DAS STADTMAGAZIN LUZERN - SEIT ZEHN JAHREN AUF KURS - Stadt Luzern
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LUZERN Ausgabe #01, Januar 2020 DAS STADTMAGAZIN SEIT ZEHN JAHREN AUF KURS Rückblick und Bilanz zur Fusion von Littau und Luzern
2|3 Editorial Inhalt Beat Züsli 4 LITTAU-LUZERN Stadtpräsident Am 1. Januar 2010 wurde die Fusion der beiden Gemeinden Littau und Luzern vollzogen. Das «Stadtmagazin» nimmt den zehnten Hochzeitstag zum Anlass für Rück- und Ausblick: mit den damals verantwortli- IMPRESSUM VEREINT FÜR LUZERN chen Exekutivpolitikerinnen Verantwortlich und -politikern alt Regierungs- Stelle für Kommunikation Erinnern Sie sich an den Neujahrstag 2010? Wer rätin Yvonne Schärli-Gerig, Simon Rimle damals am Spaziergang vom Gemeindehaus in alt Gemeindepräsident Josef Dagmar Christen Reussbühl zum Kornmarkt teilgenommen hatte, Wicki, alt Stadtpräsident Urs W. Autorinnen / Autoren erinnert sich bestimmt. Der Marsch symbolisier- Studer sowie dem amtierenden Daniel Arnold (Aktuell) te die Fusion von Littau mit Luzern. Das Wetter Sozial- und Sicherheitsdirektor Dagmar Christen (DC) Urs Dossenbach (UD) passte so gar nicht zum Freudentag, es war nass Martin Merki. Wir lassen den Julius Lange (JL) und kalt, mit Schneefall und Regen. Fusionsmarsch vom Gemein- Andrea Müller (AM) dehaus auf Ruopigen entlang Simon Rimle (SR) Luca Wolf (LW) Den meisten Luzernerinnen und Luzernern geht der Reuss bis zum Kornmarkt Niklaus Zeier (NZ) es wie mir: Die Erinnerungen an das erste Jahr in Luzern mit den historischen Korrektorat der vereinigten Stadt Luzern verblassen. Es ist zur Bildern noch einmal aufleben. Daniela Kessler Selbstverständlichkeit geworden, dass Gebiete wie Littau, Wesemlin, Reussbühl, Tribschen, 12 FUSIONSBILANZ Grafik hofmann.to Alt- und Neustadt Teil der Stadt Luzern sind. Es Auch die Fraktionen des Gros- ist zur Selbstverständlichkeit geworden, dass sen Stadtrates ziehen Bilanz zur Bilder wir gemeinsam über die Cheer- und die Bahnhof- Fusion. Das Zusammengehen Franca Pedrazzetti strasse abstimmen konnten und schon bald über der beiden Gemeinden wird Stadtarchiv Luzern (S. 1), die Metro-Initiative befinden werden. Luzern durchwegs als positiv beschrie- Dany Schulthess (S. 5 oben), ist eine «Sharing Community», wir teilen uns die ben. Allerdings wird die Distanz Luzerner Zeitung (S. 5 links unten, S. 6 oben), Keystone Pflege Luzerns. der Bevölkerung in Littau zu (S. 5 rechts unten), PD (S. 5 Verwaltung und Politik beklagt. Mitte, 11, 12, 21 oben, 22 Wir identifizieren uns mit unserer Stadt, das wird Mitte), Stadt Luzern (S. 8, 9, 20, 21 unten, 22 oben), in Befragungen stets deutlich. Ich nehme an, auch 14 FUSIONSSTIMMEN Emanuel Ammon (S. 16) Sie leben gerne in Ihrem Wohnquartier. Ich bin Treibende Kräfte wie Pia Maria auf der Hubelmatt daheim, Sie fühlen sich viel- Brugger Kalfidis, Gegner wie Druck LZ Print, Luzerner Zeitung leicht in Ruopigen, im Bellerive oder am Stollberg Peter With und auch die Quar- wohl. Sind Sie Fasnächtler oder Fasnächtlerin? tierkräfte Jacqueline Capra, Gedruckt auf Recyclingpapier, hergestellt in der Schweiz Rennen Sie jährlich am Stadtlauf oder am Ämme- Fabrizo Laneve sowie Guerino lauf mit? Schätzen Sie die verschiedenen Märkte? Riva erinnern sich an ihre Erscheint viermal jährlich Es gibt verschiedene Gründe, warum und wie Fusionserwartungen und was in einer Auflage von 53’000 Exemplaren die Luzernerinnen und Luzerner am städtischen daraus geworden ist. Miteinander teilhaben. Besuchen Sie uns auf 16 ABSTIMMUNG Social Media www.stadtluzern.ch Was uns gefällt, gefällt auch Menschen von aus- Am 9. Februar 2020 stimmt die facebook.com/stadtluzern serhalb. Luzern ist das Zentrum für viele aus den Stadt Luzern über die Initiative twitter.com/stadtluzern Agglomerationsgemeinden, aus dem Kanton «Die Metro-Luzern verdient eine youtube.com/stadtluzern Luzern, aus der Zentralschweiz. Reisende aus der Chance. Alles auf den Tisch – ganzen Welt besuchen Luzern mit Kapellbrücke, Ende Stillstand – In die Zukunft Souvenirläden und nahen Bergbahnen. schauen!» ab. Titelbild DS Littau auf der Reuss. Es ist die Aufgabe der städtischen Behörden, 23 AKTUELL Die Urheberschaft dieses die Bedürfnisse der Einwohnenden und Gäste Wie soll sich der Tourismus in Plakats ist unbekannt. Es ent- zu berücksichtigen und angemessene Angebote der Stadt Luzern entwickeln? stand im Vorfeld der Fusions- abstimmung. Hinweise dazu bereitzustellen. Dabei sind Stadtrat und Parla- Dieser Frage will der Stadtrat nimmt das Stadtarchiv Luzern ment auf die Unterstützung der Bevölkerung, aber mit allen relevanten Kräften (stadtarchiv@stadtluzern.ch) auch der Nachbargemeinden angewiesen: Luzern nachgehen. gerne entgegen. geht weit über die Stadtgrenzen hinaus, auch © Stadt Luzern wenn diese vor zehn Jahren erweitert wurden. 24 KEHRSEITE
Nachgefragt «ALLE SIND IN DER STADT LUZERN WILLKOMMEN» Reussportbrücke bei der Fluhmühle statt Spange Nord: Der Stadtrat will während der Vernehmlassung prüfen, ob die Brücke einen Beitrag zur Lösung der Verkehrs- probleme leistet und die Erreichbarkeit der Innenstadt erhöht. zur Erreichbarkeit der Innen- stadt verhindere. Ziel der städtischen Mobili- tätsstrategie ist, dass die Innen- stadt für alle erreichbar bleibt. Ob die Reussportbrücke tatsächlich einen Beitrag dazu leistet, müs- sen wir zuerst prüfen. Momentan ist der Nutzen der Brücke für den Stadtrat noch zu wenig ersicht- lich. Zudem entfällt die Busspur vom Eichhof bis zum Luzerner- hof, was aus Sicht der Mobilitäts- strategie sehr negativ ist. Die Innenstadt für alle er- reichbar? Auch für Autofah- rerinnen und Autofahrer? Selbstverständlich. Alle sind in der Stadt willkommen. Jene, die aufs Auto angewiesen sind – Hand- werker, Zulieferer, mobilitäts behinderte Personen –, sollen auch zu den Stosszeiten ins Zent- rum gelangen. Da der Platz aber begrenzt ist, geht dies nur, wenn jene, die nicht zwingend aufs Auto angewiesen sind, möglichst oft auf Zug und Bus umsteigen. Egal ob grün, links, bürgerlich, Velo- Stadtrat Adrian Borgula, Umwelt- und Mobilitätsdirektor: «Alle wollen ausreichend Mobilität. Wie wir diese fahrer, Autofahrerin oder Fuss- erreichen, darüber gibt es aber unterschiedliche Auffassungen.» gänger: Alle wollen ausreichend Mobilität. Wie wir diese errei- Der Kanton Luzern hat das Der Zubringer vom Maihof- chen, darüber gibt es aber unter- Projekt «Spange Nord» einer quartier entfällt. Wie beur- schiedliche Auffassungen. externen Überprüfung unter- teilen Sie diese Variante? zogen. Ihr Fazit? Nach einer ersten Einschät- Ihre Lösung? Der Stadtrat begrüsst dies sehr. zung zeigt sich, dass nach wie vor Es braucht einen Verständi- Der Kanton hat die gesamte Palette massive Eingriffe nötig sind, die gungsprozess Der Stadtrat lädt an Varianten bis hin zu den Aus- negative Auswirkungen auf die den Kanton, die Gemeinden und wirkungen eines kompletten Ver- Lebensqualität und das Stadtbild weitere Partner ein, über die zichts auf die Spange Nord unter- haben. Für eine abschliessende Mobilität der Zukunft zu diskutie- suchen lassen. Dies zeigt, dass er Beurteilung ist es aber noch zu ren – eine Mobilität, die den un- offen an die Fragestellung heran- früh. Der Stadtrat wird die Resul- terschiedlichen Bedürfnissen der gegangen ist und die Vorbehalte tate und vor allem die Vor- und Gemeinden, der Agglomeration der Stadt ernst nimmt. Nachteile einer Reussportbrücke sowie des Kantons und Bundes ge- in der Vernehmlassung prüfen. recht wird, die Vernetzung der Ver- Der Regierungsrat hält nicht kehrsträger fördert, neue Techno- mehr an der Spange Nord Bei einem Nein zur Reuss- logien berücksichtigt und einen fest. Er favorisiert die Vari- portbrücke müsste sich der Beitrag zum Klimaschutz leistet. ante mit dem Autobahnan- Stadtrat wohl den Vorwurf schluss Luzern-Lochhof und gefallen lassen, dass er ein- Urs Dossenbach einer Brücke über die Reuss. mal mehr Verbesserungen Projektleiter Kommunikation
4|5 Fusion Littau-Luzern HAPPY BIRTHDAY, STADT LUZERN! Das war ein historisches Ereignis: Am 1. Januar 2010 fusionierten Luzern und Littau. Zum zehnten Geburtstag blicken wir auf zwölf Seiten auf die Anfänge dieser ausserordentlichen Entwicklung zurück: mit Politikerinnen und Zeitzeugen, mit Perlen aus diversen Fotoarchiven und dem Stadtarchiv Luzern. Die Fusion von Littau und Luzern dürfte in den entwicklungen; speziell in den Bereichen Raum- und Köpfen der jüngeren Bevölkerung kaum mehr prä- Siedlungsentwicklung und Mobilität. Diese und sent sein, sondern einfach gut funktionierenden weitere Vorteile konnten 2004 auch für Littau und Alltag darstellen. Trotzdem – oder gerade deswegen – Luzern in einer umfassenden Analyse aufgezeigt lohnt sich ein Blick zurück: Die Fusion der damals werden. Darum befürworteten in der Volksabstim- grössten (gut 57’000 Einwohnerinnen und Einwoh- mung am 17. Juni 2007 die Stimmberechtigten den ner) mit der viertgrössten Gemeinde im Kanton Zusammenschluss von Littau und Luzern. Neben Luzern (gut 16’000 Einwohnerinnen und Einwoh- der dynamischen und räumlich sinnvollen Entwick- ner) ist ein Ereignis von historischem Ausmass. lungsmöglichkeit erhoffte man sich von der Fusion Dies aus verschiedenen Gründen. Zum einen, auch einen demokratischen Mehrwert, da die Bevöl- weil «strategische Fusionen dieser Grössenord- kerung über den gemeinsamen Lebensraum mit- nung in der Schweiz selten sind», erklärt Politologe bestimmen kann; mehr Gewicht in regionalen, kan- Andreas Ladner. Viele scheiterten schon in frühen tonalen und nationalen Diskussionen ebenso wie Stadien. Oder es handelt sich um erzwungene Fusi- kostengünstigere Dienstleistungen für Einwohne- onen, die aus einer finanziellen Not heraus entste- rinnen und Einwohner. hen – manchmal auch ohne dass die Bevölkerung sich an der Urne dafür oder dagegen aussprechen Quartierkräfte und Politiker blicken zurück konnte. Der Volksentscheid in Luzern erlangte nach Diese Erwartungen haben sich erfüllt. Das zei- dem Ja der Stimmberechtigten im Juni 2007 denn gen die zwölf Seiten in diesem «Stadtmagazin»: Stel- auch eine entsprechende rekordhohe Präsenz in lung nehmen auf den Seiten 6 und 7 die damals den Schweizer Medien. federführenden Exekutivpolitiker Josef Wicki (Lit- tauer alt Gemeindepräsident), Urs W. Studer (alt Eine Erfolgsgeschichte Stadtpräsident) und alt Regierungsrätin Yvonne Zum anderen lohnt sich ein Blick zurück, weil Schärli-Gerig sowie der amtierende Sozial- und das Projekt auch für die Zukunft relevant ist: Für Sicherheitsdirektor Martin Merki (siehe S. 10, 11), praktisch alle Beteiligten ist die Fusion Littau-Luzern Vertretungen der Quartiervereine und (alt) Parla- eine Erfolgsgeschichte. Kaum jemand möchte den mentarierinnen und Parlamentarier (S. 14, 15) sowie Schritt rückgängig machen. Das hat Signalwirkung die Fraktionen des Grossen Stadtrates (S. 12, 13). nach aussen: Fusionen, wenn sie so umsichtig ange- Zudem lassen wir den historischen Akt, den Marsch packt und umgesetzt werden wie zwischen Littau am ersten Tag der vereinigten Stadt Luzern, am und Luzern, sind die bessere Form der Zusammen- 1. Januar 2010, nochmals in Bildern aufleben (S. 8, 9). arbeit zwischen Gemeinden und deren Bevölke- rung. Davon zeigt sich der Luzerner Stadtrat nach Gemeinsam anstossen wie vor überzeugt. Gefeiert wird auch nach zehn Jahren: Die Stadt Littau und Luzern waren schon im vergangenen wird den runden Geburtstag der Gemeindehochzeit Jahrhundert durch gemeinsame Nutzungs- und Ver- mit verschiedenen Anlässen würdigen. Die Einla- kehrsplanungen enger zusammengerückt und sind dung dazu erhalten Sie schon bald. Wir freuen uns, Anfang dieses Jahrtausends zu einem einzigen schon jetzt mit Ihnen gemeinsam auf die vergange- Lebensraum zusammengewachsen. Aufgaben und nen zehn Jahre und auf eine spannende Zukunft Herausforderungen hielten sich nicht mehr an anzustossen. Gemeindegrenzen. Im Gegenteil: Die Gemeinde- grenzen durchschneiden den gemeinsamen Lebens Luca Wolf raum oft willkürlich und behindern positive Weiter- Projektleiter Kommunikation
Im März 2007 beschliessen der Littauer Gemeinderat und der Luzerner Stadtrat die Projektorganisation zur Umsetzung der Fusion (v. l. n. r.): Franz Müller, Peter Mendler (Projektleiter), Kurt Bieder, Hans Büchli (Gemeindeschreiber), Josef Wicki, Toni Göpfert (Stadtschreiber), Urs W. Studer, Ruedi Meier, Heidi Fähndrich-Gilli, Beat Stocker, Ursula Stämmer-Horst, Stefan Roth und Rico de Bona. Einfache Bildsprache, klare Botschaft: Mit solchen Solche Windlichter gab’s für alle Teilnehmenden Wie Lemminge in den Abgrund: So stellte die SVP Plakaten warb das Ja-Komitee für die Fusion. des Fusionsmarsches. Littau die Fusionsbefürworter dar. Grosse Freude herrschte am Abstimmungssonntag vom 17. Juni 2007 bei den Historischer Moment an der ehemaligen Gemeindegrenze: Am 30. Dezember Befürwortern. Im Zentrum des Bildes die Littauerin Luzia Stofer. 2009 wurden im Littauerboden die Ortsschilder ausgewechselt.
6 |7 Fusion Littau-Luzern DIESES TRIO KÄMPFTE ERFOLGREICH FÜR DIE FUSION Urs W. Studer, Yvonne Schärli-Gerig, Josef Wicki: Sie prägten die Fusion Littau- Luzern am stärksten. Zwölf Jahre nach dem Abstimmungserfolg 2007 blicken sie zurück, ziehen Bilanz – und üben auch (Selbst-)Kritik. Die Freude steht Urs W. Studer, Yvonne Schärli-Gerig und Josef Wicki (v. l. n. r.) nach dem Volks-Ja vom 17. Juni 2007 ins Gesicht geschrieben: Soeben haben 52,65 Prozent der Luzerner und 54,65 Prozent der Littauer Bevölkerung der Fusion zugestimmt. Urs W. Studer, Stadtrat /Stadtpräsident hafte Abklärung abzeichneten, haben wir eine Stu- Luzern (parteilos), von 1996 bis 2012 die in Auftrag gegeben. Diese Studie hat detailliert «Gestartet ist die Fusionsdebatte Anfang 2000. aufgezeigt, dass eine Fusion für alle Beteiligten – Initianten waren die CVP-Kantonsräte Peter Zosso Littau, Luzern, Kanton – klare Vorteile bringt. Das und Pia Maria Brugger Kalfidis. Peter stammte aus gab uns enormen Schub. Widerstand kam einzig Littau, wo er auch im Einwohnerrat engagiert war, von der SVP und der CHance21. Dort war man der Pia Maria aus Luzern. Als sie mich nach meiner Meinung, dass kleinräumige Strukturen besser Haltung bezüglich Fusion fragten, sagte ich, ich seien als grossräumige und dass eine Fusion nichts sei durchaus offen. Es müsse ja nicht jeder das bringe. Das sah ich damals wie heute ganz anders. Waschpulver selber erfinden. Innerhalb des Littauer Das Ja an der Abstimmung im Juni 2007 war eine Gemeinderates hat dann Josef Wicki die Führung grosse Erleichterung und ein Freudentag. Richtig übernommen und das Projekt vorangetrieben. gefeiert habe ich das später: Ich bin im Spätsom- Als sich politische Mehrheiten für eine ernst- mer 2007 mit Josef Wicki die Littauer Gemeinde- grenze abgewandert. Anschliessend waren wir bei ihm zum Nachtessen. Meine Fusions-Zwischenbilanz ist eindeutig: Ich bin sehr zufrieden, alle Versprechungen konn- ten eingelöst werden. Das fusionierte Luzern ist wirtschaftlich erfolgreicher. Wichtige Themenfel- der wie die Raum- und Siedlungspolitik sowie der Verkehr können übers ganze Gebiet hinweg geplant und umgesetzt werden. Es ist viel effizienter, wenn sich Gemeinden zusammenschliessen und solche Herausforderungen gemeinsam angehen. Deshalb war ich auch enttäuscht, als 2011 / 2012 das Projekt ‹Starke Stadtregion› am Nein der Bevölkerung aus den beteiligten Gemeinden gescheitert ist. Ich bin aber überzeugt, dass Fusionen weiterhin geprüft «Es ist viel effizienter, wenn sich Gemeinden zusammen- werden sollten und dass der Kanton diesen Prozess schliessen», ist Urs W. Studer immer noch überzeugt. eng begleiten und unterstützen sollte.»
Yvonne Schärli-Gerig, Regierungsrätin Kanton Zudem befürchtete man, im Kanton Luzern von Meilensteine auf dem Luzern (SP), von 2003 bis 2015 einer ‹Gross-Stadt Luzern› dominiert zu werden. Weg zur Fusion «Als die Littauer und Luzerner das Thema Gegen diesen Widerstand konnten nach intensiven Der Startschuss zum Fusion angingen, brachte uns das als Regierung in Debatten Regierung und Parlament überzeugt wer- Fusionsprozess fällt im eine schwierige Situation. Zwar hat die Regierung den, das Gesetz anzupassen. Leider lehnte das Volk Herbst 2002, als die Par- lamente von Luzern und zu dieser Zeit dem Thema Gemeindefusionen eine später den 20-Millionen-Beitrag an die Fusion trotz- Littau eine Motion an hohe Priorität eingeräumt und diese finanziell dem ab. Da spielte sicher auch der emotionale Fak- ihre Exekutiven überrei- gefördert. Das entsprechende Gesetz ermöglichte tor mit: Das Wort Fusion hatte einen negativen Bei- chen. Gefordert wird ein jedoch nur Kantonsbeiträge an Gemeinden, die aus geschmack. Zudem empfanden viele den Beitrag Planungsbericht, der die der Not heraus fusionierten. An strategische Fusio- von 20 Millionen für diese Fusion als nicht gerecht- Vor- und die Nachteile nen, wie sie Littau und Luzern anstrebten, gab’s fertigt. einer Fusion aufzeigt. kein Geld. Das war auch im Sinne der Landgemein- Das Ja zur Fusion Littau-Luzern im Juni 2007 den. Dort wollte man nichts davon wissen, der ‹rei- empfand ich als riesige Erleichterung! Speziell dank Landreserven für Luzern chen Stadt› bei einer Fusion noch Geld zu geben. Josef Wicki hat in Littau der Gemeinderat das Pro- Die von den Universitä- jekt entschlossen und überzeugend vorangetrieben. ten Bern und Hannover In Luzern hatte Urs W. Studer diese Funktion. Hier durchgeführte Studie zeigt sich, wie wichtig Exekutivpolitiker sind bei wird im Dezember 2003 solch schwierigen Unterfangen. Das Projekt ‹Starke präsentiert. Ergebnis: Stadtregion› ist aus meiner Sicht auch gescheitert, Durch eine Fusion wür- weil der Wille in den betreffenden Gemeinderäten den beide Gemeinden voneinander profitie- nicht stark genug war. Dort agierte man oft zu ren. Luzern dank Land- zögerlich. reserven und einer Ver- Die Bilanz nach zehn Jahren Fusion Littau- jüngung der Bevölke- Luzern fällt aus meiner Sicht sehr zufriedenstellend rung; Littau von tieferen aus, obwohl speziell bei älteren Littauern noch eine Steuern und einem effi- gewisse Wehmut spürbar ist. Die Fusion hat das zienteren Service public. Gemeinwesen gestärkt. Das wäre auch bei weiteren Fusionen der Fall. Schade finde ich deshalb, dass Exekutiven sagen Ja Gemeindefusionen für den Kanton heute kein Im Frühjahr 2005 nehmen Das Thema Gemeindefusionen war für Yvonne Schärli- Thema mehr sind. Zu unserer Zeit stand dies im die beiden Parlamente Gerig stets «eine Herzensangelegenheit». Legislaturprogramm weit oben.» den Zwischenbericht zur Fusion zustimmend zur Kenntnis. Am 30. August Josef Wicki, Gemeinderat / Gemeindepräsident grossen Mehrwert bringt. Wir hatten zudem zuvor 2006 können Gemeinde- Littau (FDP), von 1996 bis 2009 schon gute Erfahrungen mit der Stadt gemacht, als rat und Stadtrat den «Den ersten Schritt hat aus meiner Sicht die Stadt wir 2004 das Steueramt zusammenlegten. Fusionsvertrag präsentie- ren. Die Volksabstim- getan. Sie hat uns signalisiert, dass sie an Fusions- Widerstand kam vorab von der SVP und der mung wird auf den abklärungen interessiert wäre, da man auf diese CHance21. Dort warnte man, das sei der erste Schritt 17. Juni 2007 angesetzt. Weise Probleme besser lösen könne. Wir haben das Richtung EU. Zudem verlangten diese Kreise, dass dann im Gemeinderat diskutiert. Dort waren nicht wir in Littau zuerst das Volk befragten, ob wir über- Knappes Resultat alle begeistert, aber eine knappe Mehrheit wollte haupt Fusionsabklärungen starten dürften. Wir Nach einer intensiven das angehen. Die finanzielle Lage von Littau war wollten jedoch anders vorgehen: In einem detail- Vernehmlassungs- und dabei nicht ausschlaggebend. Wir stellten uns hin- lierten Fusionsvertrag sollten die Bedenken der Bereinigungsphase wird ter die Fusionsabklärungen, weil uns das generell Bevölkerung aufgenommen werden. Dazu gehör- der Vertrag am 17. Juni die beste Alternative schien. Uns war klar, dass eine ten vorab Softfaktoren. Etwa, ob die Vereine nach 2007 von den Stimm gemeinsame Raum- und Verkehrsplanung einen der Fusion die Hallengebühren noch zahlen kön- berechtigten angenom- nen. Dank dieses Vertrags konnten wir der Bevölke- men (Luzern mit 52,65 rung vor der Abstimmung genau aufzeigen, um was Prozent Ja-Anteil, Littau es geht und wie wir mit ihren Bedenken umgehen mit 54,65 Prozent). werden. Das war aus meiner Sicht der entscheidende Punkt, warum es bei uns geklappt hat und beim Pro- Kein Geld vom Kanton jekt ‹Starke Stadtregion› nicht: Dort liess man die Am 25. November 2007 erfolgt wegen des Refe- Bevölkerung zuerst abstimmen, ob man überhaupt rendums von SVP und Verhandlungen wolle. Aufgrund der vielen Unsicher- CHance21 die Abstim- heiten sagten dann alle Nein an der Urne. mung über den Kantons- Meine Bilanz nach zehn Jahren ist rundum po- beitrag von 20 Mio. sitiv. Nur einen Punkt habe ich falsch eingeschätzt: Franken an die Fusion. dass die Mitwirkung der Littauerinnen und Littauer Alle Gemeinden ausser an Wahlen und Abstimmungen nach der Fusion zu- Luzern und Littau lehn- rückging. Offenbar waren vielen, gerade älteren Lit- ten diesen ab. tauern, ihre Parteikollegen in der Stadt zu links. Das Am 1. Januar 2010 bilden Er gilt im Fusionsprozess als die wichtigste Figur aus hat wohl zur erhöhten Politabstinenz beigetragen. Littau und Luzern eine Littau: Josef Wicki, letzter Littauer Gemeindepräsident. Ich bin aber überzeugt: Das pendelt sich wieder ein.» Gemeinde. (JL)
8 |9 Fusionsmarsch NASSER, ABER FARBIGER START IN EINE GEMEINSAME ZUKUNFT Am 1. Januar 2010 war es so weit: Die Fusion von Littau und Luzern trat in Kraft. Gegen 1000 Leute aus Littau zogen, angeführt von Ritter Thorenberg mit Gefolge, über Reussbühl in die Stadt Luzern vors Rathaus. Was von Regisseur Walti Mathis als farbenfro- depräsident Josef Wicki und Stadtpräsident Urs W. her Umzug und Festakt zum Start der gemeinsamen Studer den Zusammenschluss, in der Kornschütte Zukunft geplant war, ertrank in einem heftigen Win- konnten die Behörden mit der Bevölkerung auf das terregen. Auf dem Kornmarkt besiegelten Gemein- neue gemeinsame Stadtleben anstossen. (NZ) 1 2 Startort des Marsches: das ehemalige Gemeindehaus von Littau. An der Spitze: der Ritter der Burg Toräbärg in Litowo … 3 4 … mit seinen Knappen und Fanfarenbläsern. Unterwegs: Stadtpräsident Urs W. Studer gibt ein Radio-Interview. 5 6 Von Ruopigen ging es hinunter zur Kirche Reussbühl. Gauklerinnen erinnern an den lustigen Kirchenpatron Philipp Neri.
7 8 Historisch verbunden Für Littau wie für Luzern gilt die Errichtung der Leutpriesterei St. Peter durch den Abt von Mur- bach 1178 als zentraler Bezugspunkt in ihrer Entwicklung als Gemein- wesen. Mit der Eröff- nung des Gotthardwegs um 1220 gewinnt Luzern an Bedeutung; es entsteht eine Brücke über die Emme. 1481 kauft Luzern Littau Entlang der Reuss: Luzerner Tambouren geben den Takt an. Aus der Reuss grüssen Wassernixen mit ihrem Gesang. Littau und Luzern wer- 9 10 den 1291 von Habsburg übernommen, 1386 be- freit sich Luzern und er- wirbt 1481 Littau. Wäh- rend des Bauernkriegs wird 1653 die Emmen- brücke besetzt und Luzern umzingelt. Die Stadt ist 1798/99 Sitz der helvetischen Regierung, kommt nach dem Son- derbundskrieg als Haupt- stadt aber nicht infrage. Unterschiedliche Stärken An der Grenze zur Stadt erhalten alle ein Licht. Die Glocken von St. Karl begrüssen den Umzug. Während die Industriali- sierung in Littau 1842 11 12 mit der Mühle in Rothen beginnt, wird Luzern ab 1850 entfestigt und für den Tourismus verschö- nert. Das 1886 im Tho- renberg entstandene erste Wechselstrom-Elek- trizitätswerk der Schweiz beliefert Luzern mit Strom. Im Sonnenberg wird 1860 erstmals Kohle abgebaut. Als in Luzern 1894 / 95 der neue Bahn- hof entsteht, muss die hölzerne Emmenbrücke Leckerbissen aus aller Welt weisen auf «BaBeL» hin. Ein farbiges Willkommen vor dem Stadttor im Nölliturm. der Trambahn weichen. 13 14 Der Weg zur Fusion 1946 führt die Nutzungs- und Verkehrsplanung zur Zusammenarbeit. Das Gebiet Fluhmühle / Udelboden strebt in den 1950ern erfolglos die Fusion mit Luzern an. In Littau wird 1967 erst- mals der Einwohnerrat gewählt. 2000 fusioniert die Luzerner Einwohner- mit der Bürgergemein- de. 2009 fusionieren die Feuerwehren von Littau Festakt vor dem Rathaus mit Urs W. Studer und Josef Wicki. Ritter und Wilder Mann – Luzern und Littau vereint. und Luzern. (JL)
10 | 11 Fusion Littau-Luzern «LITTAU UND REUSSBÜHL SIND EINE BEREICHERUNG» Wirtschaftlicher Aufschwung, mehr Service public, tiefere Steuern: Die meisten Fusionshoffnungen haben sich erfüllt, sagt Sozial- und Sicherheitsdirektor Martin Merki. Ängste vor einer anonymeren Stadt braucht niemand zu haben. «Fusionen sind die effektivste Form der Zusammenarbeit», ist Stadtrat Martin Merki überzeugt. Auf dem Bild steht er an der Reuss, wo früher die Grenze zwischen der Gemeinde Littau und der Stadt Luzern verlaufen ist. Martin Merki, wenn Sie zehn Jahre zurück- Wie viel Aufbruchstimmung herrscht diesbe- blicken: Was kommt Ihnen da zum Thema züglich in der Stadt? Die «Starke Stadtregion», Fusion Littau-Luzern in den Sinn? die geplanten Fusionen mit Nachbargemein- In Erinnerung geblieben ist mir der Neujahrstag den, ist 2012 klar gescheitert. 2010. Damals fand der «Marsch von Littau nach Der Stadtrat hat nie Abstand genommen von die- Luzern» statt. Start war beim Gemeindehaus in Lit- sem Ziel. Fusionen sollen wieder zum Thema wer- tau. Alle, die teilgenommen haben, erinnern sich den, weil sie die effektivste Form der Zusammen- noch daran: an ein erstes Gefühl der Zusammen- arbeit sind. Die Stadt ist offen für weitere Zusam- gehörigkeit, an das Regenwetter und an die gute menschlüsse. In der Region Luzern muss aber Stimmung am Ziel in der Kornschütte. zuerst die Erkenntnis weiter wachsen, dass wir alle im gleichen Lebensraum mit sehr ähnlichen Inte Sie waren bis zu Ihrer Wahl 2012 in den Stadt- ressen leben. Und dass alle von Gemeindefusionen rat im Stadtparlament aktiv. Wie war Ihre profitieren. Haltung damals zur Fusion? Ich war ganz klar ein Befürworter von Fusionen. Mit der Fusion waren viele Erwartungen ver- Die grossen Städte sind die Motoren der wirtschaft- bunden: Luzern erhoffte sich eine Verjüngung, lichen und kulturellen Entwicklung. Luzern war eine wirtschaftliche Stärkung; Littau einen dazu noch zu klein. besseren Service public und tiefere Steuern. Eine Vergrösserung der Stadt Luzern auf deut- Sehr vieles, was versprochen worden war, konnte lich über 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner erreicht werden. Luzern kam zu Landreserven, die durch die angedachten Gemeindefusionen wäre Stadt hatte ja keine Entwicklungsmöglichkeiten daher sinnvoll gewesen. Das war auch die Haltung mehr. Littau, das finanziell in engen Hosen war, pro- des damaligen Regierungsrates gemäss seinem fitierte von tieferen Steuern und einem grösseren Legislaturprogramm. Heute muss man sich fragen: Leistungsangebot; etwa der 24-Stunden-Spitex oder Wie viel ist von der damaligen Aufbruchstimmung einer regelmässigeren Kehrichtabfuhr. Der Stadtrat geblieben? hat die Prioritäten nach der Fusion neu gesetzt: Als
2010: Das Jahr der zwei bedeutenden Hochzeiten Erstes wurde das Betagtenzentrum Staffelnhof für «Gleich zwei bedeutende Hochzeiten standen auf den über 40 Mio. Franken erneuert und vergrössert – und 1. Januar 2010 an: Zum einen vereinigten sich Littau dafür die Sanierung des Betagtenzentrums Dreilin- und Luzern, zum anderen fusionierten Stadt- und Kantons- den zurückgestellt. Im Moment erleben wir zudem polizei. Wenn auch bisweilen hier wie dort noch vereinzelte eine Schulraumoffensive in Reussbühl und Littau. Ansätze der einst unterschiedlichen Kulturen spürbar sind: Littau und Reussbühl sind eine Bereicherung. Sowohl die beiden Kommunen als auch die beiden Korps Sie haben ihre Besonderheiten und ihre Eigenhei- sind im vergangenen Jahrzehnt zu einer Einheit ten. zusammengewachsen. Trotzdem: In Littau gab es Befürchtungen, dass Auch der Kanton profitiert man durch die Fusion an Eigenständigkeit ver- Mit Blick auf die kommunale Ebene hat sich etliches lieren würde. bewegt, die Konsolidierung ist gelungen. Luzern Die Littauer Bevölkerung konnte zwar nach der nimmt sich der Infrastruktur des Ortsteils Littau an Fusion nicht mehr alleine über ihr Gemeindege- und investiert viel Geld – in Schulhäuser beispiels- biet entscheiden. Aber sie konnte neu auch über weise oder in die Badi Zimmeregg. Das Alterszentrum jenes der Stadt Luzern mitbestimmen. Leider wurde Staffelnhof wurde saniert, das ÖV-Angebot ausge- die schon geringe Stimmbeteiligung in Littau nach baut. Handkehrum profitiert die Stadt von den Landreser- der Fusion noch etwas geringer. Auch der direkte ven im Littauerboden sowie im Gebiet um den Seetalplatz. Zugang zu den Behörden ist etwas verloren gegan- Davon zieht auch der Kanton Nutzen. Bebaubarer Boden, gen. kombiniert mit dem Renommee der Stadt: Das zieht Unter- Littau und Reussbühl sind Teil der Stadt Luzern nehmen an, das bringt Luzern als Wirtschaftsstandort wei- geworden wie andere Quartiere auch, etwa Altstadt, ter. Ein Wermutstropfen bleibt die Abnahme der politischen Seeburg und Tribschen. Es gibt in Littau und Reuss- Partizipation. Ob sich hier Littau von anderen Teilen der bühl starke Quartierstrukturen und erfreuliche Stadt unterscheidet, müsste genauer untersucht werden. Initiativen. Das Kinderfest Littau ist ein solches Pro- jekt, das zahlreiche Vereine unter einem Dach zu- Von 107 auf 82 Gemeinden sammenbringt. In Reussbühl haben sich viele Kräfte Der Zusammenschluss von Luzern und Littau war eine vereinigt, um das Restaurant Obermättli zu sanie- von bislang 17 Fusionen im Kanton. Statt ursprünglich ren und als Treffpunkt neu zu etablieren. Ich hoffe, 107 Gemeinden gibt es heute noch 82 – vor allem kleine dass diese erfreulichen Entwicklungen auch im und kleinste haben sich mit grösseren Nachbarn vereinigt. Wesemlin und im Hirschmattquartier wahrgenom- Auf den 1. Januar 2020 haben Altishofen und Ebersecken men werden und dies zu gegenseitigen Besuchen fusioniert, am 29. März 2020 stimmen Altwis und Hitzkirch und Kontakten führt. sowie Gettnau und Willisau über einen Zusammenschluss Ich versuche, mein Wissen über Littau und ab. Bei einem Ja der Bevölkerung würden sich die Seetaler Reussbühl ständig zu erweitern. Ich habe in den letz- und die Hinterländer Gemeinden jeweils per 1. Januar 2021 ten Jahren im Verhältnis mehr Quartiervereine in vereinigen. Littau und Reussbühl als im alten Stadtteil besucht. Einziger Zusammenschluss der Agglomeration Gibt es dennoch Handlungsbedarf ? Die Heirat von Luzern und Littau war die bislang ein- In Littau und Reussbühl nehme ich gewisse zige in der Agglomeration. Weitere Zusammenschlüsse rund Ängste vor einem zu schnellen Wachstum wahr. Auf um den Kantonshauptort waren geplant, kamen aber nicht diese Ängste müssen wir eingehen, auch wenn sie zustande. Im März 2017 justierte der Regierungsrat seine mit allgemeinen gesellschaftlichen und wirtschaft- Strategie für die Gemeindereform neu. Seither basiert sie lichen Veränderungen zu tun haben dürften. Ein auf zwei Pfeilern: Zum einen sollen Fusionen wie bisher gesundes Wachstum kann nur gelingen, wenn wir von unten wachsen. Zum anderen besteht neu ein risiko- das unmittelbare Lebensumfeld mitgestalten kön- basierter Ansatz: Läuft eine Gemeinde Gefahr, ihre Hand- nen. Dazu braucht es unterstützende Quartierstruk- lungsfähigkeit einzubüssen, sucht der Kanton mit ihr nach turen. Der Stadtrat hat den Grundsatz aufgestellt: Lösungen. Strategische Fusionen werden nicht mehr aktiv «Quartiere stärken». In Littau ist zum Beispiel im gefördert: Das systematische Vorantreiben von Zusammen- Herbst ein «Vicino»-Standort eröffnet worden, ein schlüssen von Zentren mit umliegenden Gemeinden – so Treffpunkt für Seniorinnen und Senioren. Die wie bei Luzern und Littau – ist kein Ziel mehr. Lancieren Besucherzahlen sind erfreulich. Kommunen solche Projekte, kann sie der Kanton unterstüt- Wie sich solche Initiativen zur Stärkung der zen. Zentral ist jedoch die Initiative der Gemeinden. Es liegt Quartiere mittelfristig entwickeln, entscheiden die in ihrer Hand, ob es dereinst im Raum Luzern zu weiteren Bewohnerinnen und Bewohner selber. Ich bin über- Hochzeiten kommt wie anno 2010.» zeugt, dass die Bevölkerung heute sehr zufrieden mit der Fusion ist. Schliesslich ist bloss zusammen- Paul Winiker, Vorsteher Justiz- und Sicherheitsdepartement gewachsen, was zusammengehört. des Kantons Luzern
12 | 13 Fusionsbilanz «DIE STADT ALS GANZES HAT VON DER FUSION PROFITIERT» Der Anstoss zur Fusion kam aus dem Einwohnerrat Littau und dem Grossen Stadt- rat von Luzern: Beide Parlamente sprachen sich in der Folge auch für den Fusions- vertrag und die Fusion aus. Zu Recht – sagt die Mehrheit der Fraktionen heute. Im März 2007 stimmte der Einwohnerrat von Littau mit 20 zu 7 Stimmen und der Grosse Stadtrat von Luzern mit 40 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltun- gen der Fusion zu. Im Juni sagten auch die Stimm- berechtigten von Littau und Luzern Ja zum Zusam- mengehen ihrer beiden Gemeinden auf den 1. Januar 2010. In der Folge wurde die Legislatur für die Behörden der beiden Gemeinden verlängert. Am 14. Juni 2009, bei den ersten Wahlen im fusionierten Gemeinwesen, ziehen elf Littauerin- nen und Littauer in den 48-köpfigen Grossen Stadt- rat ein. Der ehemalige Gemeindeammann von Lit- tau, Stefan Roth, wird im zweiten Wahlgang in den Stadtrat gewählt. Heute wohnen keine Stadträtin und kein Stadt- rat und nur noch eine Parlamentarierin und ein Par lamentarier in Littau. Dieser Umstand ist wohl einer der Gründe für die Distanz zu Verwaltung und Politik der Littauerinnen und Littauer, die in den Bilanzen der Fraktionen als eine negative Fusions- Es kam zusammen, was schon lange als Ganzes wahrgenommen wird: Littau und Luzern. folge genannt wird. (DC) EINE ERFOLGSGESCHICHTE wenn auch ohne Unterführung für den Langsam- verkehr. Diese Schritte gingen nicht ohne Diskussi- Zehn Jahre Fusion von Littau und Luzern, das onen über die Bühne, aber das Stadtparlament wie ist aus unserer Sicht eine Erfolgsgeschichte, über auch die ganze Stadtbevölkerung sind mit Um- und welche zu wenig gesprochen wird. Mit der Fusion Rücksicht auf die Bedürfnisse eingegangen, dies wurden für die ehemaligen Littauer*innen die Steu- auch in finanziell schwierigen Zeiten. Wichtig bleibt ern gesenkt, die Kehrichtabfuhr und der Winter- der Dialog, um den Puls und die Emotionen zu füh- dienst verbessert, der Stadtteil Littau konnte an den len. Die Fusion soll nicht nur rational, sondern auch Wärmeverbund angeschlossen werden, bei der emotional ankommen, zum Wohl aller. In diesem Renovation des Altersheims oder bei den Investiti- Sinne wollen wir an der gemeinsamen Entwicklung onen in den Schulraum wurde dieser Stadtteil pri- weiterarbeiten, mit Stolz und Freude. oritär behandelt, die Badi Zimmeregg wird reno- viert, und die Cheerstrasse kann gebaut werden, Stefan Sägesser MEHR VIELFALT NACH DER FUSION Für den grössten Teil der heutigen Stadt- Weyquartier oder die Sternmatt sind. Trotz Zusam- bewohner*innen ist vor zehn Jahren eine Grenze menschluss geblieben ist leider die Tatsache, dass weggefallen, die sie zuvor oft gar nicht bemerkt hat- die Quartiere entlang den alten Gemeindegrenzen ten. Viele Littauerinnen oder Reussbühler profitie- mit Schwierigkeiten kämpfen: Weiterhin fehlt eine ren heute selbstverständlich von den vielfältigen sichere Velostrecke an der Bernstrasse, und die Angeboten der gemeinsamen Stadt Luzern. Für geplante Reussportbrücke ins Fluhmühlequartier mich hat die Fusion die Stadt vielfältiger gemacht, oder der knappe Grünraum belasten den Lebens- nach zehn Jahren ist die neue Stadt zum Glück auch raum. Gerade diese Grenzquartiere erfordern wei- einfach normal: Reussbühl, Littau Dorf oder der terhin unsere politische Aufmerksamkeit. Littauerboden sind genauso vielfältige und unter- schiedliche Quartiere, wie es die Büttenen, das Christian Hochstrasser
Fusionswelle Bis ins Jahr 1990 blieb NACH LITTAU UND LUZERN KEINE der Fusion profitiert: Schulhäuser wurden und wer- die Gemeindelandschaft WEITEREN FUSIONEN: SCHADE! den saniert oder neu gebaut, die Infrastruktur in der Schweiz relativ erneuert, und sogar eine unsinnige (Cheer-)Strasse konstant: Von ursprüng- lich 3203 Gemeinden Was als Gross-Fusion zu Gross-Luzern geplant wird gebaut. Ohne Fusion wären diese Investitio- 1850 gab es 1990 noch war, ging leider gross in die Hose. Ausser Littau nen schwierig zu tragen gewesen für die eher kleine deren 3022. Seither rollt wollte niemand mit der Stadt fusionieren, zu gross Gemeinde Littau. Ein Wermutstropfen bleibt: Die eine Fusionswelle übers war die Angst vor dem Verlust der Eigenständigkeit. Stimmbeteiligung im Stadtteil Littau ist auch nach Land. Von 2899 Gemein- Heute, nach zehn Jahren und im Rückblick auf die zehn Jahren (erschreckend) tief, und auch im Stadt- den im Jahr 2000 sind Fusion mit Littau, meinen wir: Schade! Luzern Süd parlament nimmt die Vertretung dieses Stadtteils 2017 noch 2240 übrig (Mattenhof) zeigt exemplarisch, wie schwierig die laufend ab. Schade! geblieben. Mit den Fusi- Koordination zwischen drei Gemeinden ist. Dies onen verzeichnen die und vieles andere wäre einfacher aus einer Hand zu Nico van der Heiden Gemeinden einen mar- bewältigen. Und der Stadtteil Littau hat stark von kanten Bevölkerungszu- wachs; seit den 1960er- Jahren hat sich dieser im Durchschnitt mehr FUSIONEN WEITER THEMATISIEREN ändert sich wenig, für viele Littauerinnen und Lit- als verdoppelt. tauer allerdings sind die Verwaltung und die Politik Fusionsgründe Die Ziele der Fusion wurden erreicht: Littau pro- nicht mehr so greifbar wie früher. Die CVP der Stadt Die Gründe für die fitiert dank des Zusammenschlusses von tieferen Luzern hätte sich weitere Fusionen gewünscht. Gemeindefusionen sind Steuern. Aufgrund der stärkeren Finanzkraft konnte Diese finden derzeit politisch keine Mehrheiten. vielfältig und reichen das Alterszentrum Staffelnhof saniert und erweitert Wir wachsen immer mehr zusammen, sei es in von gesellschaftlichen werden. Grosse Investitionen in die Schulhäuser, Luzern Süd mit Kriens oder in Luzern Nord mit und wirtschaftlichen ins Schwimmbad Zimmeregg und die Cheerstrasse Emmen, die Aufgaben werden immer komplexer. Veränderungen über stehen bevor. Die Kernstadt Luzern hat den Zugang Das macht eine verstärkte Zusammenarbeit und Entwicklungen im zu Landreserven erhalten. Dadurch kann sich die Koordination unabdingbar. Das Thema der Fusio- Gemeindewesen bis hin Stadt weiterentwickeln. Die Zusammenlegung der nen ist deshalb für uns nicht für immer vom Tisch. zum Wandel des politi- Verwaltung hat zu tieferen Kosten geführt. Für schen Denkens. Verwal- die Bewohnerinnen und Bewohner der Kernstadt Mirjam Fries tungsaufgaben wurden komplexer und erfor- dern Expertenwissen, gleichzeitig sind die NOCH MEHR ENGAGEMENT ZUR mehr Engagement vonseiten Politik, um die Verbin- Bevölkerungsansprüche VERBINDUNG DER STADTTEILE dung in den Stadtteil zu stärken. Doch die Stadt als an den Service public gestiegen. Diese Ent- Ganzes hat von der Fusion profitiert. Sie konnte sich wicklung führte bei man- Der Stadtteil Littau hat sich seit der Fusion sehr dadurch als Zentrum der Zentralschweiz festigen chen Gemeinden zu per- positiv entwickelt. Es können laufend neue Über- und ihre Standortattraktivität erhöhen. Nun muss soneller und finanzieller bauungen realisiert und wichtige Infrastruktur wie das Potenzial auch für interessante Unternehmens- Ressourcenknappheit, Schulhäuser oder das Waldschwimmbad erneuert ansiedlungen genutzt werden, um so wichtige die mit der Wirtschafts- werden. Solche Projekte wären in der früheren Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür braucht es nach krise der 1990er-Jahre Gemeinde aus finanzieller Sicht wohl nicht möglich wie vor einen besseren Verkehrsanschluss für alle noch verstärkt wurde. gewesen. Die Bevölkerung schätzt diese Investitio- Verkehrsträger, wofür wir uns auch in Zukunft ein- Es gab aber auch Fusio- nen, kritisiert aber nach wie vor die Distanz zur Ver- setzen werden. nen von ressourcenstar- waltung und zur Politik. Das zeigt sich auch in der ken Gemeinden. tiefen Stimmbeteiligung. Hier braucht es noch Marco Baumann Einfluss des Kantons Ein zentraler Einfluss faktor in Bezug auf «DIE ZEIT HEILT ALLE WUNDEN» die Fusionswilligkeit ist das Ausmass kanto- naler Unterstützung «Die Zeit heilt alle Wunden» – diese Redewen- der Fusion von der gesamtstädtischen politischen und Förderung. dung mag wohl auf viele Littauer (und Reussbühler) Entscheidungsfindung deutlich abgewendet hat. Mehrheitlich funktio- zutreffen, die lange unter dem Fusionsentscheid zu So muss eine nach der Fusion eingetretene Stimm- niert der Prozess von leiden hatten. Dazu beigetragen hat sicher, dass die abstinenz in den Littauer Wahlkreisen festgestellt unten nach oben und Fusion operativ gut geplant vorgenommen wurde werden, dies im Vergleich zur Stimmbeteiligung vor mit freiwilliger Ent und der Stadtteil Littau folgend vollwertig in die der Fusion. scheidung. Nur in zehn politische Gesamtbetrachtung einbezogen wurde. Muss dies dahingehend gedeutet werden, dass Kantonen sind Zwangs- Die Unterscheidung in «alte» und «neue» Stadt- bei vielen Littauern die Zugehörigkeit zur Stadt fusionen erlaubt, kamen teile wird im politischen Alltagsgeschäft kaum mehr Luzern sich noch nicht festgesetzt hat? aber, ausser in den wahrgenommen. Hingegen muss leider festgestellt Kantonen Tessin und werden, dass die Bevölkerung in Littau sich nach Marcel Lingg Glarus, kaum vor. (JL)
14 | 15 Fusionsstimmen «VERÄNDERT HAT SICH VIELES – UND FAST ALLES ZUM POSITIVEN» Die Frage der Fusion hat ab 2002 für heftige Debatten in der Bevölkerung gesorgt. Wir haben fünf Personen, die damals (wie zum Teil auch heute noch) involviert waren, nach ihren Eindrücken gefragt. Ein Merkmal eint sie alle. Es war ein langer Weg, bis die Stimmberechtig- beteiligt oder davon betroffen waren: Als Vertreter ten der damaligen Gemeinden Littau und Luzern von Quartiervereinen blicken Jacqueline Capra (Lit- 2007 endlich zur Abstimmung schreiten konnten. tau Dorf), Fabrizio Laneve (Reussbühl) und Guerino Fusion Ja oder Nein? Dem Ja am Abstimmungs- Riva (Bernstrasse) auf die turbulente Zeit zurück. sonntag ging eine jahrelange und emotionale Aus dem ehemaligen Gemeindegebiet Littau nimmt Debatte voraus; sowohl in der Politik als auch in der mit Peter With (SVP) ein Parlamentarier Stellung, Bevölkerung. Kaum jemand liess die Debatte kalt. als Pendant aus Luzern Pia Maria Brugger Kalfidis Wir haben für diesen Fusionsrückblick fünf (CVP): Ihre Erwartungen haben sich erfüllt – Hoff- Personen befragt, die damals stark am Prozess nungen wie Befürchtungen. (LW) anteils ja nicht der beste. Befürchtet wurde, dass im fusionierten Luzern einfach über uns Littauer be- stimmt wird und dass die Nähe zu den Verantwort- lichen auf der Verwaltung verloren geht. Letzteres ist ein Stück weit eingetroffen. Aber betreffend Mit- bestimmung hatte ich kaum je das Gefühl, dass wir übergangen worden sind. Zweifellos hat die Stadt in den letzten Jahren sehr viel Geld in den Stadtteil Littau investiert, beispielsweise in Schulhäuser oder das Alterszentrum Staffelnhof, und dadurch zu höherer Lebensqualität beigetragen. Das wäre ohne Fusion nie in diesem Ausmass möglich gewesen. Positiv verändert hat sich auch der Stellenwert Jacqueline Capra, der Quartiervereine. Dieser ist seit der Fusion viel Präsidentin Quartierverein Littau Dorf höher: Man wird oft zu Infoveranstaltungen oder «Unsere grösste Hoffnung in Bezug auf die Workshops eingeladen. Und unsere Meinung zählt Fusion war sicher, dass es uns finanziell wieder bes- etwas. Dank des gesamten regen Vereinslebens hier ser geht. Diese Hoffnung hat sich erfüllt. Profitiert hat sich für mich als Ur-Littauerin seit der Fusion haben wir auch vom guten Ruf der Stadt Luzern – aber zum Glück nichts verändert: Ich fühle mich jener von Littau war wegen des hohen Ausländer- nach wie vor sehr wohl hier.» Kommune ist, umso anonymer ist sie. Diese Angst hat sich aber nicht bewahrheitet – auch dank eines starken Sprachrohrs fürs Quartier: unser Quartier- verein Reussbühl. Als Quartierverein geniessen wir ein hohes Ansehen in der Stadt und verfügen über einen direkten Draht in die Verwaltung. Wir werden ernst genommen und einbezogen. Unsere Meinung hat Gewicht, wir können mitbestimmen. Ich bin deshalb auch jetzt, zehn Jahre nach der Fusion, überzeugt: Die Fusion hat sich für alle gelohnt. Gemeinsam ist man definitiv stärker. Gerade Projekte wie die Neugestaltung des Seetal- platzes, die Renovation des wunderschönen Wald- Fabrizio Laneve, schwimmbades Zimmeregg, der Neubau des gröss- Präsident Quartierverein Reussbühl ten Primarschulhauses des Kantons, das Staffeln, «Bei uns im Quartier war sicher die Angst da, wären ohne die Fusion wohl noch nicht auf dem dass wir Reussbühlerinnen und Reussbühler als Weg. Teil eines grossen, fusionierten Luzerns nicht mehr Verändert hat sich seit und dank der Fusion bei wahrgenommen werden. Dass einfach über uns ent- uns in Reussbühl und drum herum vieles. Aber fast schieden wird. Denn uns war klar: Je grösser eine alles im positiven Sinne.»
alle Exekutivmitglieder und auch die Medien mach- Jünger dank Littau ten permanent Werbung für die Fusion. Es war für Die Fusion von Littau und Luzern hat ein paar die Gegner praktisch unmöglich, irgendwo Gehör demografisch interes- zu finden. Es war eine bittere Niederlage wegen ein sante Veränderungen paar Hundert Stimmen, die in einem fairen Abstim- bewirkt. mungskampf hätten gewonnen werden können. Enorm waren etwa die Die grösste Befürchtung war die Entfremdung Unterschiede bezüglich und die fehlende Identifikation mit der neuen Stadt Altersstruktur. So Luzern. Aus Littauer Sicht ist das klar eingetreten. wohnten in Littau fast Das zeigt die enttäuschende Stimmbeteiligung an 60 Prozent mehr junge Wahlen und Abstimmungen. Auch die fehlenden Personen als in der Stadt Vertreter aus Littau und Reussbühl im Grossen und 46 Prozent weniger Stadtrat zeugen davon. Die Verwaltung wurde unper- im Pensionsalter. Peter With, ehemaliger Präsident SVP Stadt sönlicher und für Littauer völlig unüberschaubar, Zudem stagnierte der Luzern, Reussbühl was sich leider bis heute nicht verändert hat. Anteil der Schweizer «Es war ein heftiger Kampf David gegen Goliath. Eine positive Entwicklung ist aber, dass die Stadt Bevölkerung in der Im Wochentakt kamen Studien und Gutachten ihre Leistungen und Investitionen auf einem sehr Stadt. Die Geburten- heraus, die die Gemeindefusion als Lösung für alle hohen Niveau erbringt und wir Littauer das zu zahlen waren rückläu- fig. In Littau hingegen Probleme anpreisten. Alle Parteien ausser der SVP, einem niedrigeren Steuersatz erhalten.» wuchs die Bevölkerung jährlich zwischen 3 und 4 Prozent. im täglichen Leben keine Gemeindegrenze spürbar – anders als auf Behördenebene: In der Gemeinde Mehr Wachstum Littau verlief die Zusammenarbeit mit den Behör- Der Ausländeranteil den einfacher. Ein Beispiel: Als der Quartierverein in Littau betrug gut Bernstrasse mit uns von der ‹Chrampfergruppe› den 34 Prozent, in der Spielplatz ob dem Grenzhof-Schulhaus plante, war Stadt 20 Prozent. die Gemeinde Littau für die Baubewilligung zustän- Die Stadt wurde durch dig. Dort hiess es nur: Dafür braucht es keine Bewil- die Fusion also jünger, ligung. Solch ein unkompliziertes Vorgehen wäre multikultureller und auf der Verwaltung der Stadt kaum möglich gewe- wuchs wieder. sen. Aber generell hat sich die Fusion aus meiner Durch die Fusion stieg Sicht gelohnt, und zwar für beide Seiten. Ein weite- die Bevölkerungszahl res Beispiel aus meinem Quartier: Vor der Fusion per 2010 auf gut 73’000. Guerino Riva, durften nur Schüler aus Luzern ins Grenzhof-Schul- Diese Zahl wuchs bis Ende 2018 auf rund Ehrenpräsident Quartierverein Bernstrasse haus. Die direkt nebenan lebenden ‹Littauer› Schü- 82’000 Personen. Der «Was die Fusion für uns Anwohner der Bern- ler nicht. Ausländeranteil hat sich strasse bedeutet? Eigentlich nicht viel, da wir ja Verändert haben sich die Menschen beidseitig seit der Fusion von 23,5 schon immer Luzernerinnen und Luzerner waren der alten Gemeindegrenze durch die Fusion nicht. auf 24,2 Prozent erhöht. und mit den Anstössern aus Littau auch schon lange Aber nun setzen wir uns gemeinsam für eine posi- ein gutes Miteinander pflegten. Zwischen uns war tive Entwicklung unseres vereinten Gebiets ein.» dass die relevanten politischen Kräfte Lust beka- men, daran mitzuwirken. Es war inspirierend! Quellen Der zuständige Projektleiter, Peter Mendler, hat Die Randspalten auf den die Littauer Ängste sehr ernst genommen. Dadurch Seiten 7, 9 und 13 hat Julius konnten viele Befürchtungen zerstreut werden, und Lange, Stadtarchiv Luzern, ein gemeinsames Vorgehen wurde möglich. Ein- recherchiert. Er hat folgende fach war das aber nicht. Denn dass die Littauer Quellen verwendet: «Weniger ist mehr? etwas an Eigenständigkeit und Identität verlieren 20 Jahre Gemeindereform im würden, war unbestritten. Das Abstimmungsresul- Kt. Luzern 1997 – 2017», tat 2007 empfand ich trotz knappem Ausgang denn Max Huber (2017) auch als einen Riesenerfolg. www.gemeindereform.lu.ch In den Jahren seit der Fusion, so bin ich über- www.stadtluzern.ch/thema/111 zeugt, haben die Littauer gespürt, dass sie von der Quellen für die Randspalte Pia Maria Brugger Kalfidis, ehemalige Stadt ernst genommen werden. Die vielen Investi- auf dieser Seite: Stadtluzerner CVP-Kantonsrätin tionen in Littau und Reussbühl sowie die tieferen «Machbarkeit und mögliche Auswirkungen eines Zusam «Ich durfte von Beginn an den Fusionsprozess Steuern sind das eine. Die Wahl 2012 des Littauers menschlusses der Stadt Luzern begleiten und daran mitwirken. Wir haben sehr Stefan Roth zum Stadtpräsidenten und jene von und der Gemeinde Littau», darauf geachtet, dass das Vorgehen politisch breit einigen Littauerinnen und Littauern ins Stadtpar- R. Steiner, A. Ladner, B. Adam- abgestützt und sorgfältig parallel in Littau und lament hat sicher auch dazu geführt, dass sich die schek und D. Fürst (2004) Luzern aufgegleist wurde. Schnell ergab es sich, Littauer gut aufgenommen gefühlt haben.» www.lustat.ch
16 | 17 Abstimmung CARPARKIERUNG UND NAHVERKEHR IM FOKUS Eine Initiative fordert unter anderem eine Kosten-Nutzen-Nachhaltigkeitsanalyse, Grundstücksicherungen und Finanzierungslösungen für das Projekt «Metro». Das Parlament lehnt die Initiative ab, das Volk entscheidet am 9. Februar darüber. Parkieren im Ibach und mit der Metro zum Schwanenplatz: Die Initiative will Verkehrsprobleme und die Aufwertung der Innenstadt angehen. Die Initiative «Die Metro-Luzern verdient eine strebt in den Bereichen Carregime, öffentlicher Chance. Alles auf den Tisch – Ende Stillstand – In Nahverkehr, Aufwertung der Innenstadt und Er- die Zukunft schauen!» wurde im Juni 2018 einge- schliessung des Kantonsspitals Verbesserungen an. reicht. Sie fordert vom Stadtrat eine Kosten-Nutzen- Nachhaltigkeitsanalyse für das Projekt «Metro». Nicht der richtige Lösungsansatz Damit soll die Grundlage geschaffen werden, dieses Im Gegensatz zu den Initiantinnen und Initian- gegebenenfalls anderen Projekten gegenüberzu- ten erachten der Grosse Stadtrat und der Stadtrat stellen. Dazu sollen vorsorgliche Grundstücksiche- das Projekt «Metro» jedoch nicht als den richtigen rungen / -erwerb im Gebiet Ibach vorgenommen, das Ansatz zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Projekt unter Einbezug der Erschliessung des Kan- Die Stadt Luzern wie auch private Organisationen tonsspitals entwickelt sowie Massnahmen zur Auf- und Komitees beschäftigen sich mit dem Carver- wertung der Innenstadt und Finanzierungslösun- kehr, es wurden verschiedene Lösungsansätze für gen für die Metro ausgearbeitet werden. Zudem die Carparkierung und zur Aufwertung der Innen- sollen Visionen zur Weiterentwicklung als Projekt stadt präsentiert. Nach kontroversen Diskussionen «Metro plus», etwa mit Erweiterungen zum Bahn- rund um diese Parkierungsprojekte kamen Stadt- hof Luzern und nach Emmen, Kriens und Ebikon, rat und Parlament zum Schluss, dass es eine grund- aufgezeigt werden. sätzliche Verständigung über die Zielsetzungen brauche, bevor einzelne Lösungen miteinander ver- In den ÖV-Verbund integrieren glichen werden könnten. Dies wird nun im Rahmen Die Metro ist eine von Privaten lancierte Projekt- eines partizipativen Strategieprozesses Carregime idee: ein Parkhaus im Gebiet Reussegg / Ibach für angegangen. rund 170 Reisecars und 2000 bis 2500 Autos. Das Aus diesem Grund empfiehlt der Grosse Stadt- Parkhaus soll durch eine unterirdische Metro mit rat die Metro-Initiative zur Ablehnung und folgt dem Schwanenplatz verbunden werden. Eine Zwi- damit dem Antrag des Stadtrates: Man wolle die schenstation beim Luzerner Kantonsspital ist als Prozesse und Projekte, die bereits aufgegleist sind, Option vorgesehen. Die Vision Metro sieht die Wei- weiter vorantreiben. So solle insbesondere im terentwicklung dieser einen Linie zu einem Metro- Bereich Carregime nun nicht wieder über einzelne netz vor, welches in den ÖV-Verbund integriert wird. Projekte diskutiert werden, sondern im Rahmen Die Initiative spricht aus Sicht des Stadtrates eines ergebnisoffenen, partizipativen Prozesses wichtige Handlungsfelder an. Auch der Stadtrat eine mehrheitsfähige Lösung entwickelt werden.
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