Der Darßer beständig wetterfest sturmerprobt - Familie Martin: 50 Jahre Urlaub in Prerow S. 10 Waldführung: Unterwegs mit Zita Ágota Pataki S. 18 ...
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A u sg a b e 33 S e p t e m b e r 2 0 21 Der Darßer beständig wetterfest sturmerprobt a u s d e m I n h a lt Familie Martin: 50 Jahre Urlaub in Prerow S. 10 Waldführung: Unterwegs mit Zita Ágota Pataki S. 18 Interview: Neues Buch von Elke Kleist S. 32
Der Darßer inhaltlich Ausgabe 33 September 2021 Un ser Titelbi ld z eig t ei ne ba ld h i stor i sc he Au f n a h me. Oben re c ht s i st der Not h a fen a m Da r ß er Or t zu sehen. Davor ei ne be d roh l ic h 5 persönlich F R A N K B U RG E R w i rkende Sa ndba n k . Au f genom men w u rde Vorwort d ie se s Foto w ä h rend ei ne s R u nd f lu ge s i m Ju n i 6 informierend Infos A N T J E H Ü C K S TÄ D T d ie se s Ja h re s (siehe auc h I n nentei l). I n ei n igen 70. Todestag Albert Schaefer-Ast Ja h ren w i rd m a n d ie s so n ic ht me h r au f- 8 sportlich Porträts F R A N K B U RG E R ne h men kön nen, den n der Not h a fen w i rd Bericht Julia Ulbricht ge sc h los sen u nd ren at u r ier t. 10 verwurzelt F R A N K B U RG E R Te x t u nd T it e lbi ld : Fr a n k B u r g e r 50 Jahre Urlaub in Prerow 12 scharfsinnig ELK E K LEIST Prerower Spiegelbilder 14 faszinierend M A N U EL A R A MOT H Abende voller Magie 18 wegweisend Kultur + F R A N K B U RG E R Vereine Waldführung mit Zita Ágota Pataki 20 lichtbildlich F R A N K B U RG E R Die Halbinsel von oben 24 einzigartig K A I LÜ DEK E Darßer NaturfilmFestival 2021 28 schöpferisch F R A N K B U RG E R Interview mit Elke Kleist zum Buch „Flutkinder“ Herausgeber Konzept Kur- und Tourismusbetrieb Panatom Corporate Communication, Rostock 30 engagiert D. B ROW N der Gemeinde Prerow Redaktion Förderverein Seemannskirche Ostseebad Prerow auf dem Darß Frank Burger 32 literarisch Gemeindeplatz 1 Gestaltung & Satz Literatur F R A N K B U RG E R 18375 Prerow Katja Naumann Buchrezension: „Der Friedhof in Prerow“ Telefon: +49 (38233) 610 0 Druck Fax: +49 (38233) 610 20 Druckerei Weidner, Rostock 34 geschichtlich Historischer J Ö RG PAG E L E-Mail: darsser@ostseebad-prerow.de Papier Darß Historische Gebäude damals und heute www.ostseebad-prerow.de Circle Volume White 100 g/m 2 (ausgezeichnet mit dem blauen Engel und EU-Ecolabel, FSC* zertifiziert) 36 überliefert B E R N D G O LT I N G S Auflage Seenotrettung vergangener Tage 2.500 Stück 38 geheimnisvoll A N T J E H Ü C K S TÄ D T Das Dings vom Darß 40 vorausschauend K AT H A R I N A P R I N Z Veranstaltungstipps 3
Der Darßer gemeinsam persönlich Ausgabe 33 September 2021 Liebe Leser, wie war nun der Sommer 2021 auf dem Darß? Der Strand hat mir zugeflüstert, er freue sich, wenn Manuela Ramoth (auch Innenteil): Jedes Wetter kann den ganzen Sommer über Sommer ist. Also, wenn romantisch sein! es ganz doll heiß ist, und viele Menschen zum Strand kommen und den ganzen Tag da rumliegen und ab Cartoonair wünscht sich leicht bedecktes Wetter mit und zu mal in die Ostsee steigen. Da habe er seinen leicht säuselndem Wind. Spaß. Die Zeesenboote: Wind! Wind! Wind! Das Museum hingegen hat auch nichts gegen Regen- Wir freuen uns über tage. Die Urlauber würden sich fragen, was kann man In allem sind sich aber alle einig: Die ganze Zeit bei Regen auf dem Darß unternehmen? Dann würden Regen wäre nicht so doll. War ja auch nicht. alle ins Museum gehen. Es geht auch mal mit vielen Tagen Sonne, Sonne, Sonne. Nach dem dritten Strand- Aber, liebe Urlauber, wie haben Sie Ihre Zeit auf Ihre Fotos, Gastbeiträge tag (spätestens) wollen die Sonnenanbeter ihren ver- brannten Edelbody kühlen und pilgern ins Museum. dem Darß verbracht? Was hat Sie interessiert? Von welchen Erlebnissen können Sie berichten? Was gab es Schönes? Gibt es etwas zu kritisieren? und Kommentare. So ähnlich sehen das auch die Kirchen: Kommt in unsere heiligen Hallen! Hier ist es kühl bei Hitze und trocken bei Regen! Schreiben Sie uns doch! Wir würden es gern lesen, veröffentlichen und die Blumensträuße an die tollen Menschen und Institutio- E-Mail an Der Wald, die Felder und Wiesen haben auch nichts nen weitergeben. Kritische Anmerkungen werden d a r s s e r @ o s t s e e b a d - p r e r o w. d e gegen Regentage. diskret und seriös weitergeleitet. Mit einem ernsten Blick natürlich. Den Darß-Festspielen in Born ist das Wetter am Tag egal. Hauptsache abends regnet es nicht. Dass die Aber heute mal mit einem Augenzwinkern. Schauspieler als Mückenfutter fungieren, daran haben sie sich schon gewöhnt. Jeder f undierte Beitrag ist willkommen, g er ne auc h m it au s s a g e k r ä f t i g en u nd d r uc k- Der Freiluftbühne Prerow ist alles egal: Auch ein fä higen Bildern versehen. Wir bitten jedoch Platzregen hindert sie nicht an ihrem Tun. Man kann u m Ve r s t ä n d n i s , d a s s n i c h t j e d e r B e i t r a g nur nicht so gut die Musik hören. Also lieber Niesel- automatisch berück sichtigt werden kann regen … b z w. e r s c h e i n e n w i r d . D i e e i n g e s a n d t e n L e s e r b r i e f e u n d d i e Te x t e Fr a n k B u r g e r, unserer Autoren spiegeln nicht automatisch Familie Martin (siehe Innenteil): Hauptsache West- vera nt wor t licher d ie Mei nu ng der R ed a k t ion w ider. strand! Redakteur 5
Der Darßer informierend 70 . T ODE S TAG A L BE RT S C H A E F E R- A S T Ausgabe 33 September 2021 Großartiger „Ast“ Studierende nach Prerow, um Mal- und Zeichen- seminare in der Natur zugeben. Der Darßer Katen, der Schaefer-Ast zwischen 1939 und 1951 als Erholungs- und Zufluchtsort diente, Zeichner starb steht heute noch in dem nach ihm benannten Weg in Prerow. Sein Leben dort dokumentierte er zeichnerisch mit der Serie „Ablauf des Jahres – Tagebuch eines Malers“, erschienen 1948 im Kiepenheuer-Verlag, Weimar. Für Prerow sollte die alte Idee aus den 1950er vor 70 Jahren Jahren, das Schaefer-Ast Haus, als Ort des Andenkens an einen beachtenswerten Künstler, zu erhalten und zu beleben, auf neues Interesse stoßen. Das ist ebenso zu wünschen, wie das Wachhalten der Erinnerung über die Grenzen der Orte Wuppertal, Weimar, Berlin und Prerow hinaus. Albert Schaefer-Ast (1890 – 1951) Im Darß-Museum hat Schaefer-Ast einen festen Platz in der Sammlung, wenngleich originale Arbeiten rar Te x t v o n A n t j e H ü c k s t ä d t sind. Zuletzt erinnerte das Darß-Museum in Prerow zum 125. Geburtstag Schaefer-Ast’s im Jahr 2015, mit der Sonderausstellung „Wer guckt da aus dem Astloch“ an den beachtenswerten Künstler. Wir erinnern an einen bemerkenswerten Künstler, der Karikatur. Sich selbst einschließend, hatte er mensch- zugleich liebenswert, skurril und unverwechselbar war. liche Eigenarten im Blick und setzte sie zeichnerisch in Seine Arbeiten sind es bis heute. Albert Schaefer-Ast eigener Manier um. wurde am 7. Januar 1890 in Barmen-Wuppertal ge- Seine zweite Leidenschaft galt der kleinen Naturstudie, Deutschland zurück. Hier wurden die Schikanen boren. Nach einer Lehrausbildung als Modelleur und spätestens hier offenbart sich seine Fähigkeit des kind- wegen der jüdischen Herkunft seiner Ehefrau Stefanie, Bildhauer studierte er von 1906 –1911 an der Düssel- lichen Staunens. „Ein Spaßvogel auf hohem intellektu- geborene Nathan, unerträglich. Diese Umstände Lesenswertes dorfer Kunstgewerbeschule bei Prof. Joseph Bruck- ellem Niveau, der gleichzeitig all das kleine Unschein- zwangen das Paar letztlich zur Scheidung. 1939 wurde müller (Zeichnen), Fritz Helmuth Ehmcke (Grafik) bare aufpickt, was andere glatt übersehen“, schreibt der Tochter Susanne vorsorglich nach England verschickt. Die reizende Bildgeschichte „Der Kauz im Darß“ und Ludwig Wilhelm Heupel-Siegen (Malen). Künstlerkollege Harald Kretschmar über Ast im Nach- Stefanie folgte etwas später in die Emigration. Aus der wurde 2014 wieder entdeckt, in der Schaefer-Ast sich Studienreisen führten ihn in die Niederlande, nach wort zur Bildgeschichte „Der Kauz im Darß“. vorübergehend gedachten Trennung wurden 12 Jahre selbst als Kauz darstellt. Ein Faksimile dieser bezau- Frankreich, England, Italien, in die Schweiz sowie In den 1920er Jahren lebte er bereits in Berlin und bis zum ersten Wiedersehen der Familie im August bernden Geschichte aus seinem Skizzenbuch erschien verschiedene Regionen Deutschlands. arbeitete für verschiedene Zeitschriften der Verlage 1951. Das war nur wenige Wochen bevor Albert im Februar 2015 mit einem Nachwort von Harald Als junger Mann diente er im ersten Weltkrieg als Scherl und Ullstein, darunter Der heitere Fridolin, Die Schaefer-Ast starb. Kretzschmar, herausgegeben vom Verein zur Förderung Freiwilliger, wurde mehrfach verwundet und verlor das Dame, Der Querschnitt, Jugend und Simplicissimus. Mehrfach war Schaefer-Ast in Prerow an der Ostsee der Heimatpflege und des Darß-Museums e.V. rechte Augenlicht – Erfahrungen, die sein weiteres Bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialis- bei Freunden zu Besuch, wo er sich immer besonders ISBN 978-3-9816098-1-3 Leben und Schaffen beeinflussten. ten sahen sich Schaefer-Ast und seine Familie fortlau- wohl fühlte. 1939 erwarb er eine alte Fischerkate als Wenn er zuweilen als Karikaturist dargestellt wird, fender Repressalien ausgesetzt, die mit der Zeit immer Sommerhaus. Hier lebte er nach der Zerstörung der Zum 70. Todestag des Künstlers ist im Eulenspiegel mag dies als Berufsbezeichnung zutreffen, da er als schwerwiegendere Auswirkungen auf ihr Leben hatten. Berliner Wohnung durch einen Bombenangriff 1943. Verlag das Buch erschienen: solcher für diverse Zeitschriften arbeitete. Schaefer-Ast 1933 unterlag er dem Berufsverbot. Seine Arbeiten Als der Architekt Hermann Henselmann im August „ ... und wundere mich, dass ich noch lebe“ war dem Wesen nach viel mehr ein herausragender wurden von den Nazis als „entartete Kunst“ eingestuft, 1945 durch die Thüringer Landesverwaltung mit der Briefe und Burlesken von Albert Schaefer-Ast Humorist. Komisch, schräg, liebevoll und fabulierend so dass die Verdienstmöglichkeiten schwanden. Reorganisation der Weimarer Hochschule beauftragt ISBN 978-3-359-03016-4 sind seine ulkigen Blätter, wie er sie selbst einmal Der Versuch, sich 1935/36 in Italien eine Existenz wurde, berief er Schaefer-Ast noch im selben Jahr zum Herausgegeben von dessen Schwiegersohn, John Buck, nannte, jedoch ohne die Schärfe und den Biss der aufzubauen, misslang. Die Familie kehrte 1937 nach Professor und Leiter der Grafikklasse. Zuweilen holte und einem Nachwort von Harald Kretzschmar. 6 7
Der Darßer sportlich BE R IC H T J U L I A U L BR IC H T Ausgabe 33 September 2021 Nach Höhenflug Prerower Speerwerferin peilt im kommenden Jahr die Europameisterschaften der Erwachsenen an unfreiwilliger Stopp Wer momentan mit Julia Ulbricht über ihre sport- liche Laufbahn spricht, würde vielleicht eher eine deprimierte Leichtathletin erwarten (Stand August). der Team-Europameisterschaft im polnischen Bydgoszcz. „Ich habe wertvolle Punkte zu diesem Platz beigetragen“, erwähnt Julia. Es schien also Am Freitag, dem 13. August, unterzog sich die steil aufwärts zu gehen. Te x t v o n F r a n k B u r g e r Prerowerin, die für den 1. LAV Rostock im Speer- Nach der Herbst-Trainingssaison folgte im Frühjahr wurf-Bundeskader an den Start geht, in der Nähe von 2020 im türkischen Bilek ein Trainingslager. Wäh- Stuttgart einer Ellenbogen-OP. Im Anschluss muss sie rend dieser Zeit brach die Corona-Pandemie aus und für sechs Wochen eine Bewegungsschiene an ihrem das Team konnte gerade noch rechtzeitig nach Hause rechten Wurfarm tragen. Danach folgt ein leichtes kommen. Lockdown. Wettkämpfe wurden abgesagt, Aufbautraining und nach drei bis vier Monaten kann Home-Workouts. Mitte des Jahres konnte schon in die 20-Jährige wieder mit leichten Würfen beginnen. der Halle trainiert werden, einige Wettkämpfe fanden „Ich habe mir bei den U-23-Europameisterschaften in statt. Dann erneuter Lockdown im Herbst. Wenigs- Tallin das Innenband des rechten Ellenbogens abgeris- tens die Bundeskader-Athleten konnten in der Halle sen. Es war schon im Vorfeld geschädigt. Bei der OP in Rostock trainieren. „Wir fünf Sportler waren ganz wurde mir eine Sehne aus dem rechten Bein in den allein. Ein wenig komisch war es schon“, erinnert sich Arm gesetzt“, informiert Julia. die Studentin für das Grundschullehramt. Beim Wettbewerb in Tallin warf sie in der Qualifika- In diesem Jahr wurde Julia Ulbricht Deutsche U 23- tion mit 55.77 m eine neue Bestleistung und ging als Meisterin und qualifizierte sich so für Tallin. Medaillenanwärterin ins Finale der besten acht Nun hat sie Zeit für ihr Studium und für die Reha. Werferinnen. Im kommenden Jahr geht die Weitenjagd in eine neue Dann ging aber nichts mehr, denn die Schmerzen Runde. Für die Europameisterschaft der Erwachsenen waren zu groß. in München muss sie 59,50 m werfen, um sich zu Doch während des Rückblicks auf die Juli-Ereignisse qualifizieren. Das ist ihr Ziel. Woher die Motivation zeigte sich eher eine selbstbewusste, fokussierte und kommt? Julia hat sich kontinuierlich verbessert. konzentrierte Athletin, die keineswegs aus der Bahn Technik und Kraftwerte geben positive Signale. geworfen wurde. Verletzungen gehören im Sport wohl Sie müsse dies nur noch in den Wurf umsetzen. zu den Herausforderungen, die zukünftige Champions „Außerdem habe ich ein großes Ziel: die Olympischen auch meistern sollten. Denn wer die Entwicklung der Spiele 2024 in Paris!“ Sie spricht es selbst aus, ohne Prerowerin verfolgt, die ihre Liebe zur Leichtathletik darauf hingewiesen zu werden. Ja, es gäbe schon in Prerow entdeckte und über Ribnitz-Damgarten schwere Tage, aber Speerwurf mache ihr eben Spaß! nach Rostock kam, der kann durchaus auf ihre „Ich bin sehr stolz auf meine Familie. Meine Mutter sportliche Zukunft setzen. hat mir sehr viel geholfen. Sie hat mir ermöglicht, auf 2019 konnte sie sich ihr sportliches Highlight er- das Sportgymnasium nach Rostock zu gehen.“ Dort werfen: Sie gewann die Silbermedaille bei den U-20- hat Julia seit 2015 beim Speerwurfteam des 1. LAV Europameisterschaften im schwedischen Boras. Rostock mit ihrem Trainer Mark Frank, der gleichzei- „Da hat sich die ganze Schufterei endlich mal gelohnt. tig Bundestrainer der Speerwurffrauen ist, ein profes- Es war ein Mega-Erlebnis, mit der deutschen Fahne sionelles Umfeld. Foto: K J Pe ter s im Stadion zu feiern“, freut sie sich noch rückblickend. Nach dem unfreiwilligen Stopp ist also für die kom- Einen Monat später errang sie die Silbermedaille bei menden Jahre noch einiges zu erwarten. 8 9
Der Darßer verwurzelt 5 0 J A H R E U R L AU B I N PR E ROW Ausgabe 33 September 2021 Töchter im Alter der Martin-Schwestern. So war es fast logisch, dass Familie Pehn die Wunschgast-Karte zog! Der Weststrand Das Wunschgastsystem der DDR besagte, dass eine Gastgeberfamilie eine Gästefamilie im kommenden Jahr wieder begrüßen darf, wenn alle es so wollten. Und im Fall der Familien Pehn/Martin wollte es beide 50 Jahre lang – bis heute! ist einfach Keine Neugier auf andere Ecken der Welt? Der 84-jährige Dr. Martin: „Doch schon. Unsere älteste Tochter wohnt in Kufstein. Wir besuchen sie oft und erkunden von dort die Umgebung.“ Und fügt wunderschön! hinzu: „Aber auf dem Darß fühlen wir uns sehr wohl und wenn wir uns an einem Ort wohl fühlen, kom- men wir immer wieder. Hier fühlten wir uns vom ersten Tag an wie zu Hause.“ Die Martins haben 50 Jahre lang die Entwicklung des Ostseebades miterlebt. Waltraut und Hubert Martin kommen seit In ihren ersten Jahren wurden sie mittags und abends im „Helgoland“ verpflegt. In mehreren Durchgängen. 50 Jahren nach Prerow „Der Friseur holte 1972 das Wasser aus einer Pumpe, steckte einen Tauchsieder rein und wusch mir dann Te x t u n d F o t o v o n F r a n k B u r g e r mit dem warmen Wasser die Haare“, erzählt Waltraut Martin. Den Tag verbrachten die Berliner zumeist am Weststrand. Man baute Strand-Burgen, schloss Wa lt r a ut u nd Hu b e r t M a r t i n . Hubert Martin hat seinen Ostsee-Urlaub tapfer er- Neuropathologe der Charité. Damals war ihm aber 50 Jahre Urlaub in Prerow standen! Am Geburtstag seiner ältesten Tochter liest nicht bewusst, dass an jenem Montag eine Entschei- er in der Zeitung, dass heute die Ferienplätze für den dung fürs Leben getroffen wurde. Waltraut und Norden der Republik vergeben werden. Es ist kurz Hubert Martin sind in diesem Jahr zum 50. Mal im vor zehn Uhr und der Berliner macht sich auf zum Ostseebad Prerow im Urlaub. Alexanderplatz. Am dortigen Reisebüro angekommen, „Es ist der Weststrand“, sagt der Mediziner. „Er ist Bekanntschaften oft über Jahre hinweg. Sigrid Pehn Die Wende konnte die Verbindung Prerow/Berlin stellt er sich an der langen Schlange der Wartenden an. einfach wunderschön!“ kochte nachmittags Kaffee und radelte damit zu ihren nicht trennen. Die Martins nahmen an der Hochzeit Alle wollen an die Ostsee! Der wilde, sich immer wieder verändernde Weststrand Gästen an den Weststrand. Man sammelte Heidelbee- der jüngeren Tochter in Prerow auf dem Fahrgastschiff Geduldig steht der Vater zweier Töchter über Mittag ist nicht die einzige Konstante in den 50 Jahren Urlaub ren zusammen. An den Abenden trafen Waltraut und „River Star“ teil und der Arzt aus Berlin half ihr bei und am Nachmittag an. Immer mehr rutscht er in der der Martins in Prerow. Sie bezogen mit ihren beiden Hubert Martin die Bekanntschaften vom Weststrand der Bewerbung als Krankenschwester in der Haupt- Reihenfolge nach vorn. Noch zehn Urlaubshungrige Töchtern auch immer Quartier bei der Familie Her- und man besuchte gemeinsam Kulturveranstaltungen. stadt. Sigrid Pehn stattete des Öfteren Besuche in sind vor ihm. Noch acht. Er kommt dem Eingang zum bert und Sigrid Pehn in der Waldstraße 23. Die erste Alles drehte sich um Ostsee, Weststrand, Hühnergöt- Berlin ab. Reisebüro immer näher. Noch vier. Dann schließen die Anreise 1971 erfolgte per Flugzeug von Berlin nach ter, Bernstein„chen“ und alte Freundschaften. Wo es im kommenden Jahr in den Urlaub gehen Pforten pünktlich um 16 Uhr. Das kann nicht sein! Barth. Von dort ging es mit dem Bus nach Prerow. Dann kam die Wende. würde? Na, nach Prerow! Und beide kommen wieder Die Enttäuschten protestieren mit Erfolg. Die ersten „Wir sind dann mit den Koffern und zwei Kindern Inzwischen seien die Straßen asphaltiert und auch viele ins Schwärmen: zehn bekommen ein Warteticket für Montag. Jetzt, am von der Bushaltestelle zu unserem Urlaubsquartier Gaststätten laden ein. Es gibt mehr Einkaufsmöglich- „Ich fahre gern durch den Darßwald mit dem Fahrrad Sonnabend, dem 8. Januar 1971, ist erst einmal Schluss. gegangen. Der Weg war scheinbar unendlich“, erinnert keiten. Am Weststrand wurden keine Burgen mehr und fotografiere“, sagt Hubert Martin. Und seine Zwei Tage später steht Hubert Martin vor der Ent- sich Waltraut Martin, die in Berlin als Diplom-Archi- gebaut. Andere und neue Freundschaften wurden 79-jährige Frau: „Der Rundweg am Leuchtturm ist scheidung: Thiessow auf Rügen oder Prerow auf dem varin gearbeitet hat. Das Ziel war ein Zimmer für die geschlossen. Bekanntschaften aus den alten Bundeslän- einfach wunderbar!“ Darß. „Die angegebenen drei Wochen für Prerow vierköpfige Familie. Aber an der Ostsee! dern und auch aus dem Ausland. „Ein französisches „Wir sind auch mit der Crew im Café am Leuchtturm waren für uns sehr vorteilhaft. Die Urlaubswochen Die Bekanntschaft mit dem Darß und der Gastgeber- Paar schickte uns vor 14 Tagen eine Mail und schloss gut bekannt“ fügt er noch hinzu. Und schon scheint gingen zwar in die Schulzeit hinein, aber das konnten familie Pehn war der Beginn einer großen Liebe – mit den Worten ‚Grüßt unseren Weststrand!‘, erzählt sich wieder eine neue Erzähl-Runde anzubahnen … wir regeln“, sagt Dr. Hubert Martin, beratender für beide Familien, denn die Pehns hatten auch zwei Dr. Martin. Aber vielleicht nächstes Jahr um 10 Uhr in Prerow. 10 11
Der Darßer scharfsinnig PR E ROW E R S PI E G E L BI L DE R Ausgabe 33 September 2021 Der Prerower, ein echter Eigentlich war der Sommer eine schöne Jahreszeit. Eigentlich, wenn meine Frau nicht immer auf verrück- te Ideen käme. Wie es sich für einen Mann gehörte, startete ich damit, einen Plan zu machen. Doch alle noch so aufwändigen Abwägungen brachten mich nicht weiter Mann … Nachdem im Frühjahr der Garten umgegraben, alle und ich musste einsehen, dass mich allein körperlicher Bäume beschnitten und die Fenster gestrichen werden Einsatz zum Ziel führen würde. mussten, käme jetzt, so sagte sie, die besinnliche Zeit. Hustend und schnaufend, gequält von Spinnen und Was sie tatsächlich meinte, war etwas ganz anderes. anderem Getier, mit blauen Flecken übersät von Mit dem Sommerwetter wuchs der unbändige umgestürzten Balken und gepeinigt von Mausefallen, Wunsch in ihr, am liebsten sofort eine Fahrradtour zu die mir wie kleine Geschosse um die Ohren flogen, unternehmen. Eine Fahrradtour! Man stelle sich das kämpfte ich mich todesmutig durch, bis die Fahrräder Te x t v o n E l k e K l e i s t , F o t o F r a n k B u r g e r mal vor. Bei 30° C im Schatten, zeitgleich mit gefühlt endlich auf dem Hof standen. einer Million Urlaubern. Allerdings hatte ich außer Acht gelassen, dass Fahrrä- Wie immer musste ich mich geschlagen geben. der nach einem Jahrhundertschlaf zumeist alles andere Es stellte sich heraus, dass die Räder in der hintersten als sofort einsatzbereit waren und so musste ich erneut Ecke des Schuppens vergraben vor sich hin dümpelten in die undurchdringlichen Tiefen des Schuppens und ich ahnte bereits Schlimmes. abtauchen, um das notwendige Werkzeug zu finden. Meine Frau fragte, ob es nicht besser wäre, Fahrräder Irgendwann hatte ich die Räder leidlich vom Schmutz auszuleihen, wie es die Gäste taten. In meinem Wahn befreit, undichte Reifen geflickt und fehlende Spei- lehnte ich das vehement ab. Schließlich seien wir keine chen eingezogen. Aber wo war die Luftpumpe? Urlauber und hätten ja unsere eigenen Räder. Also noch einmal zurück in die Höhle des Löwen. Nur Minuten später bereute ich diese Entscheidung Geschafft! zutiefst. Einer Ohnmacht nahe fand ich mich vor Siegesbewusst schwang ich mich auf mein Rad, um einem Stapel alter Möbel wieder, die man bestimmt eine Proberunde auf dem Hof zu drehen, wobei ich irgendwann noch mal gebrauchen konnte, sagt meine meiner Frau triumphierend zuwinkte, als wäre alles Frau, vor Bergen von Spielzeug unserer Kinder, die ein Katzenspiel gewesen. Wie groß mein Irrtum war, seit Jahren aus dem Haus waren, die aber irgendwann merkte ich erst, als mich mein Hinterrad plötzlich selber mal Kinder haben würden und sich dann überholte. Mit dem Gesicht zuerst kam ich in der darüber freuten, Kisten voller Bücher und, und, und. Wirklichkeit, sprich, auf dem schmutzigen Boden an. Allein der Gedanke, all das beiseite räumen zu müs- Doch ein Prerower Mann gibt nicht auf. sen, um an die verfluchten Räder heran zu kommen, Er kämpft bis zum Schluss. löste in mir Fluchtgedanken aus. Gerade als ich erschöpft, aber voller Genugtuung mein Unsere letzte Fahrradtour musste Jahre zurück liegen. Werk begutachtete, tauchte meine Frau strahlend mit Wie sonst wäre die dicke Staubdecke zu erklären, zwei nigelnagelneuen Fahrrädern vom Verleih auf. die alles bedeckte, ganz zu schweigen von den giganti- „Ich dachte, ich mache dir eine Freude, wenn du dich schen Spinnenweben, die ein Durchkommen unmög- nicht länger mit den alten Dingern rumquälen musst. lich zu machen schienen. Lass uns lieber mit diesen schmucken Rädern fahren.“ Aber ich bin ein Mann. Prerower Männer lassen sich Warum nur konnte ich mich in dem Moment nicht von so etwas nicht entmutigen. wirklich freuen? 12 13
Der Darßer faszinierend A BE N DE VOL L E R M AG I E Ausgabe 33 September 2021 Sommer- abende. Magische. Ich wusste, dass es eine Herausforderung wird. am Weststrand so weit zurück gezogen, dass die Keinen der bisherigen Sommer verbrachte ich hier. sonst überspülten Steinfelder mal offen vor mir lagen. Das war für mich wegen Überfüllung ausgeschlossen. Eine wahre Schatzkammer in der sich einschleichen- Nun stelle ich mich und harre ausgerechnet in einem den Dunkelheit. Stille. Ich fast allein am Strand. der Prerower Urlauberhotspots aus. Ganz eins mit mir. Am Morgen laut … am Abend laut. Über mir hek- Und nun bin ich, an diesem ersten August-Sonntag, tische Betriebsamkeit und Wohnungsrallye spielende wieder an der Weststrandstelle zwischen Mittelweg Kinder. Vor der Tür Treff der bellenden Hunde und und Langseer Weg in der Hoffnung auf gleiches tobende Kids. Allabendlich volle Terrassen und Glück. Aber es kommt anders. Das Meer hat die Balkone, Gerede und Gelächter. Jeder hat sein eigenes, Schätze wieder unter seine „Fittiche“ genommen. lautes Verständnis von Urlaub. In Ahrenshoop gibt es weit sichtbar schon Regen. Also stelle ich mir eine Sommeraufgabe: Stille, gerne Und die Wand kommt immer näher. Erste Tropfen auch tief eindrückliche Abend-Oasen suchen. Und im Gesicht. Schnell Unterschlupf suchen. Finden. werde herrlich fündig. Picknick auspacken. Genießen. Mein erstes Mal, so in dieser Konstellation. Oase im beruhigenden Te x t u n d F o t o s v o n M a n u e l a R a m o t h Ob an all den Meeresschwimmabenden in den Regentropfensound. Sonnenuntergang oder speziell an jenem Sonntag- Und nach dem Regen, wie im Leben, Sonnenschein abend. Dem ersten Sonntag im August. Zwei Tage am Horizont. Ein erneut grandioses Lichtspektakel. zuvor war es auch schon toll. Da hatte sich das Meer Kann mich kaum satt sehen, erst recht nicht lösen. 14 15
Der Darßer faszinierend A BE N DE VOL L E R M AG I E Ausgabe 33 September 2021 Auch wenn der Regen mit Temperatursturz kam, eine unglaubliche Magie liegt in der Luft. Und immer wieder verbringe ich auch Abende am Bodden. Auf den kleinen zugänglichen Stegen in Born und in der Ruhe rund um die Wiecker Häfen. Oder in der landschaftlichen Weite am Strom mit den Wiesen und ihren hier und da akzentuierenden Baum- und Strauchgruppen. Und überall und immer wieder die Faszination Licht. Dazu sich spiegelnde Wolken auf den Wasserflächen und quirlige Vögel. Ich gehe oder radel so oft einfach los. Nur die Rich- tung, nie das finale Ziel bestimmend. Das Ziel findet sich jedes Mal ganz zufällig – fällt mir eben zu. Ich bin auf inspirierenden Wegen unterwegs wie einst Theodor Schultze-Jasmer, der auch immer wieder die Stille suchte. Er hielt in unzähligen Fotografien, Malereien und Grafiken so gut wie jedes Motiv zwischen Bodden und Meer, durch die Darßer Orte hindurch, fest. Bis heute ein unübertroffenes Werk dieses Wahlprerower Künstlers. Ein Werk voller Ruhe Ob er sich wohl auch mitunter, von was auch immer, und Ehrfurcht für die Natur. Unzählige Blicke auch „getrieben“ fühlte? Mich treibt es jedenfalls eines auf die heimische Architektur, Hafenstillleben und Abends so lange, bis der Lärm verstummt. Auf der vieles mehr. Prerower Freilichtbühne spielt eine Band. Sicher ein Abende voller Magie – Sternschnuppenschweifartig. Erlebnis für die, die da sind. Blöd für die, die keine gewellt. All das habe ich im opulenten Sternschnup- derartige Unterhaltung brauchen und selbst noch in penzauber gar nicht bemerkt. Und weiter ergreifend: weiter Entfernung nichts als die Bässe abbekommen. mit jedem Schritt zum Fahrrad zurück … mit jedem Das Meer trägt nun mal nicht nur Boote, sondern Pedaltritt wird es immer leiser. Das Meeresrauschen auch Schall. Aber gut so. Denn schlussendlich bringt weicht der Stille des Waldes. Der Wind streicht nur es mir eine sehr eindrückliche Nachtwanderung hoch oben über mir durch die Wipfel. Hier unten unterm Sternschnuppenhimmel am Leuchtturm ein. endloser Frieden. Ich bin gewappnet, welcher Lärm Und am nächsten Abend radel ich intuitiv zum auch immer mich Zuhause wieder erwartet. regelrechten Sternschnuppenspektakel an den Mittel- weg. Erst ein Abend vom lauen Sommerwind um- Wenn ich diesen Artikel Mitte August abgebe, ist der schmeichelt, der zweite mit heftig frischer Brise. So Sommer noch nicht zu Ende. So viele ausgleichende heftig, dass der Sand, als ich meinen Windschutz und Abendpotenziale liegen noch vor mir. Ich bin sehr den Strand verlasse, wie glattgefegt ist. Vorher von gespannt, wohin es mich zieht und kann es nur sehr Unmengen menschlichen Spuren gezeichnet – nun empfehlen: einfach los gehen oder los radeln. Schauen, geradezu wieder auf Blanco gesetzt. Und das Meer, was passiert. Es könnte wundervoll werden! Abende vorher zurückgezogen, erstaunlich nahe ans Ufer voller Magie – Sternschnuppenschweifartig. 16 17
Der Darßer wegweisend ORT S F Ü H RU NG Ausgabe 33 September 2021 Geschichten von Flora, Fauna und Menschen Mit Zita Ágota Pataki in den Darßwald Te x t u n d F o t o v o n F r a n k B u r g e r A nj a u nd U w e För s t e r hör e n i nt e r e s s ie r t d e n A u s f ü h r u n g e n von Z it a Á g ot a Pa t a k i z u . Anja und Uwe Förster freuen sich auf die in Prerow Die in Budapest geborene Pataki ficht das nicht an: angebotene Waldführung. Das Wetter an diesem „Mücken sind gut, weil sie Nahrung für die Vögel Mittwochvormittag verspricht zwei schöne Stunden sind“, und referiert weiter über den unaufgeräumten Man könnte meinen, eine preußische Kompanie der Führung. Frau Pataki ist mit dem Herzen dabei. Es und auch die Führerin, Zita Ágota Pataki, verbreitet Wald und die Bedeutung von Totholz für das Ökosys- „langen Kerls“ stünde in Baumform vor einem. war authentisch und kurzweilig“, urteilte Uwe Förster. gute Laune. „Es ist wichtig, dass wir den Darßwald in tem des Waldes. Uwe Förster nickt anerkennend: Rechts des Weges natürlich gewachsene Kiefern, wild Ein zweistündiges Plädoyer für die Schönheit und Zusammenhang mit dem Ort Prerow sehen“, so die „Bei uns im Harz ist das genau so.“ Sehr eindrucksvoll und krumm. Das ist auch mal Zeit und Raum für die Diversität des Darßwaldes. Kunsthistorikerin, die seit 2017 in Barth lebt. zeigt Zita Ágota Pataki die Verbindung Wald/Prerow. „Liebe und Unterstützung“ zwischen einer zusammen- Vom Kutschfahrweg aus in Richtung Leuchtturm Sie erläutert, wie der Ort sich in den Wald hineinent- gewachsenen Kiefer mit einer Buche. geht es in den Wald. Auf mitgebrachten Karten zeigt wickelt hat und zeigt dies an den Strukturen der Wege Dann werden auch noch weitere prominente Akteure die 47-Jährige, wie sich der Darßwald in Neudarß und im Ort und im Waldgebiet. Dann erwähnt sie Ferdi- des Darßwaldes genannt: Prinz Eitel Friedrich von Altdarß gliedert und informiert, dass wir es beim größten Waldgebiet im Nationalpark Vorpommersche nand von Raesfeld, den Nestor der Forstwirtschaft, und seine Verdienste für den Darßwald. G-und K-Ge- Preußen, Herman Göring (ihre Jagd-Hütten existieren nicht mehr) und Franz Mueller-Darß, ein umstrittener Führungen mit Boddenlandschaft mit einem Mischwald zu tun stelle werden gezeigt und die Aufmerksamkeit auf Förster, der von 1923 bis 1945 auf dem Darß agierte. der Kunsthistorikerin haben. Ihre beiden Zuhörer sind sehr interessiert und Reffe und Riegen, die Hügel und Senken im Wald Auch zu dieser Personalie hat die Doktorin der Kunst- Anja Förster hat schnell viele Fragen, deren Beantwor- gelenkt. Natürlich geht die Waldführerin auch auf die geschichte ihre Meinung. Immer wieder gern erzählt: Dienstag tung Zita Pataki lachend auf später verschieben muss. Fauna ein. Rotwild, Wildschweine und schließlich Die Geschichte von Wisenten und Elchen im Darß- 14 Uhr // Vom Fischerdorf zum Seebad Dann zeigt sie auf ein seltsames Muster an einer Kiefer auch auf den Wolf. Letzterer werde im Ökosystem des wald. Das ehemalige Stasi-Hotel (jetzt Bernstein- 16 Uhr // Die Seemannskirche und erklärt das „Harzen“. Nach ein paar Metern: Waldes gebraucht. Deshalb befürworte sie den Räuber Hotel) bekommt ebenfalls in der Waldführung seinen „Schauen Sie, hier ist der Wald vollkommen anders!“ wo auch immer er in der Natur auftaucht. Die in Platz. Zum Höhepunkt des Rundgangs präsentiert Mittwoch Wir stehen unter den schützenden Blätterdächern von Weimar aufgewachsene Frau spart nicht mit eigenen Zita Ágota Pataki, die Stadt- und Ortsführungen seit 10 Uhr // Prerow und sein Wald Buchen. Hier können keine Heidelbeersträucher mehr Meinungen in den zwei Stunden und positioniert sich ihrem Debüt 2016 in Leipzig anbietet, zwei 900 Jahre 13 Uhr // Prerower Persönlichkeiten wachsen. Die Buchen beanspruchen den Boden unter als engagierte Naturschützerin. alte Eiben. Das Ehepaar Förster ist beeindruckt. Nicht ihren Kronen für sich. Hin und wieder kämpfen alle Sehr bildhaft zeigt Pataki, was Dänen, Schweden und nur von diesen beeindruckenden Bäumen, sondern Donnerstag mit den Mücken, die sich für ein „Frühstück“ ganz Preußen mit dem Darßwald „anstellten“. Links des auch von der Führung insgesamt. „Unsere Erwartun- 10 Uhr // Darßer Haustüren nah an den Menschen in Lebensgefahr begeben. Weges gerade hohe Kiefern, dicht an dicht. gen sind übertroffen. Eine auch sprachlich sehr gute 12 Uhr // Häuser und ihre Geschichte(n) 18 19
Der Darßer lichtbildlich DI E H A L BI N S E L VON OBE N Ausgabe 33 September 2021 St r a nd k u r z vor Pr a mor t . Pr a mor t m it dem „Groß en Werder“ i m Vorder g r u nd . Z i n g s t m it dem Z i n g s ter St rom i m H i nter g r u nd . A h ren s ho op m it dem Hote l „T he Gr a nd “. D er Prerower H a fen. Fotos: Fra n k Bu rger 20 21
D i e N o r d s p i t z e d e s D a r ß e r O r t e s m it e i n e r r i e s i g e n S a n d b a n k . D i e s e s B i l d z e i g t d e u t l i c h d i e K ü s t e n d y n a m i k d e s g e s c h ü t z e n O r- te s u nd g leich z eit ig d ie Schön heit de s Da r ße s.
Der Darßer einzigartig N AT U R F I L M F E S T I VA L Ausgabe 33 September 2021 Darßer Filmprogramm vor Ort Naturfilm- Dienstag // 5. Oktober Eröffnung: Wilde Heimkehrer Festival (Film mit Live-Musik) 20 Uhr // Freilichtbühne // Prerow Mittwoch // 6. Oktober 2021 Wildnis Europa – Der Wisent 14 Uhr // Darßer Arche // Wieck NDR-Spezial 15 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow Kinder der Klimakrise 17 Uhr // Darßer Arche // Wieck Naturwunder Schorfheide 20 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow Fantastische Pilze – Die magische Welt zu unseren Füßen 20 Uhr // Hotel 4 Jahreszeiten // Zingst Wer wird überleben? – Die Zukunft von Natur und Mensch // Lesung Ein perfekter Planet – Menschen // Film 20 Uhr // Kunstmuseum // Ahrenshoop 24 25
Der Darßer einzigartig N AT U R F I L M F E S T I VA L Ausgabe 33 September 2021 Donnerstag // 7. Oktober Freitag // 8. Oktober Sonnabend // 9. Oktober Sonntag // 10. Oktober Der Wilde Wald Die Wildnis kehrt zurück: #dieselgate Naturwunder Pantanal 11 Uhr // Darßer Arche // Wieck Die Lausitz 11 Uhr // Darßer Arche // Wieck 12 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow 11 Uhr // Darßer Arche // Wieck Drehkreuz Rieselfelder Der kleine Held Fabelhafte Farbenpracht 12 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow Stilles Land – vom Hamsterfeld 14 Uhr // Hotel 4 Jahreszeiten // Zingst Neue Wildnis in Deutschland Vom Verschwinden der Vögel 12 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow Pandas hautnah! 12 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow 14 Uhr // Darßer Arche // Wieck Hannes Jaenicke 15 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow Im Reich der Auen – Die Oker Tierische Wohngemeinschaften im Einsatz für Lachse Gunda 14 Uhr // Darßer Arche // Wieck 14 Uhr // Darßer Arche // Wieck 15 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow 20 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow Gartenparadiese in Gefahr Das geheime Leben der Die Wolfsaga – 20 Jahre 17 Uhr // Darßer Arche // Wieck Rothirsche Wölfe in Deutschland 15 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow 15 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow Tagebuch einer Biene 17 Uhr // Freilichtbühne // Born Die Odyssee der Großtrappen GrünStreifen / 17 Uhr // Darßer Arche // Wieck Ungarns wilde Pferde Heimat Ostseeküste // Multivisionsshow 17 Uhr // Freilichtbühne // Born 20 Uhr // Hotel 4 Jahreszeiten // Zingst Heimat Natur 17 Uhr // Freilichtbühne // Born Polarnacht // Multivisionsshow Expedition Arktis – 20 Uhr // Hotel 4 Jahreszeiten // Zingst Ein Jahr. Ein Schiff. Im Eis. Wem gehört mein Dorf? 20 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow 20 Uhr // Hotel 4 Jahreszeiten // Zingst Verleihung Natur am Königssee Deutscher NaturfilmPreis 20 Uhr // online 20 Uhr // Kulturkaten Kiek In // Prerow Tickets und das vollständige Programm finden Sie hier: www.deutscher-naturfilm.de 26 27
Der Darßer schöpferisch I N T E RV I E W E L K E K L E I S T Ausgabe 33 September 2021 Worum geht es in Ihrem neuen Buch, Frau Kleist? Wie vermarkten Sie Ihr Buch? Eine Frau aus Stralsund erbt ein Haus in Prerow. Es ist schwer. Der Verlag unterstützt mich schon. Dramatische Doch sie weiß nicht, wie sie zu diesem Erbe gekom- Allerdings macht er keine Werbung. Mein Buch ist men ist. Je mehr sich die Erbin mit der Beantwortung hier im Buchladen und am Zeitungskiosk zu bekom- dieser Frage beschäftigt, je mehr Fragen tauchen auf. men. Auch in der Verkaufsstelle des Gut Darß und in Immer mehr zeigt sich, dass sie die Lösung in der der Barmer Kurklinik wird es bald zu bekommen sein. Vergangenheit suchen muss. Eine entscheidende Rolle In der Norddeutschen Buchhandlung bei Herrn von Sturmnacht holt spielt die Sturmflutnacht von 1872. Es wird drama- Stenglin gibt es das Buch auch zu kaufen. tisch und auch eine Liebesgeschichte kommt im Buch Es war ja mit Lesungen bisher schwierig. vor. Doch nichts ist so wie es scheint. Aber vielleicht wird es im nächsten Jahr besser. Mit „Flutkinder“ legen Sie bereits Ihr viertes Machen Sie jetzt eine kreative Pause oder haben Gegenwart ein Buch vor. Worin unterscheidet es sich von seinen Sie schon neue Pläne im Kopf? Vorgängern? Ich habe da so einige reale Biografien im Kopf. Die Geschichte spielt in zwei Zeitebenen, die mitein- Ich weiß nur noch nicht, in welche Geschichte ich sie ander verbunden sind. Die Ereignisse der Sturmflut- einbaue. Aber es soll nicht wieder fünf Jahre dauern, zeit 1872 fließen in die Gegenwart ein. bis das nächste Buch erscheint. Es macht mir ja auch Spaß zu schreiben … Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Unsere Autorin Elke Kleist legt mit „Flutkinder“ Als ich 2002 /03 die Fernakademie „Schule des Vielen Dank für das Gespräch. ihr viertes Buch vor Schreibens“ absolvierte, bekam ich als eine der Auf- gaben, eine Geschichte mit mehreren Zeitebenen zu erzählen. Da hatte ich die Idee mit der Sturmflut- Te x t u n d F o t o s v o n F r a n k B u r g e r nacht, in der zwei Kinder geboren werden. Wie haben Sie für dieses Buch recherchiert? Ich war sehr viel im Museum und habe alte Bücher gelesen. Ich wollte ein Gefühl für die damalige Sprache bekommen. Mein historischer Text sollte so authentisch wie möglich sein. Sehr geholfen hat mir die Literatur von Käthe Miethe. Auch der aktuelle Teil hat eine authentische Basis. Es gibt ein sehr mystisches Haus in Prerow. Da habe ich noch einige Kindheitser- innerungen, die ich im Buch verarbeitet habe. Wie würden Sie Ihr Buch beschreiben? Ist es ein regionaler Krimi oder ein Drama? Ich würde sagen, es ist eine regionale Geschichte mit kriminellen und historischen Elementen. Es ist auch eine Liebesgeschichte und es erzählt über Land und Leute. Wie viel eigene Lebenserfahrung haben Sie in Bisher erschienen dieses Buch hineingeschrieben? Ich dichte einigen handelnden Protagonisten eigene „Charmefaktor Hering“ Erfahrungen und Meinungen an. Ich spare auch „Mit dem Nordost nach Südwest“ E l k e K le i s t a n i h r e m A r b e it s pl a t z . nicht mit Kritik. „Das Sanddornhaus 28 29
Der Darßer engagiert F ÖR DE RV E R E I N S E E M A N N S K I RC H E Ausgabe 33 September 2021 Neuer Vorstand D e r ne u e Vor s t a nd d e s K i r c he n f ör d e r v e r e i n s . und neue Der neu gewählte Vorstand 1. Vorsitzende Susan E. Knoll (Wieck/Berlin) nen durch manchen Reiseleiter oder Busfahrer erhal- ten, lässt einem oft die Haare zu Berge stehen“, so Aufgaben 2. Vorsitzende Elke Lüdecke (Wieck/Magdeburg) Susan Knoll. „Beim diesjährigen trotz Regen und Schatzmeister Roland Saßnowski (Prerow) Gewitter sehr erfolgreichen Seemannskirchenfest 1. Beisitzerin Christine Schulz (Prerow) haben wir bei zwei Kirchen- und Turmführungen 2. Beisitzer René Roloff (Prerow) gesehen, wie groß das Interesse ist. Da wollen wir an- knüpfen. Zudem können wir mit dem Verkauf von Souvenirs wie unserem neuen Engel-T-Shirt oder Gemälden wieder in seinen ursprünglichen Zustand unseren Seemannskirchenwein auch zusätzliche Mittel zurückzuführen. Statt des hässlichen Parkplatzes, der für unsere Projekte erwirtschaften, die uns jetzt Te x t u n d F o t o v o n D . B r o w n mehr und mehr auch von Nicht-Kirchenbesuchern als verlorengehen“, schaut Susan Knoll in die Zukunft. Übernachtungsort im Campmobil genutzt wird, sollen Zur Imagepflege und Wirtschaftlichkeit tragen weiter- hier wieder eine gerade Wegeführung und eine Wiese hin die Veranstaltungen des Vereins bei, die weiter entstehen. „Erste Pläne dazu haben wir bereits angefer- perfektioniert und ausgebaut werden sollen: Der Blick verhieß nichts Gutes. Und als Maria Theres Regen, Schnee und die sie mehr und mehr über- tigt. Die müssen nun mit der Kirchenverwaltung und Am 1. Oktober, das nun schon achte Benefizkonzert Vijver ihre Stirn auch noch in Falten legte, war klar: wuchernden Buchsbäume haben an 30 von ihnen der Kommune diskutiert werden. Das Ziel ist aber von Dirk Michaelis, am 22. Dezember das Weih- Hier gibt es ein Problem. „Für die Grabsteine muss genagt und sichtbare Spuren hinterlassen. klar: Die Kirche noch näher an Prerow heranzurücken. nachtssingen mit „echo))“ und der Wintermarkt am unbedingt was getan werden“, legte die Baubeauftragte Für den Förderverein ein neues, interessantes und Das nach der Sanierung von Altar, Taufkapelle, 30. Dezember. Neu im Programm wird am Pfingst- des Kirchenkreisamtes aus Stralsund fest. Für den die kostenintensives Projekt. Es landete auch gleich nach Schiffen und Gestühl zu einem Schmuckstück gewor- sonntag eine große Cello-Nacht sein. Das Benefizkon- Prerower Seemannskirche betreuenden Architekten der Corona bedingt verspäteten Neuwahl des Vereins- dene Gebäude, auch mit einem entsprechend passen- zert gestalten der Solo-Cellist der Sächsischen Staats- Sebastian Graewe eine neue zusätzliche Aufgabe. Vorstandes im Juni auf dem Aufgabenzettel. Vorstands- den Rahmen zu umgeben“, so die alte und neue kapelle Uwe Kroggel und seine musikalischen Mitstrei- Die rings um die zwischen 1726 und 1729 erbaute mitglied René Roloff erhielt die Aufgabe zu sondieren, Vorsitzende des Vereins Susan Knoll. ter und werden dabei auch das gerade neu aufgenom- Kirche aufgestellten Grabsteine gehören zur Kirche wie wie die Grabsteine im Winter am besten geschützt Weitere Vorhaben im Aufgabenbuch des Vereins sind mene 300. Mitglied des Vereins erfreuen: Entertainer Dach und Turm. Der älteste soll aus dem Jahr 1690 werden können und gleichzeitig aber weiterhin für die Fertigstellung der Sanierung der Sakristei, das Auf- Wolfgang Lippert. „Als Akteur bei den Störtebeker- stammen, als noch die Vorgängerkirche stand. Besucher sichtbar bleiben. stellen einer Gedenktafel für Pastor Joachim Gottfried Festspielen und Einwohner Rügens fühlt er sich Die mit Schiffsmotiven verzierten Grabsteine sind wie Als weiteres Großprojekt neben der noch laufenden Danckwardt (1759 –1825), die Aktualisierung der unserer Kirche und dem Verein schon länger sehr die Kirche ein Touristenmagnet und erzählen auf ihre Sanierung des gefundenen Engels (der Darßer berich- Vereins-Webseite sowie der langfristige Aufbau eines verbunden und will sich künftig auch aktiv einbrin- Weise die Geschichte der christlichen Seefahrt, die eng tete) hat sich der Verein auf die Fahne geschrieben, den Besucherdienstes. „In der Saison besuchen Tausende gen“, freut sich Susan Knoll. Wie, das bleibt vorerst mit den Darß-Gemeinden verbunden ist. Doch Wind, Vorplatz der Kirche nach Vorlagen auf Fotografien und Urlauber die Seemannskirche. Was sie als Informatio- noch ein Geheimnis. 30 31
Der Darßer literarisch BU C H R E Z E N S ION Ausgabe 33 September 2021 Der Kirchhof ist bevor in den anderen Orten ebenfalls Friedhöfe entstanden. Interessant auch, dass der Kirchfriedhof früher durch den Prerow Strom vom Ort abgetrennt war und man dorthin nur mit einer kleinen Fähre Im Weiteren bedauert Schultze den oft achtlosen Umgang mit den wertvollen Grabsteinen, die „wertlos auf dem Kirchhof umher“ liegen würden. Sehr detail- liert beschreibt er einzelne Formen von Grabsteinen ein wesentliches gelangte. Dies änderte sich erst nach dem Bau des und Stelen, die allerdings alle nicht mehr auf dem Brückendamms 1837. Geografisch liegen die Kirche Prerower Friedhof vorhanden sind. und der Friedhof des Ostseebades Prerow also auf dem Zingst. Natürlich fehlt auch ein Kapitel zur Sturmflut Abschließend gibt Schultze den eindringlichen Rat: 1872 samt Hinweis auf die Sturmfluttafel an der „Der Kirchhof eines Ortes ist ebensowohl wie die Kirche Friedhofsmauer nicht. Ein wenig mystisch wird es, ein wesentliches Stück Heimat, das mit der Bevölkerung Stück Heimat wenn es um den „Kellerbarch“ (Kellerberg) geht. auf das innigste verknüpft ist und deshalb des Schutzes Als die vier Meter hohe Erhebung abgetragen wurde, und der richtigen Pflege dringend bedarf.“ entdeckte man Reste eines massiven Gewölbes, zwei Kanonenkugeln und einen silbernen Sporn. Lag hier Es ist ein Verdienst der Autoren der Broschüre, diesem so etwas wie die Hertesburg, ein Versteck der Seeräu- Aufsatz genügend Raum gegeben zu haben. ber? Man hat es bis heute nicht ergründet. Ebenso angenehm ist, dass nach solch einem an- Te x t v o n F r a n k B u r g e r spruchsvollen Text ein wenig mehr Bildsprache folgt Die Broschüre geht im Folgenden auf die Beschaffen- und die Symbole auf den Grabsteinen beschrieben heit der Grabsteine und deren kunstfertige Herstellung werden. Hier wird dem Leser des Öfteren ein ein. An manchen sind kleine Lebensläufe und längere „Aha-Erlebnis“ zu teil. Oder wussten Sie, dass der Texte zu lesen. Umso erstaunlicher ist der Umstand Bienenkorb ein Symbol Gottes und der Kirche für den Laien, dass Grabsteine mehrfach benutzt allgemein ist? Friedhöfe sind magische Orte. In ihnen spiegelt sich worden sind und sogar als Trittsteine im Dorf oder Den abschließenden und wichtigen Teil nehmen die oft das Leben der vergangenen Jahrhunderte wider. an Kirchen genutzt wurden. „Ruhestätten und Grabmäler ausgewählter Persönlich- Die Friedhöfe auf der Halbinsel Fischland-Darß- Einen zentralen Platz in der vorliegenden Broschüre keiten“ ein. Standesgemäß beginnen die Seefahrer, Zingst scheinen noch ein wenig mehr Magie als üblich nimmt ein Aufsatz aus der Zeitschrift „Die Denkmal- unter denen auch ein gewisser Johann Segebarth, der zu verströmen, zeugen sie doch vom Kampf der Be- pflege“ von Friedrich Schultze (Berlin) aus dem Jahr dem geneigten Publikum als Schriftsteller unter wohner mit der Natur, vom Leben der Seefahrerfamili- 1904 ein. Die kleine Kursivschrift sollte wirklich nicht anderem der Geschichten um „De Darßer Schmugg- en, und auch Künstler verschiedenster Art und Intel- von der Lektüre abhalten, denn hier liest man eine ler“ bekannt sein dürfte, aufgeführt wird. Im Buch lektuelle haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. sehr literarisch-bildhafte Beschreibung der Prerower finden sich Persönlichkeiten wie Gertrud Anders, die Wer über den Prerower Friedhof rund um die See- Grabdenkmäler, ohne dass es an klaren Worten erste Leiterin des Darß-Museums, der Arzt Valentin mannskirche geht, der spürt fast ehrfürchtig das mangelt. Heinrich, Martin von Wedelstädt, der Begründer des Leben vergangener Generationen. Wie Mahnmale Heimatmuseums, der Maler und Grafiker Theodor reihen sich historische Grabsteine rund um die Kirche. Eröffnet wird der Aufsatz mit: Schultze-Jasmer, der Fotograf Alfred Wiese und der Das älteste entzifferbare Sterbedatum befindet sich auf „Prerow ist eines der kleinen Ostseebäder, die sich der Zeichner und Karikaturist Gerhard Vontra. einem Stein gleich rechts neben dem Nordeingang. neuzeitlichen Kultur noch nicht erschlossen haben, das ist Vervollständigt wird der „Friedhofsführer“ durch Schiffer Rasmus Busch ist 70 Jahre alt geworden, als ein Vorzug des idyllisch gelegenen Dorfes …“ eine Karte mit eingezeichneten Grabstellen der in der er 1730 starb. Broschüre aufgeführten Verstorbenen. Die beiden Autoren gehen in ihrem Friedhofs-Be- Und weiter: gleiter sehr strukturiert vor. Nach der Beschreibung „Die Denkmäler sind derb und ursprünglich in den Es ist zu raten, bei einem Gang über den Prerower der Natur rund um den Kirchfriedhof folgt dessen Formen und entsprechen den kräftigen Fischern und Friedhof diese Broschüre zur Hand zu haben. Wer ein Buch liest, wird schlauer. Das trifft auch auf Geschichte. Der Leser erfährt, dass der Prerower Schiffern, die unter ihnen nach harten entbehrungsrei- Zu erwähnen ist noch, dass 1 € von jeder verkauften die Broschüre „Der Friedhof in Prerow“ von Antje Begräbnisort zunächst auch für Verstorbene von chen Leben im Kampf mit Sturm und Wellen die ewige Broschüre für die Restaurierung der alten Grabsteine Hückstädt und René Roloff zu. Ahrenshoop bis Zingst eine letzte Ruhestätte bot, Ruhe gefunden haben.“ zur Verfügung gestellt wird. 32 33
Der Darßer geschichtlich H I S T OR I S C H E G E B ÄU DE DA M A L S U N D H E U T E Ausgabe 33 September 2021 Prerower Häuser und ihre Geschichte R o s e m a r ie u nd Jo s e f Gr z on k a 19 4 6 i n d e r H a f e n s t r a ß e . Fot o: A r c h i v Pa g e l „Café Strandeck“ Josef Grzonka D a s C a f é St r a nd e c k 19 63. Fot o: A r c h i v Pa g e l Te x t v o n J ö r g P a g e l Der Schlesische Bäcker Josef Grzonka kam während Strandeck“. Nach größeren Umbauten und dem des Krieges als Soldat auf die Marinestation am Darßer Anbau zweier Veranden konnte 1953 auch noch die Ort. Im Jahr 1944 heiratete er Rosemarie Roloff aus Familie mit ihren drei Kindern in das Haus ziehen. Prerow. Nachdem Josef 1946 aus englischer Gefangen- Die Torten und auch das Eis bei den Grzonkas waren schaft kam, arbeitete er kurzzeitig im Sägewerk am legendär. Die Kugel Vanilleeis kostete damals Krabbenort. Um 1947 übernahm der Bäcker die kleine 10 Pfennige und die Kugel Schokoladeneis 15 Pfenni- Brot- und Feinbäckerei Lange in der Hafenstraße 12. ge. Die mit Sahne gefüllten „Windbeutel-Schwäne“ Ermöglicht wurde ihm das auch, weil er täglich u.a. waren ein Geheimtipp. Diese gibt es immer noch und auch für die russische Armee am Leuchtturm Darßer sie sind bis heute ein Markenzeichen der Familie Ort Brot backte. Josef Grzonka drückte nebenbei die Grzonka. Wollte man sich einmal etwas Besonderes Schulbank und erwarb in Stralsund den Meistertitel. gönnen, so ging man zu Grzonkas zum Kaffee trinken. Der kleine Laden an der Ecke zur Bushaltestelle wurde Von 1979 bis 2011 führte der Sohn, der Konditor- später das Atelier von Foto Krämer. In den Jahren meister Helmuth, das Café erfolgreich weiter. Josefs 1948 –1949 wurde unter dem damaligen Besitzer Enkel Roman Grzonka ist seit 2002 ebenfalls Kondi- Arthur Helbing zusätzlich auch noch im „Café Wien“ tormeister und führt das Geschäft seit 2011 bereits in gebacken. Die Grzonkas entdeckten 1947 das kleine dritter Generation. Das alte „Café Strandeck“ wurde Haus von Kapitän Ehlert am Strandzugang und 2011 komplett abgerissen und an derselben Stelle mit verkauften dort bereits einige ihrer Backwaren. charakteristischen Merkmalen des alten Hauses neu Der Bäckermeister konnte 1951 nach dem Tod des errichtet. Das Hotel mit Café konnte im August 2012 Kapitäns das Anwesen käuflich erwerben. Die Familie in einer gelungenen Bäderarchitektur neu eröffnet eröffnete daraufhin im alten „Ehlertschen Haus“ an werden. Es ist bis heute ein besonderer Anziehungs- D a s C a f é St r a nd e c k i n e i ne r a k t u e l le n A u f n a h me . Fot o: Fr a n k B u r g e r der Ecke Waldstraße /Schüning ihre Konditorei „Café punkt für Einheimische und Gäste. 34 35
Der Darßer überliefert S E E NO T R E T T U NG A M DA R S S E R ORT Ausgabe 33 September 2021 Seenotrettungsübung vergangener Tage Te x t u n d F o t o s ( A r c h i v ) v o n B e r n d G o l t i n g s S c h ie ßü bu n g m it Mör s e r, L e i ne u nd Kugel. dem Abfeuern der Rettungsleine zum Havaristen mithilfe einer Eisenkugel. In günstigen Fällen konnte damit eine Schussweite von mehreren hundert Metern heben, des Försters Schimmel, das einzige Pferd, das auf zu mürbe war, oder weil sie beim Auffliegen eine Schlinge erreicht werden. Der Mörser bildete den Vorgänger des der Spitze der Halbinsel wieherte, zog an. Klein war die bildete. Dann fand die Kugel den Weg ins Meer. später weit verbreiteten Raketenapparates, der in den Truppe, zwei Mann, ein Pferd, ein Geschütz, aber die Mit der Musterung der Geräte und mit der Schießübung 1860er Jahren zur Anwendung kam und sich rasch im vier hatten im Wintersturm nicht nur ihre Pflicht getan, waren die beiden ersten Aufgaben der inspizierenden gesamten deutschen Küstengebiet durchsetzte. sondern auch Glück gehabt und in der dunkeln Januar- Beamten erledigt. Nun galt es noch mit Jolltau, Trosse, Aus dieser Anfangszeit des Küstenrettungswesens nacht selbst schon verzweifelnd mit der sechsten Kugel Steertblock und Kinnbackblock markierte Schiffbrüchige stammt die folgende Überlieferung, die an dieser Stelle den drei verstummenden Menschen draußen bei dem ans Land zu befördern. Diese Übung bildete für die nun erstmals veröffentlicht wird: verglimmenden Lichte die schwanke Brücke zum Leben Jugend des Stranddorfes den Höhepunkt des ganzen Tages. über das Schiff gelegt. Nun aber dachten sie der Nacht Das Geäst einer Föhre stellte das Takelwerk eines Wracks „In jedem Frühjahr erging an die Hafenbauinspektion nicht mehr … dar. Die Fischerbuben enterten hinauf, zogen an der die Weisung, mit den in ihrem Amtsbereich vorhandnen Drüben am Norderstrand ragte schon das Ziel, drei an Rettungsleine die Trosse, das Jolltau und die Blöcke heran Manbyschen Apparaten die Frühjahrsschießübungen der Spitze durch ein Tau verbundne Flaggenstangen. Die und ließen sich, nachdem sie den Apparat kunstgerecht vorzunehmen. Diese Übungen wurden in der Regel von die Takelage eines gestrandeten Schiffes darstellten. Zwei- angebracht hatten, in der Schlinge des Kinnbackblocks dem Hafenbauinspektor und dem Lotsenkommandeur hundert, dreihundert Schritt davon fuhr das Geschütz das Spanntau entlang an den rettenden Strand befördern. geleitet. auf. Der Mörser wurde herabgenommen und auf einer Lustig genug mag diese Fahrt in der Schlinge gewesen sein Im März oder im April, manchmal auch erst im Mai, Bettung oder auf einem rasch geebneten Strandfleck aufge- und den armen Kindern des Stranddorfs einen Ritt auf L e u c ht t u r m D a r ß e r O r t m it R e t t u n g s s t a t ion . ging ein lauter Tag durch die Stranddörfer, deren Ruhe stellt. Nun galt es noch die Rettungsleine in Schlangen- einem Karussellroß ersetzt haben. Mancher mag dann die sonst starken Laute der Luft und der See so wenig linien auf dem Boden neben dem Geschütz auszubreiten, später die gleiche Fahrt in einer schweren Stunde nicht Sechs Jahre nach der Fertigstellung des Leuchtturms unterbrachen wie eine tickende Uhr die eines mittags- die Kugel mit der Leine zu verbinden, zu laden, zu aus der Krone einer Föhre durch die fröhlich lärmenden Darßer Ort im November 1848 richtete der preußi- stillen Wohnraums. Es war ein Fest für die Dorfjugend, richten, und dann setzte der Leuchtturmwärter die Lunte Reihen der Spielgenossen, sondern vom Wrack eines sche Staat dort eine von fünf Rettungsstationen ein. wenn nach der Musterung der Rettungsgeräte der Leucht- auf die Stoppine, und der Schuss krachte. Meist traf bei Schiffes, vielleicht des eignen einzigen Gutes, durch die Die anderen entstanden in Kloster auf Hiddensee turmwärter oder der Schulze, dem die Wartung des diesen Übungen die Bombe das Ziel, das heißt, sie fiel tosende Brandung gemacht haben … sowie in Glowe, Neu-Mukran und Göhren auf Rügen. Apparats in stillen Tagen und seine Bedienung im Ernst- jenseits der durch die Flaggenstangen bezeichnete Schiffs- Bald schieden die Gäste wieder aus dem Stranddorf, und Die Rettungsmannschaften, auf Darßer Ort überwie- falle anvertraut war, in Gegenwart der inspizierenden breite nieder, sodaß die Leine auf dem Tau liegen blieb, wenn der Mörser gereinigt, das Tauwerk getrocknet und gend aus Leuchtfeuerwärtern bestehend, erhielten den Beamten, denen sich häufig ein abgesandter der Regierung das die Stangen verband. Doch kam es auch vor, daß die der ganze Apparat wieder gebrauchsklar gemacht war, Nachbau eines Mörsers, welcher nach seinem engli- beigesellte, Diensternst und Artilleristenstolz im Ange- Kugel vor dem Ziele niederfiel, dann änderte man die schlossen sich die Tore des Rettungsschuppens, bis sie sich schen Erfinder George W. Manby umgangssprachlich sicht, sein Geschütz aus dem Schuppen schaffte. Ein Elevation und die Pulverladung, bis die Kugel die Leine beim Eintreffen neuer Geräte oder in einer Sturmnacht, als „Manby-Mörser“ bezeichnet wurde. Ein solches Fischer, mit dem ihn der Stolz auf den schwarzen Kragen, über das Ziel trug. Nicht selten brach auch eine Leine, die Schiffe in Not brachte, wieder öffneten.“ Mörserschussgerät, auch Leinenschussgerät genannt, den beide getragen hatten, verband, half ihm den Mörser, weil sie trotz der Sorgfalt, womit sie vor dem Gebrauch (Kemmer, Ludwig: Die preußische Artillerie im Dienste des stammte ursprünglich aus der Artillerie und diente das Tauwerk und den Schießbedarf auf den Wagen zu gebeizt und nach dem Gebrauch getrocknet worden war, Küstenrettungswesens. Teil III, S. 460ff.) 36 37
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