Der Luzerner Arzt Juni 2018/3 Nr. 114 Informationsblatt der Ärztegesellschaften der Kantone Luzern, Ob- und Nidwalden, Schwyz, Uri, Zug - VZAG
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Der Juni 2018/3 Nr. 114 Luzerner Arzt Informationsblatt der Ärztegesellschaften der Kantone Luzern, Ob- und Nidwalden, Schwyz, Uri, Zug
FSME IST NICHT BEHANDELBAR, JEDOCH VERMEIDBAR Nur eine komplette Grundimmunisierung mit 3 Impfungen und ein regelmässiger Booster schützen zuverlässig vor einer FSME*1,2 * Frühsommer Meningoenzephalitis 76135-092-0817 1. Aktuelle FSME Immun CC und FSME Immun 0.25 ml Junior Fachinformation auf www.swissmedicinfo.ch. 2. BAG Bulletin: 2006:13:225–231. FSME-Immun® 0.25 ml Junior (Frühsommer-Meningoenzepha- litis-(FSME)-Virus (inaktiviert)) I: Aktive (prophylaktische) Immunisierung gegen die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) bei Kindern vom vollendeten 1. Lebensjahr bis zum vollendeten 16. Lebensjahr, die sich dauernd oder vorübergehend in FSME-Endemiegebieten aufhalten. D: Grundimmunisierung: 3 Dosen à 0.25 ml i.m.: 1. Teilimpfung am Tag 0, 2. Teilimpfung 1-3 Monate nach 1. Teilimpfung, 3. Teilimpfung 5-12 Monate nach 2. Teilimpfung. Schnellimmunisierungsverfahren möglich: 1. Teilimpfung am Tag 0, 2. Teilimpfung nach 14 Tagen, 3. Teilimpfung 5-12 Monate nach 2. Teilimpfung. Auffrischung: 1. Auffrischungsimpfung 3 Jahre nach letzter Impfung, alle weiteren Auffrischungsimpfungen 5 Jahre nach letzter Impfung. KI: Überempfindlichkeit auf den Wirkstoff, auf einen der Hilfsstoffe oder auf Produktionsrückstände, schwere Überempfindlichkeit auf Ei- und Hühnereiweiss. Kreuzallergien mit anderen Aminoglykosiden als Neomycin und Gentamycin beachten. Akute fieberhafte Infekte. V: Fieberreaktionen möglich, bei Bedarf fiebersenkende Prophylaxe oder Behandlung einleiten. Nicht intravaskulär verabreichen. Überwachung u. geeignete med. Versorgung für seltenen Fall einer ana- phylaktischen Reaktion gewährleisten. Vorsicht bei Allergie gegen Hühnereiweiss, bei bekannter oder vermuteter Autoimmunerkrankung, zerebraler Erkrankung, Epilepsie (erhöhte Frequenz von Krampfanfällen). Bei Personen mit geschwächter Immunabwehr kann Immunantwort beeinträchtigt sein. Falsch positive Ergebnisse möglich bei serologischen Tests zur Bestimmung der Notwendigkeit einer Auffrischimpfung. Verschiebung der Impfung bei akuten klinischen Erkrankungen (mit/ohne Fieber). IA: Es liegen keine Studien zu Wechselwirkungen mit anderen Impfstoffen vor. UW: Kopfschmerzen, Schmerzen und Span- nungsgefühl an der Impfstelle, Fieber, Anorexie (verminderter Appetit), Unruhe (bei Kindern von 1-5 Jahren), Schlaflosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Myalgie, Schwellung, Verhärtung und Erythem an der Impfstelle, Müdigkeit und allgemeines Krankheitsgefühl (bei Kindern von 6-15 Jahren), u.a. P: 1 x 0.25 ml und 10 x 0.25 ml Suspension zur i.m. Injekton in Fertigspritze. Verkaufskategorie B. Zulassungsinhaberin: Pfizer AG, Schärenmoosstrasse 99, 8052 Zürich. Ausführliche Informationen siehe Arzneimittel-Fachinformation unter www.swissmedicinfo.ch. (V002) FSME-Immun® CC (Frühsommer-Meningoenzephalitis-(FSME)-Virus (inaktiviert)) I: Aktive (prophylaktische) Immunisierung gegen die durch Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) bei Personen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr, die sich dauernd oder vorübergehend in FSME-Endemiegebieten aufhalten. D: Grundimmunisierung: 3 Dosen à 0.5 ml i.m.: 1. Teilimpfung am Tag 0, 2. Teilimpfung 1–3 Monate nach 1. Teilimpfung, 3. Teilimpfung 5–12 Monate nach 2. Teilimpfung. Schnellimmunisierungsverfahren möglich: 1. Teilimpfung am Tag 0, 2. Teilimpfung nach 14 Tagen, 3. Teilimpfung 5–12 Monate nach 2. Teilimpfung. Auffrischung: 1. Auffrischungsimpfung 3 Jahre nach letzter Impfung, alle weiteren Auffrischungsimpfungen 5 Jahre (Personen 16–49 Jahre), respektive 3 Jahre (Personen 50 Jahre) nach letzter Impfung. KI: Überempfi ndlichkeit auf den Wirkstoff, auf einen der Hilfs stoffe, oder auf Produktionsrückstände, schwere Überempfi ndlichkeit auf Ei- und Hühnereiweiss. Kreuzallergien mit anderen Aminoglykosiden als Neomycin und Gentamycin beachten. Akute fieberhafte Infekte. V: Nicht intravaskulär verabreichen. Überwachung u. geeignete med. Versorgung für seltenen Fall einer anaphylaktischen Reaktion gewährleisten. Vorsicht bei Allergie gegen Hühnereiweiss, bei bekannter oder vermuteter Autoimmunerkrankung, zerebraler Erkrankung, Epilepsie (erhöhte Frequenz von Krampfanfällen). Bei Personen mit geschwächter Immunabwehr kann Immunantwort beeinträchtigt sein. Falsch positive Ergebnisse möglich bei serologischen Tests zur Bestimmung der Notwendigkeit einer Auffrischimpfung. Verschiebung der Impfung bei akuten klinischen Erkrankungen (mit/ohne Fieber). IA: Es liegen keine Studien zu Wechselwirkungen mit anderen Impfstoffen vor. UW: Schmerzen und Spannungsgefühl an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen, Übelkeit, Myalgie, Arthralgie, Müdigkeit, allgemeines Krankheitsgefühl u. a. P: 1 × 0.5 ml und 10 × 0.5 ml Suspension zur i. m. Injektion in Fertigspritze. Verkaufskategorie B. Zulassungsinhaberin: Pfizer AG, Schärenmoosstrasse 99, 8052 Zürich. Ausführliche Informationen siehe Arzneim- ittel-Fachinformation unter www.swissmedicinfo.ch. (V001) Pfizer AG, Schärenmoosstrasse 99, 8052 Zürich
IMPRESSUM INHALTSVERZEICHNIS «Der Luzerner Arzt» erscheint viermal Editorial Ehrlichkeit, Vertrauen, Verantwortung, Zusammenarbeit, Kommunikation, 4 jährlich (plus Spezialausgabe). Verständnis (Herbert Widmer) Das Ethik-Forum am Luzerner Kantonsspital (Gregor Schubiger) 6 Verlag: Ärztegesellschaft des Kantons Luzern Werte und Wissen, die wir vermissen (Herbert Widmer) 7 Schwanenplatz 7, 6004 Luzern Tel. 041 410 88 85 Roboter-assistierte laparaskopische Resektion des Kolon- und Rektumkarzinoms 8 Fax 041 410 80 60 in der Hirslanden Klinik St. Anna (Walter Gantert, Bernward Mölle, Marc Schiesser) Fortbildung 10 Redaktionsadresse: Verletzung des Gelenksknorpels am Kniegelenk (Nicola Biasca, Sascha Käsermann) 13 Dr. med. Herbert Widmer Sonnbühlstrasse 15, 6006 Luzern Neu im Herzen Sursees – Handtherapie Luzern AG Sursee 19 Tel. 041 410 65 81 Verwaltungsgebühr für die Verlängerung der ZSR-Nr. (Reto Bachmann) 20 Kennen Sie RECUT? www.recut.ch (Jörg Leuppi, Andreas Zeller, Christoph Merlo, 23 Redaktion: Dr. med. Herbert Widmer, Luzern Stefan Markun) (Redaktor) Betriebsdatenlieferungspflicht wird mit neuen Ersatzabgaben verknüpft 24 Dr. med. Aldo Kramis, Emmenbrücke (Präsident) Betriebsdaten jetzt im PraxisNavigator erfassen! (medkey+) 25 Eine kleine Geschichte aus dem ärztlichen Alltag (MedCenter) 26 Inserate-Verkauf: Dr. med. Herbert Widmer Mandatsträger / Sektionen 27 Sonnbühlstrasse 15 Adressliste Zentralschweizerische Chiropraktoren-Gesellschaft (ZSCG) 30 6006 Luzern Tel: 041 410 65 81 Der Unterwaldner Arzt 31 E-Mail: hcwidmer@bluewin.ch Telefon- und Telefaxnummern sowie E-Mail-Adressen Kantonsspital Nidwalden 31 Telefon- und Telefaxnummern sowie E-Mail-Adressen Kantonsspital Obwalden 32 Mitarbeiter dieser Ausgabe: Aus den Reihen unserer Mitglieder Unterwalden 34 RA Reto Bachmann, Luzern (Verlängerung ZSR-Nummer) Der Schwyzer Arzt 36 Dr. med. Nicola Biasca, Klinik St. Anna Delegiertenliste Schwyzer Ärzte 36 (Verletzung des Gelenkknorpels am Kniegelenk) Telefon-, Telefax- und E-Mail-Verzeichnis Spital Schwyz 38 PD Dr. med. Frédéric Birkhäuser, Luzern Der Zuger Arzt 42 (Patientenschutz) Dr. med. Evi Blaschke, Klinik St. Anna Vorstand der Zuger Ärztegesellschaft 42 (Neue Phoniatrie-Sprechstunde) Dr. med. Walter Gantert, Klinik St. Anna, Der Urner Arzt 42 Luzern (Roboter-assistierte Vorstand Ärztegesellschaft Uri 42 laparaskopische Resektion) Rezertifizierung des Intensivpflegestation am KSU 43 Dr. med. Susanne Gerlach, SPZ (Curriculum HA-Medizin) Neue Phoniatrie-Sprechstunde zur Diagnostik und Behandlung von Stimm-, Sprach- 44 Prof. Dr. med. Stephan Haerle, und Schluckproblemen (Stephan Haerle, Evi Blascheck, Irene Willisegger) Klinik St. Anna (Neue Phoniatrie-Sprechstunde) Patientenschutz im digitalen Zeitalter: Unsere Aufgabe als mobile vernetzte Ärzte 46 Dr. med. Sascha Käsermann, Klinik St. Anna (Verletzungen des (Frédéric Birkhäuser, Pascal Zehnder) Gelenkknorpels am Kniegelenk) Die Thrombozytopenie in der Praxis (Salvatore Spada) 48 Dr, med. Christoph Merlo, Luzern (Kennen Sie RECUT) Das weiss «man» doch (Herbert Widmer) 52 Dr. med. Bernward Mölle, Klinik St, Anna (Roboter-assistierte Aus den Reihen unserer Mitglieder 53 laparaskopische Resektion) Prof. Dr. med. Marc Schiesser, Activdispens – Bewegung trotz Sportdispens (Veronika Bühler) 58 Klinik St. Anna (Roboter-assistierte laparaskopische Resektion) Erfahrungsbericht Curriculum Hausarzt-Medizin im Zentrum für Schlafmedizin 58 Prof. Dr. med. Gregor Schubiger, LUKS SPZ (Susanna Gerlach) (Das Ethik-Forum am Luzerner Kantonsspital) Von «smarter medicine» bis Globalbudget 59 Dr. med. Salvatore Spada, Labor 5. Luzerner Dialog Gesundheitspolitik: Sparvorschläge unter der Lupe 61 Toggwiler (Thrombocytopenie in der Praxis) Einführung eines Globalbudgets für die Spitäler im Kanton Luzern (Vorstoss KR) 66 Dipl. log. Irene Willisegger, Klinik St. Anna (Neue Phoniatrie- Sprechstunde) Herstellung: SWS Medien AG Print Am Viehmarkt 1, 6130 Willisau Erscheinungsdatum / Redaktionsschluss für den Luzerner Arzt 2018/2019: info@swsmedien.ch Nr. 115 / November 2018 25. September 2018 Nr. 115 / Spezialheft / November 2018 05. Oktober 2018 Nr. 116 / Januar 2019 15. Dezember 2018 Titelbild: Aufstellender Ausblick am frühen Sonn- Nr. 117 /April 2019 15. März 2019 tagmorgen (Foto: Herbert Widmer) Nr. 118 / Juli 2019 25. Mai 2019 Luzerner Arzt 114/2018 3
EDITORIAL Ehrlichkeit, Vertrauen, Verantwortung, Zusammenarbeit, Kommunikation, Verständnis Oder: Bekommen wir die Gesundheitskosten wieder einmal in den Griff? Mit Schlagworten zur Lösung ein Trick seien und nicht geglaubt wer- eines komplexen Problems? den dürften. • Verantwortung: Viele sind sich der Ver- Vielleicht werden Sie sich fragen, ob ich antwortung den anderen gegenüber den wirklich glaube, dass es uns gelingen nicht bewusst, wollen es nicht sein. wird mit den «Schlagwörtern» im Titel • Zusammenarbeit: findet man in diesem die Gesundheitskosten in den Griff zu be- Bereich kaum oder zumindest wenig, kommen. Keineswegs, nein, dies sind nicht einige wenige gute Beispiele gibt es al- die Mittel zur Problemlösung, sondern lerdings. nach meiner Ansicht die Voraussetzungen • Kommunikation: Ja, die hat bisher nicht für nachhaltige Lösungen. Voraussetzun- stattgefunden, man hat bisher das Ge- gen, welche aber leider zunehmend nicht spräch auch mit von dem Projekt massiv erfüllt sind. Eigentlich, ja eigentlich sollten Betroffenen nicht gesucht. wir uns diese Behauptung überlegen und • Verständnis: Gewisse Gruppierungen uns wieder auf diese Qualitäten besinnen! haben gegenseitiges Verständnis auf- gebracht. Die entsprechenden «Pflänz- Ist es denn wirklich so, dass wir immer chen» sind aber noch zu klein. weniger nach diesen Kriterien arbeiten? Nein, nicht der Einzelne ist damit gemeint, Einige Kantonspolitiker haben sich zu- welcher sich für die anderen, für seine pri- sammengesetzt und versuchen, den 6 Kri- vate und berufliche Umgebung engagiert! terien aus Überzeugung gerecht zu wer- Nein, gemeint ist die Gesellschaft, wel- den. Dass ihr Weg steinig sein wird, beweist che ihr Handeln immer mehr nach den ein heute eingetroffenes Schriftstück eines eigenen Interessen, nach den Vorteilen wirtschaftlich orientierten Verbandes: «Es einzelner Gruppierungen richtet, wenig ist deshalb wichtig, dass man sich auf die missbrauchten Spruch: «Was nicht 5 x ge- Verständnis für den anderen hat, von Ver- vorhandenen Planungsinstrumente verlas- sagt wird, bleibt nicht hängen!». handeln z.B. nach dem Harvard-Prinzip sen kann. Veränderungen, wie sie von der mit Ehrlichkeit, Vertrauen, Verständnis Stadt Luzern bei der Spange Nord (Agg- etc. keine Ahnung hat bzw. haben will. loprogramm) angestrebt werden, sind un- Muss denn Ehrlichkeit sein? günstig und sollten weitgehend verhindert werden». Die Bevölkerung und deren Ex- Fragen Sie dies wirklich, es geht doch Ein nicht medizinisches Bei- ekutivvertreter als Störenfriede, kein Ver- sicher auch ohne?! Wie oft haben wir ständnis für stark betroffene Anwohner? schon ausgesagt, dass das Verhalten man- spiel zum Aufwärmen Ob das gut gehen kann? Wie lange noch? cher Exekutivpolitiker und Gesundheits- manager unehrlich ist, wenn sie zur Sen- Erlauben Sie mir, an dieser Stelle ein kung der Gesundheitskosten aufrufen und nicht medizinisches, ja eher politisches Im Gesundheitswesen soll es gleichzeitig ihren Chefärzten die Weisung Beispiel, welches in der Stadt, aber auch geben, Umsatz zu generieren. Sie meinen, im Kanton Luzern seit einiger Zeit inten- anders, besser sein? dass sollte man akzeptieren, das würde siv diskutiert wird, zu schildern. Seit Jahren Wirklich? dem Departement «Finanzen» helfen, dies ist man derAnsicht, dass die eigentliche würden doch alle tun! Frisierte Jahres- Innenstadt Luzern im Norden umfahren Denkste! Erinnern Sie sich an die Dis- rechnungen? Aber nicht im Gesundheits- werden sollte. In den Planungsprogram- kussionen und Reaktionen unter uns Ärz- wesen! Gibt es doch nur in Postbetrieben! men der Jahre 2000 – 2014 wurde daher tinnen und Ärzten um die Expansion der immer die so genannte «Spange Nord» Luzerner Spitäler im ambulanten Bereich? Da frage ich mich einfach, wie gemein- erwähnt. Nachdem nun das vom Kanton War da alles ehrlich, voll Vertrauen und sam Lösungen gefunden werden sollen, Luzern vorgeschlagene Projekt bekannt Zusammenarbeit, kommunikativ in Ord- wenn man nicht offen miteinander spricht, ist, haben sich vor allem die Anwohner der nung und mit Verständnis für die anderen wenn man auf dem Gesagten nicht wie auf von dieser Umfahrung betroffenen Quar- garniert? Denkste! Wir wollen es nicht festem Grund (auf)bauen kann. tiere gewehrt und eine stadtverträgliche- nochmals ausbreiten. Glauben Sie, dass re Lösung gewünscht. Um eine möglichst das Departement Berset mit allen blauen grosse Stadtverträglichkeit zu erreichen, Berufen Kontakt hat, sie in die Lösungs- Vertrauen lehnt die Stadtregierung das Projekt voll- findung einbezieht? Erinnern Sie sich an kommen ab. Wie steht es nun hier mit den unsere Äusserungen über den berühmten Autsch, nicht das erste Fettnäpfchen, erwähnten sechs Kriterien? Expertenbericht Berset / Diener? habe ich doch mit dem unter «Ehrlichkeit» • Ehrlichkeit: Äusserungen verschiede- Ausgesagten dem Kriterium «Vertrauen» ner politischer Player unter vier Augen Versuchen wir doch einmal, die sechs völlig widersprochen. Ja, diese zwei Be- entsprechen nicht deren Äusserungen Kriterien im Rahmen der Bestrebungen, griffe sind eben klar zusammenhängende in der Öffentlichkeit. In Inseraten wer- die Gesundheitskosten zu senken zu ana- Kriterien, die Ehrlichkeit ist eine absolute den «Gegner» mit beweisbaren Un- lysieren. Ich bin mir bewusst, dass einige Voraussetzung für das für die Zusammen- wahrheiten an den Pranger gestellt. der kommenden Feststellungen mögli- arbeit enorm wichtige Vertrauen. Man • Vertrauen: Man behauptet, dass die cherweise an dieser Stelle schon gemacht könnte es beinahe amüsant nennen, was Aussagen den Andersdenkenden nur worden sind. Aber Sie kennen ja den oft wir dies bezüglich erleben: Wir können 4 Luzerner Arzt 113/2018
doch nicht mit den Betroffenen sprechen, Entscheidungen» zu treffen, sondern auch Kommunikation bevor wir nicht den Projektierungskre- die offene Diskussion zwischen der Ärzte- dit bewilligt haben (Kanton Luzern bei schaft, den Patienten und der Öffentlich- Wie einfach ist es doch, mit anderen zu «Spange Nord» und Stadt Luzern beim ge- keit zu fördern. Verantwortungsvoll wäre arbeiten, wenn man nicht mit ihnen «kom- planten «Velotunnel unter dem Bahnhof», es, sich den gewinnfördernden Anordnun- munizieren» und ihne dabei in die Aigen wir können doch nicht mit den praktizie- gen des Spitalmanagements zu widerset- schauen muss, oder etwa doch nicht? Wie renden Ärztinnen und Ärzten sprechen, zen, wenn es darum geht, deren Soll an einfach ist es doch, mit «einseitiger Über- bevor wir selbst unsere Pläne nicht genau Eingriffen, Behandlungen etc. zu erfüllen. mittlung» zu führen und sich nicht den kennen (LUKS im Falle Mattenhof und Ich weiss selbst nicht, ob es zutrifft, dass Argumenten der anderen zu stellen, oder Finanzdepartement des Kantons Luzern es Patientinnen und Patienten nach unnö- etwa doch nicht? Wie dringend notwendig der Unternehmenssteuern) und vieles tigen Eingriffen und Behandlungen teil- wäre es, sich gegenseitig zu informieren, mehr. Wie soll hier Vertrauen aufgebaut weise schlechter geht oder dass sie daran sich der Diskussion, den Fragen und Zwei- werden, Vertrauen, welches vernünftige sogar sterben. Wenn dies stimmt, kann das feln der anderen zu stellen, wenn man Er- Lösungen zulässt? entsprechende Vorgehen ruhig verantwor- folg haben will. Wie oft haben wir in den tungslos genannte werden. letzten Monaten gehört, dass «man» auf Kritik geantwortet hat: «Nein, dies trifft Verantwortung auf uns nicht zu, bei uns ist alles in Ord- Zusammenarbeit nung!». Ich weiss, man glaubt dies meist Von «Verantwortung» sprechen, sie selbst und ist darüber glücklich. Der Be- von anderen verlangen ist leicht, selbst Ja, wenn der Kostenanstieg im Gesund- griff «Verständnis für den anderen» run- dazu zu stehen ist viel schwieriger. Auh heitswesen gebremst werden sollte, wäre det das Ganze ab. davon gäbe es genug der Beispiele. Die dies nur in echter Zusammenarbeit aller moderne politische Sprache hat allerdings im Gesundheitswesen Tätigen möglich, einen gangbaren Weg gefunden, damit nicht durch «Deckelung und Sanktionen Und jetzt: der Problemlö- umzugehen. Man spricht jetzt gerne von bei Nichtgelingen». Wie lächerlich ist doch «Selbstverantwortung». Dies wäre im ei- die Vorstellung, man könnte einfach we- sung nahe? gentlichen Sinne des Begriffs richtig, aber niger Geld zur Verfügung stellen, gleich- es wird von verschiedenen Seiten gerne zeitig aber eine Steigerung der Qualität Keineswegs! Wir haben nur über die benutzt um eben selbst nicht die Verant- verlangen, ohne dass man die Gründe für Voraussetzungen für eine Lösungsfindung wortung zu tragen, sondern dem anderen den Kostenanstieg kennt und entspre- gesprochen. Ohne die Erfüllung dieser verstehen zu geben, dass er selbst für sich chende fundierte Massnahmen ergreift. Voraussetzungen ist jegliches Bemühen und die Seinen Verantwortung trägt. Im Zusammenarbeit würde eben auch die so nutzlos! Nur schade, dass diese Kriterien Gesundheitswesen bestünde die Verant- genannte integrierte Versorgung beinhal- immer weniger erfüllt sind! wortung eben darin, sich der «smarter me- ten, gemeinsame Analysen, Gespräche, dicine» statt unnötiger Behandlungen zu Lösungsfindungen betreffend der beste- Dr. med. Herbert Widmer, Redaktor LAZ verschreiben und dabei nicht nur «kluge henden Probleme. NOTFALL? ST. ANNA! Unser Notfallzentrum ist Tag und Nacht geöffnet, an 365 Tagen im Jahr. 24h-Notfalldienst inkl. Herz- und Hirnschlagnotfall. Unsere Notfall- Fachärzte sind für Sie da: T 041 208 44 44. KOMPETENZ, DIE VERTRAUEN SCHAFFT. Klinik St. Anna, St. Anna-Strasse 32, 6006 Luzern www.hirslanden.ch/stanna
Das Ethik-Forum am Luzerner Kantonsspital Gregor Schubiger, Prof. Dr. med. Co-Leitung Ethik-Forum Luzerner Kantonsspital (LUKS) Ethik-Forum als Trend oder (EKNZ) ab. Problemorientiert werden letztverantwortlichen Person nicht ab- Notwendigkeit? ethische Aspekte der Patientenbetreuung genommen. Ein nachvollziehbares und behandelt. Das Ethik-Forum ist in den dokumentiertes Vorgehen kann für den Das Autonomie-Verständnis in unse- Organisationsstrukturen des LUKS ver- Entscheidungsträger auch im juristi- rer Gesellschaft und die demographische ankert und geniesst die volle Unterstüt- schen Sinn entlastend sein. Allenfalls Entwicklung einerseits, sowie die Ent- zung durch die Direktion und Geschäfts- führen begleitete Fallnachbesprechun- wicklung von neuen diagnostischen und leitung. Insbesondere werden die nötigen gen im Sinne eines «Debriefings» in therapeutischen Möglichkeiten anderer- Ressourcen zur Verfügung gestellt. verunsicherten Teams zu Klarheit und seits, führen im Gesundheitswesen zuneh- dienen als Präzedenzfälle für ähnliche mend zu ethischen Herausforderungen. Situationen. Wie man dem Patientenwillen gerecht Worin besteht der Auftrag werden kann ist oft nicht selbstverständ- c) Angebote in Aus-, Weiter- und Fortbil- lich. Wertvorstellungen beeinflussen un- des Ethik-Forums LUKS? dungen. Studierenden, der Ärzteschaft sere Behandlungsvorschläge. Kulturelle, und den Pflegefachpersonen sollen ethnischen Hintergründe und individu- Der Auftrag bezieht sich auf drei Ebe- nicht philosophische Theorien, sondern elle Biographien der Patientinnen und nen: praxisrelevante bioethische Prinzipi- Patienten müssen berücksichtigt werden. en bekannt sein. Konkrete Beispiele Behandlungsteams können dabei in Di- a) Erarbeiten von Grundlagen-Dokumen- regen zur Reflexion ethischer Dilem- lemmasituationen geraten. Eine wertebe- ten zu ethischen Fragen des klinischen masituationen im Team an. Ein modu- zogene Analyse eines ethischen Problems Alltags, die wiederkehrend alle Berei- lares Programm vermittelt den Fach- erhöht das Niveau der Entscheidungsfin- che des LUKS und auch die Zusam- arztanwärterinnen und -anwärtern die dung. Zudem muss ein Spital auch Richt- menarbeit mit anderen Organisationen in der Weiterbildungsordnung (WBO) linien und Weisungen zu ethisch relevan- betreffen. Beispiele: Umgang mit Pati- geforderten Inhalte zur Ethik. Nieder- ten Themen entwickeln. Hier liegen die entenverfügungen, Leitlinien zu Reani- schwellige Angebote, wie Ethik-Cafés, Stärken der Ethik-Struktur im Spital und mationsentscheiden, spätem Schwan- motivieren Mitarbeitende, sich mit begründen deren Notwendigkeit. gerschaftsabbruch, Dokumentation medizin-ethischen Grundlagen ausein- von Therapiebegrenzungen, Umgang anderzusetzen. mit Wunsch nach assistiertem Suizid im Was muss man sich Spital oder mit chronisch suizidalen Pa- tienten. Derartige Dokumente reflek- Facit: unter einem Ethik-Forum tieren die Kultur des Spitals, entlasten vorstellen? die Entscheidungsträger, fördern die Das Ethik-Forum LUKS bietet kei- interorganisationale Kooperation und nen Ersatz für ethische Diskussionen im Vor neun Jahren haben Frau Brigitte binden weniger Ressourcen in wieder- Klinikalltag. Solche gehören immer noch Amrein, lic.theol., Leiterin der Spitalseel- kehrenden Diskussionen. zu den Kernkompetenzen des Arzt- und sorge und der Autor, das Ethik-Forum Pflegeberufes. Das Ethik-Forum soll aber LUKS aufgebaut, eine interdisziplinäre b) Unterstützung durch Fallbesprechun- übergreifende Grundwerte des LUKS re- und interprofessionelle Gruppe von 20 gen in Teams. Ein moderierter und flektieren und Mitarbeitende in den Kli- Personen unter fachlicher Begleitung strukturierter Entscheidungsfindungs- niken und Abteilungen zum Nachdenken von Frau Dr. Ruth Baumann-Hölzle, In- prozess führt in Dilemmasituationen über das eigene Handeln stimulieren und stitut Dialog-Ethik Zürich. Diese Gruppe meistens zu einem Konsens unter den mit den hierfür notwendigen Strukturen trifft sich zu sieben Sitzungen/Jahr. Mit direkt Beteiligten. Dabei gilt das Mot- unterstützen. Der Wille der Betroffenen, dem Namen «Ethik-Forum» grenzt sich to: «Handlung und Verantwortung ge- d.h. die Patientenautonomie und ihr Wohl das Gremium von der Ethikkommission hören zusammen». Dies bedeutet: Die soll bei klinisch-ethischen Entscheidun- zur Beurteilung von Forschungsgesuchen Entscheidung wird dem Team und der gen immer im Zentrum stehen. Fall-Beispiel: Autonomie oder Fürsorgepflicht? Eine 93-jährige Frau mit Demenz im fortgeschrittenen Stadium leidet nach einem Schlaganfall an einem gestörten Schluckakt. Nun stellt sich die Frage, ob der Frau eine PEG-Sonde gelegt werden darf. Eine Patientenverfügung, die die Frau bei Heimeintritt vor 4 Jahren erstellt hat, besagt: «Keine künstlich Ernährung». Die Angehörigen wollen die Frau aber nicht «verhungern» lassen. Ein ethisches Gespräch kann bei solchen und ähnlichen Dilemmasituationen zur Entscheidungsfindung beitragen. Muss der Patientenverfügung oder der Forderung der Angehörigen nach Lebenserhaltung Folge geleistet werden? Wie würden Sie entscheiden? Literatur: G. Schubiger, Was kann ein Ethik-Forum an die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in einem Akutspital beitragen? Therapeutischen Umschau, 2017; 74(2), 38-41. 6 Luzerner Arzt 113/2018
Werte und Wissen, die wir vermissen Prof. Dr. med. Gregor Schubiger (Co- AG, diejenigen in einer nicht unbekannten Leben nicht durch allzu viel Wissen über Leitung Ethik-Forum Luzerner Kantons- Schweizer Bank, die nicht zielführenden das Weltgeschehen etc. verteufeln zu las- spital) hat es klar ausgesagt. die Entwick- Diskussionen und Handlungen um die sen. Ja, die «Generation der Werte» hat lungen im Gesundheitswesen führen zu Finanzen des Kantons Luzern, die unver- diese meist links liegen lassen und ist ohne zunehmenden ethischen Herausforde- söhnlichen Standpunkte in verschiedenen Umweg über die Förderung der Werte ge- rungen. Dafür sollen Grundlagen-Doku- Zentralschweizer Kantonen im Bereiche radeaus marschiert. Schon wieder solche mente zu ethischen Fragen des klinischen grösserer Projekte, die fehlende Bereit- Verallgemeinerungen, geht doch nicht! Alltags erarbeitet werden, in Teams sollen schaft zu Kompromissen und Konsens. Doch, ich habe es schon an andere Stelle Fallbesprechungen durchgeführt werden, Oder die abnehmende Qualität auch im in dieser LAZ-Ausgabe geschrieben: um Angebote in Aus-, Weiter- und Fortbil- Spitalwesen mit missglückten Einkäufen uns wieder vermehrt den Werten widmen dungen sollen helfen, diese Herausforde- von medizinischem Material im Ausland zu können, müssten wir in einem ersten rungen zu meistern. Brauchen wir dies in als Teil von Sparmassnahmen, oder mit Schritt bereit sein, uns mehr dem Wissen unserem Lande, von dem wir annehmen, dem Fall einer nach einer Tonsillektomie hinzugeben. Dieser Aufgabe verweigern dass es in allen Bereichen Platz 1 – oder 2? massiv blutenden Patientin auf der Sta- wir uns aber oft, um im Bereiche unseres – belegt, also auch in der Ethik? Selbstver- tion einer Universitätsklinik, welche des Wohlgefühls nicht Schaden zu nehmen. ständlich ist dies eine mehr als rhetorische Nachts erst via die Notfallnummer 144 Ist Ihnen schon aufgefallen, dass 50% der Frage, denn die Annahme bezüglich Platz Hilfe erhielt, oder der Patient, welcher an Medienseiten durch die drei F gefüllt wer- 1 (oder halt 2) ist eine grossartige Über- einem Sonntagmorgen in einem Luzerner den: Finanzen, Fun und Fussball. Sollten schätzung. Die Entwicklungen der letzten Spital ohne Austrittsgespräch nach Hause wir dies nicht mit den drei W zumindest Monate zeigen auf, dass auch für uns eine geschickt wurde, da kein Arzt dafür «vor- ergänzen, nämlich mit Werten, Wissen und Weiterentwicklung im Bereiche der Ethik, handen» war (wir haben in der letzten Wohlwollen* für andere (* musste eben wie dies das Ethik-Forum will, mehr als LAZ-Ausgabe kurz darüber berichtet). mit einem W beginnen)! angezeigt ist. Vor einigen Jahren hat ein bekannter Da wären wir doch erneut im Bereiche Zugegeben, ich möchte dauerhaft in «Zukunftsforscher» im Rahmen einer eines Anliegens meinerseits angelangt: keinem anderen Land leben, denn wir von mir geführten Institution Vorträge Wissen hat mit Information zu tun, nein, haben bisher sehr viel Glück gehabt, es gehalten und stiess beim Publikum auf nicht mit noch mehr. Aber mit ehrlicherer, geht uns wirklich gut. Zugegeben, wir ar- viel Echo und Begeisterung. Er hat dabei qualitativ hochstehender, wertvollerer In- beiten auch dafür, aber andere tun dies seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, dass formation. Ob wir dazu bereit sind? Meine auch und es geht ihnen viel weniger gut. die sich abzeichnende Wendung zu neu- aktuellen Erfahrungen lassen mich leider Gewisse Entwicklungen machen mir aber en Werten nachhaltig sein würde. Vorläu- etwas zweifeln. Sorgen, nicht nur im Gesundheitswesen. fig ist es bei seiner Hoffnung geblieben, Nennen wir doch die Vorkommnisse in ei- stattdessen hat sich bei gewissen Gene- nem staatlichen Betrieb wie die Postauto rationen die Tendenz verstärkt, sich das Dr. med, Herbert Widmer, Redaktor LAZ Luzerner Arzt 114/2018 7
Roboter-assistierte laparoskopische Resektion des Kolon- und Rektumkarzinoms in der Hirslanden Klinik St. Anna Dr. med. Walter Gantert, Dr. med. Bernward Mölle, Prof. Dr. med. Marc Schiesser Vor einigen Jahren wurden die Ergeb- Resektion via Laparotomie erfordern. Al- mechanischen Freiheitsgraden der Instru- nisse mehrerer grosser internationaler Ver- lerdings wurde immer wieder festgestellt, mente mit «EndoWrist»-Technologie (sie- gleichsstudien publiziert, welche aufzeig- dass die laparoskopische Resektion des he Abbildung 1). Dies ermöglicht vor allem ten, dass die laparoskopische Operation Kolonkarzinoms, und mehr noch die tech- in engen anatomischen Räumen (z.B. im des Kolon- und Rektumkarzinoms mit glei- nisch anspruchsvollere laparoskopische kleinen Becken bei der Rektumresektion) cher Radikalität möglich ist wie die offene Resektion des Rektumkarzinoms mit einer eine sehr präzise Dissektion und erleichtert Operation via Laparotomie. Die Studien hohen Umsteigerate bis über 30% auf of- Nahttechnik und Rekonstruktion (z.B. int- zeigten zudem die Vorteile der minimal- fene Operation via Laparotomie behaftet rakorporale Darmanastomose). Der aktu- invasiven Chirurgie mit geringerem Blut- war [2]. Dies wies auf die technischen Limi- elle Operationsroboter des Typs «da Vinci» verlust, geringerer Komplikationsrate, we- tationen der laparoskopischen Chirurgie in bietet zusätzliche technische Verbesserun- niger postoperativen Schmerzen, kürzerem der kolorektalen Chirurgie hin. gen gegenüber den konventionellen lapa- Spitalaufenthalt und schnellerer Erholung roskopischen Geräten: das hochentwickel- auf [1]. In Anbetracht dieser Vorteile für Zwischenzeitlich wurden Operationsro- te Klammernahtgerät mit der sogenannten den Patienten etablierte sich die laparosko- boter entwickelt, welche die technischen «Smart Clamp Technology», sowie die pische Operation in der Folge als Standard Limitationen der konventionellen lapa- Durchblutungsprüfung von Organen und für die Resektion des Kolon- und Rektum- roskopischen Chirurgie umgehen mit ver- Darstellung von Blut-/Lymphgefässen und karzinoms mit Ausnahme von sehr grossen besserter Visualisation via 3-D-Kamera Lymphknoten mittels Fluoreszenzdarstel- Karzinomen, welche eine multiviszerale und -Display, und insbesondere höheren lung. Abbildung 1: Da Vinci Roboter Technologie. Die roboter-assistierte Technik wurde nomresektion in mehreren kürzlich publi- schen Operationen gefunden. Allerdings aus diesen Gründen in den letzten Jah- zierten Vergleichsstudien eine signifikant bei durchschnittlich längerer Operations- ren weltweit für die minimal-invasive geringere Umsteigerate auf die offene zeit [3,4]. Beim Kolonkarzinom im rech- Resektion des Kolon- und Rektumkar- Operation, eine höhere Radikalität der ten Hemikolon konnte ausserdem gezeigt zinoms zunehmend eingesetzt und deren Resektion, sowie teilweise eine bessere werden, dass die Roboter-Assistenz eine Wertigkeit in vielen prospektiven Studien Überlebensrate nach robotisch-assistier- Verminderung des Operationstraumas evaluiert. So wurde für die Kolonkarzi- ten versus konventionell laparoskopi- durch eine sichere intrakoporale Anasto- 8 Luzerner Arzt 114/2018
mosentechnik ermöglicht, und bei gewis- tienten mit Übergewicht) [7]. Ausserdem legen ist durch tiefere Umsteigerate, ge- sen Tumorstadien durch ausgedehntere konnte gezeigt werden, dass die roboter- ringeren Blutverlust und schnellere Er- Lymphadenektomie (D3-Lymphadenek- assistierte Technik zu weniger iatrogenen holung des Patienten. Die onkologischen tomie) die Radikalität der Resektion und Nervenläsionen führt, indem postoperativ Resultate der drei Verfahren waren ver- damit das onkologische Outcome verbes- deutlich weniger Patienten an Blasen- gleichbar [9,10]. In einer anderen grossen sert werden können [5,6]. entleerungsstörung und sexueller Dys- Studie wurde das onkologische Outcome funktion leiden nach roboter-assistierter von roboter-assistierten mit konventio- Für die Resektion des Rektumkarzi- Rektumresektion [8]. In einer kürzlich nell laparoskopischen Rektumkarzinom- noms mit der sogenannten TME (Totale publizierten Metaanalyse wurden die ver- resektionen verglichen und eine Tendenz Mesorektale Exzsion, siehe Abbildung 2) fügbaren Daten betreffend Vergleich der zu besserem onkologischem Outcome ergaben sich ähnliche Vorteile der robo- drei Verfahren offen, laparoskopisch und mit höherer tumorfreier Überlebensrate ter-assistierten Operation mit geringerer robotisch-assistiert analysiert. Die Ana- in der Gruppe der Patienten gefunden, Umsteigerate, insbesondere bei Patienten lyse ergab, dass das robotisch-assistierte welche roboter-assistiert operiert wurden mit schwierigen anatomischen Verhält- Verfahren sowohl dem laparoskopischen [11]. nissen (Männer mit engem Becken, Pa- wie auch dem offenen Verfahren über- Abbildung 2: Totale Mesorektale Exzision beim Rektumkarzinom. Die Anschaffung und Einführung des onen an ihre Expertengruppe einschicken der Literatur. Auch in unserer Erfahrung da Vinci Xi Roboters an der Hirslanden zur Evaluation und für die Zertifizierung ergab sich im Durchschnitt eine längere Klinik St. Anna haben wir in der letzten in roboter-assistierter kolorektaler Chir- Operationsdauer von 20-30 Minuten bei Ausgabe des Luzerner Artes beschrieben. urgie. den roboter-assistierten Operationen bei In Anbetracht obgenannter potentieller im Durchschnitt etwas kürzerem Spital- Vorteile für die Patienten, begannen wir Seit November 2015 haben wir in der aufenthalt. im Herbst 2015 an der Hirslanden Klinik Hirslanden Klinik St. Anna insgesamt St. Anna mit der roboter-assistierten lapa- 67 roboter-assistierte laparoskopische Unsere bisherigen Erfahrungen ma- roskopischen Resektion des Kolon- und kolorektale Operationen durchgeführt, chen uns sehr zuversichtlich, dass wir mit Rektumkarzinoms. Die Einführung der 49 davon für kolorektale Karzinome: 13 der roboter-assistierten laparoskopischen roboter-assistierten Technik wurde sorg- Hemikolektomien rechts für rechtsseitige Resektion, analog den publizierten Da- fältig vorbereitet: Der Erstautor dieses Kolonkarzinome, 16 Hemikolektomien ten anderer Zentren, den Patienten mit Artikels absolvierte das umfangreiche links respektive Rektosigmoidresektio- Kolon- und Rektumkarzinom eine noch und validierte Trainingscurriculum der nen für linksseitige Kolonkarzinome und schonendere und präzisere Operation European Academy of Robotic Colorec- 20 Rektumresektionen für Rektumkarzi- anbieten können als die konventionelle tal Surgery. Experten der EARCS ka- nome. Unsere Erfahrungen decken sich laparoskopische oder die offene Variante. men mehrfach in die Hirslanden Klinik mit den oben zitierten Daten anderer St. Anna, um uns bei den ersten roboter- Zentren, indem die Konversionsrate zu assistierten kolorektalen Eingriffen zu einer offenen Operation bereits in dieser Literatur: assistieren. Wir führten die roboter-assis- ersten Phase sehr tief gehalten werden tierten Operationen stets im Zweierteam konnte: 6.9% bei Kolonresektionen und [1] Veldkamp R, Kuhry E, Hop WC, Jeekel J, Ka- zemier G, Bonjer HJ, Haglind E, Påhlman L, durch, Dr. B. Mölle in der Folge ebenfalls 10% bei Rektumresektionen. Sowohl bei Cuesta MA, Msika S, Morino M, Lacy AM: als Hauptoperateur. Zu Beginn wurden den roboter-assistierten laparoskopischen COlon cancer Laparoscopic or Open Resec- einfachere Koloneingriffe bei gutarti- Kolon-, wie auch Rektumresektionen tion Study Group (COLOR): Laparoscopic gen Leiden durchgeführt, um genügend konnten in allen Fällen eine R0-Resektion surgery versus open surgery for colon cancer: Erfahrung mit der Technik zu sammeln, erreicht werden. Die Komplikationsrate short-term outcomes of a randomised trial. damit Karzinomresektionen schliesslich war vergleichbar mit den konventionellen Lancet Oncol. 2005;6:477-84. [2] Bonjer J, Deijen CL, Abis GA: COLOR II sicher und effizient durchgeführt werden laparoskopischen Eingriffen mit höherer Study Group. A randomized trial of lapa- konnten. Gemäss Richtlinien der EARCS Komplikationsrate bei den Rektumresek- roscopic versus open surgery for rectal cancer. mussten wir Videos von unseren Operati- tionen, analog den publizierten Daten in N Engl J Med. 2015;372:1324-1332. Luzerner Arzt 114/2018 9
[3] Mirkin KA, Kulaylat AS, Hollenbeak CS, in right colectomy for cancer: a comparison [9] Holmer C, Kreis ME: Systematic review of ro- Messaris E: Robotic versus laparoscopic of open, laparoscopic and robotic approaches. botic low anterior resection for rectal cancer. colectomy for stage I-III colon cancer: onco- Colorectal Dis. 2017;19:888-894. Surg Endosc. 2018;32:569-581. logic and long-term survival outcomes. Surg [7] Jayne D, Pigazzi A, Marshall H, Croft J, Cor- [10] Prete FP, Pezzolla A, Prete F, Testini M, Endosc. 2018;32:2894-2901. rigan N, Copeland J, Quirke P, West N, Rautio Marzaioli R, Patriti A, Jimenez-Rodriguez [4] Kim JC, Lee JL, Yoon YS, Kim CW, Park IJ, T, Thomassen N, Tilney H, Gudgeon M, Bian- RM, Gurrado A, Strippoli GFM: Robotic Lim SB: Robotic left colectomy with com- chi PP, Edlin R, Hulme C, Brown J: Effect of versus laparoscopic mini-mally invasive sur- plete mesocolectomy for splenic flexure and robotic-assisted vs conventional laparoscopic gery for rectal cancer: a systematic review and descending colon cancer, compared with a surgery on risk of conversion to open laparo- meta-analysis of randomized controlled trials. laparoscopic procedure. Int J Med Robot. tomy among patients undergoing resection Ann Surg. 2018;267:1034-1046. 2018;May:e1918. for rectal cancer: the ROLARR randomized [11] Kim J, Baek SJ, Kang DW, Roh YE, Lee JW, [5] Spinoglio G, Marano A, Bianchi PP, Priora clinical trial. JAMA. 2017;318:1569-1580. Kwak HD, Kwak JM, Kim SH: Robotic re- F, Lenti LM, Ravazzoni F, Formisano G: Ro- [8] Kim HJ, Choi GS, Park JS, Park SY, Yang CS, section is a good prognostic factor in rectal botic right colectomy with modified complete Lee HJ: The impact of robotic surgery on cancer compared with laparoscopic resec- mesocolic excision: long-term oncologic out- quality of life, urinary and sexual function tion: long-term survival analysis using pro- comes. Ann Surg Oncol. 2016;23:684-691. following total mesorectal excision for rectal pensity score matching. Dis Colon Rectum. [6] Widmar M, Keskin M, Strombom P, Beltran cancer: a propensity score-matched analysis 2017;60:266-273. P, Chow OS, Smith JJ, Nash GM, Shia J, Ru- with laparoscopic surgery. Colorectal Dis. ssell D, Garcia-Aguilar J: Lymph node yield 2018 May;20:e18. Autoren Dr. med. Walter Gantert Dr. med. Bernward Mölle Prof. Dr. med. Marc Schiesser Fachärzte für Chirurgie FMH, spez. Viszeralchirurgie Hirslanden Klinik St. Anna St. Anna-Strasse 32 6006 Luzern T +41 41 208 38 80 F +41 41 208 38 76 www.hirslanden.ch/stanna Dr. med. Walter Gantert Dr. med. Bernward Mölle Prof. Dr. med. Marc Schiesser to advance Internal Medicine Zurich Academy of Internal Medicine www.my-zaim.ch REGISTER NOW Medidays Zürich 2018 Die Fortbildung für Allgemeine Innere Medizin in Praxis und Spital www.medidays.ch 3.–7. September 2018 Leitung Programmkommission Fortbildungspartner: SAPPM Prof. Edouard Battegay KD Dr. Elisabeth Bandi-Ott Vereinigung Allgemeiner und Pro mit # gekennzeichneter PD Dr. Heiko Frühauf Spezialisierter Internistinnen und und besuchter Session 1 Credit Dr. Lorenzo Käser Internisten Zürich SGK Prof. Thomas Rosemann 5h 1A Credits Prof. Johann Steurer Registration: Dr. Stefan Zinnenlauf Medworld AG Online: www.medidays.ch 10 Luzerner Arzt 114/2018
kompetenz, DIE KOMPETENZ, die VERTRAUEN vertrauen SCHAFFT. schafft. vorankündigung 12.KARDIOLOGIE- VORANKÜNDIGUNG 9. kardiologie- SYMPOSIUM DES symposium des HERZZENTRUMS herzzentrums HIRSLANDEN ZENTRALSCHWEIZ hirslanden zentralschweiz Relevantes relevantes für die Praxis praxis 2015 2018 Donnerstag, donnerstag, 5.25.November oktober 20182015,im Hotelradisson imhotel RadissonBlu BluininLuzern Luzern, von von 13.30 13.30 – 18.00 Uhr Uhr Uhr bis 18.00 Wissenschaftliche Leitung: Prof.wissenschaftliche Leitung und Dr. med. Tushar Chatterjee, Organisation:med. pract. Prof. Anja Chatterjee Dr. med. und Dr. med. Urs Bucher Tushar Chatterjee, Organisation: Anja ChatterjeeFentEvent GmbH, und Dr. med. Urs9552 Bronschhofen, Bucher, Herzzentrum T 071 911 45 22 Hirslanden Zentralschweiz, Klinik St.Anna, Luzern Organisation: FentEvent GmbH, 9552 Bronschhofen, T 071 911 45 22 THEMEN themen – Der ältere Patient – Berührungspunkte zwischen Kardiologie und Geriatrie – Dyspnoe Interventionelle bei Belastung Kardiologie – ein alltägliches – Rhythmologie Problem und seine –Lösungen und Elektrophysiologie Klinische Kardiologie/Pneumologie Kardiologie – Rhythmologie – Terminale referenten und Herzinsuffizienz vorsitzende und Herztransplantation Dr. Dr. med. Marco Albanese, Herzzentum Hirslanden Zentralschweiz, Klinik St. Anna, Luzern WISSENSCHAFTLICHE ORGANISATION, PD Dr. med. Christian Binggeli, Herzzentum REFERENTEN UND VORSITZENDE Hirslanden Zentralschweiz, Klinik St. Anna, Luzern Dr. med. Prof. Christoph Dr. med. KlausAuf der Maur, Herzzentrum Bonaventura, LuzernerKlinikum, Ernst von Bergmann Kantonsspital, Luzern DE-Potsdam PD Dr. Dr. med.med. Christian Rudolf Binggeli, Hämmerli, Herzzentrum Herzzentrum Hirslanden Hirslanden Zentralschweiz, Zentralschweiz, Klinik Klinik St. Anna, St. Anna, Luzern Luzern Dr. med. Urs Bucher, Herzzentrum Christopher Hirslanden Hansi, Herzzentrum Zentralschweiz, Hirslanden Klinik St. Zentralschweiz, Anna, Klinik St.Luzern Anna, Luzern med. PD Dr.pract. med. Anja Chatterjee, Peiman Jamshidi,Herzzentrum Herzzentrum Hirslanden Hirslanden Zentralschweiz, Zentralschweiz, Klinik St.St. Klinik Anna, Luzern Anna, Luzern Prof. Dr. med. Tushar Chatterjee, Paul Mohacsi, Herzzentrum Hirslanden Hirslanden Klinik im Park, ZürichZentralschweiz, Klinik St. Anna, Luzern Dr. PD med. Rudolf Dr. med. TimHämmerli, Herzzentrum Rehders, Klinikum Hirslanden Weimar, DE-WeimarZentralschweiz, Klinik St. Anna, Luzern Dr. med.Schmid, Hannes Erich Helfenstein, Schweizer Lungenpraxis, Hirslanden Fotokünstler, Smiling Klinik, Gecko St. Anna, Luzern Schweiz PD Dr. med. Franz ImmerUniversitätsSpital, Jan Steffel, CEO, Swisstransplant, Bern Zürich Dr. med. Prof. Martin Dr. med. Peter, Innere Christian Medizin/Kardiologie, Sticherling, Luzerner Universitätsspital Basel Kantonsspital, Wolhusen PD Dr. med. Otmar Pfister, Herzinsuffizienz/-transplantation Gabor Sütsch, HerzZentrum Hirslanden, Zürich Kardiologie, Universitätsspital Basel Dr. med. Christa Pintelon, Marco Waser, Praxis für Geriatrie, Herzzentrum Hirslanden Klinik St. Anna, Luzern Zentralschweiz, Klinik St. Anna, Luzern PD Dr. med. Tim Rheders, Kardiologie, Universitätsklinik, D-Rostock Prof. Dr. med. Erich W. Russi, Löwenpraxis, Luzern Klinik St. Anna,St.Anna-Strasse Klink St.Anna, St. Anna-Strasse32, 32,6006 6006Luzern, Luzern,T T041 041208 20832 3232, 32,www.kardiologie-symposium.ch www.kardiologie-symposium.ch HIRSLANDEN A MEDICLINIC INTERNATIONAL COMPANY
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Verletzungen des Gelenkknorpels am Kniegelenk «Die patellofemorale Knorpelchirurgie stellt eine besondere Herausforderung dar» Dr. med. Nicola Biasca und Dr. med. Sascha Käsermann Orthopädische Klinik Luzern AG, Hirslanden Klinik St. Anna, St. Anna-Strasse 32, CH-6006 Luzern Der hyaline Knorpel überzieht als dün- festgestellt. Diese Verletzungen werden Aufgrund der anatomischen Komplexität ne Schicht von 3 bis 5 mm die Knochen- auch als Ursachen für die Entstehung ei- dieses Gelenkabschnitts stellt die patello endflächen der beweglichen Gelenke und nes posttraumatischen Knorpelschadens femorale Knorpelchirurgie eine besonde- ermöglicht durch seinen einzigartigen und diskutiert. Unweigerlich führt bei sportlich re Herausforderung dar. komplexen Aufbau einen praktisch rei- aktiven Personen ein instabiles Kniege- bungsfreien Ablauf von Bewegungen. Der lenk im Laufe der Zeit bei entsprechender Entscheidend für eine effiziente The- Gelenkknorpel des Erwachsenen besitzt Belastung zu einem Knorpelschaden. Dies rapie ist die frühzeitige Diagnostik. Die weder eine Blutversorgung noch eine lym- konnte bei Spontanverläufen nach nicht MRT-Untersuchung des betroffenen phatische Drainage. Er hat zudem keine behandelten vorderen Kreuzbandruptu- Kniegelenks stellt heute das Standardver- neurale Elemente. Die Chondrozyten sind ren eindrucksvoll belegt werden. Nach fahren zur Abklärung dar. Die definitive von der Zufuhr der ernährenden Substan- einer Verletzung der Knorpeloberfläche Diagnostik eines Knorpelschadens kann zen aus der Synovialflüssigkeit und von im Bereich des medialen Femurkondylus schlussendlich nur durch eine Arthrosko- den reparativen zellulären Instrumenten ist die Patella die zweithäufigste Lokalisa- pie des Kniegelenkes erfolgen. Deshalb durch die breite extrazelluläre Matrix ab- tion für Knorpelschäden im Kniegelenk, bleibt die Arthroskopie der Goldstandard geschirmt. Die Knorpelzellen können nur während Läsionen an der Trochlea etwas für die Diagnostik einer Knorpelverlet- in Fällen von kleinen Knorpelschäden mit seltener sind. Trochleäre Knorpelschäden zung. minimalem Verlust der Matrixkomponen- stellen sehr häufig einen Zufallsbefund im ten durch Neusynthese der Proteoglykane Rahmen einer Routine-MRT-Diagnostik Die Einteilung der Knorpelschäden die Knorpeloberfläche wiederherstellen. oder bei einer Arthroskopie aus anderem wird durch verschiedene Klassifikationen Bei grösseren Defekten ist dieser Rege- Grund dar und sollten sehr zurückhaltend durchgeführt. Die lange Zeit verwendete nerationsmechanismus jedoch überfor- behandelt werden. sog. «Outerbridge» Klassifikation wurde dert und es entstehen Dauerschäden. Die primär zur Beurteilung der retropatellä- Behandlung hyaliner Knorpeldefekte ist Die Ursachen für die Entstehung von ren Chondropathie entwickelt und beur- häufig komplex und stellt für Patient und lokalisierten Knorpelschäden im Patello- teilt Knorpelschäden vor allem anhand Operateur eine grosse Herausforderung femoralen Gelenk sind sehr variabel und ihrer Tiefenausdehnung. Heutzutage wird dar. können häufig nicht endgültig geklärt vor allem das Klassifikationssystem der werden. Eine eindeutige Kausalität lässt International Cartilage Repair Society Akute Verletzungen des Gelenkknor- sich meist nur nach stattgehabten Kno- (ICRS) Verwendung (Vgl. Bild 1). pels entstehen entweder durch ein direk- chenbrüchen mit Gelenksbeteiligung im tes Kontusionstrauma oder durch eine Sinn von posttraumatischen Knorpelschä- Grad 0: normal indirekte, das Gelenk verdrehende Ver- den feststellen. Selbst nach einer unfal- Grad I: oberflächliche Aufrauhung letzung. Knorpel-Knochen Kontusionen lassoziierten Patellaluxationen, welche zu Grad II: Knorpelläsionen < 50% der im Sinne eines «Bone bruise» werden chondralen oder osteochondralen Läsio- Tiefe auch nach akuten Rupturen des vorderen nen führen kann, sind prädisponierende Grad III: Knorpelläsion > 50% der Tie- Kreuzbandes (VKB) in mehr als 68% der anatomische Faktoren in mehr als 90% fe bis an den subchondralen Knochen Fälle dokumentiert und werden je nach der Fälle nachzuweisen. Diese sind vor Grad IV: Knorpellsäion unter Mitein- Mechanismus der Verletzungen nicht nur allem eine Trochleadysplasie, eine Patella- bezug des subchondralen Knochens oder im Bereich des dorsalen Anteils des Tibia- hochstand (sog. Patella alta) oder anders- tiefer plateau sondern auch im Bereich der rand- artige geometrische Formveränderungen ständigen antero-lateralen Femurkondyle des patellofemoralen Gelenkabschnitts. Bild 1: ICRS‑Klassifikation der Knorpelschäden (Klassifikation der International Cartilage Repair Society). Arthroskopische Visualisierung der Knorpel‑ schäden entsprechend der ICRS‑Klassifikation: a Grad I, b Grad II, c Grad III, d Grad IV. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. M. Stein‑ wachs) Luzerner Arzt 114/2018 13
Weiterhin muss die Diagnostik neben Knochens, die Defektgrösse, der Aktivi- 2. Knochenmark-stimulieren- der eigentlichen Darstellung des Knor- tätsgrad, sowie das Alter des Patienten und de Eingriffe: peldefekts auch die Beurteilung der seine funktionellen Ansprüche berücksich- Beinachse, die Bestimmung der patellofe- tigt werden müssen. Wichtig ist auch dabei, Das ist das bekannteste und am häufigs- moralen Gelenkgeometrie inklusive der dass man die Erwartungen des Patienten ten eingesetzte Verfahren. Basierend auf Analyse der Tuberositas Tibiae-Trochlea kennt und diese gegebenenfalls mit dem zu den heutigen Kenntnissen über die Patho- Gruben (TT-TG)-Distanz oder alternativ erwartenden Resultat abgleicht. physiologie des Gelenkknorpels werden der Tuberositas Tibiae-Posterior Crucia- oberflächliche Knorpeldefekte durch Per- te Ligament (TT-PCL)-Distanz bzw. die Die zur Verfügung stehenden Behand- foration der subchondralen Platte mittels trochleären Form, die Bestimmung der lungsoptionen sind aufgrund der nur gerin- Bohrungen, Abrasion oder Anbohren Rotationsverhältnisse, sowie die Beurtei- gen Regenerationsfähigkeit des hyalinen des Knochens (sog. Mikrofrakturierung, lung der Patella Stabilität und der Rück- Knorpels allein symptomatischer Natur: «MFX») behandelt. Das Ziel all dieser fussstellung beinhalten. Die konservative, nicht-medikamentöse Vorgehen ist, durch Eröffnung der sub- Behandlung des Knorpelschadens be- chondralen Kortikalis eine Blutung (ein Ein sehr wichtiger Pfeiler für die erfolg- schränkt sich ebenso wie die medikamen- sog. Superclot) aus dem Knochenmark zu reiche Therapie eines Knorpelschadens töse Therapie vor allem auf die Sympto- erzeugen, und durch Einwanderung von ist die Behandlung der Begleitpathologie. matik (Schmerzreduktion, Verbesserung Blut- und mesenchymalen Vorläuferzel- Diese Begleitpathologien sind bei einem der Beweglichkeit). In der Regel wird mit len unter dem Reiz mehrwöchiger Teil- sehr hohen Anteil der Betroffenen vor- den konservativen Massnahmen versucht, belastung sowie stundenlanger passiver handen und müssen auch entsprechend die durch den Knorpelschaden bedingten Bewegung des Gelenkes die Bildung eines adressiert werden. Durch moderne Ver- Beschwerden zu lindern und vor allem die fibrösen Knorpel-Ersatzgewebes zu indu- fahren der Knorpeltherapie mit korrek- Progredienz der beginnenden Arthrose zu zieren (Vgl. Bild 2). tem Angehen der Begleit-Pathologie las- bremsen. sen sich mittlerweile zufriedenstellende Durch diese Technik bildet sich ein Ergebnisse erreichen. Eine Ruptur des Als operative Massnahme kommen Ersatzknorpelgewebe mit einem hohen vorderen Kreuzbandes, periphere Band heutzutage folgende Optionen in Frage: Anteil an fibrösen Elementen, das zwar Instabilitäten und Meniskus-Schaden nicht die Stabilität und Elastizität des ur- müssen unbedingt mitbehandeln werden. sprünglichen Knorpelgewebes aufweist, Zusätzlich muss auch ein Malalignement 1. Arthroskopische Lavage aber den Patienten doch das Durchführen der Beinachse in die Knorpel-rekonstruk- seiner beliebten sportlichen Tätigkeiten tiven Überlegungen miteingeschlossen und Debridement: auf einem guten Niveau erlauben sollte. werden. Bei einer Varus-Fehlstellung des Bis heute gilt die Mikrofrakturierung als Beines und einem Knorpelschaden im me- Die einfachste Methode zur Behand- Goldstandard bei der Behandlung von dialen Kompartiment hat es sich z.B. be- lung eines Knorpelschadens ist die arth- kleinen Knorpeldefekten. Diese Technik währt, die Knorpelbehandlung mit einer roskopische Lavage und Debridement ist suboptimal für die Behandlung Knor- valgisierenden Osteotomie zu kombinie- von Knorpelfragmenten. Mit speziellen pelläsionen an der Patella, da die Dicke ren. Alle diese Pathologien sind ein wich- Instrumenten werden abgenutzte Knor- des Knorpels nicht ausreichend aufgebaut tiger Bestandteil der Gelenkchirurgie und pelstellen geglättet und knorpelabbauen- wird und die Nachhaltigkeit dieser Technik beeinflussen die Belastung und Kinematik de Enzyme und abgelöste Knorpelstück- ist nicht garantiert. Diese knochenmark- der artikulierenden Flächen. chen aus dem Gelenk herausgespült. Die stimulierende Therapie sind bei alleinigen Wirksamkeit dieser minimal-invasiven Schäden des hyalinen Gelenkknorpels mit Die Therapiewahl folgt prinzipiell einem Behandlung liegt hauptsächlich in der intakten subchondralen Knochen (Knor- lokalisationsunabhängigen Algorithmus, Entfernung von aggressiven, beim Knor- pelschaden ICRS Grad III-IV) und v. a. wobei v. a. die Ausdehnung des Defektes pelzerfall entstehenden Enzymen, die eine bei kleineren Defekten (Grösse bis 2 cm2) in die vaskularisierte subchondrale Regi- Synovitis verursachen und ausserdem zu ein bewährtes Verfahren. on, die Beschaffenheit des subchondralen weiterer Knorpeldegeneration führen. Bild 2: Schematische Darstellung der Technik der Mik‑ rofrakturierung: Primär wird das defekte Knorpelareal auskürettiert, danach werden multiple Perforationen der subchondralen Knochenlamelle mit einer koni‑ schen Ahle durchgeführt. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. M. Stein‑ wachs) 14 Luzerner Arzt 114/2018
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