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Deutsche Gesellschaft zu Stockholm Abschrift der Gedenkschrift zum hundertjährigen Bestehen 1962
Gedenkschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft zu Stockholm 1962 Diese Ansicht entspricht dem Original der Gedenkschrift Seite 2
Geschichtlicher Rückblick zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Gesellschaft zu Stockholm. Obwohl das Jahr 1848 dem deutschen Volk weder in nationaler noch in sozialer Hinsicht das geschenkt hat, wofür es das Banner des Aufruhrs aufgerollt hatte, war die Verwirklichung der Grundsätze der nationalen Einheit und der bürgerlichen Freiheit doch nur eine Frage der Zeit. Der Ruf nach dem alle Deutschen umfassenden Reich übertönte die abgestandenen Anpreisungen eigensüchtiger Kleinstaaterei und verursachte in den Grenzlandschaften Situationen, die ohne Machtmittel unlösbar schienen. So kam es im Südosten zum preußisch-österreichischen Bruderkrieg und im Nordwesten zum Kampf um Schleswig und Holstein. Wie immer waren auch damals die Wirkungen innerdeutscher Strömungen im Auslandsdeutschtum nachhaltiger und extremer als in der Heimat selbst, was in den 1860er Jahren in Stockholm die erfreuliche Folge hatte, daß die aus allen Ländern und Stämmen dort zusammengeströmten Deutschen einander näherkamen und entsprechend dem Einigungsverlangen in der Heimat Unterschiede in Mundart und Sinnesart leicht zu überwinden vermochten. Zwar hatte seit 1851 die deutsche Gesellschaft „Concordia" bestanden, aber offenbar wurde sie nicht ganz den Wünschen der nach Neuem zustrebenden Jugend gerecht, denn sonst hätten sich wohl nicht am 23. August des Jahres 1862 zwanzig Männer, deren Mehrzahl das 30. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, zusammengetan, um die Deutsche Gesellschaft zu gründen. Der treibende Geist bei diesem Unternehmen, der in kluger Zurückhaltung nur zeitweilig das Amt des Schriftführers versah, war der 22 jährige Otto Blanck, dem es vergönnt war, noch das 50. Stiftungsfest zu erleben. Daß man die neue Vereinigung einfach Drei prominente Stifter „Deutsche Gesellschaft" schlechthin nannte, zeigt, wie weit man Ziel und Programm zu stecken gesonnen war. Otto Blank Bernhard Franke Emil Eggers Seite 3
Stockholm zur Zeit der Gründung der Deutschen Gesellschaft Foto: Stockholms stadsmuseum Das erstemal traf man sich im Café Diana auf Djurgården, um einen vorläufigen Vorstand zusammenzusetzen, und begann im Herbst 1862 mit Gesellschaftsabenden im Tyska Lejonet, Skomakargatan 34, Ecke Tyska Brinken, einem Wirtshaus, das abgesehen von der bis ins 17. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte reichlich wenig zu bieten hatte, was dem verheißungsvollen Start einer Vereinigung einen anziehenden und anregenden Rahmen gegeben hätte. Nachdem man mehrere Gesellschaftsabende deswegen in das Restaurant der Freimaurerloge auf Riddarholmen verlegt hatte, dessen Wirt ein Deutscher namens Hummel war, installierte man sich Ende 1863 für ein Jahr im Hotel du Nord, um hernach wiederum zum Hummel zurückzukehren. Im Sommer 1865 mietete man eigene Räume im Haus Österlånggatan 41, beschaffte durch Aktienzeichnung der Mitglieder Mittel zur Möblierung, übersiedelte mit dem ganzen Inventar in passendere Räumlichkeiten im Operahus, verblieb aber dort bloß bis 1873. In diesem Jahr verkaufte man die Möbel, veranstaltete für den Erlös von etwa 400 SEK ein Fest und kehrte neuerdings zum Hummel, der inzwischen Inhaber von Brunkebergs Hotel geworden war und seinem echt bayerischen Bier zurück. Nach weiteren Irrfahrten auf der Suche nach einem geeigneten Lokal, wobei u. a. in Franska Värdshuset, Hotel Kung Karl, Hamburger Börs, Grand Hotel und Tattersall vorübergehend Station gemacht wurde, landete man endlich endgültig in dem angesehenen Hotel Rydberg auf dem Gustav Adolfs Torg, wo jetzt das Haus der Skandinaviska Banken steht. Dieser kaum zu überbietenden Unbeständigkeit bei Wahl des Lokals entsprach mitnichten dem Verhalten bei anderen Vereinsangelegenheiten. Da ist von allem Anfang an eine Zielbewußtheit und ein praktischer Blick zu beobachten. Von 1863 an hatte man alljährlich einen fünfgliedrigen Vorstand gewählt. Die gleich bei Gründung aufgesetzten Satzungen erwiesen sich als wenig zweckmäßig, so daß man 1865 mit viel Mühe und Sorgfalt eine neue Fassung redigierte, die bis 1953 in Kraft bleiben sollte. Nationale Gedenktage, wie der Jahrestag der Schlacht bei Leipzig und Schillers Geburtstag, wurden besonders gefeiert. Kegelabende auf Strömsborg waren Abwechslungen im Ablauf der wöchentlichen Gesellschaftsabende, an denen zur Hebung des geistigen Niveaus und als Stoff für Unterhaltung und Meinungsaustausch abonnierte deutsche Zeitungen und Zeitschriften auslagen und Seite 4
Bücher einer eigenen Bibliothek benutzt werden konnten. Man hatte auch schon seit 1864 die Gepflogenheit, Mitglieder, die sich um das Gedeihen der Gesellschaft besonders verdient gemacht hatten, durch Verleihung der Ehrenmitgliedschaft aus der Gesamtheit auszeichnend herauszuheben. Einzig im Bereich der Finanzen ließ die Zielbewußtheit manches zu wünschen übrig. Die Finanzlage der Gesellschaft wurde recht prekär. Schlimmstes wäre wohl kaum zu verhüten gewesen, wenn in den Jahren 1868-70 nicht ein energischer Schatzmeister erfolgreich durchgegriffen hätte; vielleicht war mit entscheidend, daß er den ominösen Namen Julius Ungewitter hatte. Seit 1864 war Franz Heiß Mitglied der Gesellschaft, der Gründer der weitbekannten Hamburger Bryggeri, der für jeden Abend ein Fäßchen seines Gebräus zur Verfügung stellte und damit sowohl die Kosten senkte als auch die Stimmung steigerte. Weil man jedoch sehr bald zu beobachten vermeinte, daß weibliche Bedienung zum Teil recht unangenehme Störungen verursache, bedang man sich ausschließlich männliche Bedienung aus, damit die Deutsche Gesellschaft nicht ihren soliden Charakter verlöre. Frühling 1864 verabschiedete man sich voneinander mit einer Theateraufführung im Lokal des Mitglieds Berns, aus dem das heutige Restaurant Berns Salonger hervorgegangen ist. Man wollte bei dieser Gelegenheit auch eine humoristische Zeitschrift starten, was sich jedoch wegen Mangels geeigneter Beiträge als undurchführbar erwies. Bereits damals hatten sich um die Entfaltung der Gesellschaft der Begründer der bekannten Damenartikel AG Hermann Meeths und der Seifen- und Parfümeriefabrikant Ferdinand Grumme aufrichtig bemüht. Vaterländische Feier in der Deutschen Gesellschaft Ende der sechziger Jahre (1860) Seite 5
Als der Ausgang des Deutsch-französischen Kriegs von 1870/71 und der Tod Karls XV. 1872 Schwedens Einstellung zu Deutschland von Grund auf veränderten, hatte die Deutsche Gesellschaft sich zahlenmäßig bereits vervierfacht. Die Gründung des zweiten Deutschen Reichs bewirkte eine einheitliche diplomatische Vertretung der Heimat, und der Regierungsantritt Oskars II. leitete eine Periode schwedisch-deutscher Freundschaft ein, die bis in die dreißiger Jahre währen sollte. König Oskars offizieller Besuch in Berlin 1875 war der Auftakt eines neuen außenpolitischen Kurses, der auch im Innern seinen Niederschlag fand. Damals wurde das Deutsche zur ersten Fremdsprache an Schwedens Oberschulen erhoben, erst 1945 mußte es dem Englischen weichen. Schon 1872 stattete der deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere Kaiser Friedrich III. Stockholm einen Besuch ab, ein Ereignis, das für die Deutschen der Mälarstadt nicht ohne Bedeutung war. Der hohe Gast empfing den Vorstand der Deutschen Gesellschaft in Audienz, sie war damit, wenn man so sagen darf, hoffähig geworden. Seit der Gründung waren gerade zehn Jahre verstrichen. Obwohl die Deutsche Gesellschaft satzungsgemäß bloß eine Vereinigung zur Pflege von Geselligkeit und deutscher Art war, machte sich recht bald die das ganze Jahrhundert vorhandene Einstellung geltend, in Fällen von Not und Bedrängnis helfend und fördernd einzuschreiten. So wurden 1870/71 Sammlungen für das deutsche Heer durchgeführt und beteiligte man sich mit erheblichen Beträgen an den Hilfsmaßnahmen für die Opfer der Sturmflut von 1872 an der deutschen Ostseeküste. Um diesem karitativen Wirken in Stockholm eine organisatorisch festere Grundlage zu bieten, wurde auf Anregung der Deutschen Gesellschaft der „Deutsche Hülfsverein von 1876" gegründet, zu dem sie stets nahe und gute Beziehungen unterhielt; ihre Vorstandsmitglieder sowie ihre meisten Mitglieder gehörten immer zugleich dem Hülfsverein an, und zwar oft in leitenden Stellungen. Im Lauf der 1870er Jahre war ein weiteres Anwachsen der Mitgliederzahl und des sozialen Ansehens zu beobachten. Man hielt es für angebracht, ein engeres Zusammengehen mit den übrigen deutschen Vereinen nicht in Erwägung zu ziehen, konsolidierte sich finanziell, legte sogar einen Reservefonds an und veranstaltete 1876 den ersten repräsentativen Ball im Grand Hotel. Das Ansehen der Deutschen Gesellschaft trat auch deutlich zutage, als sich im Jahre 1876 das Deutschtum in aller Welt anschickte, den 80. Geburtstag Kaiser Wilhelms I. festlich zu begehen, und sie zu einem großen Essen einlud, an dem die deutschen Diplomaten offiziell teilnahmen und bei dem sich auch schwedische Prominente eingefunden hatten. Obwohl also die Deutsche Gesellschaft seit 1876 unbestritten die Führung innehatte, kann man nicht behaupten, daß ihr alles zuströmte, was Namen und Geld hatte. Die Mitgliederzahl hielt sich um 90. Mitglieder mit akademischen Titeln waren bis in die 1880er Jahre eine Ausnahme. Die Abhaltung von Vorträgen bereicherte erst nach der Jahrhundertwende den Inhalt der einzelnen Gesellschaftsabende. Drei Tatsachen verraten mittelbar Niveau und Gesichtskreis des damaligen Gesellschaftsbetriebs: an Tageszeitungen hatte man bloß „Kölnische Zeitung" und „Aftonbladet" abonniert, an Magazinen bezog man nur die „Gartenlaube", den „Kladderadatsch", „Ueber Land und Meer" und die „Meggendorfer Blätter"; um eine bessere Unterhaltung zu ermöglichen und vielleicht mehr neue Mitglieder zu gewinnen, beschloß man März 1883, an jedem ersten Gesellschaftsabend im Monat vom Kartenspiel abzusehen; im Mai desselben Jahres schenkte man den Bücherschrank mitsamt den Büchern der deutschen Schule in Stockholm, weil die Bücher für die Gesellschaft doch von keinem Nutzen wären. Zu den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Stockholm angesiedelten Familien, die einen wichtigen Faktor zugunsten der deutschen Kultur und des deutschen Rufes darstellten, gehörten die ersten Träger der Namen Warburg aus Hamburg und Sachs aus Meinigen; die Warburgs, später Seite 6
bekannt als Vordergrundsfiguren im Bankwesen, die Sachs als Schöpfer des Großunternehmens Nordiska Kompaniet. 1872 wurde als erster seiner Familie David Fraenckel aufgenommen; der Mäzen und Chef der Svenska Handelsbanken Louis Fraenckel wurde 1877 im Alter von 26 Jahren Gesellschaftsmitglied. Seit 1876 hatte es sich eingebürgert, daß die Deutsche Gesellschaft Kaisers Geburtstag mit einem festlichen Bankett beging. Dies war die einzige Veranstaltung, zu der neben schwedischen Gästen auch Herren der anderen deutschen Vereine eingeladen wurden. Trotzdem war man damals noch sehr weit davon entfernt, mit diesen Vereinen auch sonst irgendwelchen Kontakt aufrechtzuerhalten. Besonders glänzend wurde der 90. Geburtstag Kaiser Wilhelms I. am 22. März 1887 im Hotel Rydberg gefeiert. Das Präsidium mußte allerdings an diesem Abend der Zeremonienmeister übernehmen, weil die beiden Vorsitzenden vom damaligen Gesandten von Pfuel zum Diner gebeten waren. Es war eine die Deutsche Gesellschaft ostentativ auszeichnende und sozial herausstreichende Geste, daß nach beendetem Diner der Gesandte mit den beiden Vorsitzern und seinen übrigen Gästen im Hotel Rydberg erschien. Daß die Stimmung unter den Mitgliedern dementsprechend sehr gehoben war, versteht sich von selbst. Im darauffolgenden Oktober wurde ebenfalls im Hotel Rydberg das 25jährige Bestehen der Deutschen Gesellschaft festlich begangen, bei welcher Gelegenheit dem Mitbegründer und langjährigen Vorsitzer Franz Heiß in dankbarer Anerkennung seiner Verdienste um den Verein ein von den Mitgliedern gestifteter silberner Tafelaufsatz als Ehrengabe überreicht wurde. Das Jahr darauf nahm man mit tiefer Trauer den Tod des alten Kaisers und denjenigen Kaiser Friedrichs III. zu Kenntnis; im Jahre 1897 ließ die Deutsche Gesellschaft an dem neu eingeweihten Kaiser Wilhelm- Denkmal vor dem Berliner Schloß einen Kranz niederlegen. Seite 7
Speisekarte zum 25jährigen Stiftungsfest der Deutschen Gesellschaft Hotel Rydberg, Gustav Adolfs Torg Foto: Stockholms stadsmuseum Der doppelte Wechsel auf dem deutschen Kaiserthron, die Verabschiedung Bismarcks und besonders das Vorherrschen der Deutschkonservativen Partei blieben nicht ohne Rückwirkungen auf die Deutsche Gesellschaft zu Stockholm. Gegen und um die Jahrhundertwende wehte in ihren Reihen ein schärferer Wind, der Ton der Protokolle wurde schneidiger und forscher, auf Kosten der geistigen Bindungen zum schwedischen Gastland sind Ansätze zu einer gewissen Exterritorialisierung nicht zu verkennen. Man schien von den schweren innenpolitischen Auseinandersetzungen Schwedens im Zusammenhang mit dem Kampf um das allgemeine Wahlrecht wie auch von dem sich stetig vertiefenden Riß in der schwedisch- norwegischen Union wenig berührt zu sein. Die Gastwirtschaften wurden weiterhin andauernd gewechselt; vornehmlich tagte man im Hotel Rydberg, im Hotel Continental und im Grand Hotel, insgesamt Lokale erstklassigen und repräsentativen Rangs. Die Mitgliederzahl vermochte man bis über 100 hinaufzuschrauben. Nun traten bereits die Söhne der ersten Generation auf den Plan, allerdings nicht in der Mitgliederanzahl, die man hätte erwarten sollen. Die Verschmelzung der deutschen Handels-, Finanz- und Industriepionierfamilien der 1870er bis 1890er Jahre mit dem Gastlande setzte schon bei den ersten im Lande geborenen Kindern fühlbar ein. Die Rechtsradikaliserung der großbürgerlichen Kreise in Deutschland machte man bloß zaghaft und reichlich äußerlich mit; z. B. beschloß man 1889, den Zeremonienmeister von da an Schaffner zu nennen, ein mißglücktes Zugeständnis an die politisch inspirierte Fremdwortbekämpfung, das allerdings recht bald widerrufen worden ist. Berufsmäßig griff um 1900 insofern eine gewisse Vielfalt Platz, als neben Kaufleuten, Bankiers und Fabrikbesitzern sich nun auch einzelne Ingenieure, Ärzte und Künstler um die Aufnahme bewarben. Es war ein glückliches Omen für die Deutsche Gesellschaft im neuen Jahrhundert, daß 1901 als erster Gelehrter Hans von Euler-Chelpin Gesellschaftsmitglied geworden ist, Nobelpreisträger des Jahres 1929. Ein nicht minder glückliches Omen war der Beschluß, auch Gesellschaftsabende mit Damen vorzusehen. Seite 8
Um jene Periode der Jahrhundertwende plastischer hervortreten zu lassen, seien einige damalige Mitglieder mit Namen und Lebenswerk erwähnt. Die Brüder Grumme waren die Schöpfer von Barnängens Tekniska Fabriker, Heinrich Grüder hatte als Vertreter von Champagner Kupferberg die Fuhrmannsche Weingroßhandelstradition in der Stadt zwischen den Brücken fortgesetzt, auf Erich Dingel geht das Großunternehmen Kifa zurück. Die Rügheimer und die Traugott waren Konfektionäre, Carl Stein war Mitarbeiter bei Nordiska Kompaniet. Die Familien Stavenow und Lichtenstein bescherten in den folgenden Generationen dem schwedischen Volk Gelehrte von Rang. Als Brauereidirektor Franz Heiß sich aus gesundheitlichen Gründen veranlaßt sah, nach 20jährigem Wirken 1895 den Vorsitz in der Deutschen Gesellschaft niederzulegen, war ihm die Ehrenmitgliedschaft zuteil. Erst 60 Jahre alt starb er drei Jahre später. Mit seinem Nachfolger Bankier Carl Becker übernahm für zehn Jahre die vielleicht markanteste Persönlichkeit der ganzen hundert Jahre das Steuer der Deutschen Gesellschaft. In über alles Lob erhabener Weise verwaltete er das Amt des l. Vorsitzenden, stets zur Hand mit Anregungen sozialer, gesellschaftlicher und geistiger Art und nie verlegen mit Geschenken und Zuwendungen finanzieller Art. Allerdings war keinem anderen Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft wie ihm vergönnt, während eines Zeitraums das Amt innezuhaben, da Wirtschaft und Politik derart günstige Voraussetzungen für ein gedeihliches und beschauliches Wirken boten und weder Schwedens noch Deutschlands Horizont verdüstert war von aufziehendem sozialem oder sogar weltanschaulichem und kriegsdrohendem Gewölk. Carl Beckers erste großangelegte und repräsentative Veranstaltung war das Fest anläßlich des 25jährigen Bestehens des Deutschen Reichs am 18. Januar 1896. Zu dem Bankett im Grand Hotel wurden auch die Mitglieder der anderen deutschen Vereine geladen. Der deutsche Gesandte Graf von Bray-Steinberg hielt die Festrede und überreichte eine von Becker gestiftete Kopie des Anton von Wernerschen Ölgemäldes „Die Kaiserproklamation in Versailles". In der Beckerschen Periode liegen Anzeichen für den Wunsch vor, die Deutsche Gesellschaft gleichwertig neben die Alliance Francaise und die English Society zu stellen, mit anderen Worten aus dem ursprünglichen Zusammenschluß in Stockholm seßhafter Deutscher zum Zwecke froher Geselligkeit und Pflege deutscher Art und Sitte ein der Hebung deutschen Ansehens dienendes repräsentatives Forum der Vertretung des Deutschen Reichs werden zu lassen. Auf eine Anregung Carl Beckers ging auch zurück, daß zwölf stimmlich begabte Mitglieder sich zur Pflege des Quartettgesangs regelmäßig zusammentaten. Dank den Mühen des Gesellschaftsmitglieds Julius Wibergh, der Musikdirektor an der Deutschen Kirche war, war es möglich, daß diese Sänger eine Programmnummer des 40. Stiftungsfestes bestreiten konnten, das am 15. November 1902 im Hotel Continental abgehalten wurde, wohin man 1901 für ein Jahrzehnt übergesiedelt war. Eine weitere und ohne Zweifel die wichtigste und denkwürdigste Programmnummer war die Überreichung einer künstlerisch ausgeführten mannshohen Standarte an die Gesellschaft durch den Spender und Vorsitzenden Carl Becker: auf der Vorderseite die Farben schwarz-weiß-rot mit dem Adler des neuen Reichs in der Mitte, umgeben von dem Namen der Gesellschaft, auf der weißen Rückseite in schwedischen Farben das Monogramm DG in der Mitte, eingerahmt von einem Eichenkranz und darunter der von Carl Becker gewählte Wahlspruch: „Seid einig, einig, einig" Seite 9
Seither stand diese Standarte in Miniaturausführung bei jeder Gesellschaftsveranstaltung vor dem Präsidium. So wurde Beckers Wahlspruch zu dem Wahlspruch der Gesellschaft, und das Monogramm mit Eichenkranz und Wahlspruch schmückte alle Briefschaften der Gesellschaft. Das Gesangsquartett allerdings hatte wesentlich kürzere Lebensdauer, geeignete Stimmen waren nicht immer vorhanden. Programm und Umschlag zum 40jährigen Stiftungsfest der Deutschen Gesellschaft Seite 10
Als Carl Becker 1905 auf eigenen Wunsch von seinem Amt als Vorsitzender zurücktrat, wurde er zum Ehrenmitglied gewählt. Bereits 1907 schied er aus dem Leben, von der Deutschen Gesellschaft tief betrauert. Seine Witwe überreichte der Deutschen Gesellschaft den Betrag von 10.000 Sek., dessen Zinsen dem jeweiligen Vorstand im Interesse und zur Hebung des Ansehens der Gesellschaft zur Verfügung stehen sollten. Es war ein schöner Akt der Dankbarkeit und der Pietät, daß die Gesellschaft viele Jahre Carl Becker an seinem Todestag einen Kranz aufs Grab legte. Den 1oo. Geburtstag Helmut von Moltkes 1900, den 100. Todestag Friedrich von Schillers 1905, den Besuch eines deutschen Geschwaders und einer deutschen Regierungsabordnung zum Abschluß eines deutsch-schwedischen Handelsvertrags im gleichen Jahr nahm man zum Anlaß größerer Festlichkeiten, zu welchen von Fall zu Fall die übrigen deutschen Vereine eingeladen wurden, die sich zu einem Gesamtverein zusammengeschlossen hatten. Die Deutsche Gesellschaft hielt sich außerhalb, da sie ihre vermeinte Sonderstellung nicht aufzugeben bereit war. Schon in früheren Jahren fanden ab und zu Weihnachtsfeste für Kinder statt, nun veranstaltete man solche mit Damen und fügte ihnen einen Tanz an, so daß auf diese Weise auch den Erwachsenen ein Vergnügen bereitet wurde. Schließlich wurden auch die alljährlichen Skatwettspiele mit einem Wanderpreis üblich. Als am 27. Januar 1906 der Geburtstag Kaiser Wilhelms II. festlich begangen wurde, machte Ehrenmitglied Carl Becker den Vorschlag, aus Anlaß der bevorstehenden silbernen Hochzeit des Kaiserpaares eine Sammlung für das „Deutsche Heim", das Altersheim der Deutschen Gemeinde in Stockholm, zu veranstalten, die gleich am Festabend 1.200 SEK und im Laufe eines Monats 5.000 SEK ergab. Als das Kaiserpaar Frühling 1908 auf dem Stockholmer Schloß zu Besuch weilte, wurde durch Vermittlung des damaligen Gesandten Grafen von Pückler der Vorstand der Deutschen Gesellschaft in Audienz empfangen. Die Offiziere der deutschen Begleitschiffe wurden von der Deutschen Gesellschaft zu Diner und Ball nach dem Restaurant Hasselbacken eingeladen. Festmahl zur Feier des Geburtstages seiner Majestät des Kaisers Wilhelm II, 27. Januar 1903 Seite 11
Mit dem 1908 gewählten neuen Vorstand, dessen l. Vorsitzender Adolf Burchard war, kam als ll. Vorsitzender der Großkaufmann Max Däumichen in den Vordergrund des Gesellschaftsgeschehens, ein Mann aufrechten Charakters, echt deutscher Art und nüchternen Handelns, der in den kommenden Jahrzehnten sich um die Deutsche Gesellschaft und Stockholms Deutschtum überhaupt sehr verdient machen sollte. Damals war er k. u. k. Generalkonsul, ein Umstand, der bestimmt wesentlich dazu beigetragen hatte, daß die Deutsche Gesellschaft zur österreichisch-ungarischen Gesandtschaft in nähere Beziehungen trat, deren Mitglieder von da an oft mit ihren Damen Gäste der Gesellschaft waren. Gleich nach Kaisers Geburtstag wurde Februar 1909 ein von langer Hand vorbereiteter Ausflug nach Djursholm unternommen, um dort dem Rodelsport zu huldigen und unmittelbar darauf die frierenden Glieder durch Tanz zu erwärmen. Auf Anregung der Leitung der Stockholmer Kunstgewerbe-Ausstellung veranstaltete die Deutsche Gesellschaft gelegentlich der Einweihung der Fährverbindung Saßnitz- Trelleborg Juli 1909 im Ausstellungs-Restaurant ein Frühstück, bei dem unter Vorsitz des deutschen Gesandten Grafen von Pückler viele hohe schwedische Persönlichkeiten, wie Stockholms Oberstatthalter Dickson, die Vertreter der Eisenbahndirektion und der Vorstand der Ausstellung mit seinem Präsidenten Landshövding Svedelius, mit den deutschen offiziellen Persönlichkeiten von den Eröffnungsfeierlichkeiten der neuen deutsch schwedischen Verbindung zusammentrafen. Noch im gleichen Monat ging die erste deutsche Torpedobootsflottille auf Strömmen vor Anker. Von den Mannschaften wurden 200 auf Skansen umhergeführt und dort bewirtet, abends fand für die Offiziere, unter denen sich Prinz Adalbert von Preußen befand, ein Essen auf Hasselbacken statt. Bezeichnenderweise hielt ein Herr der Gesandtschaft, der nach Stockholm kommandierte Oberleutnant Dr. Frahne, als erster Vorträge an Gesellschaftsabenden. Sehr bald folgten ihm Mitglieder der Gesellschaft und der Gesandtschaft. Es bürgerte sich so ein Brauch ein, der einst eines der Hauptverdienste der Deutschen Gesellschaft um Verbreitung und Vertiefung von deutschem Wissen und Können werden sollte. Gesandter Graf von Pückler, der des öfteren tätiges Interesse an der Deutschen Gesellschaft bekundet hat, wurde Ende 1909 gebeten, das Ehrenpräsidium der Gesellschaft zu übernehmen, eine Gepflogenheit, die bis in die Jahre des Zweiten Weltkriegs in Übung blieb. Seinem Nachfolger Herrn von Reichenau wurde gleich nach Antritt seines Dienstes als Gesandter der Ehrenvorsitz übertragen. Weitere Ehrungen erfolgten am 1. März 1910, an dem man die damals noch lebenden Gründer der Deutschen Gesellschaft, die Herren Otto Blanck, Emil Eggers und Bernhard Francke, in Würdigung ihrer bald fünfzigjährigen Treue zur Gesellschaft zu Ehrenmitgliedern wählte. Von den damals eingetretenen Herren seien namentlich genannt der Eisenindustrielle und Schriftführer Hermann Facklam, die Großindustriellen Gebrüder Sievert, Gründer und Inhaber des Kabelwerks in Sundbyberg, der Molkereifachmann und Zeremonienmeister Friedrich Benzinger, der Großkaufmann Hermann Zeidler, der Arzt Dr. Willy Michael, der Philologe Dr. Ernst A. Meyer und der Spielleiter Jacques Goldberg. Akademiker bewarben sich nun in größerer Zahl um die Mitgliedschaft, durch Einladung von Journalisten wurde für größere Publizität der Veranstaltungen Sorge getragen. Seite 12
Das 50. Stiftungsfest am 23. November 1912 ist ohne Zweifel der Höhepunkt in der Gesamtgeschichte der Deutschen Gesellschaft. Sie zählte 140 Mitglieder, hatte das Jahr zuvor eigene, gemütlich und glänzend eingerichtete Räume im Grand Hotel Royal bezogen und war finanziell außerordentlich gut gestellt. Ihr Ehrenvorsitzender, der deutsche Gesandte von Reichenau, ein mit ganzem Herzen vaterländisch fühlender und in seiner Ausdrucksweise Kernigkeit liebender Herr, vertrat am schwedischen Hof das Reich auf dem Gipfel seiner Macht und in souveräner Verfügung über ein jedem Wettbewerb gewachsenes Wirtschaftspotential. Die Deutsche Gesellschaft erachtete es als eine ihrer Aufgaben, ein würdiger Repräsentant dieses Reichs zu sein. Sie war jedoch in organisatorischer Beziehung ganz und gar selbständig, diente aus freien Stücken dem Mutterland und durfte sich in ihrem vereinsmäßigen Tun und Lassen völlig unabhängig fühlen. Auf imponierende Weise sorgten die Mitglieder selbst für das Festprogramm: Herr Wibergh komponierte den Festmarsch, Herr Frahne dichtete den Festprolog, Herr Goldberg inszenierte die Lebenden Bilder, und Herr Facklam verfaßte die Festschrift. Gesandter von Reichenau hielt die Festansprache, überreichte Ölgemälde der drei damals noch lebenden Gründer und Ehrenmitglieder der Gesellschaft, stellte der Gesellschaft einen durch Spenden zusammengekommenen Betrag von 50.000 SEK als Grundfonds für ein eigenes Vereinshaus zur Verfügung und beehrte verschiedene Vorstandsmitglieder mit hohen deutschen Ordensauszeichnungen. Über 250 Personen waren zugegen. Die Deutschen Gesellschaften in Helsingfors und Kristiania hatten Abordnungen geschickt. Das Gesellschaftsjahr 1913 begann mit Kaisers Geburtstag. Es folgte im Februar eine Kinematographenvorstellung mit anschließendem Tanz. Im Juni wurde festlich des 25jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Wilhelms II. gedacht und die Offiziere des in Stockholm vor Anker gegangenen deutschen Kriegsschiffs „Hertha" wurden auf Hasselbacken zu einem Diner eingeladen. Der beim 50. Stiftungsfest inaugurierte Baufonds war mittlerweile bis auf fast 100.000 SEK angewachsen. Es erwies sich als nötig, für ihn eigene Satzungen abzufassen. Stiftungsfest im Spiegelsaal des Grand Hotel Seite 13
Am Vormittag des 18. Oktober 1913, des 100. Gedenktages der Völkerschlacht bei Leipzig, wurde von den beiden Vorsitzern der Deutschen Gesellschaft ein Kranz auf den Sarkophag König Karls XIV. Johan in der Riddarholmskyrka niedergelegt, der ja 1813 als Kronprinz mit seinen schwedischen Truppen im Norden von Leipzig mitgekämpft hatte. Hierbei wurden die Herren der Königin Viktoria, dem Kronprinzen Gustav Adolf und der Prinzessin Ingeborg vorgestellt; die Königin dankte für das durch die Kranzspende bekundete Interesse der Deutschen Gesellschaft. Am gleichen Abend feierte die Deutsche Gesellschaft die Erinnerung dieses Tages durch ein zahlreich besuchtes Festbankett auf Hasselbacken. Gesandter von Reichenau hielt die Festrede, die, wie es im Protokoll heißt, mit ihrem von heißer Vaterlandsliebe geprägten Inhalt und der dem Redner in so überreichem Maße eigenen kernigen Vortragsweise bei sämtlichen Anwesenden einen tiefen Eindruck hinterließ. Zur Dekoration des Saales war im Atelier des Dekorationsmalers C. Grabow ein großes Bild über das Denkmal angefertigt worden, das allgemeinen Beifall fand und bei späteren Gelegenheiten ebenfalls zur Anwendung kam. Um nach Möglichkeit alle in Stockholm ansässigen Deutschen bei diesem Fest zu sammeln, wurden die übrigen deutschen Vereine eingeladen. Der Einladung wurde zahlreich Folge geleistet, die Mitglieder des Gesangvereins „Frohsinn" unterhielten bei dem auf das Abendessen folgenden Bierkommers die Anwesenden durch Vortrag von vierstimmigem Männergesang und ernteten lebhaften Beifall. Der Gesellschaftsbetrieb des Jahres 1914 nahm den nun schon üblichen Verlauf, - im Januar Kaisergeburtstagsfeier, die regelmäßigen Gesellschaftsabende, im März Blumen für Königin Viktoria zu ihrem Namenstag -, da machte der Ausbruch des Ersten Weltkriegs alledem ein Ende. Schweden wurde zwar nicht in den Zusammenprall der Gewalten hineingezogen, nahm jedoch von allem Anfang an tätigsten Anteil an karitativem Wirken, und mit ihm und in ihm die Deutsche Gesellschaft. Gleich nach Kriegsbeginn wurden die aus Rußland ausgewiesenen und vertriebenen Deutschen auf ihrer Durchreise in die Heimat betreut. Eine freiwillige Zusammenkunft der Mitglieder am 19. August 1914 setzte Richtlinien auf, die dann der Vorstand bei seinen Beschlüssen, Maßnahmen und Anregungen strikt beobachtet hat. Aus dem Baufonds wurden 100.000 M Kriegsanleihe gezeichnet, dem Deutschen Roten Kreuz wurden 14.000 M überwiesen, für Soldaten- und Marineheime wurden über 25.000 M und für die Hinterbliebenennationalstiftung wurden etwa 150.000 M gesammelt. Man nahm sich warm der geretteten Besatzung des 1915 von den Russen bis an Gotlands Küste verfolgten Kreuzers „Albatros" an und bewirtete und beschenkte die deutschen Austauschinvaliden aus Rußland während eines längeren Aufenthaltes in Hallsberg. Man beteiligte sich auch 1917 an der Aktion des Erzbischofs Nathan Söderblom, Andachtsbücher den deutschen und österreichisch-ungarischen Gefangenen in Sibirien zukommen zu lassen. Bei all diesem Wirken durfte die Deutsche Gesellschaft auf warmes Verständnis von Seiten der Königin Viktoria rechnen. Es versteht sich von selbst, daß während des Krieges weder Kaisergeburtstagsfeiern noch Stiftungsfeste abgehalten wurden. Statt der Geburtstagsfeiern fanden einfache Essen statt, an denen neben den deutschen Diplomaten das eine oder andere Mal auch österreichisch-ungarische, türkische und bulgarische Diplomaten teilnahmen. Die Beträge, die sonst für die Stiftungsfeste der Gesellschaft verausgabt wurden, floßen nun der Kriegswohlfahrt zu. Von den 19 Gesellschaftsmitgliedern, die im deutschen Heer Kriegsdienst leisteten, sind drei den Heldentod gestorben. Im Jahre 1918 wurde der gesamte Vorstand der Gesellschaft anläßlich des Namenstages von Königin Viktoria in Audienz empfangen. So traurig und erschütternd das Ende des Ersten Weltkriegs für das deutsche Volk war, für die Deutsche Gesellschaft gab es in jenen trüben Herbsttagen des Jahres 1918 und im folgenden Notjahr 1919 alle Hände voll zu tun. Trotz dem ungeheuren Rückschlag für das Deutschtum im internationalen Seite 14
Leben, vermochte die Deutsche Gesellschaft zu Stockholm ihre soziale Stellung zu behaupten und brauchte damals keinen kritischen Engpaß zu passieren. Die Deutsche Gesellschaft konnte unverändert und unbeirrt ihre Vereins- und Vortragstätigkeit fortsetzen, zählte 1920 sogar 200 Mitglieder, eine nur dieses eine Mal erreichte Höchstzahl. Gesellschaftsabend im Grand Royal Selbstverständlich fand in der Nachkriegszeit angesichts der großen Not und der einsetzenden Geldentwertung in Deutschland die Hilfs- und Unterstützungswirksamkeit eine Fortsetzung. Man beteiligte sich an der Aktion, unterernährte deutsche Kinder in schwedischen Familien zur Erholung und Kräftigung unterzubringen, bedachte Erholungs- und Genesungsheime wie auch andere einschlägige Organisationen in Deutschland mit namhaften Spenden und beteiligte sich an der Volksspende für Kriegs- und Zivilgefangene mit 19.000 SEK. Weiterhin wurden finanziell gefördert der Verein für das Deutschtum im Ausland und die 1920 in Berlin gegründete Vereinigung zur Pflege der deutsch-schwedischen Beziehungen, die u. a. deutsche Gelehrte, wie Adolf von Harnack, Eltern von Schwedenkindern und in Berlin lebende Schweden als Mitglieder hatte. Im Zuge all dieses humanitären Wirkens entwickelte sich eine recht fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Deutschen Verein in Helsingfors, dem Deutschen Verein in Kristiania und dem Deutschen Club in Kopenhagen. Von 1919 an feierte man wiederum die Stiftungsfeste im Grand Hotel Royal, das bis auf die Jahre 1922-25 der Ort der regelmäßigen Zusammenkünfte war; zum Stiftungsfest des Jahres 1920 hatte man Elsa Brändström eingeladen, die jedoch wegen ihres schwerkranken Vaters leider verhindert war. Mitunter wurden da kleine Theaterstücke aufgeführt. Es bürgerten sich auch wieder zu Jahresende die Weihnachtsfeste für die Kinder der Mitglieder und die lustigen Eisbeinessen ein, die man gern beim Mitglied Ludwig Blievernich im Rådhusrestaurant absolvierte. Herbst 1924 wurde das erstemal der Alt-Herren-Abend gefeiert, der von da an eine ständige Einrichtung geworden ist; den 25 Jahre lang der Gesellschaft angehörenden Mitgliedern wurde da ein silberner Ehrenbecher überreicht. Am ersten Abend kamen nicht weniger als 17 Herren in Betracht, da damals viele schon länger als 25 Jahre Mitglied gewesen waren. Schließlich möge noch vermerkt werden, daß damals der Brauch Seite 15
aufgekommen ist, für Anfang November ein Martinsgansessen anzuberaumen, das gewöhnlich sehr gut besucht und meist mit einer Lotterie und Stiftungen zu wohltätigen Zwecken verbunden war. Von den in den 1920ger Jahren neu hinzugekommenen Mitgliedern seien namentlich erwähnt der neue katholische Bischof Johannes Erik Müller, der Vertreter von I. G. Farben Dr. Ing. Herbert Lickfett, der Vertreter von Friedrich Krupp Ludwig Bamberger, der Hotelier Paul Meier und der Bäckermeister Paul Fromme. Die Zusammenarbeit mit der neuen deutschen Gesandtschaft ließ sich von allem Anfang an vielverheißend an. Der erste Gesandte der Republik Rudolf Nadolny übernahm wie seine kaiserlichen Vorgänger den Ehrenvorsitz der Deutschen Gesellschaft. Seiner Initiative und seinen Bemühungen war es zu danken, daß sich die Feier des 50. Gründungstages des Deutschen Reichs zu einer unausgesprochenen Huldigung der Einheit des Reichs gestaltet hatte, die als wertvollstes Unterpfand die Katastrophe von 1918 überdauert hat. Die Gesandtschaft forderte alle deutschen Vereine Stockholms zur Teilnahme auf und versuchte, die Deutschen im allgemeinen durch Zeitungsinserate zu erfassen. Die Feier wurde in den Saal der Musikalischen Akademie verlegt, um allen Interessenten einen Platz zu sichern und dem äußeren Rahmen ein würdigeres Gepräge zu geben. Die Besucher kamen zu dieser Feier in besonders großer Zahl - eine deutliche Demonstration der Deutschen für ihre Heimat. Die Festansprache hielt der Gesandte, den Festvortrag der Presseattache der Gesandtschaft, Prof. Dr. Schubotz. Von 1921 an war die Reichsgründungsfeier am 18. Januar im großen Saal der Musikalischen Akademie ein alljährlich wiederkehrendes Ereignis für alle deutschen Vereine und alle Deutschen überhaupt in Stockholm. Nur gingen Vorbereitung und Veranstaltung der Feier von der Gesandtschaft auf die Deutsche Gesellschaft über. Von da an zeichneten sich die ersten Ansätze zur Bildung eines Dachgebildes für alle deutschen Vereine ab. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft, seit 1924 Generalkonsul Däumichen, begrüßte die Anwesenden namens aller deutschen Vereine; als Festredner fungierten u. a. Gelehrte von internationalem Ruf wie die Professoren Erich Marcks und Willy Andreas, und bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie Gouverneur a. D. Dr. Schnee. Die Festansprache hielt der deutsche Gesandte, seit 1925 Herr von Rosenberg, der auch wiederum den Ehrenvorsitz der Deutschen Gesellschaft übernommen hatte. Seit den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hatte die Deutsche Vereinigung mit zwei anderen deutschen Vereinen ein eigenes Lokal und bildete mit diesen einen Verband deutscher Vereine. Als die Deutsche Gesellschaft 1922 für drei Jahre vom Grand Hotel Royal nach dem Restaurant Rosenbad übergesiedelt war, wurde auch die Möglichkeit erörtert, das Lokal des Verbandes mitzubenutzen, man hielt dies jedoch für unangebracht. In Verhandlungen über einen organisatorischen Zusammenschluß der Stockholmer deutschen Vereine kam man vor allem deswegen nicht richtig weiter, weil die Deutsche Gesellschaft wegen ihres langen Bestehens und Ansehens es für nötig erachtete, daß ihr in dem Zusammenschluß eine ihr gebührende bevorzugte Stellung eingeräumt werde. Bei diesen Verhandlungen spielte der für Berliner Tageblatt und Frankfurter Zeitung wirksame Journalist Walter Singer eine wichtige Mittlerrolle, weil Singer Mitglied sowohl der Deutschen Gesellschaft als auch der Deutschen Vereinigung war. Am 8. Mai 1928 wurde der Ausschuß der Deutschen Vereine in Stockholm gegründet, in den neben der Deutschen Gesellschaft und der Deutschen Vereinigung noch acht Vereine ihre Vertreter entsandten und dem auch der Hauptpastor der Deutschen Gemeinde angehörte. Leiter des Ausschusses war der 1. Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft. Sehr bald kam als Name für diesen Zusammenschluß der Begriff Kolonie auf, der jedoch insofern falsche Vorstellungen erweckte, als dieser Ausschuß unabhängig von der deutschen Seite 16
Gesandtschaft und ohne die geringste Beeinflussung von Deutschland aus wirksam war. Dies sollte allerdings in den 1930ger Jahren um so mehr in Erscheinung treten. Nach den ersten Nachkriegsjahren war 1924 eine finanzielle und vereinsmäßige Konsolidierung der Deutschen Gesellschaft erreicht, das Absinken der Mitgliederzahl auf 140 war ein gesunder Prozeß, denn auch die Teilnahme an den regelmäßigen Gesellschaftsabenden hatte stark abgenommen. Im Gegensatz dazu traten Sonderveranstaltungen mit erfreulich hohen Besucherzahlen in den Vordergrund des Geschehens. Man lud Persönlichkeiten aus Deutschland zu öffentlichen Vorträgen ein. Der damalige Hamburger Privatdozent Walter Berendsohn sprach über Goethe und Strindberg. Zum Vortrag von Prof. Albert Dresdner über die Alte deutsche Stadt fanden sich auch schwedische Gäste ein; einer von ihnen, der Schriftsteller und Kunsthistoriker Carl Gustaf Laurin, äußerte sich in seinen Dankesworten sehr sympathisch in bezug auf die Deutsche Gesellschaft. Als einzige Dame in der ganzen Geschichte der Deutschen Gesellschaft sprach Frau Annie Dauthendey 1931 über die Werke ihres verstorbenen Mannes Max Dauthendey. Bezeichnend für das Ansehen, das die Deutsche Gesellschaft in den 1920ger Jahren genoß, sind die prominenten Besucher, die sie als ihre Gäste willkommen heißen durfte: Admiral Scheer, der Luftschiffkonstrukteur Hugo Eckener, die ehemaligen Reichskanzler Wilhelm Cuno und Hans Luther und der Schöpfer des Münchener Deutschen Museum Oskar von Miller. Oft boten die Besuche deutscher Kriegsschiffe Gelegenheit zu Sonderveranstaltungen. Im Jahre 1927 gab es im Februar einen Bockbierabend an Bord der “Nürnberg" und im Juni wurden deutsche Gelehrte auf Hasselbacken bewirtet und namens der Deutschen Gesellschaft von Prof. von Euler begrüßt. Die Gelehrten waren mit dem Tender ,,Hela" auf einer Studienreise durch die Ostsee unterwegs, unter ihnen befanden sich der Völkerrechtler Schücking, der Rektor der Hamburger Universität Nocht und der Bonner Historiker Schulte; die schwedische Vetenskapsakademi war mit einem Vertreter anwesend. Als dem deutschen Segelschulschiff “Niobe" 1928 in Saltsjöbaden ein Empfang bereitet werden sollte und 1929 ein deutsches Geschwader mit der “Schleswig-Holstein" als Flaggschiff Stockholm einen offiziellen Besuch abstattete, war es der Ausschuß der deutschen Vereine mit Herrn Däumichen an der Spitze, der als Gastgeber fungierte; zu Tee und Tanz im Stadshus erschienen 500 Offiziere und Mannschaften, im ganzen waren 1200 Personen zugegen. Der Vorsitzende der Stockholmer Stadtverordneten hatte sich auch eingefunden. Tags darauf gab es für besonders Geladene ein Bordfest auf dem Flaggschiff. Zum 70. Geburtstag König Gustavs V. am 16. Juni 1928 überwies der Verband deutscher Vereine dem Fonds zur Bekämpfung der Krebskrankheiten 4.500 SEK, zu welchem Betrag die Deutsche Gesellschaft allein 3.000 SEK beigesteuert hatte. Zum 7. August 1922, ihrem 60. Geburtstag, wurde Königin Viktoria ein Blumenarrangement von 60 roten Rosen dargebracht, und anläßlich ihres Hinscheidens am 4. April 1930 wurde dem König und dem Kronprinz drahtlich die tiefste Anteilnahme zum Ausdruck gebracht. Bei der Beerdigung in der Riddarholmskyrka legte Herr Däumichen namens des Verbandes der deutschen Vereine einen Kranz nieder. Des 80. Geburtstags des Reichspräsidenten von Hindenburg am 2. Oktober 1927 wurde durch eine Feier in der Musikalischen Akademie gedacht, bei der der damalige Berliner Generalsuperintendent Otto Dibelius die Festrede hielt. In den 1920-er Jahren war man mit Erfolg bemüht, den nun regelmäßig stattfindenden Stiftungsfesten neben dem Essen und dem Tanz auch noch einen anderen Inhalt zu geben. Das 60. Stiftungsfest 1922 bekam durch die Anwesenheit von Jakob Wassermann eine besondere Note, der aus eigenen Werken vorlas. Man war auch bemüht, prominente schwedische Gäste zu haben; zu den nicht nur einmal Erschienenen gehörten Oberst af Petersens und der Politiker und Seite 17
Bahnbrecher im schwedischen Versicherungswesen Sven Palme. Das Fest des Jahres 1928 wurde als ein Schubert-Abend gestaltet. In den Jahren 1929 und 1930 wurden von Gesellschaftsmitgliedern Theaterstücke aufgeführt. Wegen der zunehmenden Not in Deutschland und der auch in Schweden immer stärker werdenden wirtschaftlichen Stagnation wurde 1931 das Stiftungsfest bloß als ein Vortragsabend abgehalten. Der dadurch eingesparte Betrag wurde zuzüglich Spenden in Höhe von RM 1.230 der deutschen Winterhilfe überwiesen. Das 70. Stiftungsfest 1932 bot den über 200 Anwesenden neben Musikvorträgen und Rezitationen eine mit stürmischem Beifall aufgenommene Überraschung, nämlich das Theaterstück “Der Trostpreis", von dem damaligen Schatzmeister E. A. Bolle verfaßt und inszeniert und von Gesellschaftsmitgliedern aufgeführt; Herr Bolle selbst spielte die Rolle des Ehemanns. Die Bedeutung der Vortragenden und das Niveau der Vorträge ließen Ende der 1920-er Jahre manche der Abende als Ereignisse im Stockholmer Geisteslebens erscheinen. Anderseits klagte man aber, daß die Beteiligung der Gesellschaftsmitglieder selbst allerhand zu wünschen übrigließ. Man schlug daher vor, es sollten von Mitgliedern Vorträge mit anschließender Aussprache gehalten werden, es sollte mehr Interesse für allgemein wichtige Fragen gezeigt und vor allem sollte das Kartenspiel eingeschränkt werden. Herbst 1927 wurde eingehend darüber verhandelt, an einem der vier Gesellschaftsabende im Monat das Kartenspiel zu unterlassen. Der Beschluß von 1883 war schon längst vergessen und nicht beachtet worden. Für eine solche eindeutige Formulierung konnte keine Stimmenmehrheit erzielt werden, es wurde bloß beschlossen, einen der vier Abende im Monat so zu gestalten, daß er auch für Nichtspieler anregend sei. Um den Gesellschaftsbetrieb mannigfaltiger auszubauen, traf man sich hin und wieder zu Bunten- und zu Musikabenden mit Damen; einen der Musikabende machte Georg Kulenkampffs Kunst zu einem einzigartigen Genuß. Ende 1931 wurde beschlossen, sich auf zwei Gesellschaftsabende im Monat zu beschränken, eine Regelung, die hinfort ständig in Kraft blieb. Man war wohl der Überzeugung, daß die Erörterung allgemein interessierender Fragen das Leben der Gesellschaft vertiefen würde, aber zugleich hegte man die berechtigte Befürchtung, solche Erörterungen könnten innerhalb der Deutschen Gesellschaft schwer zu meisternde Gegensätze heraufbeschwören. Man befand sich an der Schwelle jener Periode der europäischen Geschichte, in welcher das Ringen politischer Weltanschauungen um das Individuum zuerst Unruhe in den Alltag gebracht und schließlich den Kontinent in einen grausigen Tummelplatz ungezähmter Gewalten verwandelt hat. Generalkonsul Däumichen bat Frühling 1931 die Generalversammlung der Deutschen Gesellschaft, von seiner Wiederwahl zum 1. Vorsitzenden abzusehen, nachdem er 21 Jahre im Vorstand verschiedene Ämter bekleidet hatte. Als sein Nachfolger wurde Herr Oskar von Hillern-Flinsch gewählt. Mit der Machtübernahme Adolf Hitlers am 30.1.1933 wurde in Deutschland eine neue Lage geschaffen, die allmählich auch außerhalb der Grenzen Auswirkungen zur Folge hatte. Zu dieser Zeit kam in Stockholm der Wunsch auf, in der Deutschen Kolonie, die ja in der Gestalt des Ausschusses der Deutschen Vereine ein bloß bei gesellschaftlichen Veranstaltungen in Erscheinung tretender Zusammenschluß aller Stockholmer Deutschen Vereine war, sämtliche hier lebenden Deutschen und Deutschstämmigen zusammenzufassen. Im Jahre 1935 wurden schließlich neue Satzungen festgelegt, nach denen an der Spitze der Kolonie ein Rat stand, der sich aus den Vorsitzern der angeschlossenen deutschen Vereine und dem Hauptpastor der St. Gertruds- Gemeinde zusammensetzte. Hiermit war also auch die Deutsche Gesellschaft in der Deutschen Kolonie vertreten und leistete dieser im Bedarfsfalle freiwillige Beiträge. Der schon seit Jahrzehnten wiederholt aufgetauchte Wunsch, alle Seite 18
deutschen Vereine in einem Hause mit gemeinsamer Bewirtschaftung unterzubringen, konnte nunmehr leichter verwirklicht werden. Es wurden im Hause Sveavägen 29 zwei Geschosse gemietet, zu dessen Miete die in der Kolonie zusammengefaßten Vereine beitrugen, falls sie nicht durch die Bewirtschaftung aufgebracht wurde. Das Kolonieheim wurde im Rahmen einer schwedischen Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 5.000 SEK handelsrechtlich eingetragen. Kapital und Inventar wurden durch Stiftungen und Geschenke seitens in Stockholm ansässiger deutscher Firmen und von Mitgliedern der Deutschen Kolonie beschafft. Am 11. Januar 1936 wurde das Kolonieheim eingeweiht. Das 75. Stiftungsfest wurde am 13. November 1937 festlich begangen. Einige Tage vorher wurden ein Aufruf für einen,, Jubiläumsfonds der Deutschen Gesellschaft" erlassen sowie die von Dr. Martin Tamsen verfaßte “Gedenkschrift zur Feier des 75jährigen Bestehens der Deutschen Gesellschaft in Stockholm 1937" verteilt und verschickt. Am Vormittag des Festtages wurde von Vorstandsmitgliedern am Grab der Königin Viktoria ein Kranz niedergelegt. König Gustav V. hatte man telegraphisch von dem Jubiläum Mitteilung gemacht. Das Fest wurde am Abend im Spiegelsaal des Grand Hotels mit einem von Dr. Michael verfaßten und von Zeremonienmeister E. A. Bolle gesprochenen Prolog eröffnet. Der Vorsitzende Dr. Tamsen begrüßte in einer Ansprache die Gäste, unter welchen sich befanden der Präsident der Stadtbevollmächtigten Stockholms I. 0. Johansson, Generalleutnant Thörnell, Dr. Sven Hedin, Kammarherre Greve von Essen sowie Vorstandsmitglieder der Stockholmer deutschen Vereine, des Deutschen Vereins in Helsingfors, der Deutschen Gesellschaften in Kopenhagen und Oslo und des Deutschen Klubs in Göteborg. Die Festansprache hielt Hauptpastor Ohly der Deutschen St. Gertruds- Kirche. Zu den Tönen des Kaiserwalzers wurde vom Königlichen Hofballett ein Ballett getanzt, worauf die Verlesung von Glückwunschtelegrammen folgte, als erstes dasjenige König Gustavs V. Vom 75. Stiftungsfest bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verlief das Gesellschaftsleben in ruhigen Bahnen; man veranstaltete die üblichen Skat- und Alt-Herren-Abende, ergötzte sich an Eisbeinessen, unternahm Sommerausflüge nach Drottningholm und nach Foresta auf Lidingö und traf sich entweder im Grand Hotel Royal oder im Kolonieheim. Die Mitgliederzahl hielt sich konstant um rund 130. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatte eine Stärkung des Zusammenhalts innerhalb der Deutschen Kolonie zur Folge, welcher durchaus natürlichen und zwangsläufigen Erscheinung sich die Deutsche Gesellschaft in keiner Weise verschloß. Sie hatte nun im Kolonieheim jeden Dienstag ihren Stammtisch und jeden Freitag einen gemeinsamen Lunch. Man beteiligte sich tatkräftig an Sammlungen und beging die Stiftungsfeste in bescheidenerem Rahmen ohne Tanz. Im Jahre 1941 sah man von der Feier des Stiftungsfestes ab und stellte vielmehr der Deutschen Kolonie 1.500 SEK für das Deutsche Rote Kreuz zur Verfügung. Die Stiftungsfeste dieser Jahre wurden als schlichte Familienabende im Kolonieheim begangen, wobei immer wieder erhebliche Beträge für Deutschland bereitgestellt werden konnten. Nach dem Ende des Krieges wurden die Aktien der Kolonieheim- Gesellschaft von der Deutschen Gesellschaft übernommen, das Heim wurde geschlossen und dessen Liquidation eingeleitet. Von der Aufstellung eines Haushaltsplans für das Geschäftsjahr 1945/46 wurde abgesehen, man beschloß vielmehr, bis auf weiteres jegliche gesellschaftliche Betätigung einzustellen. Der Vorstand des Geschäftsjahres 1944/45 wurde wiedergewählt. Am 1. Juni legten der stellvertretende ll. Vorsitzende und der stellvertretende Schriftführer von sich aus ihre Ämter nieder, so daß sechs Vorstandsmitglieder übrigblieben. Seite 19
Deutschlands völliger Zusammenbruch wirkte sich 1945 im Ausland ungleich katastrophaler als 1918 aus. Gemäß einer Verfügung der Alliierten legte Schweden Beschlag auf deutsches Kapital. Das etwa 75.000 SEK ausmachende Vermögen der Deutschen Gesellschaft wurde von amtswegen gesperrt, obwohl eine gesetzliche Berechtigung kaum vorlag, da es sich um Vermögen einer schwedischen Vereinigung handelte. Die einzige Veranstaltung des Geschäftsjahres 1945/46 war die am 9. April 1946 im Metropol abgehaltene Generalversammlung; anwesend waren außer den 6 Herren des Vorstands 18 Gesellschaftsmitglieder, eine der kleinsten und die unter den betrüblichsten Umständen abgehaltene Generalversammlung seit der Gründung der Gesellschaft. Trotz alledem waren diese 24 Herren eine Gewähr für die Lebenskraft und den Existenzwillen der Gesellschaft und ein Beweis für die Tatsache, daß diese Gesellschaft im Laufe ihres Bestehens wohl stark von den Geschicken der deutschen Heimat beeinflußt war und sich ihr geistig verbunden fühlte, daß sie jedoch gleichzeitig ein von der Heimat unabhängiges Eigenleben geführt hat. Der für das Geschäftsjahr 1946/47 gewählte Vorstand bestand bloß aus drei Mitgliedern: Vorsitzender, Schatzmeister und Schriftführer. Auf einer weiteren Generalversammlung am 14. Mai 1946 konnte die Mitteilung gemacht werden, daß die staatliche Untersuchung der Kapitalverhältnisse der Deutschen Gesellschaft ergeben hatte, daß bei ihr keine Anlagen vorhanden gewesen waren, die dem Flyktkapitalbyrå unterliegen. Ein Antrag auf Aufhebung der Kapitalsperre könne eingereicht werden. Weiterhin wurde hervorgehoben, daß die Deutsche Gesellschaft als eine schwedische Vereinigung anzusehen ist und daß ihr traditionelles Zusammenwirken mit der deutschen Gesandtschaft nichts mit ihrem schwedischen Charakter zu tun gehabt habe. Es wurde sofort beschlossen, dem Evangelischen Hilfswerk in Deutschland 3.000 SEK und der Stockholmer Deutschen Gemeinde für ihre Hilfsarbeit in Deutschland 1.000 SEK zukommen zu lassen. Das einstige Aktienkapital des Kolonieheims in Höhe von 5.000 SEK wurde dem Schwedischen Roten Kreuz zur Verfügung gestellt, und der bei Versteigerung des Inventars des Kolonieheims erzielte Erlös im Betrage von etwa 65.000 SEK wurde dem damaligen Vertreter des Evangelischen Hilfswerks, dem jetzigen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier, für das Hilfswerk übergeben. Im Herbst des Jahres 1946 setzte der regelmäßige Gesellschaftsbetrieb wiederum ein, aber in bescheidenstem Rahmen, ohne Stiftungsfest und ohne die sonst alljährlich abzuhaltenden besonderen Veranstaltungen, und zwar im Restaurant Metropol. Auch das Geschäftsjahr 1947/48 verlief noch in bescheidenstem Rahmen ohne die üblichen Veranstaltungen, nur stieg allmählich die Teilnehmerzahl bei den Gesellschaftsabenden, fanden ab und zu nach dem Essen Vorträge von Mitgliedern statt und konnte man vorübergehend in Stockholm zu Besuch weilende Herren aus Deutschland als Gäste begrüßen. Das einzige öffentliche Auftreten in diesem Geschäftsjahr bestand darin, daß eine Abordnung der Deutschen Gesellschaft zur Beisetzung von Elsa Brändström-Ulich, dem sibirischen Engel des Ersten Weltkriegs, einen Kranz niedergelegt hat. Für das Geschäftsjahr 1948/49 wurden neben dem l. Vorsitzenden, dem Schatzmeister und dem Schriftführer auch ein ll. Vorsitzender und ein Zeremonienmeister gewählt, so daß die Deutsche Gesellschaft wiederum unter Obhut eines größeren Vorstands stand. Nun fanden nach altem Brauch Herbst 1948 ein Eisbeinessen und ein Skatwettspiel sowie Frühling 1949 ein Alt-Herren-Abend statt. Was sich seit 1948 angebahnt hatte, eine allmähliche Genesung von den Nöten und Schlägen der Mitte der 1940ger Jahre, das wurde mit dem Geschäftsjahr 1949/50 eine Tatsache: die Deutsche Gesellschaft hatte sich nach innen und außen konsolidiert. Die Gesellschaftsabende waren von durchschnittlich 20 Mitgliedern besucht, mit Ausnahme des Stiftungsfestes fanden alle herkömmlichen Veranstaltungen statt. Herr Generalkonsul Max Däumichen wurde in Würdigung seiner außerordentlich wertvollen Verdienste um die Deutsche Gesellschaft sowie um das Stockholmer Deutschtum überhaupt Seite 20
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