Der Weg Schwerpunkt: Entspannende Freiheit - SBV-FSA
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Inhaltsverzeichnis Editorial 3 Sicher und stressfrei von A nach B – Forum 4 mit der SBV-App «MyWay Pro» 19 Aufschwung der Selbsthilfe in der Sportliche Ambitionen mit der Corona-Krise 4 Segel-App SARA 21 Menschen 6 Verbandsleben 23 Leandro Zamuner – «Im Vertrauen Standpunkt: Charly Meyer 23 darauf, dass nichts passiert» 6 25 Jahre Sektion Berner Oberland 24 Veranstaltungen 27 Schwerpunkt 10 Begleitet hinaus in die Welt 10 SBV-Intern 31 Unbeschwert aufbrechen 12 Vom Einzahlungsschein Unter den Sternen des zur QR-Rechnung 31 Karibik-Himmels 14 Verschiebung der Delegierten- Ferienenttäuschungen vermeiden 16 versammlung 2020 34 Sandrine Chauvy – «Sport ist Leserwettbewerb: für mich wie Reisen» 17 Auflösung und Gewinner 35 Impressum Mitgliederzeitschrift des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbands SBV im 107. Jahrgang. Sie erscheint viermal im Jahr in Grossdruck, in Braille, als Daisy-CD, im Elektronischen Kiosk und im Web sowie auf Bestellung per E-Mail (ohne Fotos) und auf VoiceNet (031 390 88 88, Rubrik 2 5 1) in Deutsch und Französisch («Clin d’œil»). In SBV-Mitgliedschaft inbegriffen. Für Nichtmitglieder: CHF 28.– (Inland), CHF 34.–. Herausgeber: Schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverband SBV, Könizstrasse 23, Postfach, 3001 Bern, www.sbv-fsa.ch Redaktion: SBV, 3001 Bern, 031 390 88 00, redaktion@sbv-fsa.ch, Roland Erne (rer), Hervé Richoz (hr) Übersetzungen: Apostroph Bern AG, Jolanda Schönenberger Foto Titelbild: Auch wenn er seit Geburt quasi blind ist, geniesst der nun 30-jährige Maximilien Thilo aus Pully (VD) das Segeln auf dem Genfersee – mit der App SARA künftig auch als autonomer Steuermann. Foto: Véronique Thilo-De Rovinelli. ISSN-Nummern: 1422-0490 (Print), 2296-2018 (Braille), 2296-2026 (Audio) Layout und Druck: Ediprim AG, Biel/Bienne Braille: Hanni und Hans Ueli Wüthrich, Anton Niffenegger Audio: Markus Amrein, Bern Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe: Freitag, 31. Juli 2020 Druck auf umweltfreundliches 2 FSC-Papier
Editorial Liebe Leserinnen und Leser Kaum waren die angedachten Inhalte dieser Ausgabe im Kern weitgehend festgelegt, beschloss der Bundesrat aufgrund der Covid-19-Pandemie den Mitte März längst nicht mehr uner- warteten Lockdown. Das damals um sich greifende Corona-Virus machte fast alles anders – auch im Redaktions- Roland Erne. alltag: keine persönlichen Treffen für Foto: Interviews oder Porträts, keine Foto- Nico Zonvi termine, keine Besprechungen am Sitzungstisch. Stattdessen Home- Sie am Lebensweg von Triathletin Office und Online-Meetings. Kein Sandrine Chauvy teilhaben und zeigt Wunder, hielt Bundespräsidentin Ihnen, was dienliche Apps wie die Simonetta Sommaruga zur Eröffnung komplett revidierte SBV-Eigenentwick- der Corona-Session des Parlaments lung «MyWay Pro» oder die neu ent- in den Bernexpo-Hallen zwei Monate wickelte Segel-App SARA Betroffenen später im Vorfeld etappenweiser inzwischen ermöglichen. Nichts könnte Lockerungen unmissverständlich fest: dies deutlicher machen, als unser Titel- «Die Krise hat uns in unserem Selbst- bild. Lesen Sie zudem das Porträt verständnis getroffen.» Leandro Zamuners, der trotz Blindheit In eben jenen Wochen ist auch die nun seit Geburt bestens im ersten Arbeits- vorliegende Ausgabe entstanden, die markt zu bestehen vermag, Beiträge selbstredend die ausserordentliche zum 25-jährigen Bestehen der Sektion Lage spiegelt – bei Weitem aber nicht Berner Oberland und zur bald ein- nur! Denn: Zum einen ist im Zeichen geführten QR-Rechnung, zur Ver- der Corona-Krise eine bemerkenswerte schiebung der diesjährigen Delegierten- Belebung und Stärkung der Selbsthilfe versammlung und zur Begegnung mit zu verzeichnen, zum anderen entspricht Dann Dupraz, Gewinner des jüngsten das für dieses Juni-Heft gesetzte Leserwettbewerbs. PS: Auch der Schwerpunkt-Thema einer Zuversicht, Veranstaltungskalender kommt Corona- die uns allen erhalten bleiben soll. Ihr bedingt etwas anders als sonst daher. Mitgliedermagazin nimmt Sie mit auf Reisen der ehemaligen Mitarbeitenden Ich wünsche Ihnen eine spannende Jolanda Gehri und Norbert Müller, ent- und entspannende Lektüre. führt auf eine Karibik-Kreuzfahrt von elf Betroffenen aus der Romandie, lässt Roland Erne 3
Forum Aufschwung der Selbsthilfe in der Corona-Krise Hervé Richoz, Redaktor «Clin d’œil» Aufblühende menschliche Wärme, Das jäh zum Stillstand gekommene gemeinsame Wiedersehen, in- wirtschaftliche und gesellschaftliche spirierende Momente im Freien – Leben hat den Menschen freilich nicht all dies versprach der ersehnte nur ihre Ängste, sondern auch ihre Frühling, als die Corona-Pandemie Ressourcen ins Bewusstsein gerufen um sich griff und zu einer radikalen und gezeigt, dass man zunächst nur Veränderung unserer Gewohn- auf sich selbst zählen kann. Dabei heiten, Verhaltensweisen wie auch blieb es indes nicht: Vielmehr manifes- Bedürfnisse führte. Eine Tour tierte sich gegenseitige Unterstützung d’horizon zur erstarkten Selbsthilfe auch berührender Ausprägung. unter Berücksichtigung der Tat- sache, dass die Romandie vom Rasch informieren Virus deutlich stärker getroffen Die verantwortlichen Instanzen des wurde als die Deutschschweiz. SBV erkannten das Ausmass der Krise. So stellten sie alle Aktivitäten ein, Bei der Bekämpfung von Covid-19 welche die Gemeinschaft – unabhängig erklärten die Gesundheits- und von einer SBV-Mitgliedschaft – hätten Bundesbehörden Seniorinnen und gefährden können, und schützten ihre Senioren sowie Menschen mit Vor- Mitarbeitenden, die sehbehinderte erkrankungen zu «Risikopersonen». Personen betreuen. Die verbands- Im SBV sind fast 55% der Mitglieder eigene Interessenvertretung nutzte die 65-jährig oder älter. 40% der Mitglieder verschiedenen vorhandenen Kanäle wiederum gehören zur Altersgruppe, überdies für Empfehlungen, Tipps und die sich für die Sektionsaktivitäten und Richtlinien, um alle auf dem neusten das Kurs- und Begegnungsangebot Stand zu halten. Im Bewusstsein der des SBV interessieren oder auf die Fach- Einsamkeit, des Alters und der Verletz- leute der Beratungsstellen zählt. Ihnen lichkeit einiger Mitglieder hat der SBV wurden die Orte des Miteinanders und zudem eine von Fachpersonen be- des Austauschs brutal entzogen. treute Notfallnummer eingerichtet. Schlimmer noch: Ihnen wurde auch ihre Unterstützung vorenthalten – so- Kontakte aufrechterhalten wohl seitens der freiwilligen Assistenz- Die mit den Bedürfnissen ihrer Klienten personen, die zur Risikogruppe gehö- vertrauten Mitarbeitenden der SBV- ren, als auch seitens der Spezialisten Beratungsstellen vermochten rasch der geschlossenen Beratungsstellen. jene zu identifizieren, die zu verein- 4
Forum samen drohten, und erkundigten sich Gratisangeboten im Netz oder zum telefonisch nach ihrer Situation. Auch Streaming von Büchern und Videos Jeanene Guye, Leiterin des Bildungs- austauschen. All die pragmatischen und Begegnungszentrums (BBZ) Fragen und keineswegs voreiligen Lausanne erkannte die Bedeutung Antworten dieser Art dokumentieren, um jeden Preis aufrechterhaltener wie sehr die Selbsthilfe wieder an Kontakte: «Eine Liste mit Interessierten, Bedeutung gewonnen hat. Den Teil- die ihr Einverständnis dazu gegeben nehmenden ist dabei offenbar an so hatten, wurde rasch länger.» So etwas wie kommunikativer Sorgfalt pflegte das BBZ-Team mittels wöchen- gelegen, auch in Koch- und Lektüre- tlicher Telefonate diese Solidaritäts- gruppen. Vielleicht besteht die beziehung, welche die Stärke des BBZ Erneuerung ja genau darin. ausmacht. Zudem war eine Zunahme der Solidarität zu verzeichnen, zumal die Telefonliste auch unter den BBZ- Nutzern verwendet wurde. Damit nicht genug, hat die BBZ-Mitarbeiterin Cécile Ponce eine den Zusammenhalt stärkende WhatsApp-Gruppe zwecks Verbreitung von Neuigkeiten wie auch dem kapitelweisen Vorlesen aus einem Buch oder dem Teilen von Videos ins Leben gerufen. In Verbindung bleiben Die zuvor von der Rationalisierung und Individualisierung der Gesellschaft nicht unversehrt gebliebene Selbsthilfe hat so schweizweit spontan einen (Wieder-)Aufschwung erlebt – auch mit weiteren WhatsApp-Gruppen. Eine willkommene Option, wenn man etwa herausfinden will, ob der IV-Assistenz- beitrag bei Abwesenheit der Assistenz- person bezahlt wird oder wie man sich mit Lebensmitteln eindecken kann. Für eine gestärkte Selbsthilfe sprechen ferner WhatsApp-Gruppen, die sich Screen-Shot WhatsApp-Gruppe. mit Empfehlungen zu neuen Apps, zu Foto: Hervé Richoz 5
Menschen Leandro Zamuner «Im Vertrauen darauf, dass nichts passiert» Roland Erne, Redaktor «der Weg» Immer schon hat Leandro Zamuner Australien – aufgrund der damals seine Erlebenswelt nicht sehend grassierenden Waldbrände für ihn wahrnehmen können, sondern sich leider ohne Süd-West-Passage auf im Alltag vielmehr dem aufmerk- Schienen ab Adelaide. Eine zehn- samen Hinhören und Erfühlen tägige Interrail-Reise wiederum hat seiner Umgebung überlassen. Mit ihn 2015 zudem durch mindestens halb der Unterstützung des SBV-Job- Europa geführt – sechs Zugnächte Coachings ist es ihm gelungen, inbegriffen. Freie Tage durchquert er sein Arbeitspensum und die daran schweizweit überdies bevorzugt mit geknüpften Möglichkeiten auf dem seinem GA und lässt dabei «seine Arbeitsmarkt auszubauen. Ein wäh- Gedanken fliessen». Nicht zuletzt im rend der Corona-Krise realisiertes Bewusstsein, sich allein autonom be- Porträt ohne persönliches Treffen. wegen zu können und «auf niemanden angewiesen zu sein». Mit anderen Als jüngster Sohn einer Brasilianerin Worten: Leandro Zamuner ist das, und eines Schweizers kennt er seit was ein seit Kindheitstagen quasi ein- jeher zwei Welten: Im November gefleischter Bahn-Fan genannt werden 1989 blind geboren, lebte Leandro darf, der nur schon das Geräusch Zamuner mit seiner Familie zunächst eines Zugs «als eine Art Musik im ein paar Monate in Brigels (GR), Körper» nicht missen mag. danach für dreieinhalb Jahre in der Früh schon kam ihm dies erklärter- Heimat seiner Mutter, ehe er mit massen entgegen, zumal er von 1996 seinen Eltern und zwei Geschwistern bis 2008 die Blindenschule Zollikofen zurückkehrte. Heute spricht er ziemlich (BE) absolvierte und übers Wochen- astreinen Bündner Dialekt, zu seinen ende jeweils zwischen dem schul- Muttersprachen gehören selbstredend eigenen Internat und seinem Zuhause aber auch Portugiesisch und Räto pendelte – gleichbedeutend mit zehn romanisch. Stunden Bahnfahrt hin und zurück. Hatte er sich anfangs darauf gefreut, Geräuschvolle Art Musik im Körper ist ihm das im Unterschied zu Schwes- Inzwischen hat er weitere Erdteile ter und Bruder wiederkehrende «Weg- erkundet, namentlich Neuseeland gehen-Müssen» danach aber bald (2014) und zu Jahresbeginn zuletzt einmal «schwergefallen». Die ärztlich 6
Menschen ungenügend bis widersprüchlich erklärte Blindheit hingegen blieb für ihn eher sekundär: «Wichtiger ist, dass ich ansonsten gesund bin», so Leandro Zamuner. Nach der obligatorischen Schulzeit hat er sich 2010 im geschützten Rahmen einer mit der IV kooperierenden Ein- gliederungsinstitution in Chur einer kaufmännischen Ausbildung zugewandt, zunächst zum Büroassistenten mit eidgenössischem Berufsattest, danach als «solides Fundament» mit einer KV-Lehre (E-Profil), die ihn entgegen einstiger Vorbehalte und umgeben von zumeist fünf Jahre jüngeren Klassen- kollegen in seinem gefällten Entscheid bestätigte. Zumal er vorweg erkannt hatte, dass ihm eine Tätigkeit im Bereich der medizinischen Massage Home-Office im Zeichen der oder Physiotherapie nicht entsprechen Corona-Krise: Leandro Zamuner am würde. Laptop mit Braille-Zeile. Foto: zVg 2016 gelang ihm mit Unterstützung der IV der direkte Berufseinstieg im ersten ten Entscheid für Begleitetes Wohnen Arbeitsmarkt bei Swiss Life in Zürich- in der Zürcher Institution «Mobile» Binz, auch wenn die Versicherungs- (siehe März-Ausgabe 2020) damals branche nicht unbedingt einem aus- etwas viel zugemutet: «Das war zu gesprochenen Herzenswunsch gleich- ehrgeizig. Ich habe mich dadurch kam. Einem entsprechenden Arbeits- indes selbst besser kennengelernt versuch folgte dennoch prompt eine und weiss seither genauer, was ich Festanstellung mit einem 60%-Pensum, will und warum.» wenig später die Erprobung eines erhöhten Arbeitspensums – ein vorerst Wertvolle SBV-Dienstleistungen nicht umsetzbares Vorhaben. Leandro In jene Zeit auch fielen erste Orientie- Zamuner verschweigt nicht, dass ihm rungs- und Mobilitätstrainings mit Fach- sein ursprüngliches Aufgabengebiet mit personen der SBV-Beratungsstellen für ihn belastenden Telefonanrufen bei Chur und Zürich, die seine an Dank- Privatkunden zugesetzt hat. Zudem barkeit und Wertschätzung geknüpfte habe er sich mit seinem parallel erfolg- Autonomie stärkten. «Ihre von Geduld 7
Menschen und Offenheit für meine Anliegen einen kontinuierlichen Austausch mit getragene Unterstützung hat mir mass- ihm und Swiss Life, die sich mit der geblich geholfen», betont Leandro Initiative «Berufsleben aktiv gestalten» Zamuner im von der Corona-Krise auch als Arbeitgeberin für ein «selbst- geprägten Gespräch von Home-Office bestimmtes Leben» engagiert. Die zu Home-Office. Nicht von ungefähr regelmässigen Kontakte bis hin zu hat er sich bald darauf mit seinen Round-Table-Gesprächen wiederum beruflichen Möglichkeiten auseinander- ermöglichten eine schrittweise Pensen- gesetzt und sich für eine Beratung Erhöhung im Rahmen eines erneuten durch das Job Coaching des SBV Arbeitsversuchs 2019 sowie letztlich entschieden – mit dem wiederaufge- eine Anpassung des Stellenprofils, des nommenen Ziel einer Erhöhung des Arbeitsvertrags und der IV-Rente. Die Arbeitspensums auf 80%, um so auch ihm nun übertragenen administrativen seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt Aufgaben im sogenannten Lead- wie auch bei seinem Arbeitgeber zu management sind denn auch wie steigern. zugeschnitten auf ihn. Dazu gehören Die Begleitung von Catherine Rausch die Erfassung und Bearbeitung von und Beat Arnold seitens SBV-Job- Kundendaten oder das Erstellen von Coaching umfasste insbesondere Excel-Rapporten in Zusammenarbeit Eisenbahn-Fan durch und durch: Leandro Zamuner auf einer gebuchten Führerstandsfahrt mit einer SBB-Lokomotive Re 4/4 I auf der Gotthard- strecke zwischen Arth-Goldau und Locarno. Foto: zVg 8
Menschen mit den Vorsorgeberatern und dem Leandro Zamuner vorstellen, sich bei Call-Center. Gelegenheit im Zeichen der fortschrei- «Diese am Laptop mit Braille-Zeile und tenden Digitalisierung auch weiterzu- Sprachausgabe erledigten Arbeiten in bilden, um sich beruflich weiterzuent- einem kleinen Team gefallen mir sehr wickeln. Und er zeigt sich überzeugt, gut», bekräftigt Leandro Zamuner. dass ihm dies gelingen wird. Wer so Auch der Arbeitsweg zwischen Chur, spricht, glaubt an sich und seine Zu- wo er bei seiner Mutter wohnt, und kunft. Weiterhin nicht zu kurz kommen Zürich ist für den bekennenden Bahn- sollen ferner seine Kontakte im Kollegen- Fan eher Gewinn denn zur Not in Kauf kreis mit anderen Betroffenen und genommene Pflicht. Überdies könne er Sehenden wie auch seine Begeisterung auf einen «tollen Chef» zählen, der für Heavy-Metal und Abende für sich sich Zeit nimmt, ihn auch sonst unter- allein am Computer. Warum auch nicht stützt und seinen äusserst positiven eine Reise mit der Transsibirischen Einfluss auf die Teamentwicklung Eisenbahn, im japanischen Schnellzug anerkennend würdigt: «Leandro ist Shinkansen oder aber eine sechs- selbstständig und hat auch den Wech- tägige Zugfahrt von Moskau nach sel ins Home-Office gut gemeistert. Peking ohne Umsteigen anvisieren! Zudem trägt er dazu bei, dass im Team Vor allem aber sollen ihm die in der mehr kommuniziert und gegenseitig Regel jährlichen Abstecher nach Rücksicht genommen wird, beispiels- Brasilien erhalten bleiben, wo er einst weise für die Verteilung der Aufgaben im Herkunftsort seiner Mutter – ein im Tagesgeschäft. Generell ist er Fischerdorf – buchstäblich «erwacht» bestens integriert», bestätigt Team- sei und begann, «die Welt zu ent- leiter Tobias Stocker auch die eigene decken». Längst auch kennt und schätzt Einschätzung seines blinden Mit- Leandro Zamuner die brasilianische arbeiters. «Ich fühle mich gut integriert Fröhlichkeit, Lebensfreude und Offen- und sehe mich darin bestätigt, im heit, die nach überstandener Pande- ersten Arbeitsmarkt bestehen zu mie für ihn auch hierzulande vermehrt können», hält der 30-Jährige fest. erwünscht wäre. Nichtsdestotrotz geblieben ist ihm der Respekt vor der Glauben an die Zukunft in Brasilien grassierenden Kriminalität Nicht weniger entscheidend sei die für und lebensgefährlichen, weil dem ihn «optimale», weil stets «aufbauende» Motto «Auto vor Mensch» geschuldeten Unterstützung der SBV-Job-Coaching- Strassenüberquerungen, die er nie Verantwortlichen gewesen, die an- alleine wagt. Dennoch mag er sich haltendes Vertrauen in ihn gezeigt grundsätzlich nicht blockieren lassen hätten. Getreu der Devise: «Wir schaf- – «im Vertrauen darauf, dass nichts fen das!» Unbesehen davon kann sich passiert». 9
Schwerpunkt Begleitet hinaus in die Welt Roland Erne, Redaktor «der Weg» Für von Blindheit oder massivem Das Angebot von «anders-sehn» hat Sehverlust Betroffene wie Jolanda sie vor drei Jahren erstmals erprobt. Gehri, im März 2019 pensionierte Damals für einen schon länger er- Mitarbeiterin des Besucher- wogenen Besuch Hamburgs. Später empfangs im SBV-General- folgten Abstecher nach Prag und sekretariat und Vizepräsidentin Cuxhaven, Firmensitz des inhaber- der Sektion Bern, sind Reisen mit geführten Unternehmens von Susanne spezialisierten Veranstaltern eine Hahn, die als ausgebildete Ethnologin willkommene Entlastung. Ein und Kulturmanagerin mit blinden- und Erfahrungsbericht. sehbehindertengerechten Reisen seit 2004 europaweit das Unsichtbare Eigentlich wäre Jolanda Gehri im durch sinnliche Eindrücke erlebbar Frühjahr nach Asien gereist und hätte machen will – im Zeichen der Nach- Vietnam kennengelernt – bereit für haltigkeit bevorzugt mit öffentlichen «andere Düfte und Geräusche, eine Verkehrsmitteln und vor Ort zu Fuss. andere Kultur» und im Vertrauen auf Dieses Bekenntnis für «sanften Touris- ein Angebot von «tour de sens». Die mus» hat Jolanda Gehri indes auch Corona-Pandemie hat dies nicht schon zur Improvisation infolge massi- zugelassen. Umso mehr hofft sie, ver Verspätungen der Deutschen Bahn dass ihre Städtereise nach Wien gezwungen, zumal die organisierten kommenden Oktober mit «anders- Umsteigehilfen nicht zum Tragen sehn» möglich sein wird. Beide auf kamen und sie zur praktikablen Not Reisen für Blinde und Sehbehinderte auf ihr fremde Leute zugehen musste. spezialisierten Veranstalter setzen auf Kein Wunder, hat sie sich so auch eine 1:1-Begleitung durch Sehende. schon für eine Flugverbindung Ein Konzept, das Jolanda Gehri ent- entschieden. scheidend entgegenkommt, wie sie im Gespräch betont: «Auf meinen Reisen Unerlässliche Reisevorbereitungen möchte ich mich sicher fühlen und Generell ist ihr an der sorgfältigen unterwegs nicht von Ängsten ergriffen Vorbereitung einer Urlaubsreise samt werden. Zudem ist es nicht einfach, einsetzbarer Bezahloptionen gelegen. eine Begleitung selbst zu organisieren. Vor allem aber hat sie schätzen gelernt, Ich musste auch schon auf eine dass Alleinreisende mit Hilfebedarf auf Flussfahrt verzichten, weil sich einen Servicepool sehender Begleit- niemand fand.» personen zurückgreifen können. Mit 10
Schwerpunkt einer entsprechenden Zusatzpauschale sind die Kosten für Unterkunft, Ver- pflegung, Aufwandsentschädigung und Versicherung der Begleitung ab- gedeckt. Ein ähnliches Modell verfolgt «tour de sens» auch für Fernreisen in andere Kontinente mit ebenfalls jeweils rund 15 Teilnehmenden, wobei Sehen- de einen Reisegast mit Sehbeeinträch- tigung begleiten, indem sie ihm bei der Fortbewegung und Orientierung helfen, und im Gegenzug von vergünstigten Konditionen profitieren – für Jolanda Gehri «eine coole Idee». Städtereisen statt Strandferien Für die angesagte Wiener Reise unter dem Motto «Kaiser, Kaffee und Agenten» wiederum kann sie erneut ein möglichst barrierefreies Programm erwarten, das neben einem Stadtrund- gang zu Fuss auch geführte Museums- besuche und weitere Besichtigungen umfasst. Lebhaft erinnert sie sich Abstecher an die deutsche Nordsee- überdies an die «Spezialführung durch küste: Jolanda Gehri mit der Reise- Hamburgs Kiez», die nicht zuletzt der gruppe von «anders-sehn» in Cux- Bedeutung der Bezeichnung «Reeper- haven. Foto: Carola Zeh bahn» im Vergnügungs- und Rotlicht- viertel des Stadtteils St. Pauli gewidmet geniesse es, «in Gesellschaft zu sein». war. Überhaupt wollen ihr Städte- Gerne auch hat Jolanda Gehri früher reisen lohnender erscheinen als etwa verbandseigene Reiseangebote nach Strandferien weitgehend ohne für sie Berlin, Tunesien oder China und nachwirkende Erlebnisse. Denn: All Aufenthalte im «Solsana» etwa über das «Gewusel» einer Grossstadt mit Weihnachten – stets mit Begleitung – ihren Aromen und Märkten sei weit genutzt, was zu ihrem Bedauern inzwi- spannender: «Man nimmt mehr wahr schen nicht mehr möglich sei. Ihre vor und schmeckt viel!» Zudem habe der Pensionierung stehende Blinden- sie mit ihren Begleitpersonen bisher führhündin «Hekla» hat sie dabei nie «nur gute Erfahrungen» gemacht und ins Ausland mitgenommen. Ihre Nach- 11
Schwerpunkt folge aber soll einen nochmals neuen dereinst eine Reise mit der Trans- Lebensabschnitt mitprägen: «Ich sibirischen Eisenbahn oder auf die brauche diese Herausforderung und Philippinen antreten zu können, habe auch die nötige Kraft», hält die wo sie einem abermals «anderen 65-jährige Bernerin fest. spannenden Alltag» begegnen soll. Ihre Vietnam-Reise schliesslich hat sie im Verzicht auf das November-Ersatz- Blinden- und sehbehinderten- datum bewusst verschoben. Nach der gerechte Reisen Corona-Krise dürfte 2021 ferner die • anders-sehn: dieses Jahr nicht zustande gekommene Tel. +49 (0)4721 699 8567, Toskana-Reise der Sektion Bern mit E-Mail: hahn@anders-sehn.de, einwöchigem Aufenthalt im Hotel Internet: www.anders-sehn.de «Centro Le Torri» (siehe Seite 13) • tour de sens: durchgeführt werden können, die Tel. +49 (0)711 88875530, Jolanda Gehri mit Vorstandskollegin E-Mail: info@tourdesens.de, Antonella Zanatta aufgegleist hat. Internet: www.tourdesens.de Und nicht zuletzt ist da die Hoffnung, Unbeschwert aufbrechen Roland Erne, Redaktor «der Weg» Ob für Strandferien in der Toskana Zufriedenheit läuft.» Dieser Grundsatz oder für Abstecher ins heimatliche ist für ihn daran geknüpft, sich im Vor- Saarland: Auch ohne Augenlicht aus schlau zu machen. Warum also möchte Norbert Müller entspannende nicht rechtzeitig im gebuchten Hotel Urlaubsreisen nicht missen. Deshalb anrufen und sich nach dem Weg ab sein Rat: Vorausplanen hilft. Ein Bahnhof oder unterstützendem Perso- Gespräch mit dem ehemaligen nal erkundigen! Fraglos nicht weniger VoiceNet-Redaktor Deutschschweiz hilfreich ist eine auf die Bedürfnisse im Ruhestand mit Wohnsitz in Basel. von blinden und sehbehinderten Gästen ausgerichtete Ausstattung, insbeson- Wenn er wegfährt, mag sich Norbert dere mit Braille-Beschriftungen beim Müller nicht Tag für Tag mit anstrengen- Zugang zu den Hotelzimmern und Lifts. den Abklärungen vor Ort abplagen. Mit seinen Worten: «Im Urlaub will ich Verlässliche Begleitung mich erholen und nicht täglich darum In dieser Hinsicht kann selbstredend kämpfen müssen, dass alles zu meiner ein auf Betroffene zugeschnittenes 12
Schwerpunkt Hotel wie das «Centro Le Torri» in Tirrenia bei Pisa im Besitz des italie- nischen Verbands für Blinde und Seh- behinderte punkten, das Norbert Müller im Herbst 2017 kennengelernt hat. Unschätzbarer Vorteil einer «spezifischen Einrichtung» sei nur schon die Garantie für ihm beispiels- weise beim Frühstück behilfliches Personal: «Ich will nicht am Buffet- Tisch stehen und nichts finden können.» Zum bedürfnisgerechten 2006 wahr gewordener Traum: Angebot gehören überdies etwa an Auf seiner Tandem-Tour an der Saar der Bar mögliche Kartenzahlungen mit geniesst Norbert Müller eine Pause. genanntem Restbetrag und ein hotel- Foto: zVg eigener Strand, erreichbar über einen markierten Weg, samt Lautsprecher- seiner Heimat, durchstreift er so bevor- Anlage, die Badende im richtigen zugt die nahen Wälder mit gebannter Bereich aus dem Wasser lotst. «Eine Gefahr, sich dabei zu verlaufen. In sichere Orientierung ist unerlässlich», bester Erinnerung sind ihm ferner so Norbert Müller. Hinzu kämen seine USA-Reisen in den späten acht- organisierte Ausflüge und Abend- ziger und neunziger Jahren geblieben, veranstaltungen sowie «auf uns ein- die ihn unter anderem zu den Niagara- gestellte Angestellte, die nach einem Fällen geführt haben. Einmal mit einem schauen». Von diesen Annehmlichkeiten kompletten Limousinen-Service, später sollen denn auch die Teilnehmenden auf einer um letztlich drei Stunden einer inzwischen ins Jahr 2021 verlängerten Bustour in einer Gruppe verschobenen Toskana-Reise der mit Sehenden, die sich ihm und seiner Sektion Freiburg profitieren. ebenfalls blinden Begleitung vorbildlich annahmen und sie alle gemeinsam Unterwegs mit Navigations-Apps erst noch mehr erleben liess. Ebenso wichtig ist Norbert Müller Überhaupt nutzt er nicht ungern auch zudem die Option selbstständig unter- «reguläre Angebote», etwa für Hotel- nommener Spaziergänge mithilfe von Aufenthalte. Getreu seiner Devise, sich Navigations-Apps wie «BlindSquare» dorthin zu begeben, wo es ihm «wohl oder «MyWay» – geleitet von zahl- ist». Stets Voraussetzung jedoch ist, reichen Orientierungspunkten, die dass Gastgeber den mit seiner Blind- markierte Routen vorgeben. Weilt er heit verbundenen Anliegen und Erwar- jeweils im saarländischen Sulzbach tungen buchstäblich entgegenkommen. 13
Schwerpunkt Dies ist mit auch Grund dafür, dass der würden. Norbert Müller sagt es so: 67-Jährige bisher nicht mit spezialisier- «Urlaub auf eigene Faust ist preis- ten Veranstaltern wie «tour de sens» werter und macht mich unabhängiger.» (siehe Seite 12) für tendenziell «eher So hat er sich 2006 auch den Wunsch teure» Reisen unterwegs war. Selbst erfüllt, auf einer Tandem-Tour an der wenn ihn Destinationen wie Chile, Saar mit sehender Begleitung von der Kuba oder Vietnam durchaus reizen Quelle bis zur Mündung zu fahren. Unter den Sternen des Karibik-Himmels Hervé Richoz, Redaktor «Clin d’œil» Für elf blinde und sehbehinderte Seit 2008 hat die «Costa Luminosa» Passagiere, die mit ihren Begleit- bereits mehrmals die Welt umrundet. personen eine Woche lang den Auf ihr ist Kunst durch das innovative glamourösen Prunk einer Karibik- Design und die Skulptur des kolum- Kreuzfahrt geniessen durften, ist bianischen Bildhauers und Malers ein Traum wahr geworden. Es fehlte Fernando Botero im zentralen Atrium weder an unzähligen Unterhaltungs- des Schiffs allgegenwärtig. Wer von da angeboten noch an der Einladung, aus einen der neun Etagen erschliessen- mit Delfinen zu schwimmen. Ein den Glaslifte nutzt, entdeckt einen Bericht über grosse Freuden und italienisch angehauchten Ozeanriesen kleine Frustrationen. mit funkelnden Kronleuchtern aus Murano-Glas, schillernden Tapeten Im Urlaub in Welten eintauchen, die und einer Innenbeleuchtung, welche nichts mit dem Alltag zu tun haben, und die ausgesuchte Eleganz der ganzen sich für die Weite der Welt öffnen, ent- Ausstattung in den drei Bars und zwei spricht fraglos einer ersehnten Wunsch- Restaurants, im Kasino und in den erfüllung. Genau dies ermöglicht eine Veranstaltungssälen akzentuiert. Kreuzfahrt auf der «Costa Luminosa» – für die elf Betroffenen einer 26-köpfi- Durch prunkvolles Labyrinth führen gen Reisegruppe ein Anfang Februar Vor allem aber sehen sich die Begleit- in Miami vertäuter Meeresgigant von personen angesichts dieses Prunks 294 Metern Länge mit 12 Brücken, zweifellos auch an ihre nicht ganz der vor ihnen nicht weniger als 59 einfache Aufgabe erinnert, das Sehen Meter in die Höhe ragte. Zunächst der Betroffenen zu übernehmen und einmal mussten die 2800 Passagiere ihnen so – im übertragenen und aber erst an Bord gebracht werden. eigentlichen Sinn – Zugang zu 14
Schwerpunkt verschaffen zu den unzähligen Räum- Zuschnitts, eine Rohne-Flusskreuz- lichkeiten: vom Badebereich mit vier fahrt kombiniert mit Wanderungen Whirlpools, Schwimmbecken und 2018, war für die teilnehmenden Saunalandschaft über einen Kinosaal SBV-Mitglieder schon mal eine positive mit Grossleinwand und ein Fitness- Erfahrung. Es war dann Sabrina Studio bis zum Oberdeck mit Schiebe- Faretra, ebenfalls Mitglied der Sektion dach. All dies bedarf einer sorgfältigen Waadt und ehemalige Reisebürofach- Vorbereitung und eines ausgeprägten frau, die das magische Wort aussprach: Bewusstseins für die Bedürfnisse «Karibik». Zuvor hatte die 43-Jährige jedes einzelnen wie auch für die Auf- mit ihrer Familie – ihre Mutter und ihre gaben als Begleitperson, die nicht Tanten sind ebenfalls betroffen – zuletzt versucht sein könnte, primär immerhin elf Mittelmeer-Kreuzfahrten an die eigenen Ferien zu denken. unternommen. Nun galt es, sie alle Wie aber ist es überhaupt dazu in die Karibik mitzunehmen. gekommen? Initiantin des Projekts «zugänglicher Kreuzfahrten» ist Myriam Fülle an Möglichkeiten Kernen, die Begleiterin von Tamara und Optionen Rossi, langjähriges Mitglied der Sektion Bald war es so weit: Vom Seehafen Waadt aus Morges. An einem Wende- Port Everglades bei Fort Lauderdale punkt in ihrem Leben wollte sie mehr aus nahm die «Costa Luminosa» über die Begleitung von Menschen mit zunächst Kurs auf Kuba, um danach Sehverlust wissen und entdeckte den auch Amber Cove (Dominikanische spezialisierten englischen Flugreise- Republik), Ocho Rios (Jamaika), veranstalter «Traveleyes». Wenig später George Town (Kaimaninseln), Roatan begegnete sie zufällig auch Roberto (Honduras) und Cozumel (Mexico) Camporeale von «Majestic Voyages», anzusteuern. Bei den Zwischenstopps Reiseanbieter für Kreuzfahrten in Cully erfüllten sich für die Teilnehmenden (VD): «deux yeux pour deux» war zahlreiche Ferienträume: Sonne und geboren! Die erste Reise dieses Strände, landestypische Düfte und Impressionen der Karibik-Kreuzfahrt mit der «Costa Luminosa». Fotos: zVg 15
Schwerpunkt Speisen, Delfin-Schwimmen, Ausflüge abzusprechen ist, damit auch nur in die Städte, Souvenirkäufe und eine minimale Frustrationen weitgehend Tour durchs imposante Kreuzfahrt- ausgeschlossen werden können. schiff mit seinen über tausend Jeden Abend zogen sich alle Teil- Angestellten der Service-Equipe. nehmenden denn auch in einen Diese Fülle an Möglichkeiten und ruhigen Salon zurück, um gemeinsam Optionen zeigt indes auch auf, dass die Erlebnisse und Anekdoten der bis eine derartige Reise zwingend sorg- zu den frühen Morgenstunden aus- fältig vorbereitet sein will und mit der gefüllten Tage Revue passieren zu eigenen Begleitperson umfassend lassen. Ferienenttäuschungen vermeiden Hervé Richoz, Redaktor «Clin d’œil» Die unterstützende Begleitung Probe gestellt werden. Für den von blinden und sehbehinderten Lausanner Psychologen Vincent Menschen mit besonderen Bedürf- Ducommun gilt es, sich bei der Ferien- nissen im Urlaub ist eine Heraus- planung die wahren Bedürfnisse in forderung, die einer sorgfältigen Sachen Wohnsituation, Ruheangebot, Vorbereitung und gezielten Sensi- Freizeitaktivitäten und Gruppen- bilisierung bedarf. Mangelt es zusammensetzung bewusst zu daran, kann es zu frustrierenden machen statt sich aufgrund einer trotz Erlebnissen kommen – wie für Zusatzkosten zum Glück gefundenen Patric Vuillème in seinen letzt- Lösung schlicht anzupassen und dabei jährigen Ferien. letztlich auf eigene Wünsche zu verzichten. Eine Begleitperson wieder- Alle haben das Recht, gemäss den um müsse sich darüber im Klaren sein, eigenen Mitteln und Vorlieben ab und dass sich professionelle Aufmerksam- zu dem Alltag zu entfliehen, sprich keit für das ersehnte Ferienerlebnis Ferien zu machen. Doch: Die eigene von Betroffenen nicht darin erschöpft, Umgebung zu verlassen, bedeutet für für Sicherheit zu garantieren. «Vielmehr blinde und sehbehinderte Menschen ist es wahrhaft eine Aufgabe, die eine – vor allem, wenn sie allein leben – Gabe für Antizipation, Selbstlosigkeit auf «andere Augen» angewiesen zu und dauerhaftes Beschreiben des Ge- sein. Eine mehrtägige Begleitung will schehens voraussetzt», so Ducommun. indes gut vorbereitet sein, denn auch Vorab sei demnach zu vereinbaren, Freundschaften können auf eine harte was man zu tun bereit ist und dies 16
Schwerpunkt dann nicht zu vergessen: «Je besser entspricht einem Mix verschiedener man sich zu kennen glaubt, desto Kulturen mit unterschiedlichen Bedürf- wichtiger sind gute Abmachungen.» nissen, die sich hinsichtlich Dringlich- keit und Zeitbedarf zu stark unterschei- Unterschiedliche Bedürfnisse den.» Helena Bigler, Leiterin Reisen All dies hat Patric Vuillème, langjähriges und Sport, bedauert die Unannehm- Mitglied der Sektion Neuenburg, in lichkeiten Patric Vuillèmes und verweist seinen Procap-Ferien mit anderen auf das seit diesem Jahr bestehende behinderten Menschen leider gefehlt. Angebot individueller Reisen (www. Über Gebühr beschäftigte und teil- procap.ch). Zudem erinnert sie daran, weise überforderte Begleitpersonen dass Procap als spezialisierte Reise- vermochten seinen Bedürfnissen nur agentur für barrierefreies Reisen bedingt nachzukommen, wodurch auftritt, die bisher mit einer vergleichs- er sich isoliert fühlte. Für Vincent weise geringen Nachfrage von Seh- Ducommun keine Überraschung: behinderten konfrontiert war und «Eine Gruppe von Ferienreisenden künftig entsprechende Empfehlungen mit verschiedenen Behinderungen gerne entgegennimmt. Sandrine Chauvy «Sport ist für mich wie Reisen» Hervé Richoz, Redaktor «Clin d’œil» Sie wirkt unbeschwert und erscheint mit den Unwägbarkeiten des Lebens zierlich – was kaum vermuten lässt, und jüngst der Corona-Pandemie um- dass Sandrine Chauvy eine derart zugehen. «Ich fühlte mich anfänglich anspruchsvolle Freizeitertüchtigung im Stich gelassen. Auch in meinem pflegt und dabei als Triathletin immer Umfeld mussten sich alle erst einmal wieder auf «andere Gedanken» beruhigen und sich organisieren. kommt. Ein Corona-bedingt als Danach erhielt ich zum Glück Whats- Videokonferenz geführtes Gespräch. App-Nachrichten sowie Unterstützung für den Haushalt und die Einkäufe», Das Leben ist und hat eine offensicht- gesteht die in Fleurier (NE) lebende lich unkontrollierbare Kraft – wie eine Waadtländerin. Dabei kommt ihr frag- Knospe, die im Frühling ohne Vor- los entgegen, dass die ihr nahestehen- warnung und weiteres Zutun spriesst. den Menschen im Pflegebereich tätig Eben diese Kraft hilft Sandrine Chauvy, sind und ihr den Alltag erleichtern. 17
Schwerpunkt Was freilich nichts daran ändert, dass ihre Guides sie zuletzt für Trainings nicht mehr begleiten konnten: «So musste ich lernen, allein zu trainieren. Und der Triathlon de Sion von Mitte Mai, ursprünglich Anlass und eigent- liches Thema dieses Interviews, musste abgesagt werden.» Abgesehen von ihrer schlanken Erscheinung, die wie für den Laufsport gemacht ist, würde man nicht denken, dass sich die 46-Jährige für Triathlon begeistert – eine Ausdauersportart, die aus einem Mehrkampf der Disziplinen Sandrine Chauvy hat sich gefunden Schwimmen, Radfahren und Laufen – mit Coach Alain Pointet an ihrer besteht und nacheinander in dieser Seite. Foto: Jean-Paul Guinnard Reihenfolge zu absolvieren ist. «Ich mache das für mich und will nicht begeisterte sie sich damals fürs Spinning, etwa Profi werden. Sport ist für mich absolvierte eine Ausbildung und vielmehr wie Reisen», hält sie gut erteilte Unterricht. Doch: Eingeholt von gelaunt fest. Als nicht sonderlich für ihrer Behinderung, wurde sie unverse- Sport motivierte Schülerin des Centre hens entlassen und war entsprechend Pédagogique pour Handicapés de la niedergeschlagen. Vue (CPHV) in Lausanne habe sie indes gelernt, dass nichts unmöglich Herausforderungen bestehen ist und sah sich dazu ermuntert, trotz Zudem habe sich die Stadt Neuenburg Lyell-Syndrom – einer akuten Haut- in jenen Jahren für sie gewandelt veränderung – alles auszuprobieren. und sie sich vom Stress anderer zu- Später durchlief Sandrine Chauvy nehmend absorbieren lassen, so eine Ausbildung zur Bankkauffrau, Sandrine Chauvy. Da eine sehbehin- zwischenzeitlich wegen schwer- derte Freundin in Fleurier wohnte und wiegenden Hornhautschädigungen sie überdies ihren Coach Alain Pointet hospitalisiert. Mit 20 Jahren nach für Wettkämpfe kennengelernt hatte, Neuenburg gezogen, stand ihr der entschied sie sich, ebenfalls ins Val-de- Sinn nach Bodybuilding, ehe sie – ihre Travers zu ziehen: «Das war der beste weibliche Seite wiederentdeckend – Entschluss meines Lebens.» Sie liess Fitness-Gruppenkurse für Bodypump, sich helfen und musste sich wieder- Cardio-Boxen und Step-Aerobic finden. Inzwischen ist sie mit sich im besuchte – eine «Erleuchtung». Ebenso Reinen, meditiert regelmässig und 18
Schwerpunkt pflegt das Lebendige in ihr, nachdem zu wagen. Beide verstehen sie in- sie auch die bahnbrechende Anwen- zwischen besser, weshalb ihnen dung von Hilfsmitteln anzunehmen seitens des Organisators nachdrücklich vermochte. Heute ist sie stolz, jeden empfohlen wurde, sich in der Anfänger- Tag mit Freude angehen zu können. kategorie einzuschreiben. Sie sei Längst auch war ihr an einer nicht glücklich und stolz gewesen, ins Ziel allein ausgeübten Sportart gelegen. gekommen zu sein, habe sich aber Die Begegnung mit Alain Pointet wieder- auch eingestehen müssen, dass der um war für Sandrine Chauvy nichts Parcours und die dabei neu erlebte weniger als eine «freundschaftliche Welt eine erschöpfende Erfahrung Liebe auf den ersten Blick». Gerne gewesen sei, bekennt Sandrine nahm sie so auch die Chance wahr, Chauvy. Seither folgte ein Triathlon mit ihm die auf sechs Etappen durch auf den nächsten. Kein Wunder, ist sie den Kanton Neuenburg führende BCN mittlerweile bereit für den Zermatt-Trail Tour und im Sommer 2017 in La Chaux- – im Zeichen einer nochmals neuen de-Fonds zudem ihren ersten Triathlon Herausforderung der Zukunft. Sicher und stressfrei von A nach B Roland Erne, Redaktor «der Weg» Sei es eine (Städte-)Reise oder eine Wanderung: Wer ohne oder mit stark eingeschränktem Sehvermögen bisher unbekanntes Gebiet erkundet, kann im Smartphone-Zeitalter zum Glück auf Navigations- und Orientierungs- Apps wie «MyWay» vertrauen. Die SBV-Eigenentwicklung ist ab 22. Juni als komplett revidierte Neu-Auflage «MyWay Pro» im App-Store verfügbar. Einmal dort unterwegs, wo man sich Innovation (T&I) umgesetzten Neue- (noch) nicht auskennt, gilt es, den rich- rungen entsprechen insbesondere der tigen Weg zu finden. Das ist einfacher Zielvorgabe einer optimierten Funktio- gesagt als getan. Umso hilfreicher ist nalität im Zeichen einer benutzerfreund- die barrierefrei entwickelte, mittels licheren, intuitiven Bedienbarkeit und VoiceOver bedienbare GPS-App einer verbesserten Übersichtlichkeit. «MyWay», die auf die Bedürfnisse von «‹MyWay Pro› soll eine möglichst auto- blinden und sehbehinderten Menschen nome Anwendung ohne ermüdendes zugeschnitten ist (siehe auch Septem- Ausprobieren ermöglichen», bekräftigt ber-Ausgabe 2019). Die von der feder- Erkan Kuzucular, zuständiger Software- führenden Fachstelle Technologie und Entwickler im Team von T&I-Leiter 19
Schwerpunkt Luciano Butera, das mit Rolf Roth dienenden Kartenansicht angezeigt, von der Spezifikation und Entwicklung wobei einmal erfasste Routen auf dem bis zum Testing und zur Abnahme der Smartphone gespeichert bleiben. Hin- Neu-Auflage gemeinsam «MyWay zu kommt ein quasi selbsterklärendes Pro» konzipierte. «Cockpit» mit den unmissverständ- lichen Buttons Home, Navigation, Umfassende Neu-Auflage Einstellungen und Info. Kernelement der acht Jahre nach der Zu den mit der Version 1.0 implemen- Lancierung umfassend erneuerten tierten Funktionen gehören überdies iOS-Applikation ist eine intelligente insbesondere die verlässliche Navi- Routenaufzeichnung, die zuverlässig gation zu einer hinterlegten Adresse von A nach B als vorgegebenem Ziel (Take Me Home), die Markierung von führt. Nach Bedarf individuell definierte Routen als Favoriten, die Anzeige Routenpunkte werden weiterhin in sogenannter Points Of Interest (POI) einer Listenansicht und neu auch in und von Abfahrtszeiten ab öV-Halte- einer namentlich Sehbehinderten stellen, das Auffinden wegweisender Fussgängerstreifen oder Kreuzungen sowie die Möglichkeit, selbst erstellte Routen anderen zugänglich zu machen und Routen-Dateien der Formate OSM, GPX und PLIST aus anderen Navigations-Apps zu importieren. Nicht weniger dienlich sind der Routen- austausch via Mail und AirDrop, die Routenanweisung mittels Pieps-Signal und Vibration bei flach gehaltenem Handy und das abrufbare Handbuch. Einmal mehr konnte sich die Fachstelle T&I dabei auch auf Feedbacks einer aus Verbandsmitgliedern gebildeten Testgruppe stützen, die laut Erkan Kuzucular bestehen bleiben soll. Nach Abschluss der entsprechenden Anpassungen vor Monatsfrist wieder- um wurde die Übersetzung der Neu- Auflage «MyWay Pro» in die Wege geleitet, die nun auch in den Sprachen Screen-Shot der Kartenansicht Englisch, Französisch und Italienisch mit POI-Anzeige. Foto: SBV zugänglich ist. 20
Schwerpunkt Sportliche Ambitionen mit SARA Hervé Richoz, Redaktor «Clin d’œil» Blind oder stark sehbehindert eigen- eignet, gibt es ein Quadrat, wo ich ständig über einen See segeln – aufrecht stehen kann», erläutert der geht das? Kommen Sie an Bord mit medizinische Masseur aus Pully (VD), SARA (Sail and Race Audioguide), der seit acht Jahren mit seinen vier einer Gratis-App, die Betroffenen sehenden Freunden jeweils ab Ende buchstäblich neue Dimensionen April jeden Mittwochabend an einer eröffnet. Eine Begegnung mit dem Regatta teilnimmt. Zu seinen Aufgaben blinden Maximilien Thilo. für die Fahrt gehört es, die Segel klarzumachen und zu hissen, die Seil- Es ist ein Tag mit Postkartenwetter: winden zu bedienen und die vorderen strahlend blauer Himmel, eine leichte Segel zu trimmen. «Ich habe gelernt, Brise bläst ins grosse Segel. Seit über wie ich stabil stehen kann und wo zweieinhalb Stunden sind drei Seh- ich mich hinstellen muss. Nachdem behinderte mit einem wendigen Segel- mir der Baum einmal in den Rücken boot allein unterwegs, ehe sie zum geknallt ist, habe ich das rasch Hafen Sciez am Genfersee auf franzö- begriffen», so Maximilien Thilo lachend. sischer Seite zurückkehren. Für einmal Auch wenn das Segelboot aufgrund ist ihre Begleitung nicht an Bord, seiner Stabilisierung kaum Schlagseite sondern etwas weiter entfernt in einem hat, betont er deren gleichwohl gefühls- Motorboot darauf bedacht, dass es zu intensive Wirkung, die Kraft des über keinen Zusammenstössen mit anderen den See gleitenden Schiffs und die Booten kommt. Was ist nur in dieses Wahrnehmung des unüberhörbar Sextett gefahren, das beim Projekt durchs Wasser preschenden Rumpfs, «Blindensegeln» (Cécivoile) des vor allem aber das verbindende Erleb- französischen Blindenverbands nis unter Copains. (UNADEV) mitmacht? Also: Schliessen Sie mal die Augen und stellen Sie sich folgendes vor: Dem Alltag entkommen pralle, weisse Segel, azurblauer Him- Szenenwechsel: Beim Segeln auf der mel, ein leichter Wind im Gesicht und gegenüberliegenden Schweizer See- die sanfte Bewegung des Boots, das seite kann Maximilien Thilo dem Alltag übers Wasser gleitet. Haben Sie die- entkommen und ein Gefühl von Freiheit ses Bild vor Augen? Eingeschworene sowie Ruhe und Gelassenheit erleben. Fans werten Segeln denn auch nicht in «Auf der 11 Meter langen Yacht X-372, erster Linie als Sport, sondern erken- die sich für Ausflüge und Regatten nen darin vielmehr eine Lebensweise. 21
Schwerpunkt Segeln jedenfalls bedeutet, alle Facet- Regatten und Segler wie Maximilien ten des Boots genau zu kennen und zu Thilo entwickelt. Und so funktioniert geniessen, wie das Schiff auf die Ele- sie: Wird eine Strecke aktiviert, sind mente der Natur der Umgebung re- Distanzangaben und Peilungen ebenso agiert. Selbst wenn das Steuer führende wie Informationen zum bestmöglichen Betroffene logischerweise leider Kurs bis zur nächsten Marke verfügbar. ohne den Adrenalinschub auskommen Grundsätzlich sollen die Angaben müssen, den taktische Überlegungen akustisch oder visuell dann erfolgen, ohne fremde Hilfe, der zu haltende wenn sie vom Segler benötigt werden. Kurs und die optimale Geschwindigkeit Ist die App entsprechend eingestellt, oder aber das Ansteuern einer Boje gibt sie beispielsweise kein Signal von mit sich bringen, um dann über Steuer- sich, solange ein bestimmter Kurs bord zu wenden. Im Bewusstsein sol- gehalten wird. So ist der sehbehinderte cher Limiten hat das Entwicklungsteam Segler stets informiert und kann sich die App aufs Wesentliche konzentrieren: den SARA konzi- Wind hören. Überdies ermöglicht die piert. Einer App, dem Verlauf einer Regatta zu der Projekt- folgen: Sobald eine Linie, eine Marke leiter ist oder ein Tor erreicht ist, wird automa- Olivier tisch die nächste Marke aktiviert. So Ducruix, der wird auch der blinde Steuermann vor- – selbst blind übergehend zum taktischen Skipper – zu den und Strategen! Für Maximilien Thilo ein sehbehinder- noch so gern eingelöstes Versprechen. ten Seglern gehört, die Verein Sailability.ch im Rahmen Nicht nur die App SARA, sondern von «Céci- auch der in Arbon (TG) am Boden- voile» den see domizilierte Verein Sailability.ch Genfersee erschliesst blinden und sehbehinder- erobern. ten Menschen neue Erlebnismöglich- keiten. Ziel ist, das Leben von Men- Zum Strategen werden schen mit besonderen Bedürfnissen Wer die Applikation als Segler ohne durch den Segelsport zu bereichern. sportliche Ambitionen nutzt, profitiert Zum Angebot gehören Segelkurse, von Angaben zum gesegelten Kurs und Camps und Ferienwochen. Kontakt: zur Durchschnittsgeschwindigkeit 044 500 28 77, info@sailability.ch, sowie von der Aufzeichnung der Fahrt. www.sailability.ch. rer Eigentlich aber wurde SARA für 22
Verbandsleben Standpunkt Charly Meyer, Abteilungsleiter Sensibilisierungen & Schulungen (S&S) Liebe Leserin, lieber Leser Die Abteilung S&S will mithelfen, die Inklusion der betroffenen Menschen zu verbessern. Erreicht werden soll dies mit Sensibilisierungen und Schulungen, geleitet vor allem von den Sektionen. Unsere Abteilung bewegt sich im Drei- eck Sektionen-Interessenvertretung- Charly Meyer. Sensibilisierungen & Schulungen und Foto: SBV kann auf eine gute Zusammenarbeit bauen. Während die Sektionen im damit eine betroffene Person vor dem Bereich Sensibilisierungen an vorderster Flughafengebäude auch erfährt, wo sie Front aktiv sind, stellt sich die Abteilung ist und wohin sie gehen soll. Wir arbei- S&S in ihren Dienst. Sie unterstützt ten mit Signaletik-Spezialisten, damit diese in administrativen und personellen die Abflugzeiten korrekt lesbar und in Fragen, damit die vorhandenen richtiger Höhe montiert sind. Begleit- Ressourcen optimal genutzt werden personal wird von uns geschult, um können. Die Interessenvertretung des adäquat kommunizieren und führen zu SBV engagiert sich für die Chancen- können. Und wenn Flugbegleiter an gleichheit, zum Beispiel im Bereich Bord nicht nur möglichst einfach und Zugänglichkeit. Ergeben sich daraus genau beschreiben, was sie gerade tun Bedürfnisse nach Sensibilisierungen und servieren, sondern nach dem Kauf und Schulungen, klären wir die eines Getränks auch noch das Rück- Anfrage und leiten sie an die jeweilige geld vorbildlich in die Hand zählen oder Sektion weiter. die Kartenzahlung exakt kommentieren Mit der Abteilung S&S soll einerseits – dann ist unsere Mission erfüllt. eine möglichst einheitliche Linie be- Die Gesellschaft muss mehr Lern- treffend Angebote etabliert, andererseits bereitschaft und Akzeptanz zeigen. die Unterstützung der Sektionen auf Lernen, wie man mit betroffenen der fachlichen, personellen und admi- Menschen kommuniziert, die Umge- nistrativen Ebene professionalisiert bung anpasst und sie begleitet. Akzep- werden. Wie wichtig eine umfassende tieren, dass es Gesetze gibt, die umge- Schulung der verschiedensten Berufs- setzt werden müssen. Adäquater und gruppen ist, zeigt sich am Beispiel respektvoller Umgang mit sehbehinder- einer Flugreise. Wir schulen Taxifahrer, ten und blinden Menschen ist lernbar! 23
Verbandsleben 25 Jahre Sektion Berner Oberland Roland Erne, Redaktor «der Weg» Am 8. April 1995 war es so weit: Im Spiezer Gemeindezentrum Lötschberg wurde in Anwesenheit von Verbandspräsident Hansburkard Meier, Regio- nalsekretär Felix Schneuwly sowie 34 Stimmberechtigten die SBV-Sektion Berner Oberland gegründet und Rösli Polgar zur ersten Präsidentin gewählt. Die diesjährige Generalversammlung (GV) von Anfang März war Anlass genug, das 25-jährige Bestehen im Beisein von Generalsekretär Kannarath Meystre zu feiern. Eine Bestandsaufnahme mit dem amtieren- den Präsidenten und vormaligen Vizepräsidenten Bruno Seewer. Die Gründung der Sektion kam selbst- Für den anlässlich der GV 2020 redend nicht aus dem Nichts. Eine von Vorstandsmitglied Reto Koller Arbeitsgruppe um Rösli Polgar leistete vor rund 50 Teilnehmenden und vielmehr wertvolle Vorbereitungsarbeit Gästen präsentierten Rückblick im mit Abklärungen in Sachen Bedarf und Zeichen des 25-Jahr-Jubiläums Interesse, nicht zuletzt auch mit Blick wiederum konnte er sich auf eine auf das weitläufige Gebiet der Sektion Arbeitsgruppe mit Sekretär Hans Bern. Im von Margaretha Kilchenmann, Amport verlassen. Gefragt war Seh- damals Vorstandsmitglied der Sektion vermögen, zumal es Jahresberichte Bern, unterzeichneten Protokoll zur und Protokolle auf Papier zu sichten Gründungsversammlung ist überdies und auszuwerten galt. nachzulesen: «Nachforschungen zu- folge hat es bereits früher einmal eine Fakten, Zahlen, Anekdoten Sektion Spiez gegeben.» Den somit Im Hinblick auf das historische Ereignis logischen Schritt in die Selbstständig- der Gründung nicht von ungefähr zu keit begründet Bruno Seewer ins- vermerken waren dabei grosszügige besondere denn auch mit dem Ver- Zuwendungen. Zum einen seitens weis auf eine «zersplitterte Region» SBV-Präsident Hansburkard Meier, der zwischen Innertkirchen-Meiringen- den Sektionen gemäss Gründungs- Hasliberg, Kandertal und dem bis zur protokoll «eine besondere Bedeutung französischen Sprachgrenze reichenden in unserem Verband» zumass, mit Saanenland. Auch im Wissen darum, einer Starthilfe von 5’000 Franken, dass sich der Hauptanteil einer kons- zum anderen seitens der Sektion Bern tant gebliebenen Anzahl von knapp mit einem bemerkenswerten Start- 150 Sektionsmitgliedern auf Thun kapital von 25’000 Franken. Die von und Umgebung konzentriert. Hanni Wüthrich als Tagespräsidentin 24
Verbandsleben geleitete Gründungsversammlung von 1995 konnte es so bei einem beschei- denen Mitgliederbeitrag von 15 Franken bewenden lassen, der bereits ein Jahr später indes auf 25 Franken angepasst wurde. SBV-Regionalsekretär Felix Schneuwly hingegen blieb es vor- behalten, «der neuen Sektion die nicht ganz einfachen Strukturen des Gesamtverbandes näherzubringen». Reto Kollers augenzwinkernder Kommentar dazu: «Das würdi üs vilich o hüt no guet tue …» Abgesehen von Fakten, die das Ge- deihen der Sektion mit Zahlen unter- mauerten, durften ähnlich verschmitzte Anekdoten auch sonst nicht fehlen. So etwa ist das erfreuliche Jahresergebnis 2000 nicht ohne 80 von der Kassierin verschickte Mahnungen zustande gekommen und sollten im Folgejahr zum Tag des Weissen Stocks (TWS) – ein Sonntag – Pfarreiverantwortliche für den Alltag von Blinden und Seh- behinderten sensibilisiert werden – mit offenbar überschaubarem Erfolg. Nicht unerwähnt bleiben sollten überdies ein Auto-Event mit gratis mitmachenden Fahrlehrern unter dem Motto «Blindes Vertrauen am Steuer» auf dem Flug- platz Interlaken (2008), ein legendärer Sektionspräsident Bruno Seewer Ausflug ins Emmental samt Besuch mit Vorstandsmitglied Reto Koller des «Kambly»-Fabrikladens in und Generalsekretär Kannarath Trubschachen (2016) oder die den Meystre, Ehrengast und Gründungs- Defiziten der letzten Jahre geschuldete mitglied Ursula Haller, Georges- Einführung von drei «Eiger», «Niesen» André Althaus, Präsident des und «Stockhorn» genannten Passiv- Lions Clubs Stockhorn, übergibt mitglieder-Kategorien (2018) mit bisher Bruno Seewer einen Check. mässigem Erfolg. Fotos: Yvonne Baldinini 25
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