Deutsche Gesellschaft zu Stockholm - Abschrift der Gedenkschrift zum hundertjährigen Bestehen 1962 - auf den Seiten der ...

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Deutsche Gesellschaft zu Stockholm

  Abschrift der Gedenkschrift zum hundertjährigen Bestehen 1962
Gedenkschrift
zum hundertjährigen
Bestehen der
Deutschen Gesellschaft
zu Stockholm

1962
        Diese Ansicht entspricht dem Original der Gedenkschrift

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Geschichtlicher Rückblick zum hundertjährigen Bestehen der

Deutschen Gesellschaft zu Stockholm.

                                           Obwohl das Jahr 1848 dem deutschen Volk weder in
                                           nationaler noch in sozialer Hinsicht das geschenkt hat,
                                           wofür es das Banner des Aufruhrs aufgerollt hatte, war
                                           die Verwirklichung der Grundsätze der nationalen Einheit
                                           und der bürgerlichen Freiheit doch nur eine Frage der
                                           Zeit.
                                           Der Ruf nach dem alle Deutschen umfassenden Reich
                                           übertönte      die     abgestandenen      Anpreisungen
                                           eigensüchtiger Kleinstaaterei und verursachte in den
                                           Grenzlandschaften Situationen, die ohne Machtmittel
                                           unlösbar schienen. So kam es im Südosten zum
                                           preußisch-österreichischen    Bruderkrieg     und    im
                                           Nordwesten zum Kampf um Schleswig und Holstein.

                                           Wie immer waren auch damals die Wirkungen
                                           innerdeutscher Strömungen im Auslandsdeutschtum
                                           nachhaltiger und extremer als in der Heimat selbst, was
                                           in den 1860er Jahren in Stockholm die erfreuliche Folge
                                           hatte, daß die aus allen Ländern und Stämmen dort
                                           zusammengeströmten Deutschen einander näherkamen
                                           und entsprechend dem Einigungsverlangen in der
                                           Heimat Unterschiede in Mundart und Sinnesart leicht zu
                                           überwinden vermochten.

                                           Zwar hatte seit 1851 die deutsche Gesellschaft
                                           „Concordia" bestanden, aber offenbar wurde sie nicht
                                           ganz den Wünschen der nach Neuem zustrebenden
                                           Jugend gerecht, denn sonst hätten sich wohl nicht am
                                           23. August des Jahres 1862 zwanzig Männer, deren
                                           Mehrzahl das 30. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte,
                                           zusammengetan, um die Deutsche Gesellschaft zu
                                           gründen. Der treibende Geist bei diesem Unternehmen,
                                           der in kluger Zurückhaltung nur zeitweilig das Amt des
                                           Schriftführers versah, war der 22 jährige Otto Blanck,
                                           dem es vergönnt war, noch das 50. Stiftungsfest zu
                                           erleben. Daß man die neue Vereinigung einfach
Drei prominente Stifter                    „Deutsche Gesellschaft" schlechthin nannte, zeigt, wie
                                           weit man Ziel und Programm zu stecken gesonnen war.
          Otto Blank
          Bernhard Franke
          Emil Eggers

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Stockholm zur Zeit der Gründung der Deutschen Gesellschaft            Foto: Stockholms stadsmuseum

Das erstemal traf man sich im Café Diana auf Djurgården, um einen vorläufigen Vorstand
zusammenzusetzen, und begann im Herbst 1862 mit Gesellschaftsabenden im Tyska Lejonet,
Skomakargatan 34, Ecke Tyska Brinken, einem Wirtshaus, das abgesehen von der bis ins
17. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte reichlich wenig zu bieten hatte, was dem
verheißungsvollen Start einer Vereinigung einen anziehenden und anregenden Rahmen gegeben
hätte. Nachdem man mehrere Gesellschaftsabende deswegen in das Restaurant der Freimaurerloge
auf Riddarholmen verlegt hatte, dessen Wirt ein Deutscher namens Hummel war, installierte man sich
Ende 1863 für ein Jahr im Hotel du Nord, um hernach wiederum zum Hummel zurückzukehren.
Im Sommer 1865 mietete man eigene Räume im Haus Österlånggatan 41, beschaffte durch
Aktienzeichnung der Mitglieder Mittel zur Möblierung, übersiedelte mit dem ganzen Inventar in
passendere Räumlichkeiten im Operahus, verblieb aber dort bloß bis 1873. In diesem Jahr verkaufte
man die Möbel, veranstaltete für den Erlös von etwa 400 SEK ein Fest und kehrte neuerdings zum
Hummel, der inzwischen Inhaber von Brunkebergs Hotel geworden war und seinem echt bayerischen
Bier zurück. Nach weiteren Irrfahrten auf der Suche nach einem geeigneten Lokal, wobei u. a. in
Franska Värdshuset, Hotel Kung Karl, Hamburger Börs, Grand Hotel und Tattersall vorübergehend
Station gemacht wurde, landete man endlich endgültig in dem angesehenen Hotel Rydberg auf dem
Gustav Adolfs Torg, wo jetzt das Haus der Skandinaviska Banken steht.

Dieser kaum zu überbietenden Unbeständigkeit bei Wahl des Lokals entsprach mitnichten dem
Verhalten bei anderen Vereinsangelegenheiten. Da ist von allem Anfang an eine Zielbewußtheit und
ein praktischer Blick zu beobachten. Von 1863 an hatte man alljährlich einen fünfgliedrigen Vorstand
gewählt. Die gleich bei Gründung aufgesetzten Satzungen erwiesen sich als wenig zweckmäßig, so
daß man 1865 mit viel Mühe und Sorgfalt eine neue Fassung redigierte, die bis 1953 in Kraft bleiben
sollte. Nationale Gedenktage, wie der Jahrestag der Schlacht bei Leipzig und Schillers Geburtstag,
wurden besonders gefeiert. Kegelabende auf Strömsborg waren Abwechslungen im Ablauf der
wöchentlichen Gesellschaftsabende, an denen zur Hebung des geistigen Niveaus und als Stoff für
Unterhaltung und Meinungsaustausch abonnierte deutsche Zeitungen und Zeitschriften auslagen und

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Bücher einer eigenen Bibliothek benutzt werden konnten. Man hatte auch schon seit 1864 die
Gepflogenheit, Mitglieder, die sich um das Gedeihen der Gesellschaft besonders verdient gemacht
hatten, durch Verleihung der Ehrenmitgliedschaft aus der Gesamtheit auszeichnend herauszuheben.
Einzig im Bereich der Finanzen ließ die Zielbewußtheit manches zu wünschen übrig.
Die Finanzlage der Gesellschaft wurde recht prekär. Schlimmstes wäre wohl kaum zu verhüten
gewesen, wenn in den Jahren 1868-70 nicht ein energischer Schatzmeister erfolgreich durchgegriffen
hätte; vielleicht war mit entscheidend, daß er den ominösen Namen Julius Ungewitter hatte.

Seit 1864 war Franz Heiß Mitglied der Gesellschaft, der Gründer der weitbekannten Hamburger
Bryggeri, der für jeden Abend ein Fäßchen seines Gebräus zur Verfügung stellte und damit sowohl die
Kosten senkte als auch die Stimmung steigerte. Weil man jedoch sehr bald zu beobachten vermeinte,
daß weibliche Bedienung zum Teil recht unangenehme Störungen verursache, bedang man sich
ausschließlich männliche Bedienung aus, damit die Deutsche Gesellschaft nicht ihren soliden
Charakter verlöre. Frühling 1864 verabschiedete man sich voneinander mit einer Theateraufführung im
Lokal des Mitglieds Berns, aus dem das heutige Restaurant Berns Salonger hervorgegangen ist.
Man wollte bei dieser Gelegenheit auch eine humoristische Zeitschrift starten, was sich jedoch wegen
Mangels geeigneter Beiträge als undurchführbar erwies. Bereits damals hatten sich um die Entfaltung
der Gesellschaft der Begründer der bekannten Damenartikel AG Hermann Meeths und der Seifen- und
Parfümeriefabrikant Ferdinand Grumme aufrichtig bemüht.

             Vaterländische Feier in der Deutschen Gesellschaft Ende der sechziger Jahre (1860)
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Als der Ausgang des Deutsch-französischen Kriegs von 1870/71 und der Tod Karls XV. 1872
Schwedens Einstellung zu Deutschland von Grund auf veränderten, hatte die Deutsche Gesellschaft
sich zahlenmäßig bereits vervierfacht. Die Gründung des zweiten Deutschen Reichs bewirkte eine
einheitliche diplomatische Vertretung der Heimat, und der Regierungsantritt Oskars II. leitete eine
Periode schwedisch-deutscher Freundschaft ein, die bis in die dreißiger Jahre währen sollte.
König Oskars offizieller Besuch in Berlin 1875 war der Auftakt eines neuen außenpolitischen Kurses,
der auch im Innern seinen Niederschlag fand. Damals wurde das Deutsche zur ersten Fremdsprache
an Schwedens Oberschulen erhoben, erst 1945 mußte es dem Englischen weichen. Schon 1872
stattete der deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere Kaiser Friedrich III. Stockholm einen
Besuch ab, ein Ereignis, das für die Deutschen der Mälarstadt nicht ohne Bedeutung war.
Der hohe Gast empfing den Vorstand der Deutschen Gesellschaft in Audienz, sie war damit, wenn man
so sagen darf, hoffähig geworden. Seit der Gründung waren gerade zehn Jahre verstrichen.

Obwohl die Deutsche Gesellschaft satzungsgemäß bloß eine Vereinigung zur Pflege von Geselligkeit
und deutscher Art war, machte sich recht bald die das ganze Jahrhundert vorhandene Einstellung
geltend, in Fällen von Not und Bedrängnis helfend und fördernd einzuschreiten. So wurden 1870/71
Sammlungen für das deutsche Heer durchgeführt und beteiligte man sich mit erheblichen Beträgen an
den Hilfsmaßnahmen für die Opfer der Sturmflut von 1872 an der deutschen Ostseeküste.
Um diesem karitativen Wirken in Stockholm eine organisatorisch festere Grundlage zu bieten, wurde
auf Anregung der Deutschen Gesellschaft der „Deutsche Hülfsverein von 1876" gegründet, zu dem
sie stets nahe und gute Beziehungen unterhielt; ihre Vorstandsmitglieder sowie ihre meisten Mitglieder
gehörten immer zugleich dem Hülfsverein an, und zwar oft in leitenden Stellungen.

Im Lauf der 1870er Jahre war ein weiteres Anwachsen der Mitgliederzahl und des sozialen
Ansehens zu beobachten. Man hielt es für angebracht, ein engeres Zusammengehen mit den übrigen
deutschen Vereinen nicht in Erwägung zu ziehen, konsolidierte sich finanziell, legte sogar einen
Reservefonds an und veranstaltete 1876 den ersten repräsentativen Ball im Grand Hotel.

Das Ansehen der Deutschen Gesellschaft trat auch deutlich zutage, als sich im Jahre 1876 das
Deutschtum in aller Welt anschickte, den 80. Geburtstag Kaiser Wilhelms I. festlich zu begehen, und
sie zu einem großen Essen einlud, an dem die deutschen Diplomaten offiziell teilnahmen und bei dem
sich auch schwedische Prominente eingefunden hatten. Obwohl also die Deutsche Gesellschaft seit
1876 unbestritten die Führung innehatte, kann man nicht behaupten, daß ihr alles zuströmte, was
Namen und Geld hatte. Die Mitgliederzahl hielt sich um 90. Mitglieder mit akademischen Titeln waren
bis in die 1880er Jahre eine Ausnahme. Die Abhaltung von Vorträgen bereicherte erst nach der
Jahrhundertwende den Inhalt der einzelnen Gesellschaftsabende.

Drei Tatsachen verraten mittelbar Niveau und Gesichtskreis des damaligen Gesellschaftsbetriebs: an
Tageszeitungen hatte man bloß „Kölnische Zeitung" und „Aftonbladet" abonniert, an Magazinen bezog
man nur die „Gartenlaube", den „Kladderadatsch", „Ueber Land und Meer" und die „Meggendorfer
Blätter"; um eine bessere Unterhaltung zu ermöglichen und vielleicht mehr neue Mitglieder zu
gewinnen, beschloß man März 1883, an jedem ersten Gesellschaftsabend im Monat vom Kartenspiel
abzusehen; im Mai desselben Jahres schenkte man den Bücherschrank mitsamt den Büchern der
deutschen Schule in Stockholm, weil die Bücher für die Gesellschaft doch von keinem Nutzen wären.

Zu den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Stockholm angesiedelten Familien, die einen
wichtigen Faktor zugunsten der deutschen Kultur und des deutschen Rufes darstellten, gehörten die
ersten Träger der Namen Warburg aus Hamburg und Sachs aus Meinigen; die Warburgs, später

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bekannt als Vordergrundsfiguren im Bankwesen, die Sachs als Schöpfer des Großunternehmens
Nordiska Kompaniet. 1872 wurde als erster seiner Familie David Fraenckel aufgenommen; der Mäzen
und Chef der Svenska Handelsbanken Louis Fraenckel wurde 1877 im Alter von 26 Jahren
Gesellschaftsmitglied.

Seit 1876 hatte es sich eingebürgert, daß die Deutsche Gesellschaft Kaisers Geburtstag mit einem
festlichen Bankett beging. Dies war die einzige Veranstaltung, zu der neben schwedischen Gästen
auch Herren der anderen deutschen Vereine eingeladen wurden. Trotzdem war man damals noch sehr
weit davon entfernt, mit diesen Vereinen auch sonst irgendwelchen Kontakt aufrechtzuerhalten.
Besonders glänzend wurde der 90. Geburtstag Kaiser Wilhelms I. am 22. März 1887 im Hotel Rydberg
gefeiert. Das Präsidium mußte allerdings an diesem Abend der Zeremonienmeister übernehmen, weil
die beiden Vorsitzenden vom damaligen Gesandten von Pfuel zum Diner gebeten waren. Es war eine
die Deutsche Gesellschaft ostentativ auszeichnende und sozial herausstreichende Geste, daß nach
beendetem Diner der Gesandte mit den beiden Vorsitzern und seinen übrigen Gästen im Hotel
Rydberg erschien. Daß die Stimmung unter den Mitgliedern dementsprechend sehr gehoben war,
versteht sich von selbst. Im darauffolgenden Oktober wurde ebenfalls im Hotel Rydberg das
25jährige Bestehen der Deutschen Gesellschaft festlich begangen, bei welcher Gelegenheit dem
Mitbegründer und langjährigen Vorsitzer Franz Heiß in dankbarer Anerkennung seiner Verdienste um
den Verein ein von den Mitgliedern gestifteter silberner Tafelaufsatz als Ehrengabe überreicht wurde.
Das Jahr darauf nahm man mit tiefer Trauer den Tod des alten Kaisers und denjenigen Kaiser
Friedrichs III. zu Kenntnis; im Jahre 1897 ließ die Deutsche Gesellschaft an dem neu eingeweihten
Kaiser Wilhelm- Denkmal vor dem Berliner Schloß einen Kranz niederlegen.

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Speisekarte zum 25jährigen Stiftungsfest der Deutschen Gesellschaft

         Hotel Rydberg, Gustav Adolfs Torg                                  Foto: Stockholms stadsmuseum

Der doppelte Wechsel auf dem deutschen Kaiserthron, die Verabschiedung Bismarcks und besonders
das Vorherrschen der Deutschkonservativen Partei blieben nicht ohne Rückwirkungen auf die
Deutsche Gesellschaft zu Stockholm. Gegen und um die Jahrhundertwende wehte in ihren Reihen ein
schärferer Wind, der Ton der Protokolle wurde schneidiger und forscher, auf Kosten der geistigen
Bindungen zum schwedischen Gastland sind Ansätze zu einer gewissen Exterritorialisierung nicht zu
verkennen. Man schien von den schweren innenpolitischen Auseinandersetzungen Schwedens im
Zusammenhang mit dem Kampf um das allgemeine Wahlrecht wie auch von dem sich stetig
vertiefenden Riß in der schwedisch- norwegischen Union wenig berührt zu sein.

Die Gastwirtschaften wurden weiterhin andauernd gewechselt; vornehmlich tagte man im Hotel
Rydberg, im Hotel Continental und im Grand Hotel, insgesamt Lokale erstklassigen und repräsentativen
Rangs. Die Mitgliederzahl vermochte man bis über 100 hinaufzuschrauben. Nun traten bereits die
Söhne der ersten Generation auf den Plan, allerdings nicht in der Mitgliederanzahl, die man hätte
erwarten sollen. Die Verschmelzung der deutschen Handels-, Finanz- und Industriepionierfamilien der
1870er bis 1890er Jahre mit dem Gastlande setzte schon bei den ersten im Lande geborenen Kindern
fühlbar ein. Die Rechtsradikaliserung der großbürgerlichen Kreise in Deutschland machte man bloß
zaghaft und reichlich äußerlich mit; z. B. beschloß man 1889, den Zeremonienmeister von da an
Schaffner zu nennen, ein mißglücktes Zugeständnis an die politisch inspirierte Fremdwortbekämpfung,
das allerdings recht bald widerrufen worden ist. Berufsmäßig griff um 1900 insofern eine gewisse
Vielfalt Platz, als neben Kaufleuten, Bankiers und Fabrikbesitzern sich nun auch einzelne Ingenieure,
Ärzte und Künstler um die Aufnahme bewarben.

Es war ein glückliches Omen für die Deutsche Gesellschaft im neuen Jahrhundert, daß 1901 als
erster Gelehrter Hans von Euler-Chelpin Gesellschaftsmitglied geworden ist, Nobelpreisträger des
Jahres 1929. Ein nicht minder glückliches Omen war der Beschluß, auch Gesellschaftsabende mit
Damen vorzusehen.

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Um jene Periode der Jahrhundertwende plastischer hervortreten zu lassen, seien einige damalige
Mitglieder mit Namen und Lebenswerk erwähnt. Die Brüder Grumme waren die Schöpfer von
Barnängens Tekniska Fabriker, Heinrich Grüder hatte als Vertreter von Champagner Kupferberg die
Fuhrmannsche Weingroßhandelstradition in der Stadt zwischen den Brücken fortgesetzt, auf Erich
Dingel geht das Großunternehmen Kifa zurück. Die Rügheimer und die Traugott waren Konfektionäre,
Carl Stein war Mitarbeiter bei Nordiska Kompaniet. Die Familien Stavenow und Lichtenstein bescherten
in den folgenden Generationen dem schwedischen Volk Gelehrte von Rang.

Als Brauereidirektor Franz Heiß sich aus gesundheitlichen Gründen veranlaßt sah, nach 20jährigem
Wirken 1895 den Vorsitz in der Deutschen Gesellschaft niederzulegen, war ihm die Ehrenmitgliedschaft
zuteil. Erst 60 Jahre alt starb er drei Jahre später. Mit seinem Nachfolger Bankier Carl Becker
übernahm für zehn Jahre die vielleicht markanteste Persönlichkeit der ganzen hundert Jahre das
Steuer der Deutschen Gesellschaft. In über alles Lob erhabener Weise verwaltete er das Amt des
l. Vorsitzenden, stets zur Hand mit Anregungen sozialer, gesellschaftlicher und geistiger Art und nie
verlegen mit Geschenken und Zuwendungen finanzieller Art. Allerdings war keinem anderen
Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft wie ihm vergönnt, während eines Zeitraums das Amt
innezuhaben, da Wirtschaft und Politik derart günstige Voraussetzungen für ein gedeihliches und
beschauliches Wirken boten und weder Schwedens noch Deutschlands Horizont verdüstert war von
aufziehendem sozialem oder sogar weltanschaulichem und kriegsdrohendem Gewölk.

Carl Beckers erste großangelegte und repräsentative Veranstaltung war das Fest anläßlich des
25jährigen Bestehens des Deutschen Reichs am 18. Januar 1896. Zu dem Bankett im Grand Hotel
wurden auch die Mitglieder der anderen deutschen Vereine geladen. Der deutsche Gesandte Graf von
Bray-Steinberg hielt die Festrede und überreichte eine von Becker gestiftete Kopie des Anton von
Wernerschen Ölgemäldes „Die Kaiserproklamation in Versailles".

In der Beckerschen Periode liegen Anzeichen für den Wunsch vor, die Deutsche Gesellschaft
gleichwertig neben die Alliance Francaise und die English Society zu stellen, mit anderen Worten aus
dem     ursprünglichen      Zusammenschluß       in   Stockholm      seßhafter      Deutscher   zum
Zwecke froher Geselligkeit und Pflege deutscher Art und Sitte ein der Hebung deutschen Ansehens
dienendes repräsentatives Forum der Vertretung des Deutschen Reichs werden zu lassen.

Auf eine Anregung Carl Beckers ging auch zurück, daß zwölf stimmlich begabte Mitglieder sich zur
Pflege des Quartettgesangs regelmäßig zusammentaten. Dank den Mühen des Gesellschaftsmitglieds
Julius Wibergh, der Musikdirektor an der Deutschen Kirche war, war es möglich, daß diese Sänger eine
Programmnummer des 40. Stiftungsfestes bestreiten konnten, das am 15. November 1902 im Hotel
Continental abgehalten wurde, wohin man 1901 für ein Jahrzehnt übergesiedelt war.

                              Eine weitere und ohne Zweifel die wichtigste und denkwürdigste
                              Programmnummer war die Überreichung einer künstlerisch
                              ausgeführten mannshohen Standarte an die Gesellschaft durch den
                              Spender und Vorsitzenden Carl Becker: auf der Vorderseite die Farben
                              schwarz-weiß-rot mit dem Adler des neuen Reichs in der Mitte,
                              umgeben von dem Namen der Gesellschaft, auf der weißen Rückseite
                              in schwedischen Farben das Monogramm DG in der Mitte, eingerahmt
                              von einem Eichenkranz und darunter der von Carl Becker gewählte
                              Wahlspruch: „Seid einig, einig, einig"

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Seither stand diese Standarte in Miniaturausführung bei jeder Gesellschaftsveranstaltung vor dem
Präsidium. So wurde Beckers Wahlspruch zu dem Wahlspruch der Gesellschaft, und das Monogramm
mit Eichenkranz und Wahlspruch schmückte alle Briefschaften der Gesellschaft. Das Gesangsquartett
allerdings hatte wesentlich kürzere Lebensdauer, geeignete Stimmen waren nicht immer vorhanden.

         Programm und Umschlag zum 40jährigen Stiftungsfest der Deutschen Gesellschaft

                                                                                           Seite 10
Als Carl Becker 1905 auf eigenen Wunsch von seinem Amt als Vorsitzender zurücktrat, wurde er zum
Ehrenmitglied gewählt. Bereits 1907 schied er aus dem Leben, von der Deutschen Gesellschaft tief
betrauert. Seine Witwe überreichte der Deutschen Gesellschaft den Betrag von 10.000 Sek., dessen
Zinsen dem jeweiligen Vorstand im Interesse und zur Hebung des Ansehens der Gesellschaft zur
Verfügung stehen sollten. Es war ein schöner Akt der Dankbarkeit und der Pietät, daß die Gesellschaft
viele Jahre Carl Becker an seinem Todestag einen Kranz aufs Grab legte.

Den 1oo. Geburtstag Helmut von Moltkes 1900, den 100. Todestag Friedrich von Schillers 1905, den
Besuch eines deutschen Geschwaders und einer deutschen Regierungsabordnung zum Abschluß
eines deutsch-schwedischen Handelsvertrags im gleichen Jahr nahm man zum Anlaß größerer
Festlichkeiten, zu welchen von Fall zu Fall die übrigen deutschen Vereine eingeladen wurden, die sich
zu einem Gesamtverein zusammengeschlossen hatten. Die Deutsche Gesellschaft hielt sich
außerhalb,     da   sie   ihre   vermeinte      Sonderstellung   nicht   aufzugeben    bereit    war.
Schon in früheren Jahren fanden ab und zu Weihnachtsfeste für Kinder statt, nun veranstaltete man
solche mit Damen und fügte ihnen einen Tanz an, so daß auf diese Weise auch den Erwachsenen ein
Vergnügen bereitet wurde. Schließlich wurden auch die alljährlichen Skatwettspiele mit einem
Wanderpreis üblich. Als am 27. Januar 1906 der Geburtstag Kaiser Wilhelms II. festlich begangen
wurde, machte Ehrenmitglied Carl Becker den Vorschlag, aus Anlaß der bevorstehenden silbernen
Hochzeit des Kaiserpaares eine Sammlung für das „Deutsche Heim", das Altersheim der Deutschen
Gemeinde in Stockholm, zu veranstalten, die gleich am Festabend 1.200 SEK und im Laufe eines
Monats 5.000 SEK ergab. Als das Kaiserpaar Frühling 1908 auf dem Stockholmer Schloß zu Besuch
weilte, wurde durch Vermittlung des damaligen Gesandten Grafen von Pückler der Vorstand der
Deutschen Gesellschaft in Audienz empfangen. Die Offiziere der deutschen Begleitschiffe wurden von
der Deutschen Gesellschaft zu Diner und Ball nach dem Restaurant Hasselbacken eingeladen.

Festmahl zur Feier des Geburtstages seiner Majestät des Kaisers Wilhelm II, 27. Januar 1903

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Mit dem 1908 gewählten neuen Vorstand, dessen l. Vorsitzender Adolf Burchard war, kam als ll.
Vorsitzender der Großkaufmann Max Däumichen in den Vordergrund des Gesellschaftsgeschehens,
ein Mann aufrechten Charakters, echt deutscher Art und nüchternen Handelns, der in den kommenden
Jahrzehnten sich um die Deutsche Gesellschaft und Stockholms Deutschtum überhaupt sehr verdient
machen sollte. Damals war er k. u. k. Generalkonsul, ein Umstand, der bestimmt wesentlich dazu
beigetragen hatte, daß die Deutsche Gesellschaft zur österreichisch-ungarischen Gesandtschaft in
nähere Beziehungen trat, deren Mitglieder von da an oft mit ihren Damen Gäste der Gesellschaft
waren.

Gleich nach Kaisers Geburtstag wurde Februar 1909 ein von langer Hand vorbereiteter Ausflug nach
Djursholm unternommen, um dort dem Rodelsport zu huldigen und unmittelbar darauf die frierenden
Glieder durch Tanz zu erwärmen.

Auf Anregung der Leitung der Stockholmer Kunstgewerbe-Ausstellung veranstaltete die Deutsche
Gesellschaft gelegentlich der Einweihung der Fährverbindung Saßnitz- Trelleborg Juli 1909 im
Ausstellungs-Restaurant ein Frühstück, bei dem unter Vorsitz des deutschen Gesandten Grafen von
Pückler viele hohe schwedische Persönlichkeiten, wie Stockholms Oberstatthalter Dickson, die
Vertreter der Eisenbahndirektion und der Vorstand der Ausstellung mit seinem Präsidenten
Landshövding       Svedelius,    mit   den    deutschen    offiziellen Persönlichkeiten   von    den
Eröffnungsfeierlichkeiten der neuen deutsch schwedischen Verbindung zusammentrafen.
Noch im gleichen Monat ging die erste deutsche Torpedobootsflottille auf Strömmen vor Anker.
Von den Mannschaften wurden 200 auf Skansen umhergeführt und dort bewirtet, abends fand für die
Offiziere, unter denen sich Prinz Adalbert von Preußen befand, ein Essen auf Hasselbacken statt.

Bezeichnenderweise hielt ein Herr der Gesandtschaft, der nach Stockholm kommandierte
Oberleutnant Dr. Frahne, als erster Vorträge an Gesellschaftsabenden. Sehr bald folgten ihm Mitglieder
der Gesellschaft und der Gesandtschaft. Es bürgerte sich so ein Brauch ein, der einst eines der
Hauptverdienste der Deutschen Gesellschaft um Verbreitung und Vertiefung von deutschem Wissen
und Können werden sollte. Gesandter Graf von Pückler, der des öfteren tätiges Interesse an der
Deutschen Gesellschaft bekundet hat, wurde Ende 1909 gebeten, das Ehrenpräsidium der Gesellschaft
zu übernehmen, eine Gepflogenheit, die bis in die Jahre des Zweiten Weltkriegs in Übung blieb.
Seinem Nachfolger Herrn von Reichenau wurde gleich nach Antritt seines Dienstes als Gesandter der
Ehrenvorsitz übertragen.

Weitere Ehrungen erfolgten am 1. März 1910, an dem man die damals noch lebenden Gründer der
Deutschen Gesellschaft, die Herren Otto Blanck, Emil Eggers und Bernhard Francke, in Würdigung
ihrer bald fünfzigjährigen Treue zur Gesellschaft zu Ehrenmitgliedern wählte.

Von den damals eingetretenen Herren seien namentlich genannt der Eisenindustrielle und
Schriftführer Hermann Facklam, die Großindustriellen Gebrüder Sievert, Gründer und Inhaber des
Kabelwerks in Sundbyberg, der Molkereifachmann und Zeremonienmeister Friedrich Benzinger, der
Großkaufmann Hermann Zeidler, der Arzt Dr. Willy Michael, der Philologe Dr. Ernst A. Meyer und der
Spielleiter Jacques Goldberg. Akademiker bewarben sich nun in größerer Zahl um die Mitgliedschaft,
durch Einladung von Journalisten wurde für größere Publizität der Veranstaltungen Sorge getragen.

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Das 50. Stiftungsfest am 23. November 1912 ist ohne Zweifel der Höhepunkt in der
Gesamtgeschichte der Deutschen Gesellschaft. Sie zählte 140 Mitglieder, hatte das Jahr zuvor eigene,
gemütlich und glänzend eingerichtete Räume im Grand Hotel Royal bezogen und war finanziell
außerordentlich gut gestellt. Ihr Ehrenvorsitzender, der deutsche Gesandte von Reichenau, ein mit
ganzem Herzen vaterländisch fühlender und in seiner Ausdrucksweise Kernigkeit liebender Herr,
vertrat am schwedischen Hof das Reich auf dem Gipfel seiner Macht und in souveräner Verfügung über
ein jedem Wettbewerb gewachsenes Wirtschaftspotential. Die Deutsche Gesellschaft erachtete es als
eine ihrer Aufgaben, ein würdiger Repräsentant dieses Reichs zu sein. Sie war jedoch in
organisatorischer Beziehung ganz und gar selbständig, diente aus freien Stücken dem Mutterland und
durfte sich in ihrem vereinsmäßigen Tun und Lassen völlig unabhängig fühlen.

Auf imponierende Weise sorgten die Mitglieder selbst für das Festprogramm: Herr Wibergh
komponierte den Festmarsch, Herr Frahne dichtete den Festprolog, Herr Goldberg inszenierte die
Lebenden Bilder, und Herr Facklam verfaßte die Festschrift. Gesandter von Reichenau hielt die
Festansprache, überreichte Ölgemälde der drei damals noch lebenden Gründer und Ehrenmitglieder
der Gesellschaft, stellte der Gesellschaft einen durch Spenden zusammengekommenen Betrag von
50.000 SEK als Grundfonds für ein eigenes Vereinshaus zur Verfügung und beehrte verschiedene
Vorstandsmitglieder mit hohen deutschen Ordensauszeichnungen. Über 250 Personen waren zugegen.
Die Deutschen Gesellschaften in Helsingfors und Kristiania hatten Abordnungen geschickt.

Das Gesellschaftsjahr 1913 begann mit Kaisers Geburtstag. Es folgte im Februar eine
Kinematographenvorstellung mit anschließendem Tanz. Im Juni wurde festlich des 25jährigen
Regierungsjubiläums Kaiser Wilhelms II. gedacht und die Offiziere des in Stockholm vor Anker
gegangenen deutschen Kriegsschiffs „Hertha" wurden auf Hasselbacken zu einem Diner eingeladen.
Der beim 50. Stiftungsfest inaugurierte Baufonds war mittlerweile bis auf fast 100.000 SEK
angewachsen. Es erwies sich als nötig, für ihn eigene Satzungen abzufassen.

           Stiftungsfest im Spiegelsaal des Grand Hotel

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Am Vormittag des 18. Oktober 1913, des 100. Gedenktages der Völkerschlacht bei Leipzig, wurde
von den beiden Vorsitzern der Deutschen Gesellschaft ein Kranz auf den Sarkophag König Karls XIV.
Johan in der Riddarholmskyrka niedergelegt, der ja 1813 als Kronprinz mit seinen schwedischen
Truppen im Norden von Leipzig mitgekämpft hatte. Hierbei wurden die Herren der Königin Viktoria, dem
Kronprinzen Gustav Adolf und der Prinzessin Ingeborg vorgestellt; die Königin dankte für das durch die
Kranzspende bekundete Interesse der Deutschen Gesellschaft. Am gleichen Abend feierte die
Deutsche Gesellschaft die Erinnerung dieses Tages durch ein zahlreich besuchtes Festbankett auf
Hasselbacken. Gesandter von Reichenau hielt die Festrede, die, wie es im Protokoll heißt, mit ihrem
von heißer Vaterlandsliebe geprägten Inhalt und der dem Redner in so überreichem Maße eigenen
kernigen Vortragsweise bei sämtlichen Anwesenden einen tiefen Eindruck hinterließ.
Zur Dekoration des Saales war im Atelier des Dekorationsmalers C. Grabow ein großes Bild über das
Denkmal angefertigt worden, das allgemeinen Beifall fand und bei späteren Gelegenheiten ebenfalls
zur Anwendung kam. Um nach Möglichkeit alle in Stockholm ansässigen Deutschen bei diesem Fest zu
sammeln, wurden die übrigen deutschen Vereine eingeladen. Der Einladung wurde zahlreich Folge
geleistet, die Mitglieder des Gesangvereins „Frohsinn" unterhielten bei dem auf das Abendessen
folgenden Bierkommers die Anwesenden durch Vortrag von vierstimmigem Männergesang und
ernteten lebhaften Beifall.

Der Gesellschaftsbetrieb des Jahres 1914 nahm den nun schon üblichen Verlauf, - im Januar
Kaisergeburtstagsfeier, die regelmäßigen Gesellschaftsabende, im März Blumen für Königin Viktoria zu
ihrem Namenstag -, da machte der Ausbruch des Ersten Weltkriegs alledem ein Ende.
Schweden wurde zwar nicht in den Zusammenprall der Gewalten hineingezogen, nahm jedoch von
allem Anfang an tätigsten Anteil an karitativem Wirken, und mit ihm und in ihm die Deutsche
Gesellschaft. Gleich nach Kriegsbeginn wurden die aus Rußland ausgewiesenen und vertriebenen
Deutschen auf ihrer Durchreise in die Heimat betreut. Eine freiwillige Zusammenkunft der Mitglieder am
19. August 1914 setzte Richtlinien auf, die dann der Vorstand bei seinen Beschlüssen, Maßnahmen
und Anregungen strikt beobachtet hat. Aus dem Baufonds wurden 100.000 M Kriegsanleihe
gezeichnet, dem Deutschen Roten Kreuz wurden 14.000 M überwiesen, für Soldaten- und
Marineheime wurden über 25.000 M und für die Hinterbliebenennationalstiftung wurden etwa
150.000 M gesammelt. Man nahm sich warm der geretteten Besatzung des 1915 von den Russen bis
an Gotlands Küste verfolgten Kreuzers „Albatros" an und bewirtete und beschenkte die deutschen
Austauschinvaliden aus Rußland während eines längeren Aufenthaltes in Hallsberg. Man beteiligte sich
auch 1917 an der Aktion des Erzbischofs Nathan Söderblom, Andachtsbücher den deutschen und
österreichisch-ungarischen Gefangenen in Sibirien zukommen zu lassen. Bei all diesem Wirken durfte
die Deutsche Gesellschaft auf warmes Verständnis von Seiten der Königin Viktoria rechnen.

Es versteht sich von selbst, daß während des Krieges weder Kaisergeburtstagsfeiern noch
Stiftungsfeste abgehalten wurden. Statt der Geburtstagsfeiern fanden einfache Essen statt, an denen
neben den deutschen Diplomaten das eine oder andere Mal auch österreichisch-ungarische, türkische
und bulgarische Diplomaten teilnahmen. Die Beträge, die sonst für die Stiftungsfeste der Gesellschaft
verausgabt wurden, floßen nun der Kriegswohlfahrt zu. Von den 19 Gesellschaftsmitgliedern, die im
deutschen Heer Kriegsdienst leisteten, sind drei den Heldentod gestorben. Im Jahre 1918 wurde der
gesamte Vorstand der Gesellschaft anläßlich des Namenstages von Königin Viktoria in Audienz
empfangen.

So traurig und erschütternd das Ende des Ersten Weltkriegs für das deutsche Volk war, für die
Deutsche Gesellschaft gab es in jenen trüben Herbsttagen des Jahres 1918 und im folgenden Notjahr
1919 alle Hände voll zu tun. Trotz dem ungeheuren Rückschlag für das Deutschtum im internationalen

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Leben, vermochte die Deutsche Gesellschaft zu Stockholm ihre soziale Stellung zu behaupten und
brauchte damals keinen kritischen Engpaß zu passieren. Die Deutsche Gesellschaft konnte
unverändert und unbeirrt ihre Vereins- und Vortragstätigkeit fortsetzen, zählte 1920 sogar 200
Mitglieder, eine nur dieses eine Mal erreichte Höchstzahl.

             Gesellschaftsabend im Grand Royal

Selbstverständlich fand in der Nachkriegszeit angesichts der großen Not und der einsetzenden
Geldentwertung in Deutschland die Hilfs- und Unterstützungswirksamkeit eine Fortsetzung.
Man beteiligte sich an der Aktion, unterernährte deutsche Kinder in schwedischen Familien zur
Erholung und Kräftigung unterzubringen, bedachte Erholungs- und Genesungsheime wie auch andere
einschlägige Organisationen in Deutschland mit namhaften Spenden und beteiligte sich an der
Volksspende für Kriegs- und Zivilgefangene mit 19.000 SEK. Weiterhin wurden finanziell gefördert der
Verein für das Deutschtum im Ausland und die 1920 in Berlin gegründete Vereinigung zur Pflege der
deutsch-schwedischen Beziehungen, die u. a. deutsche Gelehrte, wie Adolf von Harnack, Eltern von
Schwedenkindern und in Berlin lebende Schweden als Mitglieder hatte. Im Zuge all dieses humanitären
Wirkens entwickelte sich eine recht fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Deutschen Verein in
Helsingfors, dem Deutschen Verein in Kristiania und dem Deutschen Club in Kopenhagen.

Von 1919 an feierte man wiederum die Stiftungsfeste im Grand Hotel Royal, das bis auf die Jahre
1922-25 der Ort der regelmäßigen Zusammenkünfte war; zum Stiftungsfest des Jahres 1920 hatte man
Elsa Brändström eingeladen, die jedoch wegen ihres schwerkranken Vaters leider verhindert war.
Mitunter wurden da kleine Theaterstücke aufgeführt. Es bürgerten sich auch wieder zu Jahresende die
Weihnachtsfeste für die Kinder der Mitglieder und die lustigen Eisbeinessen ein, die man gern beim
Mitglied Ludwig Blievernich im Rådhusrestaurant absolvierte. Herbst 1924 wurde das erstemal der
Alt-Herren-Abend gefeiert, der von da an eine ständige Einrichtung geworden ist; den 25 Jahre lang
der Gesellschaft angehörenden Mitgliedern wurde da ein silberner Ehrenbecher überreicht.
Am ersten Abend kamen nicht weniger als 17 Herren in Betracht, da damals viele schon länger als 25
Jahre Mitglied gewesen waren. Schließlich möge noch vermerkt werden, daß damals der Brauch
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aufgekommen ist, für Anfang November ein Martinsgansessen anzuberaumen, das gewöhnlich sehr
gut besucht und meist mit einer Lotterie und Stiftungen zu wohltätigen Zwecken verbunden war.

Von den in den 1920ger Jahren neu hinzugekommenen Mitgliedern seien namentlich erwähnt der
neue katholische Bischof Johannes Erik Müller, der Vertreter von I. G. Farben Dr. Ing. Herbert Lickfett,
der Vertreter von Friedrich Krupp Ludwig Bamberger, der Hotelier Paul Meier und der Bäckermeister
Paul Fromme.

Die Zusammenarbeit mit der neuen deutschen Gesandtschaft ließ sich von allem Anfang an
vielverheißend an. Der erste Gesandte der Republik Rudolf Nadolny übernahm wie seine kaiserlichen
Vorgänger den Ehrenvorsitz der Deutschen Gesellschaft. Seiner Initiative und seinen Bemühungen war
es zu danken, daß sich die Feier des 50. Gründungstages des Deutschen Reichs zu einer
unausgesprochenen Huldigung der Einheit des Reichs gestaltet hatte, die als wertvollstes Unterpfand
die Katastrophe von 1918 überdauert hat. Die Gesandtschaft forderte alle deutschen Vereine
Stockholms zur Teilnahme auf und versuchte, die Deutschen im allgemeinen durch Zeitungsinserate zu
erfassen. Die Feier wurde in den Saal der Musikalischen Akademie verlegt, um allen Interessenten
einen Platz zu sichern und dem äußeren Rahmen ein würdigeres Gepräge zu geben.
Die Besucher kamen zu dieser Feier in besonders großer Zahl - eine deutliche Demonstration der
Deutschen für ihre Heimat. Die Festansprache hielt der Gesandte, den Festvortrag der Presseattache
der Gesandtschaft, Prof. Dr. Schubotz.

Von 1921 an war die Reichsgründungsfeier am 18. Januar im großen Saal der Musikalischen
Akademie ein alljährlich wiederkehrendes Ereignis für alle deutschen Vereine und alle Deutschen
überhaupt in Stockholm. Nur gingen Vorbereitung und Veranstaltung der Feier von der Gesandtschaft
auf die Deutsche Gesellschaft über. Von da an zeichneten sich die ersten Ansätze zur Bildung eines
Dachgebildes für alle deutschen Vereine ab. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft, seit 1924
Generalkonsul Däumichen, begrüßte die Anwesenden namens aller deutschen Vereine; als Festredner
fungierten u. a. Gelehrte von internationalem Ruf wie die Professoren Erich Marcks und Willy Andreas,
und bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie Gouverneur a. D. Dr. Schnee.
Die Festansprache hielt der deutsche Gesandte, seit 1925 Herr von Rosenberg, der auch wiederum
den Ehrenvorsitz der Deutschen Gesellschaft übernommen hatte.

Seit den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hatte die Deutsche Vereinigung mit zwei anderen
deutschen Vereinen ein eigenes Lokal und bildete mit diesen einen Verband deutscher Vereine.
Als die Deutsche Gesellschaft 1922 für drei Jahre vom Grand Hotel Royal nach dem Restaurant
Rosenbad übergesiedelt war, wurde auch die Möglichkeit erörtert, das Lokal des Verbandes
mitzubenutzen, man hielt dies jedoch für unangebracht. In Verhandlungen über einen
organisatorischen Zusammenschluß der Stockholmer deutschen Vereine kam man vor allem deswegen
nicht richtig weiter, weil die Deutsche Gesellschaft wegen ihres langen Bestehens und Ansehens es für
nötig erachtete, daß ihr in dem Zusammenschluß eine ihr gebührende bevorzugte Stellung eingeräumt
werde. Bei diesen Verhandlungen spielte der für Berliner Tageblatt und Frankfurter Zeitung wirksame
Journalist Walter Singer eine wichtige Mittlerrolle, weil Singer Mitglied sowohl der Deutschen
Gesellschaft als auch der Deutschen Vereinigung war. Am 8. Mai 1928 wurde der Ausschuß der
Deutschen Vereine in Stockholm gegründet, in den neben der Deutschen Gesellschaft und der
Deutschen Vereinigung noch acht Vereine ihre Vertreter entsandten und dem auch der Hauptpastor der
Deutschen Gemeinde angehörte. Leiter des Ausschusses war der 1. Vorsitzende der Deutschen
Gesellschaft. Sehr bald kam als Name für diesen Zusammenschluß der Begriff Kolonie auf, der jedoch
insofern falsche Vorstellungen erweckte, als dieser Ausschuß unabhängig von der deutschen

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Gesandtschaft und ohne die geringste Beeinflussung von Deutschland aus wirksam war. Dies sollte
allerdings in den 1930ger Jahren um so mehr in Erscheinung treten.

Nach den ersten Nachkriegsjahren war 1924 eine finanzielle und vereinsmäßige Konsolidierung der
Deutschen Gesellschaft erreicht, das Absinken der Mitgliederzahl auf 140 war ein gesunder Prozeß,
denn auch die Teilnahme an den regelmäßigen Gesellschaftsabenden hatte stark abgenommen.
Im Gegensatz dazu traten Sonderveranstaltungen mit erfreulich hohen Besucherzahlen in den
Vordergrund des Geschehens. Man lud Persönlichkeiten aus Deutschland zu öffentlichen Vorträgen
ein. Der damalige Hamburger Privatdozent Walter Berendsohn sprach über Goethe und Strindberg.
Zum Vortrag von Prof. Albert Dresdner über die Alte deutsche Stadt fanden sich auch schwedische
Gäste ein; einer von ihnen, der Schriftsteller und Kunsthistoriker Carl Gustaf Laurin, äußerte sich in
seinen Dankesworten sehr sympathisch in bezug auf die Deutsche Gesellschaft. Als einzige Dame in
der ganzen Geschichte der Deutschen Gesellschaft sprach Frau Annie Dauthendey 1931 über die
Werke ihres verstorbenen Mannes Max Dauthendey. Bezeichnend für das Ansehen, das die Deutsche
Gesellschaft in den 1920ger Jahren genoß, sind die prominenten Besucher, die sie als ihre Gäste
willkommen heißen durfte: Admiral Scheer, der Luftschiffkonstrukteur Hugo Eckener, die ehemaligen
Reichskanzler Wilhelm Cuno und Hans Luther und der Schöpfer des Münchener Deutschen Museum
Oskar von Miller.

Oft boten die Besuche deutscher Kriegsschiffe Gelegenheit zu Sonderveranstaltungen. Im Jahre 1927
gab es im Februar einen Bockbierabend an Bord der “Nürnberg" und im Juni wurden deutsche Gelehrte
auf Hasselbacken bewirtet und namens der Deutschen Gesellschaft von Prof. von Euler begrüßt. Die
Gelehrten waren mit dem Tender ,,Hela" auf einer Studienreise durch die Ostsee unterwegs, unter
ihnen befanden sich der Völkerrechtler Schücking, der Rektor der Hamburger Universität Nocht und der
Bonner Historiker Schulte; die schwedische Vetenskapsakademi war mit einem Vertreter anwesend.
Als dem deutschen Segelschulschiff “Niobe" 1928 in Saltsjöbaden ein Empfang bereitet werden sollte
und 1929 ein deutsches Geschwader mit der “Schleswig-Holstein" als Flaggschiff Stockholm einen
offiziellen Besuch abstattete, war es der Ausschuß der deutschen Vereine mit Herrn Däumichen an der
Spitze, der als Gastgeber fungierte; zu Tee und Tanz im Stadshus erschienen 500 Offiziere und
Mannschaften, im ganzen waren 1200 Personen zugegen. Der Vorsitzende der Stockholmer
Stadtverordneten hatte sich auch eingefunden. Tags darauf gab es für besonders Geladene ein
Bordfest auf dem Flaggschiff.

Zum 70. Geburtstag König Gustavs V. am 16. Juni 1928 überwies der Verband deutscher Vereine
dem Fonds zur Bekämpfung der Krebskrankheiten 4.500 SEK, zu welchem Betrag die Deutsche
Gesellschaft allein 3.000 SEK beigesteuert hatte. Zum 7. August 1922, ihrem 60. Geburtstag, wurde
Königin Viktoria ein Blumenarrangement von 60 roten Rosen dargebracht, und anläßlich ihres
Hinscheidens am 4. April 1930 wurde dem König und dem Kronprinz drahtlich die tiefste Anteilnahme
zum Ausdruck gebracht. Bei der Beerdigung in der Riddarholmskyrka legte Herr Däumichen namens
des Verbandes der deutschen Vereine einen Kranz nieder. Des 80. Geburtstags des
Reichspräsidenten von Hindenburg am 2. Oktober 1927 wurde durch eine Feier in der Musikalischen
Akademie gedacht, bei der der damalige Berliner Generalsuperintendent Otto Dibelius die Festrede
hielt.

In den 1920-er Jahren war man mit Erfolg bemüht, den nun regelmäßig stattfindenden
Stiftungsfesten neben dem Essen und dem Tanz auch noch einen anderen Inhalt zu geben.
Das 60. Stiftungsfest 1922 bekam durch die Anwesenheit von Jakob Wassermann eine besondere
Note, der aus eigenen Werken vorlas. Man war auch bemüht, prominente schwedische Gäste zu
haben; zu den nicht nur einmal Erschienenen gehörten Oberst af Petersens und der Politiker und

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Bahnbrecher im schwedischen Versicherungswesen Sven Palme. Das Fest des Jahres 1928 wurde als
ein Schubert-Abend gestaltet. In den Jahren 1929 und 1930 wurden von Gesellschaftsmitgliedern
Theaterstücke aufgeführt. Wegen der zunehmenden Not in Deutschland und der auch in Schweden
immer stärker werdenden wirtschaftlichen Stagnation wurde 1931 das Stiftungsfest bloß als ein
Vortragsabend abgehalten. Der dadurch eingesparte Betrag wurde zuzüglich Spenden in Höhe von RM
1.230 der deutschen Winterhilfe überwiesen. Das 70. Stiftungsfest 1932 bot den über 200 Anwesenden
neben Musikvorträgen und Rezitationen eine mit stürmischem Beifall aufgenommene Überraschung,
nämlich das Theaterstück “Der Trostpreis", von dem damaligen Schatzmeister E. A. Bolle verfaßt und
inszeniert und von Gesellschaftsmitgliedern aufgeführt; Herr Bolle selbst spielte die Rolle des
Ehemanns.

Die Bedeutung der Vortragenden und das Niveau der Vorträge ließen Ende der 1920-er Jahre
manche der Abende als Ereignisse im Stockholmer Geisteslebens erscheinen. Anderseits klagte man
aber, daß die Beteiligung der Gesellschaftsmitglieder selbst allerhand zu wünschen übrigließ.
Man schlug daher vor, es sollten von Mitgliedern Vorträge mit anschließender Aussprache gehalten
werden, es sollte mehr Interesse für allgemein wichtige Fragen gezeigt und vor allem sollte das
Kartenspiel eingeschränkt werden. Herbst 1927 wurde eingehend darüber verhandelt, an einem der
vier Gesellschaftsabende im Monat das Kartenspiel zu unterlassen. Der Beschluß von 1883 war schon
längst vergessen und nicht beachtet worden. Für eine solche eindeutige Formulierung konnte keine
Stimmenmehrheit erzielt werden, es wurde bloß beschlossen, einen der vier Abende im Monat so zu
gestalten, daß er auch für Nichtspieler anregend sei. Um den Gesellschaftsbetrieb mannigfaltiger
auszubauen, traf man sich hin und wieder zu Bunten- und zu Musikabenden mit Damen; einen der
Musikabende      machte     Georg      Kulenkampffs Kunst    zu    einem    einzigartigen Genuß.
Ende 1931 wurde beschlossen, sich auf zwei Gesellschaftsabende im Monat zu beschränken, eine
Regelung, die hinfort ständig in Kraft blieb.

Man war wohl der Überzeugung, daß die Erörterung allgemein interessierender Fragen das Leben der
Gesellschaft vertiefen würde, aber zugleich hegte man die berechtigte Befürchtung, solche
Erörterungen könnten innerhalb der Deutschen Gesellschaft schwer zu meisternde Gegensätze
heraufbeschwören. Man befand sich an der Schwelle jener Periode der europäischen Geschichte, in
welcher das Ringen politischer Weltanschauungen um das Individuum zuerst Unruhe in den Alltag
gebracht und schließlich den Kontinent in einen grausigen Tummelplatz ungezähmter Gewalten
verwandelt hat.

Generalkonsul Däumichen bat Frühling 1931 die Generalversammlung der Deutschen Gesellschaft,
von seiner Wiederwahl zum 1. Vorsitzenden abzusehen, nachdem er 21 Jahre im Vorstand
verschiedene Ämter bekleidet hatte. Als sein Nachfolger wurde Herr Oskar von Hillern-Flinsch gewählt.

Mit der Machtübernahme Adolf Hitlers am 30.1.1933 wurde in Deutschland eine neue Lage
geschaffen, die allmählich auch außerhalb der Grenzen Auswirkungen zur Folge hatte. Zu dieser Zeit
kam in Stockholm der Wunsch auf, in der Deutschen Kolonie, die ja in der Gestalt des Ausschusses der
Deutschen Vereine ein bloß bei gesellschaftlichen Veranstaltungen in Erscheinung tretender
Zusammenschluß aller Stockholmer Deutschen Vereine war, sämtliche hier lebenden Deutschen und
Deutschstämmigen zusammenzufassen. Im Jahre 1935 wurden schließlich neue Satzungen festgelegt,
nach denen an der Spitze der Kolonie ein Rat stand, der sich aus den Vorsitzern der angeschlossenen
deutschen Vereine und dem Hauptpastor der St. Gertruds- Gemeinde zusammensetzte.
Hiermit war also auch die Deutsche Gesellschaft in der Deutschen Kolonie vertreten und leistete dieser
im Bedarfsfalle freiwillige Beiträge. Der schon seit Jahrzehnten wiederholt aufgetauchte Wunsch, alle

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deutschen Vereine in einem Hause mit gemeinsamer Bewirtschaftung unterzubringen, konnte nunmehr
leichter verwirklicht werden. Es wurden im Hause Sveavägen 29 zwei Geschosse gemietet, zu dessen
Miete die in der Kolonie zusammengefaßten Vereine beitrugen, falls sie nicht durch die Bewirtschaftung
aufgebracht wurde. Das Kolonieheim wurde im Rahmen einer schwedischen Aktiengesellschaft mit
einem Kapital von 5.000 SEK handelsrechtlich eingetragen. Kapital und Inventar wurden durch
Stiftungen und Geschenke seitens in Stockholm ansässiger deutscher Firmen und von Mitgliedern der
Deutschen Kolonie beschafft. Am 11. Januar 1936 wurde das Kolonieheim eingeweiht.

Das 75. Stiftungsfest wurde am 13. November 1937 festlich begangen. Einige Tage vorher
wurden ein Aufruf für einen,, Jubiläumsfonds der Deutschen Gesellschaft" erlassen sowie die von Dr.
Martin Tamsen verfaßte “Gedenkschrift zur Feier des 75jährigen Bestehens der Deutschen
Gesellschaft in Stockholm 1937" verteilt und verschickt. Am Vormittag des Festtages wurde von
Vorstandsmitgliedern am Grab der Königin Viktoria ein Kranz niedergelegt. König Gustav V. hatte man
telegraphisch von dem Jubiläum Mitteilung gemacht. Das Fest wurde am Abend im Spiegelsaal des
Grand Hotels mit einem von Dr. Michael verfaßten und von Zeremonienmeister E. A. Bolle
gesprochenen Prolog eröffnet. Der Vorsitzende Dr. Tamsen begrüßte in einer Ansprache die Gäste,
unter welchen sich befanden der Präsident der Stadtbevollmächtigten Stockholms I. 0. Johansson,
Generalleutnant Thörnell, Dr. Sven Hedin, Kammarherre Greve von Essen sowie Vorstandsmitglieder
der Stockholmer deutschen Vereine, des Deutschen Vereins in Helsingfors, der Deutschen
Gesellschaften in Kopenhagen und Oslo und des Deutschen Klubs in Göteborg. Die Festansprache
hielt Hauptpastor Ohly der Deutschen St. Gertruds- Kirche. Zu den Tönen des Kaiserwalzers wurde
vom Königlichen Hofballett ein Ballett getanzt, worauf die Verlesung von Glückwunschtelegrammen
folgte, als erstes dasjenige König Gustavs V.

Vom 75. Stiftungsfest bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verlief das Gesellschaftsleben in
ruhigen Bahnen; man veranstaltete die üblichen Skat- und Alt-Herren-Abende, ergötzte sich an
Eisbeinessen, unternahm Sommerausflüge nach Drottningholm und nach Foresta auf Lidingö und traf
sich entweder im Grand Hotel Royal oder im Kolonieheim. Die Mitgliederzahl hielt sich konstant um
rund 130.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatte eine Stärkung des Zusammenhalts innerhalb der
Deutschen Kolonie zur Folge, welcher durchaus natürlichen und zwangsläufigen Erscheinung sich die
Deutsche Gesellschaft in keiner Weise verschloß. Sie hatte nun im Kolonieheim jeden Dienstag ihren
Stammtisch und jeden Freitag einen gemeinsamen Lunch. Man beteiligte sich tatkräftig an
Sammlungen und beging die Stiftungsfeste in bescheidenerem Rahmen ohne Tanz.

Im Jahre 1941 sah man von der Feier des Stiftungsfestes ab und stellte vielmehr der Deutschen
Kolonie 1.500 SEK für das Deutsche Rote Kreuz zur Verfügung. Die Stiftungsfeste dieser Jahre wurden
als schlichte Familienabende im Kolonieheim begangen, wobei immer wieder erhebliche Beträge für
Deutschland bereitgestellt werden konnten.

Nach dem Ende des Krieges wurden die Aktien der Kolonieheim- Gesellschaft von der Deutschen
Gesellschaft übernommen, das Heim wurde geschlossen und dessen Liquidation eingeleitet.
Von der Aufstellung eines Haushaltsplans für das Geschäftsjahr 1945/46 wurde abgesehen, man
beschloß vielmehr, bis auf weiteres jegliche gesellschaftliche Betätigung einzustellen.
Der Vorstand des Geschäftsjahres 1944/45 wurde wiedergewählt. Am 1. Juni legten der
stellvertretende ll. Vorsitzende und der stellvertretende Schriftführer von sich aus ihre Ämter nieder, so
daß sechs Vorstandsmitglieder übrigblieben.

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Deutschlands völliger Zusammenbruch wirkte sich 1945 im Ausland ungleich katastrophaler als 1918
aus. Gemäß einer Verfügung der Alliierten legte Schweden Beschlag auf deutsches Kapital.
Das etwa 75.000 SEK ausmachende Vermögen der Deutschen Gesellschaft wurde von amtswegen
gesperrt, obwohl eine gesetzliche Berechtigung kaum vorlag, da es sich um Vermögen einer
schwedischen Vereinigung handelte. Die einzige Veranstaltung des Geschäftsjahres 1945/46 war die
am 9. April 1946 im Metropol abgehaltene Generalversammlung; anwesend waren außer den 6 Herren
des Vorstands 18 Gesellschaftsmitglieder, eine der kleinsten und die unter den betrüblichsten
Umständen abgehaltene Generalversammlung seit der Gründung der Gesellschaft. Trotz alledem
waren diese 24 Herren eine Gewähr für die Lebenskraft und den Existenzwillen der Gesellschaft und
ein Beweis für die Tatsache, daß diese Gesellschaft im Laufe ihres Bestehens wohl stark von den
Geschicken der deutschen Heimat beeinflußt war und sich ihr geistig verbunden fühlte, daß sie jedoch
gleichzeitig ein von der Heimat unabhängiges Eigenleben geführt hat. Der für das Geschäftsjahr
1946/47 gewählte Vorstand bestand bloß aus drei Mitgliedern: Vorsitzender, Schatzmeister und
Schriftführer.

Auf einer weiteren Generalversammlung am 14. Mai 1946 konnte die Mitteilung gemacht werden, daß
die staatliche Untersuchung der Kapitalverhältnisse der Deutschen Gesellschaft ergeben hatte, daß bei
ihr keine Anlagen vorhanden gewesen waren, die dem Flyktkapitalbyrå unterliegen.
Ein Antrag auf Aufhebung der Kapitalsperre könne eingereicht werden. Weiterhin wurde
hervorgehoben, daß die Deutsche Gesellschaft als eine schwedische Vereinigung anzusehen ist und
daß ihr traditionelles Zusammenwirken mit der deutschen Gesandtschaft nichts mit ihrem
schwedischen Charakter zu tun gehabt habe. Es wurde sofort beschlossen, dem Evangelischen
Hilfswerk in Deutschland 3.000 SEK und der Stockholmer Deutschen Gemeinde für ihre Hilfsarbeit in
Deutschland 1.000 SEK zukommen zu lassen. Das einstige Aktienkapital des Kolonieheims in Höhe
von 5.000 SEK wurde dem Schwedischen Roten Kreuz zur Verfügung gestellt, und der bei
Versteigerung des Inventars des Kolonieheims erzielte Erlös im Betrage von etwa 65.000 SEK wurde
dem damaligen Vertreter des Evangelischen Hilfswerks, dem jetzigen Bundestagspräsidenten Eugen
Gerstenmaier, für das Hilfswerk übergeben. Im Herbst des Jahres 1946 setzte der regelmäßige
Gesellschaftsbetrieb wiederum ein, aber in bescheidenstem Rahmen, ohne Stiftungsfest und ohne die
sonst alljährlich abzuhaltenden besonderen Veranstaltungen, und zwar im Restaurant Metropol.

Auch das Geschäftsjahr 1947/48 verlief noch in bescheidenstem Rahmen ohne die üblichen
Veranstaltungen, nur stieg allmählich die Teilnehmerzahl bei den Gesellschaftsabenden, fanden ab und
zu nach dem Essen Vorträge von Mitgliedern statt und konnte man vorübergehend in Stockholm zu
Besuch weilende Herren aus Deutschland als Gäste begrüßen. Das einzige öffentliche Auftreten in
diesem Geschäftsjahr bestand darin, daß eine Abordnung der Deutschen Gesellschaft zur Beisetzung
von Elsa Brändström-Ulich, dem sibirischen Engel des Ersten Weltkriegs, einen Kranz niedergelegt hat.
Für das Geschäftsjahr 1948/49 wurden neben dem l. Vorsitzenden, dem Schatzmeister und dem
Schriftführer auch ein ll. Vorsitzender und ein Zeremonienmeister gewählt, so daß die Deutsche
Gesellschaft wiederum unter Obhut eines größeren Vorstands stand. Nun fanden nach altem Brauch
Herbst 1948 ein Eisbeinessen und ein Skatwettspiel sowie Frühling 1949 ein Alt-Herren-Abend statt.

Was sich seit 1948 angebahnt hatte, eine allmähliche Genesung von den Nöten und Schlägen der
Mitte der 1940ger Jahre, das wurde mit dem Geschäftsjahr 1949/50 eine Tatsache: die Deutsche
Gesellschaft hatte sich nach innen und außen konsolidiert. Die Gesellschaftsabende waren von
durchschnittlich 20 Mitgliedern besucht, mit Ausnahme des Stiftungsfestes fanden alle herkömmlichen
Veranstaltungen statt. Herr Generalkonsul Max Däumichen wurde in Würdigung seiner außerordentlich
wertvollen Verdienste um die Deutsche Gesellschaft sowie um das Stockholmer Deutschtum überhaupt

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