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Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Die zukünftigen Herausforderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Dokumentation m e d i e n - u n d t e c h n o lo g i e p o li t i k
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Die zukünftigen Herausforderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Dokumentation der Fachkonferenz für Rundfunk- und Verwaltungsräte des öffentlich- rechtlichen Rundfunks am 23. April 2007, Berlin Medien- und Technologiepolitik
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Inhalt inhalt Diese Broschüre ist eine kurze Dokumentation der Fachkonferenz für VORWORT Rundfunk- und Verwaltungsräte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks DR. Roland schmidt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der FES . . . . . . . . . . . 4 »Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote – Die zukünftigen Her ausforderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk« der Friedrich- Ebert-Stiftung am 23. April 2007 in Berlin. VORBEMERKUNG Weitere Informationen auf www.fes.de/medienpolitik Wer sucht, soll finden können. Vieles verändert sich, gute Inhalte bleiben gefragt und werden gefunden Marc Jan Eumann , MdL, Vorsitzender der SPD Medienkommission . . . . . . . . . . . . 6 ZUR QUALITÄTSDISKUSSION 1. Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote – Die zukünftigen Herausforderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Martin Stadelmaier , Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Mainz . . . . . . . . . . 11 2. Vorstellung der Studie »Im Spannungsfeld – Zur Qualitätsdiskussion öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme« Uwe Kammann , Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, Marl . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3. Qualitätsstandards für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Fritz Raff, Vorsitzender der ARD, Saarbrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Wer kann die Programmqualität garantieren? Tino Kunert, Vorsitzender des ARD-Programmbeirats, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . 43 5. Die Selbstverpflichtungen von ARD und ZDF – eine erste Bilanz Volker Lilienthal , Verantwortlicher Redakteur der epd medien, Frankfurt . . . . . . 50 ISBN 978-3-89892-713-0 Herausgeber: Stabsabteilung der Friedrich-Ebert-Stiftung Redaktion: Beate Martin, Thomas Dreher Copyright 2007 by Friedrich-Ebert-Stiftung Hiroshimastraße 17, D-10785 Berlin Stabsabteilung, www.fes.de/stabsabteilung Umschlag: Lutz Jahrmarkt, Fahrenholz Gestaltung: Doreen Engel, Berlin Druck: Medienhaus Plump, Rheinbreitbach Printed in Germany 2007
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Vorwort zur Konferenzdokumentation Vorwort nen und das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Vielfalt der Medienangebote deutlich sichtbar zu machen. Die Qualität der öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme wird dabei ein wichtiger Faktor sein. Uwe Kammann, Direktor des Seit der Einführung des Dualen Rundfunksystems in Deutsch- Adolf-Grimme-Instituts, zeigt in seiner Studie »Im Spannungs- land Mitte der Achtziger Jahre wird immer wieder diskutiert, in feld – Zur Qualitätsdiskussion öffentlich-rechtlicher Fernseh- wieweit sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen an die Konkur programme«, die er im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung renz des privaten Fernsehens anpassen muss, um gute Quoten verfasst hat, Möglichkeiten auf, den Begriff Qualität näher zu erzielen zu können. Das bedeutet in vielen Fällen letztlich auch fassen. In der Digitalen Bibliothek kann die Studie herunter- die Absenkung von Qualitätsstandards und vertreibt gleich geladen werden: http://library.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/ zeitig viele Zuschauer, die inhaltlich vielschichtigere Sendungen 04418inf.html. nur zu später Stunde oder gar nicht mehr im Programm wieder Vorgestellt hat Kammann die Studie während der Fachkonfe- finden. renz für Rundfunk- und Verwaltungsräte des öffentlich-recht- Die rasante technologische Entwicklung wird es in Kürze mög- lichen Rundfunks »Das Spannungsverhältnis von Qualität und lich machen, dass sich jeder unabhängig von Zeit und Ort sei- Quote – Die zukünftigen Herausforderungen für den öffentlich- ne Programme auf Abruf selbst zusammenstellen kann. Das rechtlichen Rundfunk« am 23. April 2007 in Berlin. Beim vor- Handy-TV wird bald selbstverständlich sein. Die junge Gene- liegenden Band handelt es sich um eine Dokumentation dieser ration erwartet darüber hinaus ein rückkanalfähiges Angebot Konferenz. und möchte nicht mehr nur einseitig mit einem Vollprogramm versorgt werden. Die Nutzer bieten inzwischen immer häufiger ihre selbstproduzierten Beiträge an. Dr. Roland Schmidt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied So führt die Digitalisierung zur Fragmentierung der Programm- der Friedrich-Ebert-Stiftung. angebote und zur Individualisierung der Nutzung. Wenn in wenigen Jahren das analoge Fernsehen der Vergangenheit an- gehören wird, verschwinden die Grenzen zwischen Fernsehen und Internet. Das klassische lineare Echtzeit-Fernsehen wird er setzt vom nicht-linearen Abruf-Fernsehen und dem kompletten Internetangebot. Es gilt nun, Strategien zu entwickeln, um mit diesen Heraus- forderungen umzugehen. Die neue vernetzte und verlinkte Welt bietet scheinbar unbegrenzte Nutzungsoptionen. Es wird zu- nehmend wichtiger, die Präferenzen der Nutzer sehr gut zu ken-
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Vorbemerkung VORBEMERKUNG Dschungel: Beide suchen nach Suchenden, nach neuen Inhal- ten, nach Geschäftsmodellen; nach neuen Gebührenmodellen die einen, nach neuen Finanzierungsquellen die anderen. Sie hoffen auf Anwendungen, die allen nutzen, nicht zuletzt ihnen Wer sucht, soll finden können. selbst; stoßen auf Akteure, denen sie auf der analogen Weide Vieles verändert sich, gute Inhalte bleiben gefragt und werden nicht begegnet sind und die nach Ähnlichem Ausschau halten: gefunden. Zum einen nach dem Menschen, den der eine Nutzer – das sind Zuschauer, Zuhörer und Leser –, der andere Endkunde nennt. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Qualität und Quote Geld soll dieser bei beiden mitbringen. Zum anderen suchen so- im Fernsehen ist mindestens so alt wie das duale Rundfunk- wohl öffentlich-rechtliche als auch kommerzielle Fernsehanbie- system. Dennoch stellt sie sich immer wieder neu und immer ter nach Hybriden, nach Dingen, die aus der Kombination von wieder lohnt es sich, sich auf die Suche nach zeitgemäßen Ant- Gewöhnlichem mit Gewöhnlichem etwas Außergewöhnliches worten zu machen. So auch jetzt. Durch die Digitalisierung und machen, nach Dingen, die manches, manche Dinge, die alles die rasant zunehmende Medienkonvergenz lösen sich unsere können – und vielleicht noch ein wenig mehr. Aber auf jeden bisherigen analogen Vorstellungswelten auf. Die digitale Welt Fall nach Dingen, die etwas Neues, hoffentlich Notwendiges ist eben nicht die analoge Welt mit anderen Mitteln, es ist eine und Nützliches versprechen andere Welt – mit neuen Möglichkeiten, neuen Akteuren, neu- Gerade für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bedeutet die- en Chancen und neuen Risiken. Es ist eine Welt voller Hybride. ser Aufbruch in die digitale Welt eine große Herausforderung. Das scheint mir ein wesentliches Kennzeichen zu sein. Unsere Auf den ersten Blick ist man versucht, dies mit der Phase der bisherige Medienwelt kannte zwei Akteure: Sender und Emp- Einführung des dualen Systems Mitte der 80er Jahre zu verglei- fänger. Das ändert sich gerade. Für die einen zu schnell, für die chen. Wie die allermeisten Vergleiche hinkt auch dieser. Denn anderen nicht schnell genug. die analoge Welt im dualen System war – unabhängig von der Sicher ist: Auch in zehn Jahren wird es noch »Couch Potatoes« Zahl der Sender und der jeweiligen Finanzierungsgrundlage geben. Ebenso sicher ist: Nichts bleibt wie es war. Aus Sendern – eine Einbahnstraße. Sie kannte nur Sender und Empfänger. werden Empfänger, aus Empfängern werden Sender. Die Digi- Aber das, so wissen wir, ändert sich. Aber was das für inte- talisierung ermöglicht jedem Einzelnen einfacher und kosten- grationsorientierte Vollprogramme bedeutet, das weiß heute günstiger als je zuvor, selbst zum Akteur und Anbieter zu wer- niemand. den. Dieser Prozess und die damit verbundenen Konvergenzen Es gibt aber neben viel Ungewissem auch Gewissheiten. Es geht und Interdependenzen haben entscheidenden Einfluss auf alle auch in Zukunft um die Vorstellungen, die sich aus Artikel 5 Entwicklungen der Medien-, Informations- und Kommunikati- GG ergeben. Das heißt: Der Gesetzgeber hat den Auftrag, eine onsbranche. Sie machen auch nicht vor den Toren unserer du- positive Rundfunkordnung zu schaffen. Das ist in der analogen alen Rundfunkordnung halt. Welt insgesamt gut gelungen. Das muss auch in der digitalen Öffentlich-rechtliche und kommerzielle Fernsehanbieter bege- Welt gelingen. Die Voraussetzungen sind gut. Mit der Digitali- ben sich gerade auf die ungewisse Expedition in den digitalen sierung geht eine Unübersichtlichkeit einher, von der Marken,
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Vorbemerkung die vertraut sind und sich Vertrauen erarbeitet haben, profitie- lisieren. Größeren Reformbedarf mache ich indes bei der ARD ren werden. Es ist davon auszugehen, dass die Quote, die Wäh- in ihrer Gesamtheit aus. Aus meiner Sicht gilt es, eine neue Auf- rung der analogen Welt, an Bedeutung verlieren wird. Es gibt sichtsstruktur für die Gemeinschaftsaktivitäten, das ARD-Pro- keine Gesetzmäßigkeit, dass dies auch für die Qualität gilt. Das gramm, die mit der ARD verbundenen Tochtergesellschaften Gegenteil ist nicht nur zu wünschen, es ist auch wahrscheinlich. und die ARD-Programmdirektion zu etablieren. Deshalb habe Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine herausragende Qua- ich den Vorschlag gemacht, einen ARD-Rat zu bilden (ausführ- litätsmarke, an der sich die Nutzer orientieren können. Aber er lich dazu: Marc Jan Eumann, Guter Rat. Gremienaufsicht: not- ist mehr als bloß eine Marke neben anderen. Es ist konstitutiv wendig, aber auch reformbedürftig, in: epd, 12/2007, S.8 ff für unsere demokratische Gesellschaft, in der Bürgerinnen und sowie die sich daran anschließende Debatte mit Beiträgen u.a. Bürger das Recht und den Anspruch auf Zugang zu Information von Thomas Kleist, Udo Reiter, Martin Stadelmaier, Ernst Elitz). haben, das Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Ob die jüngst auf der Konferenz der Gremienvorsitzenden (GVK) der öffentlichen Debatte. Sie haben Anspruch auf unabhängige getroffenen Verabredungen in Saarbrücken mehr bedeuten, als und sorgfältig recherchierte Information, die sie für ihre Orien- einen Schritt in die richtige Richtung, bleibt abzuwarten. Die tierung benötigen. Dies wird eingelöst durch die Verpflichtung, Diskussion ist in vollem Gange. Und das ist gut für den öffent- unterschiedlichen Meinungen und Einstellungen in der Gesell- lich-rechtlichen Rundfunk. schaft eine Stimme zu geben. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat Uwe Kammann, Katrin Die Aufgabe, als Medium und Faktor zu wirken, bleibt. Diese Jurkuhn und Fritz Wolf beauftragt, das Gutachten »Im Span- Ansprüche und Notwendigkeiten können allein öffentlich-recht- nungsfeld – Zur Qualitätsdiskussion öffentlich-rechtlicher Fern- liche Rundfunkveranstalter erfüllen. Das macht sie unverzicht- sehprogramme« zu erstellen. Herausgekommen ist Bemerkens- bar. Gerade deshalb sind grundsätzliche gesetzliche Beschrän- wertes, Nachdenkenswertes und Nachvollziehbares. Sicher ist, kungen mit Blick auf Verbreitung, Budgets, Programme oder Gremien benötigen – mehr denn je – wissenschaftliche und Inhalte in meinen Augen falsch. Vielmehr wird es darum gehen, professionelle Begleitung und Beratung, um ihre Aufgaben, die dass Programmverantwortliche und Gremien in einem neuen auch durch die Umsetzung des VPRT-Beschwerdeverfahrens Drei-Stufen-Test sorgfältig abwägen, welche öffentlich-rechtlich im künftigen elften Rundfunkstaatsvertrag vielfältiger werden, verantworteten Inhalte über welche Plattformen entstehen und als Sachwalter der Gebührenzahler zu bewältigen. Oder, wie verbreitet werden – und der Gesetzgeber muss gewährleisten, es Volker Lilienthal jüngst formulierte: »Die formell gestärkten dass die Finanzierung dieser Inhalte für die relevanten Ver- Gremien müssen schon Eigenes beitragen, wollen sie der ihnen triebswege sichergestellt bleibt. vom Gesetzgeber zugedachten Rolle gerecht werden. Ein abni- ckender Debattierclub wäre zu wenig. Es braucht Kompetenz.« Dass auf die Aufsichtsgremien insgesamt neue Aufgaben zu- kommen, aber insbesondere auf die in der ARD zusammenge- Die Vorstellung des Gutachtens hat die Friedrich-Ebert-Stiftung schlossenen Landesrundfunkanstalten, ist unstrittig. Hier gilt: zum Anlass genommen, mit Gremienmitgliedern, Journalisten, Die binnenplurale Aufsichtsstruktur in den einzelnen Landes- Medienpolitikern und ARD-Repräsentanten zu diskutieren. An rundfunkanstalten hat sich bewährt. Auf dieser guten Grund- dieser Stelle sei deshalb allen Mitwirkenden herzlich gedankt. lage lassen sich die den Zeitläufen geschuldeten Reformen rea- Dies gilt insbesondere für Beate Martin, die für die Veranstal-
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion tung Verantwortung trug. Auch diese Dokumentation soll anre- ZUR QUALITÄTSDISKUSSION gen. Deshalb gilt: Die Diskussion geht weiter. Für die SPD bei- spielsweise auf dem ordentlichen Bundesparteitag im Oktober in Hamburg, auf dem das neue Grundsatzprogramm beschlos- sen werden soll. Die Medienkommission beim SPD-Parteivor- stand hat ihren Beitrag zum Entwurf geleistet und wird die besondere Bedeutung der Medienpolitik für die SPD mit zwei Martin Stadelmaier , Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Mainz Anträgen unterstreichen. Der eine trägt die Überschrift »Me- dienkompetenz 2.0 – Impulse für eine vernetzte Bildungs- und 1 Medienpolitik«, der andere setzt sich mit den Auswirkungen der Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote – Digitalisierung vor allem für die Medienpolitik mit dem Titel Die zukünftigen Herausforderungen für den öffentlich-recht- »Die Chancen der digitalen Welt nutzen – Anforderung an eine lichen Rundfunk neue Medienordnung« auseinander. Das Thema der heutigen Fachkonferenz ist ein ebenso span- Die Frage, wie wir in der digitalen Welt das finden, was wir nendes wie altes. Ich habe gezögert, mich dazu zu äußern, weil brauchen, wird sich, so ist zu hoffen, auch in Zukunft leicht be- Fritz Raff schon recht hat: Die Grenze zur nicht gewünschten antworten lassen, in dem wir auf der Grundlage der Bestands- Einmischung des Staates, als dessen Vertreter ich hier eingela- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rund- den bin, ist schnell erreicht. Wenn ich Ihnen in der Bewertung funk eine Art Gesellschaftsvertrag zwischen Machern und und prononcierten Stellungnahme gelegentlich zu zurückhal- Nutzern verabreden. Dazu bedarf es ganz neuer Anstrengun- tend erscheinen sollte, dann ist es diesem Umstand geschuldet. gen, die Beziehungen zwischen den Gebührenzahlern, den Pro- gramm-Machern und -Verantwortlichen sowie den Gremien zu Gestatten Sie mir einen zweiten Hinweis: organisieren. Dabei wird es auch künftig um die Fragen nach Ich habe den Eindruck, dass das Thema erfreulicherweise wie- Qualität und Quote, nach Akzeptanz und Relevanz gehen. Auch der verstärkt aufgegriffen wird, in vielen Foren, auch durch wenn sich vieles verändert und sich noch mehr verändern wird: die Tagespresse und nicht zuletzt ganz beharrlich durch Zeit- Inhalte, die orientieren, werden gesucht und gefunden, guter schriften, wie epd und die Funkkorrespondenz oder die Wis- Journalismus wird auch künftig gefragt sein und nachgefragt senschaft, nicht nur beim Grimme-Institut. werden – deshalb ist man auch in Zukunft beim öffentlich- rechtlichen Rundfunk gut aufgehoben. Gestatten Sie mir eine dritte einführende Vorbemerkung: Die Rundfunkpolitik hat auf ihrem Feld wesentliche Impulse da- für gesetzt, dass die Qualitätsdiskussion vor allem im öffentlich- Marc Jan Eumann MdL, rechtlichen, aber auch im privaten Rundfunk, sowohl im Fern- Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion NRW sehen, als auch im Hörfunk immer wieder aufgegriffen werden und Vorsitzender der Medienkommission beim SPD-Parteivor- muss. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Ergänzung stand, Köln/Berlin, Juni 2007. der Grundversorgung durch einen immer mehr konkretisierten 10 11
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion Funktionsauftrag, die Selbstverpflichtungen der Anstalten und So hat der Fußball, oft an dieser Stelle gescholten, quasi das die Stärkung der Gremien. Sie alle kreisen auch um die Frage, Schlusswort einer ganz und gar gelungenen Qualitätsstudie. C‘ was Qualität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie im dualen est la vie. System heute ausmacht. Lassen Sie mich zum Spannungsverhältnis von Qualität und Zuletzt im Jahre 2005 hat sich Ministerpräsident Beck als Vorsit- Quote nur ein paar Anmerkungen machen, die sicherlich in der zender der Rundfunkkommission in diese Debatte eingebracht Vorstellung der Studie, aber auch in den anschließenden State- und dabei die Qualität der Programme als wichtige Legitimati- ments noch aufgegriffen oder vertieft werden können: onsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betont. Ich bin der Friedrich-Ebert-Stiftung dankbar, dass sie diese Thema- tik aufgegriffen und hierzu eine Studie in Auftrag gegeben hat. 1. Qualität und Quote Ohne auf die Studie näher eingehen zu können und zu wollen Qualität und Quote sind heute Begriffe, die für mehrere Ziel- – da freuen wir uns sicherlich alle gemeinsam auf die anschlie- richtungen stehen: ßende Vorstellung durch Uwe Kammann, den Direktor des Adolf- Grimme-Instituts – stelle ich schon jetzt fest: Die Studie bietet • Da ist zum einen der originäre Auftrag des öffentlich-recht- einen unschätzbaren Fundus zu dieser äußerst komplexen und lichen Rundfunks zur Grundversorgung, das heißt zur Ver- schwierigen Materie. Ihre Aufteilung, die zahlreichen Aussagen sorgung breiter Teile der Bevölkerung. Qualität ist dabei und Überlegungen zur Qualität zu dokumentieren, die Vielfalt stets die inhaltliche Themenfindung und -aufbereitung. Sie bei der Umsetzung von Qualitätsmerkmalen zu beleuchten und ist aber auch zugleich die technische Umsetzung und Prä- sodann quasi von der Gegenseite, also von der Seite der Medien- sentation. Quote gehört indes dazu: Eine Grundversorgung kritik, an die Thematik heranzugehen, schafft dem zunehmend für die Bevölkerung, die die mediale Vielfalt im Wesent- interessierter werdenden Leser wichtige Argumentationsgrund- lichen abbildet, verdient ihren Namen nicht mehr, wenn lagen. Auf diesen bauen dann einige Voraussetzungen für die eben diese Bevölkerung auf dieses Angebot gar nicht mehr Kernausstattung von Qualität auf. Wichtigste Erkenntnis für zugreift – oder schlimmer noch – in der Masse der Ange- mich: Der Begriff der Qualität ist rational erfassbar und anhand bote die Grundversorgung gar nicht mehr wahrnimmt. von – durchaus unterschiedlichen – Kriterienkatalogen objektiv • Zum anderen dienen Qualität und Quote vor allem der Un- nachweisbar. Zweite Erkenntnis: Der Qualitätsbegriff ist für den terscheidbarkeit der Angebote zu den Privaten ebenso wie Gesetzgeber allenfalls generalklauselartig zugänglich, das heißt der Profilierung des öffentlich-rechtlichen Sendersystems er bedarf stets der Ausfüllung Dritter. Wegen der Staatsfreiheit als eigenständige Marke. Und Quote ist in diesem Zusam- des Rundfunks bedeutet dies: Redaktionen, Geschäftsleitungen menhang auch ein wichtiges Zeichen für die Senderverbun- und Gremien der Rundfunkanstalten sind gefordert. denheit der Zuschauer oder künftigen Nutzer. Ohne nach- Ebenso kann und sollte sachverständige Kompetenz von außen haltige Senderbindung eines eigenen Nutzerkreises und hinzugezogen werden. Nicht ohne Ironie der Schluss: Das Zitat einem steten Bemühen neue Nutzer zu gewinnen, droht die von Prof. Hoffmann-Riem entnimmt ein Bild aus der Welt des Marginalisierung in der Flut der Angebote. Fußballs. 12 13
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion Und nicht zu vergessen: Unterscheidbarkeit durch öffentlich- 3. Akzeptanz und Qualität rechtliche Programmprofile und Akzeptanz bei den Zuschauern schaffen zusammen erst die Legitimation für die Rundfunkge- Ich meine, Qualität muss auch die Chance bekommen, auf Ak- bühr. zeptanz zu stoßen. Das heißt umgekehrt, eine vollständige Ver- bannung in Spartenkanälen oder nach 22.30 Uhr in den Haupt- Daraus folgt: Qualität und Quote sind keine unüberbrückbaren programmen dienen eben nicht der Förderung von Akzeptanz Gegensätze. Ich bin den Verfassern der Studie dankbar, heraus- für Qualitätsfernsehen. Dabei sind es nicht einmal die häufigen gearbeitet zu haben, dass ein Qualitätsmerkmal immer auch Kompromisse, die man zugunsten von Quote – und eben nicht darin besteht, den Zuschauer erreichen zu wollen. Vielleicht lie- nur bloßer Akzeptanz – und zu Lasten von Qualitätsfernsehen gen manche Missverständnisse aber auch an der bloßen Wort- eingeht, die ich beklage. Ich sehe sehr wohl den Wettbewerb, wahl: »Qualität und Akzeptanz" auf der einen und "Quote ohne dem sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in unserem Rücksicht auf Qualität" auf der anderen Seite mögen vielleicht harten Medienmarkt stellen muss. Kein Verständnis aber habe die Gegensätze besser verdeutlichen, um die es eigentlich geht. ich für die Selbstverständlichkeit und Regelmäßigkeit mit der diese Dinge geschehen und die quasi zu einer Gettoisierung von Qualität führt. Und die Disponibilität von bestimmten Sen- 2. Rechtmäßigkeit und Glaubwürdigkeit dungen, die bei aktuellen Sportübertragungen regelmäßig »aus Bei aller Vielfalt von Qualitätsmerkmalen, die man je nach Pro- dem Programm fliegen« ist selbst schon für den Sportinteres- grammgattungen, Zielgruppen, Art des Mediums, aber auch im sierten bemerkenswert. Zuge der Zeit verändert definieren kann, will ich zwei Merk- Von der Fortentwicklung – das. heißt Kürzung – politischer Ma- male besonders herausgreifen: Rechtmäßigkeit und Glaubwür- gazinsendungen gar nicht zu reden. Alle diese Maßnahmen las- digkeit. sen Rückschlüsse darauf zu, welchen Stellenwert man welchen Völlig berechtigt erinnert die Studie nochmals an die Vorwürfe Sendungen wirklich zubilligt. Und sicher – nicht im Einzelfall, von Schleichwerbung. Und ich sage an dieser Stelle ganz klar: So wohl aber in der Summe – wird dann die Frage nach der Glaub- sehr ich die gleichen Vorfälle im privaten Fernsehen verurteile, würdigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestellt. Zu so wenig schaffen diese Vorfälle auch nur die geringste Recht- Recht, wie ich meine. fertigung dafür, dass sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stattgefunden haben. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss Vorbildcharakter für Rechtmäßigkeit entwickeln. Rechtmäßig- 4. Durchgängiges Qualitätsmanagement keit der Programme ist erste Grundvoraussetzung für Qualität. Ich halte die Einrichtung eines durchgängigen Qualitätsma- Er darf gerade nicht glauben, rechtliche Grenzen ausloten oder nagements im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für geboten. gar überdehnen zu dürfen. Nur aus einem solchen Programm- Dieses Qualitätsmanagement ist zu institutionalisieren, ver- verständnis heraus kann auch Glaubwürdigkeit gegenüber Zu- gleichbare Maßstäbe für vergleichbare Angebote sind zu ent- schauern und Öffentlichkeit erwachsen. wickeln. Qualitätsmanagement fängt bei der Programmherstel- 14 15
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion lung, das heißt in den Redaktionen, an und hat ein Controlling uneins sind. Diese Aussagen werden immer wieder gemacht, über die Geschäftsleitungen zu erfahren. bekundet, beschworen, ritualhaft wiederholt. Das Problem, ich formuliere bewusst ganz vorsichtig, ist jedoch, dass eine tat- Die Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nehmen in sächliche Umsetzung dieser Bekundungen und Beschwörungen diesem Qualitätsmanagement eine besondere Rolle ein, und öffentlich nur sehr bedingt wahrgenommen wird. Und dies ob- zwar in mehrfacher Hinsicht: wohl dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Grundsatz, und • Sie sind gefordert, Eckwerte von Qualitätsmerkmalen in zwar zu Recht, ein gutes Zeugnis ausgestellt wird. Daher halte Selbstverpflichtungen niederzulegen, die dann von den zu- ich es für dringend geboten, ein durchgängiges Qualitätsma- ständigen Programmmachern näher ausgefüllt und umge- nagement in allen Anstalten so auf den Weg zu bringen, dass setzt werden. Und um auch einmal Volker Lilienthal aufzu- sich daraus auch ein öffentlich wahrnehmbares öffentlich- greifen: Selbstverpflichtungen dürfen weder bloßes Ritual rechtliches Programm- und Angebotsprofil dauerhaft entwi- noch peinlich wirkendes Eigenlob sein. Sie müssen nach- ckeln kann. Dies ist ein sehr kleinteiliger, mühevoller und vor vollziehbare Handlungsanweisungen darstellen, das heißt allem langer Weg. Er setzt aber die innere Entschlossenheit für das operative Geschäft relevant sein. und den Willen der Anstalten voraus, diesen Weg zu gehen. Aus meiner Sicht gibt es hierzu jedoch keine Alternative. Gelingt • Das genau ist deshalb so wichtig, weil die Gremien dann im dieser Weg, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk jede Chance Nachhinein auch mit der Kontrolle gefordert sind, ob Re- auch auf den Zukunftsmärkten der Medien erfolgreich zu be- daktionen und Geschäftsleitung diese Selbstverpflichtungen stehen. zutreffend interpretiert und konkret umgesetzt haben. Dass sich diese Kontrolle bei der Menge der Angebote auf Stich- proben oder Beschwerdefälle begrenzt, ist selbstverständ- lich. Nur muss diese Kontrollfunktion überhaupt stattfinden sowie nach innen und nach außen auch wahrgenommen werden. Nur so vermag sie Wirkung zu entfalten. • Und schließlich dürfen und müssen Gremien sogar ein- räumen dürfen, dass Kompetenz von außen notwendig ist, will Kontrolle nach innen überzeugend gelingen. Auch dies stärkt die Gremien in der Wahrnehmung der Öffentlich- keit – auch von Brüssel – als wirkliche Kontrolleure der Ge- sellschaft gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich fasse zusammen: Das gegenwärtige Problem liegt nicht darin, dass wir über Qua- litätsfernsehen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und ein ei- genes unterscheidbares öffentlich-rechtliches Programmprofil 16 17
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion zumindest die himmlischen Mächte – sicher auch bescheinigen Uwe Kammann , Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, Marl würden: Wer immer strebend sich bemüht, den können wir er- lösen … Also, wie hat es der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit der Quali- 2 Vorstellung der Studie »Im Spannungsfeld – Zur Qualitäts diskussion öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme« tät? Wie steht es um diese Einrichtung, die viele nicht unbedingt als herzensgut, aber doch als im Grundcharakter gut und solide Meine sehr geehrten Damen und Herren, bezeichnen würden? Richtig ist schon: Mit der Zielsetzung Qua- lität wird diese Einrichtung allemal bedacht. Aber das, was die nicht ans Ende, sondern an den Anfang dieser Ausführungen Wikipedia-Interpreten der Gretchenfrage eingeschrieben sehen, gehört ein Dankeschön: an die Friedrich-Ebert-Stiftung. Denn das gilt als Zweifel sicher auch für die Einrichtung des öffentlich ohne sie, ohne ihr beharrliches Interesse an medialer Aufklä- verfassten und idealiter gemeinwohlorientierten Rundfunks: rung wäre diese ausführliche Befassung mit Qualitätsstandards Behandelt er diesen Kern seiner Selbst, diesen Urgrund seiner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, speziell des Fernsehens, Existenz auch nach den gegebenen Regeln anständig? Ist Qua- nicht auf den Weg gebracht worden. Und mein Dank gilt ganz lität Richtschnur für sein Alltagshandeln in der Gemeinschaft, besonders Beate Martin von der Stabsabteilung, welche die von der er doch verpflichtet ist, deren Wohl er dienen soll? Grimme-Rhythmik bestimmte Realisierung der Studie intensiv und nachhaltig begleitet hat. Die Qualitätsfrage begleitet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk seit seinen Anfängen. Er hat sich nämlich, unzählige Streit- So dass ich jetzt hier eine berühmte Frage als kulturellen Lack- gespräche und hitzige Debatten belegen das, schon immer in mustest an den Anfang stellen kann: einem Spannungsfeld bewegt. Die Verhältnisse waren nie ein- »Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzens deutig und klar, wenn es um die Erwartungen des Publikums guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.« ging und geht – eines Publikums, das ja aus ganz unterschied- lichen Gruppen besteht und ebenso höchst unterschiedliche Forschen wir populär mit Wikipedia, was von dieser Ur-Frage Interessen hat – und um jene Vorstellungen, welche die Ver- aus dem Faust zu halten ist: antwortlichen von dem haben, was man eine gesellschaftsdien- Da heißt es interpretierend: »Etwas anderes zu sein als ein liche Programmlinie nennen kann. frommer Christ, ist nahezu unvorstellbar. Das christliche Dog- Schon bei den Verantwortlichen selbst gibt es ganz unterschied- ma ist nicht nur maßgeblich für Himmel und Hölle, Gut und liche Positionen, die sich allein aufgrund der Ausgangslage stark Böse, sondern es ist auch die Richtschnur für das Alltagsleben differieren können: in der Gemeinschaft. Die Gretchenfrage fragt insofern nicht nur nach Fausts Religion, sondern auch, ob er sie nach den gege- • Da sind die Politiker, welche dem Rundfunk mehr als nur benen Regeln anständig behandeln wird.« die rechtliche Basis geben; Sie merken schon, worauf ich hinaus will: Ich ersetze einfach • da ist die Hierarchie-Pyramide in den Sendern, die – unter das Wort Glaube durch den Begriff Qualität, und an die Stelle dem Siegel der Staatsferne – die Programmziele sowie Me- von Faust setze ich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dem – thodik und Machart vorgeben; 18 19
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion • und da sind die Gremien, welche als exemplarisches Schar- tenden Beurteilung: ja, das ist Qualität. Unbestreitbar, obwohl nier eingesetzt sind, um für die Allgemeinheit über Wohl noch gar nicht gestritten wurde; obwohl noch niemand in den und Wehe der öffentlich-rechtlichen Sendetätigkeit beratend Ring gestiegen war, um zu behaupten: Nein, sowas Lausiges zu wachen – und dabei schon vorher wichtige Weichen zu habe man ja noch nie sehen müssen… stellen, indem sie die Personalspitze der Sender bestellen. Ich komme deshalb auf diesen Begriff, weil vor Urzeiten meine Schon hier wird leicht verständlich, dass es nicht leicht ist, den frühere Journalisten-Kollegin Gisela Zabka über die Goldene Begriff Qualität gleichsam in platonischer Manier als Vorschein Rose von Montreux berichtete, einen Wettbewerb von Unterhal- einer reinen Ur-Idee zu beleuchten. Qualität, das ist – nach dem tungssendungen, und als Überschrift das Zitat eines Englän- schönen Muster von Erkenntnis und Interesse – eine Münze ders wählte: »Ihr findet unsere Sachen lousy, wir finden eure des Alltags, die jeder nach eigenen Vorstellungen prägt. Eine Sachen lousy«. Und damit war und ist das ganze – zumindest Münze, der er ganz eigene Werte – und damit natürlich auch theoretische – Dilemma (oder Debakel?) der Qualitätsdiskussi- Tausch-Werte – zuschreibt. Eine Null-Währung, wenn man so on schon markiert. Mentalitäten, Prägungen sozialer und kultu- will, deren Kurs erst im Akt der materiellen Weitergabe jeweils reller Art, subjektive Vorlieben, Stimmungen, Erziehungsziele, aktuell bestimmt wird. kollektive Mythen, historische Erfahrungen, Erwartungen: das Spektrum ist groß, nach dessen Ausmessen der Daumen rauf Wobei, merkwürdigerweise, Qualität im Sprachgebrauch des oder runtergeht: gut, schlecht, akzeptiert, verworfen, gesehen, Alltags in der Regel ohne Widerspruch positiv aufgeladen ist. weggedrückt, behalten, vergessen, bereichernd, verarmend. Eine Qualitätszeitung, das ist eben eine gute Zeitung. Quali- tätsfernsehen, das ist gutes Fernsehen. Wobei doch, richtig be- Eine kleine Blütenlese aus Zitaten kreist diese Feststellung ein: trachtet, Qualität nur für eine Beschaffenheit, eine Güte steht, ➣ »Qualität ist immer ein multidimensionales Konstrukt, es deren Rang erst noch zu ermitteln ist. gibt in der Regel nicht ein, sondern eine Fülle von Kriterien, Wenn wir einen Sprung in die Beurteilung eines wesentlichen mit denen die Qualität eines Objektes messbar gemacht Teils unserer Alltagskultur, nämlich der Autowelt, machen, fällt werden kann. Diese Kriterien schließen sich zum Teil ge- diese Merkwürdigkeit sofort auf. Dort war es zeitweilig – bei den genseitig aus, hängen zum Teil aber auch voneinander ab« Presseabteilungen und bei den nachplappernden Motorjourna- (Hans-Bernd Brosius, Medienwissenschaftler) listen – hochmodern, von einem wertigen Armaturenbrett, von ➣ »Was Qualitätsfernsehen ist, lässt sich (…) nicht pauschal einer wertigen Innenverkleidung zu sprechen. Ob nun hoch- und absolut bestimmen, sondern ist selbst in einem öffent- oder minderwertig, das war daraus natürlich nicht ersichtlich. lich-rechtlichen Programm von Sendung zu Sendung, von Das Wertige stand und steht für sich, punktum. Format zu Format, von Sendeplatz zu Sendeplatz, von Um- Wobei ja nicht zu verhehlen ist: Es gibt schon ein kollektives feld zu Umfeld differenziert zu definieren« Qualitätsgefühl, ein Wissen um einen höheren, einen hochge- (Peter Christian Hall) schätzten Wert von Eigenschaften, von Dingen, von Ereignissen. ➣ »Qualitätsansprüche, ohne die es keinesfalls geht – sie Es speist sich aus einer unbestimmten Zustimmung, aus einer haben mit so kompakten Begriffen zu tun wie Originali- von den Einzeleigenschaften gar nicht unmittelbar abzulei- tät, Angemessenheit, Plausibilität, Handwerk, Genauigkeit, 20 21
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion Moral, Relevanz, Intelligenz, Humor –, können und müssen höchst veränderlich nach den irregulären Gesetzmäßigkeiten gewiss generell gelten, aber von Fall zu Fall und damit un- des Laufs der Zeit –, dies alles und das damit verbundene prin- terschiedlich geltend gemacht werden« zipielle Dilemma enthebt uns natürlich nicht der Frage, was (Hans Janke, stellvertretender Programmdirektor ZDF) denn die wesentlichen, die prägenden Eigenschaften eines öf- fentlichen Rundfunks sein sollen, oder, schärfer formuliert, sein ➣ »Programm-Qualität ist die Summe der Qualitäten der ein- müssen, damit er von der Gesellschaft gewollt, getragen und – zelnen Sendungen, die sich wiederum aus der Summe vie- nicht zuletzt – auch finanziert wird: eben in der mehrheitlichen ler einzelner Qualitäts-Komponenten zusammensetzt, die Überzeugung, dass er diese Mühe, diese Anstrengung, dieses vom Zuschauer sowohl als Ganzes als auch in ihren Einzel- Geld auch wert ist. Denn immerhin: mit mehr als 7 Milliarden teilen wahrgenommen wird.« Euro Gebührengeld wird dieses System der gesellschaftlichen (Dieter Kosslick, Leiter der Berlinale) Kommunikation fast so hoch ausstaffiert wie alle anderen öf- ➣ »(…) muss ich zugeben, dass es so etwas wie Programm- fentlichen kulturellen Einrichtungen zusammen, vom Stadtthe- qualität natürlich gibt, nur ist es eine Frage, die letztlich ater bis zur Staatsgalerie, die von Bund, Ländern und Kommu- innerhalb der gesetzlichen Normen und innerhalb der nen gut 8 Milliarden Euro an Zuschüssen erhalten. sonstigen rechtlichen Vorgaben von jedem Einzelnen für Dabei fiel und fällt die Ausgangsfrage der Expertise – die Fra- das Programm entschieden werden muss. Ein allgemeiner ge nach den bestehenden, den notwendigen, den wünschens- Qualitätsmaßstab kann nicht vorgeschrieben werden.« werten Qualitätsstandards, die Frage natürlich auch nach (Helmut Thoma, ehemaliger Chef von RTL) deren Bestimmung und nach den äußeren Vorgaben – in eine Thoma sagt auch: »Programmqualität, so wie ich sie verstehe, Phase des Umbruchs. Denn sie traf und trifft einen Rundfunk, ist letztlich das Anstreben der Verantwortung sowie die Auf- der in seiner herkömmlichen Form nicht mehr unbedingt lan- gabe eines einzelnen Senders, sei er nun privat oder öffentlich- ge Bestand haben wird. Technikgetrieben – hier ist der Begriff rechtlich, und der Versuch, bestmögliche Leistung innerhalb der wortwörtlich ganz richtig – verändern sich die Bedingungen gesellschaftlichen Grenzen anzubieten, also Programme, die dem und Perspektiven ziemlich radikal: Die allumfassende Digita- gesellschaftlichen Konsens unterliegen. Dass dabei immer wieder lisierung aller Rundfunkbereiche – von der Produktion über auch auf Grenzen gestoßen wird, ist im Sinne der Weiterentwick- die Verbreitung bis zum Vertrieb und allfälligen Abrechnungs lung auch notwendig und durchaus nicht als Qualitätsverletzung modalitäten – erlaubt eine ebenso allumfassende Verfügbarkeit, zu werten. Denn nur durch diese scheinbaren Grenzverletzungen entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten vorausgesetzt. ist eine Weiterentwicklung des Programms und damit auch eine Die Folge dieser Entwicklung – dass beliebige Inhalte (gleich- Weiterdefinition der Programmqualität möglich.« gültig ob als Bilder, Texte, Töne) jederzeit und überall verfügbar sind – ist eine prinzipiell hohe Individualisierung aller Bezüge. Was euphemistisch schon Mitte der 80er Jahre vorausgesagt Prinzipielle Offenheit wurde – jeder kann sein eigener Programmdirektor sein –: Jetzt Die prinzipielle Offenheit des Begriffs und seine gleichzeitige wird es Wirklichkeit. Gebundenheit an sehr unterschiedliche Faktoren – alles zudem 22 23
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion Und damit erleben wir die Verflüssigung der bisher relativ klar mit welchen Methoden, wie sorgfältig, wie genau gehen sie da- getrennten Medienbereiche. Die Hybridisierung könnte zum bei vor, welche Phantasie entwickeln sie? Und vor allem: War- Standard werden und die bisher nebeneinander bestehenden um brauchen wir bei den elektronischen Medien die besondere Linearwelten komplett auflösen. Aus Senderschienen werden Spielart öffentlich-rechtlich? Die pauschale Antwort kann nur Plattformen: Das ist von fundamentaler Bedeutung. Auf den lauten: Weil sie diese Aufgaben besser, umfassender, sorgfäl- Mainzer Tagen der Fernseh-Kritik wurde dieser veritable Para- tiger, phantasievoller erledigen können, weil sie freie Zugänge digmenwechsel gerade ausgelotet – mit allen Ungewissenheiten eröffnen, weil sie – ohne direkten kommerziellen Erfolgsdruck – der Übergangsszenarien. unabhängiger sein können, weil sie dem Nicht-Marktgängigen Raum geben können. »Öffentlichkeit im Wandel« war dieses Vor- und Ertasten über- schrieben, der Untertitel deutete auf den nüchternen Befund: Sie merken, ich füge jeweils können hinzu. Denn ob sie diesen »Fernsehen im digitalen Wettbewerb«. gesellschaftsdienlichen Mehrheit auch tatsächlich liefern, dar- an gibt es ja Zweifel, Kritik. Es fehlt nicht an Vorwürfen, dass Eines lässt sich dabei leicht vorhersagen: Die Frage nach dem der verpflichtende Tugendpfad verfehlt oder gar systematisch Existenzgrund der öffentlich-rechtlichen Sender wird sich noch verlassen werde und dass es am Willen mangele (nicht unbe- einmal mit aller Vehemenz stellen; es wird noch heftiger darum dingt an der Fähigkeit) zur besonderen Qualität. gestritten werden, ob und in welchem Umfang diese besonde- re Form der kommunkativen Daseinsvorsorge erhalten werden Die daraus resultierende Debatte rumort vage im Publikum soll. Dabei kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk durchaus (dessen Stimmen allerdings nicht so leicht und schon lange nicht auch gestärkt aus dieser Debatte hervorgehen – weil im Hybri- halbwegs verlässlich oder gar repräsentativ zu erfassen sind), den das Feste halt gibt. sie beschäftigt die zuständigen politischen Entscheider, von den Ländern bis in die Etagen der Brüsseler Politbürokratie, sie wird Der Medienforscher Ralph Weiß nimmt, was die Aufgaben- und geführt in der begleitenden Publizistik, angefeuert nicht zuletzt Funktionszuschreibung angeht, ein gemeinsames Verständnis durch aktuelle Fälle der Käuflichkeit und Kommerzialisierung der Gesellschaft an: redaktioneller Entscheidungen. Auf dem Spiel – so die Summe »Medien erfüllen demzufolge die öffentliche Aufgabe, einer frei- der Reaktionen aus Politik und Publizistik – stehen Kenntlich- en, individuellen und allgemeinen Meinungsbildung in Fragen keit, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Unabhängigkeit und da- von allgemeiner Relevanz zu dienen. Sie leisten diesen Dienst, mit die aus der besonderen Funktion heraus gebotene Qualität. indem sie bedeutsame Vorgänge öffentlich wahrnehmbar ma Was Norbert Schneider in der technisch und kulturell bestimm- chen, kritisch Ursachen, Konsequenzen und Rechtfertigungs- ten Konkurrenz als Regel sieht, nämlich: gründe für das Handeln von Akteuren prüfen und so eine Orien- tierung des Einzelnen ermöglichen, die ihn in die Lage versetzt, »Je mehr die Medien Produktcharakter bekommen, je mehr in verschiedenen Rollen – als Staatsbürger, Berufstätiger, Kon- Wettbewerb stattfindet, desto mehr wird Qualität eine wichtige sument, Privatindividuum – kompetent zu handeln.« und dann allmählich über die Marktposition entscheidende Frage«, das wird tatsächlich auch in der Eigendebatte auch der Wenn dies tatsächlich so geteilt wird, kommt sofort wieder die öffentlich-rechtlichen Sender erkannt. Schlüsselfrage ins Spiel: Wie leisten sie das, in welchen Formen, 24 25
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion Ich zitiere den NDR-Intendanten Jobst Plog: »Im Augenblick der Zuschauer bei der Auseinandersetzung mit den relevanten führen wir im Haus eine Profilierungsdebatte. Verkürzt – und politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen der deswegen leider nicht ganz richtig – könnte man sagen: Qualität Zeit« zu erbringen. statt Quote. Tatsächlich geht es darum, unser Profil herauszu- Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, dass die gewünschten stellen und zu schärfen.« Der neue Vorsitzende der ARD, Fritz Qualitätseigenschaften nicht messbar sind, dass sie nicht mit Raff, hat eine solche Richtung, ebenso wie die neue Intendantin Hilfe einer für objektiv gehaltenen Matrix festgestellt werden des WDR, Monika Piel, zum zentralen Credo erklärt – was im- können. Schlicht, dass eine Quantifizierung – wie sie in der mer einschließt, dass es Abirrungen, Mängel, Fehltritte, Fehl- messbaren Einschaltquote steckt – hier unmöglich ist. farben gegeben hat. Um noch einmal Norbert Schneider zu zitieren: »Die Quali Zum Spannungsfeld von Qualität und Quote im Wettbewerb tätsdebatte (…) ersetzt das Basiskriterium Messbarkeit durch sagte kürzlich ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut: »Wir eine anderes, nämlich durch Bewertbarkeit«. Wobei diese sind nicht darauf fixiert, in Bezug auf die Quantität Marktführer Qualitätsdebatte einen Grundzug habe: Im Kern sei sie »im- zu werden.« Vielmehr wolle der Sender im Qualitätswettbewerb mer auch die Debatte über die Geltung von gesellschaftlich führend sein und in einem »Mix von der Dokumentation bis zur konsensfähigen Werten.« Als brauchbare Kategorien nennt er: Fiction das Programm sein, das am meisten beachtet wird, das Aktualität, Neuigkeit, Zugänglichkeit, Vermittlungsleistung und immer wieder im Gespräch ist.« Was dann, fügt er hinzu, »na Verwertbarkeit – im Sinne der Nützlichkeit oder des Gebrauchs- türlich auch wieder Auswirkung auf die Gesamtmarktposition wertes. Auch Unterhaltungswert, Glaubwürdigkeit und Rele- hat.« vanz gehören zum Kern-Kanon. Qualitätsdebatten dieser Art laufen derzeit in den meisten öf- Folgende Indikatoren für gutes Fernsehen hat Peter Christian fentlich-rechtlichen Sendern. Hall, lange Jahre Organisator der Mainzer Tage der Fernseh- So heißt es begründend für das Programmbewertungsverfah- Kritik, exemplarisch in die Qualitätsdebatte eingebracht: Gut ren des SWR: »Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellt sei ein »Fernsehen, das Fenster öffnet, erhellt, Welt vermittelt, sich die Frage nach der Qualität ganz unmittelbar im Zusam- Sonden in verborgene Öffentlichkeit treibt, aufklärt, Einblick menhang mit seinem Auftrag und seiner Rolle, zumal in der und Durchblick schafft, Intimität achtet, Spaß macht, unterhält, zunehmend differenzierten und konkurrenzintensiven Fern- ohne unten zu halten, Seherlebnisse zu bieten hat, auch Schön- sehlandschaft. Für den Zuschauer nicht nur normativ, sondern heit, zuweilen sogar beglücken kann.« auch in seiner Wahrnehmung und Nutzung relevant zu sein, ist In welchem Kontrast dies zu kommerziell bestimmten Kriterien heute (und war in der Vergangenheit auch immer) eine wich- steht, verdeutlicht das Zitat des Programmplaners von Sat.1, tige Bedingung. Nur so kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk Volker Szezinski: einen Beitrag zur freien und demokratischen Meinungsbildung der Bevölkerung leisten und dem Programmauftrag nachkom- »Das Qualitätsmanagement des Senders hat darauf zu ach- men, (…) qualitativ hochwertige Programme in den Bereichen ten, dass der Zuschauer sein erwartetes Fernsehprogramm Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung anzubieten, bekommt, damit der Werbemarkt seine erwarteten Kunden- (…) um damit einen nachhaltigen Beitrag für die Orientierung kontakte macht.« Daraus folgt für ihn als wichtiges Qualitäts- 26 27
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion merkmal der »emotionale Gebrauchswert« eines Produkts; »Die Auffällig ist, dass in den letzten Jahren, abzulesen an vielfäl- privaten Anbieter sind viel mehr als die öffentlich-rechtlichen tigen Quellen verschiedener Ebenen, das Ansehen dieses Rund- Anbieter darauf abonniert, Gefühlsfernsehen zu produzieren.« funkmodells gelitten hat. Offenkundige Fehlleistungen haben zu intensiven Debatten geführt, ob überhaupt und in welchem Dieses Spannungsverhältnis im Qualitätsverständnis hat die Umfang der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Aufgabe Studie unter vielfältigen Gesichtspunkten ausgelotet und dabei nachkommt und damit die allgemeine gesellschaftsdienliche, sowohl die rechtlichen und anstaltsinternen Rahmenbedin- zivilisierende und kulturelle Zielsetzung erfüllt, welche die ge- gungen untersucht als auch Forschungsansätze betrachtet; zu- meinschaftliche Veranstaltung und die solidarische Finanzie- dem umreißt sie über die Auswertung kritischer Querschnitte rung rechtfertigt. Diese Debatte wird allgemein geführt, aber die Tendenzen in der öffentlich-rechtlichen Programmqualität. speziell auch von den politischen Entscheidungsträgern. Dabei Daraus wiederum wurde – bei allem Respekt vor der zeitge- wird der Wert eines public-service-Rundfunks auch von Kriti- bundenen Komplexität von Qualitätskriterien – ein Katalog po- kern der tatsächlichen Programmleistungen nicht grundsätz- sitiver Programmeigenschaften abgeleitet. Als positiven Ansatz lich in Frage gestellt, die Wertschätzung des Prinzips ist eher nimmt die Studie Vorschläge auf, eine institutionelle Plattform breiter geworden. zu etablieren, die – über vielfältige Vernetzungen – eine per- manente Qualitätsdebatte führt und mit den Verantwortlichen – Auch von der europäischen politischen Ebene wurde und wird von der Politik über die Entscheider in den Sendern bis zu den gefordert, den Daseinszweck näher zu umreißen und über ei- Rundfunkgremien – rückkoppelt. nen klar gefassten Funktionsauftrag die programmliche und organisatorische Ausgestaltung an bestimmte Vorgaben zu Lassen Sie mich wesentliche Befunde noch einmal zusammen- binden. Die für die Ausgestaltung des Rundfunks zuständigen fassen: Bundesländer sehen in konkreten Einzelpunkten dieser Forde- Der allgemeine Auftrag, sowohl gesetzlich festgeschrieben als rung einen ungebührlichen Eingriff in ihre Gestaltungshoheit, auch über die verfassungsrechtliche Auslegung dieser Gesetzes- doch gibt es auch auf der Binnenseite Kritik an den jeweiligen grundlagen immer wieder zeitgebunden in generellen und in Ausformungen der Programme. Sie wiederum hat bereits dazu Einzelfragen definiert, bietet hinsichtlich der Programmvor- geführt, den Rundfunkanstalten so genannte Selbstverpflich- gaben einen relativ weiten Rahmen mit wenigen spezifischen tungen aufzuerlegen, welche die Gesamt- und Einzelzielset- Vorgaben. Die Anstalten selbst haben – unter Betonung des zungen näher beschreiben sollen und deren Er- und Ausfüllung Prinzips der Staatsferne und der Programmautonomie – einen im regulären Rhythmus erörtert werden muss, ohne dass eine entsprechend großen Spielraum, ihre Rolle und ihre Aufgaben direkte Sanktionsmöglichkeit bestünde. auszugestalten und in den Programmen zu realisieren. Dies gilt Schlüsselbegriff bei allen Diskussionen um die Erfüllung und für die Organisation, die inhaltliche Gestaltung der Einzelsen- damit auch die politische Absicherung des besonderen gesell- dungen und auch für die Komposition der Gesamtprogramme, schaftlichen Auftrags und damit auch der solidarischen Finan- sowohl linear als auch in anderen Zuordnungen, Verbreitungs- zierung ist die Qualität. In der Regel wird dieser Begriff ohne formen und im Gesamtangebot (Bouquet). weitere Spezifizierung verwendet und nicht differenziert. Qua- litätsfernsehen ist demnach immer gutes Fernsehen. 28 29
Das Spannungsverhältnis von Qualität und Quote Zur Qualitätsdiskussion Dass solches Qualitätsfernsehen von den öffentlich-rechtlichen der Regel auf wenige spezifische Sendungen beschränkt. Hier Sendern speziell im Vergleich zu den Privatsendern geliefert verbinden sich Fragestellungen mit Blick auf offenkundige pro- wird, bestreiten die kritischen Stimmen – Fachkritik oder Po- fessionelle und handwerkliche Regeln mit jenen, die sich auf die litiker – nicht. Vorgeworfen wird den Senderverantwortlichen Einstellung und Einschätzung durch die Zuschauer beziehen. jedoch, über eine Betonung bestimmter Elemente und Seg- Es gibt keine einfache Eigenschaftsmatrix, mit der sich syste- mente unverhältnismäßíg auf großen Publikumserfolg zu set- matisch und gleichsam »objektiv« Qualität allgemeinverbind- zen, mithin: eine hohe Quote bzw. einen großen Marktanteil. lich beschreiben ließe, um dann eine weitere Wertung vorzu- Auch wenn anerkannt wird, dass öffentlich-rechtliche Sender in nehmen und Sendungen bzw. Programme einem verbindlichen der Konkurrenz mit privaten Anbietern auf quantitative Erfolge Qualitätstest zu unterziehen. Auf Programme bezogene Wert- nicht verzichten können, werden zumindest die Proportionen urteile, dies ist den Forschungsansätzen und Debattenbeiträ- des Angebotsspektrums in Frage gestellt. gen zu entnehmen, sind immer zeit- und kontextgebunden und Aus den Sendern selbst kommt – früher eher punktuell, zuletzt sind zudem stark abhängig vom jeweiligen Vorverständnis. Die in größerem Maße – Selbstkritik, weil es Abweichungen vom professionell kritische Wahrnehmung und die allgemeine Re- gesellschaftlichen Auftrag und zu große Annäherungen an zeption derselben Sendungen/Inhalte können stark schwanken, kommerziell bestimmte Formen gegeben habe. Zugleich wird das Beurteilungsspektrum ist breit. die Rückbesinnung auf unbedingte Qualität und auf Tugenden Eine praktische Schlussfolgerung ist, dass die Bewertung und wie Seriosität und Glaubwürdigkeit gefordert bzw. beschworen. Beurteilung von Programmqualität – über einige sehr allgemei- Glaubwürdigkeit wird danach wieder als Grundkapital verstan- ne Kriterien hinaus – immer erst im Diskurs und von Fall zu den, welches die Existenz und Legitimation eines Rundfunks, Fall vorgenommen werden kann, unter Berücksichtung vieler der im Interesse der Öffentlichkeit veranstaltet wird, wesentlich weiterer Faktoren, die sich – je nach Interessensperspektive mitbegründet. – ändern können und Konsens nicht notwendig nach sich ziehen, Die zuständige Politik wiederum will die Instrumentarien aber auch nicht grundsätzlich verhindern. Ein Hauptforum für schärfen, mit denen die Programmgestaltung zuverlässiger und diesen Diskurs bilden die begleitende Kritik und Preise. kompetenter als bisher begleitet werden kann. Hier sind – im Ausgehend vom Diskursvorrang und von der gleichzeitigen For- Sinne der Staatsferne – vor allem die Gremien angesprochen, derung, doch gemeinsame Maßstäbe für die Programmarbeit deren Funktion als Organ der Binnenkontrolle gestärkt werden und deren Beurteilung zu formulieren, gibt es Initiativen, den soll. kritischen Diskurs zu vernetzen und zu bündeln. Dies auch mit Auch für die Gremien ist es nicht einfach, einen Qualitätsbe- dem Ziel, eine Kooperation anerkannter medienkritischer Ein- griff anzuwenden. Dies liegt auch an der Ausgangssituation. richtungen in Gang zu setzen, die auf der einen Seite als Partner So liefert die wissenschaftliche Diskussion nur wenige zusam- die Gremiendiskussionen begleiten und auf der anderen Seite menhängende Anhaltspunkte für eine differenzierte Qualitäts- mit Reputation und professioneller Autorität direkt in die Öf- definition. Die anstaltseigene Forschung ist eher allgemein aus- fentlichkeit hineinwirken könnten, um die Qualität der elektro- gerichtet; und senderinterne Qualitäts-Maßnahmen – die meist nischen Medien im öffentlichen Raum zu verbessern bzw. auf unter dem Stichwort des Programm-Controlling laufen – sind in einem akzeptablen Niveau zu bewahren. Qualität, dies ließe 30 31
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