Der Corona-Kapitalismus
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                                                                                                          16. März 2020

        Rubriken

        Polizeiaufgebote wie sonst höchstens bei irgendwelchen
        Gipfeltreffen der herrschenden Klasse, geschlossenen
        Grenzen wie sonst bei Orban, Trump und Konsorten
        sowie Hausarrest, von Spaniens Sozialdemokraten
        verhängt. Die Art und Weise, wie die bürgerliche Politik
        auf das Virus reagiert ist mehr als eindeutig: Gehorcht,
        tut nichts – außer, natürlich, malochen. Worauf
        wiederum die Gewerkschaftsbewegung ausgesprochen
        unterschiedlich reagiert – soziale Bewegungen auch. Die
        einen legen ihr Hauptaugenmerk – auf die Wirtschaft, ihr
        Funktionieren und tun, was sie am liebsten tun: Ihre
        Existenz qua Zusammenarbeit mit Unternehmen und Regierung rechtfertigen. Die
        anderen sehen es absolut nicht ein, dass bei der Kapitalverwertung die große Ausnahme
        im Notstandsregime gemacht werden soll und fordern Unternehmensschließungen –
        oder betreiben sie gleich selbst. Fordern mehr Sicherheit – und organisieren sie selbst.
        Kein ganzer Zufall, dass dabei immer wieder (im Auland) bundesdeutsche Unternehmen
        bestreikt werden, wie zuerst ThyssenKrupp in Italien und jetzt VW im spanischen
        Navarra – die scheinen besonders gewohnt daran zu sein, Sonderrechte zu haben. In
        einem Europa, das aktuell ein Zentrum der Virus-Auswirkungen ist, kommt es auch
        darauf an, festzuhalten, wer sich an den getroffenen Maßnahmen „erfreut“. Unsere
        umfangreiche (wenn auch bei Weitem nicht vollständige) und kommentierte
        Materialsammlung „Das Monster vor der Tür: Der Corona-Kapitalismus“ vom 16. März
        2020 soll ein Beitrag dazu sein, sich zu orientieren „was jetzt richtig ist“ – und sich nicht
        dem Notstandsdiktat aus Hilflosigkeit zu ergeben:

        „Das Monster vor der Tür: Der Corona-Kapitalismus“
        (16. März 2020)

        Diese Materialsammlung besteht aus verschiedenen Teilen: Sie umfasst sowohl erste
        kritische Beiträge zur aktuellen Entwicklung eines Notstandsregimes quer durch die
        Welt, einige der konkreten politischen Maßnahmen die dabei getroffen wurden samt ihrer
        Vorgeschichte, als auch die gewerkschaftlichen Reaktionen darauf – und die Debatten,
        die innerhalb und um die Gewerkschaften dabei entstehen oder wieder aufkommen. Und
        verschiedene Beiträge zu beeinflussten Arbeits- und Lebensbedingungen sowie zum
        aufkeimenden Widerstand, wie etwa die Streiks gegen zwangsweise verordnete Arbeit
        oder Versuche solidarischer Selbstorganisation.

        Beiträge zu einer kritischen Haltung zu den Bedingungen „rund um das Virus“ –
        und der staatlichen Reaktion darauf

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        Die Beiträge in diesem Teil befassen sich vor allen Dingen mit der Kritik an
        Notstandsregimes, wie sie aktuell entfaltet werden und deren Vorgeschichte und
        Voraussetzungen gesellschaftlicher Art

        „Die kapitalistische Globalisierung lässt sich biologisch nicht aufrechterhalten“ von Mike
        Davies am 14. März 2020 bei Wildcat        ist die deutsche Übersetzung eines zwei Tage
        zuvor erschienen Beitrags, der sich zwar vor allem mit den konkreten Verhältnissen in
        den USA befasst, die aber eben nicht so besonders einmalig sind, dass sie sich nicht auch
        vergleichbar anderswo finden ließen. Darin hebt er unter anderem – nachdem er darauf
        verwiesen hat, dass bei großen Epidemien immer die Menschen in Armutsregionen
        besonders betroffen sind – hervor: „Unter der Grippewelle 2018 z.B. brachen in den
        ganzen USA die Krankenhäuser zusammen. Damals wurde der schockierende Mangel
        an Krankenhäusern nach 20 Jahren profitgetriebener Kürzungen bei den stationären
        Aufnahmekapazitäten deutlich (die Just-in-time-Lagerhaltung im Gesundheitswesen).
        Die ebenfalls von der Marktlogik getriebenen Schließungen von Privat- und
        Stiftungskrankenhäusern und der Pflegekräftemangel hatten verheerende
        Auswirkungen auf das Gesundheitswesen in ärmeren und ländlichen Gegenden. Die
        Last wurde auf unterfinanzierte öffentliche Krankenhäuser und
        Versorgungseinrichtungen für Armeeveteranen abgewälzt. Die Notaufnahmen dieser
        Einrichtungen sind jetzt schon überfordert mit saisonalen Infektionen. Wie sollen sie mit
        der bevorstehenden Überlastung durch lebensbedrohliche Fälle fertig werden? (…) Die
        Altenpflegebranche, die in den USA 2,5 Millionen alte Menschen verwahrt – die meisten
        davon Leistungsempfänger von Medicare –, ist schon lange ein nationaler Skandal.
        Laut New York Times sterben jedes Jahr 380 000 Heiminsassen, weil die Heime
        einfache Infektionen nicht richtig behandeln. Viele Heime – besonders in den Südstaaten
        – halten es für billiger, Strafen für Versäumnisse in der Pflege zu zahlen, als zusätzliches
        Personal einzustellen und ausreichend zu schulen. Seattle, wo Pflegeheime Zentren des
        Ausbruches sind, zeigt, dass Dutzende oder vielleicht Hunderte von Pflegeheimen
        Corona-Virus-Hotspots werden könnten, deren für einen Mindestlohn schuftende
        Beschäftigte die rationale Entscheidung fällen werden, zu Hause zu bleiben, um ihre
        eigenen Familien zu schützen. In diesem Fall könnte das System zusammenbrechen, und
        wir sollten nicht erwarten, dass die Nationalgarde die Bettpfannen leert. Die Epidemie
        hat sofort die krasse Klassenspaltung im Gesundheitswesen offengelegt: Diejenigen mit
        einer guten Krankenversicherung, die auch von zu Hause arbeiten oder lehren können,
        sind bequem isoliert, so lange sie die Vorsichtsmaßnahmen befolgen. Beschäftigte im
        öffentlichen Dienst oder andere Gruppen von gewerkschaftlich organisierten
        ArbeiterInnen mit anständiger Krankenversicherung werden vor schwierige
        Entscheidungen zwischen Lohn und Schutz gestellt werden. Gleichzeitig werden
        Millionen von ArbeiterInnen in Niedriglohn-Dienstleistungen und Landwirtschaft,
        KontingentarbeiterInnen ohne Krankenversicherung, Arbeitslose und Obdachlose den
        Wölfen vorgeworfen. Selbst wenn Washington doch noch das Testfiasko in den Griff
        bekommt und genügend Testsets zur Verfügung stellt, werden die nicht Versicherten
        immer noch für die Tests bezahlen müssen. Die Arztrechnungen werden steigen, und
        gleichzeitig verlieren Millionen von ArbeiterInnen ihren Job und ihre daran gebundene

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        Krankenversicherung. Kann es ein stärkeres, dringenderes Argument für Medicare für
        Alle geben? Aber eine allgemeine Krankenversicherung wäre nur ein erster Schritt. Es
        ist gelinde gesagt enttäuschend, dass weder Sanders noch Warren in den Vorwahl-
        Debatten die Tatsache thematisiert haben, dass die großen Pharmaunternehmen die
        Erforschung und Entwicklung von neuen Antibiotika und Virostatika an den Nagel
        gehängt haben. Von den 18 größten Pharmafirmen haben 15 diesen Bereich völlig
        aufgegeben…“

        „Coronavirus et état d’exception“ von Giorgio Agamben am 26. Februar 2020 bei
        acta.zone    ist ein Beitrag, der von der Feststellung des italienischen Consiglio
        Nazionale delle Ricerche ausgeht, es gebe keine solche Epidemie in Italien – und darauf
        aufbauend eine knappe Argumentation entwickelt, die kritisiert, dass der
        Ausnahmezustand mit unterschiedlichsten Begründungen und Anlässen, immer mehr
        zum normalen Regierungsparadigma werde. Die umfassende und eindeutige
        Militarisierung der Gesellschaft durch die umgehend erlassenen Sonderbestimmungen
        werde mit ausgesprochen vagen Formulierungen begründet und lasse somit die Option
        auf weitere Verschärfungen offen.

        „Das Coronavirus und der Ausnahmezustand“ am 15. März 2020 bei non.copyriot           ist
        die deutsche Übersetzung (von Sebastian Lotzer) eines Beitrags von Tiqqun von wenigen
        Tagen zuvor (dessen englische Fassung Grundlage der Übersetzung war). Darin wird zur
        Reaktion des Konkurrenzsubjekts auf die Entwicklung fest gehalten: „… Der andere, nicht
        weniger beunruhigende Faktor ist der Zustand der Angst, der sich in den letzten Jahren
        offensichtlich in den Köpfen der einzelnen Individuen ausgebreitet hat und der sich in
        ein reales Bedürfnis nach kollektiven Panikzuständen übersetzt, für die die Epidemie
        wieder den idealen Vorwand bietet. So wird in einem Teufelskreis die von den
        Regierungen auferlegte Beschränkung der Freiheit im Namen des Wunsches nach
        Sicherheit akzeptiert, der von eben diesen Regierungen, die jetzt eingreifen, um ihn zu
        befriedigen, hervorgerufen wurde. Dieses “wirkliche Bedürfnis nach kollektiven
        Panikzuständen” ist der Kern des Hobbes’schen Gesellschaftsvertrags. Um vom
        Naturzustand (der durch den Krieg aller gegen alle charakterisiert ist) zur
        Zivilgesellschaft (die durch die Abwendung des Krieges aller gegen alle charakterisiert
        ist) zu gelangen, geht es darum, dank der Vernunft einen Vertrag zu akzeptieren, in dem
        alle “gewinnen” würden, da die Bürger, indem sie sich ihm unterwerfen, Sicherheit und
        Freiheit finden würden, indem sie vom Mythos des Naturzustandes zur Künstlichkeit der
        Zivilgesellschaft übergehen. Die Ersetzung einer Fiktion durch eine andere, aber diese
        Erzählungen haben offensichtlich reale Auswirkungen. Um die Stabilität des Staates zu
        gewährleisten, muss der Fürst Angst erzeugen und aufrechterhalten und gleichzeitig
        den Schutz seiner Bürger gewährleisten. Mit anderen Worten, es wird garantiert, dass
        diese nicht gewaltsam sterben (paradigmatischer Tod im Naturzustand nach Hobbes).
        Es ist daher kein Zufall, dass Hobbes einer der ersten war, der den Körper als Metapher
        für den Staat betrachtete, und er ist heute (nicht umsonst) der meiststudierte Philosoph
        der Universitäten für Politikwissenschaften von Paris bis Melbourne. Von der
        politischen Körperlichkeit bis zum Körper eines jeden Menschen verkauft uns Newspeak

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        die Idee, dass man sich um uns kümmert, während es zumindest seit den Arbeiten von
        Canguilhem und Foucault offensichtlich ist, dass der Körper das Ziel par excellence der
        souveränen Macht ist...“

        „Mundschutz und Maulkorb – Vom Doppelcharakter der Prävention“ von Götz Eisenberg
        am 30. Januar 2020 bei Hinter den Schlagzeilen         hatte zu der Zeit noch vor allem die
        VR China als Gegenstand der Analyse, die unter anderem folgendes enthielt: „… Ebola
        und das Corona-Virus könnten zu unserer Pest werden, zur Pest des globalen Zeitalters.
        An den Gegenmaßnahmen ist mir die Parallele aufgefallen: das Territorium, auf dem
        die Krankheit aufgetreten ist, abschließen, die Menschen gegeneinander isolieren, ihre
        Vermischungen aufdecken und unterbinden, die Kranken und die Noch-nicht-Kranken
        einer umfassenden Kontrolle unterwerfen. Foucault hat in seinem Buch Überwachen
        und Strafen gezeigt, wie sich in der frühen Neuzeit im Kampf gegen die Pest die
        Disziplinierungsmodelle der Ordnung des Raums und die Techniken der Überwachung
        herausbilden, die dann für die Disziplinargesellschaft typisch werden und sich
        verallgemeinern. (…) All diese von Foucault beschriebenen Praktiken im Umgang mit
        der Pest finden wir nun aktuell in den Reaktionen auf das neuartige Corona-Virus
        wieder. In China hat man zunächst einmal 18 Städte mit zusammen 56 Millionen
        Einwohnern abgeriegelt und von der Außenwelt abgeschnitten. Menschen werden unter
        Quarantäne gestellt, einen Mundschutz zu tragen wird zur Pflicht erklärt, Straßen
        werden gesperrt, Autos werden an Straßensperren angehalten, ihre Insassen einer
        Kontrolle unterzogen. Zugverkehr und Flüge werden eingestellt. Man möchte erreichen,
        dass die Menschen bleiben, wo sie „wohnhaft“ sind. Das Wort wohnhaft bekommt einen
        eigenartigen Doppelsinn. Die Leute sollen sich zu Hause einriegeln. Fernsehbilder zeigen
        lauter total vermummte Marsmenschen in weißen Schutzanzügen, die den Kampf gegen
        das Virus aufnehmen. Riesige Spezialkliniken mit Tausenden von Betten sollen
        innerhalb von wenigen Tagen aus dem Boden gestampft werden. Peking, Hongkong
        und Schanghai haben den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Im gesamten öffentlichen
        Verkehr werden Fieber-Messstationen eingerichtet. Das alles geschieht zum Schutz der
        Bevölkerung, all diese Maßnahmen dienen der Krankheits-Prävention. Was aber
        geschieht noch? Man übt Praktiken der präventiven Konterrevolution. Der Virus, um
        den es letztlich und eigentlich geht, ist der Virus des Aufstands, den die Macht fürchtet
        wie die Pest. Die chinesische Staatsführung fürchtet die Ausbreitung des Honkong-
        Virus, von dem viele Einwohner dieser Stadt seit Längerem befallen sind. Im ganzen
        Land scheinen sich Unzufriedenheit und Unruhe auszubreiten. Eine prosperierende
        Wirtschaft lässt die fortdauernde Unterdrückung und sklavenartige Existenz von
        Arbeitermassen nicht mehr gerechtfertigt erscheinen, der geradezu obszöne Reichtum
        Einzelner und korrupter Cliquen lässt viele Chinesinnen und Chinesen am
        kommunistischen Charakter der Gesellschaft zweifeln...“

        „»Dalli all‘untore!« – »Packt den Giftsalber!«“ im März 2020 beim Blog der
        Interventionistischen Linken     ist die Übersetzung (von Alex, IL Düsseldorf) eines
        Beitrags des Kollektivs Laboratorio Occupato Morion aus Venedig (also einer der ersten
        Notstandszonen Italiens), worin es heißt: „… Das Coronavirus produziert aus sozialer
        Sicht zwei scheinbar gegensätzliche,vergiftete Früchte. Die erste Frucht ist die weithin

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        gefürchtete Psychose, die zweite (aus anthropologischer Sicht besorgniserregendere) ist
        eine allgemein um sich greifende Selbstdisziplinierung innerhalb einer bereits stark
        atomisierten und individualisierten Gesellschaft. Es gibt heute eine subtile Grenze
        zwischen der Aufforderung, Verantwortungsbewusstsein für die kollektive Gesundheit
        zu zeigen, und der freiwilligen Reduktion jede*r Einzelnen von uns auf eine*
        individualisierte* Verteidiger*in (auch unbewusst) von Staatsräson und nationaler
        Einigkeit. Tatsächlich erleben wir eine entmutigende Überlappung dieser
        spannungsreichen Pole und der beste Ort dies zu beobachten sind die sozialen Medien.
        Man könnte sagen, dass es in Wirklichkeit keinen Gegensatz gibt zwischen den
        Paradigmen der Biomacht und des Ausnahmezustands. Aus einer politischen
        Perspektive betrachtet können wir nicht übersehen, wie die Aufforderung, die kollektive
        Verantwortung für die Verlangsamung der Infektionsrate durch Isolation zu
        übernehmen, tatsächlich als selbstdisziplinierende Biomacht fungiert, in perfekter
        Harmonie mit dem Ausnahmezustand, der uns vor ein paar Tagen im Stil einer
        italienischen Farce auferlegt wurde. Es ist jedoch eine Farce, die uns ein Stück weit
        weniger frei zurücklässt als zuvor. Während zu Zeiten der Schandsäule, der Pest noch
        mit organisierten religiösen Prozessionen zum Zweck der Erlösung begegnet wurde,
        wissen wir heute, dass öffentliche Versammlungen gefährlich sind. Eine Sache hat sich
        jedoch nicht geändert, die hässliche Gewohnheit der Multitude auf die Giftsalber zu
        zeigen. Im 17. Jahrhundert übernahm mit Unterstützung der Herrschenden die
        Gemeinschaft der Prozessionsteilnehmer*innen diese Aufgabe, heute wird sie auf die
        digitale Sphäre übertragen. Und die digitale Community ist ein nicht so
        bedeutungsleerer Ausdruck, wie wir manchmal geneigt sind anzunehmen. Also auf
        geht‘s! “Packt den Giftsalber!“ Packt diejenigen, die sich treffen, die diskutieren, die sich
        zusammen mit anderen nicht paralysieren lassen vom Terror. In dieser Erzählung wird
        der voraussichtliche Zusammenbruch des öffentlichen Gesundheitssystems in Italien
        vollständig der Figur des Deserteurs zugeschrieben. In Zeiten, in denen sich die
        institutionelle Sprache militarisiert, ist der Verräter nicht derjenige, der die
        Bevölkerung entwaffnet, die Luft jahrzehntelang verschmutzt, die öffentliche Gesundheit
        geschwächt hat, sondern derjenige, der die politischen Tatsachen hinter dem
        medizinischen Dispositiv beleuchtet, und der versucht andere Formen
        gemeinschaftlichen Lebens inmitten der Krise zu finden…“

        Die im konkreten etwas verschiedenen Maßnahmen der Regierungen
        verschiedener Länder zur Einsetzung des Notstandsregimes und ihr Hintergrund

        Wozu auch – einleitend – ein paar besonders krasse Fälle der Kategorie „durchsichtig“
        gehören und ebenfalls einige wenige Verweise auf die ökonomischen Verursacher und
        auch Profiteure aktueller Knappheit

        „Haiti’s borders closed & protests banned due 2 CORONAVIRUS“ am 15. März 2020 beim
        Haiti Info Project    (Twitter) berichtet von der vielleicht durchsichtigsten Maßnahme,
        die eine Regierung unter dem Vorwand des Virus getroffen hat: Der Präsident Haitis (der
        noch 3 Wähler hat: Die USA, die EU und jene Bande, die von der Korruption profitiert)
        lässt die Grenzen schließen und – Demonstrationen verbieten… ein Virus, der das
        (politische) Überleben retten soll…

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        „Corona-Krise: Libanon schließt seine Grenze zu Syrien“ am 14. März 2020 bei der ANF
           meldet eine weitere Maßnahme in der Qualität wie auf Haiti: „… Der Libanon macht
        Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus seine Grenzen zu Syrien dicht. Die
        Grenzschließung beginnt kommenden Montag und ist Teil eines Maßnahmenpakets, das
        die libanesische Regierung am Freitag nach einer Krisensitzung mit Vertreter*innen
        internationaler Hilfsorganisationen beschlossen hat. Für Staatsbürger*innen, die sich
        im Ausland aufhalten, soll es jedoch möglich sein, in das Land zurückzukehren. Im
        Libanon gibt es nach Angaben des Roten Kreuzes offiziell bislang drei bestätigte
        Todesfälle und 77 Coronavirus-Infektionen. Das Land pflegt enge Kontakte zum Iran,
        der von dem Sars-CoV-2 genannten Virus stark betroffen ist…“ – mit umwerfender
        Logik: Wegen Iran – Syrien…und (vielleicht) ein Problem weniger, da sich die
        Ausbeutung der Flüchtlinge in der eigenen Krise nicht mehr so richtig lohnt…

        „Turkish police capture and detain two journalists who dared report on coronavirus“ am
        14. März 2020 bei Sendika.org      berichtet, dass die türkische Regierung eine uralte
        Politik gegen Überbringer von Nachrichten fortsetzt: Es gibt keinen Virus hier. Und wer
        darüber berichtet, ist vermutlich Terrorist – und wird eben festgenommen, wie es laut
        dieser Meldung zwei Journalisten aus Antalya passiert ist.

        „Als vereintes Europa gegen Corona“ von Anja Krüger am 15. März 2020 in der taz online
           kommentiert die neuen innereuropäischen Grenzziehungen auf – unter anderem –
        dänisch-sozialdemokratische Initiative und weist immerhin darauf hin, wer sich darüber
        freuen mag: „… Viel wird auch davon abhängen, wie die Krise bewältigt wird. Doch dass
        die Rückkehr ins Nationale einmal rasch und rigide vollzogen wurde, wird bei
        GegnerInnen der europäischen Vereinigung Begehrlichkeiten wecken. Was einmal geht,
        geht immer wieder. Deshalb müssen die Regierungen in den EU-Staaten und die EU-
        Kommission jetzt Signale gegen nationale Egoismen senden. Das ist so wichtig wie nie
        zuvor in der Geschichte der europäischen Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg.
        Die deutsche Regierung ist mit ihrem Exportverbot von Corona-Schutzmitteln auch in
        die europäischen Nachbarstaaten genau gegensätzlich vorgegangen. So etwas darf sich
        nicht wiederholen. Gerade die Pandemie zeigt, wie wichtig ein vereintes Europa ist, in
        dem die gleichen Standards gelten und in dem Schutzmaßnahmen grenzüberschreitend
        und mit Blick auf die Auswirkungen in allen Ländern veranlasst werden…“

        „Ganz Spanien im merkwürdigen “Alarmzustand”“ von Ralf Streck am 15. März 2020 bei
        telepolis    berichtet über die ersten Auswirkungen der Regierungsdekrete: „… Nun
        sollen viele Menschen in Spanien zuhause bleiben. So will es nun die spanische
        Regierung. Schon am Freitag gegen 15 Uhr hatte der Regierungschef Pedro Sánchez den
        “Alarmzustand” angekündigt, allerdings brauchte seine Regierung noch einmal 30
        Stunden, um ihn real zu verkünden und um konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Erst am
        Samstag gegen 20 Uhr verkündete sie der spanische Regierungschef. Weitere 30
        Stunden waren sinnlos verstrichen, fast acht Stunden war zwischenzeitlich im Kabinett
        über das Vorgehen gestritten worden. Und auch mit dem Alarmzustand wurde Madrid,
        das sich zu einem der größten Infektionsherde weltweit entwickelt hat, nicht abgeriegelt.
        Von den bisher gezählten 289 Toten findet sich mit 213 die überwiegende Mehrheit in

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        der Hauptstadt. Dort ist auch etwa die Hälfte aller offiziell mit dem Covid-19 infizierten
        Personen (derzeit fast 7500) registriert worden. Doch statt am Freitag Madrid zu
        sperren, gab es lange Staus auf den Ausfallstraßen der Hauptstadt in Richtung
        Andalusien und Valencia, zahllose Menschen verließen fluchtartig die Hauptstadt. Allen
        mit “gutem Beispiel” voran der ehemalige rechte Regierungschef José María Aznar und
        seine Ehefrau. Auch sie fuhren in ihr Ferienhaus in Marbella. Aber an den Küsten von
        Valencia, Murcia und Andalusien waren die Hauptstädter alles andere als willkommen.
        Zum Teil bauten dort Einwohner Barrikaden. Sie fürchten, dass darüber das Virus aus
        Madrid importiert wird, sie das Gesundheitssystem überlasten und Supermärkte
        leerkaufen. Die Madrider verstünden die Quarantäne offenbar als eine Art Urlaub, hieß
        es im Süden empört. Es war ein unverantwortliches Vorgehen der sozialdemokratischen
        Regierung zuzulassen, dass aus dem größten Infektionsherd im Land das Virus in alle
        Landesteile getragen werden kann. Telepolis hatte schon vor zwei Wochen festgestellt,
        dass das Virus im Land außer Kontrolle ist. Reagiert hatte die spanische Regierung in
        der gesamten Zeit nicht. Ihr Vorgehen bewegte sich auf einem ähnlichen Niveau wie das
        der rechten Regionalregierung Madrids...“

        „Vorsicht Ausnahmezustand“ am 15. März 2020 beim Antiimperialistischen Lager         zu
        den österreichischen Notstandsmaßnahmen der Kurz und Anhängsel: „… Sehr schnell ist
        es gegangen, dass auch in Österreich der Corona-Ausnahmezustand verhängt wurde.
        Denn zunächst dachte man, dass es wieder ein chinesisches oder asiatisches Problem sei.
        Doch dann kam die Sache mit der italienischen Krise bedrohlich nahe. Und die plakative
        Überforderung des lombardischen Gesundheitssystems scheint auch der Auslöser dafür
        gewesen zu sein, dass die österreichische Regierung zu so radikalen Maßnahmen griff.
        Für das erste scheint die Bevölkerung das zu akzeptieren und die Popularitätswerte von
        Schwarzgrün werden wahrscheinlich ansteigen. Die fast schon unter den türkisen
        Rädern befindlichen Grünen können jetzt vom Zusammenrücken und Solidarität reden
        – hinter Eliten, die drei Jahrzehnte neoliberalen Kahlschlag betrieben haben und die
        gesellschaftliche Solidarität zerstörten. Auch wenn Maßnahmen zur Verlangsamung der
        Ausbreitung von SARS II sicher notwendig sind, darf nicht vergessen werden, dass diese
        Eliten dafür verantwortlich sind, dass unser Gesundheitssystem ausgedünnt wurde.
        Mehr noch, es gibt keinen Anlass anzunehmen, dass sie nicht versuchen werden ihre
        neoliberale Agenda mittels der Notmaßnahmen fortzusetzen. Und dagegen ist Vorsicht
        und auch Widerstand geboten. Am Anfang zerrissen sich die Medien noch das Maul
        über China, wo die Bürokratie den Ausbruch zu vertuschen suchte und zumindest einer
        der warnenden Ärzte dann tragisch selbst an der Krankheit verstarb. Die Herrschaft
        der bei den Neoliberalen so verhassten, weil so erfolgreichen staatskapitalistischen
        Kommunisten sei bedroht. Doch dann warf Peking das Ruder herum, setzte dutzende
        Millionen unter radikale Quarantänemaßnahmen und lies die Bagger anrückten, die
        innerhalb weniger Tage Notspitäler aus dem Boden stampften. Es wurde stiller im
        westlichen Mainstream und man faselte, dass in der „offenen Gesellschaft“ solche
        Maßnahmen nicht möglich seien. Und China müsse das mit einer wirtschaftlichen
        Redimensionierung seiner Rolle in der Welt bezahlen. Als dann die Neuinfektionen
        tatsächlich zurückgingen, während in Europa die Panik ausbrach, erscheint das
        chinesische Modell sogar als Vorbild. Aber da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

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        Dabei muss man sagen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Singapur und Taiwan
        schafften es mit rigorosen polizeistaatlichen Maßnahmen, die initiale Verbreitung zu
        unterbinden. Südkorea gelang dies nicht, aber durch die staatlich organisierte Testung
        und ein funktionsfähiges Gesundheitswesen konnte die Ausbreitungskurve gesenkt
        werden, ohne die zerrüttenden chinesischen Maßnahmen. Virusmutationen scheinen ein
        Naturphänomen zu sein, aber zum Problem werden sie durch mangelnde Vorbereitung
        der Gesellschaft. Und das hängt vor allem mit dem neoliberalen Kahlschlag in Europa
        und USA zusammen…“

        „Mikrobiologischer Klassenkampf in China“ am 10. März 2020 bei Wildcat           ist eine
        Übersetzung aus der China-Zeitschrift Chuang über das inzwischen nahezu
        exemplarische Vorgehen der chinesischen Regierung: „… Denn offenbar ist, dass die
        Leute trotz der Regierungsappelle zum Abstandhalten bald gezwungen sein werden,
        sich zu »versammeln«, um sich der Produktion zu widmen. Den letzten Schätzungen
        zufolge wird die Epidemie Chinas Wirtschaftswachstum auf fünf Prozent verlangsamen,
        unterhalb der bereits alarmierenden Wachstumsziffer von sechs Prozent im
        vergangenen Jahr, der niedrigsten in drei Jahrzehnten. Einige Analysten haben
        prognostiziert, das Wachstum im ersten Quartal könnte auf vier Prozent oder noch
        tiefer sinken, und es könnte hieraus eine weltweite Rezession entstehen. Eine bislang
        undenkbare Frage wurde gestellt: Was kommt eigentlich auf die Weltwirtschaft zu,
        wenn der chinesische Hochofen erkaltet? In China selbst ist der Verlauf dieser
        Ereignisse schwer vorauszusagen, doch hat der Augenblick bereits einen raren Prozess
        des gemeinschaftlichen Fragens und der Besinnung auf die Gesellschaft ausgelöst. Die
        Epidemie hat (nach den vorsichtigsten Schätzungen) nahezu 80 000 Menschen direkt
        infiziert. Doch 1,4 Milliarden hat sie einen Schock vermittelt, der ihren Alltag unter dem
        Kapitalismus grell beleuchtete und sie in einem Augenblick der Verunsicherung zur
        Selbstbesinnung zwang. Zeitgleich stellten sich Alle eine Reihe tiefgreifender Fragen:
        Was wird mit mir? Mit meinen Kindern, meiner Familie, meinen Freunden? Wird es für
        uns genug zu essen geben? Wird mein Einkommen gezahlt? Wird mein Geschäft sich
        rentieren? Wer trägt hier für alles die Verantwortung? Auf ungewohnte Weise
        entspricht die Einzelerfahrung der eines Massenstreiks – aber eines solchen, der in
        seiner nicht-spontanen, von oben verordneten und insbesondere unfreiwilligen Total-
        Atomisierung die Grundrätsel unserer strangulierten politischen Gegenwart ebenso klar
        hervortreten lässt, wie die Massenstreiks des letzten Jahrhunderts die Widersprüche
        ihrer Ära erhellten. Die »Quarantäne« erscheint somit wie ein Streik, der seiner
        gemeinschaftsbezogenen Charakteristika beraubt aber gleichwohl geeignet ist, sowohl
        der Psyche als auch der Volkswirtschaft einen tiefgreifenden Schock zu versetzen. Schon
        dieser Umstand allein macht sie bedenkenswert. (…) Gleichzeitig ist die Qualität der
        Produkte auf den einheimischen Märkten oft gefährlich schlecht. Seit Jahrzehnten
        produziert die chinesische Industrie hochwertige Exporte, die nach den höchsten
        globalen Standards für den Weltmarkt hergestellt werden. Dazu gehören beispielsweise
        fertige Geräte wie iPhones, aber auch Zulieferteile wie Computerchips. Die Waren
        jedoch, die für den Verbrauch auf dem heimischen Markt vorgesehen sind, sind von
        miserabler Qualität und rufen regelmäßig Skandale sowie tiefes öffentliches Misstrauen
        hervor. Die vielen Fälle sind ein deutliches Echo auf Sinclairs »Der Dschungel« und

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        andere Geschichten aus dem Amerika des Vergoldeten Zeitalters12. Der größte Fall aus
        jüngster Zeit, der Melamin-Milch-Skandal von 2008, hinterließ ein Dutzend tote und
        Zehntausende kranker, in Krankenhäuser eingewiesene Kinder (obwohl möglicherweise
        Hunderttausende davon betroffen waren). Seitdem erschütterten eine Reihe von
        Skandalen die Öffentlichkeit: 2011, als in Restaurants im ganzen Land Abfall-Öl aus
        Fettabscheidern gefunden wurde, oder 2018, als fehlerhafte Impfstoffe mehrere Kinder
        töteten, und dann ein Jahr später, als Dutzende ins Krankenhaus eingeliefert wurden,
        weil gefälschte Impfstoffe gegen humane Papillomviren verabreicht worden waren.
        Weniger krasse Geschichten passieren noch viel häufiger und bilden eine vertraute
        Kulisse für jeden, der in China lebt: aus Kostengründen mit Seife verschnittene
        Tütensuppen; Unternehmer, die an mysteriösen Ursachen verendete Schweine in
        Nachbardörfer verkaufen; detaillierte Klatschgeschichten darüber, in welchen Imbissen
        man am ehesten krank wird. Bevor das Land Stück für Stück ins kapitalistische
        Weltsystem integriert wurde, wurden Dienste wie die Gesundheitsversorgung in China
        über das danwei-System betrieblicher Sozialleistungen (vor allem in den Städten) oder
        von lokalen Gesundheitszentren mit ihren zahlreichen »Barfußmedizinern« (vor allem,
        aber nicht nur auf dem Land) kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Erfolge der
        sozialistischen Gesundheitsfürsorge wie auch die Erfolge im Bereich der Bildung und
        Alphabetisierung waren so groß, dass selbst die schärfsten Kritiker des Landes sie
        anerkennen mussten. Die Wurmerkrankung Schistosomiasis, die das Land
        jahrhundertelang geplagt hat, war in Kernchina praktisch vollständig ausgemerzt, und
        kam mit Nachdruck zurück, als das sozialistische Gesundheitssystem abgebaut wurde.
        Die Kindersterblichkeit ging stark zurück, und trotz der mit dem »Großen Sprung nach
        vorn« verbundenen Hungersnot stieg die Lebenserwartung zwischen 1950 und den
        frühen 1980er Jahren von 45 auf 68 Jahre. Impfungen und allgemeine
        Hygienemaßnahmen setzten sich durch, grundlegende Informationen über Ernährung
        und Gesundheit sowie der Zugang zu elementaren Medikamenten waren kostenlos und
        für alle zugänglich. Gleichzeitig vermittelten die Barfuß-Mediziner einem großen Teil
        der Bevölkerung grundlegendes, wenn auch begrenztes medizinisches Wissen; sie
        trugen so zum Aufbau eines robusten, von unten nach oben aufgebauten
        Gesundheitssystems unter Bedingungen materieller Armut bei. Wir sollten nicht
        vergessen, dass China damals pro Kopf ärmer war als das durchschnittliche Land im
        subsaharischen Afrika heute. Seitdem haben Nachlässigkeit und Privatisierung dieses
        System erheblich verschlechtert, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als die rasche
        Verstädterung und die unregulierte industrielle Produktion von Haushaltsgegenständen
        und Lebensmitteln eine umfassende Gesundheitsfürsorge erst recht notwendig gemacht
        hätten – ganz zu schweigen von Lebensmittel-, Drogen- und Sicherheitsvorschriften.
        Heute gibt China nach Angaben der WHO 323 USD pro Kopf für öffentliche
        Gesundheitsversorgung aus. Diese Zahl ist selbst im Vergleich zu anderen Ländern mit
        »oberem mittlerem Einkommen« niedrig: ungefähr die Hälfte von dem, was Brasilien,
        Belarus und Bulgarien ausgeben...“

        „Coronavirus: Dabeisein ist Alles“ von Wassilis Aswestopoulos am 15. März 2020 bei
        telepolis    berichtet über die grellen Widersprüche zur offiziellen „Bleibt zuhause“
        Politik in Griechenland unter anderem: „… Der Brauch, das Feuer in Olympia zu

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        entzünden und danach mit einer Fackelstafette zum Austragungsort der ersten
        Olympischen Spiele der Neuzeit zu bringen, von wo es dann vom jeweiligen Veranstalter
        abgeholt wird, geht auf eine Idee für die Spiele von 1936 zurück. Eine Abschaffung
        dieser durchaus negativ belasteten Tradition hätte in Zeiten von Corona durchaus
        begründet werden können. Das Nationale Olympische Komitee entschied anders. Es
        begrenzte die Ehrengäste bei der Zeremonie der Entzündung des Feuers und ließ dann
        den Schauspieler Gerard Butler als einen der ersten Läufer nach Sparta antreten. (…)
        Nachdem die Show um Butler vorbei war, entdeckte das NOK Griechenlands, dass die
        Menschenansammlung beim Staffellauf keine sehr gute Idee war. So wurde kurzerhand
        der Lauf der übrigen Staffelteilnehmer “aus Verantwortung für die Gesundheit der
        Bürger” abgesagt. Noch nicht abgesagt sind die religiösen Veranstaltungen im Land.
        Die Heilige Synode der griechischen Kirche möchte am Montag tagen, um über die
        Situation rund um das Virus und die Pandemie zu diskutieren. Bis dahin gilt noch der
        letzte Entscheid der Synode, dass ein Kirchenbesuch samt Eucharistie für Gläubige
        vollkommen ungefährlich ist. Nur im Kleingedruckten bemerkt die Synode, dass alte
        und vorerkrankte Menschen auch zuhause bleiben könnten. Die Kirche diskutiert auch
        Open Air Messen, bei denen zahlreichen Bischöfen zufolge das gemeinsame Abendmahl
        aus einem Kelch und mit einem Löffel für alle nicht ansteckend sein soll. Zudem küssen
        die Gläubigen traditionell die Ikonen in ihren Kirchen, eine Tradition, die jedem
        Epidemiologen die Schweißperlen auf die Stirn treiben müsste. Dennoch finden sich
        gläubige Ärzte und Epidemiologen, welche auch dies als ungefährlich darstellen. Das
        gesetzlich verordnete Versammlungsverbot gilt offenbar nicht für die Kirchen. Die
        Macht der Kirche ist so groß, dass bei einschlägigen Fernsehdiskussionen zum Thema
        Kirchenvertreter ihre Version der Epidemie-Vorsorge präsentieren können und Ärzten
        als gleichwertige Experten gegenüber gestellt werden...“

        „Die USA sind schlecht vorbereitet“ von Dorothea Hahn am 15. März 2020 in der taz
        online    zur Situation in den USA nachdem Trump seine bisherige Leugnung zugunsten
        eines Notstandsprogramms aufgegeben hatte: „… Nach Angaben der American Hospital
        Association hat das 320-Millionen-EinwohnerInnen-Land nur insgesamt 924.107
        Krankenhausbetten. Davon befinden sich 97.776 auf Intensivstationen. Doch die meisten
        dieser Betten sind auch ohne Pandemie bereits belegt. Und in Jahren mit starken
        Grippewellen mussten die Krankenhäuser Zelte aufbauen, um überhaupt alle
        PatientInnen behandeln zu können. Jetzt befürchten die GesundheitsexpertInnen, dass
        die Intensivstationen auf dem Höhepunkt der Coronakrise aus allen Nähten platzen
        werden. Es mangelt zudem dramatisch an medizinischem Personal. In New York
        beklagt Lisa Baum von der Krankenschwestergewerkschaft Nurses Union eine „extreme
        Unterbesetzung“. Solche Klagen von GewerkschafterInnen kommen auch aus anderen
        Teilen der USA. Bis Samstagabend testeten die USA 2.726 Personen positiv. 55
        Menschen sind bis zum selben Zeitpunkt an dem Virus gestorben. Der Bundesstaat
        Washington an der Westküste ist mit 572 Infizierten und 40 Toten der bislang am
        stärksten betroffene, dicht gefolgt vom Bundesstaat New York mit 525 Infizierten und
        zwei Toten sowie Kalifornien mit 340 Fällen und fünf Toten. Unter den Infizierten sind
        unter anderem ein Pilot von American Airlines und zwei Abgeordnete der New Yorker
        State Assembly. (…) Aber in dem größten Schulbezirk, in New York City mit 1,1 Millionen

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        Kindern an öffentlichen Schulen, blieben die Schulen weiterhin offen. Bürgermeister Bill
        de Blasio rechtfertigt sein Festhalten an offenen öffentlichen Schulen – in der Stadt mit
        am Samstag 183 Coronavirusinfizierten – unter anderem damit, dass ein großer Teil
        der Schüler auf die Schulmahlzeiten angewiesen ist. Er erklärte außerdem, dass sowohl
        Krankenhäuser und Labors und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens als auch
        die öffentlichen Verkehrsmittel – insbesondere die Subway – nicht mehr genügend
        Personal hätten, wenn die Eltern von Schulkindern zu Hause bleiben müssten, um sich
        um ihre Kinder zu kümmern. Doch immer mehr Eltern in New York City behalten ihre
        Kinder schon jetzt zu Hause, um sie vor Ansteckungen zu schützen. Und die
        LehrerInnen-Gewerkschaft New York Teachers Union droht dem Bürgermeister mit
        einem Streik am Wochenanfang, falls er die Schulen nicht schließt…“

        „Trump spent the past 2 years slashing the government agencies responsible for handling
        the coronavirus outbreak“ von Sonam Sheth und Gina Heeb am 25. Februar 2020 beim
        Business Insider      berichtet von der Politik der Trump-Regierung gegenüber den
        Centers for Disease Control and Prevention – die aus einer kontinuierlichen Reduzierung
        der für diese bereit gestellten Gelder bestand, was dazu führte, dass die CDC
        beispielsweise eine ganze von Laboren hat, die nicht mehr in vollem Umfang
        funktionieren…

        „Headline: Donald Trump Is Using the Coronavirus Crisis to Attack Social Security“ von
        Nancy J. Altman am 11. März 2020 beim Independent Media Institute         ist ein Beitrag,
        in dem deutlich gemacht werden soll, dass verschiedene von Trumps konkreten
        Maßnahmen sozialpolitischer Art, hier vor allem die eingeführte Möglichkeit – bisher
        zeitweise – Sozialabgaben zu reduzieren in ihrer langfristigen Wirkung einen weiteren
        Abbau des ohnehin nicht besonders ausgebauten Sozialsystems der USA bedeuten
        können.

        „Legacy of government austerity cuts is a hygiene nightmare during coronavirus crisis“
        am 04. März 2020 bei Unison       ist eine entsprechende Bilanzierung der
        Haushaltspolitik der Regierung Großbritanniens – also der Auswirkungen der
        Kahlschlagpolitik und Privatisierung der Neoliberalen im Gesundheitswesen bis hin zur
        heutigen eindeutigen Überforderung dieses Systems.

        „Coronavirus, lo studio: in un decennio 37 miliardi in meno alla sanità italiana“ am 05.
        März 2020 bei La Reppublica       meldet zu einer Studie über die Entwicklung des
        Gesundheitssystems in Italien in den letzten zehn Jahren deren grundlegende Zahlen:
        Zehn Jahre lang stiegen die Ausgaben für das Gesundheitswesen – immer unterhalb der
        Inflationsrate. Was 10.000 Betten weniger bedeutet und 397 geschlossene Abteilungen,
        sowie die Schließung zahlreicher kleinerer Hospitäler auf dem Lande…

        „Coronavirus: »Die Agrarindustrie würde Millionen Tote riskieren.«“ am 11. März 2020
        bei marx21.de    ist ein Interview (bzw. seine Übersetzung) von Yaak Pabst mit dem
        Evolutionsbiologen Rob Wallace über die Gefahren von Covid-19, die Verantwortung der
        Agrarindustrie und nachhaltige Lösungen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten.
        Darin unterstreicht Wallace unter anderem: „… Die Nutzung der Coronakrise, um die

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        neuesten autokratischen Kontrollmöglichkeiten zu testen, ist ein Kennzeichen des aus
        den Fugen geratenen Katastrophenkapitalismus. Im Hinblick auf die öffentliche
        Gesundheit halte ich mich lieber an Vertrauen und Mitgefühl, die wichtige Variablen bei
        einer Epidemie sind. Ohne beides verlieren die Regierungen die Unterstützung der
        Bevölkerung. Wir brauchen ein Gefühl der Solidarität und des gegenseitigen Respekts,
        um solche Bedrohungen gemeinsam zu überstehen. Selbstquarantäne mit geeigneter
        Unterstützung, ausgebildete Nachbarschaftshilfe, Lebensmittelwagen, die von Tür zu
        Tür fahren, Arbeitsbefreiung und Arbeitslosenversicherung – damit kann diese Art von
        Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugt werden, das wir benötigen. Reiseverbot und
        Grenzschließung sind Forderungen, mit denen die radikale Rechte eine »Rassifizierung«
        der inzwischen globalen Krankheiten erreichen will. Das ist natürlich Unsinn. Da sich
        das Virus bereits überall verbreitet, ist jetzt das einzig Sinnvolle dafür zu sorgen, dass
        das öffentliche Gesundheitswesen so belastbar wird, dass es keine Rolle spielt, wer mit
        einer Infektion auftaucht. Wir haben die Mittel, um Infektionen zu behandeln und zu
        heilen. Und natürlich müssen wir aufhören, den Menschen in anderen Ländern ihr Land
        zu stehlen und die Massenauswanderung damit überhaupt erst weiter anzufachen. Wir
        können dafür sorgen, dass die Krankheitserreger gar nicht erst entstehen. Um das
        Ausbrechen neuer Virusinfektionen einzuschränken, muss die
        Nahrungsmittelproduktion radikal verändert werden. Die Unabhängigkeit der
        Landwirte und ein starker öffentlicher Sektor können den umweltbedingten
        Sperrklinkeneffekt und unkontrollierte Infektionen eindämmen. Dazu gehört auch die
        Förderung der Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen und einer strategischen
        Wiederaufforstung, sowohl auf der Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe, als auch
        regional. Tiere müssen sich vor Ort fortpflanzen dürfen, um Immunitätsmechanismen
        weiterzugeben. Es geht darum, eine gerechte Produktion mit einem gerechten
        Warenkreislauf zu verbinden. Dazu gehört auch die Subventionierung der ökologischen
        Landwirtschaft und der Verkaufspreise sowie Programme für Verbraucher. Diese
        Projekte müssen vor den Zwängen, die die neoliberale Wirtschaft Einzelpersonen und
        Gemeinschaften gleichermaßen auferlegt, geschützt und gegen die Bedrohung durch die
        vom Kapital geleitete staatliche Unterdrückung verteidigt werden…“

        „Las ratas y buitres que se alimentan de la crisis del coronavirus“ von Yago Álvarez Barba
        am 15. März 2020 bei El Salto Diario schließlich ist ein Beitrag, der sich mit der ganz
        aktuellen Spekulationswelle befasst, die versucht, aus möglichen Konkursen spanischer
        Unternehmen Geld zu schlagen, wobei in erster Linie die entsprechenden Aktivitäten des
        Bridgewater-Fonds berichtet werden, aber auch von anderen konkurrierenden Banden,
        die eben deswegen als „Geier“ bezeichnet werden, weil sie sich über jedes Aas hermachen
        und keine Scheu kennen.

        Auswirkungen des Virus-Regimes auf Arbeits- und Lebensbedingungen

        Wozu zu bemerken ist, dass es sich hierbei nur um einzelne Schlaglichter aus
        verschiedenen Ländern handeln kann – mit einem Schwerpunkt auf Unternehmens-
        Diktaten, die kein Notstandsregime zu verhindern versucht und die soziale Situation
        insbesondere prekär Beschäftigter. Inklusive der Berichterstattung über die

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        Lebensbedingungen vor allem ärmerer Menschen ergibt sich daraus denn doch ein erster
        Gesamtbild der Auswirkungen, die wohl in vielen Ländern weitgehende
        Gemeinsamkeiten haben werden

        „Arbeiten in Zeiten des Coronavirus“ von Maurizio Coppola am 13. März 2020 beim
        re:volt Magazine     zu den italienischen Verhältnissen: „… In Italien wird also weiter
        produziert. Wie sieht es nun aber derzeit in den „verborgenen Stätten der Produktion“
        aus? Eine besondere Aufmerksamkeit gilt zunächst einmal den
        Gesundheitsarbeiter*innen. Seit dem Ausbruch des Virus werden in TV und Presse ihre
        „Held*innengeschichten“ tagtäglich erzählt: Arbeitstage von bis zu 18 Stunden, keine
        Ruhetage, konstant den Gefahren der Ansteckung ausgesetzt. Doch die
        Gesundheitsarbeiter*innen selbst lehnen diese Held*innengeschichten ab. Sie sagen, es
        gehe nicht darum, die individuelle Anstrengung der einzelnen Arbeiter*innen
        hervorzuheben, sondern auf die systemischen Mängel des italienischen
        Gesundheitssystems – Unterfinanzierung und Umstrukturierung – hinzuweisen, die
        dazu führten, dass in Zeiten des Ausnahmezustandes die Gesundheitsarbeiter*innen fast
        übermenschliche Anstrengungen an den Tag legen müssen. Sie berichten auch davon,
        dass es konstant an individuellen Schutzvorkehrungen [sogenannte „dpi“, dispositivi di
        protezione individuale] mangelt, dass die Intensivstationen total überbelegt sind und
        somit andere Krankenhausbereiche auf Kosten anderer Patient*innen zu
        Intensivstationen umgewandelt werden müssen, dass ständig Ärzt*innen und
        Pfleger*innen fehlen, so dass in einigen Fällen Medizinstudierende rekrutiert werden,
        um diese Lücken zu füllen und so weiter. (…) Auch in vielen Call Center wird mehr
        gearbeitet als zuvor, vor allem in Betrieben, die Aufträge von öffentlichen Institutionen
        übernommen haben und während diesen Zeiten zusätzliche Hotline-Dienste anbieten. In
        einem Call Center in Napoli wurden einige Maßnahmen getroffen (die Zuweisung eines
        fixen Computers, Sicherheitsdistanz von einem Meter), andere hingegen nicht (fehlende
        Seife und Desinfektionsmittel in den WCs). Manche Maßnahmen grenzen ans Absurde,
        wie beispielsweise die Aufforderung, Kaffeeautomaten auszuschalten, um „unnötige
        Menschenansammlungen zu vermeiden.“ Die Betriebsleitung des Call Center lehnt
        weiterhin den Vorschlag der Hausarbeit ab; die Arbeiter*innen sind aufgrund der
        zusätzlichen Dienste hingegen gezwungen, Überstunden zu leisten. Kaum eine Stimme
        haben diejenigen, die ohne Vertrag, irregulär und daher ohne
        Sozialversicherungsschutz arbeiten: Care-Arbeiter*innen müssen aus Angst vor einer
        Ansteckung zu Hause bleiben, vor allem diejenigen, die mit alten Menschen arbeiten;
        (Schein-)Selbständige sind nicht erwerbslosenversichert und riskieren nun einen
        längeren Lohnausfall, falls smart working nicht umsetzbar ist; junge Arbeiter*innen
        ohne Vertrag, die in Bars, Restaurants oder anderen „Zuliefererbetrieben“ des
        Tourismus (vor allem in den Städten) tätig sind, wurden aufgrund der Verordnung von
        einem Tag auf den anderen entlassen und sind nun ohne Job. Für diese Sektoren sehen
        die Verordnungen der Regierung bis heute keine Lösungen vor…“

        „Virus und Klassenfrage“ von Carmela Negrete am 14. März 2020 in der jungen welt
        über die Auswirkungen auf die arme Bevölkerung in Spanien: „… Neben Hilfen, die
        Firmen und Arbeiter bekommen sollen, wie etwa eine Fortzahlung von 75 Prozent des

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        Lohnes im Falle eines quarantänebedingten Arbeitsausfalls, kündigte er an, sich
        insbesondere um diejenigen kümmern zu wollen, die bereits vor dem Ausbruch der
        Pandemie unter Armut gelitten hatten. Dazu zählen vor allem Menschen, die bislang
        täglich in Suppenküchen versorgt werden mussten, nun aber aufgrund von
        Schließungen nicht mehr dort essen können. 25 Millionen Euro hat die
        Koalitionsregierung nun für die Subventionierung von Schulessen bereitgestellt, die
        trotz Schließung der Bildungseinrichtungen teilweise im Notbetrieb weiter funktionieren
        müssen. Zudem sicherte sie zu, dass die Lebensmittelversorgung garantiert werde.
        Welche Maßnahmen dafür konkret sorgen sollen, ließ sie offen. NGO wie »Save the
        Children« warnen seit Tagen vor einer schwierigen Versorgungssituation für Familien,
        die in den am meisten von Covid-19 betroffenen Regionen unter Armut leiden, und
        sprechen von einem »Notfall im Notfall«. Allein in Madrid leben 93.000 Kinder in
        Armut. Wenn die Regierung sich dazu gezwungen sieht, wie in anderen Regionen mit
        vielen Krankheitsfällen, das öffentliche Leben noch weiter einzuschränken, wird das
        Problem, wie diese noch etwas zu essen bekommen, noch größer werden. In Madrid hat
        die Regierung mittlerweile mit der Registrierung der Kinder begonnen, die in der
        Vergangenheit bereits eine subventionierte Mahlzeit bekommen hatten. Während dessen
        müssen sie weiterhin auf Unterstützung warten. Im Baskenland sind 13 Prozent aller
        Kinder auf Essenssubventionen angewiesen, aber die baskische Regierung hat bislang
        keine Maßnahmen vorgenommen – obwohl die Schulen im Moment geschlossen sind.
        Betroffen sind jedoch nicht nur Kinder, auch Rentner essen oft gratis oder für ein sehr
        geringen Beitrag in »Sozialzentren«. Viele von diesen werden gerade angesichts der
        Covid-19-Pandemie geschlossen. In der kleinen andalusischen Provinz Córdoba mit
        ihren 780.000 Einwohnern bekommen nun 1.100 Rentner Essen nach Hause geliefert.
        Spanien ist in Autonomieregionen aufgeteilt, weshalb es von Region zu Region
        unterschiedlich ist, welche und ob Maßnahmen getroffen werden, die den besonders
        Betroffenen helfen. Auch Migranten ohne Papiere leiden besonders stark unter der
        durch das Coronavirus ausgelösten sozialen Krise. Am vergangenen Sonnabend wurde
        im südspanischen Lepe eine Demonstration von Erdbeerpflückern von den Behörden
        unter Verweis auf das Virus abgesagt. Die migrantischen Arbeiter klagen an, dass es in
        ihren Hütten nicht einmal Leitungswasser zum Trinken gebe – geschweige denn, um
        sich damit die Hände zu waschen…“

        „Take a look: millions of Americans who work for McDonalds and other hugely
        powerful corporations won’t get paid if they get sick“ am 14. März 2020 im Twitter-
        Kanal von Mary Kay Henry      ist ein Tweet der Vorsitzenden der größten US-
        Einzelgewerkschaft SEIU mit einem Schaubild, in dem all jene Großunternehmen des
        Landes (samt der Zahl ihrer Beschäftigten) erfasst sind, die im Krankheitsfall nichts
        bezahlen. Was alleine bei McDonalds über eine halbe Million Menschen macht. Auch der
        anschließende Threat ist ausgesprochen lesenswert, um verschiedene Aspekte der
        sozialen Wirklichkeit in den USA ein bisschen näher kennen zu lernen (und auch manche
        Argumentation von Verteidigern des Kapitalismus.

https://www.labournet.de/internationales/das-monster-vor-der-tuer-der-corona-kapitalismus/                    14/19
15.9.2021                              Das Monster vor der Tür: Der Corona-Kapitalismus » LabourNet Germany

        „Amazon confirma tres casos de Covid-19 en dos almacenes pero descarta cerrarlos“ von
        Jesus Martinez am 14. März 2020 bei La Informacion     berichtet davon, dass in
        spanischen Amazon-Lagern in Madrid und Barcelona bis dahin zwei Fälle von
        Erkrankungen bestätigt waren – das Unternehmen sich aber rundweg weigert, die
        Forderung nach Schließung zu erfüllen. Im Gegenteil: Ab kommender Woche werden
        neue Zeitarbeitskräfte eingestellt – weil zunehmend mehr Menschen nicht mehr
        einkaufen gehen, sondern im Netz bestellen…

        „Por lo tanto, NO a la subconTRATA de las Kellys en los Hospitales“ am 15. März 2020
        im Twitter-Kanal der „Kellys“ Barcelona      ist sowohl eine Kritik an der aktuellen Praxis
        lokaler Krankenhäuser, neue Subunternehmen für die Reinigung zu engagieren, als auch
        ein Solidaritätsaufruf, den dort bereits beschäftigten Kolleginnen beizustehen, die sich
        gegen diese Maßnahmen zur Wehr setzen.

        Coronavirus: Saskatchewan nurses union says it’s not getting proper protective gear“ von
        Gabriela Panza-Beltrandi am 13. März 2020 in den Global News      berichtet vom Protest
        der Krankenschwestern-Gewerkschaft in der kanadischen Provinz Saskatchewan – der
        sich dagegen richtet, dass oftmals nicht ausreichende und manches Mal gar kein
        Sicherheitsvorkehrungen und –Ausrüstung zur Verfügung gestellt werden…

        „Verschärfte Doppelbelastung“ von Felix Lill am 15. März 2020 in neues deutschland
        online    über den Alltag Alleinerziehender in Japan: „… Neben den erkrankten
        Personen belastet die aktuelle Krise um Covid-19 vor allem die Alleinerziehenden,
        meistens Mütter. Weil Japan kein gemeinsames Sorgerecht kennt, tragen immer noch
        Frauen den Großteil der Verantwortung für die Kindererziehung. Darüber hinaus ist
        ihre die Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt in Japan besonders groß. Bei
        alleinerziehenden Müttern liegt der Anteil relativer Armut bei 56 Prozent. Für die
        meisten ist es daher schlicht unmöglich, bei der Arbeit zurückzustecken, um sich voll
        dem Kind zu widmen. Ende Februar empfahl Premierminister Shinzo Abe allen Schulen
        im Land, zunächst für zwei Wochen zu schließen. Das Coronavirus hatte zu dem
        Zeitpunkt rund 900 Personen im Land infiziert, deren Infektionsrouten sich in vielen
        Fällen nicht nachverfolgen ließen. Weil die Regierung angesichts ihres teils
        unbeholfenen Krisenmanagements um das Kreuzfahrtschiff Diamond Princess in der
        Kritik stand, signalisierte sie fortan Entschlossenheit. Neben Schulschließungen wurde
        Menschen geraten, von zu Hause aus zu arbeiten und die tägliche Rushhour zu
        meiden…“

        „Lettre d’Italie au temps du Coronavirus — Répondre à la crise sur trois plans“ von Potere
        al Popolo am 13. März 2020 bei Europe Solidaire      dokumentiert, berichtet – unter
        anderem – von den Aktivitäten der linken Organisation in drei Bereichen: Zum einen die
        Beschäftigten der „Internet-Kaufhäuser“ (in erster Linie auch hier Amazon, versteht sich)
        die aufgrund der Situation noch viel mehr arbeiten sollen, als ohnehin und keineswegs
        unter besonders gesicherten Bedingungen. Zum zweiten die Beschäftigten der Call
        Center, für die dasselbe gilt, was den Arbeitsaufwand betrifft. Und schließlich die Saison-
        Beschäftigten, vor allem – aber nicht nur – in Landwirtschaft und Tourismus, wo vor
        allem darum gekämpft wird, dass sie bei Nichtbeschäftigung aufgrund der aktuellen Krise

https://www.labournet.de/internationales/das-monster-vor-der-tuer-der-corona-kapitalismus/                    15/19
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