Der Controller als Change Agent - Interview mit Prof. Dr. Joachim Sandt
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Controller als Change Agent und Verzahnung mit anderen Steuerungsinstru- Der Controller als Change Agent menten und Abteilungen kann sehr effektiv sein. Es geht sozusagen nicht um einen wei- teren „Vollzeitjob“, sondern um eine stärkere Interview mit Prof. Dr. Joachim Sandt Vernetzung, eine stärkere An- und Verbin- dung zum Change Management. von Alfred Biel Biel: Gibt es hierfür positive Beispiele? Sandt: Ja, beispielsweise findet sich in dem von Ihnen erwähnten Buch ein Exempel, wie Financial Controller und Six Sigma-Mana- Die Veränderungsdynamik auf den ver- Sandt: Ja, sehr gerne ger im Starwood-Konzern zusammen ar- schiedensten Arbeits- und Lebensfeldern beiten. Ein weiteres Beispiel ist die Organisati- gewinnt an Wirksamkeit. Der Wandel voll- Biel: Zunächst eine grundsätzliche Frage. Auf- onseinheit OPEX – Operational Excellence zieht sich immer rascher und intensiver. gabe und Rolle des Controllers bzw. der Con- bei Evonik Degussa. Es ist mittlerweile ein Diese Entwicklung stellt die Unternehmen in die trollerin haben sich im Zeitablauf deutlich ver- „Transmissionsriemen“ zwischen Konzern- Notwendigkeit, jene Veränderungsprozesse ändert, wie ein Blick auf Diskussionen, Studien controlling und operativen Einheiten. auch zu gestalten und zu steuern. Anderenfalls und Veröffentlichungen zeigt. Wir haben aber drohen Fehlentwicklungen, Reibungsverluste nicht nur eine Veränderung, sondern zuneh- Biel: Wie sehen Controller die von Ihnen ge- oder Reformstau. mend auch eine Erweiterung von Aufgabe und forderte stärkere Einbindung. Was sagt Ihre Rolle festzustellen. Der „Controller als Change Erfahrung? Controller verstehen sich als „Business Agent“ ist eine weitere Facette dieses Zu- Partner“. Diese Rolle schließt ausdrücklich mit wachses an Aufgaben und Verantwortung. Sandt: Controller und Controller-Abteilungen ein, an der Entwicklung und auch an der Verän- Wie weit ist dies realistisch? Wie weit können haben sich in ihren Leitbildern als Business derung des Business teilzuhaben. Es stellt sich die Controller in der Praxis diesen Erwartungen Partner positioniert. Das ist ein sehr anspruchs- die Frage nach der Rolle und Funktion der Con- tatsächlich gerecht werden? Wunschdenken volles Ziel – und hat Folgen. Controller sollten troller im Change Management, im Manage- oder doch eher Realität? sich selbstkritisch die Frage stellen, inwieweit ment des Wandels. Um diese Fragestellung sie diesem Leitbild gerecht werden. Ist dieses geht es in diesem Interview. Sandt: Sie sprechen einen sehr wichtigen Ziel ernstgemeint, gehört die proaktive Unter- Punkt an. In der Tat kommen immer mehr Auf- stützung von Veränderungsprozessen dazu! Biel: Schön, Herr Prof. Dr. Sandt, dass wir wie- gaben auf die Controller zu. Denken wir z.B. an der miteinander zu tun haben. Journalistische die zusätzlichen Aufgaben im Rahmen der Biel: Wie gehen die Unternehmen mit diesem Prinzipien und der Ethik-Kodex des Deutschen internationalen Rechnungslegung nach IFRS. Thema um? Können Sie die praktische Umset- Fachjournalisten Verbandes legen mir nahe, Controller sind nun auch z.B. Informations- zung veranschaulichen? unsere Leserinnen und Leser darüber zu infor- dienstleister für die Bilanzbuchhalter im Rah- mieren, dass wir uns seit vielen Jahren kennen men der gesetzlich vorgeschriebenen Rech- Sandt: BASF z.B. hat dies explizit in ihrem und seit etwa 15 Jahren im Austausch stehen. nungslegung, z.B. bei Werthaltigkeitstests ge- Controlling-Verständnis als Business Partner Dieser Kontakt ergab sich während Ihrer Zeit mäß IAS 36. Zudem kommen im Rahmen von aufgenommen – „initiate & drive change“. als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr- Compliance neue Aufgaben hinzu. Und dann Transparenz zu schaffen ist ein notwendiger stuhl von Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber. noch Change Management-Aufgaben? Das erster Schritt für erfolgreiche Controller-Arbeit. scheint sehr viel, zu viel. Aber wenn Controller den operativen Führungs- Ich gebe diesen Hinweis aber auch sehr gerne, kräften lediglich mitteilen, dass die „Ampel“ auf weil ich mich an viele anregende und span- Biel: Warum ist diese Facette, über die wir hier Gelb oder auf Rot steht, führt dies auf beiden nende Diskussionen mit Ihnen erinnere. Sie diskutieren, im breiten Aufgabenspektrum der Seiten mittelfristig zu Frustration. Ein weiterer haben gemeinsam mit Weber im Jahre 2010 Controller dennoch ein bedeutendes Thema? Schritt könnte sein, aufzuzeigen, wie die Ampel am Thema „Aufgaben der Controller in Ver- wieder auf Grün geschaltet bzw. ein Zielwert änderungsprozessen“ gearbeitet und zu- Sandt: Aber gerade CM-Aufgaben (CM = erreicht werden kann. Dazu müssen – wie sammen mit Weber in der Reihe Advanced Change Management) unterstützen das zentra- angesprochen – Controller nicht notwendiger- Controlling den Band „Controlling und Change le Ziel der Controller, nämlich Business Partner weise komplett neue Aufgaben übernehmen. Management“ veröffentlicht. Bitte erlauben zu sein oder zu werden. Dabei müssen nicht Aber zumindest eine Verknüpfung mit anderen Sie, für das Controller Magazin einige Nachfra- notwendigerweise neue Aufgaben komplett Steuerungsinstrumenten und Abteilungen 4 gen zu stellen. übernommen werden. Bereits die Verknüpfung muss gewährleistet sein. Beispielsweise kann
CM Januar / Februar 2012 ein Controller, der für eine Organisationseinheit Biel: Gibt es eine Methodik, die hierbei hilfreich Stabilität beitragen. Zudem geht es darum, Ver- ein Problem mit dem Forderungsbestand iden- und nützlich ist? änderungsprozesse – wenn sie denn konstant, tifiziert hat, einen Verbesserungsworkshop d.h. wiederkehrend sind – auch ansatzweise zu mit dem kontinuierlichen Verbesserungs- Sandt: Um die Mitarbeiter bei Veränderungen strukturieren und zu standardisieren – hier gibt programm (KVP) aufsetzen, z.B. Six Sigma. mitzunehmen, hilft ein einfaches Phasenmo- es viele Beispiele, bspw. den CAP – change Der Controller übergibt dann den Staffelstab an dell. Es wurde bereits Ende der vierziger Jahre accelerating process bei General Electric, DP den Six Sigma-Manager. Er bearbeitet mit einer des letzten Jahrhunderts von Kurt Lewin DHL nennt es ACT – accelerating change tech- sehr strukturierten Problemlösungsmethode entwickelt: Unfreeze – move (change) – re- nique. Daher haben einige Unternehmen diese das vom Controller aufgezeigte Problem. freeze. In der ersten Phase „Unfreeze“ wer- Methoden und Vorgehensweisen nicht nur den die bestehenden Denk- und Handlungs- strukturiert und standardisiert, sondern auch Biel: Change Management bzw. Veränderungs- muster aufgebrochen und die Notwendigkeit eine Organisationseinheit geschaffen. Sie soll management ist eigentlich nichts grundsätzlich der Veränderung erarbeitet. Die zweite Phase die Anwendung der Strukturen und Standards Neues, aber die Bedeutung und Dringlichkeit „Move/Change“ stellt die eigentliche Verände- sicherstellen. scheinen zu wachsen. Was ist neu, was ist rung beziehungsweise Implementierung dar. anders geworden? Die dritte Phase „Refreeze“ fokussiert darauf, Ein Beispiel sind die hoch strukturierten konti- die Veränderungen zu stabilisieren und zu in- nuierlichen Verbesserungsprozesse gemäß Six Sandt: Nichts ist so konstant wie die Verän- stitutionalisieren. Ein Rückfall in alte Routinen Sigma mit Vollzeit-Spezialisten, sogenannten derung – für diesen Satz müsste man in einer soll verhindert werden. Black Belts und Master Black Belts. Sie beherr- anderen Gesprächsrunde 5 € in das Phrasen- schen die Methoden und wenden sie mit Ver- schwein einzahlen. Aber immer deutlicher D.h., bevor man – vor allem radikale – Ver- tretern der Fachabteilungen für (vom Control- wird, dass aufgrund der globalen und ver- änderungen angeht, sollten die Mitarbeiter ler?) identifizierte Problembereiche an. Ein wei- netzten (Wirtschafts-)Welt die Anzahl so- angemessen vorbereitet werden. Später gilt teres Beispiel ist OPEX bei Evonik Degussa, genannter disruptiver Veränderungen zu- es, die Veränderung zu institutionalisieren oder eingerichtet, um an allen Standorten des Kon- genommen hat, d.h. eine bestehende Tech- – wie Sie es genannt haben – zu stabilisieren. zerns in über 100 Ländern die operative Exzel- nologie, ein bestehendes Produkt oder eine Zu diesem generischen Drei-Phasenmodell gibt lenz zu fördern. Aus einer ursprünglich nur vo- bestehende Dienstleistung wird möglicher- es differenzierendere Aspekte, auf die ich hier rübergehend geplanten Organisationseinheit weise vollständig verdrängt. Denken Sie nur aus Zeitgründen nicht näher eingehen möchte. wurde aufgrund des Erfolgs eine dauerhafte. an die Auswirkungen der Atomkatastrophe in Das Drei-Phasenmodell ist einfach, aber hier Übrigens: Im OPEX-Team sind auch Controller Japan für deutsche Unternehmen, die Verän- gilt (leider): „Common sense“ ist nicht „com- (bewusst) vertreten. OPEX dient u.a. auch als derungen im Computer- und Mobiltelefon- mon practice“. Mittler zwischen dem finanzorientierten Kon- markt durch die Produktinnovationen von zerncontrolling und den operativen dezentralen Apple. Biel: Was sagt Ihre Praxiserfahrung? Einheiten. Es hilf den operativen Einheiten kon- kret, die Ampeln auf Grün zu schalten. Biel: Bei einer solchen Dynamik ist es wohl von Sandt: Kürzlich erlebte ich wieder in einem fast existenzieller Bedeutung, die erforderlichen MDAX-Konzern, dass erst nach der Reorgani- Biel: An dieser Stelle sollten wir Six Sigma kurz Veränderungsprozesse erfolgreich umzusetzen sation Workshops organisiert wurden, um definieren. – und dies ohne den laufenden Betrieb zu belas den Unmut der Mitarbeiter aufzufangen. Die ten. Wie kann dies gelingen? Brauchen die Un- „Unfreeze“-Phase sollte in größeren Verände- Sandt: Six Sigma ist ein statistisches Quali- ternehmen in den dynamischen Veränderungs- rungsprozessen systematisch berücksichtigt tätsziel und zugleich eine Methode des Quali- prozessen nicht auch eine gewisse Stabilität? werden. Nach jeder Veränderung muss man tätsmanagements bzw. ein hoch strukturierter Wie lassen sich Stabilität und Veränderung den geänderten Prozess auch stabilisieren. kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Ihr Ker- ausbalancieren? Einige stellen die Frage: Ist nicht eine Organi- nelement ist die Beschreibung, Messung, sation möglich, die „chronically unfrozen“, Analyse, Verbesserung und Überwachung Sandt: Ja, die Balance und deren Management chronisch aufgetaut ist? Vielleicht gibt es von Geschäftsvorgängen mit zahlreichen sind wichtig. In der Organisationstheorie gibt Menschen, die dies mögen und gut machen. und vielfältigen Methoden. Die Ziele orientie- es hierfür den Begriff der „beidhändigen Aber ist das die Mehrheit? ren sich an finanzwirtschaftlich wichtigen (ambidextrous)“ Organisation – die Balance Kennzahlen des Unternehmens und an Kun- zwischen „exploitation“ und „exploration“ Meiner Erfahrung nach nicht unbedingt. Ge- denbedürfnissen. Insofern besteht auch eine bzw. Effizienz des bestehenden Geschäfts- rade in Zeiten der konstanten Veränderung Verwandtschaft zu den Methoden der Con- modells und Innovation. Diese Balance her- benötigen Mitarbeiter stabile Anker – pri- troller. zustellen ist alles andere als leicht, aber wie vat aber auch in den Unternehmen. Ein sagen Führungskräfte gerne: „Einfach kann klares Leitbild mit eindeutig gelebten Werten – Biel: Gut gemanagte Veränderungsprozesse jeder.“ durch die Führung – kann zu dieser geforderten sind offenbar ein entscheidender Stellhebel für 5
Controller als Change Agent sondern durch diese Kultur fördernde Struk- Radikale Inkrementelle turen und Systeme – kurz ausgedrückt: Veränderung Veränderung herrscht Prinzip Hoffnung oder schafft das Management Strukturen und Prozesse, wel- Ansatz top down bottom up che die Aktivierung der Mitarbeiter wahr- Auswirkung radikal inkrementell scheinlicher machen. - richtige Analyse Aktivierung von Biel: Lassen Sie uns wieder zum Ausgangs- Kritische Führungskräften und und Lösung Aspekte Mitarbeitern punkt kommen. Wir führen ja diesen Dialog - Implementierung insbesondere für Controllerinnen und Controller in der Praxis. Bitte geben Sie uns einige Bei- Abb. 1: Kritische Aspekte radikaler und inkrementeller Veränderungen1 spiele für Controlleraufgaben in Veränderungs- projekten bzw. Veränderungsprozessen. Wie den Erfolg von Unternehmen. Daher lassen Sie die Entwicklung eines Geschehens selbst lassen sich Rollen und Aufgaben der Controller uns bitte an dieser Stelle die Arten der Verän- bestimmt. Man kann aber auch rückwirkend, in Veränderungsprozessen umreißen? derungen nach Umfang und Auslöser an- nachträglich reagieren (müssen). sprechen. Gibt es eine Kategorisierung, die für Sandt: Hilfreich ist die angeführte Unterschei- die praktische Arbeit hilfreich und nützlich ist? Biel: Diese Veränderungen unterscheiden dung in radikale und inkrementelle Verände- sich sicher nicht nur hinsichtlich ihrer Auswir- rungsprozesse. Bei radikalen Veränderungen Sandt: Ich möchte es schlagwortartig versu- kungen, sondern auch in ihrem jeweiligen ist zunächst die Analyse bedeutsam: Ist eine chen (vgl. Abbildung 1): Ansatz. Was sollten Controller wissen und be- radikale Veränderung notwendig – am besten ··Revolutionäre, radikale versus evolutio- achten? vor einer Gewinn- oder sogar Cash-Krise? näre, inkrementelle, d.h. grundlegende Controller können hier wertvolle Beiträge oder sich allmählich und stufenweise entwi- Sandt: Ja, die Voraussetzungen, die Aus- liefern durch ihre Zahlenkenntnis und Me- ckelnde Veränderungen. Erstere sind top gangssituation sind unterschiedlich. thodenkompetenz. Dabei ist wieder das The- down, letztere eher bottom up. ··Bei radikalen Veränderungen geht es zu- ma Verknüpfung wichtig – Verknüpfung mit ··Proaktives als auch reaktives Initiieren erst um die richtige Analyse und Lösung, Unternehmensentwicklung bzw. Strategie- der Veränderungen ist möglich. Man kann dann um die sorgfältige Implementierung. abteilung. Das setzt voraus, dass Controller eine Situation herbeiführen oder beherr- ··Bei inkrementellen Veränderungen nicht nur die Finanzzahlen beherrschen, son- schen, indem man, anstatt auf etwas Ge- kommt es hingegen auf die Aktivierung von dern auch das operative Geschäft verstehen – schehenes zu reagieren, durch differenzierte Führungskräften und Mitarbeitern an. Evtl. für einen Business Partner selbstverständlich Vorausplanung und zielgerichtetes Handeln nicht nur durch eine entsprechende Kultur, (vgl. Abbildung 2). Biel: Wie kann ein Controller die erste Phase, Phasen im Management Aufgabenspektrum radikaler Veränderungen von Controllern die „Auftauphase“ fördern und unterstützen? Drei-Phasenmodell Acht-Phasenmodell Lewin (1947) Kotter (1995) gering mittel hoch Sandt: Ein Controller kann gerade in der Unfreeze-Phase unterstützen: Mitarbeiter 8 Institutionalizing new approaches überzeugen, dass eine radikale Veränderung Refreeze Consolidating improvements and unumgänglich ist. Anders ausgedrückt: Busi- 7 producing still more change ness as usual funktioniert nicht mehr. Das ist vor allem im proaktiven Modus schwierig. Im 6 Planning for and creating short-term wins reaktiven Modus, sprich es liegt bereits eine Move 5 Empowering others to act on the vision Gewinn- oder sogar Liquiditätskrise vor, ist die- ser Teilschritt sogar einfacher. Aber diese Situ- 4 Communicating the vision ation sollte selbstredend vermieden werden. 3 Creating a vision Unfreeze 2 Forming a powerful guiding coalition 1 Establishing a sense of urgency Dabei ist ein Controller mit dem „Flipchart unterm Arm“ hilfreich: Mitarbeitern erklären, Analyse dass der operative Gewinn (z.B. EBITDA) positiv Notwendigkeit für radikale Veränderung? ist, aber nicht ausreicht, um die Abschrei- bungen und Kapitalkosten zu decken. Zunächst 6 Abb. 2: Aufgabenspektrum von Controllern in Phasen radikaler Veränderung2 müssen Mitarbeiter dies verstehen. Das setzt
CM Januar / Februar 2012 allerdings voraus, dass Controller zielgruppen- ··Control: Der neue Prozess wird mit den in spezifisch kommunizieren können. In solchen Phase zwei identifizierten Daten und Kenn- Besprechungen sollte Fachjargon vermieden zahlen überwacht und damit abgesichert. bzw. einfach vermittelt werden. Aus der Ideengenerierung resultiert also eine Biel: Und in den Phasen Move und Refreeze? klare Definition des Problems bzw. der Kun- denanforderungen des zu verbessernden Pro- Sandt: In der Move- und Refreeze-Phase zesses. Dies beinhaltet ein Verstehen des Pro- können Controller klassisch mit ihrem Be- blems und Prozesses sowie den Aufbau einer richtswesen unterstützen und zeigen, ob die Problemanalyse, auf der Basis von belast- Umsetzung der Veränderung planmäßig läuft baren Daten und Fakten. Erst dann – mit und nachher stabil ist. Ein schönes Beispiel hier- einem umfassenden Problemverständnis – für ist der Veränderungsprozesse bei Schering, folgt die Phase, Ideen zu sammeln. nunmehr integriert in Bayer Health Care. Der Lei- ter Controlling war von Anfang an mit an Bord. Biel: Was bedeutet dies für die von uns ange- sprochenen Verknüpfungsmöglichkeiten? Bei inkrementellen Veränderungen gilt es, pro- aktiv Strukturen zu schaffen, damit Führungs- Sandt: Anhand des DMAIC-Vorgehens kann kräfte und Mitarbeiter selbst ihre Kreativität man sehr schön die Verknüpfungsmöglich- wirkungsvoll einsetzen können. Das sogenann- keiten mit (Financial-) Controllern aufzeigen. te Ideenmanagement – altdeutsch: Betrieb- Sie können sicherstellen, dass die Verbesse- liches Vorschlagswesen – ist eine solche Struk- rungsworkshops auf Probleme fokussieren, die tur. Allerdings auf Ideen einzelner ausgerichtet. eine hohe GuV-Wirksamkeit haben. Des Wei- Ein team- und workshopbasierter Ansatz mit teren können sie in der Measure-Phase die Qualitätszirkeln kann weiter strukturiert werden Verknüpfung zur GuV sowie zu wichtigen Fi- – mit Hilfe von speziell ausgebildeten Modera- nanzkennzahlen sicherstellen. Damit richten sie toren. In diesem Fall kann man von KVP – kon- die Mitarbeiter auf die Finanzziele aus. In der tinuierlichen Verbesserungsprogrammen bzw. Control-Phase ist die Mitwirkung der Controller -prozessen reden. Sie unterscheiden sich i.d.R. selbstredend. dadurch, wie stark sie methodisch und rollen- mäßig strukturiert sind. Biel: Können Sie an dieser Stelle wieder ein Praxisbeispiel und Veranschaulichendes ein- Biel: Vielleicht wollten Sie noch einmal auf Six fügen? Sigma zurückkommen? Sandt: Im Rahmen von Six Sigma wird der- Sandt: Six Sigma kann als ein sehr stark struk- zeit auch die Mitwirkung eines „Finanz- turiertes KVP angesehen werden. Die Verbes- fachmannes“ als sogenannter money belt serungsworkshops werden anhand des empfohlen – sprich: die Projektrolle eines DMAIC-Zyklus strukturiert. Controllers. Bei Starwood, das Six Sigma 2001 ··Define: In dieser Phase wird der zu verbes- eingeführt hat, läuft die Zusammenarbeit zwi- sernde Prozess identifiziert, dokumentiert schen Six Sigma Managern und Controllern und das Problem mit diesem Prozess be- sehr gut. Gegenbeispiele: Ein Tochterunterneh- schrieben. men eines deutschen DAX-Konzerns hatte Six ··Measure: In dieser Phase geht es darum, Sigma eingeführt. Der verantwortliche Six Sig- auf Basis von Daten und Fakten festzustel- ma Manager wollte Controller mit ins Boot ho- len, wie gut der Prozess wirklich die beste- len. Diese sagten: Die Zahlen, die Sie zur Ana- henden Kundenanforderungen erfüllt. lyse verwenden, sind nicht in SAP und daher ··Analyse: Ziel der Analysephase ist es, die für uns nicht verwendbar.“ Ein anderes Nega- Ursachen dafür herauszufinden, warum der tivbeispiel: Bei einem mittelständischen Auto- Prozess die Kundenanforderungen heute mobilzulieferer kannte der Six Sigma Manager noch nicht im gewünschten Umfang erfüllt. auf Anhieb nicht den Namen des Leiters Con- ··Improve: Nun wird die Verbesserung ge- trolling – hier gibt es sicherlich keine Verknüp- plant, getestet und schließlich eingeführt. fung (vgl. Abbildung 3). 7
Controller als Change Agent sieht die Verzahnung mit anderen Stabsabtei- Auswahl und Durchführung der lungen aus? Eine mögliche Strategie kann sein: Priorisierung der Six Sigma-Projekte Organisationsentwicklung bzw. KVP mit dem Six Sigma-Projekte anhand DMAIC-Zyklus Controlling besser aufeinander abzustimmen, durchgängiger zu machen und miteinander zu Define Measure Analyze Improve Control vernetzen. Wenn z. B. kein KVP da ist, sollte ein (schlankes) KVP angestoßen und strukturiert Controller X X X werden. – ggf. mit einem (ehemaligen) Control- X ler als Leiter – zudem eine wunderschöne per- Master Black Belt X sönliche Weiterentwicklung für die betreffende Black Belt X X Person. (als Manager des Six Sigma-Projektes) Biel: Über die Mühsal und Probleme der Con- troller habe wir bereits zu Beginn gesprochen. Abb. 3: Aufgaben und Verknüpfungsmöglichkeiten von Controllern und Six Sigma-Rollen im Rahmen von KVP3 Wir nähern uns dem Schluss unseres Dis- kurses, daher die Frage, ist Change Manage- Biel: Befasst sich die betriebswirtschaftliche Partner, hervorzuheben. Beides in Summe ment nicht auch eine Chance für Controller? Theorie auch mit diesen Fragestellungen? macht das Projekt zu einem würdigen Gewinner des diesjährigen Controllerpreises“, wie Jürgen Sandt: Ja, natürlich! Controller haben die Sandt: Ja, durchaus. Die ist auch in der Con- Weber als Vorsitzender der Jury ausführte. Ist Chance, sich als Change Agent weiterzu- trolling-Forschung derzeit ein Thema unter dem dies ein Zukunftsmodell für Controller? Wollen entwickeln. Dadurch dienen sie nicht nur ih- Rubrum „Management Control Systems as und können Controller solche anspruchsvollen rem Unternehmen, sondern häufig auch sich a package“ – es kommt auf die Art und Weise Aufgaben wahrnehmen – und dürfen sie es und vielfach auch ihrer persönlichen Karriere. der Verknüpfung und Verzahnung der Steue- auch aus Sicht des Managements? Infolgedessen kann ich unsere Leserinnen und rungssysteme an, um deren Effektivität zu Leser nur ermutigen, sich mit dieser Chance verstehen. Dazu gab auch der renommierte Sandt: Spitzenbeispiele belegen, dass näher auseinanderzusetzen. Ich wünsche dabei finnische Forscher Teemu Malmi auf der dies- Controller in der Unternehmenspraxis zu- viel Erfolg! jährigen ACMAR – Annual Conference for Ma- nehmend die Rolle als Change Agent an- nagement Accounting and Control an der WHU nehmen und auch erfolgreich praktizieren. Biel: Controller definieren sich über Führungs- in Vallendar die Keynote. Insofern diskutieren wir durchaus ein „Trend- unterstützung und sehen sich gerne als Ratio- thema“. nalitätssicherer. Je mehr aber Controller ihre Biel: Kommt es bei Veränderungsprozessen Rolle erweitern, selbst aktiv tätig werden, sich mehr auf Führung oder mehr auf Strukturen Biel: Ein Change Agent ist ein Erneuerer, ein z.B. am Change Management beteiligen, desto an? Betreiber des Wandels. Er bringt sich im Ent- schwieriger ist es, als unabhängiger Navigator wicklungsprozess ein und beeinflusst diesen, und ökonomisches Gewissen aufzutreten und Sandt: Führung – Leadership ist unersetzbar. indem er forciert, steuert und unterstützt. sich letztlich auch als Rationalitätssicherer zu Methoden und Strukturen sind notwendig, aber Können Sie Controllerinnen und Controller zu verstehen. Die wachsende Komplexität der nicht hinreichend. dieser Aufgabe motivieren, in dem Sinne: Controller-Tätigkeit spiegelt sich auch in den „Veränderungen proaktiv unterstützt durch zugewiesenen Attributen, in den charakterisie- Biel: Der Controllerpreis 2011, der auf dem 36. Controller“, sozusagen als Untertitel und Gü- renden Eigenschaften wider. So herrscht heu- Congress der Controller verliehen wurde, wurde tesiegel von betrieblichen Veränderungsmaß- te weitgehend Konsens, dass Controller bezeichnenderweise für die Begleitung eines nahmen? Mitverantwortung tragen. In der neueren Li- langjährigen Projekts durch das Controlling ver- teratur ist teilweise bereits vom „Mitführen“ geben, und zwar der McDonald´s Deutschland Sandt: Controller und natürlich auch Con- die Rede. Geraten Controller nicht durch ihre Inc. für das Projekt „Initiativencontrolling Mc- trollerinnen sollten sich fragen: Was ist zusätzliche Aufgaben in ein Dilemma hinsicht- Café“. „Die Kernmerkmale dieses ausgezeich- mein Wertbeitrag? Das ist für eine Stabsab- lich ihrer Funktion und ihres Selbstverständ- neten Projekts liegen zum einen in der Konse- teilung schwierig. Welche (operativen) Ver- nisses? quenz, den Aufbau eines Geschäftsfelds von änderungen haben sie mit angestoßen? Sie der ersten Idee bis zur erfolgreichen Implemen- sollten dafür sorgen, dass operative Führungs- Sandt: Sie treffen den Nagel auf den Kopf: Ja, tierung und Weiterentwicklung über Jahre hin- kräfte das Finanz- und Rechnungswesen ver- es gibt hier einen Rollenkonflikt, und zwar der- weg zu begleiten und zu unterstützen. Zum an- stehen. Und verstehen, diese Brille – neben den art: Die Rolle Business Partner verlangt „In- deren ist die Entwicklung der Controller selbst, anderen – aufzusetzen und klarer auch aus volvement, aktives Mitmachen, sich an etwas 8 vom reinen Zahlenlieferanten zum Business Sicht ihrer jeweiligen Kunden zu sehen. Wie beteiligen“ – die Rolle kritischer Counterpart
CM Januar / Februar 2012 und Sparringspartner verlangt hingegen „Unab- dass Controller verstärkt dazu beitragen müs- Biel: Haben nicht auch andere Berufsgruppen hängigkeit“. Wir sollten aber differenzieren: Be- sen, das kaufmännische Verständnis operativer Rollenkonflikte zu bewältigen? Mir fällt dazu in reits Sathe hat 1982 auf diesen Rollenkonflikt Führungskräfte und Mitarbeiter zu verbessern. meiner journalistischen Rolle einiges ein … hingewiesen – er fordert einen „strong control- Dann können diese selbst proaktiv ihre Res- ler“: Wenn frühzeitig, proaktiv beteiligt, kann sourcen zielgerichteter einsetzen. Dr. Dr. h. c. Sandt: … mir als Hochschullehrer und Unter- der Controller schon rationalitätssichernd ein- Albrecht Deyhle, den wir beide sehr schätzen nehmensberater auch … greifen „before the fact“ („proactive action may – und sicher auch viele Controllerinnen und stop developments before they occur“) – wenn Controller – verwendet das Bild: „Mit dem Biel: … da Controllerinnen und Controller be- notwendige Fähigkeiten (und Persönlichkeit) Flipchart unterm Arm.“ lastbar und engagiert sind, können sie sicher vorhanden sind – gibt es laut Sathe keinen Rol- auch damit erfolgreich umgehen. lenkonflikt. Frühzeitiges Involvement – z.B. bei M. E. könnten Controller hier noch viel mehr Themenauswahl für Verbesserungsworkshops. machen und auch erreichen: Einmal am Flip- Biel: Lieber Herr Prof. Dr. Sandt, es ist mir ein Wann und wo wird angesetzt, dies ist in diesem chart die Elemente der GuV bzw. des (finanzi- besonderes Anliegen, Ihnen sehr herzlich zu Zusammenhang die entscheidende und auch ellen) Managementberichts erklären. Mir ist danken für dieses Interview und für die überaus klärende Frage. schon öfters vorkommen, dass operative Füh- angenehme Zusammenarbeit vor und nach un- rungskräfte in Unternehmen, die schon vor serer Diskussion. Das Ambiente, Umfeld und Biel: Sie können sicher auch hierzu wieder et- Jahren wertorientierte Steuerungssysteme die Atmosphäre Ihrer Hochschule hat mich sehr was aus dem Nähkästchen plaudern … eingeführt haben, nicht verstehen, warum die beeindruckt, dazu zählt auch die Freundlichkeit Mindestrendite – im Finanzjargon WACC ge- Ihrer Kolleginnen und Kollegen sowie Stu- Sandt: Natürlich: Ich habe erlebt, dass in einer nannt – bei beispielsweise 9 % (vor Steuern) denten. Besten Dank auch von Herausgeber Organisation sich einige Mitarbeiter über meh- liegt. Sie sehen es als zu hoch, da sie dies oft und Redaktion sowie insbesondere von un- rere Wochen damit beschäftigt haben, die ex- mit den aktuellen Zinssätzen ihres Sparkontos seren Leserinnen und Lesern. ternen Reinigungskosten zu senken. Allerdings vergleichen. Sie verstehen evtl. einen EBITDA machten diese nur einen geringen Prozentsatz bzw. EBITDA-Marge, ggf. noch den EBIT, aber Bitte lassen Sie mich einige Merksätze fest- von den Gesamtkosten aus. Ein falscher Fokus. warum reicht ein EBIT von x Millionen immer halten: Hier könnten Controller sicherstellen, dass noch nicht, um Wert zu schaffen? Warum ist die Ressourcen an den richtigen, sprich eine EBITDA-Marge von 20 % nicht ausrei- ··Es genügt nicht aufzuzeigen, die Ampel ist wirksamen Hebeln angesetzt werden. Dazu chend? Hier muss erst ein Verständnis ge- auf Gelb, sondern man muss auch helfen, sie noch eine Bemerkung. Dieses Beispiel zeigt, schaffen werden. wieder auf Grün zu setzen. ··Auf dem Weg zum Business Partner bietet Autoren die proaktive Unterstützung von Verände- rungsprozessen ein hohes Potenzial für Con- Dipl.-BW Fachjournalist Alfred Biel troller. betreut seit vielen Jahren ein führendes Literaturforum (Print ··Man kann nicht alles machen, man kann sich und Online) im Controller Magazin des Verlags für Controlling- aber im Unternehmen gut vernetzen und ei- Wissen (VCW). Er arbeitet als Rezensent, Autor und Interviewer für verschiedene Medien im In- und Ausland. Des weiteren ist er gene Methoden und Systeme mit anderen Leitender Fachredakteur im Internationalen Controller Verein Bereichen verknüpfen. (ICV) und Moderator im Deutschen Fachjournalisten Verband (DFJV). Nach seinem Studium war er viele Jahre in einem ··Wenn man frühzeitig hinweist und warnt, er- Konzern der Automobilindustrie mit Schwerpunkt Projektma- spart man sich spätere Konflikte, auch Rol- nagement sowie Methoden und Systeme verantwortlich tätig. lenkonflikte. Danach absolvierte er die Deutsche Fachjournalisten Schule und qualifizierte sich als Fachjournalist (DFJS). E-Mail: alfred.biel@gmx.de Fußnote Prof. Dr. Joachim Sandt 1 Sandt/Weber: Controlling und Change Ma- ist Professor für Unternehmensführung und Controlling an nagement, Band 78 Advanced Controlling, der Internationalen Hochschule Bad Honnef-Bonn. Ein redu- Weinheim 2011, S. 15. ziertes Lehrdeputat ermöglicht ihm, weiterhin als Unterneh- 2 Sandt/Weber: Controlling und Change Ma- mensberater und Trainer tätig zu sein. Seine Forschungs- und Beratungsschwerpunkte sind Entwicklung und Imple- nagement, Band 78 Advanced Controlling, mentierung von Kennzahlen- und Steuerungssystemen zur Weinheim 2011, S. 26. Unterstützung von Strategieimplementierung und Prozess- 3 Sandt/Weber: Controlling und change Ma- verbesserungen sowie Organisationsentwicklung. nagement, Band 78 Advanced Controlling, E-Mail Adresse: j.sandt@iubh.de. Weinheim 2011, S. 41. 9
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